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Strabologie

Ambulanz für pädiatrische Ophthalmologie und Strabismus


Leiterin: Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Eva STIFTER, MBA

Strabologie
Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie
Anatomie, Innervation und
Bewegungen der
Augenmuskeln

Strabologie
Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie
Funktion der 6 äußeren Augenmuskeln

Gerade Augenmuskeln MRS


Musculus
- rectus lateralis: Abduktor

MRM
MRL
Bulbus
- rectus medialis: Adduktor
- rectus superior: Heber
- rectus inferior: Senker MRI

Schräge Augenmuskeln
- obliquus superior: Einwärtsroller
- obliquus inferior: Auswärtsroller

Strabologie
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Innervation durch Hirnnerven
- Nervus oculomotorius (N. III)
• Musculus rectus superior
• M. rectus medialis,
• M. rectus inferior
• M. obliquus inferior

- Nervus trochlearis (N. IV)


• M. obliquus superior

- Nervus abducens (N. VI)


• M. rectus lateralis

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Augenbewegungen
Monokular Binokular
- DUKTION: - VERSION
- Adduktion - Blickwendungen synchron
in derselben Richtung
- Abduktion - Dextro-, Lävo-,
- Hebung (Sursum-) - Hebung (Sursum-),
- Senkung (Deorsum-) Senkung (Deorsum-)

- Einwärtsrollung
(Inzyklorotation) - VERGENZ
- synchron, entgegengesetzt
- Auswärtsrollung - akkommodative
(Exzyklorotation) Konvergenz, fusionale
Vergenz

Strabologie
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Binokularsehen und
Kompensationsmechanismen

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Binokulares Einfachsehen
(= Simultansehen)
• sensorische Fusion
getrennte und leicht voneinander abweichende Bilder der beiden Augen
werden zu einem Sammelbild verschmolzen

• Stereopsis
= querdisparate Abbildung führt zur Wahrnehmung eines Tiefenabstandes
Entwickelt sich bereits während des ersten Lebensjahr!

Voraussetzungen:
1) Klare brechende Medien
2) Fähigkeit zur Fusion (visuelle Areale des Gehirns)
3) Exakte Koordination der Augenmuskeln in allen Blickrichtungen

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Probleme durch manifestes Schielen
 Konfusion
am selben NH-Ort werden 2 unterschiedliche
Objekte wahrgenommen

 Diplopie
ein einzelnes Objekt stimuliert nicht
korrespondierende Netzhaut-Punkte

(Konvergentes Schielen: homonyme DB


Divergentes Schielen: heteronyme DB)

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Kompensationsmechanismen
Normal: Fusion
beim Auftreten einer Schielstellung stellen sich die
Augen wieder gerade. Gelingt dies nicht,s treten
folgende Mechanismen in Kraft:

• Suppression

• Anomale Retinale Korrespondenz (ARC)

• Schwachsichtigkeit (Amblyopie)

• Kopfzwangshaltung
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Kompensationsmechanismen
Suppression
• binokular nachweisbar

• reversibel

• das Zentrum des Bildes wird unterdrückt (Zapfenareal)

z.B.: Abducensparese: zentrales Bild fällt auf falsche


Stelle zwischen Makula und Papille, dort kaum Zapfen
daher farbloses, lichtschwaches unscharfes Bild der
Stäbchen.

 Suppressionsskotom
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Kompensationsmechanismen
Anomale Retinale Korrespondenz (ARC)
• binokular
• Zuordnung der Netzhaut wird umgestellt

• Bei längerem Schielen: bis ins 12.LJs


• nachher nicht mehr korrigierbar
• 2-3° kosmetisch tolerierbar
• >5° fällt auf
• durch OP im Kindesalter löst sich ARC auf.

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Kompensationsmechanismen
Schwachsichtigkeit (Amblyopie)
• monokular

• reversibel bis max. 10./12. Lebensjahr

• Okklusionstherapie (je nach Alter des Kindes)


- schwere Amblyopien 4-6h/d

- leichte Amblyopie 1-2h/d

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Kompensationsmechanismen
Kopfzwangshaltung

• Kopfdrehung oder Kopfneigung je nach


Muskelbeteiligung
• Belastung für die Halswirbelsäule

• zB bei MOI Überfunktion – Neigung zur Seite des


betroffenen Muskels

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Schielen

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Schielformen
• Begleitschielen: Strabismus concomitans
Schielwinkel in alle Blickrichtungen gleich

latentes Schielen: = Phorie (Esophorie/Exophorie)


manifestes Schielen: = Tropie (Esotropie/Exotropie)

• Lähmungsschielen: Strabismus incomitans


Schielwinkel nimmt in der Zugrichtung des gelähmten
Augenmuskel zu

Strabismus paralyticus (z.B.: Abducensparese)

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Begleitschielen
• 5-7% der Bevölkerung schielen (+ Lähmungsschielen)
• 4% Kinder betroffen, in 70% Auftreten vor dem 2.LJ

Es besteht eine Erblichkeit der zugrundeliegenden


Systemschwäche des Binokularsehens beim Schielen.

