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GESAMTBEDEUTUNG DER

RUSSISCHEN KASUS
SE: Theorien zur morphologischen Struktur slawischer Sprachen
Prof. Dr. Luka Szucsich
Victor Renard, Anqi Li
Quelle: Jakobson, Roman. Beitrag zur allgemeinen Kasuslehre:
Gesamtbedeutungen der russischen Kasus. na, 1936.
Gliederung
I. Wissenschafthistorische Perspektive
II. Akkusativ
III. Nominativ
IV. Gesamtbedeutungen und Sonderbedeutungen
V. Vergleich Nominativ und Akkusativ
VI. Rankasus und Vollkasus
VII. Übersicht privativer Oppositionen
Wissenschafthistorische Perspektive:
Many meanings or Gesamtbedeutung?

§ The question of the Gesamtbedeutung of russian case is an old question, which


to Jakobson‘s despair had been put aside for a while.
§ Potebnja argued against the existence of an abstract Gesamtbedeutung, and for
considering Forms as a sum of Einzelnfälle which each have separated
indecomposable meaning. The usages of a word are form-indentical instances
who form one and the same family.
Ø Jakobson considers this way of thought as “unfruchtbaren Atomisierung”. He
also argues against Marty, who see case as “Bündel von verschiedenartigen
Bedeutungen”.
§ He prefers Peškovskij, who proposes a unitary bundle of diverse meanings,
which are repeated in the same way within each of these forms ("have nothing in
common with each other" and yet form a grammatical unity).
Wissenschafthistorische Perspektive:
Die Gesamtbedeutung im Sprachsystem

Ø Jakobson however goes further, and pleads that there has to be some kind of unitary
Gesamtbedeutung.
§ Jakobson follows Hjelmsleve (1935) regarding the fact that case carry „einen einzigen
abstrakten Begriff, aus dem man die konkreten Verwendungen ableiten kann”.
§ He also follows Deutschbein (1933) with respect to the notion that the
Gesamtbedeutung of cases is “durch das ganze Kasussystem der gegebenen Sprache
bedingt”, and should therefore be considered only in it’s relationship to the whole
language/case system.
Ø He further emphasizes that prepositional uses of case are the result of the interplay of
case and other parts of the Sprachsystem, and should also not be considered primary
in the definition of Gesamtbedeutungen of cases.
Akkusativ

● geläufige Definition: der Kasus, der das Objekt einer Tätigkeit bezeichnet.

● besagt, dass irgend eine Handlung auf den bezeichneten Gegenstand


gewissermaßen gerichtet ist, an ihm sich äußert, ihn ergreift.

● zwei syntaktische Abarten des A-s: starkregiert vs. schwachregiert


Akkusativ
a. starkregiert:

○ ein inneres Objekt der Handlung, welches als ihr Ergebnis entsteht.

pisatʼ pisʼmo
„einen Brief schreiben“

○ ein äußeres Objekt, das einer Wirkung von außen unterworfen ist,
aber auch unabhängig von ihr bestanden hat.

čitatʼ knigu

„ein Buch lesen“


Akkusativ
b. schwachregiert:

○ Zeit- oder Raumabschnitt, der von der Handlung restlos umfasst ist.
žitʼ god
„ein Jahr leben“
○ den objektivierten Inhalt einer Äußerung.
gore gorevat
„Leid leiden“
Gebrauchsarten des A-s

a. von einem Zeitwort regiert werden

pisatʼ pisʼmo
„einen Brief schreiben“

b. selbständiger Gebrauch

nagradu xrabrym!

„eine Auszeichnung den Tapfern!“


Gebrauchsarten des A-s

c. In akkusativischen Anreden und in Ausrufsätzen


Vanʼku! Lizu! (ein Fernruf oder ein nachdrücklicher Anruf)
nu ego [A] k lešemu! „zum Teufel mit ihm!“

d. In präpositionalen Fügungen
na stol „auf den Tisch“
na stole „auf dem Tisch“
Nominativ
● geläufige Definition: Kasus, der das Subjekt der Tätigkeit bezeichnet.

● problematisch

○ vremja - den’gi

„Zeit ist Geld“

weder der N des Subjekts, noch der des Prädikats als tätig gekennzeichnet

○ syn nakazan otcom

„der Sohn ist vom Vater bestraft worden“

der Nominativgehalt erweist sich als ein Objekt der Handlung.


Nominativ

● Basierend auf dem System privativer Opposition


○ A: auf den Gegenstand ist eine Handlung gerichtet

Signalisierung von α—merkmalhaltig


○ N: weder das Vorhandensein noch das Nichtvorhandensein eines Bezugs
zu einer Handlung angibt
Nicht-Signalisierung von α—merkmallos

Der N wird als merkmallose Kasusform definiert.


