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Bandverletzungen des Ellenbogengelenks

&
n Heinz Kusche, Peter Gutsfeld, Volker Bühren

Das Humeroulnargelenk stellt den we-


sentlichen Stabilisator gegen Varusinsta-
Zusammenfassung Ligament Lesions of the Elbow Joint
bilität in Streck- und Beugestellung dar,

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Bandverletzungen des Ellenbogenge- Ligament lesions of the elbow joint are unterstützt wird dieses ligamentär durch
lenks sind meist Folge eines Luxations- mostly caused by dislocations. Simple den LCL-Komplex. Die Stabilisierung ge-
ereignisses. Einfache Luxationen ohne dislocations without major collateral gen Valgusinstabilität erfolgt in gleichbe-
wesentliche Begleitverletzungen ha- damage always lead to a rupture of deutenden Anteilen durch den medialen
ben immer eine Ruptur des radialen the radial ligamental structures. After Bandkomplex, die ventrale Kapsel und
Bandapparats zur Folge und heilen closed reduction and non-operative die knöchernen Strukturen. Hierbei liegt
konservativ, meist folgenlos, nach treatment most injuries heal without der Anteil des Radiusköpfchens an der
Reposition aus. Mit zunehmender any consequences. With increasing se- Stabilisierung gegen Valgusinstabilität
Schwere des Traumas und Komplexi- verity of the trauma and the associated bei 30 %, er erhöht sich durch Rupturen
tät der Verletzung mit weiteren, oft complexity of the injury, which fre- des MUCL auf ca. 75 %. Einen wesent-
knöchernen Begleitpathologien, steigt quently also involves bone lesions, the lichen Stabilisator gegen nach dorsal
die Rate an unbefriedigenden Aushei- rate of unsatisfactory outcomes in- gerichtete Kräfte stellt der Processus co-
lungsergebnissen. Aus diesem Grund creases. Therefore a correct diagnosis ronoideus dar. Als dynamische Stabilisa-
ist eine subtile Diagnostik und Klassi- and classification of the severity of toren wirken die gelenkübergreifenden
fizierung der Verletzung mit stadien- the injury is essential. A correct, clas- Muskeln M. biceps, M. triceps, M. bra-
gerechter Therapie von entscheiden- sification-based treatment strategy is chialis und der M. anconaeus.
der Bedeutung. Um die gefürchteten essential. The goal of the treatment is
Arthrofibrosen des Gelenks zu vermei- to create a stable and correctly articu-
Diagnostik
den, ist das Ziel der Behandlung, ein lating joint. This is the precondition
stabil geführtes, kongruentes Gelenk for early functional rehabilitation to Klinische Untersuchung
zu schaffen, um eine frühzeitige Bewe- prevent arthrofibrosis of the elbow
gungstherapie einleiten zu können. joint. Die klinische Untersuchung gibt Hinwei-
se über das Verletzungsbild, insbeson-
dere Luxationsereignisse können durch
eine auffällige Konturveränderung und
Therapieoptionen sind ausschlaggebend Funktionseinschränkung des Gelenks
Einleitung
für den positiven Verlauf der Behandlung. festgestellt werden. Die Untersuchung
Ellenbogenluxationen stellen die zweit- sollte eine Befunderhebung der an-
häufigste Luxationsform, beim Heran- grenzenden Gelenke, insbesondere des
Hauptteil
wachsenden die häufigste Luxation des Handgelenks, einschließen, um bspw.
Bewegungsapparats dar. Sie treten mit Anatomie eine Essex-Lopresti-Läsion mitzuerfas-
einer Inzidenz von 6–13/100 000 Ein- sen. Palpationsschmerz über dem Kolla-
wohner auf, werden am häufigsten als Das Ellenbogengelenk wird knöchern teralbandverlauf und den exponierten
Folge von Sportunfällen diagnostiziert. aus dem Humeroulnargelenk als Schar- knöchernen Strukturen kann Hinweise
Chronische Instabilitäten können aus niergelenk, dem Humeroradialgelenk als auf Läsionen im entsprechenden Bereich
einer nicht suffizienten Primärtherapie Kugelgelenk und dem proximalen Radio- liefern. Eine wesentliche Bedeutung
resultieren und erfordern aufwändige ulnargelenk gebildet. Der Bandapparat kommt der Evaluierung evtl. Gefäß-Ner-
und technisch schwierige sekundäre Re- wird radial als lateraler Komplex (LCL) ven-Schädigungen zu. Verletzungen der
konstruktionen. Die Kenntnis der anato- durch folgende 4 Strukturen gebildet: A. brachialis werden mit einer Häufigkeit
mischen Gegebenheiten, der möglichen Das radiale Kollateralband (RCL), das la- von 0,47 %, entsprechend bei etwa jeder
Pathologien und des Spektrums der terale ulnare Seitenband (LUCL), das Lig. 200. Luxation des Ellenbogens, beschrie-
sinnvollen konservativen und operativen anulare radii und das akzessorische late- ben. Wegen guter Kollateralkreisläufe
rale Seitenband. Der mediale (ulnare) kann eine ausreichende Perfusion des
Bandkomplex (MCL) besteht mit dem Unterarms, trotz Verletzung der A. bra-
kräftigen anterioren Bündel, dem poste- chialis, möglich sein. Bei fraglichen
OP-JOURNAL 2012; 28: 48–56 rioren und dem transversalen Bündel Befunden mit Verdacht auf Gefäßschä-
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York aus 3 Anteilen (Abb. 1). digung sollte unverzüglich eine ent-
DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0031-1298490 sprechende Gefäßdarstellung erfolgen.

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OP-JOURNAL 1/2012

Lig. anulare anteriorer Strang

Lig. collaterale accessorius

posteriorer
Strang

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Lig. transversum
Lig. collaterale
radiale
Lig. collaterale ulnare
a b

Abb. 1 a und b a Radialer Bandapparat (aus: Miller, Howard, Plancher. Operationsatlas Sportorthopädie – Sporttraumatologie. 2003. S. 413. Mit
freundlicher Genehmigung des Elsevier Verlags, Oxford). b Ulnarer Bandapparat (aus: Miller, Howard, Plancher. Operationsatlas Sportorthopädie –
Sporttraumatologie. 2003. S. 420. Mit freundlicher Genehmigung des Elsevier Verlags, Oxford).

