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Sachenrecht
von
Prof. Dr. Manfred Wolf, Prof. Dr. Marina Wellenhofer
Thematische Gliederung:
Gesamtdarstellungen
I. Grundprinzipien
1. Überblick
Erzeugnisse und sonstige Bestandteile können nicht Gegenstand 1
selbstständiger Rechte sein, solange sie mit der Hauptsache als we-
sentlicher Bestandteil verbunden sind (§ 93). Werden die Erzeugnisse
und Bestandteile aber von der Hauptsache getrennt, so werden sie
selbstständige Sachen, deren Eigentumsverhältnisse vom Gesetz in
den §§ 953 bis 957 geregelt werden. § 953 formuliert den Grundsatz
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140 4. Kapitel. Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Beispiel: Mit dem Tod seines Vaters hält sich der einzige Sohn S zwangsläu-
fig für den Alleinerben und nimmt das vermeintlich geerbte Schaf in seinen
Besitz. Nachdem S das Schaf geschoren hat, findet sich ein Testament, wonach
ein Freund des Vaters zum Alleinerben eingesetzt wurde. Hier steht das Schaf
zwar nach § 1922 dem F als wahrem Alleinerben und Eigentümer zu. S war
jedoch redlicher Eigenbesitzer bis das Testament gefunden wurde und hatte
auch zur Zeit der Trennung der Wolle vom Schaf von seinem tatsächlich feh-
lenden Besitzrecht keine Kenntnis. Daher wurde S gem. § 955 Eigentümer der
Wolle.
1. Aneignungsgestattung
2. Trennung nach Besitzüberlassung (§ 956 I 1 Alt. 1) oder Besitz-
ergreifung (§ 956 I 1 Alt. 2)
3. Fortbestand der Aneignungsgestattung zur Zeit der Trennung
oder Besitzergreifung
4. Verfügungsberechtigung des Gestattenden als Eigentümer oder
sonstig nach §§ 954, 955 Berechtigter (§ 956 II) oder hilfsweise
gutgläubiger Erwerb nach § 957
Rechtsfolge: Eigentumserwerb des Aneignungsberechtigten an den ab-
getrennten Erzeugnissen und Bestandteilen
6 Beispiel: M hat von E einen Kalksteinbruch gemietet mit der Erlaubnis, die-
sen auszubeuten. M nimmt ständig Sprengungen vor, um Kalksteine zu ge-
winnen. Später kündigt E den Mietvertrag und veräußert den Steinbruch an
K. Letzterer behauptet, er sei mit dem Erwerb des Steinbruchs auch Eigentü-
mer der bereits vor der Kündigung gesprengten Kalksteine geworden, da diese
ja aus dem Steinbruch stammen und verlangt von M gem. § 985 deren Heraus-
gabe.
Dieser Herausgabeanspruch ist nicht gegeben. Es lag eine Aneignungsge-
stattung des E an M vor. Da M als Mieter auch im Besitz des Steinbruchs
war, wurde er mit der Trennung automatisch Eigentümer der Kalksteine und
nicht E, § 956 I 1 Alt. 1 (s. auch BGHZ 27, 364).
Außer dem Erwerb und Verlust des Eigentums durch die rechtsge- 1
schäftliche Übereignung oder durch den gesetzlichen Eigentumser-
werb der §§ 946–950 und der §§ 953–957 sieht das Gesetz weitere Er-
werbs- und Verlustgründe vor, denen im Rechtsleben mit Ausnahme
des § 952 (s. § 12 Rn. 7 ff.) aber wenig praktische Bedeutung zu-
kommt.
I. Ersitzung
Der Eigenbesitzer, der eine bewegliche Sache zehn Jahre lang gut- 2
gläubig besessen hat, erwirbt nach § 937 das Eigentum an der Sache.
Das Gesetz erkennt damit die faktischen Verhältnisse als maßgebend
an und schützt dadurch das Vertrauen des gutgläubigen Eigenbesit-
zers in seinen faktischen Besitzstand. Der Eigentumserwerb durch
Ersitzung ist im Gegensatz zu § 935 auch bei gestohlenen und abhan-
den gekommenen Sachen möglich, sofern nur der Eigenbesitzer gut-
gläubig im Hinblick auf sein Recht zum Eigenbesitz ist.
Ersitzung, § 937
1. Bewegliche Sache
2. Ersitzer ist Eigenbesitzer, § 872
3. Gutgläubigkeit bei Besitzerwerb, § 937 II Alt. 1 (vgl. § 932 II)
4. Keine nachträgliche Kenntnis vom fehlenden Eigentum,
§ 937 II Alt. 2
5. Ablauf der Ersitzungszeit von 10 Jahren, §§ 938 ff.
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144 4. Kapitel. Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
III. Fund
1. Unselbstständige Urkunden
7 Nach § 952 I steht das Eigentum an der über eine Forderung aus-
gestellten Schuldurkunde kraft Gesetzes dem Gläubiger der Forde-
rung zu. Obwohl die Schuldurkunde eine bewegliche Sache ist,
kann das Eigentum an ihr nicht selbstständig übertragen werden.
Das Eigentum ist vielmehr untrennbar mit der Forderung ver-
knüpft und steht dem jeweiligen Gläubiger zu. Es gilt deshalb auch
nicht § 1006 (BGH NJW 1972, 2268). Wird die Forderung nach § 398
abgetreten, so geht kraft Gesetzes ohne besonderen Übertragungsakt
auch das Eigentum an der Schuldurkunde auf den neuen Gläubiger
über. Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier.
8 § 952 I gilt über § 952 II ferner für den Hypotheken- und Grundschuldbrief
(§ 1116), für die in § 808 genannten Legitimationspapiere sowie analog für den
Kfz-Brief (BGHZ 34, 134). Zu den Legitimationspapieren des § 808 gehört
insbesondere das Sparbuch.
Beispiel: A übereignet seinen Wagen nach § 929 S. 1 an B, weigert sich aber,
obwohl B bereits den Kaufpreis bezahlt hat, den Kfz-Brief herauszugeben. B
ist mit der Übereignung des Wagens kraft Gesetzes Eigentümer des Kfz-Briefs
geworden, § 952 I analog, und kann diesen nach § 985 von A herausverlangen.
Der Kfz-Brief kann nicht selbständig übereignet werden. Er ist kein Tradi-
tionspapier.