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Medizin aktuell

Ophthalmologe 2008 · 105:81–90 Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, Berufsverband der Augenärzte


DOI 10.1007/s00347-007-1674-y Deutschlands, Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
Online publiziert: 13. Januar 2008
© Springer Medizin Verlag 2008

Leitlinie zur augenärztlichen


Screening-Untersuchung
von Frühgeborenen

Die Frühgeborenen-Retinopathie (Reti- zur augenärztlichen Behandlung der RPM tinopathie eine therapiebedürftige Aus-
nopathia praematurorum, RPM) ist Folge einzuarbeiten und durch die Modifikation prägung erreicht, und sie einer adäquaten
einer gestörten retinalen Gefäßentwick- bisheriger Therapiekonzepte die Prognose Therapie zuzuführen.
lung, bedingt durch Frühgeburtlichkeit. für Kinder mit RPM zu verbessern (A3).
Das klinische Bild der Erkrankung ist ge- Diese Leitlinie entspricht im Wesent- 1. Kriterien zur Auswahl
kennzeichnet durch eine akute Phase in lichen den aus der ETROP-Studie abgelei- Frühgeborener zum RPM-Screening
den ersten Lebensmonaten, während der teten Behandlungsempfehlungen für Au-
es in einigen Fällen zu einer raschen Be- gen mit Veränderungen in der Zone I [16] Ein RPM-Screening ist indiziert bei allen
fundverschlechterung kommen kann. An (A1). F Frühgeborenen mit einem Gestati-
die akute Phase kann sich eine lebenslange In der Zone II bleiben die Kriterien onsalter unter 32 Wochen (bei nicht
Narbenphase anschließen. In der Mehr- der alten Leitlinie von 1999 [1] unverän- sicher bekanntem Gestationsalter
zahl der Fälle bilden sich die Netzhautver- dert, die den Behandlungskriterien der ≤1500 g Geburtsgewicht) unabhängig
änderungen der akuten Phase spontan zu- Cryo-ROP-Studie [2, 3] (A1) in Bezug auf von einer zusätzlichen Sauerstoffgabe
rück [9, 13] (A1). Fortgeschrittene Befunde die Anzahl der mit Stadium 3 betroffenen [9, 11, 13] (A1),
können zu ausgeprägten Funktionsmin- Stunden entspricht (A3). Die ETROP- F Frühgeborenen zwischen 32 und
derungen bis zur Erblindung führen. Mit Studie konnte für Augen mit einem Sta- 36 Wochen Gestationsalter, wenn
der Koagulationstherapie in definierten dium 3+ und 2+ keinen signifikanten Un- postnatal mehr als 3 Tage Sauerstoff
Stadien der akuten Phase steht heute ei- terschied zwischen früh- und konventio- gegeben wurde (A3).
ne Behandlungsmethode zur Verfügung, nell behandelten Augen bzgl. des anato-
die die Häufigkeit eines ungünstigen Aus- mischen und funktionellen Ergebnisses 2. Terminierung der augenärztlichen
gangs der Erkrankung zu reduzieren ver- nachweisen [16] (A1). Untersuchungen (A1)
mag [2, 3, 7] (A1). Die Laserkoagulation
erwies sich in mehreren Publikationen in A. Anforderungen an den Erstuntersuchung
Bezug auf das anatomische und funktio- augenärztlichen Untersucher (A3) Die erste augenärztliche Untersuchung
nelle Ergebnis der Kryokoagulation über- sollte in der 6. postnatalen Woche (Lebens-
legen [5, 8, 10, 14] (A2). Der Augenarzt bzw. die Augenärztin, die tag 36–42) erfolgen, aber nicht vor einem
Die sichere und rechtzeitige Diagnose- ein RPM-Screening durchführen, müssen postmenstruellen Alter von 31 Wochen.
stellung therapiebedürftiger RPM-Stadien sachkundig sein. Sie müssen insbesondere
ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Erfahrung haben in Folgeuntersuchungen
Koagulationstherapie. Nur ein sorgfäl- F der Untersuchung von Frühgebore- Wenn keine therapiebedürftige RPM vor-
tiges Screening aller Risikofrühgeborenen nen, Säuglingen und Kleinkindern, liegt, richtet sich die Terminierung von
durch in dieser speziellen Diagnostik er- F der indirekten Ophthalmoskopie, Folgeuntersuchungen nach dem jewei-
fahrene Augenärzte ermöglicht es, thera- F der speziellen Diagnostik der RPM, ligen Augenhintergrundsbefund.
piebedürftige RPM-Stadien zeitgerecht zu deren Klassifikation (. Tab. 1, Kontrollen sollten erfolgen
erkennen. Die rechtzeitige Koagulations- . Abb. 1) und den aktuellen Be- a) wöchentlich bei:
therapie ist bisher der einzige durch pros- handlungskriterien 1 Vaskularisationsgrenze in Zone I
pektive Untersuchung gesicherte Weg, die oder zentraler Zone II ohne oder
RPM-bedingte Erblindungsrate zu sen- B. Screening auf akute RPM mit RPM,
ken. Die vorliegende Leitlinie ersetzt die 1 Vaskularisationsgrenze in Zone II
gemeinsame Empfehlung von 1999 [1] mit Ziel eines RPM-Screenings ist, möglichst mit RPM Stadium 2 oder 3,
dem Ziel, neue evidenzbasierte Ergebnisse alle Frühgeborenen zu erfassen, deren Re- 1 jeder RPM mit „plus disease“,