• Innenschielen (Esotropie) 99%


• Auswärtsschielen (Exotropie) (seltener)

• Höhenschielen (selten)

• Verrollungsschielen (als reine Form extrem selten)

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Innenschielen
(Esotropie, Strabismus convergens)
Formen:
• Kongenitale Esotropie
• Akkommodative Esotropie
• vollakkommodativ
• teilakkommodativ
• Normosensorisches Spätschielen
• Mikrostrabismus

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Innenschielen
kongenitale Esotropie

• unilateral
• alternierend (-> Kreuzfixation)

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Innenschielen
Therapie der kongenitalen Esotropie

• Brille: nach Skiaskopie in Cycloplegie


• Okklusionstherapie

• Schieloperation (bereits im 1. LJ möglich, erfahrene


Kinder-Anästhesie!)

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Innenschielen
Akkomodative Esotropie

Ursache: Fusionsreflex ist zu schwach, um die Fusion bei


Akkommodation und Konvergenz aufrecht zu erhalten

Auslöser: Höhere Hyperopie  Akkommodation  Konvergenz

Therapie: Vollkorrektur mit Brille

Bei Übergangsformen reicht die Vollkorrektur nicht aus 


Schieloperation

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Innenschielen
Normosensorisches Spätschielen
Beginn: akut! im Alter von ca. 3-7 Jahren:
Symptome: plötzlich Doppelbilder, Zukneifen des Auges

Therapie: rasch
• Refraktionsausgleich
• Prismenbrille
• Schielwinkelbestimmung
• Schieloperation

Fundus-Untersuchung und neuropädiatrische


Durchuntersuchung!!!
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Innenschielen
Mikrostrabismus
Kosmetisch oft unauffälliges, einseitiges Schielen
kleiner Schielwinkel (meist ≤ 5°)
!! sehr häufig zu spät entdeckt (4.-6.LJ)

Amblyopie !!!!

Anomale retinale Korrespondenz

Binokularsehen teilweise erhalten


Therapie: Brille, Okklusionstherapie

Screening in Schulen!?

Strabologie
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Auswärtsschielen
Formen: Intermittierendes Außenschielen (Exotropie / dekompensierte
Exophorie)

Charakteristika
• Fallweises Schielen bei Müdigkeit oder Stress
• Normale Netzhaut-Korrespondenz
• Gutes Binokularsehen

Therapie
• Brille
• orthoptische Übungen
• evtl. OP bei kompletter Dekompensation

Strabologie
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Auswärtsschielen
Formen: konstantes Auswärtsschielen (Exotropie)

Charakteristika
• Endzustand des intermittierenden Schielens
• primär kongenital (z.B. cerebral geschädigte Kinder)
• konsekutives Außenschielen Überkorrektur nach Schiel-OP
einer Esotropie

Therapie
• Brille
• Operation

Strabologie
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Sekundäres Schielen
Organische Ursachen mit erheblicher
Sehbeeinträchtigung

Ursachen
• kongenitale Katarakt
• Netzhautkolobome
• Netzhautnarben
• Retinoblastom

Strabologie
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Ziele der Strabologie

• Gerade Augenstellung
• keine Doppelbilder
• beidseits guter Visus
• Wenn möglich: Erhaltung des Stereosehens

Strabologie
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Schieloperation
In Allgemein-Narkose
Kombination aus Rücklagerung und Faltung oder
Resektion der Augenmuskelsehne (AMS)

Beispiel: Schielwinkel +15°


Dosierung: MRM Ansatzrücklagerung 3.5 mm
MRL Sehnenfaltung 8.0 mm

2 Std postop

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Lähmungsschielen

Strabologie
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Lähmungsschielen
• Leitbild: akute Doppelbilder

• Ursache: jeglicher Prozess


• im Bereich der zentralen Kontrollebene
• in den Kerngebieten
• im weiteren Verlauf
• bis zum Erfolgsorgan

Strabologie
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Lähmungsschielen
Okulomotoriusparese
• äußere Parese
• Ptosis (M. levator palpebrae)
• nach außen unten gerichtetes Auge (MRM, MRI,MRS, MOI)

• innere Parese (+ Ausfall parasympath. Fasern)


• weite, lichtstarre Pupille (M. sphinkter pupillae)
• Akkommodationsstörung (M. ciliaris)

• Prozess der Schädelbasis? (Gefäßerkrankung,


Aneurysma, Tu, DM) -> NOTFALL

Strabologie
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Lähmungsschielen
Okulomotoriusparese
rechts links

Strabologie
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Lähmungsschielen
Trochlearisparese

• Höherstand des betroffenen Auges und Exzyklotropie


• Kopfneigung zur Gegenseite (Ausgleich der Doppelbilder)

rechts

Trauma, Gefäßerkrankung, Tu, kongenital

Strabologie
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Lähmungsschielen
Abduzensparese

• Leitbild: Blick zur Seite eingeschränkt


• Plötzliche Doppelbilder
• Kneifen d. Auges (vermeidet
Doppelbilder)
• Schielwinkel in Zugrichtung des
betroffenen Muskels größer

Abklärung bezüglich: Diabetes, MS, Tumor,


Apoplex, Trauma

rechtsStrabologie
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Lähmungsschielen
Abklärung

• Interne Durchuntersuchung

• Neurolog. Begutachtung

• Bildgebende Verfahren

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Lähmungsschielen
Therapie

• Okklusionspflaster auf Brille

• Prismenfolien

• Ggf. Schieloperation

Strabologie
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Leitbild: Exophthalmus

Strabologie
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Exophthalmus
Messung mittels Hertel Exophthalmometer

• Exophthalmus > 27mm

• Ventralverlagerung des Augapfels, d.h. dass der Abstand der


lateralen Obitakante zum Hornhautscheitel zunimmt.

