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6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Richard H. W. Funk

Übersicht, Einteilung • Lichtleitende Medien und die Akkommodation


des Lichtstrahls: Kornea, Vorderkammer mit
Bulbus oculi. Aus der Embryonalentwick- Kammerwasser, Iris (Blende), Linse, Zonula-
lung leiten sich 3 zwiebelschalenartig (Bulbus Apparat, Ziliarmuskel (Akkommodationsappa-
= Zwiebel) ineinander geschachtelte Hüllen rat), Glaskörper
ab: Tunica interna, media und externa oculi. • Flüssigkeitssystem (Kammerwasserzu- und
Der vordere Teil der Tunica interna, der im -abfluss, Aufrechterhaltung eines konstanten
Gegensatz zum hinteren (Pars optica) nicht Augendrucks, Lymphäquivalent)
mehr von dem durch die Pupille fallenden Licht • Lid- und Tränenapparat: Lider, Tränendrüse,
erreicht wird, ist die Pars caeca (blinder Teil) Tränenfilm, Tränenabflusswege
(Abb. 6.7). • Bewegungsapparat: Sklera, äußere Augenmus-
keln, Orbita, Tenon-Kapsel, Orbitafettkörper.
• Die Tunica interna oculi bildet sich aus den
beiden Blättern des Augenbechers, die Retina Leitungsbahnen. Am Auge finden wir Lei-
(innen) und das Pigmentepithel (außen), das tungsbahnen wie an anderen Organen auch.
sich aus primärem Nervengewebe entwickelt. Um jedoch dem Licht freien Zugang bis zur
Beide Schichten bleiben zeitlebens voneinander Netzhaut zu gewähren, sind Hornhaut, Vorder-
trennbar (Netzhautablösung, s. Retina) (Abb. kammer, Linse und Glaskörper im erwachsenen
6.8). Aus dem ursprünglichen äußeren Blatt Auge gefäßfrei. An der Stelle des schärfsten
des Augenbechers wird vorn in der Irisanlage Sehens (Fovea centralis) werden sogar die Reti-
das Muskelblatt (M. sphincter und M. dilatator nakapillaren wie auch die inneren Schichten der
pupillae), aus dem inneren Blatt (Pars iridica Netzhaut zur Seite geschoben. So kann das Licht
retinae) das Pigmentblatt der Iris (Abb. 6.5, 6.8), ungehindert auf die Rezeptoren treffen, die nach
in der Übergangsregion das Epithel der Ziliar- außen (vom Licht weg) gewandt sind (Inversion
fortsätze. der Netzhaut, siehe Entwicklung des Auges).
• Die Tunica medica oculi bildet in der Pars
optica die Aderhaut, im Übergangsbereich den Lymphgefäße. Als weitere Besonderheit besitzt
Ziliarmuskel (M. ciliaris) und in der Pars caeca der Bulbus innen keine Lymphgefäße. Diese treten
das Irisstroma (Abb. 6.7). erst wieder in der Bindehaut (Konjunktiva) sowie
• Die Tunica externa oculi ist im hinteren Bul- rund um das Auge in der Orbita und den Lidern
busabschnitt Grundlage von Sklera, Limbus auf. Das Flüssigkeitssystem des Auges (Kammer-
corneae am Übergang, und vorn der Kornea. wasser, Glaskörper) übernimmt die Funktion der
Lymphgefäße. Hieraus resultieren auch Besonder-
Funktionell unterscheidet man 5 Systeme, die heiten des immunologischen Status.
sich vielfach in ihrer Funktion überschneiden:
Entwicklung, Fehlbildungen
• Lichtrezeption: Retina, N. opticus und beige-
Lernziele: Augenblase, Augenbecher (-spalte).
ordnete Elemente wie Gefäße, Pigmentepithel,
Linsengefäßnetz, Tunica interna, media und
Aderhaut
externa oculi

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552 6 Sehorgan, A u g e , O c u l u s et Structurae pertinentes

Primäre Augenblase. In der 3. Entwicklungs- anlagen) und stülpt sich konkav in den Hohlraum
woche (EW) entsteht im Neuroektoderm die der Augenblase ein. Gleichzeitig bildet sich aus der
Augenanlage, bevor sich die Neuraiwülste (s. Kap. Linsenplakode eine grübchenartige Vertiefung, die
3.5.1.2, S.142) geschlossen haben: eine Furche in der Augenbecher umgreift. Schließlich tropft das
der Medullarplatte, Augen- oder Sehgrube (Sulcus Linsengrübchen in den Augenbecher und schließt
opticus, Fovea optica). sich vom distalen Ektoderm ab, das die Hornhaut
(Cornea) bildet (Abb. 6.3).
In der 3.-4. EW wandelt sich die Augengrube
zur primären Augenblase um (Vesicula optica).
Ihr Hohlraum, der sog. Sehventrikel (Ventriculus j _ Wand des
' Zwischenhirns
opticus), steht über den Innenraum des Augenbla-
• Lamina externa
senstiels in breiter Verbindung mit dem Ventrikel
• Linsengrube
des Vorderhirns. Der Augenblasenstiel wird zum
Sehnerv (Abb. 6.1). Glaskörperraum
Lamina interna
Ektoderm — __
Sehventrikel
Canalis opticus

Ventrikel Abb. 6.3: Entwicklung des Auges. Augenbecher,


Linsengrube. Schema
Linsenplatte

Augenblase ' Augenbecherspalte. Im mittleren Bereich der


y ventralen Augenblasenwand entwickelt sich in
Sehventrikel'
der 5. EW vom Augenbecherrand bis zum Sehstiel
Abb. 6.1: Entwicklung des Auges. I. A n l a g e der A u g e n -
die Augenbecherspalte als Einfaltung (Abb. 6.4).
blase u n d der Linsenplatte. S c h e m a Der Augenbecher wird vom Rand her spaltförmig
geöffnet, wobei die tiefste Stelle des Spaltes den
Linse. In der 4. EW berührt die distale Wand Ort des späteren Sehnervenabgangs (Papilla nervi
der Augenblase das Ektoderm. Hier entsteht die optici) markiert. Die Augenbecherspalte erlaubt
Linsenanlage als Verdickung des Ektoderms (Lin- den Eintritt der embryonalen Gefäße und ermög-
senplakode) (s. Kap. 3.5.3.1, S.153). Aus der Lin- licht den retinalen Ganglienzellen Anschluss an
senanlage leiten sich ab: Linse, Hornhautepithel, das ZNS zu gewinnen, ohne dass die Optikusfasern
Bindehaut, Lidhaut (Abb. 6.2). nach vorne über den späteren Pupillenrand hinweg
zur Augenbecherbildung wachsen müssen. Je mehr
Ektoderm Axone sich hier anschichten, umso enger wird
Wand des das Lumen des Augenbecherstiels (des späteren
Zwischenhirns Sehnervs). Sobald diese Vorgänge abgeschlossen
Sehventrikel -

Augenoecnerspane
Augenbecherstiel" „v-./v - ,
/ w , ...
Linsengrube'
• Augen-
ξ ,ί becherrand
Augenblasengrube '
- Linse
Abb. 6.2: Entwicklung des Auges. II. B i l d u n g des
Augenbechers; Linsengrube. Schema

Augenbecher. Die primäre Augenblase wan-


delt sich in der 4.-7. EW in den Augenbecher Augenbecherstiel
(sekundäre Augenblase) um, das Kernstück des Abb. 6.4: Entwicklung des Auges. IV. Modell der
Sehorgans, dem sich alle anderen Gewebe hüllen- A u g e n a n l a g e eines 12,5 m m l a n g e n m e n s c h l i c h e n
artig angliedern. Die distale Wand der Augenblase E m b r y o s . Von lateral u n d ventral g e s e h e n ( n a c h
verdickt sich zum Netzhautdiskus (5-6 Zellkern- Dedekind-Hochstetter)
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6 Sehorgan, Auge, Organum visus 553

sind, verschließen sich die Lippen der Augenbe- Tabelle 6.1: Stadien der Augenentwicklung
cherspalte - etwa in der 6. EW. Durch die Umstül-
Alter Entwicklung
pung kommen zwei Wände des ursprünglichen
Augenbläschens in Kontakt: innere und äußere 3.-4. EW Sehgrube formt sich zur Augenblase
Wand des Augenbechers. Die äußere Wand wird 4.-5. EW - Linsenplakode wird zum Linsenbläs-
zum Pigmentepithel, die innere hinten zur Retina chen
- Augenbecher mit erstem Pigment in
und vorne zu Ziliarepithel und Irisrückseite. Durch
äußerem Blatt
diesen Stülpungsvorgang stehen die Photorezepto- - A. hyaloidea in der fetalen Augen-
ren lichtabgewandt nach außen: Inversion der Netz- spalte
haut. Eine Eversion der Netzhaut mit nach außen - Retina bildet Zilien und Neuro-
ableitenden Nervenzellen und Axonen kommt ζ. B. epithel

bei Tintenfischen vor. - Ektoderm formt Oberlid


6. EW - Mesenchym formt Iris
Bulbus, Orbita, Retina. Nach dem Augenbecher- - Verschluss der fetalen Augenspalte
Spalten-Verschluss erfolgt die Differenzierung - beginnende Retinadifferenzierung
- erste Anlage der äußeren
der Anlagen des Bulbus, seiner Anhangsorgane
Augenmuskulatur
und der Orbita. Die Retina beginnt sich weiter zu
7 - 1 0 . EW - Kornea besteht aus Endothel,
untergliedern.
Epithel und einigen Reihen Stroma-
Choroidea. Schon Augenblase und -becher werden zellen mit wenig Kollagen
- beginnende Verdichtung der
von einem Kapillarnetz umgeben. Dieses stellt anterioren Sklera
die erste Anlage der Choroidea dar. Anschließend - Entwicklung der Linsenzellen
entwickelt sich ein zweites venöses Gefäßnetz, das 3. Monat - Entstehung der Linsennähte
eine weitere Hüllschicht ausbildet und dann an die - Tunica vasculosa lentis voll entwickelt
4 Vortexvenen Anschluss gewinnt. - ektodermale Schichten der Iris
werden gebildet
Um die 20. EW sind alle Schichten der Choroidea - beginnende Entwicklung von
nachweisbar. Kammerwinkel und Kammerwasser-
abflusssystem
Sklera. Wie in der Hirnentwicklung sich das umge- 4. Monat - Sklera und Choroidea verdichten sich
bende Mesenchym zu den Hirnhäuten entwickelt, - Ziliarfortsätze beginnen Kammer-
so verdichtet sich das Mesenchym um die Augen- wasserproduktion
anlage zu Sklera, Ziliarkörper und Bindegewebe - Schlemm-Kanal entsteht
- Rückbildung der A. hyaloidea
der Iris und Hornhaut.
7. Monat - Retina differenziert sich
(bis auf Makula) vollständig
- Rückbildung der Pupillarmembran
9. Monat - Markscheidenreifung des Sehnervs
— Augenlid
erreicht die Papille
^ Glaskörper Neonatalperiode •- Entstehung der Macula lutea
(4.-6. Monat - Pigmentation der Iris
Umschlagsrand nach der Geburt)

Linsenfasern

Unsenepithel
Linsengefaßnetz. Die Linse wird während ihrer
—inn. Blatt des
Entwicklung von einem sehr dichten Gefaßnetz
Augenbechers
umgeben, das von der A. hyaloidea, den beiden
*" 'Sehventrikel
hinteren langen Ziliararterien und den vorderen
* "äuß. Blatt des
Augenbechers
Ziliararterien gespeist wird. Dieses Linsengefaß-
netz ist um die 9. EW am stärksten differenziert. Es
Augenbecherstiel Α hyaloidea Augenlid
bildet eine Gefaßkapsel (Capsula vasculosa lentis),
Abb. 6.5: Entwicklung des Auges. V. Weitere Differen- die an der Linsenvorderfläche als Pupillarmembran
zierung des Augenbechers und der Linse. A. hyalo- zu erkennen ist (Abb. 6.5). Die Linsengefaße ver-
idea, Bildung der Augenlider. Schematisierter Schnitt kümmern wieder in der 28.-32. EW (Tab. 6.1).

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554 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Klinik: 1. Kolobom (= Coloboma). Angebo-


rene Spaltbildung von Iris, Linse (im unteren
Quadranten), Aderhaut und Discus nervi optici
durch unvollständigen Verschluss der embry-
onalen Augenbecherspalte; vollständig ausge-
bildet oder partielles Kolobom, das nur einige
Abschnitte betrifft; 2. Aniridie. Fehlende Iris
durch ausbleibende Verdichtung der mittleren
Augenhaut (Tunica media oculi) im vorderen
Bulbus. 3. Pupillarmembran. Reste des Gefäß- Abb. 6.6: Beim Iriskolobom (Abb.) reicht der unvoll-
ständige Verschluss der fetalen Augenbecherspalte
systems der Linse können sich als Überbleibsel
bis zur Iris vor - daher die nach unten gerichtete
der A. hyaloidea auf der Papilla n. optici (Berg-
Vergrößerung der Pupille
meister-Papille) als in den Glaskörper vorragen- (Quelle: Prof. Dr. F. W. Wilhelm, Halle/Saale)
der Gliazapfen manifestieren. Die Persistenz der
Pupillarmembran zeigt sich in Zellresten auf der
Linsenvorderfläche bis hin zu einem Bindege-
webegitter, das von der Iris ausgeht (Abb. 6.6).

A. ciiiaris ant.
v
χχ
\

Ziliarkörper
\
\

\ 4 V. vorticosa
Linse
Xχ \
χ v
Hornhaut

A. ciiiaris post, longa

— —Sehnerv

" - - A . cental i
retinae

Aa. ciliares
post, breves

ι
V. vorticosa
' /
Pigmentepithel
siehe Abb 6 9 /
/
Aderhaut I Retina
Sklera

Abb. 6.7: Übersicht über die Gewebe und das Gefäßsystem des Auges. Die äußere Augenhaut ist eröffnet, das
vordere Auge ist sagittal geschnitten, am hinteren Auge wird die Choroidea (Aderhaut), das Pigmentepithel und
die Retina (Netzhaut) sichtbar.
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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 555

6.1 Augapfel, Bulbus oculi

6.1.1 Äußere Augenhaut, Dabei ist sie gegen die Hornhaut hin 0,8 mm dick,
am dünnsten hinter den Ansätzen der geraden Mus-
Tunica fibrosa bulbi
keln (0,3 mm), am Äquator 0,6 mm und 1 mm am
hinteren Pol in der Nähe des N. opticus.
Lernziele: Aufbau der Sclera, Hornhautschich-
ten, Hornhauttransparenz, Kammerwasserpro- 3 Schichten werden von außen nach innen unter-
duktion und -abfluss, Entstehung des Augenin- schieden:
nendrucks
• Episklera (außen) als vaskuläre Bindegewebe-
schicht mit elastischen Fasem, Makrophagen,
Die äußere Augenhaut setzt sich zusammen aus
Melanozyten und Lymphozyten
der
• Stroma aus kollagenen Fasern (Typ I, III und
• Lederhaut, Sclera V), die in unterschiedlich dicken Bündeln in
• Hornhaut, Cornea einem rautenförmigen Muster angeordnet sind.
Diese relativ unregelmäßige Anordnung und
der höhere Wassergehalt machen die Sklera im
6.1.1.1 Lederhaut, Sclera Gegensatz zur Hornhaut undurchsichtig.
• Lamina fusca mit feinen kollagen Lamellen
Die Sklera, das Weiße im Auge, stellt mehr als suprachoroidal und supraziliar - liegen jeweils
4/5 der äußeren Wand dar. Äußeren und inne- der Choroidea bzw. dem Ziliarkörper außen an.
ren Augenmuskeln bietet sie als Grundskelett
Ansatz (Abb. 6.7).

vorderer
Bulbusabschnitt

äußere Schicht Augenbecher

innere Schicht Augenbecher

Übergangszone

hinterer
Bulbusabschnitt

Abb. 6.8: Schichtengliederung des Auges. Das vordere Auge ist median halbiert, die Schichtengliederung ist her-
vorgehoben: dunkelgrün = äußere Augenhaut; fleischfarben = mittlere Augenhaut (Ziliarmuskel, Stroma, Gefäße
der Ziliarfortsätze, Stroma der Iris); innere Augenhaut mit den beiden Schichten des Augenbechers (dunkelbraun
- Pigmentepithel, hellbraun - Retina).

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556 6 Sehorgan, A u g e , Oculus et Structurae pertinentes

Irisarteriolen"
_ Zonutafasern

Circulus arteriosus - ~~ Ziliarkörpergefäße


iridis major

Kollektorkanal
/ lange hintere
' /
Ziliararterie
Schlemm'Kanal y /
/ / Pars plana
episklerale Vene j Venolen
/
Trabekelwerk /

intramuskulärer Gefäßring

vom Augenmuskel kommende


perforierende
vordere Ziliararterie

Abb. 6.9: Gefäß- und Flüssigkeitssystem des Auges. Das vordere A u g e ist m e d i a n halbiert, u m die Gefäße u n d
K a m m e r w a s s e r a b f l u s s w e g e (Trabekelwerk, Schlemm-Kanal, Kollektorkanal, episklerale Venen) zu zeigen.