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Uhrzeiten
12 12
Abb. 1 9 Zoneneinteilung gemäß Internationa-
Zone III
ler Klassifikation [15, 18, 19, 20].
Zone I: die zentrale Netzhaut innerhalb eines
Zone II Kreises um die Papille mit dem Radius des dop-
Makula Papille pelten Abstandes von Papille zu Fovea. Die Fo-
vea ist bei sehr unreifen Kindern schlecht defi-
niert ist. Wenn mit einer 28-dpt-Lupe nasal die
9 3 9 3
Papille und temporal bereits die Vaskularisati-
Zone I onsgrenze gleichzeitig zu erkennen sind, liegt
eine Zone-I-Erkrankung vor.
Zone II: die mittelperiphere Netzhaut peripher
von Zone I innerhalb eines Kreises mit dem Ra-
dius des Abstandes von Papille zu nasaler Ora
serrata.
OD Ora serrata OS Zone III: die periphere Netzhaut außerhalb von
6 6
Zone II

Abb. 2 9 Dokumentationsbogen
für Befunde der akuten RPM

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1 kürzere Kontrollabstände als 1 Wo- sis Grundvoraussetzung für die oph- Tab. 1 Stadieneinteilung gemäß inter-
che können bei rasch progredienter thalmologische Diagnostik (A3). nationaler Klassifikation [15, 18, 19, 20]
Retinopathie und/oder sehr un- F Abdunkeln des Untersuchungs- Stadium 1 Demarkationslinie
reifer Netzhaut nötig sein. raumes (A3). Stadium 2 Prominente Leiste
b) 2-wöchentlich bei: F Applikation von lokalanästhetischen Stadium 3 Prominente Leiste und extra-
1Vaskularisationsgrenze in peri- Augentropfen in den Bindehautsack retinale fibrovaskuläre Prolife-
pherer Zone II ohne RPM oder mit unmittelbar vor Einsetzen eines Lid- rationen
RPM Stadium 1, sperrers oder von Lidhaken (C3). Stadium 4 Partielle Amotio retinae
1Vaskularisationsgrenze in Zone III F Halten des Kindes und des Kopfes a. Ohne Makulabeteiligung
ohne oder mit RPM. durch eine 2. Person (z. B. Pflegekraft, b. Mit Makulabeteiligung
c) Längere Untersuchungsabstände: Elternteil). Eine Untersuchung im ge- Stadium 5 Totale Amotio retinae
Die unter a) und b) genannten Unter- schlossenen Inkubator lässt in der Re-
suchungsabstände können um eine gel lediglich eine orientierende Dia-
Woche verlängert werden, gnostik zu und sollte daher nach Ab- fäße (Winkel zwischen den tempo-
1 falls über mehrere Untersuchungs- wägung der Risiken nur ausnahms- ralen Gefäßbögen), Amotio retinae.
termine ein rückläufiger Befund weise erfolgen. Bei der Betreuung von F Beurteilung der peripheren Netz-
festgestellt wurde, Frühgeborenen auf der neonatolo- haut zirkulär: Vaskularisationsgren-
1 nach dem errechneten Geburtster- gischen Intensivstation sollte eine ze, RPM-Ausprägung, Ausdehnung,
min. Krankenpflegekraft der Intensivstati- retinale und/oder vitreale Blutungen,
on unmittelbar zur Verfügung stehen Gefäßschlängelung, Gefäßdilatation,
3. Abschluss der Screeningunter- (C3). Amotio retinae.
suchungen auf akute RPM (A1) F Augenspiegelung durch indirekte bin- F Einordnung und Dokumentation der
okulare Ophthalmoskopie. Die bin- erhobenen Befunde gemäß der Inter-
Das Screening auf akute RPM kann been- okulare Ophthalmoskopie erlaubt nationalen Klassifikation (. Tab. 1,
