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Schulterdiagnostik

Radiologe 2004 · 44:578–590 J. Sailer · H. Imhof · Abteilung Osteoradiologie,Univ.-Klinik für Radiodiagnostik Wien
DOI 10.1007/s00117-004-1056-2
Online publiziert: 19.Mai 2004
© Springer-Verlag 2004

Schultergelenkinstabilität

S chulterluxationen wurden bereits in


der Antike beschrieben [1]. Die anatomi-
tionen aus [2]. Mehr als bei jedem ande-
ren Gelenk führt die Luxation zur chro-
Veränderungen am Gelenk und den zuge-
hörigen Weichteilstrukturen, insbesonde-
sche Konfiguration dieses muskelgesicher- nischen Instabilität mit entsprechenden re bei unklarem klinischen Befund [3].
ten Gelenks erlaubt im Gegensatz zu ei- Funktionsbehinderungen. Die Diagnos-
nem ossär-ligamentär gesicherten Gelenk, tik der Instabilität ist daher von besonde- Einteilung der Instabilität
wie beispielsweise dem Ellenbogengelenk, rem Interesse.
eine optimale Bewegungsfreiheit in sämt- Die Beurteilung der Instabilität erfolgt Die Instabilität am Schultergelenk kann
lichen Raumrichtungen, allerdings auf in erster Linie anhand der Anamnese und in Abhängigkeit von Ausmaß,Häufigkeit,
Kosten der Stabilität. Die Schulter luxiert des klinischen Untersuchungsbefundes. Schweregrad und Richtung klassifiziert
von allen Gelenken des menschlichen Kör- Konventionelles Röntgen, CT sowie die werden (⊡ Tabelle 1; [4, 5, 6, 7]).
pers am häufigsten. Allein die anteriore MRT liefern als bildgebende Verfahren wert- Prinzipiell wird eine Luxation von ei-
Luxation macht ungefähr 50% aller Luxa- volle Informationen über pathologische ner Subluxation unterschieden; bei der
Luxation ist im Gegensatz zur Subluxati-
on kein Kontakt mehr zwischen den Ge-
Tabelle 1 lenkflächen nachweisbar, der Humerus-
Formen der Schultergelenkinstabilität kopf kommt außerhalb des Glenoids zu
liegen.Weiter unterteilt man abhängig von
Formen der Instabilität Häufigkeit [%] Häufigste assoziierte Veränderungen der Ursache in traumatische und atrau-
Anterior 96 Hill-Sachs-Delle matische Instabilität,wobei die atrauma-
Bankart-Läsion und Varianten tische Instabilität auch im Rahmen einer
HAGL kongenitalen Hyperlaxität enstehen kann.
Posterior 2–4 Reverse Hill-Sachs-Läsion Im Falle einer mechanischen Dysfunk-
Reverse Bankart-Läsion tion,bedingt durch pathologische Verän-
Benett-Läsion derungen am Glenoid,wird auch der Ter-
Multidirektional 1–2 – minus „funktionelle Instabilität“ verwen-
det [8]. Als Beispiel sei die mechanische
Chronisch 1–2 –
Gelenkblockade durch abgerissene Gle-
noidfragmente angeführt.Zu diesem For-
Tabelle 2
menkreis werden auch die SLAP-(superi-
Untersuchungsprotokoll CT der Schulter or-labrum-anterior-and-posterior-)Lä-
sionen gezählt (s. u.).
Multidetector-CT der Schulter – 140 kV/250 mAs
Bezüglich der Richtung wird in ante-
Untersuchungsprotokoll nativ Kollimation 16×1,5
Schichtdicke 2 mm, axial
riore, posteriore, imferiore und multidi-
Inkrement 1 mm rektionale Instabilität unterteilt.
Pitch 0,9 98% aller akuten Luxationen erfolgen
Rotation time 0,75 s nach anterior oder anterior-inferior, nur
Rekonstruktion 2 mm/1 mm bei 2% ist die Luxationsrichtung nach dor-
Auswertung: WT 400/100 und Knochenfenster 3000/600 D; sal [9].
MPR: sagittal 3/3 mm im WT- und Knochenfenster;
3D-Rekonstruktion fakultativ