Durch alle Schichten laufen Kanäle (Emissarien) Verbindungen zum episkleralen Arteriensystem
für Gefäße und Nerven. Im Kammerwinkel ist (Abb. 6.9).
der Schlemm-Kanal zwischen Trabekelwerk und
An der Austrittsstelle der Optikusfasem ist die
Skleralstroma eingebettet. Zahlreiche Kollektor-
Sklera durch elastische und kollagene Fasern in die
kanäle führen durch das Stroma zur episkleralen
siebförmige Lamina cribrosa umgeformt.
Schicht, wo sie in die episkleralen Venen einmün-
den. Diese haben über arteriovenöse Anastomosen
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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 557

6.1.1.2 Hornhaut, Cornea

Die Hornhaut als transparenter, vorderer Teil vorderes Hornhautepithel


(Epithelium corneae)
der äußeren Augenhaut ist stärker gekrümmt als
die Sklera (Krümmungsradius 7 - 8 mm). Diese
Wölbung bedingt eine Brechkraft > 40 dptr, das Bowman-Lamelle
(Lamina limitans anterior)
entspricht 2/3 der Gesamtbrechkraft.
Der vertikale Durchmesser beträgt 10,6 mm, der hori- Hornhaut-Stroma -
zontale 11,6 mm, wobei diese Maße kaum variieren. Zen- (Substantia propria)
tral beträgt die Hornhautdicke 0,52 mm, zum Limbus hin
0,67 mm (Abb. 6.9) Descemet-Membran
(Lamina limitans posteriori
Hornhauttransparenz. Die Cornea ist aus 2 Grün-
den transparent, sie ist 1. gefäßlos (avaskulär)
und 2. von homogener Struktur (Ähnlichkeit des Endothel-Zellen
(Endothelium corneae)
Lichtbrechungsindex). Dies gilt für alle Elemente:
Tränenfilm, Epithel, Bowman-Lamelle, Stroma,
Tränenfilm - -
Descemet-Membran, Endothel.

In einem solchen System dürfen also keine


Dichteinhomogenitäten, die größer als die halbe Abb. 6.10: Schichten der Hornhaut. Querschnitt durch
Wellenlänge des Lichtes (200-300 nm) sind, die Hornhaut zur schematischen Darstellung der
auftreten, da es sonst zu Streuung und damit Schichtengliederung
zu einer Trübung kommt. So wird das Binde-
gewebestroma der Hornhaut ständig entwässert, Zellen beträgt 7 - 1 0 Tage. Die basalen Zellen
damit der Dichteunterschied der Grundsubstanz erscheinen kubisch, die mittleren, höheren
zu den kollagenen Fasern und zu den Zellen werden Flügelzellen genannt, die beiden oberen
nicht zu hoch wird. Schichten bestehen aus abgeflachten Zellen. Am
Rand der apikalen Zellmembran liegt die für
Tränenfilm. Der Flüssigkeitsfilm sorgt für eine den Ionenfluss wichtige Barriere der Zonulae
glatte optische Oberfläche und für die Ernäh- occludentes (Tight junctions) (Abb. 6.11). In
rung der oberflächlichen Hornhautschichten. Mit der Hornhautperipherie liegen zwischen den
jedem Lidschlag wird der Tränenfilm in folgenden Epithelzellen pigmentierte Melanozyten und
3 Schichten neu geformt: Langerhans-Zellen (Abwehrfunktion). Vom
Rande her ziehen zahlreiche feine Nerven in
• Äußere Lipidschicht, die von den Meibom- und
das Hornhautepithel. Die Innervationsdichte
Talgdrüsen produziert wird. Sie verhindert eine
der aus dem oberen Ast des N. trigeminus (V,)
zu starke Abdunstung und reduziert die Oberflä-
stammenden Fasern ist sehr hoch.
chenspannung.
• Lamina limitans anterior. Die Bowman-
• Mittlere, wässrige Schicht mit Abwehrstoffen
Lamelle ist eine zellfreie 8 - 1 4 μηι dicke Stro-
wie Lysozym und Immunglobulin A. Diese
magrenzschicht, die ausschließlich aus kollage-
Schicht wird von der Tränendrüse produziert.
nen Fasern und Grundsubstanz besteht und vom
• Innere Muzinschicht aus Glykoproteinen, die aus
Hornhautstroma gebildet wird. Sie ist daher
den konjunktivalen Becherzellen und teilweise
nicht mit der Basalmembran des Epithels (die
aus der Tränendrüse stammen. Die Glykokalix
wesentlich schmaler ist) zu verwechseln.
auf den Mikrovilli der Epithelzellen verbindet
• Substantia propria. Das Hornhautstroma ist
sich mit dieser Schicht.
die zentrale Bindegewebeschicht und nimmt
9 0 % der Hornhautdicke ein. Hier ordnen sich
5 Hornhautschichten (Abb. 6.10)
kollagene Fibrillen in Lamellen von 2 μιη
• Epithelium corneae. Das vordere Hornhaut- Dicke an. Innerhalb dieser Lamellen liegen die
epithel (50-100 μηι dick) mit hoher Mitoserate Fibrillen parallel und regelmäßig angeordnet.
ist aus 5 - 6 Zelllagen aufgebaut. Der Umsatz der Zwischen den Lamellen sind die Fibrozyten
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558 6 Sehorgan, Auge, O c u l u s et Structurae pertinentes

— - Tight junctions Hilfe durch gründliches Ausspülen mit Wasser


oder (besser) neutralisierender Pufferlösung,
— Fliigeizellen notfalls mit Getränken, 2. Hornhautdystrophie.
Beidseitige Trübungen von Hornhautschichten:
— - Desmosomen
2.1 epitheliale (vordere) H., 2.2 stromale H.:
knötchenförmige, gitterartige oder bröckelige
— Nervenfaser (Typ Groenouw) Formen bzw. fleckige Form,
2.3 endotheliale H. (= Fuchs-Hornhautdys-
_ Basalzellen trophie). Dystrophie des Hornhautendothels
mit Zusammenbruch der Endothelschranke
zunächst im Zentrum; Verlauf über Jahrzehnte
- — Basalmembran mit fortschreitendem Stromaödem und bläs-
~ ~ Bowman-Lamelle
chenförmiger Abhebung des Epithels, zuneh-
- — Schwann-Zelle mender Sehverschlechterung und Schmerzen
beim Platzen der Epithelbläschen, 3. Keratitis (=
Hornhautentzündung). Einwanderung von Ent-
- · Stroma
zündungszellen aus den hyperämischen Gefäßen
des Limbus und aus der Tränenflüssigkeit.

Abb. 6.11: Schema des Hornhautepithels. Schemati-


scher Querschnitt durch die Epithelschicht der Horn-
haut

eingelegt, die sich bei Wundheilungsprozessen


in Fibroblasten umwandeln können.
• Lamina Iimitans posterior. Als Basallamina
des Hornhautendothels entsteht die elastische
Descemet-Mcmbran, wobei ihre Dicke von
3^4 μιη bei Geburt auf 10-12 μιτι im Alter
zunimmt.
• Endothelium corneae. Die Endothel-Zellen
bilden eine 3-4 μιη dicke Platte aus hexagonal Abb. 6.12: Bei der hinteren Hornhautdystrophie kommt
geformten Zellen (Abb. 6.10). Die Interzel- es zu irregulären Veränderungen der Hornhautrückflä-
lulärräume sind durch Zonulae occludentes c h e (graue netzförmige Veränderungen im Bild) und zu
abgedichtet. Gap junctions ermöglichen eine B l ä s c h e n auf d e m Hornhautepithel (helle Flecken im
Kommunikation von Zelle zu Zelle. Auf eine Bild) (Quelle: Prof. Dr. F. W. Wilhelm, Halle/Saale).

aktive Pumpfunktion weist neben den Zellver-


bindungen auch die große Anzahl von Mito-
6.1.1.3 Vordere und hintere Augenkammer
chondrien und die Anwesenheit der Enzyme
(Vorderkammer, Hinterkammer),
Carboanhydrase und ATPase hin. Die Zahl
Camera bulbi anterior et posterior
der Hornhautendothelzellen nimmt im Laufe
und Kammerwasser,
des Lebens von 5000/mm 2 (1. Lebensjahr) auf
Humor aquosus
2000/mm 2 (80. Lebensjahr) ab. Unter einer Zahl
von 1000/mm2 ist eine ausreichende Pump-
Camera bulbi anterior (Abb. 6.9). Sie wird durch
funktion nicht mehr möglich und es kommt zur
Hornhaut, Kammerbucht, Iris und Linse begrenzt.
Hornhautquellung.
Über die Pupille kommuniziert sie mit der kleine-
ren Hinterkammer (Camera bulbi posterior).
Klinik: 1. Hornhauttrübung, -Verätzung. Horn-
hautnekrose nach Einbringen von Kalk, Laugen, Die Vorderkammer ist mit dem wasserklaren Kam-
Säuren mit Narbenbildung der Binde- und merwasser vollkommen ausgefüllt (Vorderkam-
Hornhaut, Hornhauttrübung. Therapie: Erste mervolumen 200 μΐ).
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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 559

Camera bulbi posterior. Begrenzung: Rückfläche • iridialen innersten Teil aus vernetzten rundlichen
der Iris, Ziliarfortsätze, Zonula, vordere Glaskör- Gewebssträngen mit Lücken von 25-75 μπι
pergrenzfläche, Linse. • korneoskleralen Teil. Ein Filternetz, das zum
Schlemm-Kanal hin enger wird (20 μπι). Das
Die Biologie der Vorderkammer kann nur verstan-
Netz ist aus Bindegewebefasern aufgebaut,
den werden in Verbindung mit der Hinterkammer:
die von phagozytotisch aktiven Endothelzellen
Hier liegen die Ziliarfortsätze, die das Kammer-
umgeben sind.
wasser bilden, das durch die Pupille in die Vorder-
• kribriformen Zone, Teil der Innenwand des
kammer strömt.
Schlemm-Kanals. In der dritten Zone kommt das
Humor aquosus. Das Kammerwasser ernährt die Kammerwasser in direkten Kontakt mit Fasern
gefaßlosen Gewebe: Hornhautinnenfläche, Linse und Grundsubstanz. Dieses Maschenwerk und
und Strukturen des Kammerwinkels. 120 μΐ Kam- die endotheliale Auskleidung des Schlemm-
merwasser werden pro Stunde gebildet und fließen Kanals stellt den Hauptort des Kammerwasser-
über den Kammerwinkel ab. Das Kammerwasser abflusswiderstandes dar. Über glatte Muskeln,
enthält kein Eiweiß - allenfalls freie Aminosäuren. die direkt im Sklerasporn ansetzen und über
Die Konzentration von Natrium- und Chlorionen, den M. ciliaris kann die Spannung des Trabekel-
Bicarbonat, Aminosäuren und Askorbinsäure ent- werks verändert werden.
spricht dem Blutplasma.
Klinik: 1. Glaukom (= Glaucoma). Augen-
In der Hinterkammer wird das Kammerwasser über
krankheit mit erhöhtem (meist > 22 mmHg)
die Gefäße des Ziliarkörpers mit Sauerstoff ange-
Augeninnendruck (normal: 17 ± 3 mmHg,
reichert. Der Sauerstoff für die Vorderkammer wird
gemessen mit dem Applanationstonometer)
von den zahlreichen Gefäßen der Irisvorderfläche
und vergrößerter Excavatio papillae nervi
abgegeben (s. u.).
optici und fortschreitendem Gesichtsfeldverfall;
Augeninnendruck (intraokulärer Druck). Durch sog. grüner Star, weil die Augenlinse grünlich
das Gleichgewicht von Kammerwasserproduktion gefärbt erscheint. Die aktiven Pumpen im Horn-
und -abfluss wird ein konstanter intraokulärer hautendothel können einem Augeninnendruck
Druck von 15-20 mmHg gewährleistet, wobei der bis max. 40 mm/Hg entgegen wirken. Übersteigt
Druck durch den Widerstand im Trabekelwerk (kri- der intraokulare Druck diese Werte (Glaukom),
briforme Zone, s. u.) aufrecht erhalten wird und den entsteht ein Hornhautödem. Die Druckerhöhung
gerichteten Abfluss in die episkleralen Venen (ca. fuhrt längerfristig zu Schäden in der Netzhaut
5-10 mmHg Innendruck, s. auch 6.1.1.1 Sklera) und den von den Optikusganglienzellen abge-
ermöglicht. henden Neuriten zur Papille. In Mitteleuropa ist
das Glaukom die häufigste Erblindungsursache;
Abflüsse des Kammerwassers 1.1 Glaukomanfall. Primäres G. mit verschlos-
• Schlemm-Kanal. Die Hauptmenge des Kammer- senem Kammerwinkel (Winkelblockglaukom);
wassers fließt über Kammerwinkel und Trabe- anfallartige starke Erhöhung des Augeninnen-
kelwerk in den ringförmigen Schlemm-Kanal. drucks auf 50-80 mmHg infolge eines Winkel-
Vom Schlemm-Kanal aus führen Kollektorka- blocks: Sehen von Nebeln u. Regenbogenfarben;
näle durch die Sklera und münden episkleral sehr starke Kopfschmerzen mit Übelkeit bis zum
in die Kammerwasservenen und von dort aus in Erbrechen (Vagusreiz); enge Vorderkammer,
das allgemeine Venensystem des Auges. Kammerwinkel durch Regenbogenhaut verlegt;
• Uveoskleraler Fluss. Ein kleinerer Anteil des Bulbus palpatorisch steinhart, oft Bindehaut-
Kammerwassers fließt in Richtung Ziliarkörper hyperämie, Hornhautödem, lichtstarre Pupille
und Choroidea und wird von den venösen Gefä- - ein medizinischer Notfall! 1.2 Primäres G. mit
ßen in dieser Zone resorbiert (sog. uveoskleraler offenem Kammerwinkel (Glaucoma chronicum
Fluss). simplex) in höherem Lebensalter manifest wer-
dend, allmählicher Funktionsverlust des Auges
Trabeculum corneosclerale. Das Trabekelwerk als Normaldruckglaukom (< 20 mmHg) oder
(Abb. 6.9) als Filter des abfließenden Kammerwas- Weitwinkelglaukom (weiter Kammerwinkel).
sers im Kammerwinkel (Angulus iridocornealis)
besteht aus einem/einer:
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560 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

-Cornea

Rand schlingennetz
Circulus arteriosus iridis minor
Sinus venosus sclerae

Circulus arteriosus iridis major

Aa. conjunctivales posteriores

Aa. ciliares anteriores

• M. rectus medialis

— A a episclerales

V. vorticosa

Aa ciliares posteriores breves [choroideae]

A. ciliaris posterior longa [iridis]


Sclera

Eintrittstelle für den N. opticus

Abb. 6.13: Gefäße der Aderhaut und ihre Verbindungen mit den Bindehaut- und episkleralen Gefäßen

6.1.2 Mittlere Augenhaut, 6.1.2.1 Regenbogenhaut, Iris


Tunica vasculosa bulbi
Blendenapparat. Die aus dem vorderen Augen-
becherrand (Irisrückfläche) und dem Mesoderm
Lernziele: Iris (Aufbau, Funktion), Ziliar-
(Irisvorderfläche) gebildete Iris stellt einen Blen-
fortsätze (Kammerwasserproduktion), Ziliar-
denapparat dar, der die Pupille (Sehloch) von einer
muskel (Akkommodation), Linse, Glaskörper.
Neutralstellung von 4 mm Durchmesser entweder
Aderhaut auf 1,5 mm verengen bzw. auf 8 mm erweitern
kann. Dadurch wird die Beleuchtungsintensität für
Tunica vasculosa bulbi (= Uvea) (Abb. 6.7, die Netzhaut in Grenzen geregelt (um den Faktor
6.13). Sie besteht aus Iris, Ziliarkörper und 25, während die Photorezeptoren, s. u., die Emp-
Aderhaut. Sie ist entstanden durch Verdichtung findlichkeit durch molekulare Prozesse um den
des Mesenchyms um den embryonalen Augen- Faktor 105 anpassen können) und die Schärfentiefe
becher herum. eingestellt (Abb. 6.6 und Abb. 6.8).

Feinbau. Um das Licht abzuhalten, ist die Rück-


In der Augenheilkunde hat sich die Bezeichnung
seite der Iris von 2 Lagen dunkel pigmentierter
Uvea für die mittlere Augenhaut durchgesetzt das
Zellen überzogen: 1. Stratum pigmenti iridis,
isolierte, anatomische Präparat gleicht von der
2. Pars iridica retinae. Sie gehen am Pupillenrand
Form und Farbe tatsächlich einer blauen Weinbeere
ineinander über, säumen hier den Rand ein und
(Uvea), daher der Name. Die wichtigsten Funkti-
geben ihm seine bräunliche Farbe.
onen:
Blendenfunktion. Die Hauptmasse des Gewebes
• Blutversorgung bzw. Ernährung
ist verschieblich angeordnet: Das Bindegewe-
• Sekretion und Abfluss des Kammerwassers
begerüst (Stroma iridis) besteht aus einem Netz
• Anpassung der Lichtstrahlen an den Rezeptor-
kollagener Fasern, das scherengitterartig angeord-
apparat in der Netzhaut (Akkommodation und
net ist und sich entsprechend der Pupillenöffnung
Blendenapparat).
umlagern kann. Eine wichtige Stütze dieses Binde-
Die Uvea ist daher reich an Gefäßen, Nerven, gewebegitters sind die großen Gefäße der Iris. Diese
Bindegewebe und glatten Muskelzellen. gehen aus vom Circulus arteriosus iridis major, der
seine Versorgung von den beiden langen hinteren
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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 561