Motorische oder sensible Einschränkun- gebenenfalls ist eine Gefäßdarstellung bei positivem Testergebnis bei etwa 40°
gen sollten vor Durchführung diagnosti- mittels CT-Angiografie im Rahmen der Beugung ein Subluxationsphänomen,
scher und therapeutischer Maßnahmen Untersuchung sinnvoll. Die Indikation welches sich bei weiterer Beugung durch
subtil erfasst und dokumentiert werden. zur Gefäßdiagnostik sollte großzügig ein spürbares Schnappen reponiert
So wurden bei kindlichen Ellenbogenlu- gestellt werden, eine einfache und kos- (Abb. 2).
xationen Irritationen des N. ulnaris in tengünstige Methode stellt hierzu die
bis zu 21 % der Fälle beschrieben, Beein- Doppler-Sonografie dar. Die Kernspinto-
Einteilung/Klassifikationen
trächtigungen des Medianusnervs in bis mografie ist selten bei akuten Verletzun-
zu 12,5 %. Beschreibungen über Läsionen gen erforderlich, sondern hat ihre Be- Die Luxation des Ellenbogengelenks
des N. radialis beschränken sich auf Ein- rechtigung eher bei der Beurteilung läuft in 80–90 % der Fälle nach posterola-
zelfälle. Nach erfolgter Reposition sind chronischer, vor allem medialer Bandin- teral ab. Der Verletzung liegt meist ein
die neurologischen Irritationen zumeist stabilitäten, gegebenenfalls auch bei Pa- Sturz auf die extendierte Hand, bei ge-
nach wenigen Wochen komplett regre- tienten im Wachstumsalter zur Darstel- strecktem Ellenbogen, zugrunde. Selte-
dient. lung okkulter Frakturgeschehen. ner treten rein posteriore, posteroulnare
oder anteriore Luxationen auf. Bei der
Radiologische Diagnostik n Nach erfolgter Reposition wird die funk-
tionelle Untersuchung unter dem Bild-
sehr seltenen divergierenden Luxation
kommt es zur Zerreißung der Membrana
Als Standarddiagnostik gilt die Röntgen- verstärker empfohlen. Hierbei wird die interossea und zu einem Eintreten des
Luxationstendenz bei Streckung und
darstellung des Ellenbogens in 2 Ebenen. distalen Humerus zwischen Radius und
Beugung, insbesondere im Verlauf des
Hiervon abhängig kann das weitere Vor- „funktionellen Bogens“ zwischen 30° Ulna. Nach dem Modell von OʼDriscoll
gehen geplant werden. Bei Schmerzen und 130°, beurteilt. Zudem sollte eine nimmt die typische Ellenbogenluxation
im Handgelenksbereich wird die ergän- Überprüfung der Stabilität unter Valgus- ihren Ausgang mit einer subtotalen bzw.
zende Röntgendiagnostik des Handge- und Varusstress, jeweils in Streckung totalen Ruptur des radialen Bandkom-
lenks zum Ausschluss der oben genann- und 30 °Flexion, erfolgen. plexes. Mit zunehmender Krafteinwir-
ten Essex-Lopresti-Läsion, mit Ruptur kung kommt es zu einer weiter nach me-
der Membrana interossea und Instabili- Die Überprüfung der Stabilität unter Val- dial reichenden Läsion mit transossärem
tät im distalen Radioulnargelenk, emp- gisierung sollte in Pronationsstellung oder transkapsuloligamentären Verlauf.
fohlen. durchgeführt werden, um nicht eine Im Stadium I kommt es zu einer (sub-)
Pseudovalgusinstabilität falsch einzu- totalen Ruptur des lateralen ulnaren Kol-
n Bei knöchernen Verletzungen wie einer
Absprengung des Processus coronoi-
schätzen. Die meist chronisch bestehen-
de posterolaterale Rotationsinstabilität
lateralbands und einer posterolateralen
Subluxation des Ellenbogens. Im Stadi-
deus, knöchernen Bandausrissen oder (PLRI) kann durch den lateralen Pivot- um II sind zusätzlich die ventralen und
Radiusköpfchenfrakturen wird eine Dar- Shift-Test identifiziert werden. Hierbei dorsalen Kapselstrukturen verletzt und
stellung des Gelenks mittels CT empfoh- wird, beim auf dem Rücken liegenden es kommt zu einem „Reiten“ des Pro-
len.
Patienten, der Arm über den Kopf gehal- cessus coronoideus auf der Trochlea. Im
ten und in supinierter Stellung, bei axia- Stadium III zeigt sich eine komplette
Eine 3-D‑Darstellung kann hierbei zur ler Kompression, unter zunehmendem Luxation des Gelenks. Hierbei besteht
präoperativen Planung hilfreich sein. Ge- Valgusstress gebeugt. Dabei zeigt sich zusätzlich eine mediale Bandläsion. Im

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Abb. 2 Pivot-Shift-
Stadium 3A sind die Zügel des anterioren Achsenkompression
Test bei posterolate-
medialen Kollateralbands jedoch noch raler Rotationsinsta-
Valgus
intakt, im Stadium 3B ist der gesamte bilität (PLRI) (aus:
mediale Bandapparat rupturiert. Im Sta- Miller, Howard, Plan-
dium 3C kommt es durch eine Läsion der cher. Operationsatlas
langen Flexoren und Extensoren zu einer Sportorthopädie –
Separation des distalen Humerus und Sporttraumatologie.
durch den Verlust der dynamischen Sta- 2003. S. 413. Mit
forcierte Supination freundlicher Geneh-
bilisatoren zu einer hoch instabilen Situ-
migung des Elsevier
ation des Gelenks. Die posteromediale Verlags, Oxford).
Varusrotationsinstabilität beginnt mit
einem Ausriss an der anteromedialen
Fläche des Processus coronoideus und
ist ebenso als hoch instabile Situation zu
sehen (Abb. 3).