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Zusammenfassung · Abstract

Bildgebende Verfahren Radiologe 2004 · 44:578–590


DOI 10.1007/s00117-004-1056-2
© Springer-Verlag 2004
Der typische bildgebende Algorithmus
bei Patienten mit klinisch manifester J. Sailer · H. Imhof
Schultergelenkinstabilität beginnt mit ei-
nem Nativröntgen in 3 Ebenen (a.p., axi- Schultergelenkinstabilität
al bei außen rotiertem und abduziertem
Arm, parasagittal a.p./outlet view). Das Zusammenfassung
native Röntgen dient insbesondere un- Die Schultergelenkinstabilität ist häufig für wie- sondere des Labrum glenoidale und des kapsu-
mittelbar posttraumatisch zum Frak- derholt auftretende Schmerzen sowie eine ein- loligamentären Komplexes.
turausschluss sowie zur Diagnose asso- geschränkte Beweglichkeit im Glenohumeralge- Die häufigste Läsion im Rahmen einer Schul-
ziierter degenerativer Veränderungen lenk verantwortlich.Sie kann als Folge eines vor- tergelenkinstabilität stellt die Bankart-Läsion dar,
und Enthesiopathien und entsprechen- angegangenen Traumas,einer generellen Hyper- ein Riss des anterioren Labrums in Kombination
den Weichteilverkalkungen. Eine knö- laxität oder infolge wiederholter Mikrotraumen mit einer Ruptur der kapsuloperiostalen Struktu-
cherne Impression am Humeruskopf entstehen.Die Differenzierung zwischen trauma- ren am glenoidalen Ansatzbereich.Zahlreiche
(Hill-Sachs, s. u.) liegt posterior und la- tischer und atraumatischer Form der Gelenkin- ähnliche assoziierte Läsionen,wie die ALPSA,
teral und kann entsprechend mit einer stabilität erfordert eine sorgfältige Anamnese SLAP oder HAGL,sind beschrieben.
60°-Innenrotationsaufnahme dargestellt und eine genaue klinische Untersuchung.Die Zweck dieser Übersichtsarbeit ist die Ausar-
werden. Zahlreiche Aufnahmetechniken Gelelenklaxität als Differenzialdiagnose muss beitung und Zusammenfassung der unterschied-
wurden zur verbesserten Darstellung von der echten Instabilität unterschieden wer- lichen Instabilitätsformen sowie deren assoziier-
knöcherner Läsionen am Schultergelenk den,die Instabilität wird dann im Rahmen des te radiologischen Veränderungen,insbesondere
beschrieben. Hierzu zählen die „glenoid klinischen Status nach Grad und Richtung der in der MRT.
profile view“ (Glenoidprofilaufnahme glenohumeralen Translation unterteilt.
a.p., Oberarm abduziert; [10]) und der Zur Diagnose knöcherner Läsionen werden Schlüsselwörter
„west point view“ (Glenoidprofilaufnah- das konventionelle Röntgen sowie die CT heran- Schulterinstabilität · Luxation · MRT ·
me p.a.; [11]), welche im heutigen klini- gezogen.MRT sowie MR-Arthrographie dienen MR-Arthrographie
schen Alltag weitgehend durch Schnitt- zur Detektion von Weichteilverletzungen,insbe-
bildverfahren ersetzt sind.
Die Sonographie kommt speziell bei
der Diagnostik von Rotatorenmanschet- Shoulder instability
tenläsionen zum Einsatz,welche meist bei
chronischen Schultergelenkbeschwerden Abstract
als Differenzialdiagnose ausgeschlossen Shoulder instability is a common clinical feature The most common lesion involving the la-
wird. Die Sonographie zeichnet sich im leading to recurrent pain and limitated range of brum is the anterior labral tear,associated with
Wesentlichen durch ihre rasche und un- motion within the glenohumeral joint.Instability capsuloperiostal stripping (Bankart lesion).A
komplizierte Verfügbarkeit aus, ist aller- can be due a single traumatic event,general joint number of variants of the Bankart lesion have
dings durch die untersucherabhängige laxity or repeated episodes of microtrauma.Dif- been described,such as ALPSA,SLAP or HAGL le-
Aussagekraft limitiert.Sonographisch dia- ferentiation between traumatic and atraumatic sions.
gnostizierte Gelenkergüsse sowie Flüssig- forms of shoulder instability requires careful his- The purpose of this review is to highlight dif-
keit innerhalb der verschiedenen Bursae tory and a systemic clinical examination.Shoul- ferent forms of shoulder instability and its asso-
können bei entsprechender Klinik als in- der laxity has to be differentiated from true insta- ciated radiological findings with a focus on MR
stabilitätsassoziierte Veränderung inter- bility followed by the clinical assessment of di- imaging.
pretiert werden und bedürfen weiterer rection and degree of glenohumeral translation.
Abklärung. Conventional radiography and CT are used Keywords
Die CT spielt bei Patienten mit Schul- for the diagnosis of bony lesions.MR imaging Shoulder instability · Luxation · MRI ·
tergelenkinstabilität lediglich bei der Di- and MR arthrography help in the detection of MR-arthrography
agnostik subtiler, im Nativröngten nicht soft tissue affection,especially of the glenoid la-
sicher nachweisbarer Frakturen insbeson- brum and the capsuloligamentous complex.
dere des Glenoids eine Rolle.Weiter dient
sie zur Detektion instabilitätsassoziierter
Verkalkungen wie bei der HAGL (hume-
ral avulsion of the glenohumeral ligament,
s.u.).Ein standardisiertes Untersuchungs-
protokoll ist in ⊡ Tabelle 2 angeführt. Die
Multidetektortechnik bieten in dieser Fra-
gestellung abgesehen von der rascheren

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Schulterdiagnostik
Tabelle 3
handenen Gelenkerguss verbessert,die al-
Untersuchungsprotokoll MRT der Schulter (Philips 1,5 T) lerdings meist unzureichende Distension
MRT Schultergelenk – Oberflächenspule (z. B. Syn-Flex) der Gelenkkapsel wird allerdings als Li-
Untersuchungsprotokoll nativ Koronale PDw-SENSE (304×512, SD 3 mm) mitation angesehen [12].
Koronale PDw-SPIR (324×512, SD 3,5 mm) Die MRT bietet gegenüber der CT die
Sagittale PDw-SENSE (304×512, SD 3 mm) Vorteile der fehlenden Strahlenbelastung,
Axiale 3D/WATS-Knorpelsequenz (256×256, SD 1,5 mm) der frei wählbaren Abbildungsebene sowie
FOV 150–190, RFOV 100% der gleichzeitigen Darstellung ossärer Lä-
sionen und Weichteilveränderungen.
Tabelle 4
Untersuchungsprotokoll MR-Arthrographie der Schulter (Philips 1,5 T)
Normvarianten

MR-Arthrographie – Oberflächenspule (z. B. Syn-Flex) Detaillierte Kenntnisse der Schultergelen-