Ziliararterien (s. Kap. 6.1.4, S. 573) bekommt. Von turen des Kammerwinkels, die sonst ohne direkte
dem Circulus arteriosus iridis major aus ziehen Gefaßversorgung sind.
radiär Arterien in Richtung Pupille. Diese Arterien
Irisgefaße haben eine starke bindegewebige
laufen geschlängelt und liegen in den Kreuzungs-
Gefäßscheide. Dieses mechanische Grundgerüst
punkten des bindegewebigen Gitterwerks.
wird aktiv bewegt durch 2 Muskeln:
Am Übergang der größeren Außenzone (Pars cilia-
• M. dilatator pupillae (Pupillenöffner), läuft
ris) zur Pars pupillaris findet man einen unvollstän-
radiär und erstreckt sich auf die äußere Iris.
digen Gefaßring (Circulus arteriosus iridis minor).
• M. sphincter pupillae (Pupillenschließmuskel).
Irisvorderfläche. Sie ist sehr locker strukturiert, Wie jeder Schließmuskel von Körperöffnungen
mit vielen weiten Lücken (Fuchs-Krypten am ist er ringförmig um den Pupillenrand angeord-
Übergang der Pars ciliaris zur Pars pupillaris). Die net. Die Irisgefaße sind biomikroskopisch kaum
Vorderfläche besitzt kein Epithel, vielmehr bilden sichtbar außer bei pathologischen Veränderun-
die Fibroblasten, die durch verzweigte Fortsätze gen des Füllungszustandes (Iritis s. u.) oder
miteinander verbunden sind, einen geschlossenen durch Gefaßneubildungen (Rubeosis iridis).
mesothelartigen Überzug. Die Iris ist also die ein-
zige Stelle am Körper, bei der ohne vorherige Prä- Klinik: 1. Iritis (= Regenbogenhautentzün-
paration direkt auf lockeres Bindegewebe geblickt dung). Meist rheumatische Ursache und im
werden kann. Zusammenhang mit einer Keratitis, seltener bei
Gicht, Gonorrhoe, Syphilis, Tuberkulose, Kata-
Irisfarbe. Sie wird durch die Zellen des hinteren
rakt oder länger bestehender Netzhautablösung
Epithels, die dicht mit Melaningranula gefüllt sind
(s. Kap. 6.1.3.2, S. 567), 2. Iridozyklitis. Entzün-
(s. o.) und durch die Pigmentierung der Irisvorder-
dung von Iris und Ziliarkörper, v. a. bei juveniler
fläche bestimmt:
rheumatoider Arthritis, Spondylitis ankylopoe-
• Rote Augen. Beim albinotischen Auge (Albi- tica und Allgemeinerkrankungen (Sarkoidose);
nismus) fehlt das Pigment im hinteren Epithel auch begleitend bei schweren Entzündungen
und die Iris hat wegen der durchschimmernden anderer Augenhäute (Skleritis, Keratitis, Chori-
Gefäße eine rötliche Farbe. oretinitis) mit Lichtscheu, ziliarer Injektion der
• Blaue Augen. Sind nur die beiden hinteren Bindehaut, Trübung von Kammerwasser und
Schichten pigmentiert und ist das Irisstroma vorderem Glaskörper.
und die Vorderfläche frei von Melanozyten, so
ergibt sich eine bläuliche Farbe, bei lockerem
Bindegewebe (Kinder) dunkel, bei dichtem
6.1.2.2 Ziliarkörper, Strahlenkörper,
Bindegewebe (ältere Menschen) hellblau bis
Corpus ciliare
graublau. Dunkle Flächen, die von diffus streu-
enden Schichten bedeckt sind, führen generell
Das Corpus ciliare besteht aus
zu bläulichen Farbtönen ζ. B. blaue Flecken
durch Blut unter der Haut, da die längerwelli- • Ziliarfortsätzen
gen Lichtstrahlen durch das dunkle Pigment im • Ziliarmuskel
Hintergrund absorbiert werden und die kurzwel-
ligen Lichtstrahlen durch die davor liegenden 1. Ziliarfortsätze
Schichten zu einem größeren Anteil reflektiert
Pars plicata des Ziliarkörpers (Abb. 6.14): wird
werden. Dies bewirkt eine Verschiebung des
der Pars plana des Ziliarkörpers (zwischen Ora
Spektrums ins Bläuliche.
serrata und Ziliarfortsätzen) gegenübergestellt.
• Grüne bis dunkelbraune Augen. Je nachdem wie
viele zusätzliche pigmentierte Zellen im Stroma Die Pars plicata besteht aus 70-80 Ziliarfortsätzen,
und an der Vorderfläche vor diesem blauen Hin- zwischen denen die Zonulafasern (Aufhängefasern
tergrund hinzukommen, entstehen die Irisfarben der Linse) liegen.
grünlich bis dunkelbraun.
Hauptbestandteile der Ziliarfortsätze sind die
Sauerstoffabgabe. Der aus der Iris stammende Strukturen der Kammerwasserproduktion:
Sauerstoff versorgt Homhautendothel und Struk-
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562 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

__ ^ . - O r b i c u l u s ciliaris
Ionen in Richtung Hinterkammer (der Spaltraum
^ Plicae ciliares zwischen Glaskörper und Ziliarkörper mit Kom-
— Sclera
munikation über die Pupille zur Vorderkammer)
- Choroidea
transportiert und das hypertone Milieu zieht
• Retina
Flüssigkeit nach.

— Processus ciliares
Die Pars plana ist außer den breiten Venolen durch
die Verankerung der Zonulafasern an der Basal-
— Zonula ciliaris
membran des Ziliarepithels charakterisiert.
— Pupilla

Margo papillaris
2. Ziliarmuskel, M u s c u l u s ciliaris

Ora serrata Funktion des M. ciliaris: Formveränderung der


~ Pars optica retinae
Linse (Akkommodation) und damit Schärfenein-
stellung des Auges.
Abb. 6.14: Vordere Hälfte eines rechten Auges von
hinten gesehen. Corpus ciliare, Linse und ihr Aufhänge-
Akkommodation. Das Auge arbeitet über die elas-
apparat tisch verformbare Linse (Foto- und Videokameras
stellen über die Verschiebung der Linse gegenüber
der lichtempfindlichen Schicht scharf).
• Blutgefäße Von sich aus ist die Linse bestrebt, von der Flach-
• aktiv sezernierendes Ziliarepithel. form in Kugelform zu gelangen. Dieser Tendenz
wirkt die Spannung des gesamten Bulbus entgegen.
Kapillarsystem der Ziliarfortsätze. Sehr dicht
Die Spannung wird über den Aufhängeapparat der
und hat pro Fortsatz 2 - 3 Arteriolen, die in weite
Linse (Zonula ciliaris) vermittelt. Es überträgt sich
gefensterte Kapillaren übergehen. Die Kapillaren
die über den intraokulären Druck aufgebaute Span-
sammeln sich in einer Randvenole, die in Richtung
nung von der elastischen Aderhaut- und Grenz-
Pars plana weiterfließt und dort in die Schicht der
membran des Ziliarepithels auf die Zonula ciliaris.
größeren Gefäße der Choroidea einmündet. Der
Die Fasern des Zonulaapparats sind daher gespannt
Blutfluss innerhalb der Ziliarfortsätze ist sehr hoch,
und die Linse wird abgeflacht (Abb. 6.15).
die Sauerstoffausschöpfung aus dem Blut daher
relativ gering. Ähnlich wie bei der Niere wird hier
das Ultrafiltrat fur den aktiven Transport durch das
Ziliarepithel bereitgestellt.

Ziliarepithel. Es besteht aus einer pigmentierten


(Fortsetzung des Pigmentepithels aus der Pars
optica) und einer unpigmentierten Schicht (Fort-
setzung der Retina aus der Pars optica). Für den
aktiven Transport besitzt das pigmentierte, v. a. das
unpigmentierte Ziliarepithel eine Zellmembran, die
zur Vergrößerung und Unterbringung von Ionen-
pumpen eingefaltet ist. Zwischen den Einfaltungen
Abb. 6.15: Akkommodationsschema nach Rohen.
liegen viele Mitochondrien, besonders basal. Obere Hälfte: Akkomodation, untere Hälfte: Desak-
kommodation. Gestrichelte Linie: Lamina elastica
• Blut-Kammerwasser-Schranke. Durch mäßig
choroidea
durchlässige tight junctions, das Korrelat der
Blut-Kammerwasser-Schranke, wird die freie
Diffusion des Plasmafiltrats durch das Epithel Die Akkommodation i. e. S. bewirkt der Ziliar-
verhindert und in die Kontrolle des Epithels muskel, der antagonistisch zu diesem System
gebracht. Pumpsysteme sind ATPasen und arbeitet, das die Linse flach und damit die
Karboanhydrasen. Durch diese Pumpen werden Brechkraft niedrig hält.

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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 563

Diese Funktionen werden gewährleistet: S. 153) schnürt sich die Linse als Bläschen vom
Epithel ab (Abb. 6.1-3).
• Veränderung des Strahlenganges durch Erhöhung
der Brechkraft. Der ringförmige Ziliarmuskel Linsenkapsel. Nach außen wird vom Linsene-
übernimmt durch Kontraktion die gesamte Bul- pithel eine Basalmembran abgesondert, die zur
busspannung, indem er den Ansatz der Zonula- Grundlage der Linsenkapsel wird. Im Inneren des
fasern nach vorne innen schiebt. Somit entspannt Linsenbläschens verlängern sich am hinteren Pol
er den Zonulaapparat, wodurch ein Rückstellen die Linsenzellen zu langgestreckten faserartigen
der Linse in Richtung Kugelform erlaubt wird. Gebilden (was zu der missverständlichen Bezeich-
• Die Kugelform bringt die Erhöhung der Brech- nung „Linsenfasern" gefuhrt hat). Schließlich füllen
kraft (Akkommodation = Naheinstellung des die Zellen von dorsal her den gesamten Hohlraum
Auges, Sehen bei Entfernungen unter 6 m). aus. Die Zellen am vorderen Pol bleiben kubisch
und führen im Äquatorbereich ständig Mitosen
Desakkommodation ist die Flachstellung der durch, d.h. es schieben sich ständig neue Zellen
Linse bei nichtkontrahiertem M. ciliaris (Femein- nach. Der Durchgang durch die Äquatorzone und
stellung, 6 m bis unendlich). die Verlängerung der Linsenzellen bewirkt eine
Feinbau des Ziliarmuskels. Der M. ciliaris bogenförmige Verteilung der Zellkerne (Abb.
besteht aus glatten Muskelzellen. Allerdings sind 6.16 a). Ursprünglich reichen die Linsenzellen vom
in diesen Muskelzellen die kontraktilen Filamente vorderen bis zum hinteren Pol (Embryonalkern;
parallel angeordnet. Viele Mitochondrien und ein Abb. 6.16 b), später reichen sie nicht mehr so weit,
ausgeprägtes endoplasmatisches Reticulum sind so dass Zwischenräume auftreten, in die sich Inter-
charakteristisch. zellularsubstanz einlagert.

• Dadurch wirkt er von allen im Körper vorkom- Linsenstern. Je mehr Zellen sich appositionell
menden glatten Muskeln dem quergestreiften am Äquator bilden, desto größer wird der sog.
Muskel am ähnlichsten. Linsenstern, der durch diese Interzellularsubstanz
(Kittlinie) gebildet wird. Zunächst ist er dreizackig,
Der Ziliarmuskel (Abb. 6.9) entspringt am Skleral-
später verzweigt er sich durch die Anlagerung
sporn und strahlt in 3 Teile aus:
weiterer Zellen in mehr und mehr Äste (Abb.
• Brücke-Muskel. Äußere Fasern verlaufen meri- 6.16 c, d). Als Derivat des Ektoderms hat die
dional nach hinten und dringen in die Choroidea Linse eine zeitlebens erhaltene Wachstumstendenz.
ein, wo sie sich an der elastischen Aderhaut- Dadurch vergrößert sie sich, vor allem aber wird sie
membran (—> Bruch-Membran) befestigen, die unelastischer, rigider.
zwischen Choriocapillaris und Pigmentepithel
Linsenzellen (Abb. 6.17) haben ein sechseckiges
liegt.
Querschnittsprofil und sind über druckknopfartige
• Müller-Muskel. Vorne und nach innen in Rich-
Interdigitationen miteinander verbunden. Durch die
tung Ziliarfortsätze reichend, ziehen seine zirku-
intrazelluläre Einlagerung des hochsymmetrischen
lären Bündel.
Proteins Crystallin und die regelmäßige Ausrich-
• Zwischen beide Muskelportionen schieben sich
tung des Zytoskeletts entsteht 1. ein hoher refrak-
schräg verlaufende Faserzüge.
tärer Index (Proteine höher als Wasser), 2. die
Bei der Akkommodation lagern sich die Fasern Struktur bleibt homogen.
dieses Scherengitters um, so dass die zirkuläre
Da die Ernährung über das Kammerwasser teil-
Portion sich im Durchmesser verkleinert und der
weise über viele Zellen hinweg erfolgt und kaum
Ziliarkörper insgesamt nach vorne innen verlagert
Interzellularraum besteht, sind die Zellen u. a. mit
wird (s. o. Akkommodation).
Gap junctions eng miteinander gekoppelt.

Klinik: 1. Katarakt (= Cataracta, grauer Star).


6.1.2.3 Linse, Lens
Augenlinsentrübung mit Blendungsgefiihl,
Abnahme der Sehschärfe: 1.1 erworbene Lin-
Entwicklung. Der Aufbau ist nur aus der Entwick-
sentrübung von Rinde (Cataracta corticalis)
lung her verständlich. Nach dem Stadium der Lin-
oder Kern (Cataracta nuclearis), 1.2 Altersstar
senplakode und der Linsengrube (s. Kap. 3.5.3.1,
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564 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Zellendes -ffi
Linsenepithels ' '
a) Linsenbläschen

hinterer Pol

b) Linsenbläschen
mit vollständiger Obliteration
des Lumens

c) dreizackiger Linsenstern
der jugendlichen Linse;
die Linsenzellen reichen
von der vorderen bis zur
hinteren Kittlinie

d) verzweigte Kittlinien
bei der Linse eines
Erwachsenen

Abb. 6.16: Linse in verschiedenen Entwicklungssta-


dien

(Abb. 6.19) (Cataracta senilis, häufigste Form), modierenden Auge werden hinter der Retina
Kombination von Rinden- und Kernstar; 1.3 vereinigt: Achserthypermeiropie mit zu kurzer
angeborene K. (Cataracta congenita), 1.4 K. Bulbusachse, Brechungshypermetropie mit zu
bei Stoffwechselerkrankungen (Cataracta dia- geringer Brechkraft des optischen Apparats,
betica, Cataracta tetanica, Cataracta myotonica, ζ. B. bei Abflachung der Hornhaut od. Verlust
Cataracta hypothyreotica), bei Hauterkrankun- der Linse. 2.2 Myopie (= Kurzsichtigkeit). Par-
gen (Cataracta syndermatica), nach Contusio allel einfallende Strahlen vereinigen sich vor
bulbi oder Augapfelperforation (Cataracta der Netzhaut durch zu starke Brechkraft von
traumatica). Therapie.: Staroperation, 2. Hornhaut od. Linse (Brechungsmyopie) bzw.
Ametropie. Fehlsichtigkeit infolge Brechungs- überdurchschnittliche Länge des Augapfels
fehler (Refraktionsanomalie) des Auges. 2.1 (Achsenmyopie), Therapie: Konkavgläser, 2.3
Hypermetropie (= Hyperopie). Übersichtigkeit. Presbyopie (Alterssichtigkeit). Erschwerung
Parallel verlaufende Strahlen im nicht akkom- des Nahsehens durch Elastizitätsverlust (Skle-

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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 565

rosierung) der Linse und nachlassende Akkom-


modation. Der Nahpunkt rückt mit dem Alter in
die Ferne; eine latente Hyperopie kann durch P.
manifest werden. Therapie.: Sammelgläser.

Die Linse als ektodermales Derivat ist hier im


Zusammenhang mit dem Ziliarkörper besprochen
worden. Dieser gehört wie die Choroidea zur
Tunica oculi media. Ebenso entsteht der Glaskörper
(s. u.) aus dem embryonalen Ektomesenchym.

Abb. 6.17: Querschnitt und Oberfläche einer Linsen- Abb. 6.19: Die „reife" Katarakt (grauer Star) (Bild) ist
zelle. Die Linsenzellen verbinden sich mit Spezialein- durch eine durchgehende Trübung der Augenlinse
richtungen der Zellmembran: Druckknopfverbindungen gekennzeichnet (Quelle: Prof. Dr. F. W. Wilhelm, Halle/
(Pfeile) und Leisten (Pfeilspitzen), die in entsprechende Saale)
Aussparungen passen

Anulus iridis minor.