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Chronische Instabilitäten

Mediale chronische Instabilitäten sind


durch wiederholt einwirkende valgisie-
rende Kräfte, häufig als Folge von Wurf-
sportarten, zu beobachten. Diese sind
klinisch schwer zu evaluieren, da die
Instabilität vom Patienten nicht immer
dezidiert als solche empfunden und be-
schrieben wird. Die Untersuchung des
medialen Bandapparats unter Valgisie-
rung des Ellenbogens sollte in Prona-
tionsstellung des Unterarms erfolgen.
Laterale chronische Instabilitäten sind,
bedingt durch die meist nach lateral wei-
sende Luxationsrichtung, häufiger. Kli-
nisch lassen sich chronische posterolate-
rale Rotationsinstabilitäten (PLRI) durch
Subluxationsphänomene in strecknaher
Position bei axialer Krafteinwirkung auf
den supinierten Unterarm mit dem
Abb. 3 Die 3 Stadien der Ellenbogengelenksluxation (aus: Miller, Howard, Plancher. Operations-
Pivot-Shift-Test nachweisen. Bei der PLRI atlas Sportorthopädie – Sporttraumatologie. 2003. S. 411. Mit freundlicher Genehmigung des
Grad I führt der Test allenfalls zu einer Elsevier Verlags, Oxford).
minimalen Subluxation des Radiusköpf-
chens, Grad II beschreibt eine geringgra-
dige Subluxation. Bei der drittgradigen frakturiert. Im Stadium II ist weniger als und sind häufig Zeichen einer höhergra-
PLRI zeigt sich eine deutliche Subluxa- 50 % der Höhe des Koronoids in seitlicher digen Instabilität des Gelenks. Sie kön-
tion, Grad IV beschreibt eine Luxation Projektion betroffen, im Stadium III nen in Kombination mit ligamentären
des Radiusköpfchens. Ergänzend lassen mehr als 50 %. Die Bedeutung der Koro- Verletzungen, insbesondere des media-
sich die beschriebenen Instabilitätsfor- noidverletzung ist immer im Gesamtbild len Bandapparats, einen erheblichen In-
men unter dem Bildverstärker darstellen der Verletzung zu beurteilen. Als Zeichen stabilitätsfaktor darstellen. Sie werden
und dokumentieren. einer erheblichen Instabilität gelten Ab- nach Mason in Typ I–IV klassifiziert. Sel-
risse eines anteromedialen Kantenfrag- tener zeigen sich Abrissfrakturen der
Knöcherne Begleitverletzungen ments des Koronoids, da hier der Ansatz Kondylen, Olekranonfrakturen oder Ab-
des kräftigen und für die Gelenkführung scherverletzungen der Trochlea.
n In 20–50 % der Ellenbogenluxationen bedeutsamen anterioren Bündels des ul-
werden knöcherne Begleitverletzungen
beschrieben. Diesen Läsionen kommt
naren Kollateralbands liegt. Bandinsuffi-
zienzen in diesem Bereich haben poste-
n Als „Terrible Triad“ des Ellenbogens wird
die Kombination aus einer Luxation des
häufig eine entscheidende Rolle im Hin- romediale Instabilitäten zur Folge. Die Gelenks mit einer dislozierten Radius-
blick auf die Stabilität des Gelenks zu. Fragmente sind durch Überlagerungen köpfchenfraktur und einem Abriss des
im konventionellen Röntgen häufig nicht Processus coronoideus bezeichnet und
Frakturen des Processus coronoideus ausreichend abgebildet, sodass bei Auf- ist mit einer schlechten Prognose behaf-
tet.
werden in bis zu 15 % der Luxationen be- fälligkeiten in diesem Bereich eine CT-
schrieben und nach Regan und Morrey in Untersuchung zur exakten Befundevalu-
3 Stadien eingeteilt. Diese Läsionen sind ierung angestrebt werden sollte. Insbesondere Resektionen des Radius-
als Abscherverletzungen im Rahmen des köpfchens führen aufgrund der medialen
Luxationsereignisses zu werten. Im Sta- Radiusköpfchenfrakturen treten bei ca. Bandinsuffizienz zu desolaten Ergebnis-
dium I ist lediglich die Koronoidspitze 10 % der Luxationen am Ellenbogen auf sen.

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Bandverletzungen im Wachstumsalter anschließender Bewegung des Unter- Ziel der operativen Versorgung ist es, die
arms in anteriorer Richtung mit leichter Kongruenz des Gelenks wiederherzu-
Im Kindesalter sind Bandverletzungen Bewegung in die Flexion. Bei der seltenen stellen, das Gelenk zu stabilisieren und
am Ellenbogen meist die Folge von Luxa- anterioren Luxation erfolgt die Reposi- eine möglichst frühzeitige Bewegungs-
tionsereignissen. Der Häufigkeitsgipfel tion in gegenläufiger Richtung. Das Ma- therapie einzuleiten, um bleibenden
liegt um das 10. Lebensjahr. Bandausris- növer sollte schonend durchgeführt wer- Funktions– und Bewegungseinschrän-
se treten hierbei in bis zu 75 % in Form den. Bei frustranem Versuch sollte ein kungen vorzubeugen.
von knöchernen Ausrissen auf. Bei un- mögliches Repositionshindernis in Erwä-
klaren konventionell-radiologischen Be- gung gezogen und keine weiteren Repo- Versorgung von Kapselbandverletzungen
funden kann die Kernspintomografie sitionsversuche unternommen werden.
sinnvolle Informationen zur Therapie- Zunächst sollte die durch die Verletzung
planung bringen, um okkulte Frakturen Nach erfolgreichem Repositionsmanöver entstandene Einsicht in das Gelenk aus-
und osteochondrale Läsionen darzustel- entscheidet die anschließende Stabili- genutzt werden, um das Hämatom aus-
len. Am häufigsten zeigt sich dabei eine tätsprüfung unter dem BV über die wei- zuspülen und evtl. im Gelenkspalt be-
Abrissfraktur des Epicondylus ulnaris. ter erforderlichen Therapieschritte. Der findliche Fragmente zu entfernen bzw.
neurovaskuläre Status wird erneut erho- zu refixieren. Größere Gelenkfragmente