det werden, wenn dem Untersucher neben einer stereos- . Abb. 1; [15, 18, 19, 20]): Lokali-
F die Netzhaut peripher zirkulär voll- kopischen Beurteilung der Augenhin- sation (Zone), Ausdehnung (Uhr-
ständig vaskularisiert ist, tergrundsbefunde die Rotation und zeiten), Stadium und sog. zusätzliche
F eine deutliche Regression der peri- die Indentation des Bulbus ohne wei- Befunde. Zu beachten ist, dass die
pheren Netzhautveränderungen der tere Hilfsperson (A3). Zone-I-Erkrankung rasch progre-
akuten RPM zu erkennen ist, aber erst F Die digitale Dokumentation mit einer dient verlaufen kann und nicht die
nach dem errechneten Geburtstermin. Weitwinkelkamera des vorderen Au- in der Internationalen Klassifikati-
genabschnittes und des Augenhinter- on beschriebenen Stadien durchlau-
Es ist zu beachten, dass eine Befundre- grundes ist ein neues Verfahren des fen muss, sodass Stadium 1 (Demar-
gression durch eine passagere Vasokons- RPM-Screenings. Der Einsatz die- kationslinie) und Stadium 2 (Leis-
triktion (z. B. durch erhöhte Sauerstoff- ser Technik setzt umfangreiche Erfah- te) ophthalmoskopisch schwer zu er-
konzentration im arteriellen Blut) vorge- rung voraus (C2). kennen und einzuordnen sind (ag-
täuscht werden kann (C2). gressive posteriore RPM). Ein alar-
5. Durchführung mierendes Zeichen der Zone-I-Re-
4. Untersuchungsablauf der Untersuchung (A3) tinopathie ist häufig die Ausbildung
pathologischer Gefäßmuster an der
Die Befunderhebung bei RPM ist schwie- Es empfiehlt sich, beim Screening einen Vaskularisationsgrenze. Eine Fehl-
rig. Voraussetzungen für eine zuverlässige gleichbleibenden Untersuchungsgang einschätzung des Vaskularisations-
Beurteilung der Erkrankung sind: einzuhalten. grades kann sich zudem durch ei-
F vollständige medikamentöse Pupillen- F Beurteilung der vorderen Augenab- ne Verwechslung von Aderhaut- mit
erweiterung (Mydriasis) z. B. durch schnitte: Pupillenweite, Tunica vas- Netzhautgefäßen ergeben.
rechtzeitiges Eintropfen von Tropic- culosa lentis, Irishyperämie, Rubeosis F Festlegung des weiteren Vorgehens
amid-0,5%- und Phenylephrin-2,5%- iridis, Iris-Linsen-Synechien, Kata- durch:
oder Atropin-0,1%-Augentropfen in rakt, Glaskörpertrübungen. Irishyper- 1 Terminierung eines Kontrollter-
den Bindehautsack (A2). ämie, Rubeosis iridis und erweiterte mins zur erneuten augenärztlichen
Zur Applikation der Augentropfen Gefäße der Tunica vasculosa lentis Untersuchung,
bei Frühgeborenen sind in der Re- können auf ein therapiebedürftiges 1 Indikationsstellung und Terminie-
gel 2 Personen erforderlich (B3). Auf RPM-Stadium hinweisen. rung einer Koagulationstherapie,
mögliche systemische Nebenwir- F Beurteilung der zentralen Netzhaut: ggf. Veranlassung und/oder Or-
kungen der Mydriatika ist zu achten, Vaskularisationsgrenze, „plus di- ganisation einer Konsiliarunter-
jedoch ist eine ausreichende Mydria- sease“, Verziehung der Netzhautge- suchung in einem kinderophthal-
mologischen bzw. retinologischen