Zonula ciliaris
Anulus iridis major „

Margo pupillaris — Processus ciliar

Linse

Schnittrand der Sclera

Abb. 6.18: Linse und Iris durch Wegnahme der Hornhaut (links) bzw. der Hornhaut und
Iris (rechts) von vorn dargestellt
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566 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

6.1.2.4 Glaskörper, Corpus vitreum 3 Schichten (von innen nach außen):


• Bruch-Membran als Basalmembran von/für:
Das Corpus vitreum füllt den 4 ml fassende Raum
1. Endothel der Choriocapillaris, 2. retinales
zwischen Linse, Hinterkammer und Netzhaut aus.
Pigmentepithel.
Es besteht zu 99 % aus Wasser und wird durch
• Lamina vasculosa als Gefaßschicht der Kapil-
Hyaluronsäurekomplexe zu einem Gel hoher
laren (Choriocapillaris) und der weiter außen
Viskosität strukturiert. Zusätzlich findet man ein
gelegenen zu- und abführenden größeren
locker strukturiertes Kollagenfasergerüst, jedoch
Gefäße (die Lamina vasculosa wird von man-
kaum Zellen. Durch den Quelldruck des Glaskör-
chen Autoren getrennt von der Choriocapillaris
pers wird die Netzhaut gleichmäßig an das Pigment-
aufgeführt).
epithel und die außen folgenden Schichten gelegt.
Gleichzeitig erfüllt das Gel des Glaskörpers eine • Suprachoroidea mit einem aus Bindegewebe-
„Stoßdämpferfunktion". fasern aufgebauten elastischem Lamellenwerk
(Ort des uveoskleralen Kammerwasserabflus-
Embryonal wird der Glaskörper bis zur 6. EW aus dem ses) und der großen einstrahlenden Gefäße
Gefäßsystem der A. hyaloidea gebildet, die vermutlich
(Haller-Schicht).
aus dem Ektomesenchym stammt. Bis zur 12. EW wird
der sekundäre Glaskörper von Gliazellen abgegeben, die Arterien. 6-20 kurze hintere Ziliararterien (Aa.
mit den Gefäßen ins Auge gewandert sind. Der tertiäre ciliares posteriores breves), die als Zinn-Haller-
Glaskörper wird ab 12. EW von der Retina (v. a. von Ring um den Sehnerv liegen, perforieren mit dem
Müller-Zellen) produziert. Das neu gebildete Glaskörper-
N. opticus die Sklera und verästeln sich rasch in
gerüst verdrängt den sekundären Glaskörper in Richtung
auf die Hyloideagefaße. Reste dieser Entstehung bleiben
kleinere Stämme der Choroidea. Von den vorderen
als Bahnen („Tractus") des Glaskörpers erhalten, wovon Ziliararterien gehen vom sog. intramuskulären
der wichtigste der Cloquet-Kanal ist (Abb. 6.7), der vom Ring 10-12 rekurrente Äste ab, um die vorderen
Sehnerv bis zu der Fossa patellaris des Glaskörpers Bereiche der Choriocapillaris zu versorgen. Cha-
zieht. In der Fossa liegt die Linsenrückfläche. rakteristisch sind sehr kurze Arteriolenstrecken, die
senkrecht zur Schicht der Choriocapillaris liegen.
Klinik: 1. Glaskörpertrübung. Verminderte
Choriocapillaris. Sie bildet im hinteren Bereich
Durchsichtigkeit des Corpus vitreum. Ursachen
lobuläre Muster mit einer Arteriole im Zentrum.
sind: Uveitis, Retinitis, Glaskörperblutungen,
Die hohe Kapiiiarisierung (mehr Gefaßfläche als
Traumen, 2. Glaskörperabhebung. Lösung
bindegewebige Zwischenräume) und der enorme
des oberen und hinteren Glaskörpers von der
Blutfluss führt dazu, dass die Sauerstoffausschöp-
Netzhautinnenfläche bei Glaskörperdestruktion;
fung sehr gering ist (nur 3 %, < 1/10 der Sauer-
besonders im Alter, bei Myopie, nach Trauma,
stoffausschöpfüng in den Retinagefaßen).
Blutung, Op., Entzündung (ζ. B. Chorioidi-
Weitere Aufgaben der Kapillaren: Wärmeabfuhr
tis) mit Blitzen, Flusen (Mouches volantes =
(beim Blick in helle Objekte), Flüssigkeitsaus-
Mückensehen), 3. Glaskörperblutung. Blutung
tausch, Volumenpuffer.
in das Corpus vitreum; ζ. B. nach Trauma, bei
Glaskörperabhebung, Ablatio retinae, Gefaß- Venen. Der venöse Rückfluss der Choroidea erfolgt
neubildungen durch Retinopathia diabetica, über kurze Venolen, die in Venen übergehen, die
retinalen Venenverschluss. konzentrisch auf die 4-6 Vortexvenen (Vv. vorti-
cosae) münden.
Generell sind die Choroideagefaße reich mit auto-
6.1.2.5 Aderhaut, Choroidea
nomen Nerven, die mit verschiedensten Transmit-
tern wie Peptide und Stickoxid arbeiten, versorgt.
Die Choroidea (Abb. 6.7) liegt zwischen Sklera
Die innervierten Melanozyten der Suprachoroidea
und den beiden Schichten des embryonalen Augen-
bilden ein zweidimensionales Netz.
bechers: Pigmentepithel und Netzhaut.
Klinik: Uveitis. Entzündung der Uvea: 1. Ante-
Als am besten vaskularisiertes Gewebe des riore U. (Iritis, Iridozyklitis), 2. Intermediäre U.
gesamten Organismus wird sie hauptsächlich mit Beteiligung der Pars plana corporis ciliaris,
von Gefaßstrukturen dominiert. der peripheren Retina und Glaskörperbasis

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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 567

(Pars-planitis), 3. Posteriore U. (Chorioiditis,


Klinik: Ablatio retinae (= Amotio retinae,
Chorioretinitis), 4. Panuveitis.
Netzhautablösung). Trennung von Netzhaut und
Pigmentepithel und Bildung von subretinaler
Flüssigkeit. Da keine direkte Verbindung der
6.1.3 Innere Augenhaut, beiden Schichten des embryonalen Augenbe-
Augenbecherschichten, chers durch Zellhaften besteht, kommt es durch
Tunica interna bulbi Zug innerhalb des Glaskörpers oder Scherkräfte
(Trauma) zur Wiedereröffnung des Hohlraums
Lernziele: Pigmentepithel, Netzhautschichten, des embryonalen Augenbechers. Nur im Bereich
Retinazellen, Stäbchen, Zapfen, Fovea centralis, des Sehnervenkopfes und an der Ora serrata, am
Papilla nervi optici, Netzhautgefäße Übergang zur Pars caeca, ist die Netzhaut fest
mit dem Pigmentepithel verbunden.

Die Tunica oculi interna besteht aus dem Pig-


mentepithel (Derivat des äußeren Blattes des 6.1.3.2 Netzhaut, Retina
Augenbechers) und der Netzhaut (Derivat des
inneren Blattes). Die Retina ist eine Wandausstülpung des zweiten
sekundären Hirnbläschens (Zwischenhirn) (Abb.
6.16).

6.1.3.1 Pigmentepithel Ähnlich diesem Ursprung entwickelt sich die


Schichtengliederung: 1. Nervenzellen inklusive
Die Choroidea ernährt das äußere Drittel der Netz-
Photorezeptoren (1. Neuron), 2. Gliazellen
haut. Austauschvorgänge zwischen Choroidea und
(Müller-, Astrogliazellen), 3. Gefäßzellen.
Netzhaut müssen durch das Pigmentepithel vermit-
telt werden.
Retinaschichten (Abb. 6.20)
Blut-Retina-Schranke. Das Pigmentepithel ist
Nervenzellen. Innerhalb der Ganglienzellen exis-
apikal durch Zonulae occludentes abgedichtet. So
tiert eine projektive Verknüpfung, die direkt von
entsteht die Blut-Retina-Schranke für die äußeren
den Photorezeptoren über die bipolaren Zellen
Bereiche der Netzhaut. Die Blut-Retina-Schranke
(—> 2. Neuron) zu den Optikusganglienzellen
für die inneren Bereiche der Netzhaut liegt im
(—» 3. Neuron) führt. Daneben existieren horizon-
Endothel der Retinakapillaren.
tale Verknüpfungen durch Horizontalzellen, die
Zahlreiche Mitochondrien und zytoplasmatische außen (in Richtung der Photorezeptoren) liegen
Strukturen im Pigmentepithel deuten auf einen und amakrine Zellen (Bezeichnung für „neuriten-
aktiven Stoffwechsel und Flüssigkeitsaustausch freie" Zellen), die innen liegen.
hin.
9 Schichten entstehen durch diese Zelltypen und
Phagozytose. Für die Photorezeptoren übernimmt ihre Verbindungen, mehr oder weniger scharf
das Pigmentepithel die kontinuierliche Phagozy- begrenzt:
tose der ständig sich erneuernden äußeren Seg-
1. Äußerste Schicht der Photorezeptoren (Stratum
mente, die in scheibenartigen Membranstrukturen
nervosum). Hier liegen die Außenglieder der
das Sehpigment enthalten.
Rezeptoren, die Disci mit dem Sehpigment
Pigmentierung. Pigmentzellen sind nicht gleichmä- enthalten. Die Außenglieder sind mit dem Pig-
ßig pigmentiert, so entsteht die Granulierung des mentepithel verzahnt.
Augenhintergrundes. Nach innen (apikal) besitzt 2. Äußere Grenzmembran: Hauptzellleib der
jede Pigmentepithelzelle zahlreiche Mikrovilli, Photorezeptoren, die mit den Müller-Zellen
die sich zwischen die Außenglieder der Photore- über Desmosomen verknüpft sind (lichtmikro-
zeptoren hinein schieben. Auf diese Weise werden skopisch hat man diese Reihe der Desmosomen
die beiden Blätter des ehemaligen embryonalen als Grenzmembran fehlgedeutet: Membrana
Augenbechers verzahnt. limitans externa).

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568 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

parvozelluläre Optikusganglienzellen magnozelluläre Optikusganglienzelle

verschiedene Typen
— innere Grenzschicht
amakriner Zellen
— - Nervenfaserschicht

Optikusganglienschicht

innere retikuläre Schicht

ν
Müller-Zellen —— innere Körnerschicht

Horizontalzelle
- äußere retikuläre Schiclr

Stäbchen-
bipolare Zelle

äußere Körnerschicht
verschiedene Typen ^
bipolarer Zellen

Außensegmente
der Photorezeptoren

interplexiforme Zelle I l l y U U U U U U U U U U U U y U U U y U Pigmentepithel

Bruch-Membran

I ] Choriocapillans

Abb. 6.20: Schichtengliederung und Zellarten der Netzhaut. Schematische Darstellung der Netzhautschichten

3. Äußere Körnerschicht, Stratum nucleare exter-


Das Licht fällt von innen durch die oben
num, Schicht der Zellkerne der Photorezepto-
genannten Schichten auf die Außenglieder der
ren.
Photorezeptoren, dem Ort der Phototransduk-
4. Äußere plexiforme Schicht, Stratum plexiforme
tion (Auslösung molekularer Vorgänge durch
externum. Die äußere Schicht der Synapsen wird
Photonen), die letztlich der Auslöser der Rezep-
gebildet zwischen Photorezeptoren und projek-
tor- und Nervenzellerregung ist.
tiven Verbindungen durch bipolare Zellen und
Verbindungen durch horizontale, bipolare und
Viele Autoren betonen den histologischen Aufbau
amakrine Zellen (Abb. 6.20).
in 10 Schichten; hier wird jedoch das Pigment-
5. Innere Körnerschicht, Stratum nucleare inter-
epithel dazu gezählt, das keine eigentliche Retina-
num. Innere Körnerschicht mit Kernen von
schicht ist.
bipolaren, amakrinen, Horizontal-, Müller- und
interplexiforme Zellen. Diese verbinden die
Retinagefäße
innere plexiforme Schicht mit der äußeren plexi-
formen Schicht (Bipolare, Horizontalzellen).
Die Gefäße bilden in der Innenschicht der Netz-
6. Innere plexiforme Schicht (,Stratum plexiforme
haut ein Netz aus dünnen Kapillaren.
internum). Die Schicht der Synapsen zwischen
den genannten Zelltypen und Optikusganglien-
In der Maschenweite des Kapillarnetzes ist ein
zellen (s. u.) lagert sich nach innen an.
Kompromiss gebildet worden zwischen den meta-
7. Ganglienzellschicht, Stratum ganglionare mit
bolischen Anforderungen der Netzhautzellen und
Optikusganglienzellen.
der Lichtdurchlässigkeit:
8. Die innere Grenzmembran, Nervenfaserschicht
(Stratum neurofibrorum) wird von den Neuriten Aufgrund dieser Anordnung erfährt das Blut in den
der Optikusganglienzellen gebildet. Netzhautgefäßen eine höhere Sauerstoffausschöp-
9. Die Membrana limitans interna grenzt die fung ( > 3 0 %) als in den angrenzenden Geweben,
Retina basalmembranartig gegen den Glaskör- insbesondere der Choroidea.
per ab.
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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 569

Die Netzhautkapillaren selbst sind geschlossene


Endkolben
Kapillaren (innerer Teil der Blut-Retina-Schranke)
mit vielen Perizyten (dicht an dicht).
Axon
Neben diesen Gefäßzellen arbeiten in der Retina
die über Kapillaren eingewanderten Mikroglia-
zellen, die abgestorbenes Gewebe phagozytotisch Zellkern
abräumen.

Retinazellen — Einschnürung

Innensegment
• Müller-Zellen. Die Retina wird in ganzer
Dicke von den Müller-Zellen durchzogen. Sie Mitochondrum
sorgen fur den mechanischen Zusammenhalt der Zentriol
Schichten, deshalb spricht man auch von Müller- Verbindungsstück
Stützzellen. Die Müller-Zellen selbst haben (Zilie]

einen bizarren Aufbau und füllen mit teilweise


längeren Fasern den größten Teil des interzellu- Außensegment -

lären Raums zwischen den retinalen Nervenzel-


len aus. Wie generell im Nervensystem existiert
daher kaum freier Interzellularraum. Neben den
Müller-Zellen finden wir Astrozyten als Gliazel- Abb. 6.21: Aufbau der Photorezeptoren. Darstellung der
len besonders um Gefäße. Zellorganellen in Zapfen (links) und Stäbchen (rechts).
• Photorezeptoren: Stäbchen, Zapfen. Unter-
schiede bestehen funktionell und morphologisch der Zellmembran liegen, bei den Zapfen haben
(Tab. 6.2). Sie differieren auch im Absorptions- sie Verbindungen zum Extrazellulärraum (Abb.
spektrum ihres Sehpigmentes, wobei die Stäb- 6.21). Darüber hinaus haben die Stäbchen nur
chen bei einer niedrigen Lichtintensität arbeiten, ein Band in ihrer Synapse während die Zapfen
während die Zapfen helles Licht und Farben per- mehrere Bänder haben. Zapfen sind mit sehr viel
zipieren. Stäbchen und Zapfen haben ihre photo- mehr Mitochondrien ausgestattet als Stäbchen.
empfindliche Schicht in den Außengliedern, die Daher sind auch die Innenglieder der Zapfen
aus einer Reihe von mehreren hundert Scheiben dicker. Zwischen Innen- und Außenglied der
Membranmaterial bestehen. Innerhalb dieser Photorezeptoren liegt ein dünner Verbindungs-
Scheiben oder Disci ist bei den Zapfen Iodopsin stiel nach Art eines Ziliums mit neun Paaren
eingebaut, bei den Stäbchen Rhodopsin, jeweils von Mikrotubuli. Es schließen sich die Kerne
in Kombination mit 11-cis-Retinal, das nach der Photorezeptoren an. Der Endkolben des
Lichteinfall zu 11-trans-Retinal umgelagert Photorezeptors reicht in das Stratum plexiforme
wird und eine Membranpotentialverschiebung externum. Dort verbindet sich der Photorezeptor
in den Membranen induziert. Der Unterschied über Bändersynapsen mit je 2 Horizontalzellen
zwischen den Innengliedern besteht darin, dass und 1 bipolaren Zelle, deren Synapse in der
die Membrandisci bei den Stäbchen innerhalb Mitte dieser Triade liegt. Darüber hinaus gibt es

Tab. 6.2: Gegenüberstellung der Charakteristika von Stäbchen (Dämmerungssehen) und Zapfen (Tagessehen)

Stäbchen Zapfen

Lichtempfindlichkeit hoch, keine Farbselektivität; niedrig, Farbselektivität für Rot, Grün, Blau;
Maximum der Empfindlichkeit im Maximum der Empfindlichkeit im
blauen Spektralbereich roten Spektralbereich
Topographie der Disci Membrandisci innerhalb der Membrandisci mit Verbindungen zum
Zellmembran Extrazellulärraum
Organellenverteilung wenige Mitochondrien sehr viele Mitochondrien
Synapsenform Synapse mit einem Band Synapse mit mehreren Bändern

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570 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

aber auch konventionelle Synapsen in Richtung Axone der Optikusganglienzellen führen bis zum
dieser Zelltypen. Corpus geniculatum laterale des Zwischenhirns
(Kap. 5.4.2.3, S. 459).
Ribbon-Synapsen. An den Synapsen mit inte-
grierten Bandstrukturen (Ribbon-Synapsen) wird • M-Zellen. Aus den bis zu 20 Subtypen der
die Hyperpolarisation, die bei den Photorezep- Optikusganglienzellen seien die M-Zellen her-
toren durch Lichteinfall ausgelöst wird, in eine vorgehoben, die in die magnozelluläre Schicht
Depolarisation der bipolaren Zellen umgewandelt. des Corpus geniculatum laterale projizieren. Sie
Bei konventionellen Synapsen fuhrt dies zu einer reagieren schnell, haben eine hohe Kontrastemp-
Hyperpolarisation der nachgeschalteten bipolaren findlichkeit, sind jedoch nicht farbenempfind-
Zellen, was sich in einer Hemmung ausdrückt. lich.
Die Erregungsleitung kann von den Rezeptorzellen • P-Zellen verbinden sich mit der parvozellulären
direkt über bipolare Zellen zu den Ganglienzellen Schicht des Corpus geniculatum laterale. Sie
(Online-Verschaltung) oder von den Rezeptorzel- reagieren langsamer, sind farbempfindlich und
len zu den Horizontalzellen und weiter zu bipolaren liegen weiter innen in der Netzhaut.
Zellen bis zu den Ganglienzellen fuhren (Offline-
Verschaltung). Durch diese Verschaltungsarten Der Verlauf der Nervenfasern der Optikusganglien-
lassen sich Phänomene komplexer Reizverarbei- zellen wird weiter unten beschrieben.
tung der Netzhaut ζ. B. die Steigerung des Kontras-
tes durch laterale Hemmung erklären. Netzhautperipherie, Fovea centralis
Die Netzhaut beherbergt 110-125 Mio. Stäbchen-
• Bipolare Zellen sind Hauptmasse der inneren
und 6,3-7 Mio. Zapfenrezeptoren, sie ist in der
Körnerschicht. Ihre Fortsätze verlaufen vertikal
Nähe der Ora serrata 0,12 mm dick, um die Stelle
zur Retinaoberfläche und verbinden Photorezep-
des schärfsten Sehens (Fovea centralis) 0,23 mm
toren und Ganglienzellen.
und in dem Areal der Fovea centralis, in dem die
Zelltypen: Zapfen völlig frei liegen (Foveola) 0,1 mm (Abb.
6.22).
• Amakrine Zellen liegen an der inneren Oberflä-
Diese Verteilung erklärt sich daraus, dass die menschliche
che der inneren Körnerschicht und besorgen die
Netzhaut unter den Primaten die stärkste Fokussierung
horizontale assoziative Verknüpfung. Amakrine
auf eine Stelle optimalen Sehens aufweist.
haben keine direkten Neuriten und können die
Information jeweils von der erregten Synapse Foveola. Genau in der Sehachse liegt die Foveola
aus leiten. (0,4 mm Durchmesser), die aus schlanken, dicht
• Horizontalzellen sind in der äußeren Randzone gedrängten, dem Licht direkt ausgesetzten Zapfen
der inneren Körnerschicht angeordnet und besteht (150000/mm 2 ), wobei die einer scharfen
gewährleisten assoziative Verknüpfungen in der Abbildung hinderlichen Innenschichten nach der
Ebene der Netzhaut. Charakteristisch für das Seite verlagert worden sind (Abb. 6.22). Innerhalb
Zytoplasma der Horizontalzellen ist ein Kristal- der Foveola sind die Rezeptoren (—> ausschließlich
loid (1 μηι dick, 10-20 μιτι lang). Zapfen) nahezu 1 :1 mit den Optikusganglienzellen
• Interplexiforme Zellen liegen in der innersten verschaltet. Die weiterleitenden Zellen lagern sich
Zone der inneren Körnerschicht. Die Fortsätze um die Fovea (parafoveal), so dass dieser Netz-
verbinden die innere plexiforme Schicht mit Syn- hautteil am dicksten ist. Die Gelbfärbung (Macula
apsen zu den bipolaren und horizontalen Zellen lutea) wird durch die Pigmente in den verschal-
der äußeren plexiformen Schicht (—> Feedback- tenden Nervenzellen bewirkt. Die Foveola selbst
Mechanismus). erscheint farblos, da die Schichten der verarbeiten-
den Zellen fehlen.
Bipolare Zellen bilden in der inneren plexiformen
Schicht Synapsen: eine Ganglienzelle und eine Netzhautperipherie. Hier findet man mehr Stäb-
amakrine Zelle (Dyaden). chen (ca. 160000/mm 2 ) und die Dichte der Zapfen
nimmt auf ca. 5000/mm 2 ab. Die Stäbchen werden
durch Horizontal- und amakrine Zellen zu größeren
Einheiten zusammengefasst (Konvergenzprinzip),
so dass nach peripher hin die Anzahl der Opti-
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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 571

