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CORNELL UNIVERSITY LIBRARY

llllll |
3 1924 092 248 lll l
.1
Heafizische Kinderreime
gesammelt von J. R. Bänker.
’/'

Kind&rreime und Kindersprüche


aus der Iglauer Sprachinsel
gesammelt von Prof. Franz Paul Piger.

(Supplement-Hefit l zum VI. jahrgang 1900.)


8
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„'1\‘\_‘_‘\—\" T\
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{\5\%05'2
Heafizische Kinderreime.
Von J. R. Bänker, Oedenbm'g.

An dem Zustandebringen der nachfolgenden Sammlung von


heafizischen Kinderreimen in dem erschöpfenden Umfange, in dem
sie jetzt vorliegt, habe ich mich durch mehrere Jahre gemüht. Jene
Reime, die den Grundstock der Sammlung bilden, habe ich selbst, und
zwar aus dem Munde von Volksschiilern in Oedenburg aufgezeichnet.
Die Zahl dieser Reime beträgt 130. Es war mir dann darum zu thun,
diese Anzahl von specifiseh Oedenburger Kinderverschen aus dem
Bereiche der heaüzischen Mundart, so Weit als es in meinen Kräften
stand, zu vervollständigen. Von den 130 Oedenburger Versehen schrieb
ich 123 auf einen Bogen zusammen und liess diesen Bogen auto
graphiren. Hierauf schickte ich eine grössere Anzahl solcher Bogen
an befreundete Lehrercollegen in die verschiedenen Theile der Comitate
Oedenburg, Eisenburg und Wieselburg mit der Bitte, mir diejenigen
Reime des Bogens genau zu bezeichnen, die auch in den betreffenden
Dörfern bekannt sind, und mir solche Kinderversehen, die mein Bogen
nicht enthält, einsenden zu wollen.
Viele der Bogen blieben freilich, wie vorauszusehen war, un
beantwortet. Der Mangel an Zeit und Verständniss für die Suche, viel
leicht auch oft die Schwierigkeit, die das Aufzeichnen der Verschen in
der Mundart dem Ungeübten verursacht, mögen der Grund gewesen
sein, dass mir nur aus zehn Orten der drei genannten Comitate solche
Einsendungen zukamen, die das Gepräge verständnissvoller Auffassung
der Sache und gewissenhafter Arbeit an sich trugen und deshalb
für mich verwendbar waren. Von diesen Orten liegen fünf im Oeden
burger Comitat; es sind dies Agendorf, Harkau, Mörbisch, Pöttelsdorf
und VVeppersdorf. Vier Orte liegen im Eisenburger Oomitat, und zwar:
Gamisdorf, Kemeten, Lockenhaus und Pinkafeld. Aus dem \Viesel
burger Comitat lief nur eine Einsendung ein, und zwar aus Gols. Der
Einsender aus Gamislorf machte mir auch jene Versehen meines
Bogens kenntlich, die ihm aus seiner Heimat Neudau in Steiermark
bekannt waren. So greift also meine Sammlung in einem Punkte
auch auf österreichisches Gebiet hinüber.
Auf diese Weise wurde meine Sammlung nicht nur bedeutend
vermehrt — sie wuchs nämlich von 130 auf 351 Nummern an ——
sondern gewann besonders dadurch an \Verth, dass durch dieselbe
das Vorkommen vieler der Kinderreime an verschiedenen Orten fest
gestellt werden konnte.
Zeitschrift für östcn'. Volkskunde. 1
2 Blinker.

DasVorkommen eines Heimes in einem der verschiedenen Orte wird


in der nachfolgenden Sammlung dadurch augenfällig gemacht, dass der
letzten Verszeile des betreffenden Reimes die Anfangsbuchstaben des
Ortes, in welchem sein Bekanntsein festgestellt wurde, angefügt worden
sind. Jene 123 Versehen, die ich selbst in Oedenburg aufzeichnete und
welche die Grundlage für meine Sammlergehilfen boten, sind dadurch
besonders gekennzeichnet‚ dass bei ihnen die Anfangsbuchstaben der
Orte unter die letzte Verszeile gestellt sind.
Zum Schlusse erfülle ich nur noch eine angenehme Pflicht, wenn
ich auch hier meinen Freunden und Collegen, die mich in meiner
Sammelthätigkeit mit so viel Verständniss und Arbeitslust in un
eigennützigster Weise unterstützten, meinen herzlichsten Dank aus
spreche.
Die Namen der betreffenden Herren sind die folgenden:
S. Weber in Agendorf = A.
Adolf Königshofer in Gamisdorf = Ga.
Adolf Frühwirth in Gols = G0.
S. Pauss in Harkau = H.
Joh. \Vallner in Kemeten = K.
Ludwig Popp in Lockenhaus = L.
S. Kurz in Mörbisch = M
Carl Supper in Pinkafeld = P11.
Friedr. Kappel in Pöttelsdorf = Pö.
Math. Lautner in \Veppersdorf = W.
Neudau ist mit N,
Oedenburg mit Oe. bezeichnet.

Wiegenlieder.
l‘ Hai'l, hai‘l! ‘) 4- Haijz‘i‚ pupaijzi!
Griani Stai’l, z) ‘s Katz'l laft in Stai") ä’.“)
Rädi Pel ‘) traufi, ‘) Laft a zoutat‘s °) Pumma‘l") näuchi,")
‘s Kinda'l schläft schauii. Paisst in Katzal ‘s Fuissa‘l ä’.
A_ H_ K. Oe_ W_ Paiss' ia‘ ‘s na.‘ 1’) ni‘t gäa' ä‘,
. _ Täss nou‘ w9inni‘ 1‘) hupfa.‘ mä‘.")
2' He_“y _h‘"“~ .4. H. K. L. N. 09. Pi. P6. W.
Gnam Sie1'l,
Bodi Pöl trau‘r'i, 5~ Heijo, pupajol
‘s Mentscha‘l") (Piawa'l) l‘) schläft schaufi. ’s Katzal laft in Slei’ no'.
G0. Luft. a zotat‘s Pummal nochi,
3' Heidi, heldi! Peisst in Katzal ‘s Fuissal 0',
Greanl Sleldii Ni't gäar o, ni‘t gäar o‘,
Bäti Pea'l3-l trau5‚ Tfiss a pissal humpfaln m0‘! Go.
Unt täs Piawa‘l heil‘t schaufi! L.

l) Schlafe, schlafe! vom Inf. haid‘ln (heideln), schlafen. -— 2) Dim. v. Stauden (Plur.)‚
Sträucher. — ') Beeren. — ‘) daran. — ‘y Dim. v. das Mentsch (Mädchen). — a) Bübchen. —
1) Steig. — 8) hinab. — 9) zoltiges. -— ‘°) Hündchen. — “) nach. — "‘) nur. — ") wenig.
— l‘) mag (kann).
Heaüzische Kinderreime. 3

6~ Hail, puil, pail, Kimml'. ta' Hansal “) mit ta.‘ Geig‘n,


‘s Katzal reiunt ins Stallal, Wüll ins hölfa’ Schoi autreib’m.
Beinut ia' ‘s zautat' Pummal n0u‘, Na‚") Hansal, na,
Paisst in Katzal ‘s Fuissal ä‘, Ti Schol', tei genga‘ allafi,
Louss ia‘ nia' a Stitzal 1) traui‘x, Kemma' za ta‘ Tuana‚ ")
Täss a. wöinnal') hupia‘ kanü! M. Fänga.’ auü zan wuana'‚")
Kemma‘ za. ta' Läcka’, H‘)
Fänger.’ aufi zan läeha‘, u‘)
7- Haitschi, pupaitschi!
Kemma' za ti Schrull‘n, 17)
Schläg' ‘s Pipa’l’) schaifi tiit‚‘)
As lügt ma’ ka‘ Aija‘)
Fänger‘ auü zan rull‘n. 1") G0.
Unt frisst ma' maiü Prät. ß)
Go. K. L. Oe. 11-ß) Plia, plia, plia, Muschn‘plia “)
Wiikst in maiii Gäa't‘n.
8- Heija, pupaija, Wännst za maifi Schätzal kimmst,
A! Proda'slaa‘f’) zni; Säg' si sull mi‘ wäa't'n.
Tua‘t täuz‘n ti Pua'sch‘n.
Unt kleppa‘n ti Schui. b) Wänn s‘ ti frägt‚ wou i‘ piü,
Säg‘ i’ piii g’stzia'b'm.
9- u) Schläl', Medal,") schlät"! Wfinn s‘ wüll zan Wuan‘n aux‘rbäib‘n,
Taiü Väda' is' a Gräf, Säg' i’ kimm' mäaring.
Taifi Muida' is' a Paua'ntia’n, A. H. K. L. Oe. Pi. W.
Si sull ia' Medal sälba.‘ wiag'n.
12 Zia, zia, zia Muscha'plia
b) Schlät", Medal, schläi'l Wakst in maifi Gäa‘t‘n.
ln Gäa't'n saifi ti Schäi’, (Zeile 3-8 wie in Nr. 11.) H.
Ti waiss‘n und ti schwäa'z'n
Tei wea’n ma.iü Medal räa'z‘n.°) 13— Schwäa‘zas Pummal, paiss mi‘ ni’t,
Geh’ mit mia‘ in Gz‘ia‘t‘n.
C) Schläf‘, Medal, schläi‘! (Zeile 3-8 wie in Nr. 11.) H.
In Gäa't‘n saiü ti Schäf',
Ti schwäa'z'n unt ti waiss'n, 14- Trai Rii‘l,’°) trai Ra"l‚
Tei wea'n maiü Medal paiss‘n. Wia kleck‘ll.“) ta‘ Wäg'n!
A. Go. H. K. M. Oe. Pi. W. Wou wia‘t insa' Seppal 2'-')
Um a Praut hin i'ä'n‘?
Nur die 2. und 3. Strophe ist bekannt in Wia weit, wie weit?
„ ‚ l. „ „ ‚ „ N. Za 's Richte‘ Haus,
„ „ 3. „ „ „ „ L. Tua't schaut t’ schaifi Katal”)
Pan Föifista' hearaus.
w. Schläl", Resal, 1ß) schläft 4~ Go‚ H- L- 06- W
ln Gäa‘t‘n san ti Schäf',
Ti schwäa’z'n unt ti waiss'n, 15- Reigna', röigna‘ tatschal,
Tei w0ll’n insa‘ Resal peiss'n. Kint lik in Lackal.
Schläf', Resal, schläf’, Rieg‘l fia', Schessal fia’,
In Gäa‘tn san ti Schäi”! Schmaiss ma”n Mätzal") hinta‘tiTia'! G.

‘) Stutzel, Stummel. — ‘) Dim. v. wenig. — 3) Hähnchen. -— ‘) schön todt, —-—


‘) Eier; in Go.: Eidal (Dim.). »—— ‘) Brot. — 7) Prodersdorf, a. d. Leitha gelegen. —
‘) Mädchen; in Go.: Mentschal. — 9) reizen. — l") Therese. — ‘1) Dim. v. Hans. —
u) nein. —- I’) Donau. — l‘) weinen. — ‘°) Lache. — l") lachen. — n) Schollen. -—
‘8) rollen in der Bedeutung von ‚stürmisch laufen oder rennen‘. -— “') Muscatblüthe. —
'°) Rädchen. Mag vielleicht als „trä R’a'l, trä Rä‘l", das wäre: ‚dreh‘ (dich) Rädchen,
dreh‘ (dich) Rädchen“ zu verstehen sein. — ") klappert. -— n) Dim. v. Sepp (Josef). -—
”) Dim. v. Katharina. — ‘") Dim. v. Mathias.
11
Blinker.

Reitcrliedchen.

16. Hält, Schimm’l, hält! 24. Hätta, Röissalrait‘n!


Mäa'g'n fäa‘myma' in ti Stätl. Kläani Kinda‘ strait'n.
Um a Läawal‘) Prät, Wänn s‘ gräss wäks’n,
Um a Glasal Waiü, Wea‘n s‘ wia ti Täks‘n, °)
Tä wia‘t maiü Sclxätzal Wänn s‘ kläaü plaib‘m,
Lusti' saifi! Wea'n s’ wia ti Klaih'm. 1l’)
A. Ga. Go. H. K. N. Oe. Pi. W. H. Oe. W.
- Hätta, Schimm’lrait'n !
17. Hält, Rüssa'l, ") hält! Klz‘lani Kinda' strait‘n.
Mäaring fa‘ia'myma‘ in t’ Stätt Wenn s’ gl‘äss waks'n,
Um a Glasal Waix‘i Rait‘n s‘ wia ti Säks’n. u)
Unt a mäa’b's ’) Kipfl‘) t'raiü! 5) Wenn s’ gräss wea’n,
A. G0. H. L. N. Oe. Pi. Rait'n s’ wia ti Hea’n. Pi.

- Wänn ti Kinda‘ klz‘lani saifi,


18. Holt, Schimm‘l, holt!
Sou mit'n si auf‘ Steckelaiü,
Mäarin' fii.‘ ma‘ in t‘ Stält
Und wäinn si grässa' wea‘t‘n,
Um a Glas'l Waifi Son mit'n si auf Pfea'ln,
Unt a Semmal‘) traifi. M. Und w'öinn si grössa' wäks'n,
Sau rail’n si näch Säks'n.
19. Hopp, hopp, hoppl
H. Oe. W.
Fz°xa‘m\{ma‘ in ti Stätt
- Wänn ti Pui'm 1') klua‘ seifi‚
Um a Läawal Prät,
Sou reit‘n s‘ a'f ti Steckaleiü,
Um a Saital Wain.
'I‘ä wia‘t si' t‘ Katal g‘fmlfi~ Wa°mn s‘ äwa.’ gressa‘ we’l'n,
Reil'n s‘ af ti Pfea't'n,
A. G0. N. Oe. W. Uni. wänn s‘ gressa’ wäcks‘n,
Sau reit‘n s‘ aussi 1‘) ai Säcks’n. G0.
- Hopp‚ lwpp‚ hopp!
Fäa' ma‘ in ti Stätl. -flr) Unsa' guita' Käa’l
Um a. Läawal Präl. Wüll a Baita' wea‘n.
Wänn ta' Schimm’l ni‘t mea.‘ wüll‚ Ea’ hät gäa‘ käaü Häl‘m
Zäag’ ma‘ eam in Paitsch‘nstüll. H. Unt wüll a Raila’ wean‘.
Tä nimmpt saifi Ahn'l")
21. lja, Schimm'l, hätte. Praun! An älti Lätea‘n
Mäaring fäa‘myma’ Häwa’npau‘n. Unt mächt eam Urans
Wänn ta‘ Schimm'l ni't mea‘ wüll, An Raida’helm.
Zäag’ ma’ eam in Paitsch'nstüll. Ball‘, Käa’l, mit‘,
Ta' Tia'k is' nimma' wait.
A. Ga. H. K. L. M. N. Oe. Pi. W.
b) Unsa‘ guila' Käa'l
22. Hätta, Schimm‘l, hätta Praufil Wüll a Raita' wea'n.
Mäaring fäa'myma' Häwa'n 7) paufi. Ea' hät jä. gäa’ kä.aü Sätt‘l
Wä.nn ta‘ Schimm'l ni‘t mea.‘ will], Unt wüll a Raita.‘ wea'n.
Zäag' ma iam in Gäas'lstüll. B) G0. Tä nimmpt saiü Ahn‘l
An älti G‘spät'l 15)
‚ Hätta, Schimm'l, heiri Braufi! Uni mächt eam Urans
Mäarin' f_ä.' ma' Häwa'n pauü. An Raita‘sätt’l.
Kauf: ta‘ Schimm'l päissa' lal‘l‘a', Ball’, Käa'l, rail', ‚
We' ma' iam an Häwa‘n kafl‘a'. M. Ta‘ Tia'k is' nimma.’ wail.

‘) Laib (Dim.). -— 2) Boss (Dim.). — 3) mürbes. — ‘) Kipfel,- hornarliges Weiss


gebz‘ick.
1v") Kleie — ‘) drinnen.
(Plur.). —- ‘) Semmel,
—- n) Sachsen. —- I’) Brötchen.
Buben. — —“’) 7)hinaus.
Hafer.——I‘)8) Grossmutter.
Geisselstiel. -
— u)
“) Dachse. —
Schachtel.
Heaüzische Kinderreime. 5

c) Unsa' guita‘ Käa'l d) Unsa' guita' Käa'l


Wüil a Raila' wea'n. Wüll a Raiia' wea'n.
Ea' hät _iä gäa' käarü Späa’n,‘) Ea' hät jä gäa’ käafi Rouss
Uni wüll a Rnita‘ wea'n. Unt wüll a Raita' wea'n.
Tä. nimmpt saiä Ahn'l Tä nimmpt saiii Ahn'l
An Helsch'ldfia'n 1) An Hulla'stock ‘)
Uni mächt eam t‘raus Unt mächt eam t’raus
An Raila'späa'n. A Baita'rouss.
Rail', Kfia‘l, mit‘, Rait', Käa'l. mit’,
Ta' Tia'k is' nimma' wait. Ta' Tia'k is' nimma' wait. A.

Tanzliedchen.

29- Paua'. haing’ tai Pummal‘) äufi, 3l- Jäkob bot kuafi Prot in Haus,
Tässya' mi' ni‘t paiss’n kauii. Jäkob mocht si' gäa’ nix t'raus,
Paisstga‘ mi', kläg’ i' ti', Jä‚kob hin, Jäkob hea',
Taus'nt Thäla' saifi tahü’z~ Jfikgb is‘ a, Zott'lpea.’.
Taus'nt Thäla is' kuaü Gölt, A. G0. H. K. Oe. Pi.
Wänn i’ nua.’ a Medal hätt', 12 ‚ o ‚ _ ‘
Teis mi’ rupft, teis mi' zupft, ' ' Z‘_’PP‘=“P“““‘ “mz~ ‘S W“ ‚ ‚
Teis mit min‘ ins Peit aifihupft!*) t°“ S‘äfe‘le" lu_“ga‘_‘‚tnea"r
„ 1enonmogßm,
A’ G0‘ H‘ L‘ N‘ Oe" Po‘ W Weil a’ ma‘ äll'weil anfitritt. G0.
30. P;ua" ‚härlgy Kahn I:Im,ldali a:ü' Äafis, zwäa, trai, via‘, fini, söiks, sib'm‚
T _Ss a m‘ _mt pal‚ss n an‘ Hfllf ma' mainan Schu'gäa'n °) zieh’ni
Pmsst a’ m1’ oda' h‘, H K
Taus'nt Tälla' koust a‘ ti’. A‘ ' ' 08‘ W‘
Taus'nt Tälla' is' käafi Geil, 34- Äaüs, zwäa, trai, via’, finf, säiks, si'm,
Wänn i‘ nna‘ mai' Schätzal hett', Mäaring meiss'n ma' a'maschia'n.
Schälzal hiü‚ Schätzal hea', Wou ta' hin ? —- Näch Pea'lin,
Schätze! is' käafi Zoutt'lpea'. M. Wou ti schaina' Madal sin’. A.

Zucht-‚ Neck- und Spottreimc.


Zuchtrelme. 39— Zua'n-Hans’l, Zua'n-Hans'l,
35 Fleifi_E'il-id‚l‚ ‚) Heim Renn’ in 011i Locke’ l°) ein! G0.

Mäaring wia'l ‘s wida' schaifi‚


Wia't ti Muida‘ Kräpf’n pächa', ‘10. Zua’n-Pouck, Zua'n-Pouck,
Wia’t ta’ Eiüd'l wid'rum lächa'. Spring‘ in älli F'öinsta aiü!
G. H. Oe. Föinsta’ saifi proucha',
36~ Gaizkräg‚nl‚) Zida‚wäg,n! In Zua'n-Pouck weä‘myma’ kloupf'a.
Ta' Tail'l sull ti’ hinta'n Tisch aix'ischläg'n. G0. Oe.
H.
37_ ' r ' 0
Galzkrä‚g_“' F.ld l,boug | n’. . „ 41- Wäa't 1'. w1a'
' .
's ta' Mu1da’ °
sag'n,
Häst ta1n Mmdan 's Pentt a1fig'schlag’n. . ‚ . , ‚ . „ ‚ <‚ .
H Mu1da w1at s in Vada sag n,
38. Zua‚n_Hans‚l„) Zua‚n_Hans‚l‚ Va.dia' \'v|a.'.t "s in St‘llllliß" sagn,
Spring. in äm Fäinsta‚ am! Schmla w1at t1 gla1 ta schlug n.
Oe. A. Ga. Oe. W.

1) Sporn. — ’) Dorn der wilden Rose. —- 3) Hollers_tpck. — ‘) Hündchen. —


-") hineinhüpft. — ~6) Schubkarren. — 7) Grossvater. (Mit Eind’l werden Kinder häufig
scherz- oder spoltweise angesprochen, wenn sie sich griesgrämig zeigen. — 8) Geizkragen,
Spottruf für einen Geizigen. —— °) Zorn-Hansel. —- ‘°) Lache (Plan).
Bünker.

42. Keitzkräg'n, Wig‘lwäg'n, 51. Älti, päch") Kräpf'n,


Häst taifi Muida' ta'schlog'n. Jungi träg’ auf,
Wäa't, i’ wia' ‘s in Meissna‘ sog'n, Hans'l tuit tänz’n,
Meissna’ wia't ‘s in Pfäara' sog'n, Spülmäufi, spül’ auf! H.
Pfäara' wia’t 's in Leara' sog’n,
Leara' wia't ‘s in Schinta' sog'n, Juri,‘) widiwuri,
Schinta' wia't ti' glai’ ta'schlog'n. G0. Widiwitikaturi,
Widiwi, widiwo,
- Fil nauü, naufi, naufi,
Widiwitikato. G0.
Prich ‘s Heit'al ni't,
Tair'x Väda' is'
« Juri, Puri,‘) Süchta'poun‚')
Kuafi Häl’na' ni’t. H.
Was tu sa“tgst, is' äll's ta'loug'n.’) G0.
- lll-Ahnl isst.
Juri,
Wölchi Sau hät g'fist‘.’
I‘ ouda' tu?
Treib' t'0uks'n in t’ Furi,°)
Tei Treicksau pist tul
Treib’ s‘ tschäli,°)
Sunst pist a recbta' Mäli. '°) G0.
Oe.
45. Wea' ms’ wos gipt,
- Häpsasa, häpsasa,
Täin söitz' i‘ am Schimm’l Maifi Maufi, tea' häasst Hias'l,“)
Unt fia‘ 'n in Himm'l. Hätgan schneewaiss‘n Päa‘t
Tea‘, wos ma' nix gipt, Unt an läng' Riass’l.
Tein söitz' i’ am Rapp'l
Ga. K. L. N. Oe.
Unt fia‘ ‘n zan Teif'l. G0. H.

Neck- und Spottreime.


‚ Häpsasa, häpsasa,
Maifi Maufi, tea' häasst Hias’l,
A. A uf N a m e n.
Hält an schneewaiss'n Päa't
- Hans'l‚‘) puck") ‘s Gans'l, Unt an praufi Riass’l. A. M.
Steick' Feida'n am Huit!
Frau Muida', Frau Muida', 57. Heirasa, heirasa,
Ti Kneid'l saiii guit. Maifi Manii hasst Hiasel,
A. G0. H. K. L. M. N. Oe. Pi. W. Hät an kuhlschwäa'z'n Bäa‘t
Unt an prauü Riasel. N.
Nur die zwei ersten Verse sind bekannt in Ga.

L7. Hans’l, puck' ‘s Gans'l, . 1 päiü Peta'


Leck’ ‘s Nud'lpräitt o! G0. Unt tu pist Paul,
I peiü flaissi'
- Hans’l, puck' ‘s Gans'l, Unt tu pist faul.
Stück’ ‘s Finga'l in Äa'sch. A. G0. K. L. Oe.
Frau Muitta', Frau Muitta',
Ti Kräpf’n saiü häass. G0. - Peta’ pan Täa'")
49. Hans'l, widiwans'l, Hol; a roth's Äa',“)
Widiwitikatans'l, Hol. a roth's Kapp'l auf.
Widiwi, widiwo, Kapp'l is' schmutzi‘,
Widiwitikato. G0. Peta' is' trutzi’.“) G0.

- Hansal, in Gräb'm - Schnee-Peta',


Haus! Ouks’n va'la'n, Drauss'n steht a‘.
Pfaifst aufi, pfeil'st nieda', Lässt 's 'n aina’“)
Houst t‘ Ouks'n schoufi wieda'. H. Tein Zigaina’.‚ Ga.

1) Hans, Johann. — ’) begatte. —— ’) backe. —— ‘) Georg. — s) Lauch. — °) Sechter


boden; Sechter ist ein kleines hölzernes Gefäss mit einer Handhabe. _— 1) erlegen. —
ß) Furche. — 9) nach links. —- ‘°) ein Ungeschickter, Fauler. -— n) Math1as. — H) Thor. —
13) Ei. —— l‘) trotzig. — 15) herein.
Heaizische Kinderreime. 7

61. Andred'l,‘) 74. Unsa‘ Katal 1‘) is‘ a Praut.


Nimm ti Kätz pan Sched‘l, “'äarum sull s‘ ka Praut ni‘t s:-iü?
Wiaf‘ s‘ än t‘ Wi'mt, Schluift pan Föifisla aus unt eiü,
Täss ti‘ auüzähntß) H. Pi. Am Feinsta is‘ ta' Nämma‘,
Mäaring kaimmays‘ z‘sämma’.
Mich‘l,‘) nimm t’ Sich'l,
A. Oe. W.
Geh‘ schnaid‘n in ‘s Gräs,
Geh‘ nua' ni’t z‘weit aini, 75. Katharina, pist trina‘?
Sunst fängt ti’ ta‘ Häs‘. G0. Pitt’ li‘ gäia schaiii, mäch‘ auf,
Mi’ g'fria't ‘s schouü in t‘ Finga‘,
68. Mich'l, nimm t’ Sich'l,
Ta‘ Raif fällt m'a’ t‘rauf.
Geh’ in Wz‘i1t um a Greis,
Geb‘ ni‘t wait aussi, A. Ga. G0. H. K. L. M. 0c.
Sist‘) paisst ti' ta’ Häs‘. Ga. 76. Katharina Kut'ltäsch'n. ‘°)

- Michal, Machal, Wea‘ wia't taini Wind'l wäsch‘n?


Schaiss‘ in ’s Kachal,“) l’ ouda' tu
Kachal rinnt, Ouda’ Müllnas Kai? Ga.
Michal va‘prinnt. Ga. 17. Kath‘rina, pist trinna',

- Michal‚ Sichal, Kaiwaltröick, Hät ‘n Kitt‘! vull Kin’a', 1")


Stinkt ta‘ Wuda‘,°) laft a’ wäick. L. Hät Gräs ä‘g'mat,
Ha‘it ‘s äll’ va‘sat, ")
‚ Mich'l‚ Sich‘l, Kaiwaltröick, Hät ‘s Liacht änzunt’n,
Nimm an Leifl‘l, friss ‘n weich. H. Hät 's äll wieda’ g‘funt’n. N.

67. Seppal, steh‘ gräd’, 78. Böisal, ‘°) Prä.’pöisal, ")


Aft“) wia'st a Suldat. L. Wou wäa’st t6inn sou läng?
In Himm‘l, söiks Woucha',
Stippal")-Pui', Ta’ Jousef thuit koucha‘,
Milch‘ ‘s Thia‘l Zui, T‘ Maria thuit spinna‘,
Sista kimmpt Ti Eing‘l thäafi singe’. Jubel
A kluana‘ Pett‘lpui'. Ga.
A. G0. H. L. M. Oe.
‚ Käa’l, ltSig’ marya Äall') 79. Reisal‚ Prä'präisal,
Aaii's is‘ ma‘ praächa‘, Wia'f 's Simpal”) in P:‘i.‘.
Leig’ ma’ äaii's naächa‘. Pi. Waur'ist as wüllst häb’m,
70. Touni, W'z‘ii'") aini tanä'.") A. H.
Geh’ däuni! l°) L.
- Reisal-widiweisal‚
7]. Tounni, n) Lemounni, Widiwumpas-katesal,
Pummaranz‘n, gugu. Ga. P6imische, pulnische Böis’l. H.

72 Haidal püpaid'l’ 31- Rosmarin unt Supp‘mkraut


Tu g'wämpata'n) Vaid'Lu) N_ Wäkst in unsa’n Gäat'n.
Unsa’ Reisal is‘ a Freut,
73 Adam und Eva Sull ni‘t läng' mea’ wäat’n,
Häb’m g'wöitt't um an K6ifa'. Räda’ Waiii unt waissa‘ Waiü,
Ta‘ Adam hout g'wunna', Mäaring soll ti Häzat") saiü.
T’ Eva is‘ g'sprunga’. H. A. G0. K. Oe.

‘) Andreas. - ") anzahnen, die Zähne zeigen. — ') Michael. -- ‘) sonst. —


l’) Kachel, Nachttopf. -- °) Truthahn. —- ") dann. — ‘) Josef. — °) Ei (Dim.). — 1°) hinweg,
fort. -— u) Anton. -— 1') grossbauchiger. — 1’) Veit. -— “) Katharina. — 1°) wahrschein
lich so viel als Plaudertasche. — 1‘) Kinder. —- ‘7) versäet, verstreut. — l') Theresia. ——
1°) Brotbröschen. — 2") ein aus Stroh geflochtenes Körbchen. -— H) wate. — ") danach.
-— 7’) Hochzeit.
8 Bünker.

82. Mifldlyi) pum‚ pum, 91. Wawal.‘) Wawal, wia‘ ti Puim,°)


Stegs‘ ’5 Hüif31 ni‘t um, Stänga auf wia Grenatia'!
Tj Knüid‘l saiii h{iß55‚ Lässt‘s as staig‘n‚ lässt‘s as staig'n,
T’ Miadl fällt in t’ Fräas. L. Wawal wiat’s schauii äwa‘traib'm.
Wawal nimpt ti Krucka‘, 1")
83. Anna-Miadl, 'l) Zucka‘stiad‘l, Stesst in Puim in t’ Luclm’~1')
Um
Geh‘ amit
Waiüd‘l,
Illlät' ll'lum a Piad‘l,
Kölla‘, A. G0. K. Oe_

Um an Muschkatölla.
All, ’s Gans’l möcht' mi‘ paiss'n. 92- 1Wa' ‘S Wi9581 Pin i’ g‘gänga‘,
Nimm a Stawal‚ Hiib’ Magsal aufg‘richt’t,
Hau’ ‘s am schnawal‚ Schair'xi Veigal hilf i‘ g‘iänga',
Wia't ti' nimma’ paiss‘n. Saifi laula‘ Sliglitz.
A‘ G0‘ L‘ Oe' P1‘ Schaiii‘s Vei al,häasst
Maiü Schätzil krnm x€Vabal.
s Schnahal,

84. Anna-Miadl, ächa.iäs Pi.s°h‘“l S"d‘ffei’ . .‚


_ _ „ ‚ . ‚ chams Trandal, mam Vl a1 ;
Nimm "l Katz Pan schma 1' E Schaiii‘s Pischal Märaufi,
85- Anna-Miadl, heink‘ in Gäaspöuck’) äuii, Schams Plawal man} Mann’ L‘

Tass a‘ mi‘ ni't stess’n ‘) häuft,


Anna-Miadl, gehst, gehst, gehst, 93' Trab’ li’‚ W11Wal‚ umatllm.
Tea‘ (;‚äaspöuck 51‚9551[! L, Wauüsteh’schaufiliegst,sou fällstni‘t um.
L.
36- Anna-Miadl-Miadl went’ ti', _
Anna-Miadl-Miadl mir m 94' ""fwal‚ “Wal,
Anna-Miadl, waufi i‘ ti‘ m hätt‘, M“gst a K"“"-’ ">
Anna-Miadl, wäs um‘ i‘? An Praka' “) i“ ‘S Lou’-") G0
Oe.
95. Hessa‚") Lenna, 16)
87- Anna-Miadl, wauii i’ ti‘ ni't hält’, Unsa‘ Reis'l is‘ schenm'~1’)
Anna-Miadl, “'k'lS ihal i"? Weaf’ ma‘ t‘ Sand‘l“) hinta' ti Thia',
Anna-Miadl. Wallii i’ Ü‘ Hi‘t hält‘, Thua‘ ma‘ ‘s Riegel unt Schläissal fia‘.
Anna-Miadl, tu z’plahti!‘) H. H_

83- Hujuju! Häzatknecht, 6) 96. Täralla‚l‘) Tärana‚


Noukalpäa‘,’) trah‘ Ü‘! Mit iari krump‘m Fiass‘n
Anna-Miadl, wauü i‘ ti’ ni‘t hält‘, 15' 5im J;°ra‘ in Himm‘l g’weiu,
Anna-Miadl, Wä.S that' i“? H. Hfi‚[ wieda' äbg,‘ miass'n_ N,

89~ Regements-Suldat'n-Hua’.
lllliadl, Ziag'l, guldigi Schnua’,
H. 97' B_ruckna ‘ Madalfl)
Sitzt ä.m Stadal,
90~ Miadl_Mäd‚l Naht a räd‘s Kittal zämm‘.
Hinta. ‚n Städ‚l Wäa‘t‘,_täs ow1ar_‚l Mu1da‘ sägfl'nr
Naht ü Kiwl Wüllst in ganz'n Zwm'n va’trag n.
Ouni Näd‘l. Ga. K. Oe.

‘) Marie. -— 2) Anna-Marie. —— a) Geissboclr. -— ‘) stossen. — 5) zerblähte, aufge


blähte, dicke. — °) Hochzeitsknecht, Führer der Kranzjungfrauen. — 7) Nockerl, eine
Mehlspeise; Nockerl, auch eine kleine Person; Nockerlpaar daher ein kleines Pärchen. —
ß) Barbara. —— °) Buben. —— ‘°) Krücke, hölzernes Geräth, mit. dem die Gluth aus dem
Backofen gezogen wird. -— u) Loch (After). — ") Koch, Brei. —— ") Schlag. — ") Loch
(After). -— l’) Heissa! —— ‘°) Helene. — ") schöner. — 18) Susanne. —— ") Dora,
Dorothea (Dim.). —— z°) Bruckner‘s (Familienname) Mädchen.
Heaiizische Kinderreime. 9

B. A u! Ha n d w e r k er. 108- Schuista‘, Schuisla‘, mäch‘ ma’ t‘ Schui’!


Hziw' i’ neu‘ ni‘t Leida’ g'mui,
93- Rau’fängkiara", Supp’mstiara’,
Pauiid‘lpaissa’‚ l) Hous‘nschaissa‘. Muiss ma' ea‘scht in t’ Städt aifilaf'm
Muiss ma' traiii a Leida' kal‘n. lV~
A. Ga. G0. H. K. L. N. Oe. Pi. W.
&m~ Rau‘fängkiara', schneewalwaiss, wg. idäilr:ggl’viälil.lllali meh'

Häst in Pug‘l pailvull Laie‘. M. A Simpal vull wänz’‚n,


10°- Schuistn‘, Schnisla’, flick! T8" Schnaida‘ muiss tänz’n‘
Ti Näd'l is‘ ma‘ z‘ tick, Ga‚ G0- H. K. N. Oe. P.
Ti Näd‘l is’ ma‘ z’ krump. 110 _ ‚ ‚ _ _
Ta’ Schuista' is’ a reehta’ Lump. ' schnmda’ g mä’ gmä’
A Schissal vull Fleh‘,
Go' Oe' w" A Schissal vull Wänz‘n,
101. Schuisla'‚ zwick‚ Zwick! Hiatz geh‘yma‘ a Stick‘l tänz’n. H.
Ti Näd'l is‘ ma’ z’ tick,
's Knöllal") is‘ m‘ z‘ kläaü, 111- Schnaida‘‚ weh. meh,
Ta’ Schuisla' is' allziaü. A Simpal vull Flöh’,
A Simpal vull Lais'‚
Go. Oe.
Is' in Schnaida‘ saiii Spais'. A.
102- Schuista‘, Schnista', Kneip,’)
Hairat‘ mai‘ Tächla', 112- Wz°1un l.i Gäas a Musi‘ hea't,
Stich si in ‘s Lou") _ Mächt si an Sprung.
Häst scha' wäs z‘ lächa‘. Schnaida’, geh‘ waida',
A_ K_ Oe_ Ti Gäas pringt ti’ um. W.

103- Schuista’pui, Schulsta‘pui, 113 Bill, hill, hill‚*°) waissi Gäas,


Hairat’ mal‘ Tächta'! Trägt an kriafi Kräm~
Zwick’ s’ in ‘s Lou‘,‘) Zwick‘ s‘ in ’s Lou', Rait‘n trai Schnaida.‘ t’rauf,
Schau, ab s‘ kaul'i lächa'. M. Rait'n zan Tänz. W

104. Schnaida'gäas, flick’ mar an‘ Schftass, 114- ’s Mad‘l hätyan Schneidet‘ g'liapt
Hairat' mal‘ T:°1chta’! Trai Vialfljäa‘.
Paiss' s’ in ‘s Löu',‘) zwick‘ s‘ in ’s Löu’, Nächtöm hält ‘s an Gäaspouck kriagt,
Hilf ma’ wäs z’ lächa’. L. Gänz ouni Häa’.
A. Oe. W.
105- Schuisla‘, Schnista‘, wiks' aus,
züy in Trät hing aus's) 115. ‘s Mentsch hät an Schnaida‘ k'liapt,
Schuista', Schuista', gip ächt. Fünf“) a 810ml’ Jäil'‚
Täss tai1'i Schuista'stuahl ni‘t z‘sämm- Nächa' hielt S’ an Goaspollcli kriak’‚
kr?lchl‚ 1{_ Gänz ohni Häa'. G0.
106. Schuista‘, Schuista’, wiks’,
116. Unta' ta’ Prugg’, ouwn' ta' Prugg'
Kas") unt Prät ") is‘ niks.
Fia’ba'g‘söll',‘)
Sitzt a. kläana' Schnaida’.
Wäunyma‘ eam an Graitza’ gipt,
Hupl‘ in t‘ Hall‘. L.
Hupft\‚a ällwal waila’.
107- Pan Schränz’n 9) tuan s‘ tänz'n, A~ G0. H_ Oe_
Pan Schrfinz‘n geht ‘s zui,
Tua't saix'i a päa.’ Schuista‘, 117- Bia‘ um Pröiü‚"‘) ria’ um Pröii,
Bä.t kuana' kuai‘ Schui‘. H. Silzt ta‘ krumpi Schneidet‘ ‘.raiii! G0.

‘) Bohnenbeisscr. — ’) Knäuel (Dim.). —— 3) „Kneip‘‚ das Messer, mit dem der


Schuster zuschneidel. — ‘) Loch (Alter). — 5) Das Einpechen des Drahtes, mit dem der
Schuster naht, nennt man „wichsen“. — “) Käse. — 1) Brot. — a) Färbergeselle. —
°) Ein Familienname. — ‘°) Lockruf für Ziegen. — u) völlig. — 1") Hirsebrei.
10 Blinker.

118~ Schnaida'gäas, 128- Tua'l sitzt an‚älti Weida‘hex"U


Mäch‘ t‘ Supp‘m häass, In Reig‘n unt in Schnee.
Stell s’ hinta’ ’n Tisch, Wäs wea‘mvma' ia‘ zan Fräiss‘n g6i‘m?
Mäch‘ Fleida‘wisch'.') H. Zuga' 15) unt Kaffee,
Zipfl-Zapfl‚ Puda'krapfl.
119. Ta‘ Wäiwa' mit ta’ Schit2'n,’) H3, Will, “nimm!
Ta' Schnaida‘ mit ta‘ SCII:T‚“) A- Go- Oe- Pi
Ta' Wöiwa'‚ tea‘ hät t‘ Flitz'n.‘) 129. Tu'at sitzt anj’tlti Weidu’hex‘
Ta' Schnaida’, tea’ hät s‘ ü‘. M. W. In Röig'n um m Schnee_
Wäs sull ma‘ in‘ teinn z‘ i'reiss‘n göib'm‘?
12°- Ta’ Schnaida‘ praucht t‘ Näd’l, Lais‘ unt Fleh',
Ta’ Schuista' praucht s‘ ä’, Zipf‘l, Zapf'l, Putta‘krapf'l,
Ta' Schnaida' hät t‘ Flitsch’n, Krautsting'l. Amen. M.
Ta' Schuista' kriegt s‘ 5‘. G. ‚ _
130. F1x trallala, fix trallala,
Ti Bous'n fäll‘n ab.
121. wem' ' ‘ ta ‘ Schnalda
Wut’ ' ' Tä sitzt a kleines Mädchen
Za da v Häzat 5) lädn
‚ v 9
' Mit einer Hand, schnappah.
An Scbinta"‘) unt an Tät'ngräwa'.") L. Tä sitzt an äm Wma‚hex
In Reig‘n unt in Schnee.
122‘ Münm'‚ Mullna„ Sackaut‘) Wäs gEib'm_‚ma' ia‘ za frciss‘n?
ls‘ ta‘ Müllna' ni't tahäam,') Zusea‘ unt Kaffee,
Baiwa'l'°) fia‘‚ Schlüssel fia', Zipfl‚ Zapf]! Puda'kl-apf'l'
Wea‘t" ma' ’s Sackal hinta‘ ti Thin'. L‘ Reinn', 5_m He'inn'! H_

121-5. Tee.’ Jäga’ is‘ a tumma M1uii 131. Räigna.’ reigna‘ Troupf‚m'
‚ ‘ _ ‚ ‚‘ ‚ ' _ Ti Puiwan wen‘yma‘ kloup‘m,
Tea gäa kuan Häsnschmss n kann. H. Ti Tiaran lies.“ in Feida.pöitt'
Ti Puiwan lieg’n in Sauträick.
124’ Avf m‘ zucka‘manua' Heh'“) Ti Tiaran eiss’n Äa‘“) unt. Schmälz,
Sitz‘ “ Hi‘""sc“ unt a “eh, Ti Pniwan eiss’n Träick und Hulzf’) H.
Unt a Jaga‘ tapei, '
Hät kua' Pulva‘ unt kua‘ Plei. G0. 132~ Höe'n‚ ree‘n Troupf'ß
Ti Tieren muiss ma’ kloupf'n,
_ _ _ 'l‘i Tieren lieg'n in Feida‘peitt‚
C‘ S o n s t ‘ g e N e c I‘ r e ‘ m e‘ Ti Puam lieg'n in Rousströick.
125. Zipn_zapfly Puda‚kmpfl' TnPuam gelrn In. s W1a tshaus,
FF ‚ Äu_ i}, ’‚I Trlnk‘n a Smt‘l P1aryans.
.mg, |‚ .mg r . Ti Tiaran geh'n in Rousssläll
A‘ G0‘ H‘ Ä‘ Oe' P1‘ Unt trink'n n Snit'l Roussmülli' aus. Ga.

