Operative Techniken

Oper Orthop Traumatol 2017 · 29:107–114 P. Gierer · A. Wichelhaus · R. Rotter

DOI 10.1007/s00064-017-0490-z Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Abteilung für Unfall-, Hand- & Wiederherstellungschirurgie,
Eingegangen: 19. Juni 2016 Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
Überarbeitet: 14. Februar 2017
Angenommen: 14. Februar 2017
Online publiziert: 16. März 2017
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017 Die Olekranonfraktur
Redaktion
R. Babst, Luzern
Zeichner
R. Himmelhan, Mannheim

Vorbemerkungen
Olekranonfrakturen stellen mit etwa
10 % aller Frakturen an der oberen Ex-
tremität eine häufige Verletzung dar [16].
Obwohl es sich bei der Olekranonfraktur
nicht typischerweise um eine osteopo-
roseassoziierte Fraktur handelt, kann
diese Fraktur insbesondere beim alten
Menschen eine große Herausforderung
an den Chirurgen darstellen, da das
proximale Fragment häufig sehr klein
ist und die Knochensubstanz eine Be-
lastungsprobe für die osteosynthetische
Versorgung darstellt. Darüber hinaus
kommt dem Weichteilmanagement eine
besondere Bedeutung zu. Das durch den
Unfall ohnehin schon kontusionierte Ge-
webe über der proximalen Ulna wird im
Rahmen des operativen Zugangs noch-
mals geschädigt und bedarf besonderer
Aufmerksamkeit.
Als gebräuchliche Klassifikationen
sind die Mayo-, AO- (Arbeitsgemein-
schaft für Osteosynthesefragen) und
Schatzker-Klassifikation zu nennen [9,
10, 12]. Die Autoren verwenden selbst
die Schatzker-Klassifikation, da aus die-
ser direkt Empfehlungen für die Art
der operativen Therapie abgeleitet wer-
den können. Unterschieden werden
6 Subtypen, wobei die Typen A und B
intraartikuläre Querfrakturen mit und
ohne Trümmerzone, die Typen C und D
intraartikuläre Schrägfrakturen mit und
ohne Trümmerzone repräsentieren. Der
Subtyp E bildet distale Schrägfrakturen
ab, welche distal der Incisura trochlearis
beginnen und enden. In der Gruppe F
werden Frakturen mit Luxationskompo-
nente und begleitender Fraktur des Ra-
diuskopfs zusammengefasst (. Abb. 1).

Abb. 1 8 Schatzker-Klassifikation der Olekranonfraktur. a Einfache Querfraktur („transverse“). b Querfraktur mit Gelenkfrag-
ment(„transverseimpacted“).cProximaleSchrägfraktur(„oblique“).dSchrägfrakturmitEinbruchderGelenkflächeundAbriss
des Processus coronoideus („comminuted“). e Distale Schrägfraktur („distal oblique“). f Olekranonfraktur mit Radiuskopffrak-
tur und humeroulnarer Luxation („fracture dislocation“; [12])

Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017 107

 Operative Techniken
Abb. 2 8 Bado-Klassifikation der Monteggia-Fraktur: Typ I Luxation des Radiuskopfs nach ventral,
Typ II Luxation des Radiuskopfs nach dorsal, Typ III Luxation des Radiuskopfs nach lateral, Typ IV proxi-
male Unterarmschaftfraktur mit Luxation des Radiuskopfs [1, 8]
Für die Luxationsfrakturen stellt die
Bado-Klassifikation (. Abb. 2) mit der
Subklassifikation des Typ II nach Jupiter
(. Abb. 3) die geeignetere Einteilung dar
[1, 7].
Operationsprinzip und -ziel
Aufgrund der Zugbelastung durch
die Trizepssehne, stellt die Osteo-
synthese der Olekranonfraktur in
der überwiegenden Zahl der Fälle
die Therapie der Wahl dar. Ziel der
Operation ist die Wiederherstellung
eines stabilen Gelenks mit kongru-
enter Gelenkfläche und korrektem
Drehzentrum. Nach Möglichkeit
sollte eine sofortige postoperative
Übungsstabilität angestrebt wer-
den. In diesem Beitrag wird auf zwei
mögliche Osteosynthesetechniken
eingegangen. Zum einen die Zuggur-
tungsosteosynthese, zum anderen
108 Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017
die dorsale Plattenosteosynthese.
Letztere kann sowohl mit konventio-
nellen Schrauben-/Plattensystemen,
als auch winkelstabilen Schrauben
in Kombination mit anatomisch vor-
geformten Platten durchgeführt
werden. Für die Zuggurtung bie-
ten sich einfache Querfrakturen
(Schatzker A) und kurze Schrägfrak-
turen (Schatzker C) an. Langstreckige
Schrägfrakturen (Schatzker E) und
Frakturen mit Trümmerzone (Schatz-
ker B und D) werden stabiler mit
einer Plattenosteosynthese versorgt.
Vorteile
4 Die operative Versorgung von Ole-
kranonfrakturen erlaubt eine ana-
tomische Wiederherstellung der
proximalen ulnaren Gelenkfläche.
4 Die Zuggurtungsosteosynthese er-
möglicht eine übungsstabile Versor-
gung bei – im Normalfall – kurzer
Operationszeit und geringem Lage-
rungsaufwand.
4 Instabile Mehrfragmentfrakturen
können mit Hilfe der Plattenos-
teosynthese primär übungsstabil
versorgt werden.
Nachteile
4 Schlechte Weichteildeckung über
dem Olekranon mit dem Risiko der
Wundheilungsstörung
4 Hautirritationen durch die pro-
minente Implantatlage führen im
Verlauf häufig zur Notwendigkeit der
Implantatentfernung.
Indikation
4 Alle Olekranonfrakturen beim Er-
wachsenen, sofern keine Kontraindi-
kationen vorliegen
Kontraindikation
4 Ausgedehnte, ggf. infizierte ober-
flächliche Abschürfungen und Kon-
tusionsmarken
4 Schwere Allgemeinerkrankungen
mit inakzeptablem Operations- bzw.
Narkoserisiko
4 Vorbestehende Funktionslosigkeit
der Extremität
4 Wunsch des Patienten
Patientenaufklärung
4 Allgemeine Operationsrisiken
4 Postoperative Bewegungseinschrän-
kungen, insbesondere der Streckung
4 Nervenläsion: Der N. ulnaris liegt
in unmittelbarer Nachbarschaft
des operativen Zugangswegs und
kann direkt bzw. indirekt geschädigt
werden.
4 Periartikuläre Verkalkungen
4 Wundheilungsstörungen: Der Weich-
teilmantel dorsal über dem Olekra-
non ist besonders bei schlanken,
älteren Patienten sehr fragil und
anfällig für Wundheilungsstörungen;
daraus können Folgeoperationen
mit aufwändiger Weichteildeckung
resultieren.