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Abb. 3 8RPM Stadium 1: Es besteht eine weiße Demarkationslinie zwi- Abb. 5 8 RPM Stadium 3 (Fotomontage, RetCam120-Aufnahmen): Es be-
schen der zentralen vaskularisierten und der peripheren avaskulären Netz- steht eine zirkuläre deutlich erhabene Leiste in der mittleren Zone II zwi-
haut. Darüber hinaus ist die Indentation des Bulbus zur Darstellung der peri- schen der zentralen vaskularisierten und der peripheren avaskulären Netz-
pheren Netzhaut erkennbar haut. Auf der Leiste sind Proliferationen (besonders nasal und unten) in den
Glaskörperraum erkennbar

Abb. 4 8 RPM Stadium 2: Es besteht eine weiße Leiste zwischen der zentra-
len vaskularisierten und der peripheren avaskulären Netzhaut, die im Ver-
gleich zur Demarkationslinie in . Abb. 3 leicht über dem Netzhautniveau
erhaben ist

Abb. 6 7 RPM Stadium 3: Es besteht eine deutlich erhabene Leiste zwi-


schen der zentralen vaskularisierten und der peripheren avaskulären Netz-
haut. Auf der Leiste sind Proliferationen in den Glaskörperraum erkennbar.
Im Gegensatz zu . Abb. 5 ist die „plus disease“ deutlich ausgeprägt

Zentrum mit Angabe der Dring- 6. Indikationen zur glieder der Arbeitsgruppe ergeben sich
lichkeit, Koagulationstherapie derzeit folgende Indikationen zur Ko-
1 Abschluss des Screenings. agulationstherapie. Bei einer Vaskularisa-
Aufgrund der publizierten Behandlungs- tionsgrenze
ergebnisse und der Erfahrungen der Mit-

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Abb. 7 8 RPM Stadium 4: Im unteren Bildbereich besteht anliegende Netz- Abb. 9 8„Plus disease“: mäßig ausgeprägte „plus disease“ mit deutlicher Er-
haut; im oberen Bildbereich eine hohe Netzhautablösung weiterung und geringer Tortuositas der Gefäße

Abb. 8 8 RPM Stadium 5: Es besteht eine vollständige Netzhautablösung.


Die Netzhaut ist hinter der Linse erkennbar Abb. 10 8„Plus disease“: stark ausgeprägte „plus disease“ mit deutlicher Er-
weiterung und Tortuositas der Gefäße

F in Zone III ist eine Therapie in der erweiterung und Tortuositas am hin- F in Zone I ist die Therapie indiziert bei
Regel nicht erforderlich [2, 9] (A1); teren Augenpol über mindestens Vorliegen von „plus disease“ in min-
F in Zone II ist die Therapie indiziert 2 Quadranten) vorliegen („threshold destens 2 Quadranten unabhängig vom
bei Erreichen von Stadium 3+, wenn disease“) [2] (A1). Im Einzelfall kann Stadium oder bei Vorliegen eines Stadi-
extraretinale Proliferationen mittel- eine frühere Therapie angezeigt sein um 3 ohne „plus disease“ [16] (A1).
schwerer Ausprägung über mindes- (z. B. bei rascher Progression, begin- Wegen der Seltenheit einer Zone-I-
tens 5 zusammenhängende oder 8 un- nender Verziehung der Netzhaut; Erkrankung, der Befundvariabilität
zusammenhängende Stunden in Ver- [20]) (A1); und der schlechten Prognose erfor-
bindung mit „plus disease“ (Gefäß- dert die Indikationsstellung zur The-

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rapie in Zone I besondere Erfahrung.


Bei Zone-I-Erkrankung sollte daher
Rücksprache mit und, wenn aus neo-
natologischer Sicht möglich, eine Ver-
legung in ein kinderophthalmolo-
gisches bzw. retinologisches Zentrum
mit Neonatologie erfolgen.