126- Jä, jä. jä, 135- R'ög‘n, reig‘n Troupf'n,


Älti fäng' an Fläh! Älti Waiwa‘ miass m0.’ kloupf'n,
Spin‘ ma‘ ‘n aiii in ‘s Kuch‘lknst‘l, Ti Tiand'l lieg‘n in F'öidn'pütt,
Mäarin‘ stäich‘ ma' ‘n ä’. H. M. Ti Puam lieg'n in Rousströck. N.
134~ Lirnm, larum, -Löifl‘lstüll‚
127. Bin‘ um Va'lais'm") _ Älti Waiwa‘ freiss'n vüll,
Um 3 hälbaü Falß""v Jungi miass‘n fäst'n.
Um a hälbati Ruib’m‚”) 15 Prät liegt in Käst‘n’
Wen‘ ’s nimma‘mea' thuaü. Ta‘ Waifi liest in Kölla‘,
K. Oe. Pi. Lauta‘ Muschkatölla‘. H. N.
1) Bartwisch. — 2) Schütze, Weberschifl‘chen. — 3) Scheere. — ‘) Durchfall. ——
-") Hochzeit. — ß) Schinder. —— 7) Tndtengräber. — °) Sack (Dim.). -- ") Daheim. — 1") Riegel.
— “) Eigenname. — ") Verzeihung. — 1-‘) Rübe. — “) Wetterhexe. -— 1‘) Zucker. ——
‘6) Eier. — ") Holz.
Heaiizische Kinderreime. 11

0
13'). Älti Rumpump‘l, 144. Jid‘l 1') Machele,
Mit tia' is' schouii aus, Wäs koust‘n taini Fleh‘?
Näs'n tuat tröpt'ln Hunda'ttaus'nt Gul‘n.
Unt Aug'n rinna' ta‘ aus. N. Ta' Kuka’ sull ti hul'n. M.

136. Ea’schti Klass': Rätz'n, 145. Jüdlach, 1°)


Zwaiti Klass‘: Kätz‘n, Häst te g‘schächt’t
Dritti Klass': jungi Hea‘n, In tein Teimp’l Moises‘?
Via'ti Klass‘: älti Pea‘n, Strumpf g‘schiss‘n,
Fimpfti Klass‘: sitzt am Schea'b'm, l) Wua'scht g‘mächt
Seiksti Klass‘: Stief‘lrea’n. ’) H. In tein Teimp'l Moises? L.

- Tidldeidumdum, hät ‘s Gelt va'spült, 146. Unta‘ da‘ Pruck‘, owa‘ da‘ Pruck'
Hiatz ‘traut a‘ si' ni‘t huam, Hät ta‘ Jud' t‘ Jidin ‘puckt. z") M.
Unt moaring still a’ t‘ Maura‘ kriag'n,
Hiatz halt a‘ an Treick‚ an Luam.') H. 147. Stz'tanl unta’ ta‘ Pruck‘.
Tah'i Väda‘ häl. ti Jidin ’puclil.. M
138. Wä.a‘t na', Mäd‘l, i‘ wia‘d ‘s scha' säg'n,
Wails tu häst in Zwia’n va‘träg’n. 148. F6iüsta‘-Raiw‘l.
Hast lu ni‘t in Zwia‘n va'träg’n, Taiü Muida' is‘ a p'sz'tacht's Waiw‘l. M.
Tat’ is‘ ni‘t. ta‘ Muidan säg‘n. H.
149. A'f t.1‘ Zucka’mantla‘ Heh‘,
139. Ta ihm i) unt ti Abi! l)
Tua't sitzt a Kräwät."l
Göinga’ Peiiil“) z'sämmklaub'm;
Flaisch hät a g'göiss‘n,
Ta' Eiiil nimmpt a Pöifil
Hiatz mäg a’ kuaii Prät. G0.
Unt wiaft s‘ ta’ Ahiil auf‘ t‘ Haub’m.
G0. Ga. H.
- Pfingslucka‘ ") steh’ auf,
140. Insari Gäaspeindl-Pau‘n ") Röick‘ t‘ Lucka‘ 23) a’f t‘ Heh‘ auf,
Häb‘m lrz‘ial'i Rahm, Nimm an Pes'n unt kia‘ älli Wink‘l aus,
Kinne‘ a‘ käan' ria‘n.‘) Nimm an Steck'n unt treib‘ aus! Ga. N.
Wal s‘ 15. käar'1’ Knecht ni't hä'm,
151. Äm Anga‘l steht a Pamal‚
Plaipt eana’ käaii' Tia‘n. L.
Is' ‘pölzt unt träg' Pia‘n.
141. T‘ Heaüz'n häb'm Kia‘n ') auf, Ti Gulsarischin Pua‘sch'n")
Schaiss'n eana’ t‘ Schwftl‘m t‘raul. M. Häb‘m alli ‘s Läxia‘n. G.

‘- Ea‘ unt sai1'i Ped’lwei‘ 152. Kräwat frisst Prät,


Kinna‘ schain tänz'n. Steickt t‘ Nud‘l in Säck. L.
Sie mit ‘n Ped‘lsäc‘k,
Ea' mit ta' Ränz'n.‘°) M 1.53. Wässa'mäuii,
Zuck‘ mi‘ äuii! L.
143. In Mia‘wisch u) is‘ an Unglick g'scheg'n,
Ta' Schlöig’l") h5.t ‘s ta'zölt: 154-. G'schea‘ti Maus va‘ Löuka'haus 25)
Ta’ Fisch’l") hät in Halingstritz’l “) Frisst an Meitz‘n Nöukal aus.
In ‘s Ant'nstallal") g'stöllt. — Höust nöu‘ ni't g'mui', höust nöu‘ ni‘t
Tä.s is' jä a Lu’, 1") g'mui’?
Ea' is‘ hinta‘ t‘ Schallu.") M. Friss nöu’ an Meitz’n tazui. L.

l) Scherben, Nachttopf. — ‘) Stiefelröhre. — ’) Lehm. —- ‘) Grossvater. -— ’) Gross


matter. —- ') Bienen. — 7) Geissbohnen-Bauern. — a) rühren. — ') Hörner. — ‘°) Ranzen,
Rucksack. — “) Mörbisch. — II) u. l’) Familiennamen. —- “) Heiligenstritzel, Gebäck,
welches zu Allerheiligen gebacken wird. — 15) Entenstall (Dim.). -— 16) Lüge. — 1") Ab
kürzung von Jalousie. — ‘°) u. ‘9) Jude (Dim.). -— '°) begattet. — 21) Kroate. -— ") Spott
name für den, der am Pfingstmorgen am spätesten aufsteht. — "‘) Lücke, Loch, After. —
N) die Burschen von Gels. — “) Lockenhaus.
19
u Bünk'er.

D. Beim Geschichtenerzählen. tz'iu auiig‘h-ält'n (am Harte) unt z‘izu'is t:°tu.


Ta' Päa't is‘ äwa‘ ni‘t waita‘ gänga’ unt
155. Amäl is‘ a Jut‘ g‘wöin, tea‘ hät an längan
ti G‘schicht a‘ ni‘t.
Mänt‘l g‘ha‘ipt. Weinn ta Mänt'l nou‘
H. Oe.
lenga‘ wa‘ g'wein, wa‘ ti G'schicht a
neu’ lenga' g'wein. 162. Amäl is‘ a Hea’ g'weiu unt a Frau, tei

A. G0. Oe. häb‘m zwäa Bunt‘ g’ha'tpt; ana' ha°tt


g'häass‘n Fängäun unt ana' Hearauf.
Wia hät ta' ea'schti g‘häass‘n‘?
156. Amäl is‘ a Jut’ g‘wöin,
‚Fängäuiil"
Hät a roth‘s Kappal aufg'häpt,
(Nun wird von vorne begonnen. Zum
Is‘ auf und auf vull But ‘) g’wt-Sin,
Schluss wird gefragtz)
Text‘ pist tu g’wöin. Pi.
Wia hät ta’ zwaiti Bunt g‘häass‘n?
„Hearaufl‘
157. Amäl is‘ a Jut‘ g’w6in,
Sun, hiatzat hearyi’ gäa' auf. ——
Tee.’ is‘ auf unt auf‘ vull Hut g‘wöin;
A. G0. G0. H. L. Oe. Pi.
Wia ta‘ Rut is‘ weil: g'wäin,
Is‘ ta‘ Jut‘ va‘r‘c'ickt’) g‘wöin. H. 163. Sull i‘ ta' wäs ta‘zöl’n
Va‘ da‘ länga‘ Oell’n,
158. Amäl is‘ g’vvä'in a Jut‘, Vs.‘ da’ kua‘z’n Wöucha‘?
Tea‘ w:'ta‘ auf unt auf vull Rat, Töu höut maiii Väda'
Tea‘ hät a kläafi's Hundal g’hfipt, A Fa‘l‘) ä'g'stöucha‘.
Teis hiit Pintschal g’häass‘n. A. Miarya Wua‘scht,
Tiar_‚a Wua‘scht,
159. Is‘ amäl a Jud' g'wein, Miaryan pröutna’ Häs‘n,
Tee‘ is‘ auf unt auf vull Rat g’wöin. Tiar\‚an Pätz'n a‘f t‘ Näs‘n. L.
Sull i‘ ’s ta’zöll‘n?
164. Sull i‘ ta‘ wäs ta‘zöll’n
(Wird auf die Frage mit ‚ja‘ geant
wortet, so wird das Versehen noch ein Va‘ ta' längen Oell’n,
mal gesagt.) Ga. Va’ 1a‘ kua’z‘n Woucha’?
Saiii ma‘ in t‘ Stott eiii‘kroucha‘.
Tua‘t hz°tt maiii Ahnl Kropfa‘ ‘poche’.
160. Is‘ amäl a Jud‘ g‘wöin.
Pitt‘ i‘ um uan,
Tea' hz°tt a zinnige Läten 3) umträg‘n.
Sou gipt s‘ ma‘ das a'f s Mail. ‘)
Sull i’ ‘s ta'zöll‘n ?
Pitt’ i‘ um zwoa,
(Wie vorstehend.) N.
Sou losst s‘ mi‘ steifi.
Pin i‘ in t‘ Kiar‘a “) g‘gänga',
16l. Amä.l is‘ a Mauii g’wein, tea’ hät zwäa Tua‘t hat ta’ Pfoarra‘ k‘säk‘ „Amen“.
Kinda’ g‘häpt, z‘iafis tä (auf dem rechten Hiatz hob’ i‘ va'stänt'n: „auübrenn“.
Arm) unt äans tz‘i (auf dem linken Arm). Hiatz hob’ i‘ wöll‘n aussi.
Tee’ hät an sou an längan Päa‘t g’häpt Hiatz hob’ i‘ ma‘ t‘ Kniaschaib‘m
(wird gezeigt, wie lang) unt äaüs hät si' Sauwa' ") t’schläg‘n. G.

Verschen
gesprochen zu verschiedenen Thieren, zum Regen, zur Sonne.

165. Maiköifa‘ summ, summ, summ, 166. Maiköil'a’ summ, summ, summ,
Tai Väda‘ is‘ in Prumm, Tai Muida‘ liegt in Prumm,
Tai Muida’ is’ in Kia'wisgart‘l") Tai Väda' liegt in Kirigass‘l,")
Summ, summ, summ, Summ, summ, summ.
G0. Oe. Oe.

l) Schmutz. — °) verreckt, gestorben. -— ') zinnerne Laterne. — ‘) Ferkel. —


-") Maul. -— 8) Kirche. — 7) sauber, tüchtig, stark. — °) Kürbisgartel. — °) Kirchengassel.
Heaüzische Kinderreime. 13

167. Maikeil'u‘ summ, 1 78. F.'t5ida‘maus‚ flui' int‘ aus,


Tai Väda' liegt in Prumm, Flui' oub'm aus,
Tai Muida‘ liegt in Kiawiswiiltfl) Stess' ta.‘ Kui‘) in I’äd‘n") aus. H.
Summ, summ Kiawiswält,
Tai \'äda‘ liegt. in Prumm. 179. Fleida‘maus,

Oe. Rupf' ma‘ maini Hua' aus! L.

Hea‘goltskuisal, ’) fluig‘ in Prumm, ISO. Schneck, Schneck, Schneck,


l’ring‘ uns mfiaring a wäa'mi Sunn‘. Reich‘ taini Kia‘n '") heraus,
A. Ga. G0. H. N. Oe. W. Sunst wia‘t i‘ ti'
In ‘s prönnati u) Haus!
- Himm'lskuisal,") fluig‘ in Prumm, A. Go. Oe.
Pring‘ ma‘ haiüt und mäag'n a‘ wäa‘mi
181. Schneck’n, pareclr'n,
Sunn‘. Pi.
Reck‘ ma’ taini päa.‘ Kia'n hearnus,
l 70. Muhkuisal,‘) fluig' in Prumm, Snnst wia‘f i’ li‘ in ‘s prinnali Haus. M.
Pring' uns mäaring a wäa‘mi Sunn‘.
18‘2. Schneck, Schneck,
L. Oe.
Bück‘ taini päa' Kia'n heraus,
171. Hea'gotlskuisal, Sunst nimm i‘ ti’
Hea'gottskuisal, Unt wia't ti' in ‘s prönnati Haus.
Summ, summ, summ, A. Oe.
Fluig‘ in Prumm,
153. Schneck, Schneck,
Pring' uns mäaring
A wäa'mi Sunn‘. Reick‘ aussa‘ taini Kia‘n,
Oe. Sie! kimmpt ta' Schinta'
Uni schlägt ta.' taii Haus z‘sämm‘. D.
' - Kea'ndla, Kea'ndla', b)
154. Schneck, Schnec_k,
Puck' 's Hend'l
Kichalelele! sss! Reich’ aussa' taini Kia'n,
Oe. Sist schläg‘ i‘ taiii Haus z‘sämm’. L.

173. Kea'ndla’, Kea'ndla', 185. Schneck, Sehneck, Schneck,

Puck‘ ‘s Hend'l Zäag' ma’ taini lauiiga‘ Kia‘n,


Piselelele! ambsss ! ü) Snnst schläg' i‘ tfa’ Haus unt Houi
z‘sämm’. Pi.
Oe.
1&5. Kickili-Hauii,
174. Schmetta‘ling, söitz‘ li‘,
Spring’ tavoufil
Mäaring is’ tai Leitzi. Is' a kläana'
Go. M. Oe. Gugasmauii. u)
175. Schmetta'ling, fluig‘ aus, A. L. Oe. lt‘.
Mäaring is‘ tai Jäa‘ aus. IST. lückari-Hauü,
A. N. Oe. Wea' hät ta' wä.s tauii?
Wea‘ gipt ta' käaii l’rui?
'- Summa'veigal, 1) fluig’ nus‚
In Püick‘n saiii Pui.
Miiag'n is' teiü Jäa‘ aus. G0.
N. Oe. Pi. W.
177. Flöida‘maus,
188. Kickari-Hauii.
Wou is‘ taiii Haus?
In Wält trausst', Wea’ hät ta’ wäs taun?
Huhn l In Päcka' saiii Pui,
A. G0. Oe. Tea' kipt ma’ kuaii Rui. G0.
1) Kürbiswald. — 7). ') u. ‘) Coceinell:r septempunctata. — ’) Gehörnler, der Ge
hörnte = Hirschkäl'er. — ß) Aneil‘erungszurul zum Fliegen. -— 7) Schmetterling, wird in
der heaüz. Mundart auch noch Paififälta‘ = Bienenfalter genannt. —- °) Kuh. -— 9) Barren.
—- l") Hörner. — “) brennende. — 12) Guckkast'-Mann (‘r’)
14 Blinker.

lhll . Kickali-Hnuii‚ 1 93. Häh‘m, Rz‘ib'm, Räh‘m,


Wea’ hiit ta’ wäs taui'i‘? Wea‘ ta' leitzti is‘,
Ta’ Kruispüicka' ‘) Pui. Tee‘ sull t’ Ra.iii Stea'z nächträg‘n. H.
Nimm in Prig’l unt schlä' zui. M.

190. . '. "


2W- Joud'l 1 6) pumm 1 pumm ,
Klcka" Hau?’ _‚ Stess ‘s Heil'a'l in Prumm,
Wea‘ 115i la Wä5 “um? Ste5s ‘s anti stess '1Wi
wea, gi't m‘ kuai Bai? Stess ‘s runi. um.1l.um.'
In Peick'n saiii Pui.
Nimm in Prig’l unt schlä’ zui! H. A. M. Oe. Pi.

191- Kicl<ali-Hauii, 201. wiga' .‚) pumm, pumm.


Wea‘ hät ta’ wä.s tauii? Sless ‚s Höifa‚l ui‚t um
Ea'‚plilc4ktlschl‚lilll'_ R ‚ Stress ‘s aussi, stess ‘s eini,
ea ‚dßs m_a_ ‘_mn m’ Stess ‘s rund umalum. G0.
’s Pewlra' sa1n Tra‘n,
Tel flecht‘t ma‘ an Kränz
Unt pläat’t ’) mi‘ zan Tänz. A. 202- Wiga Jod'l, Wiga Jod'l,
Leih‘ ma‘ teiii Hous‘n.
192- Hendal pi, pi, Kea't ni‘l. meili,
Ten Proucka’ friss i‘, Kßa’l. In‘! teu'i,
Ten wä.s i‘ ni‘t m0‘, Kea‘t in Franzos‘n. G0.
Ten stöick' i‘ in Sock. G0.
. ‚ .‚ 203- Mair6ig'n, Mairihg‘n,
193. Poug'a, Pouga‚’) Paz l‘‚‘) Mach‘ ma.‘ maini Häa' lang
Waise unt schwiia‘z is‘ gzia‘ ni‘l. schaiii. . . ’
Sou lang, sou lang,
0°- Pis i‘ ni’t t'ranf sitz'n kauii.
194- Pouga‘, Pouga’, präl‘ li' ni‘t, A- M- 0°‘
Waiss unt schwäa’z is‘ gäa‘ ni‘t schaiii.
Pi‘ m4- Mair6ig‘n, Mairöig’n,
195. Räg unt blau Moch‘ ma‘ meini Häa' recht läng,
IS‘ „n Schah-‚r Oell‘nälng, öll‘nläng,
Km_kru_kru_krul L_ Täss i‘ t'ranf s1l2‘n kau'fi. G0.

196' P(:uLi~a‚’ P.’o‘‚lga‚ Film’ ‚ „ ‘105- Sunn-Nand'l, ') schaiii,


Ma.ar1ng iss grawr Watz l. ‘) Kriasst an Mäitz‘n Pmifi „)
08~ Häst neu‘ ni'l. g‘mui‘ ‘? l°)
197. Tauwn' Tauwa‘, Häst neu‘ ni'hg'mui'?
Puck. .S Hend‚l, Kriagst an Meltz'n
Piselelelel N°“’ “um!
Oe_ A. Oe.

198- Bäb‘m, Räb‘m, Räb‘m. '20n_ sann‘, geh' Im‘ owi’


Ten‘ z‘leitzt kimpt, Maii To'm-i n) how‘vi‘;
Teil‘ “'ia‘t Pel3räb’m! Steira‘ zaht's auii,
M. Oe. Täss l.’ Sunn’ eini kauii! G0.

‘) Kroisbach‚ Der! in der Nähe von Mörbisch. — ’) begleitet. — ’) Truthahn. —


‘) prahle Dich. — -") graue Weizenkörner(?) — ß) Jodel wird der Stier genannt. —
7) Wiga‚ wahrscheinlich von dem urig. bika = Stier. — ß) Sonnen-Grossmutter. — ') Hirse
nd. Gerstenbrei. — 1") genug. -- l‘) Tagwerk.
Heaiizische Kinderreime. 15

2X)7. Summ, Summ, scheiii neh‘i! ‘208. Sunn’-Ahn‘l‚ schaiii. schi5ifi‚


Gnlt liegt in Leina’, I’ gi’ daryan Möitz‘n Prail'i.
Trei sitz'n trinna‘, Frau mächt ‘s Tia‘l auf,
Uani tuit spinnen’, Lässt ti liawi Sunn’ hearans
Uani tuit nah‘n, Unt in Reig‘n trinna‘
Uani geht, mocht ‘s Tia‘l auf, Unt in Schnee va‘prinna'‚
Lässt ti liabi Sunn' heraus. Nimmt täs gnldigi Stawal in t’ Hänt.
Summ‘, Summ‘, kumm, Jaukt in Wint in ‘s Päma'länt. ') H.
'I'i Eng‘l foll‘n in Prumm! G0.

209— Snmm-fiiül‚’) Summ-Eiül,


Flui’ in Prumm,
Prin' uns mäaring
A wä.a‘mi Summ. M.

R e ime
zu verschiedenen Gelegenheiten gesprochen.

A. Zum Nicolaus. 215. Niglä, Nigh'i, tu scheine.’ Heu’,

210. Leig‘vaiii, leig‘yaiii, wä.s i‘ pegea‘.


Nigh‘i, Nigh'i. tu schaina‘ Bea’,
Leig'vaiii‚ leig’vaifi a. guldig’s Pänl,
Löig’vaiii, lüg'yaiii, w5.s i‘ pegea‘.
Thua__‚ryanf, thua\‚ryauf taiii milti’)
I‘ pegea‘ a guldig’s G’wänt
Hänt.
Unt a silba'ni Nuss in t‘ Hänt.
Oe.
A. Oe.
216. Niglä, Niglä, tu schaina‘ Heer‘,
2ll. Niglä, Niglä, tu schaina‘ Hea‘, Leig‘yaiii, läg'yaiii, wäs i‘ pegea‘.
Leig‘vaiü, leig’vaiii, wäs i’ pegea‘. I‘ pegea’ an Rous'nkränz
Wäs i‘ pegea‘ ? A guldig‘s G'wänt, Unt a guldichi Nuss in t‘ Hänt.
Unt gip uns an guldich’n Strauss in t’ Hänt.
Oe.
Oe.
217. Niglä, Niglä, tu schaina’ Hea‘,
212. Nigh‘i. Niglz't, leig‘vaiii, leig'yaiii! Leig‘vaiii‚ lüg‘yaiii, wä.s i‘ pegea‘.
Wäs i’ pegea“? A Rous'npänt Wäs i‘ pegea"? A Rous'ng‘wa‘lnt
Unt a guldichi Nuss in t‘ Hänt. Unt a gnldichi Nuss in t' Hänt.
Oe. Oe.

218. Niglä, Niglä, tu schaina’ Hea‘,


213. Niglä, Niglä, tu schaina‘ Bea‘,
Leig'vaix'l, leig‘vaiii‚ wäs i‘ pegea'.
Löig‘_aiii‚ lüg‘__‚aiii‚ wäs i‘ pegca‘!
I’ pegea’ a guldini Ua’
l‘ pegea‘ a guldig's Pänt,
Däs geht durch's gänzi Länt. Unt a gnldig‘s Pänt tazna
Auf t‘ Hänt.
Oe. Oe.

214. Niglz'i, Niglä, tu schaina‘ Herr’, 219. Nigh‘i, Niglä, leig‘vaifi,


L6ig1_‚aiü, lölg'yaiii, wäs i’ pegea’! Wäs i‘ pegea‘, g‘hea't maiü:
I’ pegea' a guldig’s Paint A guldig’s G'wänt,
Unt a guldichi Nuss in t’ Hänt. A Nuss auf t‘ Hänt.
Oe. Oe.

l) Böhmen. _—- ‘_) Sonnen-Grossvater. In diesem Versehen aus Mörbisch wird die
Sonne als männhch, im v1ertvorhergehenden aus Agendorf und Oedenburg als weiblich auf
gefasst. — ’) mlld8.
16 Blinker.

210~ Niglä, Niglü, tu schaina' Bea‘, C_ B e i m M a c |, e n d e 1- „p e 1 f e r _ i)


Leig'vaifi, leig‘vaiü‚ wäs i‘ pegea‘ : Pfeife n*_
Zuga‘,
Isst ta'') Hans'l
Zuga‘, gi'ta’
Mänd'lkea‘n
soll gea'n. 228~ Fölra‘ Föllfll' gehh
Sunst wia‘f i‘ ti‘ in See.
M. Oe. W.
G0. Oe.
221- Niglä, Niglä, tu schaina‘ Hea',
I.tfig‘yaiii, leig‘vaiii, wäs i‘ pegea‘: 229~ Fälül‘. Fülfn‘, geh‘.
Eipll, Pia‘n unt Nuss Geh‘ mit mia‘ in Schnee.
Mächt ma‘ käan Va‘druss. M Oe‚
G0. H. Oe. W.
'Ä’1l~ Felfa‘, Felfa‘, geh‘,
221 l.ll 561131118‘ Hea‘, Geh‘ ]ni{ mia‘ zan See‘
Lfll(lll‘_jlli, lÖlCll'yfl.lii, WäS l‘ pegea‘, Geh‘ n]il‚ mia" in ‘5 Unga'lfint‚
Guldiclii Nuss unt K(äist'n‚ ') Kriagst a Pampal| päm, päm’ päm_
Tel wea’ ma‘ mitanända‘ eiss’n. A. 08_

2‘ß- 1.63ig‘
Niglfi,ma‘
Niglii, tu schaina‘
aifi, löig‘ ma‘ aiü,Bea‘,
wäs i’ pegen’, I231‚ ,. . ‚. See

Str'ück' aus, striik' aus taiü müldi Hz°mt, In Unga»n untv sah—l K;.utz‚n,.)
Leih" mal all." lag‘ ma‘ alfi a guldll5's Tei wea‘n tar\‚‘n Schäat a‘i'stutz‘n.
Pfmt. Pi. M. Oe.

B. Zum Christkind. „_„~_, Fahl,’ Farn,’ geh,‘


224— Liebes, liebes Christkindlein, Geh’ mit min’ in See.
Leg‘ mir gute Sachen ein; Geh’ mit mia‘ in ‘s Unga'länt,
Aepfel‚ Bim'n und Nuss In Unga‘länt saiü Krutz'n,
Macht mir kein Verdruss. W821'n d'l‘yll] ä‘Sll'lll’l'l.

K. Oe. W. Oe.

225- Christkindlein, 23;;_ Fäuaa' Felfav, geh‘.

Komm‘ herein Geh’ mit mia‘ zan See,


Mit dem weise“ meide’ Geh‘ mit mia‘ in ‘s Unga‘la'tnt,
Mach‘ uns viele Freude. Tua.t sah-l ü Krulz.n'
K. Oe. Tei wea‘n d'r ‘s Lou‘ auspntz'n.
Oe.
216~ Christkind, komm’ in ‘s Haus,
Leer‘ die grbsse Tasche aus,
‘ß4- Felfa'-. Felfh‘hölz‘l,
Bring‘ dem Kindlein nur so viel,
Lai' ma' taini Pölz‘l.
Als es haben will. L.
Wännst ma‘ ‘s ni‘t wüllst laicha',
Wiar„i‘ tia‘ ‘s äwa‘straicha‘
2“-’7- Christkindlein bin ich genannt,
lwar 'n Pug‘l, iwar ‘n Äasch,
Den frommen Kindern wohl bekannt,
\Vea’n taini Pülz‘l wäach.
Die früh aufsteh'n und beten gern,
Den‘n wird das Christkind all‘s bescher‘n. G0- 08
Die aber grobe Holzböck’ sein
Und schlagen Brüder und Schwesterlein, 5:55, Hammal’ s) gamma], pipo‚
Die kommen nicht in Himmel hinein, Schlägv tav Kotz in Tritt o‘
Die schlagt der Tod in d‘ Höll’ hinein. Iwav in Schwäaf’ iwa‘ ‘n K'cmpf'
G0. H. K. Oe. Täss maiii Pfeifal geifi sull. G0.

') Zucker. — 2) Kastanien. —' 3) Weide. -— ‘) Kuruczen. — ‘) Hammer (Dim.).


Heaiizische Kinderreime. 17

236. Pfeifal, Pfeifal geh’, E. Beim Händepaschen.


Sunst wia‘f i‘ ti‘ in Schnee,
243. Päsch Handal zäm,
Sunst wia‘f i‘ ti‘ in Schinta‘s Käa'n, ‘)
Täss ti‘ t' Jud'n älli 1'2ia‘n. Päsch Handal zäm!
In ta‘ Kiara‘ 1) sitz an olta' Pett’lmauü, Wäs wia’t ta‘ 'äda‘ pringa'?
Tea‘ hat a roth's Schnichal auü, Pa°ta‘ rädi Schui
Geh‘, ea‘ sull ma‘ ‘s leiha', Unt Strimpf tazni,
Pfeifal, Pfeifal slreicha‘, 'l‘fi wia’t täs Kindal springa‘.
Mülli“) Sanft ‘) göib'm, A. Ga. G0. H. K. L. M. N. Oe. Pi.
Sauft Mlilli‘ göib'm,
Mülli‘ is‘ scha’ g‘sout‘n,
D. Beim Fingerabzählen.
Fleisch is‘ scha‘ 'prout‘n. G0.
244. Paua’, Pairin. Knecht, Tia‘n,
'- Fälfa’, Felfa' geh’!
Wutzal") in ta‘ Wiag‘n.
Geh‘ mit mia' zan See,
Geh‘ mit mia' in ‘s Oui‘nwink'l, Ga. N. Oe.
Geh‘ mit mia’ in Krautsting‘l! 7
- Täs is ta’ Paua‘,
Eck'l, eck'l Felfa',
Täs is‘ ti Pairin,
Teiii Väta" is‘ ta‘ Stelh’fl) H.
Täs is‘ ta‘ Knecht,
Zieh zäifi,°) zieh zauii, Täs is‘ ti Tia'n
Zui ta Kätz t‘ Haut ä’, Unt tz'ts is‘ 's Wuzal in ta‘ Wiag‘n. L.
Wia'f ‘s üba’ "n Gräb‘m,
Fräiss’n s‘ t‘ Bunt’ unt Mäd‘n. H. 246. V0da', Muida‘, Knecht, Tia'n.
Wuzi-Wuzi in ta‘ Wiag‘n. G0.
23’. Trai 7) Miazeleiü, trai Miazeleifl,
Leih‘ mia‘ teini Höseleiii, ‘247. Tea’ hät'n g‘seg’n (Daumen),
Wia‘ tia‘ s’ vull aufiprunz’n, schwww. H.
Tä isya tua'chg‘räinnt (Zwischen
‘.240. Felwa‘, Fülwa’, geh’, Daumen und Zeigefinger),
Geh‘ mit‘ mia’ in See, Tee.’ hät ‘n g’schouss’n (Zeigefinger),
Geh‘ mit mia‘ in Ouf'nwink‘l, Tea‘ hät. ‘n ‘praut‘n (Mittelfinger),
Geh‘ mit mia‘ in Krautsting‘l! Tee.‘ hz‘it ‘n gaiss'n (Ringfinger)
Eck'l, eck'l, Felwa', Unt ‘s kläani Wutzal (kleine Finger)
Teiü Väta‘ is‘ a Stella'. In ta‘ Wiag‘n
Zi zau, zi zau, Kriagt niks!
Zui ma‘ ta’ Kätz t‘ Haut ä‘, A. G0. K. N. Oe.
Wea'f ma‘ s‘ iwa' ‘n Gräb’m,
Fr‘öiss'n ‘s t‘ Hunt' unt Räb‘m. ‘.348. Tee‘ hät ‘n g’schouss‘n,
Frau Miazelaiii, Frau Miazelaiii, Tee.‘ hät ‘n huam‘träg‘n,
Laich’ ma‘ taini Heifelaiii! Tea’ hält ‘n prout‘n,
Wauii t‘ ma‘ s‘ ni‘t wüllst laicha’, Tee‘ hält ‘n g‘gäiss’n,
Wia’ i‘ ta‘ ‘s schauü aufistraicha‘l A. Unt ‘s kluani Wutz'l hält g’sägt:
Mil-Mauül,
D. B eim Abzählen der Kn öpfe. Gibvmar a‘ a Stick‘l lavoufi_ H_
241- l:iirl‘lmauii. Peid‘lmauii,
Kaisa'‚ Peitschaissa‘. ‘149- Tea' is‘ in P5.‘ g'fäll’n,
G„_ Ga_ N Oe_ Tea‘ hz‘i.t ‘n aussa‘zoug'n,
Tee‘ hät ‘n trick’at,
242- Edele, pedele, Tee.‘ hät ‘n i‘ ‘s Peitt g’löigt
G‘schnipft, g‘stuhl‘n, ‘kaft. M. Unt ‘s klua‘Wntz’lhz'it. ‘n aufg‘wäickt. H.

1) Karren. —— 2) Kirche. — J) Milch. - ‘) Saft. -- ‘) Stehler = Dieb. — °) bedeutet


wohl „ziehet an!“ — 7) Treu. — a) kleines Kind.
Zeitschrift für österr. Volkskunde.
18 Bänker.

2.30. Ta‘ Paua‘ is‘ in ‘s Wässa‘ g’fäll‘n, 253- Eng‚ eng. eng, eng,
Ti Pairin höut ‘n aussa’zaht, Maiii Lou’ is‘ ma‘ z'eng.
Ta' Knecht höut ‘n haamg‘fia't, Geh‘ i‘ zan Schmit,
Ti Gret’l höut ‘n in 's Peitt g‘läigt l\lz°rcht a‘ ma‘ ‘s ni‘t,
Unt ‘s kloani Wuzal in ta‘ Wiag‘n höut’ n Geh‘ i‘ zan Schnaida',
aufg‘wöickt. L. Mächt a‘ ma' ‘s waita‘. H.

‘251. Teis is‘ ta’ Tama’,


'I‘ea' peit’lt ti Pama', G. Wenn die Meise singt.
Test’ klaup' t‘ Aeipt"l zämma',
- Zizihel, zizibel,
Tea’ isst s‘
Wia't schaufi pält Summa‘ we‘n.
Unt ‘s kluani Wutzal
Ga. L. N. Oe.
Kriagt nix! G0.
- Zizibel, zizibel,
E. Wenn die Glocke klingt. Reiokt ‘n Äa‘sch in t‘ lieh’. H.
252. Pimbalaum,
Ta’ Pfäft" is‘ kraufik, ‘261. Zizipöi, zizipöi
Ta‘ M6isna' lait‘t, Sitzt in mair'r Gäa't’n.
Ti Kui schreit: muh! Wauü ti schaifi Resal kimmpt,
G0. K. L. M. Oe. Säg' si sull wäa‘l’n
u. s. w. wie Nr. 11. L.
253. Klingalang,
Ta‘ Pfäfl" is‘ kräiik,
262. Zizipe, zizipe,
Ta' Mt‘zissna‘ lait't,
Zeial is‘ kränk.
Ti Gäas schrait. H.
Geh'n ma’ zun Bfida‘,
' - Pim, pam. pam, Läss’ m11‘ iam Äda‘. N.
Häwa‘sträh,
Ptaift u.‘ Nig'l, 26'. Stieglitz, Stieglitz,
Tänzt ta’ Fläh. ’s Zaisal is‘ krfink.
K. M. Oe. Pi. W. Geh’yma‘ zan Päda’,
Liiss’ ma' eam Äda‘.
- Klingg‘l. klangg‘l,
G'öib' mn' cum Mz'md‘lkea‘n,
Schlechti Schlang'l, Wia‘t schu’ wieda‘ pöissa’ wea‘n. L.
Kaimmts z‘sa‘imm‘,
l‘ lait‘ z‘sämm'.
H. Wenn die Schwalbe singt.
K. L. Oe. Pi. W.
964~ Wiayryi‘ ina'tg’floug'n.
Wenn das Posthorn ertönt. Sair'x älli Kist'n, Kast‘n vull g‘w6in,
- Tra-ta-ta, häst Aeipi’l g‘stul'n, Wiavrvi‘ pi‘ k6imma’,
Tra-ta-ta, Pia‘n a‘,
Saiii älli Kist'n, Kast‘n la“ g'wein,
Kriagst as mit ta' Hiata‘tull’n, I) Häb'm ‘s t’ ält’n Waiwa’
Tra-ta-ta-ta-ta! G0. Äll‘s va‘tritsch‘lt unt va'tratsch‘lt. L.

' Trai T11‘, 2) trai T'.°t‘ I. Wenn man die Eisenbahn sieht.
Geh’ i' ni't huam,
Hät mi‘ maiii Väta‘ g’schläg'n, 265- Eis‘npähn, Eis‘npähn,
Wiaryi’ ‘s ta‘ Muida' säg‘n. Loukomotiv,
Trai Tä.‘‚ trai T3.‘ Wäunst zu maifi Schätze] kimmst,
Geh‘ i‘ ni‘t huam. H. Mäch‘ nie.‘ an Pfiit'f. H.

1) Hüterhorn. Dieses Versehen wird ursprünglich angewendet werden sein, wenn


der Weingartenhüter sein (Rocks-f’) Horn ertönen liess. — 2) drei Tage lang.
Hear'izische Kinderreime. 19

Auszählreime.
..
- Aar‘rs, zwäa, trar, ‘17.3’. In ta‘ Trinklgz'iss'n
Piga', Päga, Hai, 1) Steht. a vnlli Fläsch‘n,
Piga, Päga, Püs'nstüll, Saufts aus, trinkts aus,
Sitztva Mandat auf ta‘ Müll‘, Schlechta' Kea‘l, tu pist trausst!
Hätya strewas ’) Hiatal auf. Oe. W.
Umatum vull Föida‘l t‘rauf.
274. In ta‘ Klziar'r Gäss‘n 3)
G0. M. N. Oe. Pi.
Steht a vulli Flaisch’n,
ää- ° _‚
Aans, zwäa, trar,
.
Saut, saut‘, saut,
Piga, päga, hai, Tu pist trausst. Oe.
Piga, päga, Häwa‘sträh,
Pfaitt ta’ Nig‘l, tänzt ta‘ Fläh. Oe. . As‘l, Was'l,
Tumes-Glas’l,
‘.268. Äaiis, zwäa, trai, Witz, wutz,
Wiga, Wäg‘a, Hai, Aussig‘stutzt.
Wiga, Wäga, Häwa‘nsträlr; Bädi Huus'n,
Wia vüll Pniwan stänga‘ tä‘.’ M. Plaui Strimpf’,
Pfui Taixl,
269. Ta‘ Hans‘l hätgin Zeiga‘ g'schiss'n, Tua’t stinkt ‘s!
Wia vüll Leicha’ hätya piss’n‘? K. L. Oe. W.
Äar'1s, zwäa, trai, In N. sind nur die 4 ersten Zeilen bekannt.
Tu pist frai!
Oe. ‘176: As‘l, Was‘l,
Tomes-Glas’l,
270. Adam is‘ in Gäat‘n g'gänga', Witz, wutz,
‚Wia vüll Vö'ig‘l hät_‚a‘ g‘fäuga' ‘.’
Aussig‘stutzt.
Äaüs, zwai, trai, Aus‚ trausst
Tu pist frai! Pist. tu gestutzt!
G0. H. K. L. N. Oe. Pi. W. K. Oe. W.
271. Äat'rs, zwai, trai‚ via’, ‘277. As‘l, was'l,
Sitzt a Mandal auf ta‘ Thia', Tommas-Glas'l,
Trumm‘lt mit ta‘ Trnmm’l aus. Witz, wutz,
Pimpal, pampal, tu pist trausst. Aussig‘stutlt! G0.
Oe.
“ .
278. Äar'is, zwäa, trai, via, fünf, söiks, siem,
- Aans, zwäa, trar,
ficht, naiü,
Auf ta‘ Pulizai
Wea‘ aussi keirnma wüll, tea' still ‘s saiii.
Is’ya kläanas Kind gepäi.a‘n. Ast’l, Wast‘l, damisch‘ Kast’l,
Wia sull ‘s häass‘n? Witz, wutz, aussi g'stutzt! M.
Katharina Rump‘ltäsch'n.
Wea’ sull ti Wind'l wäsch‘n? 279. As'l, Was‘l,
l’ ouda tu ‘P Seim‘l, Glas’l,
T'üi Tröicksau pist tu! Itz, utz,
L. M. Oe. Aussig’stutzt. Pi.

‘) Piga, Päga ist jedenfalls aus dem Wortspiele Wiga, Wäga des nachfolgenden
Verses entstanden. Ich glaube, es dürfte dort von einem Wagen Heu und einem Wagen
Haferstruh die Rede sein. — ’) strohernes. —- ‘) „Kleine Gasse", eine Gasse in Oedenhurg.
Im vorstehenden Versehen ist von einer „Trinklgasse“ die Rede. Eine Gasse dieses Namens
gibt es jedoch weder in Oedenbnrg noch in Weppersdorf, in welch beiden Orten dies
Versehen in der angegebenen Fassung bekannt ist.
a‘
20 Blinker.