Untersuchungsprotokoll Vor KM: koronale T2w-TSE-SPIR (288×512, SD 4 mm) kanatomie sind Voraussetzung zur Detek-
Nach KM intraart.: koronale T1w-SPIR (256×256, SD 4 mm) tion und Interpretation der mit Instabili-
Axiale T1w-SE (256×256, SD 4 mm) tät assoziierten pathologischen Verände-
Sagittale T1w-SE (320×512, SD 4 mm) rungen in der MRT.
Axiale 3D-T1w-FFE (256×256, SD 0,75 mm) Anatomische Normvarianten, insbe-
Paraxiale T1w-SPIR in ABER-Position/Abduktion und sondere des Labrum glenoidale und der
Außenrotation des Arms (256×256, SD 4 mm) Gelenkkapsel,sollten daher geläufig sein,
FOV 180–200, RFOV 75–100% um Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Auf T1-gewichteten und protonendich-
Tabelle 5 ten Sequenzen wurden Signalintensitäts-
Klassifikation der Labrumverletzungen in der MRT. (Nach Ianotty et al. [24]) erhöhungen des Labrums beschrieben.
Diese sind asymptomatisch und haupt-
Typ MRT-Zeichen sächlich degenerativer Genese [13].Falten
Typ I Zentral lokalisierte Signalerhöhung auf T2w ohne Kontakt zur Oberfläche; degenerative oder Einschnürungen des Labrums oder
Veränderungen der Gelenkkapsel können ebenfalls fehlge-
Typ II Reguläre Signalintensität, allerdings Formveränderungen wie Schwellung, Erosion, deutet werden.Der teilweise Anschnitt ei-
ausgefranstes Labrum nes glenohumeralen Bandes innerhalb
Typ III Defekt mit KM-Aufnahme in der MR-Arthroskopie, Signalerhöhung auf T2w bis zur der Bursa suprapatellaris wird oft mit ei-
Oberfläche, Risse auch auf T1w post Gadolinium sichtbar nem freien Gelenkkörper oder Labrum-
Typ IV Kombination aus TYP II und III fragment verwechselt (⊡ Abb. 1).
Teilweise liegen unterhalb des Labrum
glenoidale noch Anteile des hyalinen Ge-
Untersuchungsdauer sowie der Möglich- gezeichnete Beurteilbarkeit der zu unter- lenkknorpels der Gelenkfläche, im engli-
keit der 3D-Rekonstruktion keine wesent- suchenden Weichteile.Verteilung und Aus- schen als „hyaline undercutting“ bezeich-
lichen diagnostischen Vorteile. Die CT- tritt des injizierten Kontrastmittels ermög- net.Diese Anteile entsprechen einer Über-
Arthrographie ist mittlerweile vollstän- lichen eine diagnostische Interpretation gangszone zwischen fibrokartilaginärem
dig durch die MRT ersetzt worden. instabilitätsassoziierter Veränderungen und fibrovaskulärem Gewebe und kom-
Methode der Wahl bei Patienten mit am Schultergelenk (Technik ⊡ Tabelle 4). men auf koronalen T2-gewichteten Se-
Schultergelenkstabiltät ist die MRT. Zu- Als Alternative besteht die Möglichkeit ei- quenzen als hyperintenser Streifen insbe-
nehmend schnellere Sequenzen mit bes- ner indirekten MR-Arthrographie.Durch sondere im superioren Labrum zur Dar-
serer Auflösung (SENSE,Philips,Siemens) vorhergehende Gelenkbewegung wird stellung,welcher nicht als Labrumeinriss
ermöglichen eine exakte Beurteilung der nach i.v.-Applikation von Gd-haltigem fehlinterpretiert werden darf. In der MR-
periartikulären Weichteile, insbesondere Kontrastmittel ein Enhancement der Ge- Arthrographie zeigt sich keine KM-Mar-
des Labrum glenoidale oder des kapsulo- lenkflüssigkeit erreicht, welches zu einer kierung dieser hyperintensen Signalalte-
ligamentären Komplexes sowie des Ge- verbesserten Detektion insbesondere von ration (⊡ Abb. 2).
lenkknorpels (Untersuchungsprotokoll Läsionen der Rotatorenmanschette sowie Das anterior-superiore Labrum ist die
⊡ Tabelle 3). des Labrums führen kann. Die Methode häufigste Stelle anatomischer Normvari-
Die MR-Arthrographie kommt im We- zeichnet sich durch die im Vergleich zur anten, Variationen sind bei bis zu 13,5%
sentlichen nur bei unklaren MRT-Befun- direkten MR-Arthrographie fehlenden In- der Bevölkerung beschrieben [14, 15].
den oder bei spezifischen chirurgischen vasivität aus und findet beispielsweise bei Eine fehlende Verankerung des antero-
Fragestellungen zum Einsatz.Die intraar- Patienten mit Gerinnungsstörungen (Mar- superioren Labrums am Glenoid findet
tikuläre KM-Applikation ermöglicht durch cumartherapie) Anwendung.Die diagnos- sich bei 8–12% der Bevölkerung, auch be-
die Distension der Gelenkkapsel eine aus- tische Aussagekraft wird durch einen vor- zeichnet als „sublabrales Foramen“

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Abb. 1 ▲ Paraaxiales T2w-MR-Bild der Schulter: Deutlicher Gelenker-
guss mit Ausweitung der Bursa subscapularis (SSB). Die Pfeile deuten
auf Falten der Gelenkkapsel, welche als freie Gelenkkörper fehlgedeu-
tet werden können. c Gelenkkapsel, CP Processus coraciodeus

Abb. 2 ▲ Parakoronales T2w-MR-Bild der Schulter mit Fettunter-


drückung: Hyperintense, lineare Signalalteration im Ansatzbereich des
anterioren Labrums am Glenoid (Pfeil), bezeichnet als „hyaline“ oder
„cartilage undercutting“. Das Labrum zeigt sonst eine reguläre Form,
Begrenzung und Lokalisation