Wird die Indikation zur Koagulationsthe-


rapie gestellt, sollte die Behandlung inner-
Abb. 11 9 Zone I mit halb weniger Tage erfolgen (A2).
pathologischen Ge-
Aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine
fäßen: Es bestehen
deutlich erweiterte, bevorstehende Operation bei Befundpro-
geschlängelte Ge- gression mit den betreuenden Neonato-
fäße, die in der Zo- logen, Anästhesisten, dem Operateur und
ne I enden. Die mittle- den Eltern des Frühgeborenen frühzeitig
re Netzhautperipherie
abzustimmen. Als Koagulationsverfahren
ist avaskulär. Zusätz-
lich findet sich eine steht die Laserkoagulation zur Verfügung
epiretinale Blutung [5, 7, 8, 10, 14] (A1).

C. Nachuntersuchungen bei
ehemaligen Frühgeborenen (A2)

Bei Frühgeborenen treten anatomische


und funktionelle Probleme der Augen
häufiger auf. Unabhängig von den Nar-
benstadien einer RPM können weitere
Veränderungen beobachtet werden: Re-
fraktionsanomalien, Strabismus, Ambly-
opie, Makulahypoplasie, Optikusatrophie,
zerebrale Sehstörungen.
Nachuntersuchungen der Augen sollten
bei allen Frühgeborenen mit einem Gesta-
tionsalter unter 32 Wochen (bei nicht si-
cher bekanntem Gestationsalter ≤1500 g
Abb. 12 9 Tunica vas-
culosa lentis: Es be- Geburtsgewicht) unabhängig vom Vorlie-
stehen deutliche Res- gen einer akuten RPM und bei Frühgebo-
te der Tunica vasculo- renen zwischen 32 und 36 Wochen Gestati-
sa lentis onsalter mit RPM mindestens erfolgen:
F halbjährlich im 1. und 2. Lebensjahr,
F jährlich ab dem 3. bis zum 6. Lebens-
jahr,
F nach dem 6. Lebensjahr bei nachweis-
baren Augenveränderungen.

Nach Koagulationstherapie und bei Kin-


dern mit neurologischen Störungen soll-
ten Untersuchungstermine in kürzeren
Abständen individuell festgelegt wer-
den.

Abb. 13 9 Aggressive D. Anmerkungen


posteriore RPM: Blut-
gefäße in Zone 1 mit
deutlicher Shuntbil- Es ist das Ziel der überarbeiteten Leitli-
dung und Schlänge- nie, durch Einarbeitung neuer evidenzba-
lung sowie Blutungen sierter Ergebnisse zur augenärztlichen Be-