28°- Äans, zwäa, trai, via’, finf, 285~ Äaüs, zwäa, trai,
Strick‘ mar,_‚a Päa.‘ Strimpf', Piga, päga, Hai,
Nit kräd, nit klein, ‘Piga, päga, Häwa‘sträh,
Tänn pist tu ka‘ Üiselein. Lieg‘n via’zühn Kinda‘ tä.
Oe. Liegt a Fisch auf ‘n Tisch.
2‘3I. Bekalj‚ peckaljy schämrnymi ni’[y lI Kä‚i.Z’, frisst in Fisch,
Kraut um Ruib'm mächvi‘ ni’t, Kimmpt ta‘ Kellna’ mit ta' Fläsch‘n,
Kläani Fischal iss i‘ gea‘n, Glpt ta’ Kätz‘ a rechti Täsch‘n'
Kliagyi ni't v0‘ mainan Hea‘n. Kätz’ schrait ‚miauü l“
Hea'n gen8an in (;ä-,fmy ’s Prad’l is’ schä praufi.
Spül'n s‘ mit ti Käa‘tn. G0. L. M. Oe. W.
Frau'n gengan in Gäa't'n,
Spül'n s‘ mit ti Plimelain. w,~ Eckati, peckati' Timvnfäss’
Kimm‘ ta’ {im Gukesmäni Geh’ in t’ Schul‘ unt lea’ne wäs,
Hät “ g‘schiss‘n‘s Heimat auf‘, Wänn tu Wäs gelea’net häst,
Geht zan f’ru_mm unt wäscht si’ ‘s aus, Kim zu Haus um mich. ma. täs.
Mach‘ “ Ems‘ ;°“äe‘am“s' Ga. G0. H. K. L. M. N. Oe. Pi. w.
Aus dem vorstehendenAuszählreim fehlen
in H. die 3., 4., 7. und s. Zeile. _. pe‘““‘"
' E“““’ ‚~,..,
“‘ e" ,~.~
“”’
Geh‘ in t‘ Schul’ unt lern’ was.
232 Äaüs, zwei, trai, Wann du was gelernt hast,
Pika, paka, Hai, Komm‘ zu mir unt sag‘ mir was.
Pike, paka, Häwa'nsträh, Ere, Spöick,
Wia vül Puiwan stöinga‘ tä‘? 'l‘u kimmst va’ mia weich. H.
(Der Gefragte gibt eine Zahl an,
z. B. 5. Hierauf wird in der Runde. bis 5 288. Tamaläng.d a) Hans‘l’
gezählt. Der, auf den die Zahl 5 fällt, Mud‘llicki 4) Tia'n,
ist ausgezählt) M- Geh‘ mit mia’ in Gäa‘tn,
w- Uaiis, zwäa, trai, ‘ Schitt’l ma‘ ti Pia'n,
. „ . „
Niada noratai. 1) T1 grass’n unt t1 klaana’.
A niada nona Pfeiflh‘käa‘n. Mach’ m3’ ‘S S.“?kill "““
Müllna‘ hät saiii Wai’ valäa‘n, Unt aem‚mrf wwda hämm
Manra', tea' hiit s‘ g'f'und’n. Oe.
Maus kia't t‘ Stub'm aus,
Keil‘ houckt am Poud‘n‚ 289- Unsa’ Kätz hät Katz’l a‘häpb
spinnt im E>'uldlg‚n Fad'n- Siemi, ächti, naini.
Klmmp‘ m ‚luk‘fs'l‘ukas'l‘huu’ Äaiis hät schwfiazi Pratzal g‘hiipt,
Halt a p'sclnss‘m Hous‘n aufi, Täs wäa‚ täs maini_
Geht zan Gränt unt wäscht si’ aus, _
Mächt a sauri Supp'm t‘raus. G0. G0‘ K‘ L‘ M' 08' P1‘ W'

Pichai pächai Häwa‘strä” 290. Insa‘ Kotz’ hot Katz‘l kriagt,


Väda.’ iS’ 8 Schnitza’. Trei säicksi, neini_
Sf:hm‘z_tval ‘mal’: a Hulz’ Uafis bot kna’ Schwäafal g’hopt,
zlachv‘ m’ m S Hulz’s') Muiss nou'mäl eini. Go.
Ziachyi mi’ in’s greani Gräs,
Schau, Vä.da,r wä=_ 1s
‘ ‘ "‘
tas 9
. ‚NL Unsa, Kotz bot Katza1 g‚hop‚
Täs is‘ a waissa’ Häs‘.
Trai, viari, fimfi.
Pifl', paff, puff! Oas bot pan Lou’ a Ring’l g‘hop',
l’ schuiss’ ti' auf ti Nils‘.
Unt tos woa‘ tos Plindi. M.
_ Oe.
1) Narretei ? 0d. ‘n iada’ nä’ ta.’ Bai (ein jeder nach der Reihe) ‘? — 2) In den Wald. -—
’) daumenlanger. -—— ‘) sehr dicke; man sagt auch „mud‘lsauwa“ = sehr schön.
Hear‘izische Kinderreime. -

292- Ein Schmied wollt‘ ein Pferd beschlagen; 298. Angati‚ wangati, zugatime,
Wie viel Nägel muss er haben? Aberi, fabari, ta pin i‘ eh;
Eins, zwei, drei, Iss täs Prot in ta.‘ Noth,
Du bist frei. G0. H. Fingas fangas, tu pist todt. G0.
(Dieser hochdeutsche Reim ist jeden
falls dem Volksmunde entnommen; am - Ekati, pekati, zugatime,
Millstätter See in Oberkärnten heisst Abi, babl, tomene‚
dieser Vers in der Mundart: Rectus spectus pumpelatus,
Schmied‘l, Schmied‘l, Boss beschläg'n! Heuer, Feuer, Pumm. H.
,Wia vüll Näg’l wüllst du häb‘m‘?‘
Der Gefragte nennt eine beliebige Zahl, - Elrati, pekati, zukatimä,
z. B. 7. Es wird nun bis sieben weiter Abi, fabi, dominä,
gezählt und Der, auf den die Zahl 7 fällt,
Oelz, pölz Nuss,
tritt als ausgezählt aus dem Kreise.) Drauss‘ pist tus. N.

291.
.». Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, ‘.501. Eckati, peekati, zuckati me,

Eine alte Frau kocht Rüben, Awi schwawi, domine,


Eine alte Frau kocht Speck, Ekttes Prot, pfinni Noth,
Pimperl, pamperl, Ptinni, pfanni, trausst! Pi.
Du bist. weg. Oe.
302. Atu tataru, siwi wawi kawaru, cawarata,
comislata prinz!
‚ Auf dem Berg ist ein Baum,
Oe.
Auf dem Baum ist ein Nest,
In dem Nest ist ein Ei,
In dem Ei ist ein Blut; - Arum parum pampalista,
Wer das Blut sanft, Schemtsche gotsche toronista,
Der ist ein wahrer Jud'. H. Hippie hupplä wassa puppli,
Ja win — kä.
Oe.
s;'- Mein Vater hat ein Haus gekauft.
In dem Haus war ein Garten,
In dem Garten war ein Baum, ‚ .\ninga staninga suprahe.
In dem Baum war ein Loch, Tingi tangi tamrane,
In dem Loch war ein Nest, Kaisa neka, zinka peka. Drausst!
In dem Nest war ein Ei, Oe. P.
In dem Ei war ein Dotter,
In dem Dotter war eine Uhr. ‚ Ingi, angi o,
Die Uhr schlägt: eins, zwei, drei. Capitanio,
Du bist frei. Oe. Zintrawelle, zintrawelle,
Tink trank tro. A.

296. Mair'i Väda’ hät a Taub'm g'schouss’n,


Halt a‘ s‘ trouft'n äda‘ ni‘t‘? - Ate, tute, sivane juhe,
Piff, paff, pul'f, Etveri, ketveri,
Trausst pist tus. Ga. N. Kirikari käps. G0.

28-i ‚ Itza, witza, Stecka‘ spitze‘, 307. Emek, semek,


Enna, wenna, Taub’m renna‘. Atrivutsch,
Kai‘ ma‘ ins a schwäa‘zi Kui, Kiatz’ntrutsch,
Ten Treick, ten i’ scheiss’, frisst tut G0. . Pouckati Gäas. G0.
22 Bänker.

Stabreime.
305. llIüllna'-Mich‘l‚ mähl‘ mia’ maiii Meitz'n 31‘-’- Ta‘ Tull-Tina.‘ trägt ten Tull-Tina‘ durch
Muntmöhl. ‘s Täa‘f tua’ch.
G0. L. M. Oe. G0. Oe.

BUS). Mai‘ Müllna‘-Michal wählt mia‘ mai‘ 313- Kuaii kluaü‘s Kint kauft kuaii kluaüs
Mas‘l Mundmähl. W. Kintskou‘ koucha‘. Go.

314- Kein kleines Kind kann kein Kl.llfl.ll‘lll


310. Hinta Hiasas Hiizat-Haus koch kochen. L
Henga‘ hunna‘t Hundshait heraust.
Go_ A. H. W ‚Kein Kind kann keinem kleinen Rinde
kein Koch kochen. H.

311. Hinta‘ ‘s Hälta’s Hundshaus hänga' 3116~ Wenn Wasser Wein wäre, wo würden
hunda’t hundshaitani Höus'n heraus. L. Wiener Weiber Windeln waschen? H.

Schnellsprechsätze.
317. Pui, mäch Tia’ Zui! 319- Rechnitzerische ’) Schuisul'n.’) L.
Sull i‘ an ‚Pui, mäch Tia‘ Zui‘ saiü 3m Hinta‘ maiii's Väda‘n sair'i Städl steht a
Pni saiii‘? L.
Ribam, Rebam, Regements-Pelz-Kea'sch
Pfea‘scha‘pam; Wea‘ tein Ribam, Rebam,
318. Stieg’l hal is, Peick fal l) is‘, Regements-Pelz—Kea‘sch‘- Pfea‘scha'pam
Peick untas, Ka°ta‘b ouwa‘s. L. neinna‘ kauii, täs is‘ a prava‘ Mauii. Pö.

Verschiedenes.
321. l’ piii‚a kläan's Pinkal Guglhpfal ") am Täch,
Unt stell’ mi‘ in’s Winkal, Wea‘ schmutzt, wea‘ lächt,
Unt wail i‘ niks kauii, Wea‘ ‘s Zandal haa‘räickt,
Sou reiuu‘ i’ tavauii. Muiss Pfandal haa’gäib‘m.
A. Ga. G0. H. K. L. M. N. Oe. A. L. M. Oe.

322. l’ pin a kluaüs Pinkal 326‚ Guglhupfal am Täch,


Wea‘ schmutzt, wea‘ licht,
Unt ställ’ mi‘ in ‘s Winkal
Wea‘ ti Zent hea'reckt,
Unt weil i‘ nix kauii,
Sou fäng' i‘ nix aufi. G0. Pi. Muiss a Pfänt hea‘göih'm. G0.

327- Kruicht a Maisal,


323. l‘ pin a kluaüs Pinkal, Suicht a Haisal,
l‘ stöll‘ mi‘ in ‘s Winkal, Wou wia't ‘s räst‘n?
Maiii Wuntsch is‘ noch klein, Tä in tein Käst‘n. H.
Auf ’s Jäa‘ sull a‘ schoun gressa‘ saiii.
11~ 32a. I’ päiii_‚a kläaua’ Hau’l'ängkiara‘,
I’ peiiiya kläana‘ Pui.
324. Wea‘ rumplt ‘) am Poud‘n? I‘ geh’ in Gass’l auf und ä‘,
Ti kläafi Madal saifi oub’m, Unt kia‘ anyiad'n Rau‘fäug ä‘,
Unt. ti Puib'm a’ tapai,
Hi, ha, hä‚ ta‘ Rau’fängkiara‘ is‘ tä.
Töi mächa' t‘ Rumplarai. Oe.
G0. Oe.

‘) faul. — 2) Rechnitz, ein Markttlecken im Eisenburger Comitat. —— 3) Schuhsohlen.


‘) poltert. — 5) Gugelhupf, ein Kuchen.
Heaiizische Kinderreime. 23

329. Räthi, räthi Sail‘n, 339. Uaüs, zwäa, trei, via‘,


Tu sullst fail‘n. l) H. Guldig‘s Popia‘.
Uais, zwäa, finf,
Bäthi, rzillri Rinne’,
Tu sullst g‘winna’. l) H. Guldigi Päa.‘ Strimpi.
Uaiis, zwäa, söicks,
2"3l . Is‘ ta‘ hält, T‘ Stodt is‘ g'söitzt.
Schluif in Wäld; Uafis, zwäa, sieb‘m,
Is‘ ta‘ wäa‘m, Ti Stodt is‘ p‘stimm‘.
Schluif in t‘ Gäa‘b’m. H. Uais, zwäa, ächt,
Ti Stodt is‘ g'mächt.
3112. Is‘ ta‘ hält, Uaüs, zwäa, naiii.
Schluif in Wält,
Ti Stodt kea't maiii.
Is‘ ta‘ wä‚a‘m,
Uaiis, zwiia, zin’,
Schluif in t‘ Gäa‘m,
Ti Stodt kea't tia'. G0.
Is‘ ta‘ husch,
Schluif' in t’ Nuss. M.
- 10, 20, 30,
333. Vater unser, ach herjeh! Knabe, du bist fleissig.
Kommt der Engel Gabriel, 40, 50, 60,
Fragt: Wo sind die Brüder‘? Knabe, du bist prächtig.
Die Brüder sind gestorben, 70, 80, 90,
Der Vater ist verdorben. Knabe, du bist einzig.
Kritsch, kratsch, kralawatsch, 100, 1000, 1,000.000‚
Krantstingel. Amen. H. Knabe, du verdienst die Kron'. Oe.

- Aafis, zwäa, trai,


Wiga, wäga, Hai, SH]. Seiks mäl söiks is‘ söiksa'traissich,

Wi a w:wa Hawa'sträh
, c 7 7
Is‘ ta‘ Leara' neu‘ sou flaissich,
Mäaring häb‘m ma‘ Kiritä'. H. Saiii ti Kinder.‘ neu‘ sou tumm.
Geht tiis Stawal umatnm. Pi.
CH’) . Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben,
Gott hat mir den Brief geschrieben. 342 Hinta‘ zweiü Waiks‘lpam
Wenn ich wüsste, wo er ist, Sitz‘n zweiii Häs‘n;
Hätt‘ ich ihm die Hand geküsst. Oe. Uana‘ tuit Zita'n schläg‘n,
I Hi.
Uana' tuit pläs‘n.
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben,
Gott hat mir drei Brief geschrieben, Rait‘t a Suldzlt tahea‘,
Ein‘n für mich, ein’n für dich, Hout ‘n vatrouss‘n,
Ein‘n für Karl Ulerich. Oe. Nimmt ti Pistul'n heraus,
Haut ‘n ta‘schouss‘n. H.
337. Uns, zwäa, trai,
Via‘, finf, stäicks, sieb‘m, 2i43. Trai Ril, trat Ba‘l,
Karl Friederich Wou roud‘lt') ta‘ Wäg'n?
Hat für mich Wou we'n ta‘ mia’ mäaring
Einen Brief geschrieben; Spazia'n liiü fäd‘n?
Einen für mich,
Tua‘t aussi, tua’t äwi,
Einen für dich,
Zan guldinga‘ Haus.
Einen für Karl Friederich. G0.
Tuat schauii trai Mad‘l
338. Äaiis, zwäa, trai, via’, fini’, säiks, sieb‘m, Pan Feinste‘ hearaus.
Ächt, nain, zein, elf, zwölf, traizen. Ti ea‘schti is‘ puklat, 3)
Fäaren wia' näeh Waitzen, Ti zwaiti is’ plint,
Fäaren wia’ näch Pol‘n, Ti tritti is‘ sauwa', ‘)
'I'a' Gugug soll ti‘ hol‘n. Oe. Tei kriagt a kluaii‘s Kint. H.

‘) Beschwörungsformeln, die von den Kindern beim Spiele angewendet werden, um


Glück oder Missgeschick zu erzielen. —— 2) rasselt. — a) buckehg. —- ‘) sauber, schön.
24 Bänker.

Maii'r Voda’ is‘ an olta' Maufi, Gölt häw‘ i‘ Wia't g'gäih’m,


Simpa’l‘) stricke "l kauft a’ schaur‘r. Wia't hät ma‘ Waifi g‘göib‘m,
Geht täs Gass"l auf unt o‘. Waiii hz‘i.w‘ i’ trunga‘,
Schrait: Kaft ‘s ma‘ Simpa‘l 0', ‘s Glas‘l is‘ va’sunga'. A. L.
Simpa'l sair'i ni‘t teija’,
‘s Tutza‘t um an Treija‘, ‘347. G‘sumpta‘ Peis‘n,
‘s Tutzat um an Simma‘, Wou pist g‘wöis'n‘?
L(eickt ‘s ma‘ ‘n Äa‘sch Pa maiü Schutz in Gaiat'n.
Unt keimmpt ‘s nimma'! Go. Wos host trieb’m‘?
Keig‘l g‘schieb‘m,
Hob‘ mair'i Schotz
- I‘ peiiivamäl auf Weaü g’fäa'n
Ti Zait va'trieb‘m.
Unt häb‘yan räd’n Pouck valäa’n
Muida’ hat Kreizal g'giäib'm,
Unt häb‘y‘n neamma‘ g‘funt‘n.
Kreizal hob’ i‘ Pöcka‘ g‘göih‘m,
Um a Kraitzal häb' i’ Säimm'l g‘kal‘l,
Pöcka’ bot ma‘ Möhl g‘göib‘m,
Seimm’l häb’ i‘ Mähda‘ gaib’m,
Möhl hob’ i‘ Muida’ g‘gäib‘m,
Mähda‘ hz‘it ma‘ Hai gaib‘m,
Muida‘ hot ma‘ Krapfal g’gtäib‘m,
Hai hitb’ i Kuisal’) gaib‘rn,
Krapfal hob‘ i‘ Voda' g‘göib’m,
Knisal hät ma‘ Multi ‘) gaib’m.
Voda' hii.t ma‘ Stawal g‘gäib'm,
Mülli häb' i Katzal gaib’m,
Stawal hob’ i’ Leara' g’gäib’m,
Katzal hät ma‘ Schmea‘ 5) gaib‘m,
Leara‘ hot ma‘ Patzal g'göib'm,
Schmea' häb‘ i‘ Sau gaib‘m‚
San hät ma‘ Pea‘schta‘ ß) gaib‘m, Patzal bot mi‘ piss‘n,
Hob‘ in t‘ Hous'n g'schiss'n. Ga.
Peä‘schta.‘ häb' i’ Schuista‘ gaib‘m,
Schuista‘ hät ma‘ Schui‘ gaib‘m,
Schui‘ häb’ i‘ Frau gaib’m, - Es war einmal ein Mann,
Frau hät ma‘ Gelt gaib‘m‚ Der hatte einen Schwamm,
Gelt häb‘ i’ \-Via‘t gaib'm, Der Schwamm war ihm zu nass,
Wia't. hät ma‘ Waii'r gaib‘m, Da ging er auf die Gass‘,
Waiü häb‘ i‘ trunga’, Die Gase’ war ihm zu kalt,
Mit ‘n Tisch is‘ Glas‘l va’sunga‘. Da ging er in den Wald,
Der Wald war ihm zu grün,
Ga. G0. H. M. Oe. Pi. Da. ging er nach Berlin,
Berlin war ihm zu klein,
- Enta's’) Grab'm, hearenta‘s 8) Gräb'm Da ging er wieder heim,
Häw‘ i‘ an olti Kui‘ va‘loa‘n, Und legte sich in ‘s Bettelein
Pin i‘ s‘ suicha' g‘gz'rnga‘, Und schläft jetzt wie ein Eselein.
Häw’ an Kraiza‘ g‘i‘undt’n. Go. H. Oe.
Kraizal häw’ i’ Sichel °) ‘kaft,
Sichal häw‘ i’ Gräs g‘maht, 349. Mäaring steh‘ i‘ t‘ria auf,
Griis häw‘ i‘ Kuisal g’göib'm, Traiw‘ i‘ Schöut unt Kia. aus,
Kuisal höut ma‘ Mülli g‘gä'ib‘m, Ti Kia treib‘ i’ a’f t‘ Wies'n
Mülli häw' i‘ Katzal g’göih‘m, Unt löuss a weinni‘ pies’n, 1')
Katzal höut ma‘ Mäisal g'gäib‘m, T‘ Sch0ui traiw’ i’ a‘f t‘ Acka‘
Mäisal häw' r Hindal‘“) g’göib‘m, Unt louss’ a weinni pracka‘. ")
Hindal höut ma‘ Ringal g‘göib‘m, Kimmpt ta‘ Stia‘, stesst mi‘ nida‘,
Ringal hä.w‘ i’ Keichin g'gäib‘m, Kimmpt ta‘ Auf, Ä‘) hilft ma‘ auf.
K6ichin höut ma‘ Kräpt’n ‘pächa‘, Kimmpt ta‘ Iiling‘l mit ta’ Gaig‘n,
Kräpf‘n häw‘ i‘ Pfäara' g‘göib‘m, Hält! ma‘ Schöut unt Kia z‘sämmtraib'm.
Ptäara' höut ma‘ Gölt g‘göib‘m, L.

l) Geflochtenes Körbchen aus Stroh. — ’) flechten. — 3) Kuh (Dim.). — ‘) Milch. -—


’) rohes Schmalz. — 6) Borsten. — ") jenseits. —- “) diesseits. — 9) Sichel. -— ‘°) Hund
(Dim.). — u) springen. — “) schlagen. — ") Uhu.
Heafizische Kinderreime. 25

:r0. Mäariug steh‘ i‘ fria. auf, 352- l‘) Woullt ‘s Wies'n, wea‘ maiü ‘äda‘ is‘,
Treiw‘ i‘ maini Kia aus. Woullt ‘s wiss‘n, wearya’ is' ?
Treiw‘ i’ s‘ iwa.‘ t‘ Wies'n, lllaiü Väda’ is‘ a Kupfa'schmied,
Fänga‘ s‘ auü zan pies‘n. Unt was a‘ siacht, tz°rs nimmpt a‘ mit.
Treiw' i‘ s‘ iwa‘n greana’ Wält, Hiatz wisst ‘s as, wen’ malt‘; \‘äda' is',
Singa‘ t’ Veig'l, jung und ält. Hiatz wisst ‘s as, wearva‘ is‘.
Pin i‘ nieda’g‘söiss'n, b) Woullt "s wiss'n, wen’ maiü Muida‘ is',
Bäti Pia‘l g‘göiss’n, Woullt ‘s wiss‘n, wea‘ si is‘ ?
Räti Pial, Kimm‘lluaut. h‘laiii Muida’ fluigt pan Rau‘fzing aus,
Wen‘ wia't t‘ scheiui Praut‘? Mit Sehmälz unt Aija’ kimmt si z‘ Haus.
I‘ ouda tu? Hiatz wisst ‘s es, wen‘ maiii Muida‘ is',
Ti schöinsti Praut pist tut L. Hiatz wisst ‘s as, wea‘ si is‘.
v) Woullt ‘s wiss'n, wea' maifi Pruida‘ is',
351. P21 da‘ Wischpänk, pa da‘ Waischpiink, 1) Woullt ‘s wiss‘n, wearya‘ is’ ?
Pa da.’ Tuna'loncka‘, ’) l\vlaiü Pruida' fäa‘t mit an Heuss aus,
Tä sitzt a schaiüs Mädal, Mit sirn‘ unt ächti kimmt a’ z‘ Haus
Tuit Pliamal ‘) proucka'.‘) Hiatz wisst ’s as, wen‘ mair'r Pruida‘ is‘,
Wäs prauchst ta‘ teis Pliamal‘? Hiatz wisst ‘s as, wearya‘ is‘.
Zan Kuisal fuita’n.
d) Woullt ‘s wiss‘n,wea’maifiSchwüista'is’,
Wäs prauchst ta‘ te's Kuisal?
Zan l\lülli mölla'. 5) Woullt ‘s wi>s‘n‚ wen‘ si is’?
Wäs prauchst ta‘ töi Mülli? Maiii Schwäista.‘ sitzt in Zimma‘ z‘ Haus
Zan Puda’ ä‘ria‘n. Unt reicht in Äa'seh pan F6iiis1a' aus_
Wäs prauchst ta‘ teiü Puda’ ‘? Hiatz wisst‘ s as, wea‘ maiü SchwC-ista‘ is‘,
Zan Tutt’l auiischmia’n. Hiatz wisst ‘s as, wea‘ si is‘.
Wäs prauchst ta‘ teis Tutt‘l? e) Woullt. ‘s wiss‘n, wen’ i‘ sölwa.‘ piii,
Zan Kinda’ zicht‘n.“) Woullt ‘s wiss‘n, wen’ i‘ phi?
Wäs prauchst ta‘ tei Kinda‘ ? l’ piü ta‘ Pruida‘ Liadala,")
Zan Äa‘wat richt'n. l‘ piü ta‘ Pruida’ Fink.
Wäs prauchst ta‘ tei Äa'wat? Unt wauii i‘ ‘s Gült va‘saufl‘n häh‘,
Zan Leib'm unt Stea’b'm. H. Geh’ i‘ zan l’rnmm unt trink. A.

‘) Waschhank wird die Bank genannt, auf welcher im Buche durch die Frauen beim
Schwemmen die Wäsche gepleut wird. Wischhank bildet mit Waschbank jedenfalls nur ein
Wortspiel. — ’) Tuna =— Donau; die Donau wird hier eine Lache genannt. — 3) Blümchen.
— ‘) procken = pflücken. —— l‘) melken. — t") züchten, aufziehen. — 7) Liederlieh.
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer
Sprachinsel.
Von Prof. Franz Paul Piger, Iglau.

In dieser Zeitschrift (II, S. 97) kam eine Sammlung tirolischer


Kinderreime von Anton Renk zum Abdrucke. Der Verfasser jenes
Aufsatzes sieht von der Erörterung des Gegenstandes völlig ab, weil
er die wissenschaftliche Behandlung dieses Themas noch für
schwankend hält.
Ganz unbegleitet will ich aber diese Ergüsse und Erzeugnisse der
Kinderseele nicht in die Welt schicken. Vor Allem möchte ich, wie
dies schon Rochholz gethan, eine gewisse Eintheilung der Lieder und
Sprüche versuchen. Ich unterscheide Auszähllieder, \Viegenlieder,
Reigen- und Spiellieder, Kettenreime, Schallnachahmung, Sprechauf
gaben, Bücherschutzsprüche, Gelegenheitsverse und schliesslich Fest
sprüehe.
Die Auszähllieder haben den bestimmten Zweck, Denjenigen
festzustellen, welcher das Spiel zu beginnen hat. Es ist dabei erklärlich,
dass es auf den Sinn der Worte nicht ankommt. Es gibt daher viele
Auszähllieder, denen wohl Niemand einen rechten Sinn abgewinnen
könnte. Aber gerade diese zeichnen sich durch einen fast kunstvollen
Lautwechsel aus und man hört es ihnen an, dass dieser die Hauptsache
ist. Solche Lautspiele kommen in allen Sprachen von‘) Bei den ver
stündlichen Auszählliedern handelt es sich um alles Mögliche, was
dem Kinde nahe tritt, seine tägliche Umgebung, Haus und Schule
werden herangezogen. Als Einleitung dienen in deutschen Auszähl
liedern häufig die Zahlen.
Die Wiegenlieder sind manchmal von wunderbarer Zartheit und
Poesie. Thiere treten auf und haben Mitgefühl mit dem in der Wiege
liegenden Kindlein. Die Mutter weiss es mit allem Möglichen zu
trösten, bisweilen aber schreckt sie mit wenig ernstgemeinter Drohung.
Manchmal erscheint auch ein tragisches Motiv: der Vater ist ein Graf
und die Mutter eine arme Bauerndirne oder sitzt gar im Arbeitshaus.
Die Ausrüstung des Knechtes »llansl« und die angeführten zwei
Nachtgebete rechne ich auch zu den \Niegenliedern. Zu den \Viegen
liedern zähle ich aber auch jene Lieder, die von des Kindes Gliedern,
besonders den Fingern handeln. Die Finger sind des Kindes erste
I) Im italienisch-croatischen Fiume hörte ich:
Au, lau, tini oder: Au, tau. tutta mea
Zorn catini flinn, flonn, colpa mea
Zora caticca tacca are, stare, contra stare
Ex drauss puff. racca tusch.
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer Sprachinsel. 27

Gespielen, sie sind fünf Knechte, die auch zu essen bekommen müssen‘)
Schon in der Wiege macht die Mutter das Kind mit diesen seinen
Kameraden bekannt, und die Kinder müssen wohl Alles ernsthaft
nehmen, denn ihr Lachen klingt gar so herzlich.
Reigen- und Spiellieder getraue ich mich nicht zu trennen, denn
viele Spiele waren und sind mit Reigentänzen verbunden’) Sicher
ist, dass das, was heute die Kinder auf ihren Spielplätzen spielen und
singen, einst von Erwachsenen im Stadtanger oder unter der Dorflinde
gespielt und gesungen wurde“)
Spiel- und Reigenlieder sind zahllos über ganz Deutschland
verbreitet und überall haben sie ähnlichen Inhalt‘) Das Ziel des
Spieles ist ein Kuss oder es findet eine förmliche \Nerbung statt,
ausnahmsweise bestraft ein Bruder seine zu Falle gebrachte Schwester.
Bei den alten Schäferspielen mag es ähnlich zugegangen sein, »das
Schäfchen« empfängt kniend den Kuss. Es werden aber auch ernst
haftere Spiele aufgeführt. Der Scheerenschleifer übt seine grosse Kunst
aus; die Magd fragt sich beim Handwerker an, ob der aufgetragene
Gegenstand bereits fertig sei; eine Köchin sucht sich bei einer
»gnädigen« Frau zu verdingen u. s. w. Die Kinder spielen, was die
Erwachsenen thun; das Kinderspiel ist Bethätigung des Nachahmungs
triebes.
Sprechaufgaben werden gern in solchen Sprachen gestellt, welche
viele schwer auszusprechende, vocalarme Worte haben, wie dies be
sonders in slawischen Sprachen der Fall ist, oder in solchen Sprachen,
t) Im Italienischen sind sie eine Gesellschaft von Königen (Gorona dei re).
Czechische Kinder wissen auch, warum der kleine Finger so klein geblieben; er hat zu
wenig „Gasch“ bekommen.
’) Man erinnere sich, dass „Ball'l (Ballspiel) heute geradezu für Tanzunterhaltung
gebraucht wird.
»‘) Die fortschreitende Cultur begann sich immer mehr der kindlichen Spiele zu
schämen, und es ist sehr erfreulich, dass in dieser Beziehung eine Wendung zum Besseren
eingetreten zu sein scheint.
‘) Im Italienischen und Croatischen fand ich eine ähnliche Melodie beim Reigen
liede wie im Deutschen, z. B.:
Cordon', cordon' di San Francesco, Le signore a1 passeggio
La bella stella in mezzo, Passegiando momentino,
La fa un salto, la 1a un altre, Passegiando ancor an poco,
La fa riverenza, la fa penitenza, Le signore vanno al posto.
La chiude gli ochi, Im Croatischen singen die Kinder
La baccia, chi 1a roul. am Schlusse niederhockend:
Kolo, kolo, janca,
oder‘ Babinoga, janca,
Rosa, Hosella, Preko mosta tanca,
La rosa gia fiorita, “ Ako necete vi,
Bianca la rosa Cem_o mi cencelele.
In mezzo dei fior‘; Italienische Kinder führen den
Fate la riverenza Sprung, die Verneigung, das Augen
A chi, ehe volete (voi). schliessen u. s. w. auch wirklich aus.
40
28 Pigei‘.

die einzelne, infolge ihrer Häufung schwer auszusprechende Conso


nanten besitzen. Dies ist im Deutschen bei den Zischlauten der Fall.
Manchmal beruht der Scherz nur auf dem häufigen Vorkommen irgend
eines Consonanten. z. B. des »w« oder »p«.
Bücherschutzsprüche kommen in allen Sprachen vor und es
zeugt dies für die Sorge. welche das Kind für sein Schulbuch hegt.
Meist ist auch, der Name des Eigners in den Spruch eingeflochten.‘)
Zu den Gelegenheitsversen rechne ich jene Ergüsse der Kinder
seele, die nur für einen Fall passen. So passen die einen der ange
führten Verse nur für den Fall, dass es regnet, andere wieder für
das Pfeifenschneiden, wieder andere handeln von einzelnen Hand
werkern oder Leuten, die diesen oder jenen Namen besitzen. Auch
die Spottverse der Kinder gehören hieher. Ebenso fanden die Schreck
sprüfshe für die Kinder hier Aufnahme. Es gehören aber auch einzelne
Lieder hieher, die fast nur mehr die Kinder singen, die von den
Erwachsenen, vielleicht da sie ihnen »kindisch« vorkamen, vergessen
wurden. Auch Zähl- und Räthselsprüche fanden hier Unterkunft.
Die Kettenreime, deren Vorkommen im Deutschen sich bis ins
Mittelalter verfolgen lässt, schied ich von den Reigen- und Spielliedern
aus. Das Spiel der Kettenreime beruht nicht auf dem Inhalte der
Erzählung, die vorgebracht wird, sondern im Spielen mit dem Reime.
Der Inhalt ist bedeutungslos; nur bei einem scheint ein tragisches
Motiv durchzuschimmern, indem der »misemause« Mann schliesslich
im »misemause« Krieg »misemause« todt geschossen wird.
Gewiss kennt Jeder aus seiner Umgebung solche Reimschmiede,
die auf jedes Wort einen Reim zu finden suchen. Viele derartige
Reime sind Gemeineigenthum des Volkes geworden und verdienen
deswegen erwähnt zu werdn. Ein Beispiel wird erläutern, was ich
meine. Sagt in Tirol Einer: Was? so antwortet ein Anderer:
Die Katz ist dei‘ Bas’,
Der Hund ist dei‘ Vetter,
Morgen wird schön Wetten")

l) Im Italienischen fand ich einen solchen Schutzspruch, der wie ein Kettenreim
aussieht:
Questo libro e di carta, Se questo libro si perdesse,
Questa carta son (e) di cenci (Hadern), II mio nomc ei (cgli) sapesse.
Questi cenci son di lino, Per morir io son nato (a),
Questo lino e di terra, Francesco (a) son chiamato (a).
Questa terra e di Dio,
Questo libro e sempre mio.
1) Ueberhaupt erregt Schwerhörigkeit Ungeduld, und es gibt da manche Antworten
auf eine Frage des Nichtverstehenden, die aufgezeichnet zu werden verdienen. In unserer
Sprachinsel sagt man: „Der Pfarrer predigt nur einmal‘; in Tirol hörte ich: ‚Dem Müller
sagt man's zweimal‘. Auf „Wer?“ antwortet man ‚Der Bär‘ u. s. w.
Kinderreime und Kindcrsprüche aus der lglauer Sprachinsel. 29

Sagt Einer: »Heut‘ ist Mittwoch«, so hört er gewiss: »Den ganzen


Tag« oder gar: »Hot der Hund ‘s Loch off«. Aber nicht bloss das
gesprochene \\'ort lockt den Reim als Antwort hervor, jeden beliebigen
Schall versucht man in menschliche Laute zu übertragen. Der Ton
der Glocke, das Geräusch der Eisenbahn, der Sang der Vögel, der
Schall der Musikinstrumente lockt gewissermassen als Antwort die
Uebersetzung in die menschliche Sprache hervor. Der Schall wird
belebt, das Instrument »spricht«.‘)
Die Festsprüche gehören zu den bereits verblassten Frühlings
festen, von denen in unseren Dörfern noch Ueberbleibsel sich finden.
Das Gregorigehen erinnert an ein uraltes Fest, das seit jeher am
Tage des heiligen Gregor von der Schuljugend gefeiert wurde. Es
führte eine ähnliche Umkehrung der gewöhnlichen Weltordnung mit
sich, wie im alten Rom die Saturnalien. Ein Knabe wurde mit einem
Bischofsmantel angethan und hielt sodann auf der Kanzel in der
Kirche eine mehr oder minder scherzhafte Predigt. Die Schüler zogen
sodann, um Gaben zu heischen, von Haus zu Haus. Gerade dieser
prosaische Theil des Festes ist bis auf unsere Zeit erhalten geblieben.
Ursprünglich sammelte wohl der Lehrer an diesem Tage seinen Lohn
ein, der in Naturalien bestand, und die Kinder zogen mit ihm. Daher
kam es wohl auch, dass sie an diesem Tage die Gebieter waren.
Wahrscheinlich wurden mit diesem Tage die Kinder vielfach aus der
Schule entlassen.
Ueberbleibsel von Frühlingsfesten sind ferner das Todaustragen
und das Sommerbaumgehen.
Am Sonntag Mittfasten wird eine Strohpuppe, die den Winter
vorstellen soll, herumgetragen und, nachdem man von Haus zu Haus
damit Gaben gesammelt, ins Wasser geworfen.
Am Tage des heiligen Josef, der auch sonst allgemein als der
erste Tag des Frühlings gilt, gehen Mädchen mit dem Sommerbaum”)
herum. Es ist dies ein Bäumchen, das mit rothen Bändern und einigen
Gold- und Silberblättern geziert ist, und stellt natürlich den Sommer
vor, der jetzt Einzug hält in die Lande. Auch hier war wie zumeist
die Möglichkeit des Gabenheischens Dasjenige, welches den Brauch
erhielt.
Der Streit zwischen Sommer und Winter ist metrisch wohl eine
ungemein schwache Leistung, die Gedanken unserer Bauern, die sie
von den Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten des Sommers
und des \rVinters haben, sind dabei ganz richtig zum Ausdrucke gebracht.
In früherer Zeit wurde jedenfalls der Streit zwischen Sommer und

1) Wer‘ erinnert sich nicht an das Ovidische: Et tuba terribili son_itn taratantara „dixit“ ‘.’
2) Der Sommer ist der eigentliche Gegensatz zum Winter, der Frühling ist wie der
Herbst nur eine Uebergangszeit. Unsere Bauern sagen wie in Oberösterreich, wenn es
Frühling werden will: „Es geht nach auswärts.“ Es kommt aber auch schon das Hauptwort
der Auswärts = Frühling vor; das Wort Frühling oder Lenz gebraucht unser Bauer nicht.
30 l’iger.

\lVinter von erwachsenen Personen dramatisch dargestellt, heute ge


schieht dies meines Wissens nicht mehr.
Was die Sprache dieser Sprüche und Reime der Kinder anbelangt.
so ist sie eine Mischung zwischen Schriftsprache und Mundart; der
Einfluss der Schule macht sich eben im jugendlichen Alter am
meisten geltend.
Als auffallende Erscheinung möchte ich am Schlusse noch er
wähnen, dass ich Spuren deutscher Kinderreime oder wenigstens
einzelne deutsche Worte bei italienischen, noch mehr bei slawischen
Kindern vorfand. Selbstverständlich stehen auch die Kinderlieder
unserer Sprachinsel unter dem Einflusse der slawischen Umgebung.

Auszähllieder.
Eni daka Ene bene tanke funke
Bonn knacka Rabe schnabe tippe tappe
Cetrum petrum Käse nappe ulle pulle
Pull‘a knacka Boss ipp app aus!
Stutz! Du liegst drauss'. ‘)
Enge denge
En den dinus
Dichi dache
Maua ragga dinus
Sponner krache
Maua ragga dikkedei
Sim pimm
Eia baia humml‘)
Parla put'l'!
En den dine
Eggete meggete
Mann ragga diggedei
Zucker di be
Dai dai wampus! Abel fabel domine
Etz petz
An ten titsch
Eine dicke grosse Maus,
A10 male pritsch (priä). 1)
Du bist drauss.
Andere wandere Eniki beniki Zucker me
Po pasy (auf der Weide) Dibl dabl domine
Zittere welky Tomasy (grosser Thomas) Enzlstocl: (‘i’) dibldock
Aus paus hinteuaus, '
Eins zwei drei. °)
Drauss‘. a)
Enkati benkati
Anton Totion Zucker di be
Siwi siwi kopion Aber über domine
Backe rakka Ex press
Wia waia weg. Du bist drauss.

') Czechische Kinder singen:


En den dinus Sauerakke tikke tak
Sauerakke tinus Ex bex bum!
z) Ans czechischen Lautbeständen, aber auch in Iglau zu hören.
‘) Theilweise aus czechischen Lautbesländen. Man hört aber auch verhallhornt statt
po pasy „puppasi“ und statt welky Tomasy „willere tommasi“. Deutsche Kinder sind sich
der czechischen Laute nicht mehr bewusst.
‘) Auch von czechischen Kindern gesungen.
") Czechische Kinder singen mit deutschem Schluss:
Eniki beniki Sekera mot>ka
Nemaslnet knedllky Puff aus!
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer Sprachinsel.

Ene bene dicka mora l, 2, 3, 4, ö, 6, 7


Oberstauden (‘9) rosmarina Gott hat mir einen Brief geschrieben.
Ricke dicke pumperlike Wenn ich wüsst', wo er ist,
Aletz zwaletz zwölf. 1) Halt‘ ich ihm die Hand geküsst.

Andre wandre Tintenglas, l, 2, 3


Geh‘ in d‘ Schul‘ und lerne was, Du bist frei.
Komm’ i z‘ Haus.
Sag‘ i auf, l, 2, 3
Kann i nix, Von der Zuckerpocherei,
Krieg i Wirt. Du bist frei.

Ich und du, Hurre wurre, wer ist drauss‘?


Wir kaufen sich ') a schwarze Kuh,
Grober Flegel, du bist drauss'.
Und den Dreck, den sie sch. ...,
Den trissest du.
A, e, i, o, u
Der grösste Esel, der bist du. ‘)
Jakob hat kein Brot im Haus,
Jakob macht sich nichts daraus;
Adam ist in Gart‘n ganga,
Jakob hin, Jacob her,
Wie viel Vögel hat er g‘fanga?
Jakob ist ein Zottelbär.
1, 2, 3
Du bist frei.
1‚2,3.....20
Die Russen ziehen nach Danzig,
Danzig fing an zu brennen, 1, 2, 3, 4, ö, 6, 7, 8, 9
Die Russen fingen an zu rennen, Bei Brünn steht ein Stein,
Ohne Strümpi" und ohne Schuh‘ Steht eine Glocke,
Rannten sie dem Russland zu. a) Da schauen drei wunderschöne Tocke.
Die eine näht Hemden,
1, 2, 3, 4 Die zweite spinnt Seiden,
Ein Glas Bier, Die dritte näht Kleider,
Ein Glas Wein, Für mich eins, für dich eins,
Du sollst es sein. Für Peter Hanswurst keins. ‘)

Dreispracbig ist folgendes in czechischen Ortschaften vorkommende Auszähllied:


Angerle wangerle pikamura Ricki ricke pumperlicki,
Ueberstocke (?) rosmarina Allons, marschirts, ven (heraus)!
Angerle wangerle ist offenbar das deutsche „Engele hengele“, das gesagt wird,
wenn zwei grössere Kinder ein kleineres, selbes unter den Armen fassend, tragen.
In Fiume hörte ich :
Engole bengole Domine
Zucka di me Ex drauss pufl‘!
Fabe fabe
Das „e“ in der Mitte musste im Italienischen wegen der Aussprache in „0" ver
ändert werden.
1) Man beachte, dass das Auszithllied aus zwölf Worten besteht.
’) Slawismus für „uns“.
3) An vielen Orten gebräuchlich. Meist nimmt man an, die Russen seien mit den
Franzosen und Danzig mit Moskau verwechselt. Ein halienisches Auszi'thllied mit Zahlen
anfang ist seltener als im Deutschen. Doch kommen solche vor:
Uno, due, tre, Pan’, biscotto
Quatro, cinque, sei, Salta fuori del mio casotto.
(Jette, otto,
4) Ueberall üblich.
‘) Hier liegt wahrscheinlich eine Erinnerung an die drei germanischen Schicksals
göttinnen vor.
32 Piger.

10, 20, 30 1, 2, 3
Mädchen, du bist fleissig; Pickelpana bei
40, 50, 60 San mir drei Kinder g'storb‘n.
Mädchen, du bist prächtig; Ans liegt unterm Tisch,
70, 80, 90 Ans liegt oberm ‚Tisch,
Mädchen, du bist einzig; Ans liegt hinterm Tisch,
100, 1000, Million, Kummt die Katz‘ und frisst an Fisch,
Mädchen, dir gebührt ein Thron. ') Kummt der Messner ’) mit der Toschen,
Haut d‘ Katz‘ über d‘ Goschen,
Anton Zitrion, Die Katz‘ macht miau,
Fahr' mit mir ins Engelland. Der Pelaz (Pelz) is scho grau.
Engelland ist zugeschlossen,
Der Schlüssel, der ist abgebrochen. Der Hahn lauft af Gassen,
Drei Pferd in einem Wagen D'Henn‘ will nit rasten,
Muss man mit der Peitsche schlagen. Boss will kau Haber fressen,
Schlagst du mich, Muss man lauter Gerste dreschen.
Schlag ich dich, Ei, du alter Giggersgaggersgoggersmo.‘)
Du bist aus!)
Andre wandre schlag‘ mi nit,
Eigerl weigerl
Kraut und Ruhen mag i nit,
Wisst und hear
Kleine Fischlein ess‘ i gern;
Sagt man, sagt man,
Darf i nit vor meinem Hearrn.
Der ist der.
Kikerihohn, spring‘ davon;
Ei, du alter Gigges Gigges Mon.
1, 2, 3, 4, .5, 6, 7
Ich muss bei der Wiege knien,
Muss ich singen husch, husch, husch, Ich und du,
Kleiner Bünggel, halt die Gusch. Nachbars Kuh,
Müllers Esel,
Der‘ bist du.")
1, 2, 3
Um a Schüberl Heu,
1,2,3.....13
1, 2, 4
Du gehst nach Weizen,
Um a Glas Bier,
Du gehst nach Korn,
1, 2, 5
Du legst dich hint’ und vorn.
Um a Paar Strümpf,
E, D, Speck,
1, 2, 6
Du musst weg.
Der Galgen ist schon g'setzt,
1, 2, 7
Der Galgen ist schon g'schrieb‘n, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7
1, 2, 8 Helfet mir den Schuber zieh‘n.
Der Galgen ist schon g'macht, Wo denn hin?
l, 2, 9 Nach Berlin,
Der Galgen g‘hört der dein. Wo die schönen Madeln bluh'n.°)

1) Fast ganz so lautet eine Frankfurter Formel.