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ben und dokumentiert. (Knorpelabsprengungen) können ge-
Therapie
gebenenfalls mit resorbierbaren Pins
n Nachweislich kommt es zu einer schnel- n Bei stabilem Gelenk in vollem Bewe-
gungsumfang und Varus- und Valgus-
oder unter Knorpelniveau versenkten
Schrauben fixiert werden. Bandläsionen
leren Reintegrität der Weichteile bei
frühfunktioneller Behandlung. Hierzu stabilität genügt eine Ruhigstellung in finden sich häufig im ansatznahen Be-
müssen bewegungsstabile Verhältnisse einer Oberarmschiene in 90° Beugung reich als Avulsionsverletzung bzw. als
bei Luxationssicherheit und exakt repo- für ca. 1 Woche, forcierte Belastungen knöcherne Ausrisse. Diese lassen sich
niertem Gelenk bestehen. des Gelenks sollten für 6 Wochen ver- mit Fadenankern technisch einfach am
mieden werden.
ehemaligen Ansatzbereich refixieren. Al-
Bereits am 3. Tag beginnt die Reparation ternativ besteht die Möglichkeit der
im bestehenden Hämatom nach Band- n Bei stabilen Verhältnissen zeigen die kli-
nischen Ergebnisse nach Bandnaht keine
transossären Refixation über entspre-
ruptur, nach 5–7 Tagen kommt es zur Bil- chende Bohrkanäle. Intraligamentäre
dung einer neuen, extrazellulären Ma- besseren Resultate als bei konservativer
Rupturen müssen bei Gewebsdefekten
Therapie.
trix mit Gefäßeinsprossungen und der gegebenenfalls mit entsprechendem
Einwanderung von Fibroblasten. Nach 2 Nahtmaterial augmentiert werden. Rup-
Wochen ist das Granulationsgewebe be- Besteht im strecknahen Bereich bei we- turen des Lig. anulare radii können mit-
reits durch parallel verlaufende kollage- niger als 30° eine Reluxationstendenz, unter genäht werden, die Naht sollte
ne Fasern ersetzt. In der folgenden Phase sollte zunächst ebenfalls eine Ruhigstel- jedoch nicht einengend sein und die
des Remodellings kommt es über mehre- lung in 90° Beugung erfolgen, nach Ab- Rotation des Radius limitieren. Bei
re Monate hinweg zur Reifung der kolla- schwellung kann das Gelenk mit einer ausgeprägten Instabilitäten kann die Re-
genen Fasern. Zudem zeigt sich bei kur- Bewegungsorthese geführt werden, wo- fixation ausgerissener Kapselanteile, bei-
zen Ruhigstellungszeiten eine deutlich bei die Beugung freigegeben werden spielsweise der ventralen Kapsel im
geringere Rate an Arthrofibrosen und kann. Die Streckung bleibt zunächst li- Bereich des Processus coronoideus, zur
Kontrakturen. Bei der Stabilitätsprüfung mitiert und kann im Verlauf in Interval- Stabilisierung des Gelenks beitragen.
nach Luxation sollten stabile Verhältnis- len gesteigert werden.
se bestehen. Bei instabilen Verhältnissen n Ligamentär bedingte chronische Instabi-
müssen die Begleitläsionen exakt evalu- n Eine Ruhigstellung über den Zeitraum
von 3 Wochen hinaus sollte aufgrund der
litäten erfordern die Rekonstruktion der
insuffizienten Bandanteile in Form von
iert und das Ausmaß einer bestehenden
Instabilität definiert werden. Gefahr von persistierenden Bewegungs- Ersatzplastiken durch autologes Sehnen-
einschränkungen vermieden werden. gewebe.

Konservative Therapie
Diese erfordern ein hohes Maß an Erfah-
Operative Therapie
Die Reposition eines luxierten Ellen- rung, da die isometrischen Verhältnisse
bogengelenks kann in der Regel mit-
hilfe einer Analgosedierung problemlos
n Operationsindikationen nach Ellenbo-
genluxation bestehen bei folgenden Be-
und anatomischen Gegebenheiten exakt
berücksichtigt werden müssen. Als
durchgeführt werden. funden: Transplantat bietet sich idealerweise die
– Reluxationstendenz bei Beugung > 30° Palmaris-longus-Sehne an. Alternativ
n Die Reposition sollte nach Möglichkeit
unter Verwendung eines Bildverstärkers
– Repositionshindernisse
– dislozierte knöcherne Absprengungen
kann die Plantarissehne, ein Streifen aus
der Trizepssehne oder der mediale Rand
erfolgen, um das Ergebnis zu dokumen- und Frakturen (Kondylen, Epikon-
der Achillessehne verwendet werden.
tieren und die Stabilität zu prüfen. Es- dylen, Frakturen des Processus coro-
senziell ist die korrekte Einstellung der noideus Typ III, ggf. und Typ II) Die Fixierung der Transplantate erfolgt
Ebene, insbesondere in der seitlichen – Reluxation nach zunächst konser- mittels transossärem Durchzug. Radiale
Darstellung muss der Gelenkspalt frei vativer Behandlung Instabilitäten, insbesondere des ulnaren
einsehbar sein. – intraartikulär liegende Fragmente lateralen Seitenbands (LUCL), können
– „Terrible Triad“ erfolgreich mit einer entsprechenden
Für die Reposition erfolgt zunächst ein – offene Luxationen Ersatzplastik des Bandkomplexes thera-
– Gefäßnervenläsionen
Zug am Unterarm in der Humerus- piert werden. Posterolaterale Rotations-
– Kompartment
Längsachse bei fixiertem Oberarm mit instabilitäten Grad III und IV sollten

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OP-JOURNAL 1/2012

dann im Verlauf abhängig von der Stabi-


lität freigegeben werden.

Koronoidfrakturen

anatomischer Ansatz n Die Indikation zur Versorgung einer Ko-


ronoidfraktur ergibt sich aus der Kombi-
nation der begleitenden Verletzungen.

Insbesondere die Kombination mit Ra-


diusköpfchenfrakturen kann schon die
Refixation kleinerer Koronoidfragmente
erforderlich machen. Bei Varus- und Val-
gusstabilität kommt der Stabilisierung
der Kollateralbänder jedoch die ent-
scheidende Rolle zu. Aufgrund der be-

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N. ulnaris reits oben erwähnten Bedeutung für die
Gelenkstabilität müssen anteromediale
Kantenfragmente am Koronoid evalu-
anatomischer Ursprung iert, reponiert und fixiert werden.

a
n Typ-II-Verletzungen müssen bei Instabi-
lität, insbesondere bei begleitender Ra-
diusköpfchenfraktur und/oder begleiten-
der medialer Kollateralbandläsion, ver-
sorgt werden. Typ-III-Läsionen gelten
als instabil und müssen in der Regel os-
teosynthetisch versorgt werden.