Foveola Parafovea Optikusfaserschicht Optikusganglienschicht


\ / X /
Püfe ^ ' , innere retikuläre
\ Schicht

- innere Körnerschicht
v
äußere retikuläre
Schicht
\
N
äußere Kornerschicht
\
x
Außenglieder der
Photorezeptoren
Pigmentepithel
\
\
Choroidea

Abb. 6.22: Netzhautschichten im Bereich der Fovea centralis der Netzhaut. Im Zentrum der Stelle des schärfsten
Sehens sind die Netzhautschichten zur Seite verlagert, d. h. aus dem Weg des Lichtstrahls herausgenommen.

kusganglienzellen immer stärker abnimmt und Die Papille liegt medial von der optischen Achse
die zunächst mehrreihigen Ganglienzellen (para- und enthält keine Photorezeptoren, da hier die Neu-
foveolar 6 - 8 Lagen) nur noch einlagig werden. riten der retinalen Optikusganglienzellen zusam-
Die starke Konvergenz (v. a. der Stäbchen) zeigt menlaufen und dicht gedrängt in der Lamina crib-
sich auch in der geringen Zahl der Optikusgang- rosa durch die Sklera laufen. In der Übergangszone
lienzellen (1,2 Mio.) im Vergleich zu Stäbchen zwischen Retina und dem Sehnervenkopf findet
(110-125 Mio.) und Zapfen (6,3-7 Mio.). man einige wenige differenzierte Zellen, die sich

Sehschärfe. Physiologisch drückt sich die Zentrali-


sation der Retina darin aus, dass nur in der Foveola
100 % Sehschärfe existiert; sie fallt rapide zum
Rand der Retina ab und erreicht dort nur wenige
Prozent.

Die Netzhautperipherie hat die Aufgabe, der Fovea


centralis zuzuarbeiten und ζ. B. Gegenstände als
solche und in ihrer Bewegung zu registrieren, um
sie dann über die Fovea einer genaueren Analyse
zu unterziehen. Für den Organismus bedeutet das,
dass Gegenstände durch aktive Mitbeteiligung der
Augenmuskeln erfasst und je nach Größe „nachge-
zeichnet" werden müssen. Dies gilt auch für das
räumliche Erfassen des stereoskopischen Bildes
(s. u.), wobei beide Augen jeweils nur einen kleinen
räumlichen Bezirk der größten Schärfe fixieren.

Sehnervenkopf, Papilla nervi optici

Papilla nervi optici. Die Neuriten der Optikus-


Abb. 6.23: Nervenfaserverlauf in der retinalen Ner-
ganglienzellen laufen an der Papille (= Sehner-
venfaserschicht: Die Axone der nasalen Retina (1)
venkopf) zusammen, wobei die Nervenfasern eine ziehen direkt zur Papille (2); die Axone des papillo-
charakteristische Figur mit horizontaler Raphe makulären Bündels (3) ziehen direkt zum temporalen
bilden (Abb. 6.23). Rand der Papille. Die Fasern der temporalen Retina
laufen bogenförmig um die Fovea und Area centralis
Sehnervenabgang. Neben der Macula lutea mit (4) und zum oberen und unteren Rand der Papille. Die
Fovea und Foveola ist der Sehnervenabgang ein horizontale Raphe (5) beginnt temporal der Fovea und
besonderer Bereich des Augenhintergrundes. teilt diese Zone in ein oberes und unteres Einzugsge-
biet der Papille.

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572 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Spatium intervaginale Anulus tendineus M. rectus bulbi med.


(Tenonl (Zinni)

Abb. 6.24: Magnet-Resonanz-Tomographie-Horizontalschnitt Kopf (Ausschnitt) in


Höhe des maximalen Durchmessers des Auges

unmittelbar an die Photorezeptoren anschließen


diabetica Bei Diabetes mellitus auftretende Stö-
und gegeneinander mit Desmosomen verbunden
rung der kleinsten Gefäße (Mikroangiopathie)
sind. Hier wird auch die von den inneren Fortsätzen
der Netzhaut. Formen: 2.1 Nichtproliferative
der Müller-Zellen gebildete Membrana limitans
Retinopathia diabetica: Netzhautblutungen,
interna durch eine dünnere Membrana limitans
Mikroaneurysmen, Lipidablagerungen, Ödem,
(Elschnig) abgelöst, die von den Astrozyten der
meist bei Typ II Diabetes verstärkt durch Hyper-
Papille selbst gebildet wird. Der Gliaüberzug bildet
tonie; 2.2 Proliferative Retinopathia diabetica:
auch als zentraler Bindegewebemeniskus den
zusätzlich Auftreten von ischämisch, exudativ
Abschluss des Bindegewebestranges, der die Zen-
veränderten Bezirken (Cotton Wool Herde),
tralgefäße (A.,V. centralis retinae) begleitet.
Gefäßneubildungen, Blutungen; meist Typ I
Lamina cribrosa. Die Durchtrittsstelle durch die Diabetes. 3. Retinopathica hypertensiva. Bei
Sklera (2,9 mm2 Fläche) hat im Mittel 230 Poren Hypertonie unterschiedlicher Genese auftre-
mit 0,04 mm2 Größe. Hinter der Lamina cribrosa tende Netzhautveränderungen, Engstellung aller
erhalten die Optikusfasern Markscheiden und der Gefäße, strichförmige Netzhautblutungen, harte
Durchmesser des Sehnervs nimmt von 1,5 mm Exsudate (Sternfigur der Makula), Cotton wool
(Papille) auf 3,6 mm zu. Herde, Ödem.

Klinik: 1. Der Verlauf der Optikusneuriten


Sehnerv, N. opticus
erklärt die typischen Gesichtsfeldausfälle
bei Erkrankungen der Ganglienzellen sowie Der N. opticus besteht aus den Neuriten der Opti-
die strichförmige Form von Blutungen und kusganglienzellen und geht zum Chiasma opticum
Extravasaten in diese Schicht. 2. Retinopathia und von dort gekreuzt bzw. ungekreuzt (weiterer

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6.1 Augapfel, Bulbus oculi 573

Verlauf der Sehbahn s. Kap. 5.4.2.3, S. 459) im Diese durchstoßen die Sklera und laufen in der
Tractus opticus zum lateralen Kniehöcker (Corpus Schicht der größeren Gefäße der Choroidea und
geniculatum laterale). versorgen die Choriocapillaris.
D> 2 Aa. ciliares posteriores longae. Zusätzlich
Tractus retinohypothalamicus. Im Chiasma opti-
ziehen die beiden langen hinteren Ziliararterien
cum zweigen dünne markarme Optikusfasern vom
ohne Verzweigung zum vorderen Augensegment
Sehnerv ab, die in den Hypothalamus einstrahlen.
und bilden dort mit den vorderen Ziliararterien
Hier gewinnt der Sehapparat Anschluss an die
(Aa. ciliares anteriores) Gefäßkränze.
übergeordneten Zentren des vegetativen Nerven-
[> Aa. ciliares anteriores ziehen meist in Zweizahl
systems.
in jedem der 4 geraden Augenmuskeln (s. u.),
Colliculus superior. Ein weiterer kleinerer Teil des der M. rectus lateralis besitzt nur eine.
Tractus opticus zieht am Corpus geniculatum late-
Die vorderen Ziliararterien bilden auf der Außen-
rale vorbei und endet an den vorderen der 4 Hügel.
seite der Sklera zunächst den episkleralen Ring,
Über das Mittelhirn werden so Pupillen- und
nach Perforation bilden sie im Ansatzbereich der
Akkommodationsreflexe vermittelt.
Ziliarmuskeln einen intramuskulären Ring und
ziehen weiter zum Circulus arteriosus major. Hier
6.1.4 Gefäße und Nerven verbinden sie sich mit den beiden langen hinteren
des Bulbus oculi Ziliararterien, die temporal und nasal nach vorne
gelangen.

Lernziele: Retinales, ziliares Gefäßsystem, Vom Circulus arteriosus iridis major zweigen Äste
sympathische, parasympathische Innervation, ab, die zu den vorderen Anteilen des Ziliarmuskels,
Reflexe der Iris und den Ziliarfortsätzen fuhren (Abb. 6.9).

Venen
1. Blutgefäße
[> Die V. centralis retinae erhält Zuflüsse aus
Arterien (Abb. 6.7, 6.13). Die arterielle Versor- Venen, die parallel mit den Arterien (A. tempo-
gung erfolgt durch die A. ophthalmica, die sich ralis sup. und inf., Α. nasalis sup. und inf. sowie
in 2 Gefaßsyteme aufteilt, die außergewöhnlich A. macularis und Α. med. retinae) ziehen und
getrennt voneinander laufen: entsprechend benannt werden. Sie mündet in die
V. ophthalmica superior oder direkt in den Sinus
Ο Α. centralis retinae, versorgt die inneren Schich-
cavernosus.
ten der Netzhaut
t> Ziliare Venen laufen zusammen mit den vorde-
[> Ziliares System, versorgt hauptsächlich die
ren Ziliararterien, die auch die Konjunktiva und
Uvea.
Episklera drainieren. Alle anderen Venen der
Die A. centralis retinae tritt als erster Ast der mittleren Augenhaut (Iris, Ziliarkörper, Choro-
A. ophthalmica 6-8 mm hinter dem Bulbus in den idea) münden in die 4 Vv. vorticosae (Wirbelve-
Sehnerv ein und verbindet sich hinter der Lamina nen), die jeweils in der Äquatorzone angeordnet
cribrosa über Seitenäste mit dem Circulus arteri- sind.
osus sclerae (Zinn-Gefaßkranz, s. u.). Innerhalb
des Auges, auf der Papilla nervi optici teilt sich die 2. Nerven
Arterie in Hauptäste zur Versorgung der inneren
Das Auge wird sensibel, sympathisch und parasym-
Retinaschichten:
pathisch innerviert.
t> A. temporalis retinae superior, A. temporalis
Die sensible Innervation erfolgt
retinae inferior, A. nasalis retinae superior,
A. nasalis retinae inferior (Abb. 6.18). [> über Äste, die sich dem N. nasociliaris (Durch-
gang durch die Fissura orbitalis superior) als Nn.
Äste des ziliaren Systems
ciliares longi (2-3 Äste) anschließen oder
D> 16-20 Aa. ciliares posteriores breves ziehen t> durch Fasern, die als Nn. ciliares breves ohne
zum Auge und bilden den Zinn-Gefäßkranz, Umschaltung durch das lateral vom Sehnerv
wobei sie sich in kleinere Ästchen aufteilen. liegende Ganglion ciliare gehen (10 Äste).
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574 6 Sehorgan, Auge, OCUIÜS et Structurae pertinentes

Sympathische Fasern stammen vom Ganglion


5.4.2.3, S. 459), 1. Lichtreaktion (P. bei Licht-
cervicale superius. Der sensorischen Innervation
einfall): 1.1 direkte Lichtreaktion: Pupillenver-
ähnlich verlaufen die Fasem als:
engung bei Belichtung der gleichseitigen Retina
D> Nn. ciliares longi zum M. dilatator pupillae; sie (Helladaptation), 1.2 indirekte (konsensuelle)
treten hinten durch die Sklera ein, verzweigen Lichtreaktion: Pupillenverengung bei Belich-
sich in der Uvea in Höhe des Ziliarkörpers tung der gegenseitigen Retina; fehlt u. a. bei
und erreichen das vordere Augensegment und zentralem Reflexbahnausfall, 2. Synergische P.
die Hornhautperipherie als 70-80 markhaltige (Naheinstellungsreaktion): Pupillen Verengung
Nerven. Schon am Rande der Hornhaut verlie- bei Akkommodation u. Konvergenz, 3. Lid-
ren sie ihre Myelinhülle. In Iris und Ziliarkörper schlussreaktion, 4. Psychisch ausgelöste P.:
begleiten diese Nerven v. a. Gefäße. Pupillenerweiterung bei gesteigertem Sympathi-
ϊ> Nn. ciliares breves, die v. a. Vasokonstriktion kotonus, Pupillenverengung bei Überwiegen des
vermitteln. Parasympathikotonus.

Parasympathische Fasern stammen II. Pupillenanomalie, 1. Mydriasis durch Para-


sympatholytika (Pethidin, Phenothiazine, Anti-
t> von den parasympathischen Ursprungskernen
depressiva), 1.1 Einseitige Mydriasis. Ihr kommt
des N. oculomotorius
die größte praktische Bedeutung zu, meist durch
[> oder als VIP-haltige Nerven aus dem Ganglion
Reizung des N. III. (Urs.: Raumforderung,
pterygopalatinum.
intrakranielles Karotisaneurysma (Rupturgefahr
Fasern des N. oculomotorius werden im Ganglion bei fehlender Lichtreaktion), Adie-Syndrom,
ciliare umgeschaltet und erreichen als „echte" Trauma des N. III), 1.2 Bilaterale Mydriasis.
Nn. ciliares breves ebenfalls in Umgebung des Vielfaltiges Symptom, ζ. B. bei Intoxikation,
Sehnervs das Auge, durchbohren die Sklera und Grand-Mal-Anfall, allgemeiner Hypoxie,
gehen bis zum M. sphincter pupillae und zum Komastadien III, IV, 2. Miosis durch Miotika
Ziliarmuskel. (Opiate, Reserpin, Cholinesterasehemmer), 2.1
Einseitige Miosis beim Horner-Syndrom: Trias
Akkommodation, Pupillarreflexe. N. oculomoto- aus Miosis (Lähmung des M. dilatator pupil-
rius und Sympathikus bewirken Akkommodations- lae), Ptosis (Oberlid hängt herab, sympathische
und Pupillenreflexe: Innervation des M. tarsalis superior ist unter-
• Mydriasis (= Pupillenerweiterung) veranlasst brochen) und Hebung des Unterlids mit schein-
der Sympathikus, wie aus der Innervation der barem Enophthalmus (das Auge liegt tiefer,
inneren Augenmuskeln abzuleiten ist (—> „sym- Innervation von Gefäßen und M. orbitalis sind
pathische", also „große" Augen). unterbrochen), 2.2 Einseitige Miosis bei ponti-
• Miosis (= Pupillenverengung) vermittelt der ner Hirnstammschädigung (meist Blutung mit
Parasympathikus durch Kontraktion von M. ci- max. Miosis ohne Lichtreaktion), 3. Anisokorie.
liaris und M. sphincter pupillae. Seitendifferente Weite der Pupillen (Pupillendif-
ferenz > 1 mm). Ursache: 3.1 angeborene Ano-
Akkommodation und Pupillenverengung sind malie bei 4 % der Bevölkerung, 3.2 Störung der
gekoppelt. parasympathischen Efferenz (Sphinkterstörung)
bei Okulomotoriuslähmung od. Pupillotonie
Transmitter. Neben den klassischen Transmittern findet (s. u.), 3.3 Störung der sympathischen Efferenz
man sowohl am vorderen Auge die Transmitter wie (Dilatatorstörung) bei Horner-Syndrom, 3.4
Substanz P, Neuropeptid Υ (NPY) und Calcitonin Gene Ophthalmologische (ζ. B. Iritis, Glaukom) oder
Related Peptide (CGRP) und stickoxidsynthetasehaltige neurologische Erkrankungen (intrakranielle
(NOS) Nerven (nitrerge Nerven). In der Choroidea Raumforderung, Mittelhirnläsion), 4. Pupillo-
kommt der Transmitter VIP (vasointestinales Polypeptid) tonie. Störung der Pupillenmotorik mit träger
gehäuft vor.
oder fehlender Licht- und langsam tonisch
Klinik: I. Pupillenreflexe (= Pupillenreakti- ablaufender Konvergenzreaktion, meist ein-,
onen, P). Physiologische Veränderungen der selten beidseitig. Ursache: nach Ganglionitis
Pupillenweite (Pupillomotorik, s. auch Kap. ciliaris acuta, bei Adie-Syndrom.