’) Erinnert vielleicht an die Continentalsperre. Man findet auch die Variante: „ins
Sängerland‘, auch ‚komm‘ mit mir ins Zimmerlein".
’) Für den Messner tritt auch der Jäger ein.
‘) Etwa = Teufelsmann. Renk, Ztschr. f. österr. Volkskunde, lI. 98, setzt den
Gigges Gagges Mann = Tod.
5) Ueberall üblich.
°) Man setzt auch noch manchmal hinzu:
Mädchen werden „am“ Ball geführt,
Buben werden weggeschmiert.
Ueber die Eifersüchtelei und Feindseligkeit zwischen Knaben und Mädchen wird
man später noch lesen.
Kinderreime und Kindersprüche aus der‘ lglauer Sprachinsel. 33

1, 2, 3 Stirbt die Biiurin auch sogleich,


Piclra, paclra nei Kommen d‘ Engel mit der Leich,
Pickel, packa Haberstroh, Kommen d‘ Teuferl Paar und Paar,
Sieben Kinder liegen du. Tragen sie zum Kranitzthor(?),
Beim Kranitzthor stellen sie's nieder,
l. 2, 3 Kommen die Engerl wieder.
Butter auf dem Brei. Puff, puff, Sauerkraut,
Alter Esel, du bist drauss‘.
1‚2,3,4‚5,6,7 .
Wo ist denn mei' Schatz geblieben? Ein alter Professor mit siebzig Jahren 7
Ist er nicht hier, ist er nicht da, Wollte in den Himmel fahren.
Ist er wohl in Amerika. Er spannte sechs Rösser in einen Galopp,
Witz, wutz, du bist ansgestutzt.
Der Johannes von der Welt,
Zählt lauter kleines Silbergcld. Ene, dene Tintenfass,
Geh‘ in d'Schul und lerne was,
Ene wene wite wene Wenn du was gelernet hast,
Komm zu mir ins Zimmcrlein, Komm nach Haus
Zimmerlein ist zugeschlossen, Und sag‘ mir's'auf.
Gold’ner Schlüssel ist abgebrochen.
Le, le, pi, pi!") Hennerlleischt
Zink zanlr, 0 du grobe: Wicht,
Halt’st dir lieber an Wecken kauft
Du bleibst drauss'.
Und an Batzen Hönig drauf.
Ich und du, Kalb und Kuh.
Ein Schmied wollte ein Pferd beschlagen,
Kuh und Kalb, das bist du.
Wieviel Nägel muss er haben? ‘)
Lirum, larum, Löffelstiel, Etzl, tetzl, wer backt Bretzl?
Alle Weiber essen viel,‘) Wer backt Kuchen,
Junge Leut' müssen fasten, Der muss suchen.
‘s Brot liegt im Kasten.
Es sitzt eine alte Witwe im Hegen und
Lirum, larum, Löffelstiel, im Schnee.
Wer nichts lernt, der kann nicht viel. Was sollen wir ihr zu essen geben?
Zucker und Kafl'ee.
Messer, Gabel, Fingerhut, Zippl, zappl, Buttels, Krabbel, Alte
Stirbt der Bauer, ist nit gut, renn uns nach.

*) In Tirol sagt man:


Lirum, larum, Löffelstiel,
D‘ alt‘n Weiber essen viel,
D’ junga muss man halta,
Dass sie nit weara wie d’ alta.
2) Lockrufe für Hühner. Le, le ist slavisch.
‘) Wen das letzte Wort beim Auszählen trifft, der sagt eine beliebige Zahl, und
nun beginnt man wieder diese von eins an auszuzählen. Aehnlich verwenden slawische
Kinder den Wagner, der nicht weiss, wie viel Nägel er für das Bad geben soll:
Kovä.l‘ kove kolo,
Nevi, kolik hl‘ebikü mit
D0 kola dati.
Kolik?
Uehrigens gibt sich der Auszählende manchmal selbst die Antwort:
1, 2, 3, 4, ö, 6, 7, 8, 9
Soviel Nägel müssen sein.
Dasselbe ist im Italienischen der Fall:
Uccellin‘, ehe va per mar'.
Quante penne puol portar?
Puol portare uns sola,
Chi va dentre, chi va fuora‘?
Zeitschrift für österr. Volkskunde. 5
34 Pigel'.

Eins. zwei, drei Ich geh’ auf den Thurm läuten,


Auf der Polizei Leg mir das Brot auf die Seiten.
Ist ein kleines Kind geboren. Kommt der Tod, frisst mir's Brot,
Wie soll es hassen? Kommt die Maus, packt mir's 'raus,
Katharina Rumpeltaschen. Bünkel, Bank], du bist drauss’t.
Morgen werd' mer Windeln waschen.
Ich oder du, alte Kuh bist du. ')

Wiegenlieddr. '
(Zur Einschläterung.)
Heini poppeini popella Heidel, puppeidl, puppaidi.
Hab‘ mer kau Wein im Keller, D‘ Vögala singa im Waidi,‘)
Hab‘ mer kam Wein, so hab‘ mer Bier. D’ Vögala singa im grünen Gras,
Dass mei Katherl trinkt mit mir. Bringa dem Hansal an süssen Schlaf.
Heia puppaia Annamirl, Butterschmierl,
‘s Katzerl sitzt beim Feuer, Komm mit mir in Keller,
Kommt a stutzats Hunderl da, Um an Wein, um a Bier,
Beisst dem Katzerl ‘s Füssl a. Um an Muscateller.
Heia puppaia, was krappelt im Stroh? Muscateller trink i gern
Gänserln sei barfuss und haben keine Und mei Katherl hab’ i gern.
Schuh‘;
Buhlein schlal‘.
Der Schuster hat Leder, kau Lasterl dazu,
Dei Vater hüt' die Schaf,
Drum kann erniuht machen den Gänserln
Dei Mutter hul‘ die Lämmelein
die Schuh?) Auf dem grünen Rängelein (Rain),
Heia puppaia die Gaschen") ist gut, Büblein schlat’,
Wenn man Zucker und Höni (Honig) Dei Vater hat’ die Schaf.
drein thut;
Schlaf, Kindlein, schlaf,
Zucker und H6ni und Mandelkern
Dein Vater ist ein Graf,
Hat unser Hansi gern.
Dei Mutter ist a Bauerndirn‚
Stieglitzerl, Stieglitzerl, Will Stub‘n und Haus nicht auskührn.
Das Zeisgerl (Zeisig) ist krank.
Geh'n wir zum Bader, Schlaf, mein Kindlein, schief,
Lass mer ‘in zur Ader. Dein Vater ist ein Graf,
Stieglitzerl, Stieglitzerl, Dei Mutter ist a stulze Dirn,
Das Zeisgerl ist krank. Will die Stub‘n nimmer kührn!

I) Offenbar sind hier Anklänge an den später zu erwü'hnenden Gelegeuheitssprnch.


der mir ursprünglicher zu sein scheint. Es ist nicht uninteressant zu beobachten, wie diese
hier vorliegende zweite Redaction mit dem Stotl'e kühn umgesprungen und willkürlich
Worte und Sinn geändert hat. Die neuere Form fand ich in Stanuern, der südlichsten
Gemeinde unserer Sprachinsel.
')RochholzzDas weinende Kind wird damit getröstet, dass die Gänse keine Schuhehaben.
‘) Slawisch. Eine Art Brei.
‘) Im Waidi = im Walde. Der Buchstabe „l“ verklingt fast zu i. Hansal lautet
fast nie Hansai. In noch näherem Verkehr mit dem Kinde1st das Vöglein im czechischen
Wiegenliede:
Co ten ptär‘‚ek povidä, (Was spricht das Vögelein,
Co na stromä sedt? Das am Baume sitzt?
Kterä ditä nehaja, Welches Kind nicht schläft,
T0 2e hezkä nenl. Das ist niemals hübsch.)
Co to pt.äöku eo to 12e2, (Du Vöglein, du lügst;
Ze nemluviä pravdu; Du sagst nicht die Wahrheit,
Vidyti jä. taky nehajaim Denn ich schlafe ja auch nicht
A pt‘edce hezkä jsu. Und bin doch hübsch.)
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer Sprachinsel. 35

Heini, poppeini, popella, Die Birn' sind nicht zeitig,


Was macht der Wein im Keller‘? Die Aepfel sind nicht gut,
Was macht der Wein in unserm Hans? Geh'n ms. a Stückl weiter,
Trinkt das Katherl Alles aus. ,Kerschen hab‘ ma guug.
Geh‘n ma in den Keller
Heini pum, pum, Hinter's Eimerfass,
Heini im Sause, Trink‘ ma Muscateller
Zwei Wiegen im Hause, Ans mei‘m Glas.
Soll dem Vater nicht werden bang, Muscateller trink i gern
Wenn zwei Wiegen in einem Gang. Und mei Schatzerl hab‘ i gern“)
Pasch‘ Händi z'samm', pascb‘ Händi Pitschi, patschi, Peter,
z‘samm‘, Hmter‘m Ofen steht er,
Was wird der Tata‘) bringen? Putzt die Stiefeln, putzt die Schuh,
Schöne Schuh und schöne Strümpf, Kommt die Katz’, frisst Schmier und
Da wird das Katherl springen. Schuh,
Sause, sause,
Muss ich bei der Wiege sitzen,
Der Tod steht hinter dem Hause,
Muss ich heisse Thränen schwitzen,
Hat ein goldenes Schlittelein mit,
Muss ich singen: schlaf ein, schief ein,
Wenns Nünnl nicht schlaft, so nimmt
Wo wird denn dein Vater sein?
er's mit.
And're Mädchen Zucker naschen, Nünnl, Nünnl, schlat',
Muss ich hier die Windel waschen, Es kommt der Nikolas,
Muss ich singen: schlaf ein, schlaf ein, Hat a. guldenes Schlittel mit
Wo wird denn dein Vater sein? Und nimmt die greinenden Buben mit.

Seht's es denn dort sitzen, Zwieselbaum, Zwieselbaum


Mit den braten Spitzen, Wachst in unser’m Garten,
Mit den schönen Schnallen. Wenn die schöne Anna kommt,
Wird den Buben g't‘allen. Sag‘, sie solle warten.
Wenn sie nicht mehr warten will,
Heini so, so!
Sag‘, ich bin gestorben,
Dei Vater schneid’t Stroh,
Wenn sie zu viel weinen wird,
Dei Mutter backt Krapfen‚
Sag‘, ich komme morgen.
Sie backt's hübsch braun;
Sie stellt’s auf die Platten Heini, puppeini, puppella,
Und lasst mir’s nit schan‘n. Hab’ kau Wein im Keller,
Sie gibt mir an Brocken, Hab‘ nur Wasser im Brunnen viel,
Aufs Huhn] zu locken. Kann mein Katherl trinken, was es will,
Hühnl pipi! Heini, puppeini, puppella.
Den Brocken friss i.
Schlaf, Kindlein, schlaf,
Schlaf eini, schlat eini, Dei Vater ist a Graf,
Schatzerl g‘h0rt das meini, Dei Mutter ist a Gredldirn(?),
Hob di kauft um hundert Thaler, Muss dem Bauerd‘Stnb’n kihr‘n (kehren).
Gib ich dich um nennt. z) Schlaf, Kindlein, schlaft

Spannelanger Hausl, Schlaf, Kindlein, schlaf,


Strndeldiclre Dirn, Dei Vater ist a Graf,
Komm mit mir in Gart‘n Dei Mutter ist a Edeldam,
Und schütteln ma (wir) die Biru’. Hat kau Bissen Brot daham.

‘) Tata, indogerm., Koseform für Vater.


1) „Neuni‘ wird gesagt, damit es sich auf „meini“ reimt. Das wohlieile Verkaufen
des Kindes deutet vielleicht auf Ungeduld hin, weil das ‚Schatzerl‘ nicht einschlafen will.
a) Die letzte Zeile lautet auch: „bei mei‘m Katherl Schlaf i gern".

5*
36 Piger.

Schlaf, Kindlein, schlat‘, Mutter schind' den Becken aus,


Dei Vater ist a Graf, Mach dem Hansl Hosen draus.
Dei Mutter ist an arm‘ Dirn, Hansl itzt kannst reiten,
Muss dem Grafen ‘s Kinderl wiegen. A Reiter kannst sehe wer‘n.
Franz], Franzl, schlaf,
Der‘ Vater ist a Grat‘, Unser Knecht hasst Hansl,
Dei Mutter sitzt im Arbeitshaus, A Reiter will er wer’n.
Der Vater schaut beim Fenster ’raus. Er hat ja kane Stiefel,
Er kann nechkaner wer‘n.
Franzl, Franzl‚ schlat‘.
Schlaf, Kindlein, schlaf, Mutter schind‘ zwa Kätzla aus,
Dei Vater ist a Grat, Mach‘ dem Hansl Stiefel draus.
Dei Mutter ist a gnädige Frau Hansl itzt kannst reiten,
Und du bist a dreckene S . .‘) A Reiter kannst sehe wer‘n.

Kleine Mutter, gresse Mutter, Unser Knecht hasst Hansl,


Gänslein will mich beissen. A Reiter will er wer‘n.
Nimm ein Stecker], Er hat. ja kauen Mantel,
Hau’s übers Schnäberl, Er kann noch kaner wer‘n.
Wird's di nimmer beissen.
Mutter nimm die Kuchelthür,
Weiblein wieg‘, Weiblein wieg', Hz'ing ‘s dem Hans] als Mantel für.
D‘ Buben steigen in Kronawitt (Wach Hansl itzt kannst reiten,
holder). A Reiter kannst sehe wer'n.
Lass nur steigen,
Weiblein wird's heruntertreiben. Unser Knecht hasst Hansl, ‚
Weiblein nimmt einen Stecken A Reiter will er wer‘n.
Und thut die Buben schrecken. Er hat ja kauen Huat,
Die Buben springen hin und her, Er kann noch kaner wer‘n.
Weiblein sieht sie nimmermehr.
Mutter nimm den Ofentopp,
‘s Lercherl sitzt am Bergerl Setz‘ ihn dem Hansl auf den Kopp.
Und flickt sich seine Schuh; Hans] itzt kannst reiten,
Mit Käseln und mit Zwergeln A Reiter kannst sehe wer‘n.
Stoppt es die Löcher zu.
Da kommt die Katz gegangen Unser Knecht hasst Hans],
Und frisst die Zwergeln weg. A Reiter will er wer‘n.
Da kommt das Lercherl mit der Stangen Er hat ja kauen Federbusch,
Und haut die Katz in Dreck, in Dreck. Er kann noch kaner wer‘n.

Der Spatz sitzt auf der Rinnen, Mutter nimm den Flederwisch,
Ruft alle Dieben z'samm’: Mach‘ dem Hansl an Federbusch.
Hier lasst sich nichts gewinnen, Hansl itzt kannst reiten,
Wir ziehen ins Böhmerland. A Reiter kannst sehe wer‘n.
Wir lassen uns nicht schrecken Unser Knecht hasst Hans],
Vom wilden Böhmerwald; A Reiter will er wer‘n.
Er kann uns wohl bedecken, Er hat ja kanen Säbel‚
Im Winter, wann’s ist kalt. Er kann noch kaner wer‘n.

Unser Knecht hasst Hans], Mutter nimm das Knetscheit her,


A Reiter will er wer‘n. Häng ‘s dem Hansl als Säbel her.
Er hat ja keine Hosen, Hansl itzt kannst reiten,
Er kann noch kaner wer‘n. A Reiter kannst sehe wer’n.

1) Variante: Wenn du nit schlafst, kriegst den A . . . . ausg‘haut. Diese derbe


Schlusswendung halte ich für späteren Zusatz. Die vielen Varianten desselben Gedankens
beweisen wohl, wie sehr dies tragische Motiv die Volksseele ergriffen.
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer Sprachinsel. 37

Unser Knecht hasst Hans], Zwei sollen mich wecken,


A Reiter will er war'n. Zwei sollen meine Seele bewahren,
Er hat ja kane Rössla, Dass ich kann glücklich inHimmel fahren.
Er kann noch kam" “er n‘ (Mit Variationen überall verbreitet. Es
lernte dieses Schlummerlied, das eigentlich ein
Mutter spann zwa Kätzlu ein,
Gebet ist, bereits der Humanist Agricola,
Führ‘s dem Hansl als Rössla ein,
Hansl itzt kannst reiten, geboren 1492, in seiner Jugend.)
A Reiter kannst sehe wer’n.‘)
In mein Bett tritt ich.
In Gottes Namen geh‘ ich schlaien, Gott den Herrn bitt ich,
Vierzehn Engel sollen mich bewachen, Dass er mir drei Engel verleiht.
Zwei zu meiner Rechten, Der erste, der mich weist,
Zwei zu meiner Linken, Der zweite, der mich speist,
Zwei zu meinen Häupten, Der dritte, der mich bewahrt,
Zwei zu meinen Füssen, Dass mir diese ganze Nacht
Zwei sollen mich decken, Nichts Böses widerfahrt.

Wiegenlieder.
(Zur Gliederhezeichnung.)

Das ist der Daumen, Wo will es rasten‘?


Das ist der Zeigefinger, Im Katherl sei Kasten (Brust).
Das ist der Mittelfinger.
Das ist der Goldfinger, I Der spaltet Holz,
Das ist der Arschbohrerfi) Der h—ägt ein,
Der kocht,
Das ist der Daumen, Der Scllmalzt‚
Der schüttelt die Pflaumen, Der frisst Alles weg‚
Der klaubt sie auf,
Der trägt sie zu Haus,
Der .isst sie
. z‘samm , . R"Uhr’
i rühri ‘
Rühr‘ an Brei,
Gib a Stück] Butter drei.
Das ist der Hochaltar (Stirn),
Dem a bissl, dem a bissl,
Das sind zwei Leuchterlein (Augen),
Der kriegt nix,
Das sind zwei Polsterlein (Wangen),
Der versteckt sich’)
Da geht der Pfarrer hinein (Mund),
Da kommt er hinaus und macht gling, (Die Mutter rührt dabei auf dem flachen
gling (Nase). Händchen des Kindes mit dem Zeigefinger.
Das kleine Fingerchen sucht sie am Schlusse
Es geht ein Mauserl unter dem Aermel zu verstecken, wodurch
Ausserm Hauserl, das Kind zum Lachen gebracht wird.)

l) Aehnliche Wiegenlieder, die die Ausrüstung des Bübleins als Reiter schildern,
kommen auch anderwärts vor. In Niederösterreich wird ähnlich: „Unser Bua der Veitl“
und in der Schweiz: ‚Unser Bruder Melcher“ ausgerüstet. Vergl. Moses, Ztschr. f. österr.
Volkskunde III, S. 179 ff.
') Den derben Ausdruck scheuen selbst die Mütter nicht. Die Fingerbezeichnung
ist im Italienischen folgende: Pollice, indice, medio, anolare ed il mignolo.
a) Im Czechischen heisst es ähnlich:
\'al‘ila myäka. kaäiöku * (Die Maus hat Gasch gekocht
Na zeleneäm randliöku; Auf einem grünen Reindl (Terrine),
Komu dala, Wem sie es gab, dem gab sie es,
Tomu dala, Der Kleine (Finger) erhielt nichts,
Ten malinki nie nedoslal. Drum blieb er so klein.)
Proto tak malinlnfm züstal.
38 l’iger.

Reigen- und Spiellieder.


Wir spielen sich 1) in die gold'ne Kette, Ringer, ringer, Rose,
Dass Alles klingt und schwingt. Kinder spielen im Kloster,
Welche dass die Schönste ist, Adje Mama, adje Mama,
Die dreht sich aus dem Ring. Sprudl, Strudl, hopsasa.

Blauer, blauer Fingerhut, Ringer, ringer, Rose,


Steht der Jungfer gar so gut; Schöne Aprikose,
Jungfrau die muss tanzen Rose und Vergissmeinnicht,
Mit dem grünen Kreuzen, Alle Kinder setzen sich,
Schäflein, Schäflein knie dich, Mit den Händchen klatsch, klatsch,
Knie dich zu Füssen. Mit den Füssen tratsch, tratsch,
Gestern Abends ging ich aus, Alle marsch in Sack hinein.
Ging in grünen Wald hinaus,
Scherlschleiien, Scherlschleifen
Welche wird die Schönste sein,
Ist die grösste Kunst.
Die werden wir küssen. ') Die rechte Hand, die linke Hand,
Die geb’ ich dir zum Unterpfand,
Nenne, nenne,
Da hast sie, du nimm sie,
Schatzerl bist das meine.
Da gib sie wieder hin.
Hab’ dich kauft für hundert Thaler,
Geb‘ dich nicht für neune. (Händespiel. Die Kinder berühren gegen
Frau soll z’ Haus geh'n, seitig die Handflächen.)
Soll den Herren das Essen geh'n.
:\sl, was], Thomas Glasl,
N0 a Tanz], no a Tanzl,
Fitsch futsch ausgestuckt,
Nachdem will i z‘ Haus geh'n.
Blaue Hosen, rothe Strümpf,
Kraut und Rüben
l’fui der Teuxl, dorten stinkt's.
Haben mich vertrieben;
Hatt' die Frau a Brat] braten, (Beim Plumpsackverstecken.)
War‘ ich länger blieb‘n.
Maus, lauf heraus,
Pack' mer’s Bünggerl z‘samma,
D’ Katz wird di beissen.
Reisen in Gottes Noma.
Hat no nit ans (eins) g'schlagen.
Gfirt‘) di Gott‚ mein lieber Schatz,
Wir komma nimmer z’samma. (Katze und Maus.)

Ringel, ringel, Reihe, Hüdlgeier (Hühnergeier) was grabst?


Sein der Kinder dreie, A Grühal (Grübchen).
Setz' mer sich in Hollexbusch, Auf was dös Grübal‘?
Machen alle husch, husch, husch. Stau eini legen.
Auf was den Starr?
Florian, Florian, ‘s Messer zu schleifen.
Hat gelebet sieben Jahr, Auf was ‘s Messer schleifen?
Sieben Jahr sind um, Dem Hüdl den Kragen abschneiden.
Die Eine dreht sich um, Was hat's denn g’macht‘?
Die And're hat sich umgedrcht„ Hat mer g’stohlen Käs und Butterbrot. 5)
Sie hat den gold‘nen Kranz verdreht. ‘) (Geier und Henne.)
l) Slawismus für „uns“.
‘) Die Mädchen bewegen sich langsam im Kreise. Eines steht in der Mitte des Kreises
und fordert immer eines zu sich. Beide knien dann auf ein Tüchlein nieder und küssen
sich. Offenbar haben wir hier ein altes Gesellschaftsspiel vor uns.
=) G’tirt = behüt‘.
4) Wie gedankenlos diese Verse hergesagt werden, wenn nur Laut und Silhenzahl
stimmen, sieht man daraus, dass die zweite Zeile auch lautet: Hacke lobe sieben Jahr.
b) Auf dem Lande sagt man: Hat allen Weizen z'sammg‘iressen.
Kinderreirne und Kiudersprüche aus der Iglauer Sprachinsel. 39

Heut‘ an Teller, Knie dich wieder


Morgen an Teller, Vor mir nieder,
Fitschi, fatschi, futsch! 0 du holde Schäferin;
(Marschirend sich kreuzweise bei den Reich‘ dein Händchen
Händen haltend und beim letzten Worte Mir zum Pfändchen,
mit einem Rucke umkehrend.) l) Und dann geh‘ ich fort von dir. ’)

. Ich hab‘ drei golden Körberl. Grünes Gras


>t:e >pn>pa_t>p:?c >.tx>
Was ist drin? Frisst der Hits‘
. Drei goldene Buchstaben. Unter meinen Füss_en,
. Welche? Welche dass die Schönste ist,
M. O. R. Diese soll man küssen.
Was machst du mit dem M‘? Küsse, wen du willst.
Ich setz’ es aufs Dach. Spanisches Kreuz (‘9).
Was machst du mit dem O‘? Ich bete dich an,
. Ich setz‘ es auf den Stuhl. Du brauchst ein Weib,
Was machst du mit dem R? Ich einen Mann.
. Ich setz‘ es auf das Fensterbrett. Hast ‘du mich lieb,
. Was bedeuten die drei Buchstaben? So steig‘ herab
. M einen Stuhl, O den Bruder, Und küsse mich!
H den Hund.
(Buchstabenspiel für Mädchen. Die Ist die schwarze Köchin hier‘? (die Eine)
Buchstaben und ihre Bedeutungen sind Nein, nein, nein! (die Anderen)
willkürlich.) Dreimal muss ich herummarschiren
(die Eine),
Herr Secretär Das vierte Mal den Kopf verlieren,
Schickt mich her, Das fünfte Mal komm‘ mit. mir,
Ob das Körhel fertig wär'. Das ist die schwarze Köchin,
Morgen um sieben Das ist die schwarze Köchin,
Wird’s geschrieben, Das ist die schwarze Köchin.
Morgen um acht
Wird's gemacht, Mein Mann ist todt, mein Mann ist todt,
Morgen um neun Drnm bitt’ ich alle Bauern,
Tritt herein, Dass sie mit mir am Friedhof geh'n
Da wird das Körbel fertig sein. Und meinen Mann bedauern;
Dann werde ich mein schwarzes Kleid
Küss‘ die Hand, küss‘ die Hand, gnädige Mit rothen Bändern binden,
Frau, Und die noch keinen Mann nicht hat,
Brauchen Sie eine Magd, Die muss sich einen finden.
Was gut putzen und scheuern kann ? Da steht sie da da steht sie da
Keinen Lohn, nein, nein, nein, Und schämt sich bis zum Tode.
Nur ein bisschen Suppe, Ein anderes Mal, ein anderes Mal
Ist es Ihnen recht, ist eslhnen Schnuppe? Gib besser acht und richt' dich nach
der Mode.
Alam wollte sich erquicken (Die Spielerinnen sind in ungerader
In dem schönen Paradies, Zahl und stehen im Kreise. Auf das Wort
Darum ging er auf und nieder, ‚finden‘ ergreift jede eine Mitspielende zum
Bis er (auf) eine Rose stiess. Tanze, die übrig bleibt, wird ausgelacht.)

1) Italienische Kinder ziehen auf diese Weise in den Krieg:


Andiamo alla guerra, Co] tiro di cannon'
In contro le gnardi’, Bimm, bamm, butT.
’) Heisst auch: „weil ich ewig scheiden muss".
40 Piger.

Es kommt ein Mann aus Linnerfee, alle Hände gesenkt, wird die Vorsprechende
Kaiser mit Pilatus. Königstochter.)
Was will der Mann aus Linnerfee?
Kaiser mit Pilatus.
Ich will die jüngste Tochter haben. Wo bist du denn gewest‘?
Kaiser mit Pilatus. Auf der braten Strassen.
Was will er mit der jüngsten Tochter Wen hast dort gesehen?
machen? Unsern Herrgotten.
Kaiser mit Pilatus. Was hat er getragen?
Ich will ihr einen Mann verschaffen. A Körhal (Körbl).
Kaiser mit Pilatus. Was hat er denn drina’ g‘haht?
Was soll das für ein Mann wohl sein? A Semmel.
Kaiser mit Pilatus. Hat er dir a davon geben?
Es soll der römische Kaiser sein. Ja!
Kaiser mit Pilatus u. s. w., z. B. Graf, Hat's dir g‘schmeckt?
Schuster, Lehrer, bis alle mit einem Ja!
Manne versehen sind. Was hast denn g‘sagt?
Vergelt's Gott!
Was hat er denn g'sagt‘?
Bei der Letzten heisst es:
Segne ‘s dir Gott!
Was will er mit der alten Schachtel (Der Fragende macht beim Fragen
machen‘? allerlei Grimassen und sucht Jeden zum
Kaiser mit Pilatus. Lachen zu verleiten. Wer lacht, wird ein
Ich will ihr einen Mann verschaffen. Teufel, wer nicht lacht, ein Engel. Am
Kaiser mit Pilatus. Schlusse stellen sich sowohl die Teufel als
Was soll das für einer wohl sein? die Engel, die Einen links, die Anderen
Kaiser mit Pilatus. rechts auf, indem sie einander die Hände
Es soll ein rechter Haderlump sein. reichen, und suchen sich gegenseitig in das
Kaiser mit Pilatus. l) andere Lager hinüberzuziehen.)

Hier sitzt die Königstochter, Wonner, wonner‘) Reiter.


Wir wollen sie beschauen, Von wo seid ihr‘?
Sie hat sich einen Thron gebaut. Wir sein aus Haus Oesterreich,
Der Thron, der Thron ist gar so hoch, Dem Kaiser seine Kaufleut‘.
Wir wollen ein' Stein abhau’n. Möchten gar schön bitten um die
jüngste Tochter.
(Die Königstochter steht in der Mitte Wir werden sie bekleiden
und hält den Oberrock mit beiden Händen Mit Samrnt und mit Seiden,
in die Höhe, die Anderen halten diesem Mit Silber und mit Rosengold,
Bock mit einer Hand. Bei den Worten: Wie's die Jungfrau haben wollt‘.
‚Wir wollen einen Stein abhauen‘ gibt
jedes Mal ein Mädchen die Hand weg. Sind (Das Spiel stellt eine Werbung dar.)

l) Statt Linnerfee hört man auch Ninive und auf dem Lande Linnerl'eld, statt
„mit Pilatus‘ „Fifilatus“. Ueber dies alte Gesellschaftsspiel vergl. Bolte, Ztschr. f. Volks
kunde IV. S. 181 ff. Auf dem Lande wird die Tochter nicht so gutwillig herausgegeben.
Es entspinnt sich folgendes Zwiegespräch:
Die jüngste Tochter geben wir nicht. Kaiser mit Pilatus.
So schlagen wir euch die Fenster ein. Kaiser mit Pilatus.
So holen wir die Polizei. Kaiser mit Pilatus.
Die Polizei, die nützt euch nichts. Kaiser mit Pilatus.
Wir stecken euch das Haus in Brand. Kaiser mit. Pilatus.
So nehmet euch die Tochter hin. Kaiser mit Pilatus.
2) Vielleicht verstümmelt aus „von wannen“.
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer Sprachinsel. 41

Malvinchen sass auf einem Stein, einem Stein Endchen,


Und kämmte sich ihr krauses Haar . . . . .~ Studentchen,
Und als sie damit fertig war . . . . .. Wasche die Händchen,
Fing sie an zu weinen . . . . .. Trockne sie ab,
Da kam ihr Bruder Karl her . . . . .. Fall auf die Knie,
Malvinchen, warum weinest du‘? ~. . Bete zu Gott,
Ach, Karl, weil ich sterben muss . . . ‚ .. Steh‘ wieder auf,
Da grifl‘ der Karl in die Tasch . . . . . . Fang’s in der rechten Hand,
Und zog sein blankes Messerlein . . . . .. Fang's in der linken Hand.
Und stach Malvinchen in das Herz ;.. Aus.
Illalvinchen war ein Engelein . . . . . . (Beim Ballwerlen von den Mädchen gesungen.
Und Karl war ein Teutelein . . . . . . l) Was hier gesagt wird, wird theils angedeutet
[Waschen, Abtrocknen],. theils ausgeführt.)

Kettenreime.
Eins, zwei, drei, Wann mer stehen bleiben,
Alt ist nicht neu, Schrei‘u wir ocha!
Neu ist nicht alt, Waun's nimmermehr geht.
Warm ist nicht kalt,
Fledermaus kriech ins Haus,
Kalt ist nicht warm, Bring mir Brot und Butter ‘raus.
Reich ist nicht arm,
Brot und Butter gib i Drescher,
Arm ist nicht reich,
Drescher gibt mir Hafer,
Ein Buckel ist nicht gleich,
Hafer gib i der Sau,
Ein Buckel ist nicht Brot,
Sau gibt mir Borsten,
Ein Wagen hat vier Rad,
Borsten gib i dem Schuster,
Vier Bad hat ein Wagen,
Schuster gibt mir Schuh’,
Singen ist nicht sagen,
Schuh‘ gib i der Braut,
Sagen ist nicht singen,
Braut gib mir Kränze],
Tanzen ist nicht springen,
Kränzel gib i dem Pater,
Springen ist nicht tanzen.
Pater gibt mir Bildl,
Floh‘ sind keine Wanzen,
Bildl gib i dem Vater,
Wanzen sind keine Flöh', Vater gibt mir Kreuzer,
Hund‘ sind keine Reh’,
Kreuzer gib i dem Bäcker,
Reh’ sind keine Hund’,
Bäcker gibt mir Wecken,
Der Kranke ist nicht g'sund,
Wecken gib i dem Brünnl,
Der G’sunde ist nicht krank,
Brünnl gibt mir Wasser,
Ein Stuhl ist keine Bank,
Wasser gib i dem Teich,
Die Bank ist kein Stuhl,
Teich gibt mir Fisch,
Kraut ist keine Bub'n,
Fisch verkauf i,
Eine Bub’n ist kein Kraut,
‘s Geld versaut i,
Unser Dirn ist a Braut,
Lauf nacket (nackend) zum Thor hinaus.
Braut ist unser Dirn,
Aepfel sind keine Biru', Mein Vater hat ein Haus gekauft,
Birn’ sind keine Aepfel, Bei dem Haus war ein Garten,
A Muss ist kein Tröptl, In dem Garten war ein Baum,
A Tröpfl ist kein Mass, In dem Baum war ein Lech,
A Krug ist kein Glas, In dem Loch war ein Nest,
A Glas ist kein Krug, In dem Nest war ein Ei,
Saufen thun mer g‘nug, In dem Ei war ein kleiner Papagei. 1)

l) Auf dem Lande sagt man „Mariechen‘.


2) Ich hörte auch am Schlusse:
In dem Ei ist ein Dotter, Die Uhr schlägt eins, zwei, drei,
In dem Dotter ist 'ne Uhr, Mein Vater ist vorbei.
42 Piger.

Eine weisse Taube flog über das Haus. Was macht er mit dem Geld ?
Wo ist das Haus‘? Was macht er mit dem misemause Geld ‘3'
Das Feuer hat es verbrannt. Da kauft er sich ein Pferd.
Wo ist das Feuer? Da kauft er sich ein misemause Pferd.
Das Wasser hat es gelöscht. Was macht er mit dem Pferd‘?
Wo ist das Wasser‘? Was macht er mit dem misemause Pferd?
Das Wasser hat die Kuh gesoffen. Da zog er in den Krieg,
Wo ist die Kuh‘? Da zog er in den misemause Krieg.
Die Kuh hat der Fleischhacker geschlachtet? Was macht er in dem Krieg‘?
Wo ist der Fleischhacker? Was macht er in dem misemause Krieg ‘.’
Der Fleischhacker sitzt auf einem hohen Da schossen sie ihn todt,
Thurm Da schossen sie ihn misemause todt.
Und schreit dreimal ki, ka, kn,
Das ist der Bauer,
Der grösste Esel, der bist du.
Das Leben wird ihm sauer,
Es war einmal ein Mann, Sauer wird ihm das Leben,
Es war einmal ein misemause Mann. Der Weinstock hat drei Reben,
Der hatte eine Katz‘, der hatte eine Katz‘, Drei Reben hat der Weinstock,
Der hatte eine misemause Katz. Das Kalb ist kein Ziegenbock,
Was macht er mit der Katz‘ ‘.’ Kein Ziegenbock ist das Kalb,
Was macht er mit der misemause Katz‘ ‘:‘ Meine Predigt ist halb,
Er zog ihr ab das Fell, Halb ist meine Predigt,
Er zog ihr ab das misemause Fell. Mein Bauch ist noch ledig,
Was macht er mit dem Fell‘? Ledig ist mein Bauch,
Was macht er mit dem misernause Fell‘? Mein Mütz‘l hängt im Rauch,
Er macht sich eine Tasch', Im Rauch hängt mein Mütz'l,
Er macht sich eine misemause Tasch’. Mein Bruder heisst Fritzl,
Was macht er mit der Tasch'? Fritzl heisst mein Bruder,
Was macht er mit der misemause Tasch“? Die Maus ist ein dumm‘s Luder,
Da gab er ’nein das Geld. Ein dumm‘s Luder ist die Maus,
Da gab er ‘nein des misemause Geld. Meine Predigt ist aus. 1)

Schaltnachahrnung.
Komm‘ her zu'mir Sie kommen schon, sie kommen schon.
In mei Quartier, Was werden's machen, was werden's
Komm‘ her zu mir, machen?
Ist schön bei mir.
Fressen und saufen.
(Friedhofsglocke.)
Wer wird's zahlen ‘.’
Gingang. Gingai, Die Bauern, die Bauern.
Geh‘ ham, trink Wei, (lglauer Glocken.) ')
Leb‘ long, stirb glei,
Trink‘ kau Branntwei.
Gross und kla
Oder : Kommt’s zur Gma (Gemeindesitzung).
Lang g'lebt, (Das Glöcklein am Bathhause zu _Stannern.)
G’schwind g’storb'n;
Heut‘ i, Stampt‘s Gieffer (stampft‘s Pfeiler),
Morgen du. Stampt’s Gfetler!
(Sterbeglöckleim) (Ein anderes Glöcklein in Stannern.)

l) Erinnert an die scherzhaften Knahenpredigten der Schulknaben beim Gregorifeste.


’) So verstehen die Bauern das Geläute unserer Stadt. Die kleinste Glocke beginnt
und die grösste schliesst. Man beachte auch, wie die Laute der fünf Glocken immer
dumpfer werden.
Kinderreirne und Kindersprüche aus der iglauer Sprachinsel. 43

Steuer zohl’n! Winterkorn — reifet schon!


Steuer zohl'nl Winterkorn -— hauet schon!
(Glöcklein am Gemeindeschmiedhause in Winterkorn — bindet schon!
Wolframs, mit dem der Gemeindevorsteher Winterkorn — führet schon i‘)
zum Steuerzahlan läutet.) (Wachtel)

Didl didl didl Thee, Rhum für die Buben,


An Zwiefel und an Kre(n). Bratl für die Madln.
(Zeisig.) (Trommelvers der hiesigen National
garde des Jahres 1848.) ‘)
Micherl komm‘ mit mir in Schnitt!
Und nimm mir a Laberl Brot mit! Tamtam, taratam,
(Goldammen) Der Schimke kommt.
(Trommelvers des Ausrufers Schimke
in Stannern bei lglau.)
Micherl mit dem Sicherl geh‘ mit mir
in Schnitt!
(Goldammer.) Geht's ham, geht's ham
Ihr Lumpeng‘sind,
Habt's g'fress'n und g'soifen.
Trüb l trüb !
Habt’s no nei. g’nug?
(Fink.)
Habt's dem Kaiser d'Schanz verbaut
‘s ist mir lieber a Reiter als a Ofiicier! l) Mit Leberwurst und Sauerkraut.
( Fink.) (Trommelvers.)

Philippl, Philippl! Brüder h0rt’s den Zapfenstreich


Halb’ Bier, Halb‘ Bier! Und geht's zu Hause gleich.
(Drossel.) (Trommelvers des Zapfenstreiches.)

Ein blässl und eine Kanne, 'l'ra tara taratata


Ein Mässl und eine Kanne. Um an Kreuzer Paprika?)
(Drossel) (Trompete.)

Als wir von hier flogen, war die Scheuer Fünf, fünf lederne Strümpf,
voll, war die Scheuer voll; Eins davon, bleiben vier.
Als wir wieder kamen, fanden wir (Trommelvers.)
nichts vor, fanden wir nichts vor. ’)
(Schwalbe) Wenn der Thurner früh aufsteht,
D‘ Flaschen Wein am Tisch schon steht,
Lobet Gott ! Bratl in der Röhr'n (Ofenröhre),
Danket Gott ! Dös hat der Thurner gern.
(Wachtel.) (Beim Blasen des Thürmers.)

l) Im österreichischen Oberschlesien streichen die Kinder mit den Fingerspitzen


der rechten Hand über den Zeigefinger der linken Hand und lassen den Fink spotten:
Schub, schub, schub, kannst nicht einmal buchstabiren? i
2) Wohl allgemein bekannt.
°) Im Czechischen rufen die Krähen, welche die kleinen Kinder bringen: Kam?
kam? (wohin? wohin?) worauf die Kinder, die schon im Vorhinein eifersüchtig sind,
rufen: Ne k näm! ne k näm (nicht zu uns! nicht zu uns l‘).
‘) Zeigt sich die Eifersüchtelei zwischen beiden Geschlechtern.
’) Im Czechischen heisst die zweite Zeile: Sevci ti jsou prasata (die Schuster
sind Schweine). Auf die lautlicbe Wiedergabe der militärischen Signale zum Zwecke
leichteren Merkens habe ich bereits in dieser Zeitschrift aufmerksam gemacht.
G!‘
44 Piger.

Sprechaufgaben.
Fischers Fritze Drei driedoppelte Ducaten.
Fischte frische Fische,
Frische Fische Zwei zwieg‘spitzte Zwetschgen.
Fischte Fischers Fritze.
Wir Wiener Wäscherweiber
Der Tiroler thut mit der Tirolerin Wollen weisse Wäsche waschen,
Am tirolischen Boden tirolerisch tanzen!) Wenn wir wüssten,
Die Katz läuft über d‘Spz'ih’. Wo weiches, warmes Wasser wäre.
D’ Späh‘ sei b’sehissen,
B'schissen sei d‘Späh'. In der pimpampolischen Kirche
Da geht es pimpampolisch zu,
Sechsundsechzig Schock sächsische Da tanzen die pimpampolischen Ochsen
Schuhzwecke. Mit der pimpampolischen Kuh.
Hinter'm Hirteuhaus hängen hundert
Es ritten dreiunddreissig: Reiter über
Hasenhäutla.
die Prager Brücken
Hinter Handelhof hängen hundert Und jeder hat ein gebratenes Reh auf
Hasenhäutla himmelhoch. seinem Bücken’)

Bücherschutzsprüehe.
Dieses Büchlein ist mir lieb, Liebes Büchlein lass dir sagen,
Wer mir's stiehlt, der ist ein Dieb, Wenn dich Jemand will vertragen,
Wer mir's aber wiederbringt, So sage du in guter Bub:
Der ist ein guter Christ, 3) Ich gehöre dem N. N. zu.
Der ist mit‘ lieb.

1) Die slawische Zunge ist geneigt, zu sagen ‚Tilorer“ u. s. w.