Je nach Größe des Fragments bieten sich


verschiedene Möglichkeiten zur Fixie-
rung des Koronoids an. Die Osteosynthe-
se kann mittels Zugschrauben direkt
oder indirekt von dorsoulnar durch-
geführt werden. Es sollte hierbei der
N. ulnaris dargestellt, angeschlungen
und geschont werden. Für kleinere bzw.
mehrfragmentäre Ausrisse, die mittels
Schraubenosteosynthese nicht versorgt
werden, besteht die Option zur Versor-
N. ulnaris
gung mit Nähten. Über retrograde Bohr-
kanäle kann eine Refixation des Koro-
Sehnentransplantat noids in „Lassotechnik“ erfolgen, um
den aufwendigeren ventralen Zugang zu
b vermeiden. Hierzu lassen sich kleine
Ösendrähte als Fadendurchzugshilfe
Abb. 4 a und b a Ersatzplastik ulnarer Bandapparat mit freiem Sehnentransplantat, zunächst sinnvoll einsetzen (Abb. 5).
Anlage der transossär verlaufenden Bohrkanäle (aus: Miller, Howard, Plancher. Operationsatlas
Sportorthopädie – Sporttraumatologie. 2003. S. 424. Mit freundlicher Genehmigung des Elsevier
Verlags, Oxford). b Sehnentransplantat in situ (aus: Miller, Howard, Plancher. Operationsatlas n Bei größeren Substanzdefekten des Ko-
ronoids und dadurch bedingter Instabi-
Sportorthopädie – Sporttraumatologie. 2003. S. 425. Mit freundlicher Genehmigung des Elsevier
lität kann im Fall der Akutversorgung
Verlags, Oxford).
ein frakturiertes, nicht rekonstruierbares
Radiusköpfchen verwendet werden, um
einer operativen Stabilisierung zuge- Resultaten als die o. g. Ersatzplastik den Processus coronoideus aufzubauen.
führt werden. Für ein optimales Outco- (Abb. 4). Chronische Defekte können aus einem
autologen Transplantat aus dem Becken-
me kommt der Auswahl der Ansatz-
n
kamm rekonstruiert werden.
punkte des Transplantats eine entschei- Zeigt sich im Rahmen der Rekonstruk-
dende Bedeutung zu, um der Isometrie tion akuter Verletzungen nach wie vor
der Bandführung gerecht zu werden. eine instabile Situation, wird die Anlage Bei schwerwiegenden chronischen In-
Die Technik nach Osborne/Cotterill eines Bewegungsfixateurs angeraten. stabilitäten, die ligamentär nicht stabil
kommt lediglich einer Raffung des meist rekonstruierbar sind, kann in Einzel-
schon ausgedünnten Gewebes gleich Dieser kann bei hoch instabilen Situatio- fällen ein prothetischer Gelenkersatz in
und führt zu weniger überzeugenden nen zunächst in Beugung fixiert und Erwägung gezogen werden.

52 Heinz Kusche et al.: Bandverletzungen des Ellenbogengelenks


OP-JOURNAL 1/2012

te eine Stabilisierung des Processus coro-


noideus und eine Rekonstruktion des
medialen Kollateralbands erfolgen. In
dieser Situation darf keinesfalls eine
Resektion des Radiusköpfchens durchge-
führt werden.

Kindliche Bandverletzungen

n Wie oben erwähnt treten kindliche


Bandverletzungen am Ellenbogen meist
als knöcherne Bandausrisse, am häufigs-
ten in Form von Frakturen des Epicondy-
lus ulnaris auf. Da diese meist erheblich
dislozieren, ist eine Reposition und Refi-
xation erforderlich.

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Hierzu bietet sich meist die Versorgung
mit einer Zugschraube, ggf. die Fixierung
mit einem Kirschner-Draht an. Die Me-
tallentfernung kann nach 3–4 Monaten
durchgeführt werden (Abb. 6).

Bewegungsfixateur

Zur Anlage des Bewegungsfixateurs be-


steht bei Bandverletzungen des Ellenbo-
gengelenks eine Reihe von Indikationen.
Abb. 5 a bis e a Fall 1: männl. 41 J., Snowboardsturz mit Ellenbogengelenksluxation, Röntgen-
bild nach Reposition a.–p. b Fall 1: seitl. Bild. c Fall 1: CT. d Fall 1: Röntgenkontrolle postop. n Ergibt die Rekonstruktion der ossären
und ligamentären Verhältnisse nach
a.–p. nach Refixation des Processus coronoideus in Lassotechnik und Naht des medialen Band- Luxation keine zufriedenstellende Situa-
apparats. e Seitliches Bild postop. tion, kann durch die Anlage des Fixa-
teurs nach passagerer Blockade des
Bewegungsmechanismus zur Konsoli-
dierung der Weichteile eine frühzeitige
Radiusköpfchenfraktur dingte Probleme, ist nach Heilung der li- Bewegungstherapie ermöglicht werden.
gamentären Strukturen und bei stabilen
Bei der Kombination einer Ellenbogenlu- Bandverhältnissen eine Implantatentfer- Bei veralteten Instabilitäten oder rezi-
xation mit einer Radiusköpfchenfraktur nung vertretbar. divierenden Luxationen kann mit dem
gilt es nach weiteren knöchernen und li- Fixateur eine konzentrische Gelenkfüh-
gamentären Läsionen zu suchen. Neben n Die Resektion des Radiusköpfchens er-
folgt am proximalen Rand der Tubero-
rung herbeigeführt werden. Nach Ar-
der Versorgung der Begleitinstabilitäten throlysen sowie bei Arthrofibrosen ist
ist ein stabil geführtes und kongruentes sitas radii. Um eine Gefährdung des eine Distraktionsbehandlung des Ge-
Humeroradialgelenk zu schaffen. Ramus profundus des N. radialis auszu- lenks möglich.
schließen, erfolgt die Osteotomie mit
n Ist die stabile osteosynthetische Rekon-
struktion einer Radiusköpfchenfraktur
der oszillierenden Säge unter dem
Schutz von beidseits eingesetzten Hoh- n Ist eine akute Bandrekonstruktion bei
nicht möglich, sollte bei Kollateralband- mann-Haken. komplizierter Luxation aufgrund einer
schäden keinesfalls nur eine Resektion Polytraumatisierung des Patienten oder
durchgeführt werden. Dann besteht, anderer Ursachen nicht möglich, kann
insbesondere bei älteren Patienten, bei Terrible Triad durch den Bewegungsfixateur eine kont-
schlechter Knochenqualität oder bei in- rollierte Führung des Gelenks erreicht
stabiler Osteosynthese die Indikation „Terrible Triad“-Verletzungen gilt es zu- und eine Mobilisation des Gelenks er-
zur Radiusköpfchenprothese. nächst sorgfältig zu diagnostizieren. So möglicht werden.
sollte bei jeder Ellenbogengelenksluxa-
Hierbei bieten neuere modulare Pro- tion mit Radiusköpfchenfraktur oder n Bei hoch instabilen Situationen wird
durch die bilaterale Montage des Fixa-
thesenmodelle gute Möglichkeiten, die einer Fraktur des Processus coronoideus
Implantatwahl an die anatomischen Ge- an die Möglichkeit einer Terrible-Triad- teurs eine höhere Stabilität erreicht.
gebenheiten anzupassen. Ziel ist es, das Verletzung gedacht und der mediale Kol-
Radiusköpfchen exakt auf das Capitulum lateralbandapparat überprüft werden. n Entscheidend für das Ergebnis der Ver-
sorgung mit dem Bewegungsfixateur ist
humeri zu zentrieren. Vermieden wer- Um das optimale Ergebnis zu erreichen,
den sollten zu große Durchmesser des ist eine stabile Situation im Humerora- neben einer optimalen Gelenkreposition
Köpfchenimplantats und eine Verlänge- dialgelenk anzustreben, gegebenenfalls, und Rekonstruktion die korrekte Anlage
der Rotationsachse.
rung der radialen Säule. Bestehen im auch wie oben beschrieben, durch einen
postoperativen Verlauf implantatbe- Ersatz des Radiusköpfchens. Zudem soll-