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Tab. 2 Zur Einstufung der klinischen entengutes und dem Standard der neo- len mit schlechtem Funduseinblick ist die
Relevanz für die Patientenversorgung natologischen Versorgung, auch reifere transsklerale Diodenlaserkoagulation, un-
Stufe A Äußerst wichtig Frühgeborene an einer behandlungsbe- ter Umständen mit Bindehauteröffnung,
Stufe B Von mäßiger Wichtigkeit dürftigen RPM erkranken [4]. Wegen ei- eine Alternative (B2).
Stufe C Relevant, aber nicht entscheidend ner möglicherweise anders gearteten me- Für fortgeschrittene Stadien der RPM
dizinischen Versorgung ist eine Übertra- (Stadium 4 und 5) kann eine eindeutige
Tab. 3 Zur Einstufung der Evidenzstärke gung der vorliegenden Leitlinie auf ande- Indikationsrichtlinie hinsichtlich netz-
Grad 1 Starke Evidenz – entspricht gemäß re Länder nicht ohne Weiteres möglich. hautchirurgischer Eingriffe (z. B. Amo-
AWMF + ÄZQ den Evidenztypen Ia, Hier müssen die Einschlusskriterien ggf. tiooperation, Vitrektomie) derzeit nicht
Ib, IIa, IIb
erheblich erweitert werden. formuliert werden, da kontrollierte kli-
Grad 2 Beträchtliche Evidenz – ent-
Die Diagnostik der RPM erfordert nische Studien hierzu nicht vorliegen und
spricht gemäß AWMF + ÄZQ dem
Evidenztyp III Erfahrung mit diesem speziellen reti- wegen der geringen Zahl der von Spätsta-
Grad 3 Auf Expertenkonsens beruhend
nologischen Krankheitsbild. Der Erfah- dien betroffenen Augen auch in abseh-
– entspricht gemäß AWMF + ÄZQ rungsstand des einzelnen Untersuchers barer Zeit nicht zu erwarten sind. Dies
dem Evidenztyp IV) wie auch ein Abgleich mit den Gegeben- schließt einen günstigen Effekt eines sol-
heiten der jeweiligen neonatologischen chen operativen Eingriffes jedoch nicht
Tab. 4 Evidenztyp nach AWMF und ÄZQ Abteilung können häufigere Untersu- aus. Die Durchführung einer bulbusein-
Stufe Evidenz aufgrund chungsintervalle als die in der vorlie- dellenden Operation oder einer Vitrekto-
Ia von Metaanalysen randomisierter, genden Leitlinie angegebenen erforder- mie, evtl. in Kombination, sollte nach ge-
kontrollierter Studien lich machen. Ein individuelles Vorgehen nauer Beurteilung des Einzelfalles erwo-
Ib mindestens einer randomisierten, ist anzuraten. gen werden. Die zu erwartenden Ergeb-
kontrollierten Studie
Die Therapie der akuten RPM hat ih- nisse sind jedoch erheblich schlechter als
IIa mindestens einer gut angelegten, re spezifischen Probleme. Die Indika- nach erfolgreicher Koagulationstherapie
kontrollierten Studie ohne Rando-
misierung
tionsstellung ist schwierig, da bei dem im Stadium 3+. Bei einem Sekundärglau-
IIb mindestens einer gut angelegten,
ganz überwiegenden Teil (ca. 90%) der kom kann eine Lentektomie zum Erhalt
quasi-experimentellen Studie an einer RPM erkrankten Augen eine des Auges notwendig sein (B2).
III gut angelegter, nicht experimen- spontane Regression der akuten Verän-
teller deskriptiver Studien (z. B. derungen zu beobachten ist. Bei Errei- E. Anhang
Vergleichsstudien, Korrelationsstu- chen eines therapiebedürftigen Stadi-
dien, Fall-Kontroll-Studien) ums (s. Abschnitt B6) ist bei spontanem Anmerkungen
IV von Berichten/Meinungen von Krankheitsverlauf mit einem ungünsti-
Expertenkreisen, Konsenskonfe- gen Ausgang (d. h. funktioneller Erblin- Die in Normaldruck erschienen in ecki-
renzen und/oder klinischer Erfah-
dung) bei etwa der Hälfte der Augen zu ge Klammern gesetzten Zahlen im Text
rung anerkannter Autoritäten
rechnen. Mit einer Koagulationstherapie beziehen sich auf die Nummerierung des
kann die Prognose gebessert werden. Literaturverzeichnisses. Die in Fettdruck
handlung der RPM und durch die Modi- Wird eine Koagulationstherapie erst gesetzte Kombination von Buchstaben
fikation bisheriger Therapiekonzepte die bei fortgeschrittener Befundausprägung und Zahlen dient der Einstufung der kli-
Prognose für Kinder mit RPM und ande- durchgeführt, sind die Erfolgsraten ein- nischen Relevanz und Evidenzstärke der
ren mit Frühgeburtlichkeit assoziierten deutig schlechter (A1). Da bei dem dy- dargestellten Empfehlungen. Die fettge-
Augenerkrankungen zu optimieren. Es namischen Krankheitsgeschehen der druckten Zahlen hinter den einzelnen Li-
gilt jedoch zu beachten, dass kein Scree- akuten RPM ein Übergang vom Stadi- teraturstellen im Literaturverzeichnis ent-
ning 100%ige Sicherheit liefern kann. Da- um 3 zum Stadium 4 oder 5 in kurzer sprechen dem Evidenztyp nach AWMF
her müssen folgende Gesichtspunkte be- Zeit möglich ist, ist die rechtzeitige The- und ÄZQ.
rücksichtigt werden. rapie für den Erfolg von größter Bedeu-
Die Einschlusskriterien basieren auf tung. Wenige Tage können über Erfolg Zur Einstufung
den Erfahrungen, die die Autoren vor- oder Misserfolg der Koagulationsthera- der klinischen Relevanz für die
wiegend im deutschsprachigen Raum in pie entscheiden. Patientenversorgung (. Tab. 2)
zumeist großen Perinatalzentren gesam- Zur Durchführung der Koagulations-
melt haben. Diese stimmen mit Angaben therapie wird die Laserkoagulation emp- Zur Einstufung
großer Zentren in anderen westlichen In- fohlen [5, 8, 10, 14] (A1). Der Diodenla- der Evidenzstärke (. Tab. 3)
dustrieländern überein [6, 9, 11, 12, 13, 21]. ser ist mit seiner Wellenlänge im Infrarot-
In diesem Umfeld wurde in den letzten bereich (810 nm) insbesondere bei Vorlie- Evidenztyp nach AWMF
Jahren eine Verschiebung des RPM-Risi- gen einer Tunica vasculosa lentis oder von und ÄZQ (. Tab. 4)
kos zu unreiferen Frühgeborenen beob- Glaskörperblutungen dem Argonlaser mit
achtet. Es ist aber bekannt, dass, abhän- seiner Wellenlänge im sichtbaren Bereich
gig von der Zusammensetzung des Pati- (514 nm) überlegen(C2). In seltenen Fäl-