’) Aehnlich:
Tfiatficet kt‘cpelek
Letölo pi‘es triatricet sti‘ibrmjch sti‘ech.
(33 Wachteln flogen über 33 silberne Dächer.)
Die slawische Sprache ist besonders reich an solchen Sprechübungen und sie ist wahr
hier nicht ohne Einfluss auf die deutsche Kinderwelt geblieben. Selbst in Witnhekanntist:
Strt‘. prst skrz krk
A krk skrz krö.
(Steck den Finger durch den Hals
Und den Hals durch den Klotz.)
P und k häufen sich in folgender Sprechübnng:
Sla Prokopka
Pro Prokopa
Aby nepad d0 potoka;
Pojd, Prokope, po pfikope dom.
(Die Prokopin ging um den Prokop,
Er solle nicht in den Bach fallen.
Komm’ Prokop über den Graben nach Haus).
Mit P :
Fauna Polyxena polila (Die Jungfrau Polyxena hat begossen
Pana pittera Pavla pomejama, Den Herrn Pater Paul mit Spülicht.
Pan patter Pavel poridal: Herr Pater Paul hat gesagt:
„Proö panna Polyxena polila „Warum hat Jungfrau Polyxena hegossen
Pana pz'ttera Pavla pomejama?‘ Herrn Pater Paul mit Spülicht‘?‘
Fauna Polyxena povidala: Jungfrau Polyxena hat gesagt:
‚Proö pan pater Pavel ‚Weswegen Herr Pater Paul
Panne Polyxenä nedal pokoj, Der Jungfrau Polyxena nicht Buh’ gab,
Proto polila pauna Polyxena . Deswegen hat Jungfrau Polyxena.
Pana pätera. Pavla pomejama. Herrn Pater Paul begossen ‚mit Spülicht.‘)
EI) Statt Christ sagt man auch „Kind“.
Kinderreime und Kindersprüzih'e aus der Iglauer Sprachinsel. 45

Albine bin ich getauft. Dies Büchlein hab‘ ich gekauft,


Müller bin ich geboren, Franz bin ich getault,
Wer es (das Büchlein) findt: Fünf Finger hab ich’ an jeder Hand,
Ich hab's verloren. Waldhof 1) ist mein Vaterland.

Gelegenheitsverse.
Es regnet, Herrgott'n i’) sein Kuh,
Gott segnet. Flieg auf, flieg auf!
(Beim Regen.) Heut und morgen wird's schön sah.

Regen, Regen Tropfen, Student, Student,


Schön blüht Hoplen. Hat’s Hemat verbrennt,
Schön blüht Federkraut, D‘ Hosen versofien,
Unser Herrgott hört schon auf! Ist flackert ham g‘lofen. ‘)
(Beim Regen, indem die Kinder sich an
Edal, 5) Trompedal
regnen lassen.) 1)
Steck’s Pedal an Huet,
Herr Vater, Frau Mutter,
Felber, Felber, Binden,
Die Knödel sei guet.
Den Bock, den muss man schinden,
~Vom Kopf bis zum Schwanz, ‘s Nannal vorm Thor
Bleibt das Gfeiterl alser ganz. Hat krauslete Haar,
(Beim Pieifenschneiden.) Hat Tüttle wie Nuss,
‘s Nannerl ist nix nutz.
Scheggete, peggete, steck deine Hörner
heraus.
Antschal(Aennchen) Zantschal kratz mi,
Fuhr mir mei Säckel Korn in d'Mühl‘,
Sonst schlag i dir a Loch in dei Haus.
Wo die kleinen Hündlein sind.
(Beim Schneckensuchen.)
Httndlein sind im Heu,
Johanneskäferl flieg weg, All! die Antschal liegt dabei.
Dass morgen ein schöner Tag ist.
Wenn der Fleischhacker ausgeht,
(Wetterprophezeiung. Fliegt das Johannes
Was nimmt er sich mit?
käferl gleich vom Daumen weg‚pist dies ein
Einen Beutel voll Geld
günstiges Zeichen.)
Und sei Hunderl am Strick.

Marienkäterchen flieg, Das ist das lange Lied.


Dei Vater ist im Krieg, Das singt der alte Schmied‚
Deine Mutter ist im Pommerland, Wenn er nicht weiter kann,
Pommerland ist abgebrannt, Fangt er von vorne an;
Marienkäferchen flieg. Drum ist's das lange Lied,
Dei Vater ist im Krieg. Das singt der alte Schmied.

1) Dörfchen bei Iglau.


’) Italienische Kinder singen, sich anregnen lassend:
Piove, piovesina‚ La. disse, che s‘ e duro. .
La gatta. va in cucina, La mamma ti da per culo.
La trova un contetto,
3) ‚Des Herrgotts Kuh‘ ist das Marienkäfercheu.
‘) Aehnlich wird der Student, wenn er in den Ferien nach Hause kommt, auch in
Tirol von seinen ehemaligen Schulgenossen verspottet.
“) „Edal' ist die Kosel'orm für Edu_ard.ln Tirol gibt es für den Toni einen Spruch:
Tonimann
Hat Hosen an
‘Und ‘s Degele (Degen) auf der Seite,
‘s Boss verkoft und ’s Gald (Geld) verspielt,
Itzt kann er numma (nimmer) reite.
46 Pig8r.

Der Schmied kommt geganga, Heut ist Sonntag. —


Mit der langen Zanga, Lauft der Bauer dem Hund nach.
Mit dem Hämmerl Pimpimpim, Setzt ihn auf a Käs'l
Mit dem Hammer Pumpumpum. Und scheissl ihm aufs Näs'l.")

Katharein, sperr d‘ Hühner ein Wir fahren. wir fahren auf der schnellen
Und den Hahn lass draussen; Post,
Gib ihm gute Wort, gib ihm gute \\'nrt Wo‘s nur zwei Kreuzer kost.
Und a bissl z'saufen. Wir fahren, wir fahren ins Klösterlein,
Wo die hübschen Mädeln sein.
Hut! hut!
(Während man das Kind auf dem Knie
Der Hirt hat sein Weib verlor‘u,
schaukelt.)
Hintheraus im Sommerkom.
Helft‘s ihm suchen. So reiten die kleinen, kleinen Buberlein
Kriegt’s a Stück] Kuchen, Wenn sie noch klein und winzig sein;
Helft's ihm schleppen. Wann sie grösser wachsen,
Kriegt's a Stückl Flecken‘) Reiten sie nach Sachsen,
(Beim Blasen des Hirten zum Austreiben
Reiten in das Königsschloss‚
des Viehes.) Dort schiessen sie Pistolen los.
D’ Schneiderin theilt Orbers (Erbsen) auf. Piff, pufl', pafl'!
D‘ Orbers san hass, (Ebenfalls beim Reiten auf den Knien ge
Der Schneider wirft d‘ Nadel weg sungen.)
Und stolpert über d’ Gassfi)
l sag dir weis:
Die Gass hat zwa Hörner.
Am Kopf hast Linus‘Y
Der Bock‘) hat vier Füss‘,
I sag dir wahr:
Der Schneider leckt umadum
Am Kopf hast Haar‘.
's Loch ist recht stiss.
l sag dir was:
(Bezieht sich auf die }ewohnheit der
Die Hand hast nass.
Schneider, beim Einfädeln in das Nadelloch
(Beim letzten Worte spuckt man auf die
den Zwirn in den Mund zu nehmen und mit
dargereichte Hand.l ‘)
den Zähnen zuzuspitzen)

Dreizehnthalb Schneider Wie soll i singen,


Haben vierzehnthalb Pfund, Wenn i nit kann‘? —
Und wenn sie's nicht haben, Sing’ mit den Hennen‚
Seins's halt nicht recht g'sund.‘) So heisst di nit der Hahn.

Sonne, Sonne komm‘ für. Vater unser.


Kriegst a Krügl Bier. Der du bist —
Wind, Wind bleib hint’, Vaters Wängel (Wägelchen)
Kriegst a k.lans Kind. Liegt am Mist.

Heut‘ ist Sonntag. — Was?


Lauft der Pater dem Hund nach. Altes Fass.
Mir gibt er den Hasen Drei Weiber sitzen am Platz
Und dir scheisst er auf d‘ Nasen. Und wissen nit was.

1) Eine Art Kuchen in Form eines runden Fisches.


2) Ga.ss ist die Sitzbank der Schneider.
3) Bock ist die Sitzbank der Schuster.
‘) Es müsste nicht uninteressant sein, die vielen Spottlieder auf die Schneider zu
sammenzustellen. Einige sind in meinem Besitze.
5) Wenn in Tirol Einer sagt: ‚.Heut' ist Mittwoch“, so sagt häufig ein Zweiter:
‚Hat der Hund ‘s Loch oft“. Achnlich ist es auch hier der Fall. Ein Wort oder ein Satz
lockt den Reim als eine Art Antwort hervor. Sagt Einer ‚Der G’scheide gibt nach“, so
bestätigt dies ein Anderer mit: ‚Der Dumme fallt in Bach".
‘) Aehnlich in Tirol.
Kinderreime und Kindersprilche aus der lglauer Sprachinsel. 47

Ich wünsche, wünsche, weiss nit was. A, B, C, D, '


Greifen‘s in Sack und schenken’s mir ‘s Pratzerl thut mir weh,‘)
was. Wenn ich aus der Schule komm’,
Krieg i an Topf Kaffee.
Gehorsamer Diener!
Was machen die Hühner ‘.’
Sie legen Eier. Katherl, Katherl, ‘s Bett aufbetten!
Hol‘ sie der Geier. Hast du's denn vergessen‘?
Wenn du willst den Sepperl haben,
Keller, Keller hau i, Musst du lange Kleider tragen.
Keller, Keller, bleib‘ mir, Lange Kleider trag in nit
Gieb dir ein Stücklein Brot und Butter Und den Sepperl mag i nit.
kleck.
(Zauberspruch, damit der ,Keller“, nachdem Schauetterlein, Schanetterlein,
man den Fass aus dem feuchten Sande Komm", lass mich bei dir schlafen.
herausgezogen, bleibe.) Nein, nein, nein, das darf nicht sein,
Die Mutter möcht‘ mich strafen.
Regen, Regen, Tropfen,
D‘ Madln (Buben) wer’ma klopfen,
Maderl mach ‘s Thürl zua,
D’ Buben (Madln) liegen im Federbett,
Es kommt der‘ Zigeunerhua',
D’ Madln (Buben) liegen im Saudreck.
Ninnnt di bei der rechten Hand,
D‘ Buben (d' Madln) geh’n ins Wirths
Führt di ins Zigeunerland.
haus,
Trinken a Halbe Bier aus,
D‘ Media (Buben) geh‘n ins Gschladri Büberl, schau, schau!
haus, Dort kommt der Wauwau,
Trinken a Halbe Gschladri aus‘) Hat ‘s Bünkerl am Buckel
Und ‘s Pfeiferl im Maul.
Regen, Regen, Tropfen,
Buben (Madla) muss man klopfen,
Struwel Peter,
D‘ Madla (Buben)muss man weiterjagen,
Draussen steht er,
Oder muss man's gar erschlagen.
Halt den Besen in der Hand,
Jagt die Kinder auseinand.
l, 2, 3, 4, 5, 6, 7,
Wo denn hin ‘.’
Nach Berlin, In meines Vaters Garten
Wo die schönen Mädchen sind. Sind zwei Bäumelein,
Mädchen tragen gold'ne Kränz', Das eine tragt Muschkaten,
D’ Buben tragen Rattenschwänz‘. Das andere Feigelein.
D’ Mädchen werden ‚am‘ Ball geführt,
D‘ Buben werden mit Dreck beschmiert!)
Hothe Aepf'el, weisse Kern,
Gelt, mei Dirnl, hast mich gern.
Geschicklichkeit, verlass mich nicht bei
Tisch
Und schau, dass ich zu jeder Zeit das Wenn ich auch kein Haus nicht hab‘,
' grösste Stück erwisch'. Nimmt mir der Wind kein‘ Schindel ab‘.

‘) Spottverse, welche Knaben und Mädchen einander zum Trotze singen, sind wohl
überall gebräuchlich. In Tirol sagt man:
ltzt läutets Mittag.
Mit da Heara (Herren) ins Grab,
Mit da Buaba (Madla) ins Wirthshaus,
Mit da Media (Buaba) ins Sch . . . haus.
') Diese Spottverse können auch als Auszäbllied benützt werden.
J‘) Infolge der Buthenstreiche.
48 Piger.

Arme Leut‘ brauchen kein Brot ab Wie wird's hassen?


H _ ~7 ‚ ‚ schneiden, Zucker mit der Gascheu.
Können bei den Schnitzeln bleiben. *) Wer wird's weigen (weihen)?
Der Engel mit der Geigen.
„Reserl, wann wirst Hochzeit hab'n ?“ Wer wird d‘ Windla waschen ‘1‘a
Sagt die alte Schwieger. Die alte Baba mit der Flügeltaschenß)
‚Der Faschingstag ist a a Tog,‘
Sagt die Junge wieder.
„Reserl, was wirst du essen ?“ Wassermo,
Sagt die alle Schwieger. Wir reissen deine Blumen o
„Kraut und Rüben san a a Speis,‘ Auf Spitaler Wiesen.
Sagt die Junge wieder. Kieseu. '
‚Reserl, wo wirst du denn wohnen?‘ Kommt der Handl mit sei'rh Weib,
Sagt die alte Schwieger. Tochter mit dem Rumpelscheit.
‚In deinem Haus und du musst heraus ? Ja Bauer, na Bauer, '
Sagt die Junge wieder. Gier, was‘)
„Reserl, wo wirst tanzen?“
Sagt die alle Schwieger. Fidle, fidle, foch,
‚Draussen im Graben wird die Trommel Fidle, fidle, fidle, fidle,
schlagen,“ Fidle, fidle, foch,
Sagt die Junge wieder. Wenn ich gleich nicht zählen ko‚
‚Reserl, wo wirst du denn schlafen‘? Zwanzig sind es du‘)
Sagt die alte Schwieger.
„Stroh in d’ Säck ist a a Bett,‘
Sagt die Junge wieder. 1, 2, de fidl, fidl, fo,
Fidl, fidl, fidl, fidl, fidl, f‘rdl, fo.
Ei, ei, ei Wer zwanzig zählen k0 (kann)
Sagt mei Weib, Stehen alle do.‘) '
Suppe muss i kochen;
Hab‘ ka Salz.
Schusterbu, flick mir d’ Schuh,
Hab‘ ka Schmalz,
Gib mir's Leder auch dazu.
‘s Häferl ist mir z'brocha.
Gib mir's Leder und an Fleck,
Muss erst zum Töpper laufen
Sonst bist du kein Schusterknecht.
Und ein neues Häferl kaufen.
Schustermensch ist hochgelehrt,
Der Bauer zieht sich d‘ Stiefel an, Sie“) weiss schon, wo der Krug hing'hürt.
Geht zum Brünnla, Sie nimmt den Krug und holt den Wein
G'lindt‘ a Nüunla. Zweiunddreissig müssen sein.“)
l) Die sie erbetteln. In Tirol wird die eigene Armuth ungemein drastisch also verspottet:
Ja, Ja, sell sag i: Bettelleut habens gnat, habens guat.
Ja, ja, sell sag i: Bettelleut habens guat.
Scheisst ihna ka Spatz ins Kü'in‘a,
Bricht ihna ka Ochs a Hfära:
Ja, ja, sell sag i: Bettelleut liabens guat.
’) Ich stehe nicht an, hier eine Erinnerung an Frau Helle anzunehmen, denn bei
ihr wohnen vor der Geburt die Nünnla (Nönnlein. Tocken, kleine Kinder) im Brunnen.
Dass eine Erinnerung an diese Brunnenfrau noch fortlebt, geht. auch daraus hervor, dass
man den Knaben hier verbietet. einen Brunnen oder Quelle zu verunreinigen, sie pr . . . . .
sonst der Mutter Gottes in die Augen. Eine ähnliche Anschauung fand ich auch in Ober
österreich. Baba (alte Frau, slav.) ist die Hebamme.
a) Ueber den Wassermann, den Beherrscher unserer Teiche und Flüsse, habe ‚ ich
bereits in dieser Zeitschrift gesprochen.
‘) Bei jedem Worte macht man einen Strich, um dann beweisen zu können, dass
es zwanzig sind.
5) Sie. nämlich das Mensch. Der Ausdruck ist. nicht beschimpfend.
“) Bei jeder Hebung, deren 32 sind, wird einStrich gemacht.’ Die Verse sind, wie
man sieht, Trochäen, die zwei vorletzten sind Jamben.. ' ‘ ' ‚ .
Kinderreime und Kindersprüche aus der Iglauer Sprachinsel. 49

Ein Montagskind ist hübsch und fein, Der Thurm, der ist hoch,
Ein Dienstagskind wird liebenswürdig sein, Der Bauchfang hat a Loch,
Ein Mittwocbkind hat Weh und Leid, Die Hebamm‘ ist ka Koch,
Ein Donnerstagskind kommt in die Ferne weit, So reimt sich das zusamm’.
Ein Freitagskind hat ein grossmüthiges Herz
Was ist zwischen Berg und Thal ? (Und) ‘)
und offene Hand,
Ein Samstagskind stets Arbeit und Mühe fand: Was geht auf die Weide und breitetTeller
Doch ein Kind, das am Sanntag das Licht aus? (Die Kuh.)
der Welt erblickt hat, ist gut und schön
und mit liebenswürdigem Herzen. Was liegt unter der Bank, und wenn man’s
angreift, so schreit's? (Die Katze.)
Hast mei‘ Gäns in Habern trieben,
Treib sie. wieder aussi! Wer geht auf dem Kopfe in die Kirche‘?
Hast bei meiner Schwester g‘schlafen, (Der Schuhzweclt, Schuhnagel.)
Pack di aus dem Hausi. Wer hat ein roth Büchlein an und ein weiss
Aus dem Hausi pack (i) mi nit, Kapperl auf? (Das Bier im Glase.)
Bin noch jung und heirat nit.
Was geht in den Wald und schaut nach
Itauchfang, Thurm und Hebamm'. Hause zu‘? (Die Hacke auf der Achsel
Wie reimt sich das zusamm‘ ‘? des Tragenden.)

Festsprüche.
Gregori, Gregori, Der Fähnrich:
Die Bummer (Buben) sein norri, Ich bin Fähnrich vom Regiment,
Die Madlan sei gar nit g'scheit, Ich werde so genannt,
Schenkt‘s mir was, ihr Teuxelsleut. Das: mhh Jeder'gleich kennen kann
(Kürzerer Spruch beim Gregorilaufen in An meiner schönen Kriegsfahn‘.
der Stadt.) Zur Fahne müssen Alle schwören.
Gregori, Gregori ! Drnm soll auch keiner desenter‘nl
Kommt her, ihr lieben Schülerlein,
Der Corp oral:
Kommt in unsere Schul‘ hinein.
Der desentert, der ist nicht brav,
In unsere Schul‘ werden wir einführen, ’)
Der verdient gleich eine Straf'.
Gottes Wort werden wir studiren,
Der einmal zehne 5) kriegt,
Studiren, studiren mit grossem Fleiss,
Der ist kein braver Mann;
Christliche Tugend werden weisß) Macht er ihm noch nichts daraus,
Euren Eltern wird Gott geben
So klopft man ihm den Hintern aus.
Grosses Glück und langes Leben.
Macht euch auf die Strasse, Der Säckelwart: ‚
Zieht mit mir dahin. Mein Geldbeutl thut sich auch aufmachen,
Lasst euch die Sachen nicht reuen‚nicht rauen 1 Fangt ganz freundlich an zu lachen,
Dass wir haben den besten Gewinn Wenn Herr und Frau möchten so gütig sein
Und einen Zegger‘) voll Eier kriegen. Und etwas spendiren drein.
(Grösserer Spruch beim Gregorilaufen (Spruch beim Gregorilaufen auf dem
in der Stadt.) Lande.)

1) Wohl überall bekannt.


’) Es soll wohl heissen „euch“ einführen.
') Ist wohl eine alterthümliche Form =christlicher Tugend werden(wir) weise (kundig).
4) Zegger = Korb aus Stroh in der österr.-bayer. Mundart.
’) Wohl „zehn Stockstreiche‘. Das Gregorilaufen ist noch ein Ueberbleibsel eines
früher weithin verbreiteten Schulfestes. Kinder und Lehrer zogen von Haus_zu Haus, um
Gaben zu heischen. Auch in der Kirche wurde mancher Unfug getrieben, so hielt am Knabe
eine.scherzhafte Predigt im Bischofsgewande. In der späteren Zeit nahm man an dem Ueber
muthe dieses Frühlingsfestes Anstoss und nur das Gabensammeln blieb bei uns I)IS heute.
Zeitschrift für österr. Volkskunde. 7
50 Piger.

Heut trug’ ma den Todten aus, Wenn sie will den Sommer schau'n,
Mitten in der Fasten, So geh’ sie her und schau ihn an.
Kits’ und Brot im Kasten, Er steht auf dieser Erden,
Scmmelein im Körhelein, Er kann nicht schöner werden.
Eier sollen dabei sein.
Und geht's uns nichts in Korb hinein,
So soll enk's Hemd am Arsch ankleben. Der Herr hat einen grünen Wald.
Klebe, Zebo, klebt enk's Hemd am Arsch o! Die Vöglein singen, jung und alt.
(Beim Todaustragen in Mitttasten.) Sie singen über die Massen,
Gott. wird euch nicht verlassen.

Leg’ mer‘n (wir ihn) an Zaun,


Wird er uns braun, Der Herr, der hat a hohe Brück',
Leg‘ mer‘n aufs Blöchl, Die Entlein schwimmen all zurück.
Kriegt er a Löchl, Sie sein ihm wohl gerathen,
Leg‘ mer‘n auts Blech, Zum Sieden und zum Braten.
Kriegt er a Loch.
Leg’ mer‘n auf d‘ Platten,
Fressen ihn d‘ Ratten. Die Frau, die hat ein‘ langen Stock,
Leg‘ mer‘n ins Bett, Die greitt nicht gern in Groschentopt",
Wird er uns r‘reck. Sie möcht’ sich doch bedenken
(Ebentalls beim Todaustragen von Burschen Und uns auch was schenken.
gesungen.) ‘)

Habt Dank, habt Dank, Frau Wirthin mein,


Wir sind der Frau Wirthin ins Haus getreten Das Himmelreich soll euer sein.
Und wollen um Erlaubniss beten, Mit der himmlischen Krone
Dass sie uns lasset singen Wird euch Gott belolme'.
Und möcht.‘ uns was vergünnen.

Hat uns der Herr (Frau) a G'schenk gegeben.


Den Winter haben wir ausgetragen, Ist's aus gutem Willen g‘schehen.
Den lieben Sommer bringen wir ein. Wir wollen ihm fleissig danken
Im Sommer und im Maie, Und wollen weiter wanken.
Sind alle Blümlein zweie (entzwei, knospen).

Manchmal wird noch hinzugefügt: 2)


Wenn alle Blümelein zweie sein,
Der liebe Gott soll euer sein. Die Köchin ist in Küchen g'rennt,
Mit der himmlischen Krone Hat sich den ganzen Arsch verbrennt
Wird er euch belohne'. Von allen beiden Seiten,
Sie kann gar nimmer schreiten.

Der Herr, der hat ein hohes Haus,


Da schaut a schöne Frau heraus. (Spruch der Mädchen beim Umgehen
Mit ihren schwarzbraunen Augen mit dem Summabaum [Sommerbaum] am
Will sie den Sommer anschauen. 19. März.) 1')

l) Der Todte ist selbstverständlich das Bild des Winters, der dem Sommer Platz
machen muss.
2) Bei ungünstigem Erfolge der Bitte.
_ J) Der Sommerbaum ist das Symbol des kommenden Sommers. Auch hier ist das
Herschen der Gaben die Hauptsache und wohl der Grund, dass sich der Brauch erhalten hat.
Kinderreime und Kindersprüche aus der lglauer Sprachinsel. 51

Streit zwischen Sommer und Winter. 1)


Beide. S 0 m m e r.
Wann es kommt um St. Johanuistag,
Gelobt sei Jesus Christus! ihr, Frau und
Da hau‘ ich meine Wiesen ab,
Mann,
Und viel Heu ich mach’,
Schaut euch den Sommerund Winter recht an.
Da hab‘ ich Futter für das Vieh,
Sommer. Viel junge Rinder ich aufzieh',
Winter, das kannst du nicht.
Erfreut euch, ihr, Alte und Junge,
Zu euch kommt der Winter und Summe(r). W i n te r.
Eine Kurzweil hab‘ ich euch gemacht. Wann ist die Weihnachtszeit vorbei.
Dass ihr darüber habt gelacht. Da schwing ich mit. meiner Drischel
.lepfel und Birnen hab‘ ich euch lassen So scharf ins Stroh in meiner Scheu'r,
wachsen. Da srhütt' ich auf den Boden
Dieselben hab‘ ich euch geben zu essen, Einen grossen Haufen Getreid‘,
Die Vögelein hab‘ ich euch lassen singen, Da seh‘ ich meine Lust und Freud‘.
Das that schön im Wald erklingen,
S 0 m m e r.
Ich hab‘ euch schöne Kleider angezogen,
Winter. du bist ein fressender Mann.
Dass ihr darüber gehabt grosse Freuden.
Du redest allzeit von guten Speisen
Zu euch kommt der Winter, der grausame
Und bauest selbst nichts an.
Mann,
Weizen, Gerste, Korn,
Der‘ auch einen langen Zippelpelz ziehet an.
Jagst du Alles durch deinen Darm.
Winter.
W i n t e r.
Sommer, schweig du still und halt dein Maul, Kein fressender Mann bin ich nicht,
Du bist von Art ganz träg und faul, Ich bin ein harter Arbeiter.
Du heisst mich einen grausamen Mann. Sommer, mich recht versteh‘.
Ich hab dir noch nichts Leids gethan. Mit meiner Stärk‘ und meiner Drischel
Deine Schimpfwort verdriessen mich, Thu ich denWeizen und das Korn ausdreschen,
Dieweil ich hab noch etliche Stück Vieh Dass ich meine Nahrung hab.
im Stall. S 0 m m e r.
Sollt ich darauf setzen die letzte Kuh,
Winter, jetzt will ich dich befragen:
So muss ich wissen: bin ich Herr oder du‘?
Woher hast du den Weizen und das Korn?
Ich habe es geführt in die Scheuer hinein
Sommer.
Und du frisst All's in dein Hals hinein,
Wann es kommt um St. Georgitag,
Kein Dank soll doch bei dir sein.
Da streu ich meinen Samen aus,
Winter, du weisser Greis,
Gott, dir zu Ehr und Lob.
Mit deiner grossen Kalt‘
Da bitt ich Gott um Glück und Segen und
Erfrierst du Alles zu Eis.
Gedeih'n, Mit deiner grossen Kalt‘ frierest du eben
Dass er mir hehüt das liebe Getreid‘, Viele Menschen um das Leben,
Dass ich meine Nahrung hab.
Da du sie frierest bis zu Tod.
W i n t e r. W i n t e r.
Wann es kommt um die Weihnachtszeit, Sommer, du loser Litz!
Da schlacht ich mir ein fettes Schwein; Mit deiner heissen Sommerhitz
Da friss ich Fleisch. Machst du viel Manchen lau und letz,
Dass mir mein Bart wird fett. Mit; deinem grossen Wasserguss,
Dann leg‘ ich mich zu meiner Frau ins Bett, Viel manchem Platz du oft sehr schaden thust,
Vetter, das ist brav. Viel Mancher auf dich flucht.

‘) Ursprünglich wurden sicherlich Sommer und Winter von zwei verkleideten


Männern dramatisch aufgeführt.
01
l6 l’iger.

Sommer; W i n t e r.
Sommer. du loser Bauer,
Wann es kommt um St. Margarethitag,
Du machst den Fräulein, jung und alt,
Da führ' ich Schnitter in das Feld,
Milch und Molken sauer,
Da lass‘ ich schneiden Weiz' und Korn,
Du machst die Fräulein ganz träg und faul,
Der Wein ist gebauet an,
Bist selbst ein Halunk‘, halt’ nur dein Maul,
Ein Jeder sich erfreuen kann,
Mein Bart ist ehrenwerth.
flach‘ manchen reichen Mann.
S 0 m m e r.
Winter. Winter, schimpf" mich nicht so sehr,
Ich will dir es beweisen, mit deinen Ohren
Wann kommt die Fasching heran.
Da hach (back) ich mir fette Krapfen anzuhör'n,
Jetzt will ich dir nichts mehr wachsen lassen,
Auf meiner kupfernen Pfann'
Der Hunger wird dich schon ergreifen,
Und schlecht‘ dazu ein fettes Kalb.
Das wirst du wohl erfahren.
Sommer, sei du mein Knecht, ich gib dir
das Halb‘ W i n t e r.
Und nimm bei mir Dienste an. Was liegt mir an dem Zuwachs;
Wann kommt die lange Nacht,
Sommer. Da spinn‘ ich mir auch meinen guten Flachs,
Da kann ich verkaufen blass dir zu Trutz,
Winter, das lass ich bleiben,
Mit Geld füll‘ ich mir meinen Beutel an.
Alle Worte, die du redest,
Greifen mir in das Herz hinein. S 0 m m e r.
Alles, was du hast, das hast du von mir; Winter, jetzt hast du bei mir aus,
Dasselbe hab’ ich dir geben Ich sag‘ dir's mit einem Wort,
Und soll noch dein Knecht sein ? Pack dich bald aus meinem Haus,
Ich will dich werfen hinter den Zaun,
Winter. Dein‘ grauen Bart will ich dir raufen aus,
Meine Sonne wird dich ganz verzehren.
Sommer. sei du nur mein Knecht.
Ich esse viel bessere Speisen als du, . Wi n te r.
Sie werden auch dir sein recht. Summer, das thu‘ mir nicht,
Schweinefleisch und Klotz (Klösse), ich will mich dir untergehen,
Davon wirst du bei mir zu fressen haben, Will leben nach deiner Pflicht,
Macht manchen braven Mann. Sei du mein Herr und ich dein Knecht,
So werden wir allzeit haben recht,
Sommer. Darauf gib mir die Hand.
Winter, du loser Gesell‘, S 0 111 m e r.
Du jagsl die Fräulein, jung und alt, Verzeihen will ich dir wohl,
Hinter den Ofen und hinter die Hell‘, ') Du musst dich nur verhalten (zurückhalten)
Du machst den Fräulein bald dies, bald jenes, Und musst nicht tragen einen Groll
Bald machst du ihnen einen Tropfen an der Und musst auch nicht so leichtfertig sein.
Nase, Jetzt hilf mit‘ ein Liedlein singen
Da machst du ihnen eine grosse Schande. Dem höchsten Gott zu Lob und Ehr‘.

1) Die warme Platte ob dem Ofen.


GRF\BSCFIRIFTZN
Fikl5 ÖSTERREICH.
Herausgegeben von

D"' amnurr;ermr
Professor um Stuntsgymnnsium in (‘n'3rz.

090

Suppiementheft II zu Band X 1904 der Zeitschrift für österreichische


Volkskunde.

Wien 1904.
Verlag des Vereines für österreichische Volkskunde.
Kommissionsverlag: Gerold & Ko., Wien, i. Stephnnsplatz 8.
Buchdrnckcrui Holios, Wien.
Dem Andenken meines Bruders.
Vorbemerkung des Herausgebers.

Nach dem Tode des am 24. September 1897 — um mit den Worten
eines berühmten Grabverses zu sprechen — »in der Blüte seiner Jahre«
dahingeschiedenen Professors Dr. Franz Pomezny l) übernahm der Verein
für österreichische Volkskunde aus dem literarischen Nachlaß seines
hochbegabten Mitgliedes eine umfangreiche Sammlung von Grabschriften;
dieselbe wird hiermit im Auftrage des Vereines veröffentlicht.
Sie umfaßte etwa 700 lnschriften in zwei Gruppen, die eine in und
um Salzburg gesammelt, die andere im deutschen Nordmähren. Es galt
zunächst, dieses große Material zu ordnen; dabei wurden gleichlautende
lnschriften zu einer Nummer vereinigt, so daß die vorliegende Ausgabe,
trotzdem noch 150 von mir gesammelte lnschriften dazukamen, bloß
650 Nummern _zählt. Die von mir bei früheren Gelegenheiten’) für
Grabschriften geschaffene Einteilung in fünf Gruppen (der Tote in der
ersten, zweiten, dritten Person, Sentenzen, Kindergrab) wurde auch hier
durchgeführt. In einem »Anhang« wurden dann die übrigen lnschriften
gesammelt. ”)_
Schon Pomezny hatte, wie aus seinem Manuskript ersichtlich, die
Absicht, nicht bloß die Zahl der bereits vorhandenen Grabschriftensammlungen
zu vermehren, sondern für die von ihm gesammelten Verse Parallelstellen
in den existierenden Ausgaben zu suchen. Dieser wissenschaftliche
Standpunkt, den bisher keine Sammlung.r von Grabschriften aufzuweisen
hat, ist denn auch von mir eingenommen und durchgeführt worden
Es soll in der-vorliegenden Ausgabe durch genaue Orts— und Zeitangabe
(soweit beide möglich waren) sowie durch Heranziehung der einschlägigen
Literatur ") ein Beitrag zur Bestimmung der geographischen Verbreitung
und des Alters einzelner Grabverse und damit auch ein Maßstab zur
Abschätzung ihres Wertes geliefert werden.

;‘„ ‘) Vergl. den Nachruf im »Anzeiger der Zeitschr. f. österr. Volksk.« Oktober 1897.
'-’) Vergl. das Literaturverzeichnis unter »Petak«.
’) Vergl. das Inhaltsverzeichnis.
. ; ‘) Ein Verzeichnis derselben ist samt den angewendeten Abkürzungen dem
Text vorausgeschicl.t. Nur einige mit kleinen Beiträgen in Betracht kommende
Mitteilungen (wie Ankert, Jelinek, Sieger und andere) wurden in das Verzeichnis
nicht aufgenommen, sondern mit vollem Titel in den bezüglichen Anmerkungen
angeführt.
In diesem Sinne wurden solche Sammlungen in Betracht gezogen,
welche selbstgesammelte, beziehungsweise vorher nicht veröffentlichte
lnschriften bieten‘) Aber auch jene lnschriften, für welche sich keine
Parallelstellen fanden, meinte ich nicht ausscheiden zu sollen, teils weil sie
volkspoetischen Wert aufwiesen, teils weil möglicherweise bloß vorderhand
solche Parallelstellen fehlen, indem ja noch lange nicht alle Grabschriften
veröffentlicht sind; wie ich andererseits manchmal die von Pomezny
gesammelten lnschriften als Vertreter bestimmter Gruppen beibchielt,
obgleich ich sie bei Hörmann veröffentlicht fand.
Endlich noch ein Wort über die Anklänge an die Kunstpoesie.
Derartige lnschriften werden nicht gänzlich verbannt, weil hier — und
ich glaube, in diesem Sinne hat Pomezny in seine Sammlung soviel
Kunstpoesie aufgenommen —— sehr oft Umänderungen bekannter oder
noch nicht bekannter volkstümlicher Grabverse vorliegen oder manche
scheinbar volkstümlichen Verse sich als ungeschickte Nachahmung solcher
Kunstpoesie entpuppen werden. Jeder, der sich mit der Sache beschäftigt,
kann zum Beispiel beobachten, daß namentlich, je weiter man von Bayern
nach Norden vordringt, der Einfluß der Kunstpoesie um so größer wird.
Andererseits ist es auch nicht uninteressant, zu sehen, welche Dichterworte
der Gräberstimmung des Volkes am meisten zusagen (von so bekannten
wie »Es ist bestimmt in Gottes Rat« und ähnlichen natürlich abgesehen.)
Zum Zwecke der leichteren Übersicht werden die Parallelstellen gleich
unter den Fundorten in Klammern angeführt, während die Hinweise auf
einzelne Motive und ähnliche in die Anmerkungen gesetzt sind. Was hier
von Pomezny stammt, ist eigens bemerkt worden.
Pomezny scheint sich überdies mit dem Plane getragen zu haben,
den Gebrauch gereimter Grabschriften historisch zu untersuchen. Darauf
scheinen mir seine beiden folgenden Notizen hinzudeuten.
Bei Björnson (Arne) heißt es: »Die Tochter begruben sie, wo ein
Platz frei war auf dem Kirchhof; und dann erhielt sie einen schönen
Kopfstab, worauf ihr Alter und Namen stand, mitsamt einem Verse des
Kingo.«
Ein Gedicht von Matthisson 2) lautet:
Ich seh’ des Kirchhofs Bäume, Das Flittergold im Kranze
Der Gräber hohes Gras, An junger Bräute Gruft,
Wo ich so oft die Reime Im bleichen Vollmondglanze
Der Leichensteinc las; Ein Spiel der Sommerluft.
‘) Bezüglich der Sammlung Dresellys will ich gleich hier dem Vorwurfe
begegnen, daß eine Rücksichtnahme auf dieselbe meiner obigen Bemerkung wider—
spricht. Vielmehr ist es mir ganz gut bekannt, daß Dreselly in der Vorrede selbst
angibt, er habe auch eine passende Auswahl aus allen schon vorhandenen Ausgaben
getroffen und insbesondere die Totenbretter mit Bewilligung der Autoren v. Halm,
klein und Rieder herübergenommen; daß daher seine Sammlung mit Vorsicht zu
benützen ist. Sie wurde denn auch bloß dort von mir herangezogen, wo der
bayrische Ursprung gesichert schien.
*) Es ist die zehnte Strophe des Gedichtes »Die Kinderjahre«. Vergl. auch
desselben Dichters »Grablied« und andere Anklänge in ähnlichen seiner Gedichte
Es wäre eine dankenswerte Aufgabe, dieser kulturhistorischen Frage
nachzugehen; im Zusammenhang damit sollte auch die Grabpocsie bei
den Kunstdichtern dargestellt werden, von den Friedhofgedanken eines
Gryphius, Klopstock, Hölty, Matthisson und den selbstverfaßten Grabschriften
so mancher Poeten bis zu den Dichtungen von Rückert, Lenau, Leitner
und anderen.
Dann wird sich vielleicht herausstellen, daß es seit Jahrhunderten
eine spezifische Eigentümlichkeit des deutschen Volkes geworden ist, die
Gräber mit Sprüchen zu schmücken; und es wird sich auch zeigen, zu
wieviel Nachdichtungen die Kunstpoesie Anlaß gab. Als Beispiel mögen
die schönen Worte Matthissons (Himmelsglaube) angeführt werden, welche
Pomezny als Beleg zu Hörmann l, S. 71 aufgeschrieben hat.
Kein Stundenschlag ertönt, kein Tropfen Zeit entflutet,
Daß nicht ein edles Herz um edle Herzen blutet;
Kein Abendstern erscheint, kein Morgenrot erglänzt,
Daß fromme Liebe nicht ein Grab umkränzt.

Görz, am Allerseelentage 1901.


A. Petak.
LITERATUR.

Dres. Orabschriften, Martefln u. s. w., herausgegeben von Anton Dreselly,


2. Aufl. Salzburg o. J. (1900).
Hein Böhm. Die Totenbretter im Böhmerwald, von Dr. W. Hein. (Mitteilg.
d. ahthrop. Gesellsch. in Wien xxu 1891. -
Nein V. T. Die geographische Verbreitung der Totenbretter, von Dr. W. Hein
(ebenda XXIV) 1894.
Hörm. Grabsch_riften und Marterln, gesammelt und herausgegeben von
Ludv/lg v. Hörmann, Leipzig l 1890, ll 1891, lll 1896.
Petak Frdfv. Friedhofverse aus dem Herzogtum Salzburg, von Arthur Petak,
(Zeitschr. f. österr. Volksk. l, 138). ‘ ' .
Petak Ottsh. Die Kindergriiber von Ottensheim, von demselben (ebenda IV, 107).
Petak Leond. Grabschriften aus Leonding in Oberösterreich, von demselben
(ebenda V, 119).
Petak Tdg. Totendichtung ll. Aus dem Nachlaß Josef Schwarzbachs. Heraus
gegeben v0n demselben (ebenda V, 162, V, 200).
Reitterer. Grabschriften und Marterln aus Steiermark, von Karl R€itterer
(ebenda lV, 264).
Rieder. Totenbretter im bayrischen Walde, von Otto Rieder (Zeitschr. f.
Kulturgesch. in Berlin ll [18%], 97).
Schw zb. Totendichtung l von Josef Schwarzbach (Zeitschr. f. österr.
Volksk. ll, 180).
Urban. Totenbretter in Westböhmen, von Dr. Michael Urban (ebenda l, 179).
Waldeck. Sammlung der schönsten und sinnigsten lnschriften für Grab
denkmale u. s. w., von Ernst Waldeck, 3. Aufl. Weimar 1878.
Wedk. Grabschriften und Denkverse auf Totenkränxe u. s. w.‚ heraus
gegeben \’0n Th. Wedekind, Quedlinburg und Leipzip, 1853.
Widmann. Grabsprüche, mitgeteilt von Dr. Hans Widmann (Zeitschr. f. österr‚
Volksk. VII, 161).
Wlf. Abbildungen von Grab- und Denkmälern u. s. w. nebst einer
auserlesenen Sammlung von lnschriften u. s. w., herausgegeben
von Marius Wölfer, Quedlinburg und Leipzig o. J. (Anfang des
19. Jahrhd.)
onrsmzmsren*>

Niederösterreich.
6 lnschrlften.
Kaltenleutgeben (632), 633), (634), (635).
Vöslau (646), (647).
Oberösterreich.
9 lnschriften.
Lambach 21. '
Linz 218, 306, 326, 474, 547, (625).
Pfarrkirchen (bei Bad Hall) 77.
St. Florian (609).
Salzburg.
Ungefähr 600 lnschriften.
Anthering (bei Oberndorf) ungefähr 70 lnschriften.
Eugendorf (bei Seekirchen) 17, 70, 132, 280, 533, 589.
Cmigl (bei Salzburg) 196, 388, 580, 586.
Henndorf (bei Seekirchen) 17 (3mal) 70, (641).
Kothgumprechting (bei Seekirchen) (616).
Maria Plain (bei Salzburg) 282 (598).
Mattsee ungefähr 60 lnschriften. .
Morzg (bei Salzburg) 13, 16, 40, 62, 87, 99 (2mal) 119, 135 (2mal) 149, 150, 151, 162,
184, 222, 223, 239, 246 (2mal), 249, 265, 304, 345, 359, 411, 490, 542, 569,
S88, 590.
Niedernsill (bei Mittersill (606). _
Nußdorf (bei Oberndorf) 12, 16,33,‘ 34, 46 (2mal), 48, 69, 72, 86, 95, 125, 214, 219,
230, 233, 247, 248, 253, 270, 276, 316, 345, 363, 412, 448, 456, 481, 483, 570,
571, 584. _
Oberndorf ungefähr 125 lnschriften.
Salzburg Nonnberg 8, 287, 381.
Salzburg Nonntal 22, 175, 262, 279, 318, 333, 377, 405, 447, 462, 479, 511, S42, 546.
Salzburg Sebastian ungefähr 170 lnschriften.
Salzburg St. Peter ungefähr 60 lnschriften.
Seeham (am Trumersee) 27, 65, 73, 108, 117, 118, 124, 233 (2mal), 264, 277, 307, 404,
415, 416, 417, 422, 432,535. '
Seekirchen (608), (618). _ _
St. Gilgen (am Wolfgangsee) (645).
Ursprung (bei Salzburg) (611).
Zell am See (602).