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6.2 Bewegungsapparat des Augapfels 575

6.2 Bewegungsapparat des Augapfels

Lernziele: Augenmuskeln: Lage, Funktion, 6.2.1 Augenmuskeln, Musculi oculi


Innervation, Augenbewegungen, Orbitaler Fett-
Von 6 am Augapfel ansetzenden Musculi oculi
körper, Tenon-Kapsel, Tenon-Raum, Periorbita,
(Abb. 6.25 - 6.30) entspringen 5 an einem ovalen
Septum orbitale
Sehnenring, Anulus tendineus communis (Zinnii),
der sich an der Spitze der Orbitapyramide befindet.
Um einen Gegenstand im Raum mit den Augen Er umgibt den Canalis opticus und den angrenzen-
zu erfassen, müssen die Sehlinien beider Augen den Teil der Fissura orbitalis superior. Durch diesen
auf den Gegenstand gerichtet werden. Diese Ring treten in die Augenhöhle:
Richtbewegung erfolgt durch : 1 Einstellung des
\> N. opticus, N. oculomotorius, N. abducens,
Kopfes (Halsmuskeln), 2 Einstellung der Bulbi
N. nasociliaris; A. ophthalmica. Nur der
(6 Augenmuskeln). Wie in einem Kugelgelenk
M. rectus lateralis hat noch einen zusätzlichen
können Bewegungen nach allen Richtungen hin
Ursprung (Lacertus m. recti lat.) vom großen
ausgeführt werden. Dafür sorgen 3 Paare ant-
Keilbeinflügel (Abb. 6.25, 6.26).
agonistischer Muskeln: 4 gerade (= Mm. recti)
und 2 schräge (Mm. obliqui).
Wir unterscheiden 4 gerade und 2 schräge
Augenmuskeln.

Vlb IV V 1a VI 111 A. ophthalmica

M. levator palpebrae
supertons

^ M . rectus superior

V 1c - .
- Ν opticus

_ _ — - Μ. obliquus superior

V. ophthalmica
Μ. rectus medialis
superior

Μ. rectus lateralis - Μ. rectus inferior

• Fossa sacci lacrimalis


Fissura orbitalis-
superior
Μ obliquus inferior

Fissura orbitalis
inferior

Abb. 6 . 2 5 : Rechte Orbita mit den Ursprüngen der Augenmuskeln (rot) und den Eintrittsstellen der Nerven.
III = N. oculomotorius; IV = N. trochlearis; V 1a = N. nasociliaris; V 1b = N. frontalis; V 1c = N. lacrimalis;
VI = N. a b d u c e n s

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576 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

• Gerade Augenmuskeln: M. rectus superior, Sie ziehen als 1 cm breite, platte Muskeln an der
Μ. rectus inferior, Μ. rectus medialis und oberen, unteren, medialen und lateralen Wand der
Μ. rectus lateralis. Orbita zum Augapfel, wo sie in verschiedener
Entfernung vom Hornhautrand (M. rectus sup.
1. M. rectus superior
7,7 mm, Μ. rectus lateralis 7 mm, Μ. rectus infe-
O.: Anulus tendineus communis rior 6 mm, M. rectus medialis 5,5 mm) in die Sklera
/.: Sklera, oberer Quadrant, vor Äquator einstrahlen (Abb. 6.26). Sie umschließen einen
L.: Ν. oculomotorius, Α. V. ophthalmica pyramidenförmigen Raum, der mit Baufett, Corpus
F.: Heben, Innenrollen, Adduzieren adiposum orbiiae, ausgefüllt ist; darin verläuft der
Sehnerv zum Bulbus.
2. M. rectus inferior
0.: Anulus tendineus communis • Schräge Augenmuskeln: M. obliquus superior,
/.; Sklera, unterer Quadrant, vor Äquator Μ. obliquus inferior.
L.: N. oculomotorius, Α. V. ophthalmica
Sie treten jeweils oben und unten von vorn medial
F.: Senken,Außenrollen, Adduktion
nach hinten lateral an den Bulbus.
3. M. rectus medialis
1. M. obliquus superior
Ο.: Anulus tendineus communis
Ο.: Anulus tendineus communis
1.: Sklera, innerer Quadrant, vor Äquator
I.: Sklera, oberer Quadrant, hinter Äquator
L.: N. oculomotorius, Α. V. ophthalmica
L.: N. trochlearis, Α. V. ophthalmica superior
F.: Adduktion
F.: Innenrollen, Abduktion, Senken
4. M. rectus lateralis
Der Muskel entspringt gemeinsam mit den geraden
0.: Anulus tendineus communis Muskeln, verläuft oberhalb des M. rectus medialis
1.: Sklera, äußerer Quadrant, vor Äquator an der medialen Orbitawand bis zur Fovea trochlea-
L.: N. abducens, Α. V. ophthalmica ris, wo seine runde (oft von einem Schleimbeutel
F.: Abduktion

M. obliquus superior
\
χ
Μ rectus superoi χ ^
\ \
Μ levator paipebrae super o n s . \ \
\ \ \ Sinus frontalis
s \ \
Μ rectus medialis. \ \ — — — Trochlea
\ \
Ν. opticus - ^ \ \
\
Ν
_ — — Schnittrand der Tunica
Anulus
conjunctiva bulbi
tendineus communis *

Fossa hypophysialis —

Μ. rectus lateralis
lUrsprüngel

' M. obliquus inferior


Foramen rotundum *"

Fissura pterygomaxillaris ^ Foramen i n f r a o r b i t a l

M. rectus inferior ^ Sinus maxillaris

Processus pterygoideus —

Abb. 6.26: Muskeln des Augapfels von lateral gesehen. M. levator paipebrae superioris zum Teil entfernt
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6.2 Bewegungsapparat des Augapfels 577

umgebene) Sehne durch einen knorpeligen Halb-


ring, die Trochlea, zieht, um sich im spitzen Winkel
(50°) nach hinten lateral zu wenden und unter dem
M. rectus superior zum hinteren, oberen, lateralen
Quadranten des Augapfels zu gelangen.
2. M. obliquus inferior
Ο.: Maxilla, hinter medialem Orbitarand
/.: unterer, äußerer Quadrant, hinter Äquator
L.: N. oculomotorius, Α. V. ophthalmica
F.: Außenrollen, Abduktion, Heben
Der Muskel entspringt als einziger Muskel vorn
am Boden der Orbita, neben dem Eingang in
den Canalis nasolacrimalis (Abb. 6.25) und ver-
läuft in gleicher Richtung wie die Endsehne des
M. obliquus superior nach hinten lateral und setzt
am hinteren, unteren, lateralen Quadranten des
Bulbus an.

Wirkung der Muskeln. Abb. 6.27 orientiert über


die Primärstellung: geradeaus gerichteter Blick,
Sehlinie sagittal.
Abb. 6.28 gibt die Länge der Pfeile die Kraft der
einzelnen Muskeln wieder.
IM. rectus medialis, M. rectus lateralis bewirken
eine reine Seitwärtsbewegung:
• M. rectus medialis adduziert (konvergiert), er
kann mehr Kraft ausüben.
• M. rectus lateralis obduziert (divergiert). Abb. 6.27: Wirkung der Bulbusmuskeln. Die Wirkung
auf die 3 Achsen ist durch Pfeile dargestellt. M. r. m.
M. rectus superior: hebt die Sehlinie, rotiert nach = M. rectus medialis; M. r. I. = M. rectus lateralis;
innen und adduziert. M. r. s. M. rectus superior; Μ. r. i. = Μ. rectus inferior;
Μ. ο. s. Μ. obliquus superior; Μ. ο. i. = Μ. obliquus
M. rectus inferior: senkt die Sehlinie, rotiert nach inferior
außen und adduziert.
Beide Muskeln bilden in der Primärstellung mit
der Sehlinie einen Winkel von 25°. Dies erklärt
die zusätzliche Adduktion und Außen- bzw. Innen-
rotation durch M. rectus inferior und superior. Wird
das Auge um 25° abduziert, kommt damit die Sehli-
nie in die Verlaufsrichtung der Muskeln, so sind sie
nahezu reine Heber bzw. Senker.
M. obliquus superior senkt die Sehlinie, rotiert
nach innen und abduziert. Abb. 6.28: Funktion der Bulbusmuskeln. Schema nach
Marquez-E. Fuchs. Die Pfeile geben die Richtung und
M. obliquus inferior: hebt die Sehlinie, rotiert ihre Länge die Kraft der Muskeln an.
nach außen und abduziert.
Beide Muskeln bilden in der Primärstellung mit der
Sehlinie einen Winkel von 40°. Wird das Auge um

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578 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

40° abduziert, so verlaufen die Muskeln senkrecht 6.2.2 Fettkörper, Corpus adiposum
zur Sehlinie und werden zu reinen Rollern. orbitae, Bindegewebeapparat
Augenbewegungen. Um eine bestimmte Stellung der Augenhöhle
des Bulbus zu erreichen, müssen oft 2 oder 3 Mus-
Fettkörper (Abb. 6.29, 6.30). Der nicht von Mus-
keln zusammenarbeiten. Sollen beide Augen als
keln, Gefäßen und Nerven eingenommene Raum
ein einheitliches Organ benützt werden, so müssen
der Augenhöhle ist von einem mit Bindegewebe
sie gleichsinnig bewegt werden. Die Bewegungen
durchsetzten Fettkörper ausgefüllt. Innerhalb der
beider Augen sind über die Innervation zwangsläu-
4 geraden Augenmuskeln bildet dieser einen pyra-
fig gekoppelt. Sie können daher nicht unabhängig
midenförmigen Körper, Corpus adiposum orbitae
voneinander benützt werden. Über die Steuerung
(Abb. 6.29). Das den Fettkörper durchsetzende
der Augenbewegungen siehe Kap. 5.4.2.3, S. 459.
Bindegewebe verdichtet sich gegen die Muskeln,
Da die 4 geraden Augenmuskeln von hinten nach v. a. aber gegen den Bulbus hin zu einer festeren
vorn an den Bulbus gelangen, ziehen sie auch den Haut, die ein Widerlager für den Augapfel bildet.
Bulbus in Richtung Augenhöhle. Dieser Zugkraft
1. Tenon-Kapsel. Diese den Bulbus umgebende
wirken der Fettkörper des Auges und die beiden
Hülle, Vagina bulbi (Tenon-Kapsel), ist mit
schrägen, von vorn nach hinten verlaufenden Mus-
dem N. opticus fest verwachsen, liegt in seiner
keln entgegen.
Umgebung dicht der Sklera auf und entfernt sich
Innervation dann von ihr (Abb. 6.29).

> N. oculomotorius. Der III. Hirnnerv (15000 2. Tenon-Raum. Es entsteht so zwischen Kapsel
Axone) versorgt die meisten Augenmuskeln: und Sklera das Spatium intervaginale (cir-
M. rectus superior, Μ. rectus inferior, Μ. rectus cumbulbare, subcapsulare, Tenon-Raum), eine
medialis, M. obliquus inferior und Μ. levator Verschiebespalte für den Bulbus. Sie wird von
palpebrae superioris. Sein motorischer Kern zarten Bindegewebefasern durchzogen, welche
liegt in der Haube des Mittelhirns. die bei den Bulbusbewegungen auftretenden
[> N. trochlearis. Der IV. Hirnnerv (2500 Axone) Spannungen auffangen. Vagina und Spatium
innerviert den M. obliquus superior. Er ist der intervaginale reichen nach vorn bis in die Nähe
dünnste Hirnnerv und hat seinen Kern ebenfalls des Hornhautrandes (Abb. 6.29).
im Mittelhirn in Höhe der unteren 2 Hügel der
Die 6 Augenmuskeln ziehen auf ihrem Wege
Vierhügelplatte.
zum Bulbus durch schlitzförmige Öffnungen der
t> N. abducens. Der VI. Hirnnerv (6000 Nerven-
Kapsel. Von der Rückfläche der Kapsel setzt sich
fasern) hat seinen motorischen Kern im Boden
das Bindegewebe auf die Muskeln fort, bildet um
der Rautengrube und versorgt den M. rectus
sie Scheiden, Fasciae musculares, die gegen den
lateralis.
Ursprung der Muskeln hin dünner werden und sich
Ο Ν. trigeminus. Allen Augenmuskelnerven
schließlich verlieren.
lagern sich Äste des V. Hirnnervs (V/1, N.
ophthalmicus) an. Diese fuhren die Afferenzen Periorbita. Sie kleidet als Periost die knöcherne
aus den Rezeptoren in den Augenmuskeln dem Augenhöhle aus. Durch den Canalis opticus und die
V. Hirnnerv zu. Fissura orbitalis superior geht sie in die Dura mater
> Sympathikusfasern erhalten die Augenmus- über. Im Bereich der Fissura orbitalis inferior sind
keln aus den vegetativen Plexus, die die Orbital- in die Periorbita glatte Muskelzellen (M. orbitalis)
arterien begleiten. eingewebt.
Der glatte M. orbitalis ist beim Menschen das Rudiment
Ihrer Funktion, der fein abgestuften Bewegung ent-
einer Muskelplatte, die bei vielen Säugern die fehlende
sprechend, haben Augenmuskeln eine reichhaltige
laterale Knochenbegrenzung ersetzt.
Innervation. Jeweils wenige Muskelzellen werden
von einen Axon versorgt. Die Augenmuskeln Septum orbitale. Es schließt den Augenhöhlenin-
haben weit mehr Muskelspindeln als andere quer- halt nach vorne ab. Es zieht als ringförmige nahezu
gestreifte Muskeln. vertikal gestellte Bindegewebeplatte vom Orbital-
rand zum Tarsus superior und inferior und wird von
Hirnnervenlähmungen s. Kap. 5.4.2.3, S. 459. Nerven und Gefäßen durchbohrt (Abb. 6.31).
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6.2 Bewegungsapparat des Augapfels 579

A opbthalmica. Anulustendi- Vagina ext A. ophthalmica. Sclera. Vagina ^ · Discus n. optici, A. centralis retinae
N, trochlearis neus comm., rt. optici. M. rectus superior bulbi (Tenon) s - Retina, Choroidea
\ Μ levator palp sup Ν. frontalis ' /
/ / s Periorbita
^ Fornix conjunctivae superior
Ν. oculomotorius - Septum orbitale
\ - M. tarsalis superior
— - Tendines m. levatoris palpebrae
superiors
Anguius iridocornealis,
Gil. conjunctivales
-M. dilatator pupillae
M. sphincter pupillae
"** - Camera anterior bulbi, Cornea,
•s ^ Saccus conjunctivae
Tarsus superior, Gil. tarsales,
^ ^ Μ orbicularis oculi
^ " Iris, M. ciliaris
" Ora serrata, Orbiculus ciliaris
Ν
^ Fornix conjunctivae inferior,
•— Μ tarsalis inferior
- M. obtiquus inferior, Septum orbitale

- Periorbita
N. maxillar.s, Venenplexus. Ggl. pterygo- Sinus maxillaris M. rectus inferior N. infraorbitatis
Ggl. ciliare palatinurn. A. maxillaris

Abb. 6.29: Sagittalschnitt durch die Augenhöhle mit Inhalt. Von lateral gesehen. Verändert nach E. Pernkopf

M. obliquus superior Crista galli Sinus frontalis

M. levator palpebrae
superioris, Ν frontalis
M. rectus superior
Celhilae
ethmoidales
Μ. rectus medialis

Lamina ortwtalis ossis


Μ. rectus lateralis ethmoidalis

N. opticus N. infraorbitals

M. rectus inferior Hiatus maxillaris

superior
Sinus maxillaris

Concha
Septum nasi
nasalis

inferior Processus palatinus


maxillae

Abb. 6.30: Frontalschnitt durch Augen- und Nasenhöhle. Die topographischen Beziehungen zwischen
Nasennebenhöhlen und Augenhöhlen

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580 6 Sehorgan, A u g e , O c u l u s et Structurae pertinentes

Rami palpebrals η. supraorbital ^


. Rami laterales
n„ a., v. supra-
Septum orbitale- orbitalis
- Rami mediates

Rami palpebrales n. lacrimalis —


Ν supratrochlear
Tarsus superior—
- V. angularis
A. palpebralis lateralis -
• Ν. infratrochlearis
Lig. palpebrale laterale "
A. palpebralis medialis

Arcus palpebralis inferior

• Lig. palpebrale mediate


Tarsus inferior ^ >, ^

Rr. palpebrales 11. infraorbitalis f •A. palpebralis medialis

Abb. 6.31: Tarsi, Lidplatten u n d S e p t u m orbitale mit h i n d u r c h t r e t e n d e n N e r v e n u n d Gefäßen.