4 Spongiosaplastik bzw. Einsatz von
Knochenersatzmaterial bei Impressi-
onsfrakturen mit Knochendefekten
4 Störende Implantate mit der Notwen-
digkeit der späteren Implantatentfer-
nung
Operationsvorbereitungen
4 Röntgenaufnahme des Ellenbogens
in 2 Ebenen
4 Eine Computertomographie (CT)
des Ellenbogens ist nur in Ausnah-
mefällen notwendig, kann jedoch
bei multifragmentären Frakturen
wertvolle Zusatzinformationen lie-
fern und ist in diesen Fällen auch zu
empfehlen. Wenn eine CT des Ellen-
bogens durchgeführt wird, ist darauf
zu achten, dass eine Rekonstruktion
in exakt sagittaler und koronarer Ebe-
ne zur Ulnaschaftachse erfolgt sowie
eine dreidimensionale Rekonstrukti-
on unter Subtraktion des Humerus.
Die Nativschichten alleine sind oft
nur schwer interpretierbar.
4 Klassifikation der Fraktur und Wahl
des Osteosyntheseverfahrens
Instrumentarium
4 Grundinstrumentarium für Osteo-
synthesen einschließlich Repositions-
zangen und einer Bohrmaschine mit
Schnellspannfutter für das Einbrin-
gen von Kirschner-Drähten. Darüber
hinaus werden unterschiedliche
Weichteilretraktoren benötigt.
4 Zuggurtungsosteosynthese: Kirsch-
ner-Drähte der Stärke 2 mm, Zer-
klagedraht 1–1,25 mm, Flachzange,
Stößel, kleiner Hammer
4 Konventionelle Plattenosteosynthese:
LC-DCP-Platte („limited contact
dynamic compression plate“) mit
3,5-mm-Schrauben, Plattenbiege-
instrumentarium (DePuy Synthes,
Umkirch, Deutschland)
4 Winkelstabile, anatomische Platten-
osteosynthese: LCP-Plattensystem
(„locking compression plate“) mit
3,5-mm- und 2,7-mm-Schrauben,
anatomisch vorgeformte Platten (De-
Puy Synthes, Umkirch, Deutschland)
Zusammenfassung · Abstract
Oper Orthop Traumatol 2017 · 29:107–114
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017
P. Gierer · A. Wichelhaus · R. Rotter
Die Olekranonfraktur
Zusammenfassung
Operationsziel. Olekranonfrakturen sind die
häufigsten Frakturen am Ellenbogengelenk
bei Erwachsenen. Durch die Dislokationskraft
der Trizepssehne ist die Osteosynthese
in der überwiegenden Zahl der Fälle die
Methode der Wahl. Ziel der Operation ist es,
die Gelenkfläche wiederherzustellen und das
Drehzentrum zu rekonstruieren.
Indikationen. Alle Olekranonfrakturen ohne
Kontraindikationen.
Kontraindikationen. Infektionen und
schwere Weichteilverletzungen.
Operationstechnik. Dorsaler Zugang
zum Ellenbogengelenk unter radialer
Umschneidung des Olekranons in Bauchlage.
Frakturreposition und Zuggurtungs- oder
Plattenosteosynthese in Abhängigkeit der
Frakturmorphologie.
Fractures of the olecranon
Abstract
Objective. Fractures of the olecranon are
the most common fractures of the elbow
in adults. Due to the dislocating force of
the triceps muscle, internal fixation is the
treatment of choice.
Indications. All fractures of the olecranon
without contraindications.
Contraindications. Infection and severe soft
tissue damage.
Surgical technique. Dorsal approach to
the olecranon with the patient in a prone
position. Open reduction and internal fixation
with tension band wiring or plate fixation
according to fracture pattern.
Anästhesie und Lagerung
4 Der Eingriff kann sowohl in Allge-
mein- als auch in Regionalanästhesie
durchgeführt werden. Bei Regional-
anästhesie und Bauchlage kann diese
für den Patienten sehr unangenehm
werden, wenn aufwändige Rekons-
truktionen der proximalen Ulna eine
längere Operationszeit erfordern.
4 Die Operation kann in Rücken-,
Seiten-, oder Bauchlage durchgeführt
werden. Wir bevorzugen üblicher-
weise die Bauchlage mit seitlich, über
DOI 10.1007/s00064-017-0490-z
Weiterbehandlung. Behandlungsziel ist
eine übungsstabile Osteosynthese. Die
Nachbehandlung erfolgt frühfunktionell ohne
Last für 6–8 Wochen; volle Belastung nach
Frakturheilung.
Ergebnisse. Die Studienlage zur operativen
Versorgung von Olekranonfrakturen ist
qualitativ schwach. Es werden jedoch, unab-
hängig von der Art der osteosynthetischen
Versorgung, funktionell überwiegend gute
und sehr gute funktionelle Ergebnisse
erzielt. Eine Implantatentfernung ist häufig
notwendig.
Schlüsselwörter
Olekranon · Osteosynthese, Fraktur ·
Operationstechnik · Frakturfixierung ·
Osteoporose
Postoperative management. Treatment
goal is early functional mobilization. No load
bearing allowed for 6–8 weeks; full load
bearing is allowed after fracture healing.
Results. The quality of published studies
concerning the surgical treatment of
olecranon fractures is poor. Published
functional results are predominantly good
and excellent. Hardware removal was often
required.
Keywords
Olecranon · Osteosynthesis, fracture · Surgical
technique · Fracture fixation · Osteoporosis
einen „Mini-Armtisch“ herunter-
hängendem Arm und 90°-Beugung
im Ellenbogengelenk. Für Platten-
osteosynthesen und Mehrfragment-
frakturen ist diese Lagerung generell
zu empfehlen. Einfache Frakturen,
geplant für eine Zuggurtungsos-
teosynthese, können problemlos in
Rückenlage operiert werden. Dabei
wird der Arm frei beweglich abge-
deckt und für den Eingriff auf den
Oberkörper gelegt.
Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017 109
 Operative Techniken

Abb. 3 9 Subklassifikati-
on der Monteggia-Fraktur
vom Typ II (Bado) nach Ju-
piter: Typ II A intraartikuläre
Olekranonfraktur mit Frak-
tur des Processus coronoi-
deus, Typ II B extraartikulä-
re Olekranonfraktur ohne
Beteiligung des Processus
coronoideus, Typ II C einfa-
che proximale Ulnaschaft-
fraktur, Typ II D proximale
Ulnaschaftmehrfragment-
fraktur [7, 8]