(⊡ Abb.3a–c; [16]).Das Foramen ist meist Die Variationen des Gelenkkapselan- gen an Knochen und Labrum subtiler, oft
anterior der Insertion der langen Bizeps- satzes werden in Zusammenhang mit den besteht nur eine bildgebend kaum nachweis-
sehne am Glenoid lokalisiert. Eine weite- Kapselverletzungen bei der anterioren In- bare kapsuloligamentäre Überdehnung.Erst
re häufige Normvariante ist der „sublabra- stabilität abgehandelt. die degenerativen Folgeerscheinungen las-
le Rezessus“,eine synoviale Unschlagfalte sen sich in der MRT sicher nachweisen [19].
zwischen der Bizepssehneninsertion in Anteriore Instabilität
der Oberkante des Glenoids, beschrieben Ossäre Läsionen
bei 50–73% der Bevölkerung. Sublabraler Die anteriore Instabilität ist meist Folge ei-
Rezessus und sublabrales Foramen kön- ner vorangegangenen traumatischen an- Bei traumatischer Anteroluxation ist häu-
nen gleichzeitig vorkommen und mitein- terioren Luxation unter erheblicher exter- fig eine Mitverletzung des Humerus und
ander in Verbindung stehen [17]. ner Gewalteinwirkung. Häufig kommt es der Skapula nachweisbar.Im Rahmen der
Das Labrum kann in seinem anterio- bei jungen Männern durch Verletzung des Bewegung nach anterior und inferior
superioren Anteil hypoplastisch oder feh- Kapsel-Band-Apparates zu wiederholten schlägt der Humeruskopf gegen den Un-
lend sein.Die Kombination dieser Norm- Dislokationen oder Subluxationen (in ca. terrand des Glenoids, wobei eine dellen-
variante mit einem seilartig verdickten 80–90% der Fälle; [18]). Bei der Luxation artige Kompressionsfraktur im Bereich
mittleren Glenohumeralband (der Durch- wird der Humeruskopf nach ventral über des posterolateralen Humeruskopfes en-
messer ist ähnlich dem der langen Bizeps- den Rand des Glenoids verlagert, die Sub- steht. Diese Veränderung wird als Hill-
sehne) wird als Buford-Komplex bezeich- luxation ist hingegen durch eine abnorma- Sachs-Läsion bezeichnet und stellt mit ei-
netet und mit einer Häufigkeit von ca.1,5% le Translationsbewegung des Humerus- ner Häufigkeit von 74% eine typische
angegeben (⊡ Abb. 4a–c). kopfes innerhalb des Labrums definiert. Komplikation der anterioren Luxationen
Bei der Unterscheidung der anatomi- Auch eine Subluxation kann für die Ent- dar [20]. Im konventionellen a.p.-Rönt-
schen Normvarianten von Pathologien stehung einer anterioren Instabilität ur- gen schwer nachweisbar, zeigt sich diese
am anterosuperioren Labrum hilft die Tat- sächlich sein,wobei hierzu nicht unbedingt als scharf abgrenzbare Verdichtungsline
sache, dass Risse oder traumatische La- eine Traumaanamnese vorliegen muss. („Kondensationslinie“) von der lateralen
brumalterationen meist nach kaudal in Die typischen pathologischen Gelenk- Humeruskopfzirkumferenz nach distal
den anterioinferioren Quadranten ver- veränderung wie Labrumeinrisse oder Frak- zum Humerusschaft ziehend (⊡ Abb.5a).
folgbar sind. Die Normvarianten bleiben turen (s.u.) lassen sich meistens bei Instabi- Besser gelingt die Diagnostik in der MRT,
hingegen auf den anterosuperioren Qua- lität nach traumatischen Luxationen in ih- wo insbesondere das auf der STIR-Se-
dranten beschränkt, wobei die Spitze des rer klassischen Form nachweisen.Bei chro- quenz nachweisbare Knochenmarködem
Processus coracoideus als Grenzmarke nischer Instabilität,insbesondere bei Patien- an typischer Stelle diagnostisch wegwei-
herangezogen werden kann. ten mit Hyperlaxität, sind die Veränderun- send ist (⊡ Abb. 5b; [21]). Die Hill-Sachs-

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Schulterdiagnostik

Abb. 3a–c ▲ a Laterale Ansicht der Fossa gleniodalis: BT lange Bizepssehne, ASL anterior-superiores
Labrum, MGHL mittleres Glenohumeralband, SLS sublabraler Sulkus, SLF sublabrales Foramen (aus
[5]). b, c T1w-Gradientenecho axial und sagittal nach intraartikulärer KM-Injektion: die Pfeile zeigen
auf das KM-markierte sublabrale Foramen, welches in Kommunikation mit der Gelenkhöhle steht

Abb. 4a–c ▲ a Laterale Ansicht des Buford-Komplexes: Fehlendes anterior-superiores Labrum mit
verdicktem mittlerem Glenohumeralband (MGHL); BT lange Bizepssehne. b, c Axiales und sagittales
MR-Arthrogramm, der Pfeilkopf weist auf das fehlende anterior-superiore Labrum, der schwarze Pfeil
zeigt das verdickte mittlere Glenohumeralband. Der weiße Pfeil zeigt den direkten Ansatz des Gleno-
humeralbands am superioren Labrum

Abb. 5  a Konventionelle
Röntgenaufnahme der rechten
Schulter im axialen Strahlen-
gang. Die vertikale Verdich-
tungslinie am lateralen Anteil
des Humeruskopfes (weiße
Pfeile) sind auf das Vorliegen
einer Hill-Sachs-Impression
hinweisend. b Axiale T2w-MRT
mit Fettunterdrückung: Impres-
sion und Knochenmarködem
(Pfeile) im Bereich der posterio-
ren lateralen Humeruskopfzir-
kumferrenz – Hill-Sachs-Läsion