*) Die eingeklammerten Ziffern beziehen sich auf lnschriften a‘us dem Anhang.
Von vereinzelten lnschriften aus anderen Ländern abgesehen, sind jene aus Nieder
und Oberösterreich, Tirol (Ories und andere), Kärnten und Küstenland von mir
gesammelt, die übrigen von Pomezny.
Tirol.
Ungefähr 40 lnschriften.
Aschau (im Zillertal) 17, 397, 497.
Brixiegg (600).
Fügen (im Zillertal) 17, 517 (599).
Gries (bei Bozen) 42, 43, 194, 201, 202,498 (einigemal), 501, 543 (einigemal), 575
(einigemal), 594 (642).
Maierhofen (im Ziilertal) 228, 568, 593.
Pertisau (am Achensee) (610).
Rattenberg 39, 312.
Schlitters (im Zillertal) (638).
Wuefen (im Pongau) 283.
Zell (am Ziiier) 497 (607), (637).
Zeusberg (bei Meran), (605).
Steiermark.
1 Inschrift.
Bruck (an der Mur) (644.)
Kärnten.
103 inschriften.
Grafenstein 6, 496.
Klagenfurt (Friedhof St. Rupprecht) 7 (2mal), 18, 19, 79, 88, 128, 139, 164, 207, 209,
237, 244, 292, 295, 344, 348, 349, 352, 371, 422, 425, 484, 470, 471, 473, 482,
491, 499, 503, 508, 534, 540, 553, 557, 560 (631).
Maria Rain (im Rosental) 97, 221, 425.
Maria Saal 15, 147, 213, 301, 346, 350, 367, 433, 499, 505, 512, 513, 525, 530, (617),
(622), (623).
Raisach (im Gailtai) (613).
Schiefling (am Wörthersee, bei Velden) (643), (648).
Sternberg (bei Veiden) 104, 428, 480, 535, 539, 545, 549 (2mal), 552 (2mal), 558 (2mal),
559, 561 (2mal), 562, 563 (2mal), 565, 566, 590.
St. Ruprecht im Moos 303, 311.
Tainach 41, 76, 78, 88, 141, 200, 284, 309, 365, 475, 521, 549 (2mai).
Ohne Ortsangabe 14, 184, 373, 437, 541.

Küsteniand.
9 inschriften.
Oörz 59, 112, 138, 140, 148, 299, 469, 582 (626).
Böhmen.
4 lnschriften.
Grün 71.
Haibuhl 47.
St. Katharina 410.
Weckelsdorf 244.
Mähren.
\
Ungefähr 60 lnschriften.
Domeschau (bei Sternberg) 10, 26, 54, 370, 418, 457, 458, 515, 549, 550, 551, 579.
Oiebau (bei Sternberg) (620).
Olmütz 113(2ma1), 145, 183, 184, 208, 210, 234, 246, 271, 343, 391, 402, 403, 423, 446,
452, 514, 524, 574.
Römerstadt 569.
Schnoboiin (bei Oimütz) 9, 10, 29, 67, 111, 137, 142, 143, 144, 176 (3mal), 308, 369,
403, 404, 494, 507, 509, 523, 554 (2mai), 578, 577, 597 (621).
Sternberg 319, 531, 537.
Schlesien.
3 Inschriften.
Neudörfel (bei Freudenthal) (624).
Wiedcngrün (bei Freudenthal) (614), (619).

Bayern.
9 lnschriften.
Landshut 25.
Laufen (bei Oberndorf i. Salzb.) 372.
Schellenberg (bei St. Leonhard i. Salzb.) 2, 231, (627), (628), (629), (630).
zan (bei Hallein i. Salzb.) (601).
Kroatien.
1 lnschrift.
Bclovar (621).
INHALT.

. Der Tote redet ‚ Nr. 1 « 70


. Anrede an den Toten . » 80 --281
E<'ZE:_ . Mitteilungen über den Toten » 282 »414
. Allgemeine Gedanken . . . . . . . . . . » 415 -503
. Kindergrabverse » 504 597
. Anhang (Marterln, Kreuze und ähnliches) . » 598W 648
A‘

I. Der Tote redet.


Ü b e r s i c h t. .
Wanderer, steh’ still . . . . . . . . . . . . Nr. 1—« 8
Hier lieg’ ich im Rosengarten . . ~. . . . . . . . » ~ 9 ‘13.
Geh’ nicht vorbei (Was du bist, bin ich gewesen) . „ 14@22
Der Tod kommt schnell . . . . . . . . . . . . . . » 23431
Betet für mich . . . . . . . . . . . ~ . . . . . . » 32 —40
Weinet nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 41 -S3
Weg in eine bessere Welt . . . . . . . . . . . . » 54 58
Wiedersehen bei der Auferstehung . . . . . . . . . » 59 765
Eltern an ihre Kinder . . . . . . . . . . . . . . » (>(>*75
Verschiedene Stände ‚ . . . . . . . . . . . . . . . » 76 H79

l. Der Seiler spinnt der Fäden viel, 4. Steht still, ihr Freunde und Bekannte,
Er spinnt sie oft und so lang er will; Hier vor meinem kühlen Grab,
Könnt’ er den Lebensfaden spinnen, Der Tod hat mich so schnell ge
So läg’ er nicht im Grabe drinnen; ‘ nommen, .
Doch diesen spinnt ein Anderer, Wo ich es nicht vermuthet hab.
Drum lebe fromm, o Wanderer, Anthering 1890.
Stehe still und denk an mich,
Daß auch deines Lebens Faden bricht. ‘) 5.. Steh Wandersman vnd höre an,
Mattsee, o. J. Was dir die Todten sagen!
Pack ein dein sach fein algemach,
‚ Halt In, stehe still,
Du folgst in etlich Tagen‘)
hör was ich will,
mit dem weyhbrun besprenge dich, Sbg. Seb. 1732.
mit einem Vatter vnser vnd A‘ve
‚ Maria erquickhe mich. vir sistto (sie!) ‘Viat0r
Schellenberg, Kirche, 1700. _ lege
(Sieger, Zwieselstein.)’) vade et tu fac similiter.°)
Grafenstein, Kirche, 1727.
Steht still, ihr Freunde und (Bekannte)
Dahier vor meinem kühlen Grab,
7. O Wanderer, steh still und bete für
Der Tod hat mich hinweggenommen,
mich,
So daß ich’s nicht vermuthet hab.
Morgen kommt ein anderer (m’d’betät
Sbg. Seb.") für dich.
(Schwzb. Nr. 7.)
(Hörm. l. 5.45.) Klagf. (2mal).
T’ 7 6 Wie so oft, hat man an der Orabschrift zwei Teile zu unterscheiden. ' Mit

Z. 5«8 gehört der Spruch in diese Gru e, während die an den Beruf des Toten
geknüpfte Betrachtung (Z. 1«4) auf die
Pom. bemerkt, daß Name und
"ö ruppe lll verweist.
Jahr weggemeißelt worden zu sein scheinen.
‘) »Marterln und Grabkreuze.« Zeitsch. für österr. Volksk. l, 293.
-‘) Das Jahr unleserlich.
‘) Zur Mahnung an den Tod vergl. Nr. 23 ff.; ferner Hörm. l, 5.4; Petak
Frdfv. Nr. 8; Petak Tdg. Nr. 24, 76; Hein, T otenbrett von Maurach bei Zell am See
(Zeitsch. f. österr. Volksk. l, 64) Nr. 2.
"') Grab einer gelehrten Nonne namens Franziska Maria v. Kemeter.
12

.“' Quo Viator? siste: paucis te moror. ll. Hier liege ich im Rosengarten,
Brevis mortuorum sermo, at vivus et Muß auf mein Mann, und Freunde
efficax. warten.
Ouaeris, tu qui es? tu qui eris. Hier liege ich und muß verwesen,
Urges, quis eras? erras, non quis Was ihr noch seid, bin ich gewesen,
sed qualis quis fuerit, hic quaerit. Was ich nun bin, das werdet ihr,
Pares tu tibi, quia infra te eram Geht nicht vorüber, betet mir!
nomine Georgius Christophor’ Langer Anthering 1893.
Gradu J. U. Dr. Titulo Cum: Anthering 1894.‘)
Pal : Caes: Officio Cel: Princ: Salz
Hier lig ich im Rosengarten,
olim Consiliari’ Aulie’, tandä Parthe—
Mus auf meinen Ehemann und
nonis Nunbergensis Index. Anno Chri
Verwanden warten.
M.DCC. aetat: LlX. die X1May citatus
Hier lig ich und mus verwesen,
ipse ad lndicium supremi lndicis
Was lhr jetzt seid, bin ich auch
comparere, causam dicere iussus sum.
parui, comparui, vixi, dixi, rogas,
gewesen,
Was ich jetzt bin, das ward auch ihr
quomodo? nescies modo, scies aut€
Geht nicht vorbei und bettet mir.
postea nam adhuc semel conveni
emus, vade interim et vale: vive Nußdorf 1895.
memor Dei, tui, mei.') - Josef und Therese sind wir genannt,
Nonnberg 1700. Im Himmel ist unser Vaterland.
Hier liegen wir im Rosengarten
Hir in diesem Rosengarten Und thun auf unsere Kinder warten")
Will ich auf meine Kinder warten. Morzg 1874.
Mann und Kind, weine nicht, (Dres. Nr. SO.)
Ich steh vor Gottes Angesicht.
Auf meinem Grabstein steh’,
Anna Sauer heiß ich,
Daß es der Wandrer seh’
Zum himmlischen Vater reiß ich;
Und ohne Gruß nicht geh’:
Sag meinen Freunden gute Nacht,
Gelobt sei Jesus Christ,
Ich ruh sanft mit meiner Mutter in
Maria, sei gegrüßt.
einem Grab.'-')
Kärnten (?).
Schnobolin 1884.
An diesen Grabstein, O Wanderer
Hier ruhe ich in Rosen lcanst Lesen
Und werde auf euch warten. Daß, wer du izt noch bist, ich
Herzliebste betrübt euch nicht! vorauch war gewesen.
Kommtöfters zu meinem Grab getreten Mein Haus hies Rosenbäck, mein
Und thut für meine Seele beten") vatter schrieb sich Alt
Domeschau 1881. ‘und vor ich das Gesatze der Natur
Schnobolin 1891. hab bezalt

‘) Die Inschrift ist deswegen wichtig, weil sie Anklänge an mehrere sehr
gangbare Grabs rüche enthält (vergl. auch Nr. 16 ff.) und so wichtige Beziehungen
der deutschen räberpoesie zur lateinischen aufdeckt.
Pom. bemerkt, daß die Worte an der Außenwand der Kirche beim zweiten
Portal stehen.
2,) Wieder interessant durch die Verbindung mehrerer Motive. Z.1 und 2 von
dem berühmten Kindergrabvers (vergl. Nr. 549 ff.) Ebenso ist Z. 3 und 4 typisch
(vergl. Nr. 41 ff.) und Z. 8 klingt an das bekannte Motiv von Nr. 137 ff. an. Zu
Z. 5 ff. vergl. Hörm. ll, S. 32, sowie Nr. 554 dieser Sammlung. Zu Z. 7 vergl. Nr. 64,
sowie Petak Tdg. Nr. 15 und Widmann Nr.1 b).
3) Die beiden letzten Zeilen sind ty isch. S. Nr. 66. Vergl. Petak Frdfv.
Nr. 1, Schwzb. Nr. 2 (Z. 19 und 20), Petak eond. Nr. 23, Petak Tdg. Nr. 4, 75, 79.
‘) Z. 2 »Weib und Kinder«. Zu Z. 3 «6 vergl. Nr. 16.
‘) Vergl. Nr. 556. .
13

Namm mich in Ehestand Magdalena '7- Was du jetzt bist, war ich auf Erden,
Schulerin Was ich jetzt bin, wirst du auch
Zu Clagenfurt war ich ein Bäcker— werden,
meisterinn.‘) Ich bin jetzt da und wart’ auf dich,
Gott VerLelhe ihr VnD al.Len Gehst du vorbei, so bet' für mich.
Abgestorbenä.freVDenVoLLeVrstänD. Fügen (im Zillertal)_
Maria Saal, Kirche, O. J. Ascha“ i"“ Z‘“erta‘)
Eugendorffi)
Henndorf (3mal)i)
l“- l’1ier lieg ich und muß Verwesen,
1*‘. Hier lieg ich, um zu verwesen,
Was ihr seid, bin ich gewesen,
Was du bist, bin ich gewesen.
Was ich bin, werdet ihr,
Knie nieder und bete für mich,
Geht nicht vorüber, betet min")
So bitt auch ich bei Gott für dich.
Anthering 1893.
Mattsee 1g74. Klagenfurt.
t 1 .~
#Sßififf 136%~ 191 Betet für mich, solang ihr lebt auf
Morzg 1887.’) Erden,
Sbg- Seb- 1877-3) Was ich bin, werdet ihr auch einstens
(Petak Tdg. Nr. 23.) werden „)
(Petak Tdg. Nr. 96).‘) '
(Rieder S. 118).-‘) Klagenfurt.

‘10- Mensch stehe still und denke mein!


Was du jetzt bist, war ich einstens auch,
Was ich jetzt bin, wirst du einst auch werden,
Ein Fraß der Würmer, Staub der Erden?)
Oberndorf 1895.

l) Die Inschrift dürfte ein hohes Alter besitzen, da Klagenfurt noch zum
Pfarrsprengel Maria Saal gerechnet ist.
z) Z. 2 »Was ich war, ‘das seid ihr noch«.
’) Z. 3 und 4 wie bei Nr. 17, also Kontamination.
‘) Z. 3 und 4 »Was ich bin, wirst du noch werden,
Bet für mich, solang du lebst auf Erden«.
5) Z. 3 und 4 »Was ich jetzt bin, wirst auch du,
Drum steh und bet für meine Ruh«.
“) Vergl. ferner Hörm. l, S. 35, 39, 45, 115; ll, S. 5, 46. lll, S. 97. Hein V. T.
S. 59. « in den »altbosnischen Grabinschriften« von Truchelka (Wissensch. Mitteil.
aus Bosnien und der Herzeg. V, 1897) steht der Vers: »Brüder ich war wie ihr und
ihr werdet sein wie ich«. - Bei Reitterer Nr. 3 scheint gleichfalls unsere lnschrift,
in verstümmelter Form, vorzuliegen. -— Auch erwähnt Heinrich Ankert in »Pest—
wahrzeichen aus Nordböhmen« (Zeitschr. f. österr. Volksk. VI, 78) eine Pestsäule
aus Bürgstein vom Jahre 1713 mit folgender lnschrift:
O ihr alle, die ihr vorübergeth,
Seht wie die Sache mit uns besteht,
Wie ihr jetzt seind Alle,
Waren wir auch auf Erden;
Wie wir anjetzo seind,
Also werdet ihr auch bald werden.
Das alles beweist, daß keine andere Grabschrift an örtlicher und zeitlicher
Verbreitung der obigen gleichkommen dürfte. Mit diesem Grabspruch aller Grab
spr'üche begann Pom. seine Sammlung.
7) An beiden Orten lautet Z. 3 und 4 wie bei Nr. 16, eine gedankenlose
Kontamination.
8) Vergl. die Umkehrung bei Petak Tdg. Nr. 96 (Anm. 4 zu Nr. 16).
") Z. 3 und 4 auch Hein Böhm. S. 94. Vergl. Nr. 153 Anm. Zum Schluß vergl.
Mos. l, Buch lll, 19. . .
14

2'- Wanderer steh still und schau! 24 Heute mir, morgen dir!)
Der du bist, war ich auch. Mattsee 1872_
Der ich bm, das wirst du werden,
Ein Speis der Würmer und Staub ‘5— Sehr ungleich geht's auf Erden zu,
der Erden ich heut, der gestern, morgen du.
Lambach, Stierberg. Landshut.
(Sieger, lselberg)‚‘) (Dres. Nr. 292.)
(Urban Nr. 2)?) ‘ ' _
(Ricder S, 113)‚ß) -""- lst das Leben nicht ein Traum
(“ein Böhm. ‚S. 94).") Flüchtiger Gefülle (sicl)?
‘Drei Nr‘ 222‘) Kaum sind meine Jugendjahr’ ver
W _ { flossen
--- Bedenckh '0Mensch betracht nur drs Steh ich schon am Zie|c_r)
So diese Schrüft thust lesen
Wer da Alhier anietzo bist Domes(hau 1888’
__ ‘ (Wedk. 372.)
Wur auch zuvor sein gwese.
Wer Aber Wür ietzunder sein 27' Haare Wie der Schnee 50 Weiß‚
Wirst eben gar bald werde In den Adern Blut wie Eis;
Wan der todt l<hombt und holt Winken mir Zum Grabe hin,
dich ein Zeigen, daß ich sterblich bin.
Auch macht zu Staub und erden‘) Seeham 1333_
Sbg. Nonnth.1730. (Dresr Nr- 333-)
‘Äl- Heut’ an mir, morgen an dir. ‘-'“'- Kaum fang ich an zu Leben,
Maß ich von meinen Liebsten gehen,
Salzb. Seb. 1714. War erst siebzehn Jahre alt,
(Hein. Böhm. 5.88.)
(Höm1~ H, S_ 75_) . Als mich Gott gerufen hat")
_ (l‘läörm. l S. 72.) Anthering.
(Rreder 5114)») (Hörm. l, s, 9.)
‘) Marterl aus St. Peter in der Au in N.-Ö. (Zeitschr. f. österr. Volksk. lll,305)
mit dem Zusatz: »Drum denke oft an deinen Tod
Und bitte auch für mich zu Gott«.
’) Z. 1 »O Mensch gehe nicht vorbei, ohne es zu lesen«.
Z. 4 »Staub und Asche«. '
‘) Hier lieg ich und wart auf dich, Du stehst allhier und thust es lesen:
Gehst du vorbei, so bet für mich. Was du bist, war auch ich gewesen,
Besonders in der heiligen Meß Und wer ich bin, wirst du werden,
Mein’ arme Seele nicht vergeß. Staub und Asche in der Erden.« (1879.)
‘) Vergl. Dres. Nr. 137. '
") Auch Motto für Totenkapellen: »Heindt an Mier, morgen an Dier«.
Rosegger (Deutsches Vnlltsleben in der Steiermark l, 180) teilt mit, daß bei
der dreinächtigen Totenwacht mit Vorliebe ein Vollcslied mit folgender
Strophe gesungen wird: '
Heut ist’s in mir,
Morgen ist's in dir;
Es ist halt kein Kräutlein
Gewachsen dafür.
°) Nach Böhaimb (Chronik der Stadt Weilheim 5.89) steht in der Kirche zu
Weilheim der Spruch: »Hodie mihi, cras tibi: O Mensch lern sterben, 1582.« Vergl.
auch Petal< Frdfv. Nr. 7. Dann Sieger »Marterln und Grabkreuze« (Zeitschr. f. österr.
Volksk. l, 292), Marterl aus Zwieselstein »Wann du stirbt, ist dir verborgen,
Drum steh in Sorgen.«
Endlich das Gedicht »Der Himmel ist blau« von Gilm (Ausgabe von
Greinz, S. 142).
7) Z. 3 bei Wedekind »Ausgelaufen ist er kaum« zeigt, daß unser Vers hier
verdorben ist. Das Leben ein Traum 7 vergl. Nr. 106, 107, 435, 530 ff.
‘) Interessant sind hier die Assonanzreime. Vergl. mit dem Anfang den be—
rühmten Vers: »lch leb’, ich weiß nicht, wie lang« (bei Hörm. Haussprüche in den
Alpen S. 117, 131, ferner Petak Tdg. Nr. 20, Dres. 170, 804).
15

Sterb ich hier einen schnellen Tod, 34~ Tausend Dank sei dem von Herzen,
Sei mir barmherzig, Herr, mein Gott! Der im Grab’ noch an mich denkt
‘ . Und mir auch aus from'men Herzen
Schnobohn 1896. Oft einen Vatterunser schenkt")

.-:o. Baue nicht auf Iangeß Leben, Nussdorf 1882


blinde Jugent, baue nicht:
L€hrnß.dich dem Dodt ergeben, 35~ Tausend Dank sei dem von Herzen,
der noch zeit noch alter sicht. Der im Grab noch an uns denkt
Da Ich hörte Verse klingen Und uns oft aus frommen Herzen
bey der jungen dichter schaar, Auch ein Vaterunser schenkt.
Must ich Dodten Iieder singen,
Oberndorf 1878.
Sterben kein gedichte war.
Doch gedichte maß ich nennen,
Leben, Jugent, Zeitlichkeit Hfi. Theurer Gatte,
Und alleinig wahr erkennen Führet dich der\X/eg zu meinem Grabe,
Jeneß Thema: Seyt bereit‘) Siehst du meinen Leichenstein vor dir,
Sbg_ Seb. 1736. O gonne mir die allerbeste Gabe,
Bete cm Vaterunser mm")
:n‚ 0 Jugendy glaube mir, Oberndorf 1892.
Wüst du das heyl erwerben,
50 Schaue mich a|hier 117~ Lieber Leser! Thu an mich gedenken
Und lerne Jung Zu Sterben. und mir ein Vaterunser schenkenfi)
AI so ru ft et aus diesen
' ' . . .’ l
Stern Sbg. Seb'1790'
Sbg. Seb. 18. Jh. (Reitterer, Nikolai.)
(Petak Tdg. Nr. 17.)

3'l~‘ Hier liege ich, und wart auf dich,


Bis wir einander sehen’ Pi‘- Die\X/elt, 0Mensch, ist nur ein Dunst,
Ich bitte dich, beth du für mich, Verlaß dich nit auf ihre Gunst
ES wird dir auch so gehen_a) Mein gneigter Leser, bett für mich,
Das will vor Gott vergelten Ich.
Oberndorf 1888.
Sbg. Seb. 1732.
Im stillen Grabe ruh’ ich aus,
Weit weg von meinen Vaterhans. 39 Ach Viator, hier Siehe zue,
Ihr könt mich nun nicht mehr seh’n, weil alda lig ich ar-Mer Sinder,
Ich kann nicht mehr zu euch in Ur- so bet für mich, ihr freindt nit minder,
laub geh’n. ' ' das Gott mir Wolle gnedig geben
Doch bethen könnt ihr für mich, Ain freiden volles uhrstendts leben
Daß meiner Gott erbarme sich‘) zu meiner leibs und Sehen Ruhe.
' Nussdorf 1860. Rattenberg, Kirche, 1728.
. ‘) Die Inschrift steht, wie Pom. bemerkt, auf dem Grabstein eines
stud. poes. Die letzte Zeile bezieht sich auf Luc. 12. Vergl. Petak Tdg. Nr. 24.
Die anze Inschrift ist durch die merkwürdige Verspottung der Poesie und durch
den inweis auf eine Totendichtung interessant.
‘-') Vergl. Petak Leond. Nr. 57. _
l“) Zum Anfang Vergl. Nr. 21, Anm. 3, ferner Dres. Nr. 142.
‘) Grab eines Soldaten. Bcsonde'rs hübsche Gedanken. Zu Z.3 vergl. den
bekannten Vers »Ich kann nun nicht mehr bei euch sein« (Petak Tdg. Nr. 92.)
5) Diese Stellung »im Grab« (gehört natürlich zu »mich«) in Z. 2 ist typisch.
') Z. 1 vergl. Nr. 10.
‘l Vergl. Petak Tdg. Nr. 39, Schwarzb. Nr. 2, Z. 29 «32, Petak Leond. Nr. 19,
Sieger (Marterl aus St. Peter in der Au in N.-O.) in der Zeitschr. f. österr. Volksk. III, 305.
16

49 Wenn ich schon im tiefen Grabe - Kinder, Freunde, weinet nicht,


Jahrelang geschlumert habe, Sterben ist ja Menschenpflicht!
So lies diese Zeilen hier Lebet wol! Beim Aufersteh’n
Und weihe eine Thräne mir.‘) Werden wir uns wiederseh’n.
Morzg, 1862 (?) Nußdorf 1895.
Nußdorf 1896.
- Weinet nicht meine Lieben, (Hörm. l, S. 17.)
Daß ich bin daher gebracht. Gattin und Kinder, weinet nicht!
Erfüllt ist Gottes Willen, Ich hab’ nun ausgelitten,
Er hat es recht gemacht!) Sterben ist ja Menschenpflicht,
Tainach 1882 (.>) Da nutzt gar kein Bitten.
Lebet wohl! Beim Aufersteh’n
- Mich rief des Herrn heilger Wille Dort werden wir uns wiederseh’n.‘)
Wohl früh von meinen Lieben fort; Haibühl.
Doch weinet nicht, ich steh am Ziele, (Petak Leond. Nr. 4.)
Fürbittend denk ich euer dort. 48. »Sie ist nicht mehr, sie ist dahinl«
Gries. So denkest du im Trauersinn.
43. Doch weine nicht an deiner Gattin
Was weint ihr noch an meinem Grab?
Gruft,
Ich wohne in des Himmels Höh’nl
Die Trennung endet, wann der Herr
O glaubet mir, was ich erfahren habe,
dich ruft.
Der Unschuld Kranz ist wunderschön. 1

Mein Scheiden soll euch nicht Nußdorf 1893.


betrüben, 49. O Gatte, Kinder, weinet nicht!
Bald werden wir uns wiederseh’n.“) Gott selbst erfüllt die Pflicht,
Gries. Die ich euch noch erweisen soll,
D’rum Gatte, Kinder, 0 lebet wohl.")
44. Klaget nicht, daß ich so früh
Oberndorf 1878.
geschieden,
Seufzet, weinet mir nicht nach, 50. Nicht bitte ich um Trauer die Meinen,
Weil mir noch so früh hienieden Nicht bitte ich, daß sie um mich
Gottes Hand das Auge brach. weinen,
Mattsee 1891. Nur eines gilt tausendmal mehr,
(Petak Leond. Nr. 12.) Dieß eine von Euch ich begehr,
(Petak Tdg. Nr. 2.) Daß sie meiner gedenken,
Gebete voll Andacht mir schenken.
- Du rufst — ich folge gern
Anthering 1895.
Der Stimme meines Herrn;
(Petak Leond. Nr. 3.)
Schau’ aber auch die Waisen an,
Ob ich sie schon verlassen kann? - O weinet nicht, was sollt’ ich länger
Du übernitnmst mit meiner Seele wallen
Zugleich die treue Vaterstelle. Im dunklen Land, wo Schmerz und
O Gattin, Kinder weinet nicht, Sünd’ uns schreckt.
Gott selbst erfüllet ja die Pflicht, Mir ist das Los, das herrlichste
Die ich hier noch erfüllen soll, gefallen.
Nun, Gattin, Kinder, lebet woll‘) Mein Palmzweig grünt, mein Kleid
ist unbefleckt,
Mattsee 1886.
(Schwzb. Nr. 6.) Ich schau in Wonne Gottes Angesicht
bloß Z. 7 «10. O weinet nicht‘.
(Dres. Nr. 370.) Sbg. Peter.
l) Vergl. Nr. 604. Kunstpoesie?
=) Vergl. Nr. 540. Die Daten sind slovenisch.
’) Diese und die vorangehende Inschrift beziehen sich auf junge Mädchen.
‘) Vergl. Nr. 49.
") Vergl. Widmann Nr. 3d.
") Vergl. Nr. 45.
17

52~ Lebet wohl! 58' Uns hat der Tod geschieden,


Schwer bin ich von euch gegangen, Doch wechselt nur der Ort.
Doch ich ging zum Vater, Dort oben wie hinieden
Weinet nicht! Währt unsre Liebe fort!) ‚
In meiner neuen Heimath
Werden wir uns wieder sehen. Sb g . S e b. 1868.

Sbg. Seb. 1872. 59~ Ich habe Gnade,


O selige Sabbatruh!
3‘- Froh geh ich, weil es Gott gefällt, A_uf Qffenem Pff‘de
Den Weg zu jener bessern Welt. z|eh Ich dem Hlmmel Zu
Euch Sag ich, die ihr um mich weint, Nur Friedensgrüsse hör ich schallen,
getrost, ba|d werden wir Vereim~ Und alle Schranken seh ich fallen.
Mattsee 1896. GÖTZ 1888

54 Die lieben Alle, die mir Gott einst gab, 60' {ich v:‘{e(ijß’u dgße_‘rl1rs‘tsegrxäicllrilgnd lebt’
E'h
rrelc ten l"angst ‘d as .t'll
vorürrTliltl; g‘ e r “redlich“'
Wer nach dem Guten' strebt,

Und sehnend ging ich durch das Den kann der Tod nicht schrecken.
Leben. Mattsee 1811.
Nun wird sie Gott mir wiedergeben,
Wo nie der Tod vereinte Herzen +u. Ich lieg a||hier mit Kot}, bedeckt,
trem1t‚ Kein Mensch auf Erd, der mich
Und Freudezähren nur das Auge erweckt,
kennt‘) Als Gott allein am jüngsten Tag,
Domeschan 1893~ Er wecket mich aus diesem Grab.
( Antherin , o. J. )
55' Der Weg ist weit und schauervoll, HÖ"‚I“- "‚ -8‚ 36
Den ich im Tod betretten soll; (Horm' m’ S‘ 8‘)
O Herr, sei mir zu dieser Reise _‘ . _ _ _
Ein Führer, gib mir Kraft und Speise?) ""‘ Hler hegen W" da, sind Zugedeckt‚
A h _ 18 9 Niemand ist, der uns erweckt,
"t ermg 7 ' Als Gott allein am jüngsten Tag,
Wird uns erwecken aus dem Grab")
5*‘ Der Tod ruft uns den Himmel zu M 1885
Und aus der Arbeit in die Ruh: (DrggzgNr 142)
Geht es gleich über Dornen hin, ' ' '
Wenn ich nur dorten selig bin. 63. Einst wenn die Gräber beben,
Anthering 1858. Die Todten wieder leben,
Werd’ ich auch mich erheben,
"7- Der Tod führt uns den Himmel zu Gegrüßt seist du‚ Maria! _~
Und aus der Arbeit in die Ruh, und wenn Ich den!" dlch grüße,
Geht’s gleich oft über Dornen hin, 0 gnaderlr?l_chei Süße}
Wenn ich nur Jenseits bin.“) Dann grüß ‘m Paradlese,
‚ Maria, du auch michl")
Anthering 1858.
(Petak Leond. Nr. 15.) Sbg. St. Peter 1870.

‘) In bezug auf volkstümlichen Gehalt wertlos.


’) Vergl. Urban Nr. 12, Dres. Nr. 614.
3) Vergl. Dres. Nr. 228.
‘) Zu Z. 4 vergl. Nr. 469 ff.
5) Vergl. Nr. 559, 563. __
ß) Nach einem allgemein gehaltenen Anfang erfolgt ein Ubergang zu einem
Marienlied.
Zeitschrift für unten‘. Volkskunde. 2
18

(H. An meiner Gruft stärkt euren Glauben, 70. Vater, wenn die Kinder fragen:
ihr Eltern, die ihr mich geliebt! Wo ist denn die Mutter hin ?
Der Tod kan mich nicht ganz euch Wenn sie weinend um mich klagen,
rauben, Sag, daß ich im Himmel bin.
Da Gott mich einst euch wieder gibt, Eugendorf.
Dank sei euch, Eltern! dargebracht') Henndorf.
Für eure Sorgfalt! Gute Nacht‘)
Oberndorf 1894. '- Vater! Wenn die Tochter fragt,
(Petak Ottsh. Nr. 23.) Wo ist die Mutter hin?
So sag ihr gleich, das ich bei Gott
’- 0 seid getrost und freuet euch, Stets im Himmel bin.
Laßt nicht die Hoffnung sehwinden. Vater! Wenn die Tochter weint,
Wir werden in des Vaters Reich So trockne ihr die Thränen.
Uns alle wiederfinden. Schließt in euer Gebet mich ein,
Seeham 1888. Pfianzt Rosen auf mein Grab“)
Grün im Böhmerwald 1895.
'- Kinder, kommt zu unsrem Grabe, (Hein Böhm. S. 94.)
Wo wir unsre Wohnung haben,
Der Herr hat uns von euch genommen, ‘- Weil treu mein Herz für dich erglühte,
Um euch verklärt entgegenzukommen, Mein lieber Mann, vergiss nicht mein;
Wandelt nur auf Tugendwegen, Leb woll Hab Dank für deine Güte,
Daß wir uns einst glücklich sehen!) Und denk der lieben Kinder mein!
Mattsee 1891. Euch kleinen trifft mein letzter Blick,
Am schwersten lass ich euch zurück.
‘. —| O ihr verlassn Kinder mein, Nußdorf 1893.
vertraut auf Gott und Denkt mein,
Gott sorgt für alle Gros und Klein, 73. Erzieht eure Kinder
Drum Schliff ich ohne Kummer ein‘) Für’s ewige Leben,
Schnobolin 1888. Den Lohn wird euch Gott
Der Allmächtige geben.
Aus dem Grabe ruf’ ich noch Seeham 1885.
Zu Euch, liebe Kinder, (Schwarzb. Nr. 2, Z. 13—16.)
Vergesset Euren Vater nicht (Petak Leond. Nr. 59.)
Und werdet keine Sünden")
Anthering 1881. 74~ Vergesst mich nicht, ihr meine Lieben,
Die ihr auf der Welt zurückgeblieben,
(W. Gerne schlöss’ ich euch in meine Arme Lebet doch immer fromm und still,
Und stillte euer Herzeieid, Liebt die Arbeit, betet viel,
Entfernt von diesen Erdenharme Gönnet mir den ewigen Frieden,
Vereint mit mir in Seligkeit. Der von Gott mir war beschiedem
Lebt woll im Himmel sorge ich Liebet einander bis ins Grab,
Noch für euch alle mütterlich. Denket stets, daß Gott einst ruft. 7)
Nußdorf 1892. Oberndorf 1895.

l) Z. 5 Dank an die Eltern. Vergl. Petak Tgd. Nr. 89.


2) Zum Schluß vergl. Nr. 9 Anm. zu Z. 7.
a) Zu dem Anfang vergl. Nr. 10.
‘) Zu Z. 2 vergl. Schwarzb. Nr. 2, Z. 9-—12.
Petak Leond. Nr. 22.
°) Zu Z. 3 und 4 vergl. Nr. 408.
") (Zu 70 und 71.) Das ist ursprünglich ein Kindergrabvers gewesen. Vergl.
Nr. 568 f .
7) Zu Z. 3 und 4 vergl. Schwarzb. Nr.2, Z. 37 u. 38.
19

75. Vergeßt mich nicht, ihr meine Lieben, ‘- l bin hiezund hamgraist;
Die ihr dort zurückgeblieben! Thats beten für mi!
Lebet immer doch recht fromm und Ar ös kemts bald nachö,
still, Aft dank i engs i.
Liebt die Arbeit stets und betet viel. Mir segn uns ja wieder,
Gönnet mir den ewigen Frieden, Herts Leidl! Dö Freud’,
Der von Gott mir ward beschieden; Dort omat ön Himmel
Liebt einander hilfreich bis ans Grab. Af ewige Zeit! z)
Denket stets, daß Gott euch ruft Pfarrkirchen.
einst ab.
Anthering 1886. Glücklich, wer auf Erden mit Gott
(Petak Tdg. Nr. 7.)
(Hein V. T. S. 66.) vereinigt wandelt,
Wegen Gott gut und gerecht handelt
Wenn ich gethan, was ich gelehrt, Und seine Hoffnung bauet;
So ist der Himmel mein. Unendlich glücklich aber, wer im
Wenn ihr gethan, was ihr gehört, Himmel Gott schauet.
So kommt ihr auch hinein. Drum betet fürmich und arme Seelen,
Und welche Wonne, welche Freud Denen die Himmelsfreuden noch
Wird seyn in alle Ewigkeit, fehlen,
Wenn Hirt und Herde beysammen Daß wir bald vor Gottes Angesicht
Auf Gottes Weide! Amen!) gelangen,
Anthering 1817. Das ist unser sehnlichstes Verlangen,
Oberndorf. Wo ich als Seelenhirt für seine Heerde
Tainach 1876. Für euch bei Gott bitten werdeß)
(Hörm. ll, S. 39.)
(Petak Tdg. Nr. 27.) Tainach 1868.

791 O holde Kunst, in wie viel grauen Stunden,


Wo mich des Lebens wilde Kraft umstrickt,
Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden,
Hast mich in eine bessre Welt entrückt!)
Klagenfurt.
2) Pfarrer oder Propst.
-‘) Im Jahre 1894 selbstverfaßte Grabschrift eines dortigen Priesters.
‘) lnfulierter Propst von Tainach.
5) Auf dem Grab des Chormeisters Han n. Allerdings wenig volkstümlicher
Gehalt. Vergl. Nr. 278, 286.
II. Anrede an den Toten.
Übersicht.
Du bist zu früh geschieden . . . . . . . . . . . . . . Nr. 80—106
Ein neues, besseres Leben . . . . . . . . . . . . . . . » 107»—122
Ruhe sanft ‚ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 123—184
Bitte für uns . . . . . . . . . . » 185 491
Wiedersehen bei der Auferstehung . . . . . . . . . . . » 192 «207
Du bist unvergeßlich . . . . . . . . . . . . . . . . . » 208*228
Wir weinen um dich . . . . . . . . ~ . . . . . . . . » 229-243
Unheilbar ist die Wunde . . . . . . . . . . . . . . . .‘ » 244—249
Sieh’ herab vom Himmel . . . . . . » 250*257
Erlösung von Leiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 258*269
Belohnung im Himmel . . . . . . . . . . . . . . » 270—275
Friede deiner Asche und ähnlich . . . . . . . . . . . . » 276 «281

80~ Allzufrühe ließest du die Deinen O ruhe sanft, o ruh’ im Frieden,


in der Trennung tiefstem Schmerz Gatte! jetzt von mir beweint,
zurück, Auf ewig sind wir nicht geschieden,
Doch wir werden uns wieder vereinen Einst werde ich wieder mit dir
Und dann dauert ewig unser Glück. vereint‘)
Sbg. Seb. 1867. Mattsee 1894.
- Zu schnell bist du von uns geschieden,
- Früh, zu früh wardst du entrissen
Umsonst war unser Fleh’n!
Deinen Kindern, dem Gemahl!
Nun ruhe sanft in Gottes Frieden,
Theure Mutter, dich zu missen,
Bis wir dich einstens wiederseh’n.
Welcher Schmerz, ach welche Qual.‘)
Anthering 1880.
Mattsee 1881.
(Petak Leond. Nr. 35.) ~ Zu früh » zu früh seid ihr geschieden,
Umsonst war eurer Mutter Fleh’n.
1"1- Zu früh, 0 Gatte, bist du uns 0 ruhet sanft in Gottes Frieden,
entrissen, Bis wir uns dort einst wiederseh’n.
50 schnell, in ungeahnter Zeit, Sbg. Seb. 1875.
Wie bitter deiner Gattin Thränen
Zu früh, zu früh bist du geschieden,
fließen. Umsonst war deiner Kinder Fleh’n.
Unheilbar die Wunde, Ach! ruhe sanft in Gottes Frieden,
Die dein früher Tod uns schlug,
Bis wir uns dort einst wiederseh’n.
Doppelt schmerzlich jene Stunde,
Da man dich zu Grabe trug. Sbg. Seb. 1845.
Anthering 1872.
l) Vergl. Widmann Nr. 6 a, Petak Leond. Nr. 48.
Schluß vergl. Nr. 385, Z. 5.
') Hier sind drei Typen zusammengezogen, jedem ist eine Strophe zugewiesen,
wobei offenbar nach Z. 3 ein Vers fehlt.
Zu Z. 4 77 Vergl. Nr. 245 ff., zu Z. 8 411 Nr. 124 ff.
21

- Zu früh bist du von uns geschieden, ‘J! Tief bedauert von den Deinen,
Umsonst war unser innig Fleh’n, Gingst du früh zur ew’gen Ruh’,
Ruhe sanft in Gottes Frieden, Lächle sanft uns Tröstung zu,
Bis wir uns jenseits wiederseh’n. Bis wir jenseits uns vereinen.
Oberndorf 1884 (2mal). Sbg. Seb. 1sss.
Oberndorf 1891. (Wedk. 667.)
Nußdorf 1895.‘)
Oberndorf 1890.‘)
92. So furchtbar plötzlich wardst du uns
b7. Ach! zu früh bist du von uns entrissen,
geschieden, Du, unsre Hoffnung und des müden
Umsonst war unser Fleh’n. Vaters Stab!
Ruhe sanft in Gottes Frieden, Und unsre heißen Jammerthränen
Bis wir uns einst wiederseh’n. fheßen
Sbg. Seb. 1859. Auf dein für dich und uns noch viel
5bAf. Seb. 1863. zu frühes Grab.
o zg 1887. Wenn wir vor Schmerz nicht ganz
Ach zu früh bist du von uns ge zusammensinken,
schieden, So ist es eines nur, das stärkend
Fruchtlos ist der Deinen heißes Fleh’n, uns noch hält:
Schlumm’re sanft, nach diesem Kampf Dass wir uns wiederseh’n, wo schön’re
hienieden! Sterne winken,
Jenseits ist ein Wiederseh’n. Und nicht mehr trennen dort in jener
bessern Welt‘)
Sbg. Seb. 1864.
Klagenfurt. Mattsee 1870.
Tainach 1867.‘)
- Theure Mutter, noch zu früh bist du m‘ Noch viel zu frühe uns entrissen v
von uns geschieden, Steh’n weinend wir an deinem Grab’.
Umsonst war für dich unser Fleh’n. Auch And’re werden dich vermissen;
O! blicke segnend dort auf uns Du mühtest dich für viele ab,
~ herüber, Denn vielfach wurde dir Vertrauen
Bis wir uns endlich jenseits wieder— Im vollsten Maße dargebracht;
seh’nß) Und konntest du am Guten bauem
Geschah es gern und schnell bedacht.
Sbg. St. Peter 1875.
Nun ist wo! Ruhe dir beschieden,
Zu früh entrissen wardst du unserm Doch uns umgibt nur Schmerz und
Kreise! Gram,
Es starb in dir ein Christ, ein Bieder Und diese bleiben uns hienieden,
mann, Weil Gott dich viel zu früh uns
Doch schlumm’re sanft! Des Erden— nahm‘)
lebens Reise Mattsee 1877.
Hast du vollbracht, das himmlische
geht an! 9‘ Ein schneller Tod ward euch be
Von dort schaust du jetzt liebend schieden,
auf uns nieder; Der Hand entfiel der Pilgerstab.
Dort oben, Vater! sehen wir uns O, mögt ihr nun in sel’gen Frieden
wieder!) Ausruhen in dem stillen Grab.
Sbg. Seb. 1839. Mattsee 1897.