Der M. orbicularis oculi ist entfernt

— — · Periost
Sinus frontalis ·

Knochen

Crista galli v
Ν., A. supraorbitalis

N. trochlearis, s __ _ — — —Glandula lacrimalis


M. obliquus superior
— M. rectus superior
Cellulae ethmoidales v

— Μ. levator palpebrae
Schnittrand der Dura mater .. superioris

R. communicans
Ν. opticus ν
cum n. zygomatico
Α. carotis interna -
N., A. lacrimalis

Chiasma opticum, - • Periorbita


Recessus opticus
• N. frontalis
Diaphragma sellae

• Fossa cranii media


N. oculomotorius -

- A. meningea media
Mesencephalon"

Abb. 6.32: N e r v e n u n d Gefäße einer rechten Orbita in situ n a c h Entfernung d e s A u g e n h ö h l e n -


d a c h e s . I. O b e r f l ä c h l i c h e L a g e

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6.3 Schutzeinrichtungen des Auges 581

Im vorderen Gebiet ziehen von der Vagina bulbi


Tumors (tiefliegende Augen des Schwerkran-
plattenartige Bindegewebezüge zur Orbitawand
ken), Alter oder narbige Schrumpfung, nach
und zum unteren Augenlid. Sie sind unter dem
Verletzung und Dislokation der knöchernen
Einfluss des Muskelzuges entstanden, bremsen als
Wand (E. traumaticus), ζ. B. bei Blow-out-Frak-
Retinacula stärkste Bewegungen ab.
tur. Scheinbarer E. beim Horner-Syndrom durch
schmale Lidspalte. Exophthalmus = Hervortre-
Klinik: Enophthalmus. Zurücksinken des Aug-
ten des Bulbus endokrin (M. Basedow), tumor-
apfels in die Orbita durch Schwund des Orbita-
gefäß- oder entzündungsbedingt.
len Fettgewebes (Wasserverlust, verminderter
Gewebedruck) infolge Abmagerung, malignen

6.3 Schutzeinrichtungen des Auges

verhornte geschichtete Plattenepithel des 2 mm


Lernziele: Lidapparat, Bindehaut, Tränendrüse,
breiten, freien Lidrandes über.
Tränenwege
Wimpernhaare, Cilia. Nahe der vorderen Lid-
kante stehen die starren, dicken Wimpernhaare in
6.3.1 Augenlider, Palpebrae 2-3 Reihen. Sie unterstützen das Abblenden des
und Augenbrauen, Supercilia Auges, schützen vor Fremdkörpern und lösen bei
Berührung reflektorisch Lidschluss aus.
6.3.1.1 Augenlider Drüsen. An den Haarbälgen finden wir kleine
holokrine Talgdrüsen, Glandulae sebacea (Zeis-
Die Augenlider sind dem Augapfel als muskel- Drüsen), aber keine Mm. arrectores pilorum. Dane-
haltige Weichteilfalten vorgelagert (Abb. 6.31, ben kommen großlumige apokrine Schweißdrüsen,
6.33). Wimperndrüsen, Glandulae ciliares (Moll-Drüsen)
vor.
• Oberlid. Die Palpebra superior ist durch den
Lidspalte, Rima palpebrarum. Die freien Ränder
Sulcus palpebralis superior gegen die Stirn
beider Lider gehen (Abb. 6.33) lateral in einem
abgegrenzt und bei geöffneter Lidspalte weitge-
spitzen Winkel (Angu/us oculi lateralis), medial
hend durch eine Deckfalte überlagert.
abgerundet (Angulus oculi medialis) ineinander
• Unterlid. Die Palpebra inferior ist durch den
über und umrahmen die Lidspalte.
Sulcus palpebralis inferior gegen die Wange
getrennt. Tränenpunkt, Punctum lacrimale. Nahe dem
medialen Augenwinkel liegt auf jedem Lidrand ein
Einzelne Bestandteile kraterförmiger Tränenpunkt. Medial davon fehlen
die Wimpern.
Facies anterior palpebrarum. Die Außen- oder
Hautfläche der Lider ist von der dünnen Lidhaut Tränensee, Lacus lacrimalis. Der mediale Augen-
überzogen. Sie ist mit feinen Lanugohärchen winkel wird hier zum Tränensee mit der rötlichen
besetzt und mit kleinen Schweiß- und Talgdrüsen Caruncula lacrimalis. Lateral vom Tränensee läuft
versehen. Ihr fettloses, zartes und lockeres Subku- die halbmondförmige Bindehautfalte, die Plica
tangewebe erklärt die gute Verschieblichkeit der semilunaris conjunctivae.
Lidhaut. In ihr bilden sich leicht Ödeme (ζ. B. bei
Das Tränenwärzchen, Caruncula lacrimalis, ist
Nierenkrankheiten, allergisches Lidödem - Quin-
wechselnd von verhornendem und nicht verhornen-
cke-Ödem).
dem Plattenepithel überzogen. Neben konjunktiva-
Limbus palpebralis anterior (Abb. 6.33). An len Schleimhautinseln finden sich Lanugohaare,
der abgerundeten vorderen Lidkante, geht das Schweiß-, Talg- und akzessorische Tränendrüsen
verhornte Plattenepithel der Lidhaut in das nicht direkt benachbart.
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582 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Sulcus palpebralis superior


Deckfalte —~

Palpebra superior Supercilium

Papilla lacrimalis mit Punctum


"" lacrimale

- Plica semilunaris conjunctivae

-Caruncula lacrimalis
Angulus oculi lateralis""

•Angulus oculi medialis


Tunica conjunctiva

• Papilla lacrimalis mit Punctum


f anterior lacrimale

Limbus palpebralis<
Cilia
posterior

Palpebra inferior Sulcus palpebralis inferior

Rr. p a l p e b r a l s η. supraorbitalis Rr laterales


n „ a., v. supra-
orbitalis
Schnittrand des Septum Orbitale Rr. mediales

Pars orbitalis glandulae


lacrimalis N. supratrochlearis

Sehne des M. levator palpebrae


N. infratrochlearis
superioris

Rr. p a l p e b r a l s η. lacrimalis, Canaliculus lacrimalis


A. palpebralis lateralis

Pars palpebralis glandulae Fornix sacci lacrimalis


lacrimalis
Tarsus superior Punctum lacrimale

Tarsus inferior Canaliculus lacrimalis

M . obliquus inferior Ductus nasolacrimalis

Rr. p a l p e b r a l s η. i n f r a o r b i t a l Schnittrand des Septum orbitale

IM, A. infraorbitalis Schleimhaut der Nasenhöhle

Abb. 6.34: Tränendrüse, Glandula lacrimalis, durch Fensterung des Septum orbitale freigelegt; Tränensack,
Saccus lacrimalis und Tränennasengang, Ductus nasolacrimalis, durch Fensterung des Stirnfortsatzes des
Oberkiefers freigelegt

Die Caruncula wird an ihrer temporalen Seite von Lidplatten, Tarsi


einer zarten Falte der Bindehaut, Plica semilunaris
Die Tarsi versteifen die Augenlider. Sie bestehen
(Rudiment der Nickhaut der Reptilien und Vögel
aus dicht verfilztem Bindegewebe und sind der
= „3· Augenlid") begrenzt. Beim Menschen enthält
Krümmung des Augapfels angepasst.
sie gelegentlich ein elastisches Knorpelblättchen.
Glandulae tarsales (Meibom-Drüsen). In ihr
Unter der Lidhaut verläuft der feinfaserige Lidteil
Bindegewebegerüst sind im Oberlid 30-40, im
des M. orbicularis oculi (s. Kap. 4.8.1.1, S. 225).
Unterlid 20 verzweigte tubuloalveoläre Meibom-
Tarsi, Lidplatten und Septum orbitale liegen hinter Drüsen eingebettet. In ihrer Größe sind sie der
dem Muskel (Abb. 6.31, 6.34). Form der Tarsi angepasst, im Bau gleichen sie
den Talgdrüsen. Mit nadelstichgroßen Öffnungen
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6.3 Schutzeinrichtungen des Auges 583

münden sie auf der hinteren Lidkante, Limbus pal-


sich dann im unteren Augenlid ausbreiten und
pebralis posterior. Sie fetten den Lidrand ein und
schließlich beide Lider als „Brillenhämatom"
verhindern das Überlaufen der Tränenflüssigkeit.
ausfüllen. Da vom Margo supraorbitalis und
Ihre Lebensdauer 4-5 Monate.
infraorbitalis stärkere Bindegewebezüge zur
Kehrt man das Augenlid nach außen um (—» Ektro- Haut und zum M. orbicularis ziehen, senken
pium), so kann man die Meibom-Drüsen als gelbli- sich Lidergüsse nicht in die Wange. Umgekehrt
che, gekörnte Linien erkennen (s. Klinik). lassen Blutergüsse (Hämatome) der Stirn und
der Wange die Lider frei.
Die Lidplatten sind in der Mitte breiter. Medial sind
sie durch das kräftige, vor dem Tränensack verlau-
fende Lig. palpebrale mediale am Stimfortsatz des Bewegungsapparat der Lider
Oberkiefers, lateral durch das schwächere Lig. 1. M. orbicularis ocuii. Verlauf und Wirkung
palpebrale laterale am Jochbein befestigt (Abb. s. Kap. 4.8.1.1, S. 225.
6.34).
2. M. levator palpebrae superioris
Das Septum orbitale wird von den Nerven und
Der quergestreifte, vom N. oculomotorius versorgte
Gefäßen, die zu Augenlidern und Stirn treten,
M. levator palpebrae superioris entspringt in der
durchbrochen. Medial sind es die Rami laterales
Nähe des Canalis opticus vom kleinen Keilbein-
und mediales der Nn., Aa., Vv. supraorbitalis, des
flügel, verläuft zwischen M. rectus superior und
N. supratrochlearis und des N. infratrochlearis,
Orbitadach. Er durchsetzt mit breiter, platter Sehne
lateral die feinen Endäste des N. und der A. lacri-
(Abb. 6.34, 6.35) die Tränendrüse und strahlt mit
malis (Abb. 6.31).
feinen Fasern vor dem Tarsus in die Muskulatur
Mediale und laterale Lidarterien bilden je einen und das Bindegewebe des Lides aus. Funktionell
Gefaßbogen, Arcus palpebralis superior und infe- vermag er das Lid etwa 1 cm willkürlich heben.
rior.
3. M. tarsalis superior, der von den Sehnen des
Levator und der Sehne des M. rectus superior ent-
Klinik: 1. Ektropium (= Ektropion). Umstül-
springt und am Tarsus superior ansetzt (Abb. 6.29),
pung des Lids nach außen, ζ. B. zur oph-
unterstützt den Levator. Er wird sympathisch ver-
thalmologischen Untersuchung oder infolge
sorgt. Zusammen mit dem am Tarsus inferior anset-
Narbenzugs (E. cicatriceum), Fazialislähmung
zenden, ebenfalls glatten M. tarsalis inferior hält
(E. paralyticum), Gewebeerschlaffung im Alter
er durch seinen Tonus die Lidspalte offen (Ptosis
(E. senile), 2. Hordeolum (= Gerstenkorn).
s. Horner-Komplex).
Abszess der Liddrüsen, 2.1 H. externum:
akut-eitrige, bakterielle Entz. der Zeis- (Talg-
6.3.1.2 Augenbrauen, Supercilia
drüsen) oder Moll-Drüsen (Schweißdrüsen);
auch multipel und rezidivierend vorkommend
Die Supercilia umrahmen in Höhe des oberen
(Hordeolosis), 2.2 H. internum: eitrige Entz.
Randes des Augenhöhleneinganges die Augen im
der Meibom-Drüsen am Tarsus (Lidinnenseite),
nach oben konvexen Bogen (Abb. 6.33). Die star-
3. Chalazion (= Hagelkorn). Bis erbsengroßes,
ren, mehr oder minder buschigen Haare sind schräg
an den Augenlidern lokalisiertes Granulom,
nach außen gerichtet. Durch diese Anordnung
meist von den Glandulae tarsales (Meibom-
dämmen sie den Stirnschweiß vom Auge ab und
Drüsen) ausgehend durch Sekretstauung nach
leiten ihn seitlich an ihm vorbei.
entzündlichen Verschluss der Ausführungs-
gänge, 4. Brillenhämatom. Bluterguss der
Ober- und Unterlider, ein- (Monokelhämatom) 6.3.2 Bindehaut, Tunica conjunctiva
oder beidseitiges Auftreten v. a. bei Schädelba-
sisfrakturen. Die Tatsache, dass die meisten und Die Tunica conjunctiva verbindet die Augen-
stärkeren Gefäß- und Nervenäste von medial her lider mit dem Bulbus oculi, beginnt an der
das Septum orbitale durchbohren, erklärt, dass hinteren Lidkante und überzieht als Tunica
Blutergüsse in die Orbita (Schädelbasisbruch!) conjunctiva palpebrarum die Rückfläche der
zuerst am medialen Augenwinkel erscheinen, Augenlider.

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584 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

M. tarsalis superior
Trochlea, Tendo m. obliqui superioris

Levatoraponeurose
Canaliculus lacrimalis

Pars orbitalis
Glandula lacrimalis [ Lacus lacrimalis
mit "j
Ductuli excretorii [ Pars palpebralis Lig. palpebrale mediale

Lig. palpebrale laterale Saccus lacrimalis

M. obliquus inferior Ductus nasolacrimalis

Foramen infraorbitale Schleimhaut des Sinus maxillaris

Abb. 6.35: Übersicht über den Tränenapparat nach Entfernung der Lidmuskeln (nach Eisler)

Unter Bildung des Bindehautscheitels (Fornix tubuloazinöse Glandulae lacrimales accessoriae an.
conjunctivae superior und inferior) geht sie auf Die zahlreichen Becherzellen bilden die Glykosami-
die Sklera über, die sie als Tunica conjunctiva noglykane des Tränenfilms. Am Limbus corneae geht
bulbi bis zum Hornhautrand überzieht (Abb. 6.29). das Bindehautepithel in das Hornhautepithel über. Hier
findet man reichlich ATPasen und Karboanhydrase, die
Mit dem Tarsus ist sie fest verbunden. Im Bereich
die Flüssigkeit aus der Kornea in die Kapillarschleifen
des Septum Orbitale, des Fornix conjunctivae und am Limbus transportieren.
der Tunica conjunctiva bulbi ist sie locker und
verschieblich auf der Unterlage befestigt. Reserve- In der Tunica propria der Bindehaut kommen
falten ermöglichen Bewegungen des Augapfels und reichlich Plasmazellen und Lymphozyten vor. Die
der Lider. Lymphozyten können im subkonjunktivalen Binde-
gewebe (besonders des Fornix) zu einzelnen Noduli
Klinik: Chemosis. Ödem der Bulbusbindehaut lymphatici zusammenfließen.
mit blasenartiger Abhebung von der Lederhaut
Gefäße. Die Conjunctiva palpebrarum wird von
bei Entzündung und Bluterguss; die Bulbusbin-
Ästen der
dehaut überragt den Hornhautrand wulstförmig.
t> Aa. palpebrales mediales und laterales versorgt.
Bindehaut-, (= Konjunktival-)sack. Tunica con- Die Arterien der Conjunctiva bulbi stammen aus
junctiva palpebrarum und bulbi begrenzen einen den
kapillaren Spalt, Bindehautsack. D> Aa. ciliares anteriores, Ästen der Arterien
der 4 geraden Augenmuskeln. Sie bilden am
Glandula lacrimalis (Abb. 6.34, 6.35) (s. Kap.
Hornhautrand ein Randschlingennetz. Bei Bin-
6.3.3, S. 585). Im lateralen Teil des Fornix conjunc-
dehautentzündungen sind sie erweitert, so dass
tivae superior münden die Tränendrüsen mit 7-15
man sie gut mit bloßen Augen erkennen kann.
Ductuli excretorii. Von dort wird die Tränenflüssig-
Die Gefäße lassen sich leicht mit der Bindehaut
keit im kapillaren Bindehautsack zum Tränensee
verschieben und durch Druck entleeren. Die
gefuhrt. Im medialen Augenwinkel bildet die Binde-
etwas stärkeren Venen verlaufen meist unabhän-
haut die Plica semilunaris.
gig von den Arterien.
Von der inneren Lidkante nach innen liegt wie am freien
Lidrand noch eine schmale Zone unverhornten geschich- Klinik: 1. Konjunktivitis. Augenbindehaut-
teten Plattenepithels, das in geschichtetes Zylinderepithel entzündung mit Rötung, Schwellung, starker
und im Fornix in kubisches Epithel übergeht. Auf dem Sekretion, Lichtscheu, Blepharospasmus (= Lid-
Bulbus weicht es geschichtetem Plattenepithel.
krampf, Krampf des M. orbicularis oculi bei
Im Lidteil treffen wir neben schlauchförmigen Epi- Reizerscheinungen des Auges) durch Fremdkör-
theleinsenkungen mit Becherzellen, im Fornix noch per, Verletzung, Staub, Infektion durch Neisseria

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6.3 Schutzeinrichtungen des Auges 585

Trochlea. Μ. obliquus superior Sinus frontalis Ν supratrochlearis


7
Ν R. medialis
η , a. supraorbitalis
Ν. infratrochearis Ν -R lateralis
Μ, Α. e t h m o i d a l anterior
χ -Venter frontalis m. occipitofrontalis

Ν. nasociliaris s Septum orbitale


x
Cellulae ethmoidafes Μ. levator palpebrae superioris
v
N„ A. ethmoidalis posterior Glandula lacrimalis
N
M. rectus medialis mit R. muscularis %
Μ. rectus superior
M. obliquus superior, N. trochlearis .
R. communicans cum n. nasociliari Bulbus oculi

N. frontalis » R. communicans cum n. zygomatico


R. superior n. Ill, Mm. levator Nn., Aa. ciliares breves
palpebrae superioris et rectus superior'
• N. ciliaris longus
N. opticus, A. ophthalmica -R inferior n. oculomotorii.
A. carotis interna Radix oculomotoria

• Ganglion ciliare
Chiasma opticum, Recessus opticus .