Heinz Kusche et al.: Bandverletzungen des Ellenbogengelenks 53


OP-JOURNAL 1/2012

Abb. 6 a bis e a Fall 2: weibl. 11 J. Sturz von Schaukel, Ellenbogengelenksluxation mit Fraktur des Epicondylus ulnaris, Röntgenbild a.–p. b Fall 2:
Röntgenbild seitlich. c Fall 2: Offene Reposition über ulnaren Zugang mit Darstellung des N. ulnaris (mit Loop angeschlungen), Fixierung mit Dräh-
ten zur Versorgung mit kanülierten Schrauben. d Fall 2: Röntgenbild postop. a.–p. e Fall 2: Röntgenbild postop. seitlich.

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Hierzu muss eine exakt seitliche Projek-
tion des Gelenks mit dem Bildverstärker
eingestellt werden. Anschließend wird
von lateral, zentral in der kreisrund zur
Darstellung kommenden Trochlea und
dem Capitulum humeri, die Spitze des
Referenzpins aufgesetzt und unter Be-
rücksichtigung der Ausrichtung in a.–p.
Projektion der Pin eingebracht. Hierbei
sollte der mediale Zielpunkt anterior
und inferior des medialen Epikondylus
liegen, um eine Läsion des Ulnarisnervs
zu vermeiden.

n Bereits geringe Abweichungen der Ach-


se führen zu erheblichem Anstieg des
Bewegungswiderstands. Abb. 7 a und b a Bewegungsfixateur nach Rekonstruktion bei komplexer Instabilität a.–p.
b Bewegungsfixateur nach Rekonstruktion bei komplexer Instabilität seitl.
Eine Abweichung des Rotationspunkts
um 10 mm ergibt eine Erhöhung des Wi-
derstands um Faktor 10. Anschließend Beweglichkeit wieder entfernt werden
Zugangswege
wird der Fixateur auf den Pin geschoben, kann (Abb. 7).
dabei sollte dieser unter Berücksichti- Die Wahl des Zugangs hängt von der Lo-
gung der Weichteile möglichst knochen- n Nach Montage ist ein Durchbewegen
des Fixateurs unbedingt durchzuführen
kalisation der Läsion ab. Eine präopera-
nah platziert werden, um eine hohe Sta- tive BV-Untersuchung kann helfen, die
bilität zu gewährleisten. und zu dokumentieren, um die exakte erhobenen Befunde zu verifizieren und
Führung und Einstellung des Gelenks zu weitere Hinweise auf vorhandene Patho-
n
kontrollieren.
Unter Verwendung der Zieleinrichtung logien zu geben und schließlich bei der
des Fixateurs wird zunächst die Pinanla- Auswahl des Zugangs behilflich zu sein.
ge am distalen Humerus durchgeführt. Lagerung
Hierbei sollten die Weichteile weit ge- Lateraler (radialer) Zugang
nug eröffnet und schonend beiseite ge- Bewährt hat sich die Rückenlagerung mit
halten werden, um eine Schädigung des Auslagerung der frei beweglichen obe- Für die Versorgung der zumeist mit-
Radialisnervs zu vermeiden.
ren Extremität auf dem Armtisch. Insbe- betroffenen radialen Bandstrukturen
sondere für den erweiterten posterioren bietet sich der laterale Zugang an.
Nach Besetzen beider humeraler Pins er- Zugang kann in Rückenlage der Arm auf
folgt die Anlage der Pins an der proxima-
len Ulna, schließlich kann der Achspin
der Brust des Patienten, einem Kissen
oder einer Tuchrolle aufliegend, gelagert
n Nach längs verlaufender Schnittführung
über dem radialen Gelenksbereich wird
entfernt werden. Damit wird durch die werden. Empfohlen wird die Anlage das Kocher-Intervall aufgesucht. Dieses
Rotation des Radius um die Ulna eine einer Oberarmblutsperre. Für den rein liegt zwischen dem M. anconaeus und
freie Pro- und Supination möglich. Eine posterioren Zugang bietet die Bauchlage dem M. extensor carpi ulnaris und bietet
temporäre statische trianguläre Fixie- eine gute Übersicht. Hierbei wird der El- eine gute Darstellbarkeit der radialen
Bandstrukturen und des Radiusköpf-
rung kann mithilfe eines schräg verlau- lenbogen über einer weichen Rolle oder
chens. Über diesen Zugang kann, ventral
fenden Verbindungspins angelegt wer- einem kleinen Seitentisch bei abduzier- am Radiusköpfchen vorbei, das Koro-
den, welcher bei Bedarf zur Freigabe der tem Arm gelagert, sodass die Hand bei noid erreicht und mitversorgt werden.
gebeugtem Ellenbogen herabhängt.