Gesamtbedeutung vs. Sonderbedeutung

Die Frage der Gesamtbedeutung darf nicht durch die Sonderbedeutung oder
Hauptbedeutung ersetzen.
● Gesamtbedeutung
Wortlehre: von der Umgebung unabhängig
● Sonderbedeutung
Wortverbindungslehre: durch verschiedenartige Wortgefüge, bzw. durch verschiedenartige,
formelle und reelle Bedeutungen der umgebenden Worte bestimmt werden
Gesamtbedeutungen

● A: angibt, dass der bezeichnete Gegenstand irgendeiner Handlung unterworfen ist—


Signalisierung von α
● N: angibt nicht, ob der bezeichnete Gegenstand irgendeiner Handlung unterworfen
ist—Nicht-Signalisierung von α
Sonderbedeutung des N-s
Wortumgebung ankündigt, dass der Nominativgegenstand einer Handlung unterworfen ist.

● Signalisierung von α
● als eine "uneigentliche" Bedeutung gewertet
● die mit der Akkusativbedeutung zusammenfällt
● merkmalhaltig
knigi pišutsja pisateljami
„die Bücher werden von Schriftstellern geschrieben“
Sonderbedeutung des N-s
Wortumgebung ankündigt nicht, ob der Nominativgegenstand einer Handlung unterworfen
ist.
● Signalisierung von Nicht-α
● die Bedeutung des handelnden Subjekts—Hauptbedeutung
● merkmallos
pisateli pišut knigi
„die Schriftsteller schreiben Bücher“
Funktionen des N-s
a. Nennfunktion
○ Inhalt ansagen: buločnaja “Bäckerei”
○ wahrgenommene Gegenstände nennen: medved’ „Bär“
○ eigene Erlebnisse: xolod „Kälte“
b. darstellende Funktion
○ der durch den N bezeichnete Gegenstand wird als der Gegenstand
der Aussage hingestellt
osël [Nominalsatz], tot [Subjekt eines darstellenden Satzes] ne trebuet
bol’šogo uxoda
„der Esel, der fordert keine große Pflege“
Funktionen des N-s
c. syntaktische Funktionen: Subjekt, Prädikat, Apposition
1. Onegin - dobryj moj prijatel
„Onegin ist mein guter Freund“
2. Onegin, dobryj moj prijatel, rodiljsa na bregax Nevy
„Onegin, mein guter Freund, ist an der Küste der Neva geboren“
Vergleich Nominativ und Akkusativ
Bei der Gesamtbedeutung

■ A: merkmalhaltig
■ N: Merkmallos

In der Hierarchie der Bedeutungen

■ N: führende Rolle in der Aussage


■ A: die untergeordnete Rolle in der Aussage (auch in den subjektlosen Sätzen)
lodku [A] daleko otneslo (subjektlos)
lodka [N] daleko otnesena „Das Boot wurde weit abgetrieben“
Vergleich Nominativ und Akkusativ

In der Verteilung der semantischen Abarten


● N als Subjekt der Handlung bezeichnet das belebte Wesen
● A als Objekt der Handlung bezeichnet einen unbelebten Gegenstand
● Eine Rollenvertauschung erhält einen gewissen Beigeschmack der Personifizierung
gruzovik razdavil rebënka
„der Lastwagen tötete ein Kind“
Rankasus und Vollkasus
■ N und A sind Vollkasus und I und D Randkasus: “Der Randkasus gibt an, daß das bezügliche
Nomen im gesamten Bedeutungsgehalte der Aussage eine periphere Stellung einnimmt, wogegen
ein Vollkasus nicht angibt, um welche Stellung es sich handelt”.
■ Ein Rand setzt immer einen Mittelpunkt voraus: der Romantitel Ognem i mečom “Mit Feuer und
Schwert” setzt eine Handlung voraus, mit Hinblick auf welche die Instrumentalgegenstände eine
Werkzeugsrolle spielt.
■ Dieser Peripherität Gegensatz ist auch außerhalb des verbalen Bereichs zu erkennen:
kazak bujnym sokolom rinulsja na vraga
„der Kosak stürzte sich wie ein ungestümer Falke auf den Feind”
kazak, bujnyj sokol,rinulsja na vraga
„der Kosak, ungestümer Falke, stürzte sich auf den Feind”.
Ø Der Wechsel von einem metaphorischen (losgelösten) Vergleich zu einem direkt mit dem
entsprechenden Nomen verbundenen Qualifikator führt hier zu einem Verlust der Peripherität.
privative Oppositionen im Kasus System
vorläufige Übersicht

■ A und D geben die betroffenheit der Gegenstand an, I and N sind in dieser Hinsicht
merkmallos.
Ø N ist also im System auf mehrere Ebene merkmallos. Merkmallos gegen A und D
Hinsichtlich betroffenheit und merkmallos gegen I und D Hinsichtlich Peripherität.

Merkmalos Betroffenheit
Merkmallos N A
Peripherität I D

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