Tractus opticus . ~Ν.abducens

Diaphragma sellae _ " Ν., Α. lacrimalis

N. oculomotorius — - Ν ophthalmicus

N. trochlearis — Ν. maxillaris mit. R. meningeus

N.abducens " Ν. mandibularis

- ^ A. meningea media,
^ R. meningeus n. mandibularis
Mesencephalon N. trigeminus R. tentorii n. ophthalmia Ganglion trigeminale

Abb. 6.36: Nerven und Gefäße einer rechten Orbita in situ von der Schädelhöhle aus gesehen. II. Tiefe Lage

Motorisch versorgt der


(Gonoblennorrhoe), Chlamydien (Einschluss-,
Schwimmbadkonjunktivitis), Viren, Benet- t> N. facialis den M. orbicularis oculi
zungsstörungen infolge verminderter Tränen- \> N. oculomotorius den M. levator palpebrae
sekretion (Keratoconjunctivitis sicca), Allergie, superioris,
2. Keratoconjunctivitis epidemica (= Kerato- t> Sympathicus die Mm. tarsales.
conjunctivitis nummularis, Viruskeratitis).
Adenoviridae-Infektion von Cornea und Con-
junctiva, oft einseitig mit Fremdkörpergefühl, 6.3.3 Tränenapparat,
heftigem Tränen, Rötung der Plica semilunaris, Apparatus lacrimalis
Schwellung der Karunkel, Lidödem, geringe
Chemose, eiförmig durchschimmernde Follikel Unter dem Tränenapparat versteht man die Trä-
in der Bindehaut, Schwellung der präaurikulären nendrüse und die ableitenden Tränenwege.
Lymphknoten ab dem 7. Krankheitstag; Kerati-
tis mit münzenförmigen Infiltrationen, meist in
1. Tränendrüse, Glandula lacrimalis
Hornhautmitte.
Die Glandula lacrimalis liegt oberhalb des late-
Lymphgefäße von Lidern und Bindehaut ziehen ralen Augenwinkels in der Fossa glandulae lacri-
größtenteils zu den Nil. parotidei (Kap. 4.11.2, malis des Stirnbeins (Abb. 6.34, 6.36). Die Sehne
S. 253), außerdem mit der V. angularis zu den Nil. des M. levator palpebrae superioris teilt sie in eine
submandibulares. 1. Pars orbitalis, dem Knochen anliegend, 2. Pars
palpebralis, weiter nach vorn reichend, dem Lid
Nerven
anliegend. 6-12 kleine Ausführungsgänge, Ductuli
Sensible Nerven für das Oberlid stammen aus excretorii, leiten die Tränenflüssigkeit oberhalb des
N. V/1, für das Unterlid aus N. V/2. Sie enden frei lateralen Augenwinkels in den Fornix conjunctivae
im Epithel. superior.
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586 6 Sehorgan, Auge, Oculus et Structurae pertinentes

Radix R. superior N. trochlearis


N. opticus, A. ophthalmica oculomotoria M. obliquus
/ superior Ν. nasociliaris
\ /

N. oculomotorius \ \ , Ν. opticus, Nn.. Aa.


\ \ \ ciliares post, breves
\ \
N. ophthalmicus- \ \ ^
Ν., A. supraorbitalis
\ \ \ \
\ \ \
A. carotis interna \ \ \
\ \ \ >\ - Sinus frontalis

N.abducens „
\ \
VN * Μ. levator palpebrae
•. χ superioris
N. abducens,
M. rectus lateralis Glandula lacrimalis

N. trigeminus —
Ν. Α. lacrimalis
Ganglion t r i g e m i n a l - '

Ν. maxillaris ·"" Μ. rectus lateralis

Ν. mandibularis R. communicans
cum n. zygomatico

Ν. zygomaticus-

A. sphenopalatine'

Α. maxillaris

I
I
Processus pterygoideus Νη„ Aa. alveolares N „ A. infraorbitalis M. rectus inferior M. obliquus inferior,
superiores posteriores mit R muscularis R. inferior n. oculomotorii

Abb. 6.37: Nerven und ein Teil der Arterien einer rechten Augenhöhle von lateral dargestellt

Histologie. Rein seröse Drüse. Die zusammengesetzte


tubulo-azinöse Drüse hat einen lobulären Aufbau mit
Klinik: Die selbstständige vegetative Nerven-
langen Schaltstücken. Den Endstücken anliegende versorgung erklärt, dass bei Sensibilitätsausfall
Korbzellen fordern die Entleerung des Sekretes. Das (N. V/1) die Tränensekretion erhalten bleibt.
lockere Bindegewebe enthält reichlich Lymphozyten und
Plasmazellen.
2. Tränenwege, Viae lacrimales
Arterien. Die arterielle Versorgung entstammt
Lacus lacrimalis, Tränensee. Die Tränenflüssig-
der A. lacrimalis, einem Ast der A. ophthalmica.
keit wird bei Bewegung der Augenlider (Wisch-
Venen. Der Abfluss erfolgt durch die V. lacrimalis
bewegung in Richtung medialer Lidwinkel) durch
in die V. ophthalmica superior.
den Bindehautsack zum medialen Augenwinkel in
Lymphabfluss: über Nil. parotidei den Lacus lacrimalis gefuhrt.

Nerven 1. N. lacrimalis mit sensiblen Fasern, Hier wird sie durch die Tränenpunkte, Puncto lacri-
2. Sympathische Fasern aus dem Ganglion cervi- malia, in die Canaliculi lacrimales, die Tränen-
cale superius gelangen gefäßbegleitend zur Drüse, röhrchen, angesaugt. Diese ziehen am Oberlid auf-
3. N. intermedins, parasympathischer Weg: bzw. am Unterlid abwärts, wenden sich mit scharfer
Biegung medialwärts, um einzeln oder gemeinsam
> N. petrosus major —» Ganglion pterygopala-
(Abb. 6.35) in den Tränensack zu münden.
tinum —> N. zygomaticus —» Ramus commu-
nicans zum N. lacrimalis, zwischen Knochen Tränenkanälchen werden von Muskelfasern
und Periorbita der lateralen Orbitalwand (Abb. umgeben, die aus dem Horner-Muskel des M. or-
6.37). bicularis oculi stammen (s. Kap. 4.8.1.1, S. 225).
Beim Lidschluss kippen die Tränenpünktchen nach
innen und tauchen in den Tränensee ein. Dabei
wirkt die Muskulatur als Saug- und Druckpumpe,
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6.4 Gefäße u n d Nerven der Orbita 587

so dass die Tränenflüssigkeit aktiv aus dem Tränen-


1. Vermehrte Tränenbildung (= Dakryorrhoe):
see abtransportiert werden kann.
Fremdkörper oder psychisch bedingt, 2. Abfluss-
behinderung in den Tränenwegen: Abstehen des
Klinik: Schneller Lidschlag steigert den
unteren Tränenpunkts, Stenose der Tränenkanäl-
Abtransport der Tränenflüssigkeit!
chen oder des Tränennasengangs (Dakryoste-
nose) und Entzündung.
Der Saccus lacrimalis (Tränensack), liegt in der
Fossa sacci lacrimalis zwischen der Crista lacri-
malis anterior und posterior. Seine Kuppe, Fornix
sacci lacrimalis, überragt nach oben das vor dem 6.3.4 Orbita und Nasennebenhöhlen
Sack verlaufende Lig. palpebrale mediale. Hinter
Orbitagrenzen. Sie zeigen die Beziehungen zu
dem Tränensack zieht der Horner-Muskel von den
den Nasennebenhöhlen (NNH). Weiteres s. Kap.
Lidern zur Crista lacrimalis posterior.
4.6.1.1, S. 217.
Der Ductus nasolacrimal (Tränennasengang)
• Medial: Die Wand ist nur durch eine papier-
verläuft vom Tränensack ab-, medial- und rück-
dünne Knochenlamelle von den Cellulae ethmo-
wärts, um unter der unteren Muschel in die Nasen-
idals getrennt (Abb. 6.30).
höhle zu münden. Die Mündung wird meist von
• Boden: grenzt an den Sinus maxillaris und
einer kleinen Schleimhautfalte, Plica lacrimalis
hier verlaufen die Vasa infraorbitalia und der
{Hasner-Falte), verdeckt.
N. infraorbitalis.
Histologie. Tränenröhrchen sind mit geschichtetem Plat- • Dach: Der Sinus frontalis kann sich bei starker
tenepithel, Tränensack und Tränenkanälchen mit mehr- Ausbildung weit in das Orbitadach vorschieben
reihigem Zylinderepithel ausgekleidet. Direkt unter dem (Abb. 6.32).
Epithel liegt ein lockeres Bindegewebe mit einem ausge-
• Canalis opticus: Bei starker Pneumatisation
dehnten Plexus von weiten Venen, der von zahlreichen
kann der Sinus sphenoidalis den N. opticus im
arteriovenösen Anastomosen versorgt wird (peristaltische
Unterstützung des Tränenflusses). Canalis opticus vollständig umgeben.
Beziehungen der Orbita zu NNH sind von gro-
Klinik: Epiphora. Tränenträufeln, spontanes ßer klinischer Bedeutung. Entzündungen und
Überlaufen der Tränen über den Lidrand durch: Geschwülste der NNH können leicht auf Augen-
höhle und N. opticus übergreifen.

6.4 G e f ä ß e und Nerven der Orbita


superior nach vorn verläuft, um sich in der Nähe
Lernziele: Topographie der Augen- und Orbita-
der Trochlea des M. obliquus superior in 2 Endäste
gefäße, Nerven, Ganglion ciliare
aufzuteilen:
L> A. dorsalis nasi
6.4.1 Augenschlagader, ϊ> A. supratrochlearis.
A. ophthalmica, Die Α. centralis retinae, ein kleiner Ast der
Augenvenen, Vv. ophthalmicae, A. ophthalmica, entspricht einer Hirnarterie. Sie
Lymphgefäße, Vasa lymphatici tritt 10-15 mm vom Bulbus entfernt von unten
her in den Sehnerv ein und gelangt durch die
Papilla n. optici zur Netzhaut.
A. ophthalmica. Sie geht aus der letzten, nach vorn
konvexen Krümmung der A. carotis interna hervor Mit den übrigen Ästen versorgt die Augenschlag-
(Kap. 4.9.1, S. 244, Kap. 5.3.4.1, S. 456). Sie tritt ader:
unterhalb des N. opticus durch den Canalis opticus,
• den gesamten Inhalt der Augenhöhle: mittlere
beschreibt um den Sehnerven eine Schraubentour,
und äußere Augenhaut, Muskeln, Fett
indem sie sich nach lateral, dann über ihn nach
medial wendet, wo sie entlang dem M. obliquus
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588 6 Sehorgan, Auge, O c u l u s et Structurae pertinentes

• Teile der Nasenhöhle: vorderes und oberes Gebiet sura orbitalis superior, wo sie am weitesten lateral
der lateralen Wand und Septum, Siebbeinzellen, liegt, und mündet in den Sinus cavernosus.
Keilbeinhöhle
> V. ophthalmica inferior. Die kleinere Vene ent-
• Stirn, Augenlider, Nasenwurzel und Teile der
steht am Boden der Orbita und führt das Blut
Dura mater.
aus den unteren Augenmuskeln. Sie hat Verbin-
Astfolge der A. ophthalmica: dungen zur Nasenhöhle und mündet teils in die
V. ophthalmica superior, teils durch die Fissura
t> A. lacrimalis, längs des oberen Randes des
orbitalis inferior in den Plexus pterygoideus
M. rectus lateralis zur Tränendrüse und zum
(Kap. 4.10.3, S. 252)
lateralen Augenwinkel ziehend.
Ein kleiner Ast der A. lacrimalis erreicht durch die Beide Venen sind klappenlos. Das Blut kann in
Fissura orbitalis superior die Dura der mittleren Schä- beiden Richtungen strömen (s. Klinik!).
delgrube.
Klinik: 1. Lippenfurunkel. Eitrige Entzündung
Ο A. supraorbitalis, der stärkste Ast, zieht dicht
v. a. der Oberlippe, oft als Komplikation bei
unter der Periorbita zur Stirn.
Acne vulgaris, mit Gefahr der Thrombophlebi-
t> A. ethmoidalis posterior, gelangt mit dem
tis der V. angularis und des Sinus cavernosus
gleichnamigen Nerv durch das Foramen ethmo-
mit Kavernosusthrombose und Meningitis
idale posterius zu den Siebbeinzellen.
(Hirnhautentzündung). Das Blut fließt aus der
[> A. ethmoidalis anterior, verläuft mit dem gleich-
V. facialis über Anastomosen (V. angularis) zur
namigen Nerv durch das Foramen ethmoidale
V. ophthalmica, von dort in den Sinus caver-
anterius zur Schädelhöhle, wo sie die A. menin-
nosus, 2. Nasenfurunkel. Komplikation sind
gea anterior an die Dura abgibt und durch die
ebenfalls Thrombophlebitis der V. angularis und
Lamina cribrosa zur Nasenhöhle gelangt.
V. ophthalmica, Orbitalphlegmone, Kaverno-
t> Rami musculares erreichen von benachbarten,
susthrombose, Meningitis.
größeren Ästen die Augenmuskeln.
Aa. ciliares anterioressind Äste zu den 4 geraden Lymphwege. Bulbus und Nervus opticus verhalten
Augenmuskeln. Sie ziehen durch die Sklera.
sich wie Hirnteile. Sie werden nur von Spalträumen
t> Aa. ciliares posteriores breves und Aa. cilia- umgeben.
res posteriores longae entspringen meist mit
> Die Spalträume des N. opticus stehen mit denen
2 Stämmchen im Canalis opticus und gelangen
des Gehirns in Verbindung. Erkrankungen
unter mehrfacher Teilung bis zum Bulbus, wo
werden daher vorwiegend zu den Hirnhäuten
16-20 Aa. ciliares posteriores breves und 2 (eine
hin fortgeleitet.
mediale, eine laterale) Aa. ciliares posteriores
D> Die Abkömmlinge der Haut (Lider, Bindehaut
longae in der Umgebung des Sehnervenaustritts
und Tränenorgane) haben geschlossene, von
die Sklera durchbohren und zur Gefaßhaut des
Endothel ausgekleidete Lymphgefäße, die mit
Auges gelangen (Abb. 6.37).
denen des Gesichtes in Verbindung stehen und
Augenvenen, Vv. ophthalmicae. Sie sammeln hauptsächlich zu den Nil. parotidei superficiales
sich in 2 Stämmen (Abb. 6.36): und vom medialen Augenwinkel und den Trä-
nenabfuhrwegen zu den Nil. submandibulares
Ο V. ophthalmica superior, sammelt das Blut aus:
ziehen.
1. Augapfel (Vv. vorticosae), 2. Sinus venosus
sclerae, 3. oberhalb des N. opticus gelegenen
Muskeln, 4. Augenlidern, 5. Tränendrüse, 6. der 6.4.2 Nerven, Ganglion ciliare
Schleimhaut der Siebbeinzellen und der Nasen-
höhle. Die Nerven (Abb. 6.32, 6.36, 6.37) treten mit Aus-
nahme des N. opticus durch die Fissura orbitalis
Anastomosen bestehen zu: V. facialis, V. ophthal-
superior in die Orbita ein. Beim Eintritt bilden sie
mica inferior, Sinus sagittalis inferior. Sie verläuft
2 Gruppen:
zunächst medial vom Bulbus, überkreuzt, wie die
Arterie, den Sehnerv, zieht lateral von ihm zur Fis-

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6.4 Gefäße u n d N e r v e n der O r b i t a 589

t> N. oculomotorius, Ν. abducens, Ν. nasociliaris N. infratrochlearis, gelangt unterhalb der Trochlea


treten in den von den geraden Muskeln beschrie- zum medialen Augenwinkel: Haut, Bindehaut,
benen Muskelkegel ein. Tränensack.
t> N. lacrimalis, N. frontalis, N. trochlearis liegen
Der N. nasociliaris gibt nach lateral weiterhin ab:
außerhalb des Muskelkegels (ebenso die V. oph-
thalmica superior). Ο R. communicans cum ganglione ciliari (Radix
longa). Die Fasern treten ohne Unterbrechung
Topographisch gesehen liegen sie in verschiede-
durch das Ganglion hindurch und ziehen in den
nen Schichten.
Nn. ciliares breves zum Bulbus.
1. Schicht. N. trochlearis, N. frontalis und N. lacri- \> Nn. ciliares longi, 2 - 3 dünne Äste zum Bulbus.
malis findet man nach der Entfernung des dünnen
In der 2. Schicht liegen auch die Hauptverzweigun-
Orbitadaches direkt unter der Periorbita, außerhalb
gen der A. ophthalmica (s. o.).
des Muskelkegels in Fettgewebe eingebettet (Abb.
6.32). 3. Schicht (tiefste Schicht: entlang des N. opti-
cus). Der stärkere untere Ast des N. oculomotorius
Der dünne N. trochlearis, der sich nach medial zum
und der N. abducens ziehen neben und unter dem
M. obliquus superior wendet, ist bei Aufmeißelung
N. opticus entlang.
des Orbitadachs wegen seiner oberflächlichen Lage
besonders gefährdet. Der untere Ast des N. oculomotorius gibt je einen
Ast zum M. rectus medialis und inferior ab, schickt
Der kräftige N. frontalis spaltet sich in seinem
darauf die kurze, kräftige Radix oculomotoria zum
Verlauf in den Ramus lateralis und medialis n.
Ganglion ciliare und verläuft am lateralen Rande
supraorbitalis auf.
des M. rectus inferior zum M. obliquus inferior
Der zarte N. supratrochlearis zieht von ihm ober- (Abb. 6.36, 37).
halb der Trochlea des M. obliquus superior zum
Der N. abducens, lateral vom N. opticus gelegen,
medialen Augenwinkel.
senkt sich nach kurzem Verlauf in den M. rectus
Der N. lacrimalis verläuft entlang des Oberrandes lateralis.
des M. rectus lateralis zur Tränendrüse und durch
Ganglion ciliare. Das kleine, ca. 2 mm lange, nicht
diese hindurch zur Haut und Bindehaut am latera-
immer vorhandene Ganglion ist parasympathisch;
len Augenwinkel.
lateral neben dem N. opticus, ca. 2 cm hinter dem
2. Schicht (zwischen M. rectus superior und Augapfel, gelegen.
Ν. opticus). Der schwächere obere Ast des N. ocu-
ϊ> Parasympathische Fasern des N. oculomotorius
lomotorius liegt zwischen M. rectus superior und
gelangen über die Radix oculomotoria (brevis)
Ν. opticus, er zieht zum M. rectus superior und zum
in das Ganglion, werden auf das postganglio-
M. levator palpebrae superioris.
näre Neuron umgeschaltet und versorgen über
Der N. nasociliaris verläuft neben dem M. rectus die Nn. ciliares breves (Abb. 6.36, 37) den
medialis (Abb. 6.36) nach vorn, gibt nach medial M. ciliaris und den M. sphincter pupillae.
durch das Foramen ethmoidale posterius den [> Sensible Fasern aus dem R. communicans cum
N. ethmoidalis posterior zur Schleimhaut der Keil- n. nasociliari
beinhöhle und der hinteren Siebbeinzellen. t> Sympathische Fasern (R. sympathicus ad gan-
glionem ciliare, aus dem Geflecht der A. oph-
Der N. ethmoidalis anterior zweigt weiter vorn
thalmica, die im Ganglion cervicale superius
durch das Foramen ethmoidale anterius zur Schä-
umgeschaltet werden) ziehen ohne Umschaltung
delhöhle ab und zieht von dort durch die Lamina
im Ganglion über die Nn. ciliares breves zum
cribrosa zur Schleimhaut der Nasenhöhle und Haut
Augapfel (M. dilatator pupillae) (s. Kap. 5.2.7.4,
der Nasenspitze (R. nasalis externus). Sein Endast,
S. 427).

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