54 Heinz Kusche et al.: Bandverletzungen des Ellenbogengelenks


OP-JOURNAL 1/2012

Abb. 8 a bis e a Fall 3: männl. 72 J. Luxation des Ellenbogengelenks bei Sturz auf glatter Straße, medial ulnar knöcherner Bandausriss und laterale
intraligamentäre Bandruptur, Röntgenbild a.–p. b Fall 3: Röntgenbild seitl. c Fall 3. BV-Kontrolle nach Reposition lateral deutlich aufklappbar bei
evidenter medialer Instabilität bei knöchernem Bandausriss. d Fall 3: Versorgungsbild postop. a.–p. mit Nahtanker radial und transossärer Refixa-

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tion ulnar a.–p. e Fall 3: Versorgungsbild postop. seitl. mit Nahtanker radial und transossärer Refixation ulnar.

Erweiterter posteriorer/ Ventraler Zugang über Nervenläsionen muss in Abhängig-


posteroradialer Zugang keit vom Zugang eine Schädigung des
Der ventrale Zugang bietet eine einge- N. ulnaris, des N. radialis und auch des
Dieser Zugang lässt sich in Rückenlage schränkte Aufsicht auf die ventral liegen- Ramus profundus des N. radialis, gegebe-
über den auf dem Bauch und mit einem den Strukturen und wird angewendet, nenfalls auch des N. medianus, themati-
Kissen oder Tuchrolle unterlegten Arm wenn diese isoliert zu versorgen sind. siert werden. Insbesondere beim selten
durchführen und kann als Erweiterung Häufig sind die relevanten Strukturen verwendeten ventralen Zugang kann es,
des radialen Zugangs erfolgen, um ge- bei radialen oder ulnaren Begleitpatho- bei nicht sachgerechter Operationstech-
gebenenfalls eine Versorgung im Bereich logien über die dortigen Zugangswege nik, zu Beeinträchtigungen der A. bra-
des Olekranons durchzuführen. Bei pri- problemlos mitzuversorgen. Es wird ein chialis, mit dann evtl. erforderlichen Ge-
mär anzulegendem dorsalem Zugang längs verlaufender, s-förmiger Haut- fäßnähten oder entsprechenden Rekon-
ohne Indikation zur Erweiterung kann schnitt angelegt, der proximal radial über struktionen, kommen. Das Risiko für das
eine optimale Übersicht in Bauchlage dem Vorderrand des M. brachioradialis Auftreten einer Arthrofibrose steigt er-
erfolgen. Wird von diesem Zugang ein beginnt. Nach Ligatur von kreuzenden heblich bei Ruhigstellungen des Gelenks
Eingriff nahe des Epicondylus ulnaris Venen findet sich nach Längsspaltung über einen Zeitraum von 2–3 Wochen
durchgeführt, muss eine Darstellung des der Faszie zwischen M. brachioradialis hinaus.
Ulnarisnervs erfolgen. Wird ein Ablösen und M. brachialis der sich in seinen mo-
des M. supinator von der Ulna erforder- torischen und sensiblen Ast spaltende n Die Häufigkeit von heterotopen Ossifika-
tionen wird in der Literatur im postope-
lich, sollte das in Pronation des Unter- N. radialis. Zusätzlich muss auf den N. cu-
arms erfolgen, um den tiefen Radialisast taneus antebrachii medialis, einen sensi- rativen/posttraumatischen Verlauf in 5–
zu schonen. blen Ast des N. musculocutaneus, geach- 50% der Fälle angegeben.
tet werden. In der sich bietenden Loge
Medialer Zugang zwischen Beugern und Streckern kann Es wird ein multifaktoriell bedingtes
auf das Gelenk zugegangen werden. Zur Geschehen beschrieben, das besonders
n Über den ebenfalls längs verlaufenden
medialen Zugang hat man eine gute
Erweiterung des Zugangs kann die Sehne
des M. brachialis eingekerbt werden,
häufig nach komplexen Verletzungen mit
erheblicher Weichteilschwellung und
Aufsicht auf die ulnaren Strukturen. Der hierzu müssen jedoch die A. brachialis knöcherner Beteiligung auftritt. Komple-
N. ulnaris muss hierbei sorgsam dar- und der N. medianus dargestellt werden. xe Ellenbogenverletzungen in Kombina-
gestellt und geschont werden, darf je- tion mit einem schweren Schädel-Hirn-
doch nicht vollständig entblößt und zu Trauma weisen in bis zu 90 % der Fälle
starkem Zug ausgesetzt werden.
Komplikationen/Aufklärung
heterotope Ossifikationen auf. Durch
Neben den geplanten Zugangswegen Arthrolysen mit Abtragung der Ossifika-
Mit Gummizügeln, z. B. mit „Vessel- erfolgt die Aufklärung über die allge- tionsherde kann eine Funktionsverbes-
loops“, kann er schonend zur Seite ge- meinen OP-Risiken. Bei stabilisierenden serung erreicht werden. Speziell bei Ver-
halten werden. Anschließend kann über Eingriffen muss die evtl. Erforderlichkeit knöcherungen im Bereich der Membrana
eine Längsspaltung des M. flexor carpi der zusätzlichen Anlage eines Fixateur interossea kann der Bewegungsumfang
ulnaris die Aufsicht auf die Kapselband- externe besprochen werden, um im Falle für Umwendbewegungen erheblich er-
strukturen erreicht werden. Anterome- einer nicht ausreichenden Stabilisierung höht werden.
diale Bandausrisse sind über diesen Zu- intraoperativ die Möglichkeit zur stabi-
gang gut erreichbar, nach Mobilisation len Gelenkführung offenzuhalten. Bei
der Extensoren und Flexoren kann die komplexen Verletzungen des Radius-
Versorgung von Läsionen des Processus köpfchens sollte die Option zum Ersatz
coronoideus durchgeführt werden des Radiusköpfchens offengehalten wer-
(Abb. 8). den. Neben der allgemeinen Aufklärung

Heinz Kusche et al.: Bandverletzungen des Ellenbogengelenks 55


OP-JOURNAL 1/2012

Ruhigstellungen des Gelenks über einen


Nachbehandlung Ergebnisse
Zeitraum von 2–3 Wochen hinaus gilt es
n Ziel nach jeder Versorgung ist, eine früh-
zeitige Bewegungstherapie des Gelenks
Die Qualität des funktionellen Ergebnis-
ses korreliert stark mit der Schwere der
zu vermeiden.