• einseitig - beidseitig
Strabologie
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Exophthalmus
Epidemiologie

inflammatorisch orbitaler Pseudotumor,


Myosistis der extraok. Augenmuskel
autoimmunologisch endokrine Orbitopathie (47%)
Tumor orbitale, paranasale Neoplasien,
Metastasen
infektiös orbitale Zellulitis, Syphilis
Granulomatös Sarkoidose, Wegenersche Granulomatose
vaskulär Carotis Sinus-cavernosus Fistel bzw.
Thrombose

Strabologie
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Exophthalmus
Ursachen

• Kindesalter
• entzündlich (infektiös)
• neoplastisch
• entwicklungsbedingte Orbitaveränderungen

• Erwachsene
• Autoimmunerkrankung (endokrine Orbitopathie)

Strabologie
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Endokrine Orbitopathie

Strabologie
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Endokrine Orbitopathie
= Autoimmun mediierte Entzündung
Vor , während oder nach einer Hyperthyreose (Morbus Basedow)

• Lymphozytäre Infiltration
• Freisetzung von Zytokinen
• Aktivierung von Fibroblasten in der Orbita
• Sekretion von Hyaluronsäure (Glykosaminoglykane)
• Erhöhung der Konzentration von Hyaluronsäure um
das 2- fache  5 fach erhöhter osmotischer Gradient

dadurch
1. Muskel- und Fettgewebsschwellung in der Orbita
2. Umbau, Zunahme von Fettgewebe und Muskelfibrose

Strabologie
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Endokrine Orbitopathie
Welche Strukturen sind betroffen?

• Extraokuläre Augenmuskel (v.a. MRM, MRI)


• periorbitale Binde- und Fettgewebe
• Mitbeteiligung der Tränendrüse

Strabologie
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Endokrine Orbitopathie
Diagnostik

• Visus
• Spaltlampe, Fundus
• Augendruck
• Exophthalmometer (Hertel)
• Gesichtsfeld (Perimetrie)
• Farbsehen
• Schielstatus
•Schielwinkel, Augenmotilität, Doppelbilder

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Augenmotilität
Einschränkung der Augenmotilität durch verdickte und
fibrosierte extraokuläre Augenmuskel

Strabologie
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Spaltlampe
Bindehautschwellung, Rötung

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Spaltlampe
Trockenes Auge („Sicca Syndrom“)
Ursache für trockenes Auge
• Exophthalmus
• Lidretraktion
• reduzierter Lidschluss
• Tränenfilmveränderungen

• Hornhautulkus

• Therapie:
benetzende Tropfen und
Salben, Uhrglasverband,
chirurgische Therapie
Strabologie
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Augenhintergrund
Kompression des Sehnerven
(A)Milde und (B) schwere Ödembildung der Papille

A B

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Perimetrie
Kompression des Sehnerven

• Resultat der apikalen


Kompression durch
Verdickung der
extraokulären
Augenmuskeln und des
orbitalen Bindegewebes

• - Gesichtsfeldausfälle
• - Verlust des Farbensehens
• - Optikusatrophie

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Diagnostik
• Schilddrüsenwerte (TSH, T3, T4, Antikörper)
• Echographie der Augenmuskel
• MRT

• Klinische Bestimmung der Aktivität der Entzündung

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Beurteilung der Aktivität

Aktiv: Akute Entzündung


(interdisziplinäres Management)

Inaktiv, chronisch: ereignisloserer Verlauf


(rehabilitative Massnahmen)

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Hoch aktive endokrine Orbitopathie

Chemose, Injektion, Lidschwellung, retrookulärer


Bewegungsschmerz, Proptose,…
sofortiger Therapiebeginn

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Therapie

entzündungshemmend
• Glukokortikoide
• Orbitaspitzenbestrahlung

Entlastend bei Kompression, rehabilitativ


• Chirurgische Verfahren
(Dekompression, Lidoperationen, ect.)

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Chirurgische Verfahren
Exophthalmusreduktion

• Knöcherne Dekompression der Orbitawände:


Fenestrierung der Orbitawände zur Entlastung

• im Akutstadium
• im chron. Fibrosestadium
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Chirurgische Verfahren
Lidkorrektur
Botoxinjektion in beide obere Augenlider

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Chirurgische Verfahren
Lidkorrektur
Chirugische Levatorspaltung

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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.

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