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Abb. 6a–c ▲ a Skizze des Glenoids von lateral, Frakturlinie einer knöchernen Bankart-Läsion. b Axiale
hochauflösende CT-Arthrographie der Schulter, Rekonstruktion im Knochenfenster: Die Pfeile zeigen
die kortikale Konturunterbrechung im anterioren Abschnitt des Gleniods. c Axiales protonengewich-
tetes MR-Bild: Nach anterior disloziertes Frakturfragment des anterior-inferioren Glenoids im Rah-
men einer knöchernen Bankart-Läsion

Abb. 7  Skizzen
bekannter Form- und
Signalintensitätsvarianten
des Labrum glenoidale.
(Nach [37])

Läsion sollte nicht mit der normalen pos- werden. Labrumläsionen, insbesondere häufigsten Veränderungen sind Ein- oder
terolateralen Abflachung des Humerus- Risse, treten selten solitär auf, sondern Ausrisse des Labrums mit entsprechen-
kopfes verwechselt werden. sind meistens in Kombination mit zusätz- den in der MRT nachweisbaren morpho-
Eine typische Fraktur des Glenoids ist lichen pathologischen Veränderungen am logischen Veränderungen und Signalalte-
die ossäre Bankart-Läsion,definiert als ein Gelenkapparat zu finden, insbesondere rationen (⊡ Tabelle 5; ⊡ Abb. 7 und 8a, b;
knöcherner Defekt am anterior-inferioren am kapsuloligamentären Apparat, wel- [24]). ⊡ Abbildung 7 zeigt die differenzier-
Rand des Glenoids [22].Die Fraktur ist im cher mit dem Labrum funktionell und baren Form- und Signalintensitätsvarian-
konventionellen Röntgen auch mit Hilfe anatomisch zusammenhängt.Der Termi- ten des Labrums.Das GLOM-Zeichen (gle-
der „West-point-Einstellung“ (s.oben) nur nus labro-kapsulo-ligamentärer Komplex niod labrum ovoid mass) ist gekennzeich-
schwer identifizierbar, eine definitive Di- ergibt sich aus der anatomischen Lokali- net als verdicktes anteriores Labrum,rund-
agnostik gelingt mit der CT (⊡ Abb.6a–c). sation des inferioren Glenohumeralban- lich-ovoid konfiguriert,auch als freier Ge-
des, welches innerhalb der Gelenkkapsel lenkkörper im Bereich der anterosuperio-
Läsionen des Labrum glenoidale verläuft [23]. Typisch ist auch eine Aus- ren Gelenkkapsel nachweisbar [25].
dehnung des Labrumrisses nach superior, Die optimale Darstellung von Labrum-
Generell können Läsionen am Labrum als bis zur Insertion der langen Bizepssehne. läsionen gelingt mit der MR-Arthrogra-
sicheres diagnostisches Zeichen einer be- Bei der anterioren Instabilität ist meist phie,eine KM-Markierung des vorliegen-
stehenden anterioren Instabilität gewertet das anterosuperiore Labrum betroffen.Die den Risses gilt als diagnostisch beweisend.

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Schulterdiagnostik

Abb. 8  a Axiale T2w-MRT


des Schultergelenks:
Ruptur des anterioren La-
brums, markiert durch be-
gleitenden Gelenkerguss
(Pfeil). b Axiales T1w-Bild:
Mazeriertes, verdicktes an-
teriores Labrum (Pfeil) im
Rahmen einer chronischen
anterioren Instabilität. Das
Labrum ist vollständig vom
Glenoid separiert

Abb. 9  a Axiale Skizze


eines Schultergelenks mit
einer Bankart-Läsion.
AL anteriores labrum,
P Periost der Skapula (nach
[5]). b Axiales T2w-MRT-
Bild: Ausbreitung des Ge-
lenkergusses nach subperi-
ostal, die skapuläre Peri-
ostlamelle ist abgehoben
(Pfeilköpfe).Vollständige
Separation des anterior-
inferioren labroligamen-
tären Komplexes vom
Glenoid (Pfeil)

Abb. 10a–c ▲ a Sagittale Skizze einer Perthes-Läsion: Im Gegensatz zur Bankart-Läsion ist die
Gelenkkapsel erhalten, das Labrum sowie die Periostlamelle vom Glenoid abgehoben. b Axiales
T1w-MR-Arthrogramm: Der Pfeil weist auf das rupturierte anteriore Glenoid. Extrakapsuläres KM
als Hinweis auf das Vorliegen einer Kapselruptur lässt sich nicht nachweisen. c Entsprechende
Veränderungen auf dem axialen T2w-Bild mit Fettunterdrückung

Läsionen der Gelenkkapsel gische Zeichen ist das „capsular stripping“, zu finden: Typ 1 setzt direkt am Labrum
erkennbar am gerafften, verdickten Kap- an, die Typen 2 und 3 weiter in Richtung
Ab- oder Ausrisse der Gelenkkapsel vom selrest am Skapulahals. des Skapulahalses und dürfen nicht als
glenoidalen Ansatz sind bei traumatischen Normvarianten des Kapselansatzes „capsular stripping“ fehlgedeutet werden
Luxationen keine Seltenheit.Das radiolo- sind vorwiegend im anterioren Bereich [26]. Die posteriore Kapsel inseriert im-

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Abb. 11  a Skizze einer ALPSA (anterior labroli-
gamentous periostal sleeve avulsion): Das sepa-
rierte Labrum „rutscht“ unterhalb des abgehobe-
nen Periosts nach medial und vernarbt dort.
b Axiales T1w-MR-Arthrogramm mit gut KM-dis-
tendierter Gelenkkapsel: Das Labrum ist ruptu-
riert (Pfeilkopf) und nach medial unterhalb in die
skapuläre Periostlamelle verlagert