110 Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017

Operationstechnik
(. Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9)
Abb. 4 8 Der Zugang erfolgt dorsal, 3–4 cm
kranial der Olekranonspitze beginnend, unter
radialer Umschneidung der selbigen und folgt
dann nach distal der dorsalen Ulnakante. Bei
der Präparation der Weichteile nach ulnarseitig,
ist der entstehende Haut-/Subkutislappen un-
bedingt vor zu starkem Hakenzug zu schützen,
da Nekrosen in diesem Hautareal sofort zu frei-
liegenden Osteosyntheseimplantaten führen
können und nur aufwändig sekundär zu decken
sind. Zur Darstellung der Fraktur wird knochen-
nah nach ulnar und radial präpariert (M. flexor
carpi ulnaris, M. anconeus). Ist eine Erweiterung
des Zugangs notwendig, kann die Gelenkkapsel
radialseitig eröffnet werden
Abb. 5 8 Interponierende Weichteile (z.B. Peri-
ost) und Pannusgewebe werden aus dem Frak-
turspalt entfernt, sodass eine stufenlose Reposi-
tion der Fraktur möglich ist. Bei einfachen Frak-
turen ist das Repositionsergebnis problemlos
an der dorsalseitigen Kortikalis zu referenzie-
ren. Liegt eine interfragmentäre Trümmerzo-
ne vor (Schatzker B), muss das Imprimat zuvor
durch Aufklappen des Frakturspalts dargestellt
und gesondert reponiert werden. Insbesonde-
re beim osteoporotischen Knochen ist an dieser
Stelle eine Unterfütterung des Imprimats mit
Spongiosa oder Knochenersatzmaterial not-
wendig. Die Reposition kleinerer Gelenkfrag-
mente gelingt häufig auch unter Einbezug der
Trochlea humeri als „Repositionsschablone“.Das
Repositionsergebnis wird mit einem Einzinker-
haken oder einer Repositionszange gehalten.
Für die Fixierung der Repositionszange im dis-
talen Anteil der Ulna ist es hilfreich, ein kleines
Loch mit einem Bohrer der Stärke 2,0–2,5 mm
anzulegen, um dort die Repositionszange anzu-
setzen. Anschließend werden 2 Kirschner-Dräh-
te (2,0 mm) exakt parallel am Ansatz der Sehne
des M.triceps indie Ulnaeingebracht.DieDrähte
sollten so nahe wie möglich entlang der ulnaren
Gelenkfläche platziert werden und die Gegen-
kortikalis der Ulna ventral perforieren [6, 13]. Der
Widerstand der Gegenkortikalis ist beim Ein-
bringen der Drähte üblicherweise merklich zu
spüren. Es ist darauf zu achten, dass die Spitzen
der Kirschner-Drähte nicht das Radioulnarge-
lenk tangieren
Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017 111
 Operative Techniken

Abb. 6 8 Im distalen Fragment wird ein queres 2,0-mm-Bohrloch angelegt. Der Abstand des Bohr-
lochs zur Kortikalis sollte ca. 1 cm und zur Fraktur ca. 3–4 cm betragen. Anschließend wird ein Zerkla-
gedraht der Stärke 1,0–1,25 mm in einer Achtertour durch das Bohrloch und um die Kirschner-Drähte
herumgeführt und verzwirbelt. Dies geschieht unter leichtem Zug am Draht. Um eine knochennahe
Lage des Drahts zu gewährleisten, kann dieser mit einer großlumigen Kanüle unter dem Trizepsseh-
nenansatz hindurchgeführt werden. Das Anspannen des Quirls erfolgt unter kontinuierlichem Zug mit
einer Flachzange. Alternativ besteht die Möglichkeit, den Draht auf beiden Seiten der Achtertour mit
einem Quirl zu versehen, um bei gleichzeitigem Anspannen eine gleichmäßigere Druckentwicklung
aufzubauen. Eine Überlegenheit dieses Vorgehens ist uns jedoch nicht bekannt [13]

Abb. 7a,b 8 Der fertig angespannte Quirl wird gekürzt und umgebogen. Günstiger Weise wird der
Quirl proximal, in der Nähe der Kirschner-Drähte platziert, um im Rahmen einer Implantatentfernung
leichteraufgefundenzu werden.Die Kirschner-Drähte werdenumgebogenundgekürzt,anschließend
nach kranial ausgerichtet und mit einem Stößel in den Weichteilen versenkt. Die Zuggurtungsosteo-
synthese ist unmittelbar postoperativ als übungsstabil anzusehen