‘) Z. 2 »heißes Fleh’n«.
’) Mit slowenischen Daten.
2.3 vergl. Anm. zur folgenden Inschrift.
2.5 vergl. Nr. 250 ff.
Die zweite Hälfte ist noch mehr gekünstelt als die erste.
a‘.*>'-‘ Man beachte den Gebrauch des Partizipiums in Z. 1, 2.
s - Liebster Ehemann, du edles Herz, So sei denn Schutzgeist uns
Dies ist für mich der größte Schmerß Verlassenen hienieden,
Das du auf dieser Erd hiernieden Bis einst auch wir eingehen in deinen
Bist so schnell von mir geschieden. Himmelsfrieden.
Nußdorf 1890. Sbg. Seb. 1864.
- Zu früh hat dich des Todes Hand - Ein stilles Grab umschließet deine
Den deinigen entrissen. Hülle,
Sieh! wie an deines Grabes Rand Zu früh entriß des Unglücks Macht
So viele Thränen fließen. uns dich,
Oberndorf 1891. Nur tröstet uns: es war so Gottes
Wille,
- Sanft ruh in des Grabes Schoß,
In’s bess’re Jenseits rief er dich
Schon früh zu sterben war Dein Loos;
zu sich’)
Drnm fällt nun unser Thränenblick
Oft auf Dein kühles Grab zurück. Sbg. Seb. 1782.

Maria Rain 1881. "- Kurz waren die Schritte deines Lebens,
Schnell die Reise nach der Gruft.
- Du meine Gattin fl— meiner Kleinen
Alles, alles war vergebens,
Getreue Mutter e— bist nicht mehr!
Weil dich Gottes Stimme ruft")
Wir sollten dich so früh beweinen,
Oberndorf 1856.
Ach! diese Prüfung drückt uns
schwer. 'UI' Kurz war die Zeit des Lebens,
Anthering, o. J. Schnell die Reise zur Gruft.
Alles ist vergebens,
- Zu früh 0 Vater bist du uns entrissen,
Wenn die Stimme Gottes ruft.
So schnell, ach, in so ungeahnter Zeit!
Traurig blicken die Verwandten
Wie bitter deiner Kinder Thränen
Seiner irdischen Hülle nach;
fließen,
Alle weinen, die ihn kannten,
Und deiner Gattin Herz wie ist’s
Daß so früh sein Leben brach‘)
voll Leid!
Sternberg bei Velden 1895.
Morzg 1891. Z. 1 774 (Petak Ottsh. Nr. 21.)
Morzg 1885. Z. 5— 98 (Petak Leond. Nr. 4.)
Anthering 1889.‘)
- lhr seid zwar in des Himmels Friede n, “'-" Du giengst voran den Weg zum Licht,
Doch viel zu früh von uns geschieden. Wir folgen nach, wenn’s Aug uns
bricht")
Sbg. St. Peter.
(Wedk. 187.) Sbg. Seb. 1870.
‚ Zu kurz gezählt, du Guter, waren 116. Dein Leben war ein kurzer Traum,
Deine Tage, Du ahntest dessen Freuden kaum;
In vollster Manneskraft entriß Dich Schon in des Lebens Morgenroth
uns der Tod, Umarmte, Guter, dich der Tod,
Der Gattin stiller Schmerz, des Kindes Und führte unbefleckt und rein
laute Klage, Dich in des Himmels Freuden ein“)
Umsonst! Gott rief und er Alles beugt Sbg. Seb. 1877.
sein Machtgebot! Mattsee 1878.’)
l) Z. 1 »Mutter«, Z. 4 »Mannes«.
Zum Anfang vergl. Urban Nr. 11.
7) Vergl. Nr. 309, 390, 590.
J) Pom. bemerkt zu dieser Inschrift, daß die Verwendung der Reime »Gruft —
ruft« auffällt.
‘) Vergl. Dres. Nr. 331.
“) Vergl. Petak Leond. Nr. 41, Dres. Nr. 571.
I‘) Eigentlich ein Kindergrabvers. Vergl. Nr. 530; ferner Nr. 26, 435, 573.
7) Z. 5 und 6: »Und führte unentweiht und rein
Euch in den Freudenhimmel ein.«
23

lfl'i'. Ein neues, neues Leben, ll4. Gott hat dich zu sich gerufen
Das war dein letztes Wort, Von des Lebens Müh’ und Piag’.
Dieß Wort umschließt die Hoffnung, Dort an seines Thrones Stufen
Wir sehen uns wieder dort. Winket uns ein bessrer Tag.
Sbg. Seb. 1851. Sorgen nur bringt dieses Leben,
Sbg. Seb. 1855. Das nur selten Rosen streut;
li'8. Ruhe wird das Grab uns geben
in der Hoffnung süßer Fülle
Für die ganze Ewigkeit.
Rief von uns dich Gottes Wille;
Dort im Jenseits wird allein
Wol ward dir ein bess’res Leben,
Uns’re beste Heimat sein.
Als die Erde konnte geben;
Doch dem Gatten sank sein Stab Mattsee 1886.
Wie dem Säugling in das Grab.
Bruder, deine stille Gruft
Seeham 1875 Sei die Mahnung uns hinfort,
100. Daß auch wir, wenn wir einst
Du wandelst dort in ew’gen Frieden,
scheiden,
Schaust ihn, den Heiland, der hie
Werden mit versammelt dort,
nieden
Wo du theilst der Seligen Freuden.
Dein Trost, dein treuer Helfer war.
ich, tief gebeugt, netz’ hier mit Mattsee 1888.
Thränen
Dein Grab; wan stillet sich mein
Selig alle, die im Herrn entschiiefen,
Selig Mutter bist auch du.
Sehnen ?
Wann weil’ ich in der Sel'gen Schar? Oberndorf 1878.
(Wedk. 228.)
Mattsee 1886.
ll7. Selig alle, die im Herrn entschiiefen,
110. Du starbst ganz Gott ergeben,
Selig, Vater, selig bist auch du.
Dein Leiden ist nun aus;
Engel brachten dir den Kranz (un
Dich rief zum bessern Leben
leserlich)
Gott in sein Vaterhaus. Und giengst zu Deiner Gottes Ruh.
Mattsee 1884.
Seeham 1893.
lll. Zu schmerzlich war für uns dein
Sanft ertrugst du deine Leiden
Scheiden,
Bis der Herr dich zu sich nahm,
Zu bitter dein zu früher Tod;
Doch du bist nun befreit von Leiden,
Ruhig, bis mit Himmelsfreuden
Die Erlösungsstunde kam.
Befreit von jeder Erdennot.
Und die Stunde ist gekommen,
Schnobolin 1888.
Wo der Schmerz von dir genommen
HZ. O du edle, erhabene Dulderin, Und dein frommer Glaube fand
Dein leidvolles Leben hast du ver— Das ersehnte Heimatland?)
tauscht Anthering (Jahr ?)
Mit der dir gebürenden himmlischen Oberndorf 1883.
Seeham 1882.
Glückseligkeit, Oberndorf 1889.
Leider zum unsagbaren Schmerze Oberndorf 1895.
Deines schwergeprüften . . .')
l l9. Einsam ruhig war dein Leben,
Görz 1878.
immer thätig deine Hand.
- Des Lebens Herr hat dich gerufen, Drum ist Friede dir gegeben
Heil dir an seines Thrones Stufen. in dem schönsten Vaterland“)
Olmütz 1894. Morzg 1885.
Olmütz 1895. Anthering 1895.

‘) Poetische Prosa. Zum Anfang vergl. Nr. 157, Z. 6.


“) Zu Z. 5 vergl. Nr. 218 sowie Petak Tdg. 31, Widmann Nr. 4a.
3) Vergl. Nr. 344.
24

- Manch Ehrenkreuz hat deine Brust r So schlummere und ruhe sanft in


geschmückt, Frieden,
Manch schweres Kreuz das Herz Du gute Mutter, still von uns beweint,
(bedrückt?) Auf ewig sind wir nicht geschieden,
Das letzte Kreuz, gesetzt von lieber Des Schöpfers Hand (uns einst
Hand, vereint).
Sei bessern Lebens heilig Unten
Nußdorf 1882.
pfand.
Sbg. Seb. 1878. l‘M~ Ruhet sanft, ruht im Frieden,
ihr Edlen, stets von uns beweint,
12l. Dort, wo kein Schmerz ist, wo man Und ewig sind wir nicht geschieden,
keine Thräne weint, Einst werden wir mit euch vereint.
Dort ist Dein Geist, Verklärte, dem Mattsee 1884.
Göttlichen vereint.
Dies unser Trost bei unsern eignen
- Schlaft wol in süßem Frieden,
Leiden «
Dies unser Trost bei Deinem zu Geliebte Eltern nun,
frühen Scheiden. Euch ward’s von Gott beschieden,
Zusammen hier zu ruh’n.
Sbg. St. Peter 1872.
(Wedk. 58.) Mattsee 1856.
(Petak Leond. Nr. 26.)

122 Gute Mutter! du bist heimgegangen;


Der Erstand’ne hat dich mild Am stillen Ort der Todten,
empfangen; Mein Herz, da werde still.
Wol dir, der, umglänzt von Himmels Hier wird dir Ruh geboten,
licht, Weil Gott (unleserlich) will.
Oben Gott die Sternenkrone flichtl Klagenfurt 1886.
Leb’ wohl! Leb’ wohl! Dort in jenen
Höh’n
129. So ruhe sanft, verschlaf des Lebens
Werden wir dich alle wiederseh’n!
Sorgen,
Sbg. Seb. 1864.
Geliebter Vater, den dieser Hügel
deckt.
12). Ruhe sanft im Erdenschoß, Bald naht auch dir der Auferstehungs—
Geliebte Gattin, ruhe aus. morgen,
Unser aller Menschen Los
Wo Gottes Ruf dich zur Verklärung
Bestimmt uns zum Bretterhaus. weckt.
Um aus diesem einst zu gehen, Mattsee 1894.
Muß man rein vor Gott bestehen.
Oberndorf 1894. 130. Schlumm’re sanft nach mühevollen
Tagen,
1 24. O ruhe sanft, o ruh in Frieden, Redlich ist dein Pilgerlauf voll
0 Vater, stets von uns beweint, bracht,
Auf ewig sind wir nicht geschieden, Treu hast du des Tages Last getragen,
Einst werden wir mit dir vereint‘) Schlummre friedlich in des Grabes
Nachtl')
Anthering 1878.
Seeham 1880. Mattsee 1894.
(Petak Leond. Nr. 24.) (Urban Nr. 8.)

l) Vergl. Nr. 82, 257.


2) Vergl. Widmann Nr. 3c.
25

- Ruhe von des Lebens Plage 137. Ruh’ sanft, da dich der Herr gerufen,
Aus in diesem stillen Grabe, Hab Dank für Deine Lieb und Treu!
Bis uns Gott am jüngsten Tage Erwach vor Gottes Thrones Stufen,
Wieder in das Leben ruft. Zum sel’gen Leben dort auf's Neu!)
Mattsee 1884. Schnobolin 1890.
13‘2. lm Grab ist Ruh, 138. Schlummre sanft, 0 theure Mutter!
Im Leben Schmerz, Im Leben reich an Tugenden
Drum ruhe sanft, Des Herzens und des Geistes,
Du theures Herz. Bleibst Du das edelste Vorbild
Eugendorf. Deinen Kindern.
Sbg. Seb. 1881. Gesegnet sei Dein Andenken!‘)

133. Görz 1870.


Im Grab ist Ruh, im Leben Schmerz,
Drum schlummre sanft, du edles - Ruhe sanft, 0 theure Mutter,
Herz! Nach dem Prüfungskampf hienieden.
Sbg. St. Peter 1872. Denn dem Guten wird zum Lohne
Sbg. St. Peter 1879. Einst des Himmels sel’ger Frieden.
Sbg. Seb. 1870. Möge dieses Gut der Güter
Sbg. Seb. 1871.
Sbg. Seb. 1873. Dort beglücken auch die Deinen,
Sbg. Seb. 1875. Und mit Dir die Lieben alle
(Waldeck 515.) Umso froher dann vereinen.
(Wedk. 1.)
(Dres. Nr. 285)‘) Klagenfurt 1883.
H0. Ruhe sanft, du treue Gattin, liebevolle
- im Grab ist Ruh,
Im Leben Schmerz, Mutter,
Leb wohl, du edles Mutterherz! Die du unvergeßlich lebst in unsern
trauernden Herzen.
Oberndorf o. J.
Görz 1892.
136. Im Grab ist Ruh, im Leben Schmerz,
141. O Liebchen, ruhe sanft in Erden
Drum Schlummre sanft, du edles
schoos,
Herz!
Liebe knüpfte unser Band, Von den lrdischen bist Du loos.
Blieben uns stets treu ergeben, Versiegen erst beim frohen Wieder
Bis des Todes kalte Hand sehn,
Trennte unser Eheleben. Wenn wir einst selig Dir zur Seite
Gott wird mich zu dir erheben, stehn.‘)
Verklärt mit dir dann fortzuleben. Tainach 1882.
Sb . Seb. 1858. 142. Ruh€t sanft in eurer stillen Halle,
orzg 1867.
Bis uns auch die Todesglocke schalle
Morzg 1871.
(Wedk. 22, 267, 599.) Und uns ruft in eine bessre Welt.
Schnobolin o. J.
136. Uns ward ein bittrer Schmerz
beschieden, l 43. Ruhet aus von vielen Plagen,
Die wir an Euern Grabe stehn, Viel geliebtes Mütterlein,
So ruht den sanft in ew’gen Frieden, Könten nach den trüben Tagen
Einst werden wir uns wiedersehn. Wier ewig uns im Himmel freun!
Mattsee 1896. Schnobolin 1893.
‘) Z. 2 »Drum schlaf wohl, du armes Herz«.
’) Z. 3 zeigt schlechte Redaktion.
J Prosa und Poesie gemischt. Es ist das Grab einer adeligen Frau.
‘) Schon der fehlerhafte Vers 3 weist darauf hin, daß die Inschrift verständnislos
wiederangewendet wurde. Noch mehr muß man sich darüber wundern, daß dieses
Grab einer 60jährigen Frau gehört.
26

‘“- Ruhe sanft, bis wir uns jenseits 150~ Ruhe schlummernd aus in deinem
Glücklich wiedersehen! stillen Grabe,
schnobolin 1885. Theurer Gatte, Vater hier!
Bis uns einst nach abgelegtem
‘45- Ruhe sanft in Jesu Armen, wam_lerstabe
Er schloß dir die Augen zu, Nichts mehr trennt von du!)
Seine Liebe, sein Erbarmen Morzg 1885.
Rufen dich zur Himmelsruh. H _
Olm-ütz 18951 ‘ l- Des LebensLoos war euch beschreden,
Ihr grengt ms bess re Leben ein,
lw~ Hand, die treulich ausgelitten, Is)o ;uhet dsanft ‚m bo‚ottes Pnedef"
Die uns nichts als Liebe gab’ or wer en wir ersammen sein.
Freud’ und Trost um uns verbreitet, Morzg 1873
Ruhe nun im stillen Grab“) 1_0 H_ _ d_ G b _H
Gö 1884_ w~ 1er m reser ra esst1 e
rz Schlummre sanft, Verblich’ne du,

1*7- Ruhe sanft, Vater, bis zum Wieder- während modert deine Hülle‚
sehn! Schwebt der Geist in Himmelsruh.")
Ruhe ist redlicher Handlungen Lohn. Oberndorf.
Verklärt wirst Du einst auferstehn
Als gerechter biedrer Erdensohn. 131- Ruhe, Vater, sanft im Frieden,
Thränen des Dankes fließen an Dein Verlust fällt unsern Herzen
deinem Grabe schwer,
Von vielen, denen Du geholfen und Traurig bist du von uns geschieden,
gerathen. Wir Kinder haben keinen Vater
Nimm sie als Lohn, die theure Gabe, mehr.
Für die noch schuldigen Wohlthaten. Oberndorf 1393_
Maria Saal 1827. (Petak „Tdg. Nr. 46.)
Stein an der Kirchenmauer. ("ein Bohm- 5- 94-)’I

148. Ruhe sanft, denn fromm und liebend 154- Schlummre sanft in kühler Erde,
War dein Wandel bis in's Grab, Nur zur Saat in's Grab gelegt,
Ruhe sanft: »Wir sehn uns wiederl« Bis der Allmachtsruf »Es werde!«
Spricht der Geist, den Gott uns gab. Dich zu neuen Leben weckt!)
Mattsee 1886. Oberndorf 1875.

““»'« Ruh’ aus in stiller Gruft, l-"ö. Ruhe, beste Mutter,


Bis dich dort, still geborgen, Im ewigen Frieden,
Der Auferstehungsmorgen Laß nur deiner Tugend
Zu neuer Wonne ruft. Uns folgen hienieden.
Morzg 1870. Oberndorf 1882.

")qUngeschickte Vermengung des berühmten »Du hast treulich ausgelitten«


(vergl. r. 185) mit der liebespendenden Hand.
l) Z. 3 fällt syntaktisch auf.
') Z. 3 vergl. Nr. 102, 537.
a) Aus Frischwinkel bei Eisenstein. Dazu dort noch sechs Zeilen:
Geliebt von allen, die Sie kannten,
Schlief er in Gottes Frieden ein.
Mag jenseits ihm dort das Erwachen
Ein friedenreiches sein.
Was du bist, das war ich auch
Und was ich jetzt bin, das wirst du auch werden.
Zum Schluß vergl. Nr. 20 Anm.
‘) Z. 3 und 4 vergl. Nr. 364.
27

156. Erlöste Seele! Ruh’ in Frieden lii‘.'.


Ruhe sanft nach ausgestand’nen
Dort bei der auserwählten Schar, Leiden,
Wo Jesus dir den Kranz beschieden Edler Gatte, guter Vater du!
Und dir die Palme reichet dar. Und genieße die verdienten Freuden
Oberndorf 1894. Ungestört in ew’ger Ruh!
Morzg 1889.
- Ruhe still, der Wehmut heilige
Zähre O Mutter, ruh in Frieden,
Rinne auf der theuren Mutter Grab! Bis einst auch wir geschieden,
Daß der Himmel ihren Geist verkläre, Und beim frohen Auferstehen
Legte sie die Erdenhülle ab. Fröhlich uns dann wiedersehen.
Schlumm’re sanft den Schlaf der Sbg. Seb. 1878.
Lebensmüden,
Gottergeb’ne, fromme Dulderin!
Deine Asche ruhe nun in Frieden, - Mutter, ruhe sanft in Frieden,
Denn zu ihm gieng deine Seele hin.‘)
Dein Geist mög’ uns umweh'n,
Bis vollendet wir hienieden
Oberndorf 1890. Und Gott uns ruft zum Wiederseh’n.

- So ruhe nun in stillen Frieden, Klagenfurt 1878.


Den unser Herz im Tod noch liebt,
Denn allzufrüh von uns geschieden 165. Ruhe sanft, du gute Seele,
Hat tief die Trennung uns betrübt. Früh, ach früh rief Gottes Wort
Anthering 1867. Dich an eine bess’re Stelle,
Anthering 1893. Um zu leben ewig dort.
Mattsee 1893. Einundzwanzig Jahre lebten
Wir vereint und gleichgesinnt,
l 59. Du ruh’st nun fern im stillen Frieden Treue, Lieb’ und Freundschaft webten
Den unser Herz im Tod noch liebt; Unser Band, durch nichts getrennt.
Ach! viel zu früh von uns geschieden, Duldend schwerer Krankheit
Hat tief die Trennung uns betrübt; Schmerzen,
Doch lag es in des Höchsten Plan, Gingst du ein zur ew’gen Ruh’.
Was Gott thut, das ist wolgethani‘) Muthig, mit ergebnem Herzen,
Oberndorf 1882. Strebtest du dem Ziele zu“)
Sbg. Seb. 1850.
ISO. Ruht im stillen Frieden mild,
Beste Eltern, stets uns teuer,
Nun ruhet sanft in Frieden
Dankbar hegen wir euer Bild
Hier in der dunklen Nacht!
Bis zur Auferstehungsfeier.
Vollendet ist’s hienieden,
Anthering 1881. Des Lebens Müh’ vollbracht.
Mattsee 1881.
Sbg. Seb. 1850.
ISI. Oberndorf 1872.
Ruhet sanft, ihr theuern Ueberreste.
Bis zum großen Auferstehungstag,
167. Ruhe sanft! In Gottes Ruf ergeben,
Wo auch der, der euch erlöste,
Uns mit euch vereinen mag. Floh dein Geist in jene sel’gen Höh’n.
Ruhe sanft! bis ein'st im neuen Leben
Anthering 1886.
Froh vereinigt wir uns wiederseh'n.
Oberndorf 1893.
Oberndorf 1894. Sbg. Seb.

‘) Man beachte den Wechsel von zweiter und dritter Person. Z. 4 vergl.
Nr. 234, 280. 597. Z. 6 vergl. Nr. 112.
') Hier wie beim früheren Spruch fällt die Bezeichnung von »Den« in Z. 2
und die Partizipalkonstruktion in Z. 3 und 4 auf. Zu Z. 5 und 6 vergl. Nr. 452 Anm.
’) Zu Z. 5 vergl. Petak Tdg. Nr. 9 und 93.
28

- Schlummre sanft im stillen Grabes— '- Ruhe sanft in deinen Gott!


rande, Schick der Gattin Trostes Strahlen,
Gatte, Vater, Schlummre sanft und Wenn sie Schmerzen überfallen
mild. Über deinen raschen Tod.
Droben in dem bessern Vateriande Lehre ihr und deinen Kindern
Werde dir des Lohnes Kranz gereicht ihren bangen Kummer mindern.
Mattsee 1885. Sbg. Seb. 1887.

174. Nun schlummert, Edle, sanft in eurer


- Schlumm’re sanft im stillen Grabes
Gruft,
sande,
Bis die Posaune der Vergeltung
Gattin, Mutter! schlummre sanft und
ruftl')
leicht;
Droben in dem bessern Vaterlande, Sbg. Seb. 1854.
Werde dir des Lohnes Kranz gereicht.
Friede deinen schlummernden l 75. Ruhe sanft in stiller Gruft,
Gebeinen, Bis gottes Wink dich ruft
Deiner Liebe denken wir und weinen, Und du an den Himmeisthron
Bis auch uns der frohe Tag erscheint. Findest deinen Lohn.
Sbg. Seb. 1849. Sbg. Nonntal 1867
Oberndorf 1875.‘) (Wedk. 110.)

176. So schlumm’re sanft, du guter Vater


170. Ruhe sanft in Jesu Christi Namen,
Das Grab entriß dich uns zu früh
Auch du lieber Bruder du, Du warst uns Schutz, du warst Be
Deine Freunde weinen laut zusammen, rather
Segnen dich mit Klagen ein zur Ruh. Ach wir vergessen deiner nie.
Sbg. Seb. 1849. Sbg. Seb. 1853.
Anthering 1884.“)
Schnobolin 1888.
l7l. Schlafe wohl, die Trennung ist Schnobolin 1892.‘)
Schnobolin 1892.‘)
geschehen, (Petak Leond. Nr. 27.)
Zerrissen ist das irdisch schöne Band! (Wlf. 188.)
Der Glaube spricht, daß wir uns (Wedk. 441.)
wiedersehen
im bessern Licht, im sel’genVaterland. l77. O, schlafe süß, entrückt den Erden—
Sbg. Seb. 1870. sorgen,
Sbg. Seb. 1871. Vom Grabeshügel mütterlich bedeckt,
Oberndorf 1885. Bis einst am großen Auferstehungs
(Wedk. 16.) morgen
Allvaters Ruf die Schläfer alle weckt;
172. Ruhe sanft in Gottes Frieden, Du bleibest theuer meinem treuen
Theurer Vater, ruhe aus. Herzen,
Deine Lieb’ und Sorg’ hienieden, Und Hoffnung nur erstickt die
Lohn dir Gott im Vaterhaus. Trennungsschmerzen
Sb\g/. Seb. 1842.
Sbg. Seb. 1859. ( edk. 708.)

‘) Hier auch die oben fehlende letzte Zeile hinzugefügt:


»Der im Himmel uns mit dir vereint.«
*) Vergl. Heinz Totenbretter aus Maurach bei Zell am See. (Zeitschr.
österr. Voiksk. i, 64); ferner Petak Tdg. Nr. 75, Petak Leond. Nr. 55.
' Z. 2 »Der Tod«.
‘ Z. 3 »Schutz und treuer Rater«.
‘ Z. 3 »Stets unser treuer Rater«.
29

178. Schlummre sanft an diesem Friedens 182. Ruhe sanft, der treu gewesen
orte, Jedem Recht und jeder Pflicht,
Sanft in dieser Höhle, edler Greis! Gottes Erde drückt die Bösen,
Hier an dieses Grabes dunkler Phorte Gute Menschen drückt sie nicht.
Rollen Wehmuths-Thränen stumm Sbg. St. Peter 1879.
und heiß. (Petak Leond. Nr. 32.)
Blicke liebend noch auf uns hernieder, (Waldeck S62.)
Die wir hier um diese Urne steh’n. 181. Ruhe sanft du edle Mutter
Bis auch wir in jenem Leben wieder
Zu früh entriß der Tod dich uns
Dich verklärt vor Gottes Throne
Wir verloren alles, was wir hatten
sehn’. ‘)
Und nichts als Thränen bleiben uns
Sbg. Seb. 1837. Schlummre nun sanft in stiller Gruft
Bis Gott dich einstens wieder ruft.
1 79. Theurer Vater, ruh in Frieden
Olmütz (Jahr?)
An der Seite deiner Lieben,
Bis wir einst euch alle Ruhe sanft! Des Lebens Kummer
Jenseits wiedersehen. Drückt nicht mehr dein frommes,
edles, gutes Herz.
Sbg. St. Peter 1878. Dich umfängt des Grabes Schlummer,
Mir allein bleibt nur der Schmerz.
180. Ruhe sanft und blick’ einst auf die Sbg. St. Peter 1877.
Deinen, Morzg 1894.
Denen du so theuer warst, herab! Kärnten.
Sieh’: wie die Geschwister weinen, Olmütz 1865.
Früh Entschlafner, hier an deinem
(Wedk. 436, 741.)
(Waldeck 518.)
Grab.
185. Bruder, du hast ausgelitten,
Doch kein bleibend Glück ist ja hie
nieden, Du genießest süße Ruh;
Alles ist nur Flitter, eitler Tand. So wie wir hier für dich bitten,
Schlumm’re, Edler, nun in süßen O so bitt für uns auch du.
Frieden, Daß wir uns beim Aufersteh’n
Freue dich an Gottes Vaterhand.’) Fröhlich alle wiederseh’nfi‘)
Sbg. St. Peter 1888. Oberndorf 1888.
186. Gattin, Mutter, blicke auf die Deinen,
181. Sohn und Bruder! Schlumm’re wohl, Die Dich Unvergeßliche beweinen,
es kommt die Stunde, Und führe uns mit treuer Mutterhand
Wo Leben steigt aus deiner tiefen Zu dir ins himmlische Vaterland.
Gruft, Bitt für uns, geliebte Mutter fromme,
Und wo der Herr zum großen ew’gen Die wir hier an deinem Grabe steh'n,
Bunde Daß dein Friede über uns auch
Auch dich zu früh von uns geschie komme
den ruft. Und wir freudig dir entgegengeh’n.‘)
Denn glücklich werden wir alle wieder Mattsee 1897.
Uns dort vereint und glücklich seh'n.
187. Umsonst fleht dich der Thränenblick,
Denn glücklich sind wir, wenn wir
Dich edlen Mann, zu uns zurück;
alle
Den Herrn zu seiner Rechten steh’n. Bitt’ dort für uns, dein denken wir,
Bis uns nichts wieder trennt von dir.
Sbg. St. Peter 1864.
Sbg. Seb. 1878.
I) Z. 5 vergl. Nr. 250 ff.
') Z. 1 vergl. Nr. 250 ff.
3) Vergl. Petak Leond. Nr. 31, Petak Tdg. Nr. 5 und o. Zu Z. 1 vergl. Wid
mann Nr. 1 a.
‘) Zu Z. 1 vergl. Nr. 252 ff.
30

1&4. Mutter! Hart bist du von uns 1 9‘2. Was tröstet uns an deinem Grabe,
geschieden, An dem wir tief bekümmert stehn?
Doch nun lebst du im ewgen Frieden, Es tröstet uns des Himmels Gabe,
Von dort her flehen wir um Segen Der Glaube an ein Wiedersehn.
Und Glück auf allen unsern Lebens Anthering 1893.
wegen. Anthering 1896.
Mattsee 1889.
Sbg. Seb. 1873. (Petak Tdg. Nr. 53.)
(Petak Tdg. Nr. 52.)
1&3. Glorreich wirst du auferstehen
- Ach Mutter, hart bist du von uns Und die deinen wiedersehen.
geschieden,
Oberndorf 1870.
Doch lebst du dort bei Gott in ewigen
Frieden.
Von dorther fleh’n die Kinder dich Meine Trauer weinet hier,
um Segen Meine Hoffnung zieht mit dir.
Und Glück auf allen ihren Lebens Blasser Leib, magst hier vergehn,
wegen. Dort verklärt. — Auf Wiederseh'nl’)
Gries.
Mattsee 1884.
Anthering 1888.
Anthering 1888.‘) ’~ Ja, ihr sollt es wiedersehen,
Euer Kind, das ihr beweint,
190. Die Nacht des Grabes wird ver—
Sollt mit ihm am Throne stehen,
schwinden. Wo euch Gottes Huld vereint.
Dies mindert unsre Traurigkeit, Oberndorf o. J.
Daß wir dich einst wiederfinden
1m Lande der Glückseligkeit. 196. O! wir sehen uns in bessern Welten!
O ruhe sanft im Schoß der Erden, Den zu gut warst du für diese hier:
Und bitte dort für uns bei Gott, Wo der Himmelsvater wird vergelten
Bis wir dereinstens selig werden Mutterliebe und Gattentreue dir.
Nach einem frommen, sel’gen Tod. Gnigl 1842.
Oberndorf 1881.
(Wlf. 116.)
Anthering 1890.
v. 1‚4 Oberndorf 1881. 197. Lebe wohl in deinen Himmelsfrieden,
(v. 1 -4 Wedk. 771.) Deine Kinder rufen still hinauf,
Leben wir auch Jahre lang geschieden,
- Wir sind noch, was du warst, wir Eine Stunde hebt die Trennung auf.
werden was du bist, Sbg. Seb. 1831.
Denn jeder Augenblick nagt an dem (Wlf. 84.)
Stamm des Lebens.
Luise, die du nun der Tugend Lohn 'lflt‘. Gute Mutter hier auf Erden,
genüßt, Wir wollten mit dir selig werden.
Bring unser Fleh’n zu Gott, es sey Anthering o. J.
ja nicht vergebens: Anthering 1883.
Er schänk uns dort mit dir nach
dieses Lebens Sorgen 199. Edler Gatte, guter Vater hier auf
Und nach des Todes Nacht der Fromen Erden,
ew’gen Morgen‘) Wir wollen mit dir selig werden.
Sbg. Seb. 1786. Anthering 1884.

1) Z. 3 »die Tochter«.
’) Interessant ist hier in Z. 1 die Umkehrung des berühmten Motivs in Nr. 16 ff.
=) Bezieht
treffenden Wand sich
liegenauf
dieeine junge wohl
Fremden, Frau von
auch 32Nichtkatholiken
Jahren aus Beldgarunter.
rad. An der be
31

_-1
- Lieber Vater ruhest (schon?) ä Wenn auch der Gattin Lebensglück
Bitt für uns bei Gottes (Sohn P) Mit dir dahingeschwunden,
Daß wir einst glücklich aufersteh’n Wir tragen still der kurzen Trennung
Und uns im Himmel wiederseh’n. Schmerz,
Denn Wiederseh’n hofft das gebeugte
Tainach 1856.
Herz‘)
- Der Todesengel stieg hernieder Klagenfurt 1885.
Und trennte uns in dieser Zeit;
- Was ich an dir verloren,
O bitte, Vater, daß wir wieder
Weiß nur der Herr allein;
Uns seh'n im Land der Ewigkeit.
Gott, der dich neu geboren,
Gries. Wird auch mein Tröster sein!)
Olmütz 1894.
21 I'd. Nun weilst du, Vater, dort, wohin
wir geh’n; 21 19. Lebe wohl, du Sonnenschein unseres
Und deine Liebe spricht: Auf Wieder— Lebens!)
seh'n. Klagenfurt 1892.
Gries.
21“. Mein Schutzgeist sei
Mein Schatten
h’. P... Edler Geist, gedenk der Deinen,
Meine Seele
Die im Schmerz um Dich vergeh’n,
Wie im Leben, so im Todt.
Laß die Hoffnung uns vereinen
Auf ein bessres Wiederseh’n. Durch dich ward ich veredelt,
Sbg. Seb. 1878. Durch dich mein Herz beglückt,
Durch dich empfand ich Wonne,
Durch dich ward ich entzückt.
2 ‘4. Du gingst ins Land der Sel’gen ein;
Ich denke stets in Liebe Dein Du lohntest mir das Kleinste,
Und hoffe dort in Himmelshöh’n Den kleinsten Liebesdienst
Ein ungetrübtes Wiederseh’n. Durch tausend liebe Worte,
Durch deine Liebe!)
Sbg. Seb. 1881.
Olmütz.

‚ Du kontest nach langen Leiden 2ll. O Vater! warst das Liebste mir auf
Zu ewiger Genesung geh’n, Erden,
Mein Trost war nur bei deinen Was mir der Himmel gnädig gab;
Scheiden, Denn wie ich könnte dauernd glück
Das wir uns einstens wieder Seh’n. lich werden,
Sbg. Seb. 1843. Warst stets bedacht du bis zum
Grab.
O ruh’ nun sanft in Gottes heil’gen
‘- Wie namenlos auch unser Schmerz,
Frieden
Mit dem wir hier am Grabe steh’n,
Geliebter Vater! ruhe aus;
So tröstet 4 Hoffnung dann das
Was reichlich Gutes du gethan hie—
Herz,
nieden,
Daß wir uns jenseits wiederseh’n.
Es sei dein Lohn im Vaterhausf)
Sbg. Seb. 1820. Oberndorf 1872.

1) Alter Mann.
2) Vergl. Nr. 233.
= Einem Mädchen von 21 Jahren.
‘ Dieses von Pom. offenbar wegen der 2. Stro he aufgenommene, wenig an
sprechende Kunstgedicht, dessen 1. Strophe recht un Iar ist, während die letzte in
Prosa übergeht, habe ich nicht gerne beibehalten.
”) Z. 1 und 2 vergl. Nr. 580.
32

212. Theures Weib, das ich verloren, 218~ Die Stunde schlug, Du mußtest von
Zum Glück warst du mir auserkoren. uns scheiden,
Es wolt’ nicht seyn, Gott nahm dich Die Hand des Herrn brach Deinen
mir, Wanderstab.
Drnm fließen meine Thränen dir. Schlaf wohl, geliebter Vater; es be
Doch nicht vergebens hoffe ich gleiten
Dich einst zu sehen sicherlich‘) Der Kinder Dank und Liebe Dich ins
Oberndorf 1892. Grab")
Linz.
- Dem Auge nur, dem Herzen nicht
Entschwandest, Theurer, Du 219. O fließet Thränen ohne Zahl,
Und winkst uns Trost und Wieder Wie schmerzlich ist mir dieser Fall,
‘ seh’n Der mir den lieben Gatten nahm,
Aus lichter Ferne zu."’) Die Kinder um ihren Vater kam’. (l)
Maria Saal 1872. Wenn auch der Geist nicht wieder—
kehrt,
2l4. Fromm und gut war stets dein Leben, So bleibst du mir doch immer werth;
Ruft dir e— wer dich kannte zu; Du warst geliebt von Anverwandten,
Immer deinem Gott ergeben, Von mir und Allen, die dich kannten.
Giengest du in deine Ruh’. Oberndorf (4mal2 1870, 71, 88, 91.
Ach, versenkt in bangen Schmerzen, Nußdor 1895.
Schiedest du von uns zu früh, Anthering 1895.“)
Doch du lebst fort in unsern Herzen, Oberndorf 1894.‘)
(Petak Tdg. Nr. 28.)
‚Denn vergessen wirst du nm~3)
Nußdorf 1881. 2‘20. Deine Asche wollen wir stets ehren,
Unvergeßlich wird uns deine Liebe
215. Hast du dich auch zur Ruh’ gelegt,
sein,
Und Todesnacht dich, Liebster, deckt
Und mit wehmuthsvollen Dankes
Wir denken dein!
zähren
Im Aug’ bist du uns wo! entrückt,
Setzen wir dir diesen Leichenstein.
Im Herzen bleibst du eingedrückt
Für immer! Anthering 1883, 84.
Oberndorf 1864.
Dir gilt dies Lied am Grabe hier, (Wedk. 61.)
Uns starbst du nicht, dein denken wir
Ja immer.‘) 22l. Deine Asche will ich stets ehren,
Oberndorf 1886. Unvergeßlich wird mir Deine Liebe
sein
216. Riß auch des Todes kalte Hand
Und mit wehmutsvollen Dankes
Dich von der Seite deiner Lieben,
zähren
Uns Rettet fest ein goldnes Band,
Setzt Dir dieses Denkmal Deine
Dein theures Bild ist uns geblieben.
Tochter ein!)
Oberndorf 1893.
Maria Rain 1874.
- Hat der Tod uns auch geschieden,
Unsre Liebe schied er nicht; 222. Deine Asche ruht in Frieden,
Liebe Mutter, ruh’ in Frieden, Aber für mich viel zu früh
Ewig lebt des Herzens Pflicht, Aus der Liebe Arm geschieden,
Unsre Liebe stirbt ja nicht. Aus dem Herzen aber nie.
Oberndorf 1871. Morzg 1883.

‘) 3 klingt an Scheffels Trompeterlied an.


'2 unger Mann.
.’l Z. 1 4 enthalten das bekannte Motiv von Nr. 365 ff.
Zu Z. 4 und 5 vergl. Nr. 377, 467, 468.
Vergl. Nr. 118.
Z. 3 und 4 »Gattin — Mutter«.
7
Alte Frau. Vergl. Nr. 251.
33

‘.?Zi. Der Pflicht nur und der stillen Häus— Wenn Gott einst ruft zum Auf
lichkeit ersteh’n,
Hast du, Vollendete, dich stets ge Wird uns ein frohes Wiederseh’n.')
weiht; Maierhofen (Zillert.)
Nun ruhst du sanft im Schatten der (Hörm. l. S. 17.)
Cypressen ‚— (Waldeck 239.)
Dir foiget Lieb’ und Dank A uns (Wedk. 419, 581.)
bleibt du unvergessen. ‘229. Nun, Gatte, Vater, fern liegst du von
Morzg 1882. uns begraben,
Wir weinen klagen hier an diesem
224. Eure Namen sind dort eingeschrieben, Grab,
Wo sie tief in unserm Herzen steh’n. Bis wir uns einstens wiedersehn am
Himmelsfriede euch, ihr Guten, jüngsten Tag.
Lieben! Oberndorf 1888.
Himmelstrost uns bis zum Wieder
seh’n. 230. Weinend legen wir dich nieder
Sbg. Seb. 1849. in dies stille Schlafgemach,
(Hörm. lil. S. 33.) Niemals kehrst du zu uns wieder,
Ach! drum weinen wir dir nach.
2‘L'l. Sinkt gleich dein Leib zur Erde nieder, Doch einst schlägt die schöne Stunde,
Bleibt doch die Hoffnung, wir sehen Wo wir froh uns wiedersehn
uns wieder. Und vereint im schönsten Bunde
An dem Throne Gottes stehn.
Sbg. Seb. 1871.
Sbg. Seb. 1873. Oberndorf o. J.
Nußdorf 1890.
(Petak Leond. Nr. 35.)
‚ Stark im dulden und vertrauen, (Petak Tdg. Nr. 45.)
Fromm und weise, schlicht und mild,
Wirst du ewig Gott anschauen, - Die schönste Perle ist
Ewig lebt in uns dein Bild! Die Thrän’, um dich geweint,
Mütterlein, so heiß beweint, Sie fließe, bis man liest,
Bald sind wieder wir vereint. Wir sind mit dir vereint.
Sbg. Seb. 1874. Schellenberg, Kirche, 1864.
‘B2. Mit Thränen wahrer Liebe
277. Der Leib wird zu Staub,
Bist du von uns geehrt,
Der Geist eilt zu Gott. Den du! Herzliebster Vater,
Dein Bild ruht im Herzen Bist dieser Thränen wehrt.
Und lebt in uns fort.
Mattsee.
Sbg. Seb. 1873.
(Hörm. 1. s. 7.) Der Tod schlägt tiefe Wunden,
(Wedk. 646.) Das habe ich empfunden,
Seitdem ich dich verlor.
228. Sanft weht im Hauch der Abendluft ich weine mit den Kindern,
Der Frühlingshalm auf deiner Gruft, Gott mag die Schmerzen mindern,
Wo Sehnsuchtsthränen fallen. Zu ihm seh’ ich empor.
Nie soll, bis uns der Tod befreit,
Mattsee 1891.
Die leiseste Vergessenheit Nußdorf 1884.
Dein holdes Bild umwallen. Seeham 1887.
Gras und Blumen welken ab, Seeham 1897.
Alles, alles winkt ins Grab. (Wedk. 159.)
(Wif. 158.)
l) Pom. verweist auf Matthissons Gedicht »Totenkreuz für ein Kind« (um 1790)
,
wo es in Z. 5 heißt »Die Wolke der Vergessenheit«, sowie auf das Gedicht »Nachruf
an Elisa Jung« (1802). Vergl. Nr. 421.

Zeitschrift für‘ österr. Volkskunde.


34

234~ Du bist dahin, ein Hügel nackt und 240- Verlassen steh ich jetzt, mein Auge
klein weint
Bedecket deine theuren Glieder; Des Dankes Thränen auf dein stilles
Es fallen ach! auf einen harten Stein Grab,
Die Thränen deiner Lieben nieder. Und fleht den Tag, der mich mit dir
O theure Hülle, schlumm’re süß und vereint,
mild! Vorn güt’gen Himmel sehnsuchtsvol‘
Bald keimen Blumen dir am Hügel, herab.
Sie sind des Wiedersehens Bild, Sbg_ Seb_ 1866.
Umwehe sie mit deines Geistes (Wedk. 100, 643.)
Flügeln‘) (Wedk. 217, 729.)
Olmütz 1842. (Waldeck 368‘)
‘.m~'r. und 50 verlassen stehen wir 24!- Erloschen ist dein Lebens Licht,
An deiner Todtengruft Und Mann und Kinder weinen,
Und bringen Dankesthränen dir, vom Herzen, nicht Zum SChein der
Bis Gott zu dir uns ruft’) Pflicht,
Oberndorf Beklagten Deinen.
Als Mutter sehen Kinder dich
230. Trauernd Schaum die Deinen Mit bangen Schmerzen scheiden,
Hier beim Grab und Weinen; Als Gattin fühlt dein Mann um dich
Hoffend harrt und kämpft der Christ, Der Trennung SChWCTCS Leiden
Bis der Herr erschienen ist‘) Der Arme seufzt bey deiner Gruft
Oberndorf 1865_ Und danckt für manche Gabe.
Ruh’, bis dich die Posaune ruft,
‘.L‘fl. Die Liebe deiner Gattin Ruh’ still in deinem Grabe‘)
Streut Blumen auf dein Grab Sbg. St. Peter 1786.
Und weinet stille Thränen
In deine Gruft hinab. 24._,
‚ Dein Mutterherz, so schwer geprüft
Klagenfurt 1893. hienieden,
(Petak Prdfv' Nr‘ 9') Genießt im Grabe nun die süße Ruh’.
213- Der Gattin '— Kinder rThränen viele Und für die’ Leiden’ die dir Gott
Benetzen hier das Grab der Ruh’, _ . ‘beschieden,
Sie rufen hier mit heißer Liebe Wust ernten Selrgkert 1m Himmel du!
Den Dank für deine Müh’ dir zu‘) Sbg. Seb. 1867.
Anthering 1880.
‘l‘“~ Trauernd als verlassne Waisen
‘139. Deine Gattin und Kinder Stehn wir hier an diesem Grab,
So tief betrübt an deinem Grabe Und von blaßgehärmter Wange
steh’n, Fließt die Thräne schwer herab.
Du siehst sie nicht, sie weinen dir ' Ach, so tief, so sehnlich suchet
ins stille Grab Dich der Kinder treuer Blick!
Die Thränen der Liebe und Wehmuth O du bist zu schnell entschwunden,
nach. Vater, unsres Lebens Glück")
Morzg 1882. Sbg. St. Peter 1880.