Abb. 12a–c ▲ a Skizze des Schultergelenks, koronale Ansicht: Ruptur des glenohumeralen Bandes im
Bereich der Ansatzstelle am Humerus (aus [5]). b Koronale T2w-MRT der Schulter mit Fettunter-
drückung: Hyperintense Signalalteration (Pfeil) im Ansatzbereich des anterior-inferioren Glenohu-
meralbandes, Konturunterbrechung bzw. fehlende Abgrenzbarkeit des Glenohumeralbandes. c Axia-
les T1w-MR-Arthrogramm: Ausriss und Retraktion der Subskapularissehne sowie der Gelenkkapsel
einschließlich des Glenohumeralbandes vom Tuberculum majus (lange Pfeile), der glenoidale Anteil
des labroligamentären Komplexes ist nach anterior und medial verlagert (Pfeilköpfe)

Abb. 13  a Axiales 2D-


Gradientenecho-MR-Bild:
Ruptur des posterioren La-
brums (kurze Pfeile) mit
Separation vom Glenoid
(lange Pfeile). b Axiales
T2w-MR-Bild mit Fettun-
terdrückung: Reverse Ban-
kart-Läsion; Ausriss der
posterioren labroligamen-
tären Strukturen vom Gle-
noid (lange Pfeile), beglei-
tendes Knochenmark-
ödem am angrenzenden
Glenoid (kurze Pfeile)

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Schulterdiagnostik

Abb. 14  a Skizze des Schultergenks, koro-


nale Ansicht: Verkalkung bzw. knöcherne
Ausziehung des posterioren Glenoids unter
Mitbeteiligung des posterior-inferioren
Glenohumeralbandes (nach [36]). b Axiales
2D-Gradientenecho-MR-Bild: Hypointense
Verdickung bzw. Strukturalteration der an
das posterior-inferiore Glenoid angrenzen-
den Weichteile (Pfeile)

Abb. 16  Häufigkeits-
verteilung der
unterschiedlich lokalisierten
Labrumläsionen

Abb. 15  Axiales 2D-Gradientenechobild: Flüssigkeitsdis-


tendierte Gelenkkapsel (dicke Pfeile). Der Humeruskopf ist
nach anterior verlagert, die knöcherne Begrenzung des
Glenoids sowie das Labrum glenoidale nicht vollständig
abgrenzbar. Zusätzlich osteophytäre Anbauten am Hume-
ruskopf (dünner Pfeil) als Zeichen der reaktiven Omarthrose

mer direkt am Labrum, Normvarianten von einer knöchernen Bankart-Läsion ALPSA, stehend für „anterior labroli-
sind äußerst selten. Bei der Unterschei- (s. oben). Der Riss kann sich bis in die gamentous periosteal sleeve avulsion“,
dung des Kapselrisses von einer Ansatzva- mid-anterioren sowie superioranterioren auch als medialisierte Bankart-Läsion be-
riante hilft die bei Rissen meist vorhan- Anteile des Labrums erstrecken. schrieben,stellt eine weitere Variante dar,
dene perikapsuläre Weichteilbeteiligung. Die Perthes-Läsion stellt eine Variante bei der die gesamten labroligamentären
Im Rahmen einer Bankart-Läsion (s.u.) ist der Bankart-Läsion dar, mit dem Unter- Strukturen nach medial verlagert werden
ein Ausriss der Gelenkkapsel im anteroin- schied, dass das Periost am Gleniod bzw. und in dieser Position vernarben können
ferioren Ansatzbereich nachweisbar. Skapulahals vollständig erhalten bleibt, [29].Das Periost ist wie bei der Perthes-Lä-
allerdings abgehoben und nach antero- sion vom Glenoid abgehoben und erhal-
Bankart-Läsion und Varianten medial verlagert ist [28].Wiederholte Sub- ten (⊡ Abb. 11a, b). Diese Form der chro-
luxationen des Humeruskopfes unterhalb nischen ALPSA führt ebenfalls zu wieder-
Die typische Veränderung bei der ante- der vernarbenden Periostlamelle bewir- holten anterioren Subluxationen mit zu-
rioren Instabilität ist die Bankart-Läsion, ken die Entstehung eines Pseudogelenks. sätzlich progredienter Überdehnung des
gekennzeichnet durch einen Ausriss des Durch die mögliche Selbstreposition des anterioren Glenohumeralbandes.
anteroinferioren Labrums, der Gelenk- Labrums in eine annähernd reguläre Po-
kapsel sowie des inferioren Glenohume- sition („heal back“),ist die Diagnose die- Weitere Läsionen
ralbandes vom Glenoid,bei gleichzeitiger ser Veränderung schwierig und nur an-
Abhebung und Ruptur des angrenzenden hand der subperiostalen KM-Ansamm- Die HAGL („humeral avulsion of the gle-
Periosts (⊡ Abb.9a,b; [27]).Bei ossärer Be- lung in der MR-Arthrographie zu erken- nohumeral ligament“),ein Abriss der Ge-
teiligung des Glenoids spricht man auch nen (⊡ Abb. 10a–c). lenkkapsel einschließlich des Glenohume-

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Abb. 17a–i  Skizzen
von SLAP-Läsionen der
Typen 1–9 (entsprechend
a–i). (Nach [5])

ralbandes von der Ansatzstelle am Hume- abgerissene Glenohumeralband verdickt, Posteriore Instabilität
rus,kommt eher bei älteren Patienten vor irregulär konfiguriert und mit erhöhter
[30].Zusätzlich beobachtet man diese Ver- Signalintensität (⊡ Abb.12a–c).Besteht eine Die posteriore Instabilität kommt weitaus
änderung bei Ruptur der Rotatorenman- knöcherne Beteiligung, wird auch von ei- seltener als die anteriore vor. Außerdem
schette, insbesondere der Subskapularis- ner „bony“ BHAGL gesprochen. sind Rupturen oder pathologische Verän-
sehne,oder Abriss des Tuberculum majus. derungen am posterioren Labrum nicht
In der MRT zeigt sich bei der HAGL das diagnostisch für eine posteriore Instabi-