112 Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017

Abb. 8 8 Zugang und Reposition erfolgen in Analogie der zuvor beschriebenen Zuggurtungsosteosynthese. Eine 3,5-mm-
LC-DCP-Platte wird mit den Biegeeisen auf Höhe des vorletzten Plattenlochs der Form des Olekranons angepasst. Um die Plat-
te korrekt knochennah zu positionieren, muss der Ansatz der Trizepssehne längs gespalten und der umgebogene Plattenteil
dem Olekranon angelegt werden. Eine störende Repositionszange wird vor diesem Arbeitsschritt durch zwei temporär ein-
gebrachte Kirschner-Drähte ersetzt. Anschließend wird zunächst das proximalste Loch der Platte mit einer intramedullär ver-
laufenden Schraube besetzt. Wir verwenden hier eine 3,5-mm-Kortikalisschraube. Diese führt zum einen zu einer korrekten
Plattenlage, zum anderen ist die Fraktur häufig alleine mit dieser Schraube bereits so weit stabilisiert, dass störende Repo-
sitions- und Retentionshilfsmittel zu diesem Zeitpunkt entfernt werden können (a). Die Osteosynthese wird vervollständigt
durch mindestens drei bikortikale Schrauben im distalen Fragment und mindestens durch eine weitere proximale Schraube,
welche günstiger Weise ebenfalls bikortikal durch das zweite Plattenloch proximal in ihrer Verlaufsrichtung analog zu den Kir-
schner-Drähten der Zuggurtung eingebracht wird (b). Auch bei dieser Schraube ist daraufzu achten, dass die Schraubenspitze
nicht das Radioulnargelenk kompromittiert

Abb. 9a,b 8 Eine Plattenosteosynthese mit winkelstabilen Implantaten kommt insbesondere beim Vorliegen ausgedehnter
Trümmerzonen oder einer begleitenden schweren Osteoporose zum Einsatz. Durch die präformierte Plattenbiegung muss
meist keine zusätzliche Anpassung vorgenommen werden. Die Platte wird nach den eingangs erwähnten Zugangs- und Re-
positionsschritten an die Ulna angelegt und zunächst im Schaftbereich mit einer konventionellen 3,5-mm-Schraube durch
das längsovale Loch der Platte am Schaftfragment befestigt. Die Platte kann nun in kraniokaudaler Richtung noch verscho-
ben und angepasst werden. Anschließend erfolgt die Fixation der Fraktur im proximalen Fragment mit 2,7-mm-Schrauben
und distal mit winkelstabilen 3,5-mm-Schrauben. Es ist darauf zu achten, die Schrauben nur mit dem vorgeschriebenen Dreh-
moment festzuziehen. Insbesondere bei Frakturen des osteoporotischen Knochens und multifragmentärer Fraktursituation
kann der Zug der Trizepssehne am proximalen Fragment, trotz korrekt anliegender Osteosynthese, Ursache für eine sekun-
däre Fragmentdislokation sein. In diesen Fällen empfehlen wir eine zusätzliche Zuggurtungsnaht durch den distalen Anteil
derTrizepssehne andie Platte,um die ZugkräfteaufdenKnochenzu neutralisieren.WirverwendenhiereinenFibreWire-Faden
(Arthrex, München, Deutschland)

Postoperative Behandlung reizlose Wundheilung zu fördern. 4 Die physiotherapeutische Übungsbe-

4 Ziel der Operation ist die unmittel-
bare Übungsstabilität. Es empfiehlt
sich, für die ersten 5 Tage eine Gips-
bzw. Castschiene anzulegen, um eine
Es ist jedoch bei der Schienenanlage
sorgfältig auf eine ausreichende Pols-
terung zu achten; Druckstellen sind
unbedingt zu vermeiden.
handlung kann ab dem 1. postope-
rativen Tag aus der Schiene heraus
erfolgen.
4 Bei ausgedehnten Trümmerfrakturen
und schwerem Weichteilschaden so-

Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017 113

 Operative Techniken
wie einer ausgeprägten Osteoporose
kann in Einzelfällen eine längere
Ruhigstellung notwendig sein.
Fehler, Gefahren, Komplikatio-
nen
4 Die häufigsten Komplikationen sind
durch die Osteosynthese selbst zu
erwarten. Schrauben und Kirschner-
Drähte der Zuggurtung, welche das
Radioulnargelenk tangieren, führen
zu Bewegungseinschränkungen, vor
allem bei der Umwendbewegung.
Eine intraoperative Prüfung der
Beweglichkeit inklusive der Um-
wendbewegung sollte unbedingt
nach Abschluss der Osteosynthese
durchgeführt werden. Es ist darauf
zu achten, dass die tangential zur
ulnaren Gelenkfläche eingebrachten
Kirschner-Drähte oder Schrauben
diese nicht perforieren.
4 Bei der intraoperativen Röntgen-
durchleuchtung ist auf eine streng
seitliche Einstellung zu achten, da
eine intraartikuläre Lage ansonsten
nicht sicher ausgeschlossen werden
kann.
4 Ein Implantatversagen der Zuggur-
tungsosteosynthese ist häufig auf eine
falsche Durchführung bzw. falsche
Indikation für dieses Osteosynthese-
verfahren zurückzuführen.
Ergebnisse
Nach operativer Versorgung einer Ole-
kranonfraktur werden in der Literatur,
unabhängig von der Art der Osteosyn-
these, überwiegend sehr gute funktionel-
le Ergebnisse berichtet. Einschränkungen
in der Beweglichkeit des Ellenbogenge-
lenks verbleiben am ehesten als residua-
les Streckdefizit [16]. In einer Multizen-
terstudie mit 182 eingeschlossenen Pati-
enten wurde ein halbes Jahr nach Plat-
tenosteosynthese einer Olekranonfrak-
tur ein mittlerer DASH-Score von 10,1 ±
16 erhoben, was einem guten funktio-
nellen Ergebnis entspricht [3]. Auch in
dieser Studie wurde ein Streckdefizit von
über 10° bei mehr als 39 % der Pati-
enten zum Nachuntersuchungszeitpunkt
gemessen. Inwieweit die nichtoperative
Behandlung überhaupt eine Alternative
114 Operative Orthopädie und Traumatologie 2 · 2017
darstellt, ist aus der gegenwärtigen Stu-
dienlage nicht zu beantworten und ist
Gegenstand einer prospektiv randomi-
sierten Multizenterstudie (SOFIE), deren
Ergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt nicht
vorliegen [14]. Eine aktuelle Metaanaly-
se unter Einbeziehung von 31 Arbeiten
mit insgesamt 1284 Patienten konnte zei-
gen, dass zur Art der operativen Versor-
gung von Olekranonfrakturen eine quali-
tativ schlechte Studienlage vorliegt. Ins-
besondere zur Rate von „delayed uni-
on“ bzw. Pseudarthrosen konnte in die-
ser Untersuchung keine klare Aussage ge-
troffen werden. Andere Autoren berich-
ten über Pseudarthrosenraten zwischen
6 und 20 % unabhängig von der ver-
wendeten Osteosynthesetechnik [11, 15].
Eine Überlegenheit eines Osteosynthese-
verfahrens konnte nicht herausgearbeitet
werden, jedoch war bei einem Drittel aller
Patienten aufgrund störender Implantate
die Entfernung notwendig [5]. Eine retro-
spektive Untersuchung von DelSole et al.
konnte in einem Kollektiv von 48 Pati-
enten keinen wesentlichen Unterschied
zwischen Zuggurtungs- und Plattenos-
teosynthese zeigen. Lediglich die Dauer
bis zur vollständigen knöchernen Durch-
bauung war mit durchschnittlich 19 Wo-
chen signifikant länger nach Stabilisie-
rung mit Platte [4]. Auch Tarallo et al.
konnten exzellente und gute Ergebnis-
se sowohl mit Zuggurtungs- als auch
Plattenosteosynthesen in ihrem Patien-
tenkollektiv erzielen [15]. Kritisch sollte
jedoch in Zukunft die biomechanische
Vorstellung betrachtet werden, dass die
Zuggurtungsosteosynthese in der Lage
sei, Zugkräfte in Druckkräfte im Frak-
turspalt umzuwandeln. In einem experi-
mentellen Studiendesign konnten diese
Druckkräfte im Frakturspalt nur in ei-
nem äußerst begrenzen Umfang nachge-
wiesen werden und sollten nicht als Be-
gründung für eine forcierte aktive Nach-
behandlung herangeführt werden [2].
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. P. Gierer
Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Abteilung für
Unfall-, Hand- & Wiederherstellungschirurgie,
Universitätsmedizin Rostock
Schillingallee 35, 18057 Rostock, Deutschland
philip.gierer@med.uni-rostock.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. P. Gierer, A. Wichelhaus und
R. Rotter geben an, dass kein Interessenkonflikt be-
steht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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