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1. Glossar Zusätzliche Befunde Rubeosis iridis (ver- 4. Gilbert CG, Fielder A, Gordillo L et al. (2005) Cha-
racteristics of infants with severe retinopathy of
mehrt sichtbare Gefäße der Iris), Glaskör- prematurity in countries with low, moderate, and
Gestationsalter Reifealter bei Geburt pertrübungen, retinale und/oder vitreale high levels of development: implications for scree-
wird in vollen Schwangerschaftswo- Blutungen, mäßige medikamentöse Pu- ning programs. Pediatrics 115: 518–525 (IV)
5. Jandeck C, Kellner U, Heimann H, Foerster MH
chen ab dem 1. Tag der letzten Regelblu- pillenerweiterung (2005) Koagulationstherapie der Frühgeborenen-
tung angegeben (z. B. 28 Wochen + 5 Ta- retinopathie: Vergleich der anatomischen und
ge = 28 SSW) Tunica vasculosa lentis Entwicklungsbe- funktionellen Ergebnisse nach Laser- oder Kryoko-
agulation. Ophthalmologe 102: 33–38 (III)
dingte Gefäßhaut auf der vorderen Lin- 6. Policy Statement of the Section on Ophthalmo-
Lebensalter Postnatales Alter senkapsel (Membrana epipupillaris) logy, American Academy of Pediatrics, Ameri-
can Academy of Ophthalmology, American asso-
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Postmenstruelles Alter Summe aus Ge- 2. RPM-Stadien- und mus (2006) Screening examinations of premature
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tümlich wird häufig der Begriff „postkon- Internationaler Klassifikation 117: 572–576 (IV)
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Die Stadieneinteilung gemäß Interna- 112: 154–156 (Ib)
Unreife Netzhaut Unvollständige Netz- tionaler Klassifikation [15, 18, 19, 20] 8. Ng EY, Connolly BP, McNamara JA et al. (2002) A
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sationsgrenze und/oder am hinteren Au- der akuten RPM ist in . Abb. 2 darge- lary diode laser photocoagulation for threshold re-
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„Threshold disease“ Extraretinale Pro- typischer Befunde der akuten RPM nopathy of prematurity: natural history data from
liferationen mittelschwerer Ausprägung the CRYO-ROP and LIGHT-ROP studies. Arch Oph-
thalmol 120: 1470–1476 (Ia)
über mindestens 5 zusammenhängende Die Abbildungen . Abb. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 12. Schalij-Delfos NE, for the Dutch working group on
oder 8 nicht zusammenhängende Stun- 10, 11, 12, 13 zeigen typische Befunde bei ROP (1999) Prematuren retinopathie, richtlijn voor
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c.jandeck@artemiskliniken.de odenlaserkoagulation der Retinopathia praema-
Aggressive posteriore RPM Verände-
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rungen im Bereich des hinteren Pols, die Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor (III)
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Charakteristische Veränderungen: poste- thy of Prematurity (1984) An international classi-
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19. The International Committee for the Classifica-
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