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Schulterdiagnostik

Abb. 18 ▲ a Koronales T1w-MR-Arthrogramm: KM-markierte Ruptur des superioren Labrums Im


Sinne eines Korbhenkelrisses, SLAP-Läsion Typ 3 (Pfeil). Die Insertion der langen Bizepssehne am
Glenoid ist intakt (Pfeilkopf). b Axiale T2w-MRT mit Fettunterdrückung: Hyperintense, ergussmar-
kierte lineare Signalalteration (Pfeile) am superioren Labrumansatz, entsprechend einer SLAP-
Läsion Typ 5, welche sich nach superior in die Insertion der langen Bizepssehne erstreckt

lität, bestätigt durch die Tatsache, dass Humeruskopfes an der posterioren Kan- rungen nicht unbedingt in allen klinisch
posteriore Labrumläsionen sekundär te des Glenoids und ist ausdehnungsmä- bestehenden Subluxationsrichtungen nach-
auch im Rahmen anteriorer Luxationen ßig oft größer als die normale Hill-Sachs- weisbar sind. Außerdem kann, wie schon
entstehen können [31]. Die isolierte pos- Läsion. Ebenso kann es zu einem knö- erwähnt, eine posteriore Instabilität auch
teriore Instabilität ist selten (5%),bilatera- chernen Ausriss des Hinterkante des Gle- sekundär auf dem Boden einer anterioren
le Subluxationen nach posterior werden noids kommen (⊡ Abb. 13b). Instabilität entstehen.Die Anamnese gibt in
ausschließlich durch epileptische Anfälle Entsprechend der oben angeführten solchen Fällen Aufschluss.
verursacht.Das Glenoid befindet sich nor- ALPSA ist bei posteriorer Instabilität auch Patienten mit multidirektionaler In-
malerweise relativ zum Körper der Ska- eine POLPSA („posterior labrocapsular stabilität leiden meist an kongenitaler Hy-
pula in 7°-Retroversion,die posteriore In- sleeve avulsion“) beschrieben, welche perlaxität des kapsuloligamentären Ap-
stabilität wurde mit einer Dysplasie des durch den ausnahmslosen Ansatz der Ge- parats,welche sich klinisch in einer über-
Glenoids mit vermehrter Retroversion in lenkkapsel direkt am posterioren Labrum mäßigen Bewegungsfreiheit in sämtlichen
Zusammenhang gebracht. häufig zu finden ist. Gelenken äußert, erkennbar an der kli-
Bei jungen Sportlern kann die poste- Eine spezifische Verletzung des poste- nisch quantifizierbaren möglichen Über-
riore Instabilität auch durch repetitive Mi- rioren Labrums stellt die Benett-Läsion streckung insbesondere im Ellbogenge-
krotraumen im Rahmen von Schwimm-, dar [32]. Sie kommt in erster Linie bei lenk und den Fingergelenken. Traumati-
Wurf- oder Stoßbewegungen entstehen, Überkopfwerfern (Baseball-Pitcher) vor sche Ursachen sind selten, lediglich ein-
wobei diese Patienten klinisch eher und ist durch eine Teilruptur der poste- zelne Fälle von Sportlern oder Patienten
Schmerz- als Instabilitätssymptomatik rioren Anteile der Rotatorenmanschette mit Überkopftätigkeit sind beschrieben
präsentieren. sowie eine Verknöcherung der Weichtei- [33]. Die morphologischen Veränderun-
Die Instabilität wird durch eine Rup- le um das posteriore Glenoid gekenn- gen im Allgemeinen entsprechen den
tur oder einen Riss des inferioren Anteils zeichnet. Man vermutet, dass in der Aus- schon erwähnten Labrum- und Gelenk-
des posterioren Glenohumeralbandes holphase der Wurfbewegung eine rezidi- kapselalterationen. Oft findet sich aller-
bzw. der posterioren Gelenkkapsel be- vierende Subluxation des Humeruskop- dings eine unauffällige MRT der Schulter.
dingt. Die entsprechenden Veränderun- fes nach posterior zu entsprechenden Mi- Teilweise zeigen sich lediglich ein hypo-
gen wie Ein- oder Ausrisse des posterio- krotraumen am posterioren kapsuloliga- plastisches Labrum oder diskrete dege-
ren Labrums entsprechen denen der an- mentären Apparat führt (⊡ Abb. 14a, b). nerative Veränderungen.
terioren Instabilität an äquivalenter pos-
teriorer Stelle (⊡ Abb.13a). Isolierte trau- Multidirektionale Instabilität Chronische Instabilität
matische Affektionen des posterioren La-
brums sind selten.Im Falle einer knöcher- Multidirektionale Instabilität ist durch das Die chronische Subluxation der Schulter
nen Beteiligung kann eine reverse Hill- Auftreten symptomatischer Subluxationen ist meist bei älteren Patienten zu finden
Sachs-Läsion an der anteromedialen Zir- oder Luxationen in mehr als eine Richtung und wird als wiederholtes Instabilitätser-
kumferenz des Humeruskopfes dargestellt definiert.Ein genauer klinischer Status des eignis innerhalb eines Zeitraums von
werden. Die Eindellung entsteht im Rah- Schultergelenks ist bei diesen Patienten un- 3 Wochen definiert.Anteriore Dislokatio-
men einer Luxation durch Anschlagen des verzichtbar, da morphologische Verände- nen kommen deutlich häufiger vor als