zu ermöglichen, um die gefürchteten ursprünglichen Verletzung. Einfache Lu- Literatur


arthrofibrotischen Veränderungen mit xationen bei jungen Patienten mit stabi-
1
konsekutiven Bewegungs- und Funk- len Verhältnissen nach Reposition zeigen Deml C, Arora R, Oberladstätter J et al. Funk-
tionseinschränkungen zu vermeiden. tionelle Therapie und ihre Grenzen bei aku-
optimale Ergebnisse. Mit der Schwere
ten Ellenbogenluxationen. Unfallchirurg
des Traumas und der Komplexität der 2007; 110: 845–851
Einfache Luxationen ohne Instabilität Verletzung steigt die Rate an Einschrän- 2
Frank J, Howorka A, Marzi I. Behandlung
nach Reposition können frühfunktionell kungen der Funktionalität. Endgradige komplexer Ellenbogenverletzungen mit dem
Bewegungsfixateur DJD II. Orthopäde 2011;
in vollem Bewegungsumfang therapiert Bewegungseinschränkungen, insbeson- 40: 316–322
werden. Bei Luxationsneigung in streck- dere leichte Streckdefizite, werden in der 3
Frongia G, Günther P, Romero P et al. Ellenbo-
naher Position kann das Gelenk mittels Regel gut toleriert, da die meisten Bewe- genluxationen im Kindesalter. Unfallchirurg
einer Bewegungsorthese unter Vermei- gungen im Alltag in einem Bereich zwi- 2012; 115: 125–133
4
Hofmann D, Schüz W, Horas U. Traumatische
dung des extensionsnahen Bereichs ge- schen Extension/Flexion 0–30–130° und Ruptur der A. brachialis durch eine geschlos-

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führt werden. Eine Schiene wird ledig- einer Pronation/Supination von 50–0– sene Ellenbogenluxation. Unfallchirurg 2011;
lich für einige Tage bis zur Abschwellung 50° ausgeführt werden. 114: 816–821
5
Kälicke T, Westhoff J, Wingenfeld C et al. Luxa-
angelegt.
n
tionsfrakturen des Ellenbogens mit Betei-
Reluxationen und persistierende Instabi- ligung des Processus coronoideus. Unfallchi-
n Auch komplexe Versorgungen sollten
keine Ruhigstellung über einen Zeitraum
litäten treten nach fehleingeschätzten
Verletzungen und nicht suffizient durch- 6
rurg 2003; 106: 300–305
Kolb W, Guhlmann H, Windisch C et al. Kom-
von 3 Wochen hinaus erfahren. geführter Primärtherapie auf. plexe osteoligamentäre Verletzungen des El-
lenbogens. Unfallchirurg 2008; 111: 584–591
7
Lill H, Voigt C. Ellenbogenverletzungen. Chi-
n Zur postoperativen Schmerztherapie
sollte bei Bedarf ein Plexuskatheter ge-
Schlechte Ergebnisse sind besonders
häufig bei „Terrible Triad“-Verletzungen
8
rurg 2004; 75: 1037–1051
Partenheimer A, Geisler A, Voigt C et al. Luxati-
on, Instabilität und Luxationsfrakturen des
legt werden, um schmerzbedingte Be- zu sehen und verdeutlichen die Notwen- Ellenbogengelenks. Trauma Berufskrankh
wegungseinschränkungen zu limitieren. digkeit einer optimalen Therapie. 2007; 9 (Suppl. 2): S197–S201
9
Mittlmeier T, Beck M. Luxation des Ellenbo-
gengelenks des Erwachsenen. Unfallchirurg
Zur stabilen Führung des Gelenks sollte
Schlussfolgerung 2009; 112: 487–505
die Behandlung mittels eines Bewe- 10
Zimmermann G, Wagner C, Moghaddam A et
gungsfixateurs über einen Zeitraum von Bandverletzungen des Ellenbogengelenks al. Radiusköpfchenfraktur und Ellenbogenlu-
5–8 Wochen durchgeführt werden, ge- treten meist nach Luxationsereignissen xation. Trauma Berufskrankh 2004; 6: 297–
303
gebenenfalls kann das Gelenk nach Ab- auf. Häufig kommt es zu knöchernen Be-
bau des Fixateurs mit einer Orthese wei- gleitverletzungen, deren Diagnostik und
ter geführt werden. entsprechende Versorgung relevant für Dr. med. Heinz Kusche
das klinische Outcome sind. Entschei- Oberarzt
n Aufgrund der schlechten funktionellen
Ergebnisse bei Auftreten von heteroto-
dend für den weiteren Behandlungsweg
ist die Beurteilung der Instabilität nach
Dr. med. Peter Gutsfeld
Leitender Arzt
pen Ossifikationen kommt der Ossifika- Reposition des Gelenks bzw. die Feststel-
tionsprophylaxe eine große Bedeutung lung der Instabilitätsform bei chroni-
zu. Abteilung für Unfallchirurgie und
schen Instabilitäten. Einfache Luxationen Sportorthopädie
führen zu klinisch einwandfreien Ergeb- Klinikum Garmisch-Partenkirchen in
Es wird eine 3-wöchige Indomentazin- nissen. Mit der Schwere der Traumatisie- Kooperation mit der BG Unfallklinik
therapie mit 2-mal täglicher Gabe von rung steigt die Rate an unbefriedigenden Murnau
50 mg empfohlen. Alternativ kann bei Resultaten. Aus diesem Grund ist eine Auenstraße 6
gegebener Infrastruktur eine postopera- exakte Diagnostizierung der Verletzung, 82467 Garmisch-Partenkirchen
tive Bestrahlung erfolgen. Diese sollte in- Klassifizierung und Einleitung einer ent-
nerhalb der ersten 24 Stunden postope- sprechenden Therapie unerlässlich. Für heinz-kusche@web.de
rativ durchgeführt werden, da hier die die operative Versorgung komplexer
Differenzierung von pluripotenten Me- Verletzungen ist ein hohes Maß an Er- Prof. Dr. med. Volker Bühren
senchymzellen zu Osteoblasten stattfin- fahrung gefragt. Zur Vermeidung ge- Ärztlicher Direktor
det. fürchteter Bewegungseinschränkungen
durch Arthrofibrosen sollte die Ermög- BG Unfallklinik Murnau
lichung einer frühzeitigen Bewegungs- Prof.-Küntscher-Straße 8
therapie Ziel jeder Behandlung sein. 82418 Murnau

56 Heinz Kusche et al.: Bandverletzungen des Ellenbogengelenks

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