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posteriore (76 vs.27%),wobei bei chroni- ▂ beim Typ 3 besteht ein Korbhenkel- Mit der MRT werden somit den behan-
scher Instabilität die posterioren Dislo- riss des oberen Labrums mit intakter delnden Orthopäden und Chirurgen in
kationen im Vergleich zu akuten häufiger Verankerung der langen Bizepssehne, Ergänzung zum klinischen Status detail-
vorkommen [34]. Chronische Instabilität ▂ beim Typ 4 reicht der Korbhenkel an lierte Informationen über den Zustand
entsteht häufig durch triviale traumati- die Insertion der langen Bizepssehne des Gelenks sowie der zugehörigen Weich-
sche Alterationen des nicht mehr voll be- heran. teile geliefert, insbesondere nach Schul-
anspruchbaren periartikulären Weichteil- tergelenkluxationen [36]. Besonders die
gewebes, deren Behandlung verzögert Die Häufigkeitsverteilung wird mit 55% Kapsel-Labrum-Avulsion,die bei der Ent-
oder gar nicht stattgefunden hat, bei jün- für Typ 1, 22% für Typ 2, 10% für Typ 4 stehung rezidivierender Luxationen eine
geren Patienten können akute Luxationen und 9% für Typ 3 angegeben. Zusätzlich Rolle spielt,kann ausreichend und zuver-
im Rahmen eines Polytraumas übersehen wurde die Typ-5-Läsion beschrieben,wel- lässig diagnostiziert werden. Auch ande-
und auf diese Art chronisch werden. che eine Bankart-Läsion darstellt, deren re assoziierte Schäden im Gelenk,wie eine
Generell zeigen sich bei chronischer Labrumriss nach superior bis zur Bizeps- Humeruskopfimpressionsfraktur oder ein
Instabilität die selben morphologischen sehneninsertion reicht.Typ 6 ist ein Korb- Riss der Gelenkkapsel, werden regelmä-
Veränderungen wie oben beschrieben, henkelriss des Labrums, welcher an der ßig dargestellt.
mit dem Unterschied, dass zusätzlich se- meist anterioren Seite ausgerissen ist.Bei
kundär-degenerative oder narbige Verän- der Typ-7-Läsion setzt sich der Labrum- Fazit für die Praxis
derungen unterschiedlichen Ausmaßes riss von superior nach anterior-inferior
vorliegen, die eine Identifikation der ur- fort,wobei zusätzlich das mittlere Gleno- Zusammenfassend bietet die Instabilität des
sächlichen Ausgangspathologie teilweise humeralband involviert ist.Die Typ-8-Lä- Schultergelenks ein komplexes und unter-
unmöglich machen (⊡ Abb. 15). sion erstreckt sich nach posterior,bei der schiedliches Zustandsbild, wobei im Wesentli-
Die MRT dient hier im Wesentlichen Typ-9-Läsion besteht ein die gesamte La- chen die MRT in Kombination mit der MR-Ar-
zum Ausschluss akuter instabilitätsassozi- brumzirkumferenz umfassender Einriss thrographie die optimale bildgebende Diag-
ierter Veränderungen (z.B.eines „bone brui- (⊡ Abb. 17a–i). nostik des kapsuloligamentären Apparats
se“) und liefert ergänzende Informationen Diagnostische Zeichen in der MR-Ar- darstellt.
bei der Entscheidung zwischen einer kon- thrographie sind ein Ausfließen des KM in Die Computertomographie wird zum Aus-
servativen oder chirurgischen Therapie. die Insertion der langen Bizepssehne,eine schluss oder zur Darstellung evtl.vorliegen-
irreguläre Konfiguration der Bizepsseh- der ossärer Mitbeteiligung eingesetzt.
Isolierte Labrumverletzungen neninsertion,KM-Ansammlung zwischen Dynamische MRT- oder CT-Untersuchungen
Labrum und Fossa glenoidalis, Verlage- werden zukünftig noch detailliertere Aussa-
Das klinische Erscheinungsbild isolierter rung des Labrums oder paralabrale Syn- gen über Laxizität und Dysfunktion des
Verletzungen oder Risse des Labrums ovialzysten (⊡ Abb. 18a, b). Paralabrale Schultergelenks zulassen.
ohne gleichzeitige Dislokation wird als Synovial- oder Ganglionzysten sind häu-
funktionelle Schultergelenkinstabilität be- fig mit SLAP-Läsionen assoziiert. Diffe- Korrespondierender Autor
zeichnet. renzialdiagostisch müssen die oben be- Dr. J. Sailer
Isolierte Verletzungen des Labrums schriebenen Normvarianten in Evidenz Abteilung Osteoradiologie,
sind bei „werfenden“ Athleten häufig zu gehalten werden (s. oben). Univ.-Klinik für Radiodiagnostik,
finden und stehen in morphologischem Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich
Zusammenhang mit der langen Bizeps- Diskussion E-Mail: johannes.sailer@univie.ac.at
sehne.
Im kranialen Anteil des Glenoids wer- In den letzten Jahren hat die MRT in der Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor
den Labrumläsionen als SLAP-Läsionen bildgebenden Diagnostik der Schulterin- versichert,dass keine Verbindungen mit einer Firma,
deren Produkt in dem Artikel genannt ist,oder einer
(superior labrum anterior and posterior) stabilität große Fortschritte gemacht. Firma,die ein Konkurrenzprodukt vertreibt,bestehen.
bezeichnet.SLAP-Läsionen entstehen ge- Durch Verbesserung der Auflösung sowie
wöhnlich nicht als Folge einer Schulter- durch den zunehmenden Einsatz der in-
luxation und kommen im Vergleich zu traartikulären KM-Applikation im Rah- Literatur
den oben angeführten Pathologien weni- men der MR-Arthrographie gelingt mitt-
ger häufig vor (⊡ Abb.16).Zahlreiche un- lerweile eine ausgezeichnete Darstellung 1. Hippocrates (1989) Injuries of the shoulder.
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