') Z. 1 und 2 vergl. Nr. 450 Schluß, sowie Nr. 349. Z. 5 vergl. Nr. 280, 152,
309 und andere. Letzte Zeile ganz gekünstelt.
") Vergl. Nr. 243.
3) Allgemeiner Schlußgedanke.
‘) Zum Anfang vergl. Nr. 92, 96, 109, 147, 157; ferner Petak Tdg. Nr. 30, 36,
69, Petak Leond. Nr. 37, Widmann Nr. 3b.
5) Zu den beiden letzten Zeilen vergl. Petak Leond. Nr. 55, sowie Hein (Toten
bretter aus Maurach bei Zell am See) in der Zeitschr. f. österr. Volksk. l, 64.
°) Vergl. Nr. 235.
35

‘244. Unheilbar ist die Wunde, 2511. Guter Mann! Dir zu Ehren
Die der Herr uns schlug, Setz’ ich dieses Denkmal dir
Unvergeßlich jene Stunde, (Z. 3 6 wie früher.)’)
Da man dich zu Grabe trug. Anthering 1880.
Weckelsdorf (Böhmen). Oberndorf 1884.
Klagenfurt, St. Ruppr. Oberndorf 1893.

Unheilbar ist die Wunde, 252. Du siehst vom Himmel auf uns
Die dein Tod uns schlug, nieder,
Unvergeßlich ist uns die Stunde, Und rufst: Im Land des Friedens
Wo man dich zu Grabe trug‘) Sehen wir uns wieder!)
Sbg. Seb. 1870 (2mal). Oberndorf 1896.
(Petak Leond. Nr. 1 und 2.)
25‘i. Dieses Grab so kühl
Unheilbar ist jene (diese) Wunde, Nach langer Leiden Ziel
Die dein früher Tod uns schlug; Schließt dich, beste Mutter! ein,
Unvergeßlich jene Stunde, Gatte, Kinder, Freunde denken dein,
Wo man dich zu Grabe trug. Segnen dich noch überm Grab,
Mattsee 1886. Blick’ auf uns verklärt hinab!
Morzg 1883. Anthering.
Morzg 1885. Nußdorf 1885.
Seeham 1893.
Anthering 1893. 254. Du warst ein Friedensengel uns
Olmütz 1893. hienieden
(Hein Böhm. S. 93.)
Voll edler Güte, frei von jeder Schuld:
247. Unheilbar ist uns die Wunde, Nun wandelst du im Licht, im
Die dein früher Tod uns schlug, Gottesfrieden,
Doppelt schmerzlich jene Stunde, Verkläret durch des Höchsten Vater—
Da man dich zu Grabe trug. huld.
Nußdorf 1891. O sieh auf uns, die hier in Thränen
stehen,
‘248. Unheilbar ist jene Wunde, Voll Zuversicht auf einst’ges Wieder
Die, o Vater, du uns schlugst, sehen")
Unvergeßlich jene Stunde, Sbg. Seb. 1864.
Als man dich zu Grabe trug.
Nußdorf 1881. 255. Blick nieder, Vater, dort mit Gott
Oberndorf 1883. vereint;
Um dich die Mutter mit den Kindern
249. ich kann es gar nicht sagen,
weint,
Wie sehr geliebt ich dich hab’,
O laß denTrost nun von des Himmels
Und werd ich noch manche Stunde
Höh’n
Vertrauern an deinem Grab’.
In ihre tief zerriss’nen Herzen weh’n.
Morzg 1884.
Sbg. Seb. 1880.
‚ Dankbar und mit Liebe weihe Sbg. Seb. 1885.
Dieses Kreuz, 0 Mann! ich dir, 256‘. Theurer Vater, schau hernieder,
Danke dir für dein Bestreben, Auf uns, die wir verlassen stehen,
So du einstens hattest hier. Daß wir von deinem Grabe wieder,
Wünsch’ dir ewig glücklich Leben, Getröstet und froh zur Arbeit gehen.
Bis ich wieder komm zu dir.')
Anthering 1891.
Sbg. Seb. 1892. (Petak Tdg. Nr. 19.)
I) Vergl. Nr. 82.
’) Mit einem Bilde.
v"*) Vergl. Nr. 221, 414.
‘) Zu Z. vergl. 1 Nr. 178, 186; ferner vergl. Petak Tdg. Nr. 33.
5) Schluß vergl. Petak Leond. Nr. 36.
3'
7 Ruhe sanft, o ruh’ im Frieden, 264. Ihr Theuren! habt nun ausgelitten
Du Edler, stets von uns beweint; Und sankt so früh ins tiefe Grab,
Auf ewig sind wir nicht geschieden, Der Schöpfer ließ sich nicht erbitten,
Einst werden wir mit dir vereint. Der euch ein besseres Leben gab.
O lieber Theu’rer! blick’ hernieder, O ruhet sanft im Schooß der Erde
Auf uns die wir verlassen stehn, Und bittet dort für uns bei Gott,
Daß wir von deinem Grabe wieder Daß uns auch einst Allen werde
Getrost und froh nach hause gehn.') Nach diesen Leben süßer Tod.
Sbg. Seb. 1874. Sbg. Seb. 1870, 73.
Oberndorf 1880.
2.58. Gottes Segen war hienieden
IG’). Deine Leiden sind geendet,
Deines Fleißes großer Lohn, O wie süß ist deine Ruh;
Und den wahren Seelenfrieden
Deiner treuen Gattin Hände
Hast du nun im Himmel schon.
Drücken dir die Augen zu.
Anthering 1893. Morzg 1882.
‘160. Freund!
Gottes Friede, Gottes Segen
War mit dir im Ehestand, Deine Leiden sind am Ende,
O! Gewiß auf allen Wegen O wie süß ist deine Ruh’;
Führte dich die Vaterhand. Deiner treuen Freunde Hände
Drückten dir die Augen zu.
Oberndorf 1892.
Schlummre sanft im Schoß der Erden,
- Ihr habt euch unserm Blick ent Heilig sey uns dieser Ort!
schwungen, Und wenn wir einst kommen werden,
Der höhern Heimat gingt ihr zu, O, so harre unser dort.
Ihr habt den Siegeskranz errungen, Oberndorf o. J.
Wir sind im Kampf, ihr seid in Ruh.“) 267. Dein langes Leiden hat ein Ende,
Anthering 81. Erlöst bist du von deiner Qual,
Oberndorf 1889. Wir drückten deine treuen Hände
(Wlf. SO.) Auf dieser Welt zum letztenmal.
- Liebe Mutter, Mögest du als Lohn am Sternenthrone
Du bist meinem Auge entrückt Empfangen nun die Dulderkrone!
Meinem Herzen verblieben?) Oberndorf 1893.
Sbg. Seb. 208. Du bist befreit von deinen Lebens

‘.lfi‘l. banden,
Du Theuerster hast ausgelitten
Und sankst zu früh ins stille Grab,
Wo Sterbliche die Prüfungszeit be
stehn!
Der Schöpfer ließ sich nicht erbitten,
Du hast die Pilgerreise überstanden,
Der Dir ein bessres Leben gab.
Wirst deinen Gott und'die Vollen
Sbg. Nonntal 1851.
dung sehn.
Anthering o. J.
Sbg. Seb. 1867.
Sbg. Seb. 1858.
(Petak Leond. Nr. 31.) (Hörm. l. 5.35.)
(Wlf. 43.) <wn. 93.)
‘269. Sehnsuchtsvoll sahst du der Nacht
‘261. Ach theurer hast nun ausgelitten
entgegen
Und sankst so früh ins kühle Grab,
Nach dem Lebenstage heiß und
Der Schöpfer ließ sich nicht erbitten, schwül,
Der dir ein bessres Leben gab.
Mochtest gern dein Haupt zum
Oberndorf 1856. Schlumer legen
Oberndorf 1889. In des Grabes Schatten tief und kühl.
Sbg. Seb. 1850.
Sbg. Seb. 1869. Anthering 1880.
‘) Z. 1 —4 sieh Nr. 124; vergl. auch Petak Leond. Nr. 36.
") Z. 1 korrigiert statt »entschwunden«. Vergl. Nr. 603. Z. 4 vergl. auch Nr. 359.
a) Vergl. Nr. 377, 467.
37

270. Zu früh für mich giengst du auf 27 b. lhr habt euer Tagewerk Vollendet,
schöner Bahn Und weinend stehen wir an eurer
Hiniiber in das bess’re Land, Gruft,
Was du gelitten, was du gethan, O ruhet sanft, euer Leben ist voll
Ist mir am besten nur bekannt, endeh
Ich könnt’ und kann es niemals dir Bis euch der Herr zur Auferstehung
belohnen, ruft.
Doch dafür lohn’ es Gott mit ewigen Anthering 1886.
Kronen‘) Anthering 1887.
Nußdorf 1887.
Sbg. Seb. 1834.
- Friede, Vater, sey mit Deiner Asche,
271. Wir könnens niemals dir vergelten, Friede!
So herzlich hast du uns geliebt; Weinend brachten wir Dich hier zur
Dir lohne in den bessern Welten Ruh’.
Des Vaters Hand, die ewig gibt. Deines mühevollen Erdenlebens müde,
Olmütz 1896. Eiltest Du der bessern Heimath zu;
Mit dem Troste ließest Du die Deinen:
»Dort im Himmel wird uns Gott ver
- Euch ist der einz’ge Sohn voran—
gegangen, einenl«')
Von dem —— zum 50jährigen Ehe Sbg. Seb. 1852.
Sbg. Seb. 1871.
band -«
Nußdorf 1890.
lhr noch den Priestersegen habt em (Waldeck 418.)
pfangen. (Wlf. 171.)
Und nun, vereint im ew’gen Heimat (Waldeck 163, 727.)
Iand, 277. Friede, Vater, sei mit deiner Asche,
Mög’ Gott Euch seinen Segen geben, Friede!
Den lhr so reich verdient im Leben. Weinend brachten wir dich hier zu
Mattsee 1871. Grab.
Müde deines mühevollen Erdenlebens,
- Du hast dein Tagewerk getreu voll Eilest du der bessern Heimat zu.
endeg Mit dem Trost verließest du die
Und weinend steh’ ich hier vor deiner Deinen:
Gruft, Dort im Himmel wird uns Gott ver
O ruhe sanft, dein Leiden ist geendet, einen!
Bis dich der Herr zur Auferstehung Seeham 1887.
ruft.
278. Das Concert des Lebens ist geendet;
Sbg. Seb. 1831.
Sbg. Seb. 1861. Das Majestoso Deiner Geburtsstunde,
(Wlf. 82.) Das Allegro Deiner Jugendzeit,
(Waldeck 338.) Das Andante Deiner reiferen Jahre
Hast Du als siegender Künstler durch—
274‘. Du hast dein Tagewerk getreu voll geführt,
endeb Und der große Kapellmeister, der
Und weinend stehen wir an deiner allein den
Gruft, Tiefen Sinn Deiner letzten Cadenz
O ruhe sanft, dein Leben ist beendet, verstand,
Bis dich der Herr zur Auferstehung Wußte wohl, daß nur das Finale der
ruft. Todtenglocke darauf passen würde")
Sbg. Seb. 1874. Sbg. Seb. 1837.
l) Zum Anfang vergl. Nr. 80 ff.
2
Zu Z. 2 vergl. Nr. 230 Anm.
“‘ Diese sinnige Prosainschrift befindet sich auf dem Grabe eines Musikus.
Vergl. r. 79 und 286.
38

279- Dir ist wohl, du bist nun drüben, ‘ß’~ Ruhet die Hülle auch hier
in dem seligfrohen Ort, im friedlichen Schoße der Erde,
Doch im Herzen deiner Lieben Schwebet dein Geist doch um uns
Blutet stets der Schmerz noch fort!) Liebend und schützend zugleich!)
Sbg. Nonntal 1877. Eugendorf.

‘181. Dem Staate Patriot, der Armuth Stütze seyn,


Dem Wohl der Deinigen Kraft und Vermögen weyhn,
War deines Lebens Lust. Wer dich nur kannte, spricht:
Die Welt genoß ihn viel, er aber sie fast nicht.

O Edler! Wann vergäß’ ich dich?


Sie eilen hier einst sammentlich
Vorüber, die dich kannten:
So weilt hier deine Waise doch,
Umfaßt dein Bild, und dankt dir noch
im Strome treuer Thränenß)
Sbg. St. Peter 1800.

') Vergl. Nr. 412.


‘) Wohl der Kuriosität halber schrieb Pom. dieses Distichon auf einem Bauern
grab ab. Z. 1 vergl. Nr. 234.
a) Die Grabschrift verdient nicht bloß wegen der Zweiteilung Beachtung,
sondern auch wegen des Alters. in Z. 1 und 2 der zweiten Strophe scheinen mir
die Konjunktivformen auf ein lateinisches Vorbild zu weisen.
III. Mitteilungen über den Toten.
Ü b e r s i c h t:
Vertreter verschiedener Stände . . . . . . . . . . . Nr. 2824288
Junge Leute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 289——301
Eltern . . . ‚ . . . . . . ‚ . . . . . . . . . . . >> 302*-306
Gattin und Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . » 307-»312
Todesart . . . . . . . . . . . . . . . . » 313—318
Lobspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 319-352
Blick in die Zukunft (Belohnung) . . . . . . . . . » 353—-376
Treue Erinnerung an den Toten (Schmerz) . . . . » 377-388
Trost und ähnliches . . . . . . . . . . . . . . „ 389-—406
Er hat ausgelitten (Ruhe im Grabe) . . . . . . . . » 407-414

252. Zum Streit für seines Kaisers Macht, bestallter Haubtmann, zugleich hie
Gieng er zum Kampf, zur blut’gen siger Vestung Wuefen gewester Com
Schlacht; mandant, welcher seines Alters im
Gab Gut und Blut für ihn und fand 70. Jahr den 3. April 1606 alles
Den schönen Tod fürs Vaterland. Zeitliche abandoniert und allda das
Drum weinet nicht, wenn ihr hier Haubt—Quartier in sanfter Ruhe be
steht, zogen. Mit allen Gläubigen eine
Und denkt, wenn ihr sein Denkmal fröhliche Vrständ in Cristo er
seht: wartend!) ‘
Es rief ihm Gott, dem braven Sohne, Wuefen im pongau 1606,
Daß er die schöne That ihm lohne. Marktkirche.
Maria Plain 1859.
Hier ruht Josefus Messerer,
Werda?
Ein guter Tenorist,
Berti, ein Soldat in Waffen, Und lacht, daß er ein besserer
Berümbt zu See und Land
Jetzt drüben im Himmel ist?)
Liegt im Frieden hier entschlaffen,
Quittierndt seinen Stand. Tainach (1820 ?)
Der lebend ist nicht gewichen,
Stund b’herzt vor manchem Feind, 285. Die ihn zum Künstler hat entzückt,
Ruft nunmehr, Todt verblichen: Natur, die ewig schön und groß,
Verlaß mich nicht, gut Freund. Sie hat ihn an ihr Herz gedrückt,
AlsobittetumbTrostreicheSeelen Er ruht nun sanft in ihrem Schooßx‘)
Succurs der Hoch Edelgebohrne Herr Sbg. St. Peter 1876.
Franz de Berti, Hochfürstl. Salzburg. (Hörm. lll. S. 78.)
l) Vergl. Kärt. Ztg. 1896, Nr. 284.
1) Diese Grabinschrift ist, wie ich sehe, mit ziemlich abweichendem Text bei
Hörm. ll. S. 187 irrtümlich als Marterl bezeichnet. Der Verstorbene war 1760 zu
Schwatz in Tirol geboren, der Grabspruch steht am Friedhof bei der Kirche.
’) Grab des Landschaftsmalers Hanusch.
40

284 - Was er im Lied gelehrt, geahnt im 291. Das Grab sey nah, sey fern,
Reich der Töne, Die Erde ist des Herrn.
Im Urquell schaut ers nun »e das Den guten Jüngling lohne Gottes
Wahre und das Schöne‘) Frieden,
Sbg. St. Peter 1838. Der fern von seiner Heimath ist
verschieden.
Oberndorf 1868.
287 - Außgelegen, Außgewegen
Mueß alleß werden nach dem Todt, 292 Das Schicksal gab ihm nicht, was
Volgt Straff oder Gnad hingegen, ihm versprochen,
Wie es findt dein Aug, 0 Gott. Sein Leben war im Frühlingstraum
Wann die Schmidin mit dem Eisen gebrochen!)
Ihrer Sünd beschwert dein Waag, Klagenfurt 1891.
Wollest lhr dein Gnad erweißen
An dem Strengen Vrtheil Tag. 293. Hier fiel, im Frühling ihrer Jahre,
Also seuffzet Zu dem Hechsten Das frischste Mädchen in die Bahre;
Richter, die alda begrabne Frau Catha Nun ruft Sie aus der seel’gen Ruh
rina Außwegerin geborne Schmidin, Dir, Leser! diese Wahrnung zu:
so den 14. Monatßtag Juny Anno 1676 O wanderer, du darfst Achtung geben:
in Gott Seeligclich entschlaffenß) Ein Schritt ist zwischen Tod und
Leben,
Sbg. Nonnbg 1676.
(Hörm. III. S. 25.) Du bist nicht stärker als wie ich.
Geh hin, sey from und beth für
- mich")
‘.588. Reich und arm, # es war lhr jede
gleich,
Sbg. Seb. 1777.
Geg’n jede war sie zart und liebe 294. Wie von der Sense abgekürzt
reich; Die junge Blume nieder stürzt,
Drum liebten ihre Nachbarn innig sie, So fiel im Frühling ihrer Jahre
Ach, den Ihren starb sie viel zu Dieß blühnde Mädchen in die bahre.
früh!’) lhr Stammenhaus weint tiefsten
Sbg. St. Peter 1872. Schmerz
(Hörm. III. 5.56.) Beym nachbahrlichen Grabeshügel:
Sie war der Aeltern Hand und Herz,
‘289. Weil sie hat auf dieser Erden Vnd ihrer Schwestern Musterspiegel,
Eine Braut nicht sollen werden, Wer Tugend, Reitz und Klugheit
lhr Liebster ist kommen kennt,
Und hat sie genommen Betaurt der selgen frühes End.
In die ewige Freud. O Leser! trotze nicht auf Jugend,
Der beste Schild ist ächte Tugend,
Oberndorf 1881.
Nur sie (belebt?) die todte Blum
In Edends Garten wiederum.
Geschwisterte nach Herz und Sinn,
Sie lebten Beide fromm auf Erden.
Sbg. Seb. 1785.
Deshalb der Herr sie rief hin, 295. Sie war eine Rose, vor ihrer Ent
Selig ganz bei ihm zu werden‘) faltung verwelktfi)
Anthering 1880. Klagenfurt 1870.
l) Grab des Dr. Floegel. Vergl. Nr. 79 und 278.
") Das Bild vom Auswägen der Sünden auf der Wage Gottes ist mit Anspielung
au f den Namen der Toten angewendet.
°) Grab einer Hebamme.
‘) Z. 3 wahrscheinlich verdorben.
"’) Ein Doktorand der Rechte.
‘) Zum Anfang vergl. Nr. 564, 583, sowie Petak Leond. Nr. 68, Widmann
Nr. 5 a; Z. 5 48 vergl. Nr. 602.
7) 16jähriges Mädchen.
41

Kaum aufgeblüht in reiner Tugend, Es grüßen trauernd aus weiter Ferne


Geschmückt mit schöner Geistesgabe, Deine Lieben und die Heimat dich
Ruht sie in ihrer zarten Jugend gerne“)
Nun schon im kühlen, dunklen Grabe. Görz 1885.
Sie war der Eltern Trost und Freude, 3(X)_ Wie solt Constantia, nebst disem
Geliebt von jedem, der sie kannte,
Stein hier liegen;
Nun weint um sie voll Herzeleid Kan man mit Sterblichkeit, die bsten
Die Eltern, Geschwister, wie Ver
digkeit besigen.
wandten. Ja, Ja, sie Ruhet hier, der Todt hat
Sbg. Seb. 1878. überwunden,
51 Ihr Reine See! hat doch den bösten
Seht diser Grabe-Stein stellt nur den
.~.. Süg gefunden,
Nammen dar,
Jetzt thue Constantia ein Wahres
Von Dero Lobe man soll billich
Ave schencken,
mehrerß lesen,
Siewürdt bey Gott mit bütt auch deiner
Weil Sie vom weisen Chor ein Jung
gewiß gedencken.
frau ist gewesen,
Sbg. St. Peter 1736.
Bey der an Tugend—Öl stets reicher
Vorrath war. 301. In stiller unschuldsvoller Jugend
Doch schließt dann eben diß nicht Floß ihre kurze Lebenszeit,
allen Lobspruch ein: Der Himmel lohne ihre Tugend
Worinn ihr Beyspil kann die schönste Mit seiner seligen Ewigkeit.
Lehre geben, Maria Saal 1881.
Wie man verdinnen soll die Kron’ (Petak Leond. Nr. 69.)
in jenem Leben, 332. Es ruhet hier ein alter Mann,
Die Kron’, um welche doch nur muß Geliebt, geehrt von Allesam,
gestritten seyn. Den Frieden in der Erde Schoß
Genug hier ruht ihr Leib, die Seele Beschied ihm Gott als bestes Los.
folgt dem Lamm. Anthering 1892.
Der Selgen reine Stand, der Fleiß, die
' Bey Margaretha Fischerin
Nächsten Liebe,
Ligt auch Johann Fischer drin.
Die Andacht, die geduld sind jene
Die Ehe wurdt durch das Lebens—
Blumen Triebe,
End,
Womit Sie ausgeschmückt zur Him
Die Liebe aber unzertrennt.
mels Hochzeit kam‘)
Dan beede hie die Ruehe genießen,
Sbg. St. Peter 1768.
Biß Sie bey Gericht erscheinen
(Hörm. l. S. 15.)
miessen.
Maria hat den besten Theil erwählt. Zum Zeichen Ihrer Threy
Im Lenz der Jugend, Seyndt Nachmittag vmb Drey
Im Schmuck der Tugend, Gestorben alle Zwey
Hat Sie dem Himmel ewig sich ver Gott lhne gnädig sey!)
mählt. St. Ruprecht im Moos, Kirche, 1745.
Sbg. Seb. 1845. 304. Vater, Mutter, ruhen hier,
(Hörm. III. s. 11.) Beide unvergeßlich mir.
Gott! Laß ruhen sie im Frieden,
. Es umschließet hier ein Sarg Wo du labest alle Müden!
Tief unter des Kreuzes Bilde Laß uns All vereinen dort
Ein Kind der grünen Steiermark, In des Himmels Gnadenort.
So gut, so reich an Sanftmuth und Morzg 1876.
Milde. Mattsee 1883.
1) Viäe biblische Anklänge. Vergl. Dres. Nr. 157. .~
') Mädchen von 25 Jahren, wahrscheinlich ein Kurgast. Z. 5 und 6 Ubergang
zur Anrede.
5) Vergl. Kärt. Zeitg. 1896, Nr. 116. Grab des Vogtes von Landskron und Velden.
42

."IUÖ. Vater, Mutter, ruhen hier, 1.510. Hic cum Prole Parens, uno vix longius
Beide unvergeßlich uns anno
Gott! Laß ruhen sie in Frieden, Nupta, suique viri dulcis amica, jacet.
Wo du labest alle Müden Proh gemitus duplex! Infans in
Laß uns alle finden dort, Iimine vitae
Wenn auch wier sollen von hier fort!) Et Mater, vitam cum daret, interiitß)
Oberndorf o. J. Sbg. Seb. 1805.

Was wollen wir beweinen und be 311. Unter Bissen Stein


klagen, Ligen Die Gebein
Wir armen Kinder, unser Eltern Loos? Einer Mutter, Die ihr Leben
Wir müssen noch den Schmerz der Für das Kind hat hergegeben.
Liebe tragen, Es Iigt nemblich hirin
Sie nahm vereint der Himmel in den
Frau Margaretha Fischerin,
Schoß. Gebohrene Wengerin,
Linz. Geweste Pflegerin
Der Freyherrschaft Lands-Cron.
F07. Ach! dem tief betrübten Gatten Gott ewig Ihrer See! verschonß)
Riß der schwarze Fürst der Schatten,
Ohne Mitleid und Erbarmen, St. Ruprecht im Moos 1742,
Kirche.
Eine Gattin aus den Armen.
Und die treue Kinderschar, 312. Wer Ligt allhier? Die Mayen zierdt,
Die sie liebend ihm gebar,
ain pluemen straus mit sprossen
Riß er von der Mutterbrust, was in die weit der winter gefiert,
Aus ist Freude nun und Lust?) der Frieling hat abgstossen.
Seeham 1897. Maria vnd Theresia nahm,
(Petak Leond. Nr. 64.) der Kofhin war zue gesöllet,
Wisenfeld lhr witib stamb,
15025. Grausam trennt der Tod die Bande, da Sie der Todt geföllet.
Welche Lieb und Treu’ gewunden. Neiin zeigen hinter sich Verlast,
Weinend an des Grabes Rande mit Tugend Kuemb (Ruemb P) pe—
Blickt der Gatte nach dem Lande, gnadet,
Wo die Gattin hin entschwunden, Drey vorhin hat der hime! gfast,
Nachdem sie noch die Lust empfunden, so Sye zur volg geladet.
Ihren Säugling mit Entzücken Vnd wan es dan seind 40 Jahr,
An das Mutterherz zu drücken. kanst nochmahls zbay zuegeben,
Sterblicher! am Grabesrand wars alter; doch ohn Todts gefahr,
Präge oft dir ein die Wahrheit: da Sie volbracht lhr leben.
Erdenglück hat nicht Bestand, Rattenberg 1732, Kirche.
Hoffet auf ein bessres Land!
Hier ist Täuschung, dort ist Wahrheit!
313. Steh still, 0 Wandrer, sieh die un
Schnoboliri 1876.
umschränkte Macht
Des Herrn, der ober uns für Tod und
309. Die Erde deckt nun ihre Hülle,
Leben Wacht.
Mein Liebstes deckt sie tief; Ein Wink von seiner Hand, ein wort
Doch es geschah des Herrn sein Wille, von seinem Munde
Der sie zu sich ins Jenseits rief?) War gnug, daß Lazarus von Todten
Tainach 1895. auferstunde,
‘) Vergl. Nr. 320.
’) Wieder ein Beitrag zur Erkenntnis, wie tief Schillers »Glocke« ins Volk drang.
3) Junge Frau. Vergl. Nr. 590, ferner auch Nr. 102, 390.
‘) Lateinische Disticha.
I‘) Vergl. Nr. 303.
43

Ein Wink, ein Wort von ihm war BIS. Ruhig schlief bey Himmelssehnen
ebenfalls genug, Sie die beste Mutter ein,
Das man die, so da ruhn, hie her Und ihr folgen heiße Thränen,
zu Grabe Trug. Die ihr ihre Kinder weih’n;
Erlößer! lasse sie doch auch dies Zwar zu früh für uns hienieden
Trostwort hören: Deckt der Staub die Stätte zu,
Steht Auf Aus Eurer Kruft! Zwar nicht Doch schläft jetzt in süßem Frieden
zurück zu kehren. Sie den Balsam—Schaf (l) der Ruh.’)
Nein, lasse sie Vielmehr von hier Sbg. Nonnt. 1823.
geschieden seyn,
Vnd Führ sie durch den Tod zum 319. Als Gatte treu,
wahren Leben ein. Als Vater gut,
Sbg. Seb. 1775. So war der Edle,
Der hier selig ruht.
314. Die jungen Männer zog hinab
Sternberg 1891.
Das eisige, fluthende Grab,
Der Ew’ge wird ihnen Leben 320. Hier ist’s, wo die Mutter ich beweine;
im Himmel bei Seligen geben Wie sie war, so, fühl’ ich, gibt es
Und sein ein schützender Stab. keine.
Mattsee 1897. Nun ruht sie selig und in Frieden
hier,
315. Des Todes Macht stürzt Jederman, Doch ewig unvergeßlich bleibt sie
Nur weis man nicht, wie wo und min“)
wann. Mattsee 1877.
So starb Franz Niklas ohn' Ver—
muthen, 321. Vor Gottes Thron dies Zeugnis gibt
Gestürzt vom Pferd in Salzachfluthen; Die‘Gattin, die er treu geliebt;
Sein ganzes Haus weint tiefbetrübt, Verwandte, die er hat gestützt;
Sein Bruder, der ihn stets geliebt, Die Menschen, denen er genützt.
Setzt ihm den Stein zum Angedenken, Oberndorf 1895.
O lieber Leser! möchtest Du,
Der armen Seel, zur ew’gen Ruh’, I‘i2‘l. ihr unbeflecktes Leben
Ein fromes Vater Unser schenken.') Geht über viele Zeit,
Sbg. Seb. 1783. Der Lohn wird ihr gegeben
in froher Ewigkeit.
316. Erliegend in dem Kampf der Die schönste Zird’ der Jugend
Schmerzen, ist Kampf für Unschuldssinn
Da alle Hilfe fruchtlos war, Es kräftigt in der Tugend
Gab sie mit fromm ergebnem Herzen, Und schwingt zum Höchsten hin‘)
Sich Gott zum schönsten Opfer dar. Oberndorf 1888.
Nußdorf 1891.
- Kommt, ihr Jungfrauen!
317. Ruhig schlief in Himmelssehnen Das Grab zu beschauen,
Er, der beste Vater ein; Wer ruhet darin ?
‘Ach, ihm folgen heiße Thränen, Ein Spiegel der Jugend,
Die ihm Frau und Kinder weih'n. Die Zierde der Tugend
ist gewichen dahin‘)
Sbg. Seb. 1871.
Sbg. Seb. 1874. Oberndorf 1883.

1) im Ton und Stil eines Marterls.


') Zu Z. 6 vergl. Nr. 390.
‘g Schiuß vergl. Nr. 304, 305.
Die zweite Hälfte ist sehr gekünstelt.
5) Vergl. Petak Tdg. Nr. 48.
44

.‘ ‘124. Duldsam trug er viele Leiden, 331. Sanft und ruhig schlief sie ein,
Rastlos lebt er seiner Pflicht, Denn ihr Herz war edel rein;
Und der Tugend süße Freuden Ehrte Gott, Religion,
Fühlend, kannte er das Arge nicht. Nun steht sie verklärt
Ihm winkt nun von Gottes Thron Vor Gottes Thron.
Wahrer Tugend ew’ger Lohn. Sbg. Seb. 1850.
Oberndorf 1872. Oberndorf 1881.
Oberndorf 1887.
Oberndorf 1892.
325. Weinet, Kinder, auf das Grab
(Petak Tdg. Nr. 56.)
Eures Vaters Thränen hin, 3I 12. Er war Gatte, Vater, Christ,
Aber trocknet sie euch ab, Jederzeit ein Biedermann;
Denn der Tod war sein Gewinn, Er gab Gott, was Gottes ist,
Gott entriß ihn der Gefahr, Theuer war ihm jede Pflicht.
Die uns oft auf Erden droht. Redlich wie sein Wandeln
Übergang zur Engelsschar, War sein Handeln.
Sanfter Schlummer war sein Tod‘) Gattin! Kinder! weinet!
Anthering 1893. Ihm ist der Lohn
Der Herrlichkeit,
3‘Äi. Die Menschen lieben,
O welch ein Lohn!
Nachsicht üben, In Ewigkeit
Arbeiten, geben Dem Verklärten Friede!
War ihr Leben. Sbg. Seb. 1855.
Linz. öl‘ß. Des besten Vaters, treuen Gatten,
Des frommen, tugendhaften Manns
- Sie waren, was sie sollten seyn:
Verklärter Geist, entfloh dein
Liebe, Güte, Redlichkeit.
Schatten
Drum zieret dieser Leichenstein:
Und staunt das Licht der Gottheit an.
Ehre, Achtung, Dankbarkeit!
Samft ruht hier des Edlen Hülle,
Oberndorf 1884. Bedau’rt von manchen guten Freund,
Bis alle fern von Weltgewühle
Obschon der treue Mann, der wahre Der Allmacht Wink uns einst vereint.
Christ, Sbg. Nonnt. 1809.
Der beste Vater hier gestorben ist,
_Es lebt in Gott der Edle noch, - Als Gatte, als Vater, als Freund
Er lebt in unsern Herzen hoch! Ruh’t hier, von vielen beweint,
Ein Mann der Tugend stets übte
Anthering.
Und Treue sowie Redlichkeit liebte.
329.
Sbg. Seb. 1835.
Hättest du gern im Grabe Ruh Sbg. Seb. 1874.
Bring dein Leben wie Sie zu, Sbg. Seb.1884.
Sei (stets?) thätig fromm und bieder, (Wedk. 214.)
Dann strömt Ruhe auf dich nieder. (Waldeck389.)
(Wlf. 163.)
Sbg. St. Peter 1877. Von Herzen fromm und Gott ergeben,
Der treuesten Gattin Ebenbild,
- Er ging dahin, den unsre Seele liebte, Gieng sie dahin ins bessre Leben,
Der treuen Gattin und der Mutter Die beste Mutter, hold und mild.
Glück, Ihr letzter liebevoller Muttersegen
Er ist dahin, der nie unser Herz be— Führ’ uns hier auf Tugendwegen,
trübte, Dass wir beim einst’gen Aufersteh’n
Und läßt uns trauernd hier zurück. Bei Gott uns alle wiederseh’n!'i
Sbg. Seb. 1865. Sbg. St. Peter 1865.
(Wedk. 346.) (Hein V. T. 66.)
') Zum Anfang vergl. Petak Tdg. Nr. 36.
2) Zum Anfang vergl. Widmann Nr. 10a.
45
Gut war Er und Gott ergeben, 341. Verweile, Leser, sieh den Staub,
Seines Sinnes still und mild. Betrachte hier das fallend Laub.
Und Sein ach so kurzes Leben Der edlen Seele ganzes Leben
War des Christen schönstes Bild. War ihrem Dienst und Gott ergeben.
Sbg. St. Peter 1825. Vereint mit wahrer Frömmigkeit
War ihre volle Lebens Zeit.
2537. Hier ruhet ein rechtschafner Mann, Der Treue, Redlichkeit und Tugend
Herr Johann Lorenz Hagenauer. Ergab sie sich in früher Jugend.
Sein Tod — ach, vergeß ihn, wer Die Armen unterstützte sie,
kann — Der Kranken Mahl vergaß sie nie;
Verursachte billige Trauer; Denn Wohlthun war ihr angemessen
Der Edle den Jedermann schätzte Dem Stifte bleibt sie unvergessen.
und liebte, Ein jeder Gute liebte sie,
Der sich aller Achtung erwarb, Sie starb für diese viel zu früh’.
Der Niemand, so leutselig war er, Ach! — Hier ruhet sie.
betrübte, Sb . St. Peter 1802.
Als da Er, der Menschenfreund, starb. l örm. l. S. 9.)
(Hörm. II. S. 9.)
Sbg. St. Peter 1797.
34 2. Froh gelebt, kein’n Scherz verdorben
3‘18. Die edle Gemahlin des seligen Gatten
Wählt sich auch zur Ruh’ dies Viel geplagt und Nichts erworben,
Trauermonument. Viele Freunde wenig Geld
Zwei Herzen, die längst sich ver— War sein Los auf dieser Welt.
einiget hatten,
Hat also der Tod auch allhier nicht Doch wenn einmahl eingetroffen,
getrennt. Was wir Christen alle hoffen —
Wird auch er in fernen Welten
Sbg. St. Peter 1800.
Als ein lieber Freund uns gelten.
319~ Wenn Kinder und Enkel mitWehmuth Sbg. St. Peter 1878.
einst fragen:
Ach Gott! unsre Altern ~ wie lange - Still und einfach war ihr Leben,
schon todt? Treu und thätig ihre Hand,
So wird’s Ihnen dieser Leichenstein Ruhig im Hinüberschweben
Ä sagen: In das bessre Vaterland“)
Sie ruhen in Frieden — lhr Weker
Olmütz 1865.
ist Gott‘) «Petak Leond. Nr. 44.)
Sbg. St. Peter 1800. (Dres. Nr. 344.)

340. Steh Wandrer! bey dem Leichenstein Still und einsam war sein Leben,
Und laß die Seele einer Frommen, Treu und fleißig seine Hand,
Die ihre Ruhstadt hier genommen, Er muß jetzt hinüberschweben
Auch deiner Andacht theilhaft seyn. In ein bessres Heimatland!)
Sie war von ihrer ersten Jugend Klagenfurt 1894 (2mal).
Bis an ihr End ein Bild der Tugend,
Drum schlief sie freudig ein. - Sie war sanft und christlich mild,
Sie war der Schutz bedrängter Armen,
Jeder Tugend frommes Bild,
Drum wird Gott ihrer sich erbarmen Die (als Gattin) beste Mutter treu
Und ihr dort gnädig seyn.‘) und gut,
Sbg. St. Peter 1770. Tag für Tag voll Arbeitsmuth.

‘) Z. 1 vergl. Nr. 568 ff.


') Zum Anfang vergl. Nr. 1 ff.
a) In Z. 3 »ihr« statt »im« zu lesen.
‘) Vergl. Nr. 119 sowie Urban Nr. 3.
46

O daß ich verlor dies edle Herz, 349. Der Hügel unscheinbar und klein
Ist meines Lebens größter Schmerz. Schließt unser Liebstes ein,
Anthering 1879. Denn unter diesem Rasen ruht
Anthering 1884. Ein Herz so brav, so treu, so gut’;
Oberndorf 1878.
Oberndorf 1879. Klagenfurt 1893.
Oberndorf 1885.
Oberndorf 1894. Wie oft rang ich die Hände
Nußdorf 1883.
Morzg 1895. Zu dir empor um Mitternacht
(Petak Leond. Nr. 45.) Und bat Dich weinend auf den Knien,
(Hein V. T. 66.) O lieber Gott, gib mir die Kraft.
(Rieder S. 112.)
(Petak Tdg. Nr. 55.)
Um daß ich meine Pflicht erfülle
.‘ 146. Ein guter Vater liegt hier begraben, An meines Gatten Krankenbett
Ausgeschmückt mit seltnen Tugend Und daß ich seine Schmerzen stille,
gaben, 0 Herr, erhöre mein Gebet.
Wohlthun, Kindesliebe und Gottes—
furcht Jedoch war es Gottes Wille;
Ach, so früh nahmst ihn zu dir!
Brachten ihm segensvolle Frucht.
Und nun genießt er zum schönsten
O Herr, gib ihm den ewigen Frieden
Und den Lebensfrieden min‘)
Lohn
Die Seligkeit vor des Versöhners Kirche in Maria Saal. .
Thron.
Sbg. Seb. 1867. 361. Des Jünglings Herz hat ausge
Maria Saal 1882.‘) schlagen,
Und in der Jugend heitern Wonne
347. Unsere gute Mutter lieget hier be— tagen
graben Stand seiner Pulse reges Leben still;
Sie war ausgeschmückt mit selten (l) Der Zukunft schönes Hoffen ist ver
Tugendgaben. nichtet,
Wohlthun, Kinderlieb’ und Gottes Es hat der Tod, der unerbittlich
furcht richtet,
Brachten ihr segensvolle Frucht. So frühe ihm gesetzt des Lebens Ziel!)
Und nun genießt sie zum schönsten
Mattsee 1894.
Lohn
Die Seligkeit vor des Versöhners
Thron. - Eine Mutter, deren Herz ihrer Kinder
Oberndorf 1892. Himmel war, die durch thätige Werke
Oberndorf 1894. Und aufopfernde Liebe dieselben be—
glückte.
3148. Beweint von Gattin und von Kindern,
Klagenfurt 1862.
(Liegt?) hier ein edles Vaterherz,
Verträumt im kühlen Schoß der Erde
Des Daseins Weh, den irdischen '- Dies Mutterherz, so lieb, so gut
Schmerz Den Kindern ist's gewesen,
Und hoffet, wenn wir auferstehn, Wie könnte da ein Kindesherz
Daß wir uns all’ noch wiedersehen. Das Mutterherz vergessen.
Klagenfurt 1884. Oberndorf 1894.

l) Grab eines Müllers. Die zwei letzten Zeilen fehlen.


2) Der Anfang stammt eigentlich von einem Kindergrabvers. Hier auf dem Grabe
eines Regimentstrompeters. Ein Beispiel liegt in Nr. 587 vor. Vergl. Nr. 234, 450, 515.
J) Zeigt viel individuellen Gehalt.
‘) Vergl. Nr. 608.
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354. Sie hat so fromm und williglich 361. Die hier von uns geschieden,
Dem Wink des Herrn ergeben sich. Sind dort im Vaterland,
O Trennung! Doch in kurzer Zeit, Einst winkt zum ewigen Frieden
Wie Menschenjahre schwinden, Auch uns des Vaters Hand.
Werd’ ich in ew’ger Seligkeit, Sbg. Seb. 1870.
Werd’ ich sie wiederfinden. (Wedk. 264.)
Oberndorf 1896.
362. So ruhe denn, Gebein, wo wir den
35."). Der sie uns nahm, wird sie uns
Freund beweinen,
wiedergeben
Wie in der Freundschaft Arm im
In einer Welt, wo keine Trennung
Schooße dieser Gruft,
droht,
Bis mit dem Geiste Dich aufs neue
Wo Fried’ und Freude ewig uns um
zu vereinen
schweben. In schönere Gestalt die Stimme
Darum laßt uns hoffen durch das
Gottes ruft.
kurze Leben
Sbg. Seb. 1784.
Und bau’n auf einen guten Gott.
Sbg. Seb. 1808. In die Heimath ist sie nun voraus
'- Nicht ewig soll die Todeswunde gegangen,
Dahin folgt ihr sehnend unser Blick,
bluten,
Nach der Heimath laßt auch uns
Ein schöner Tag folgt auf die Nacht,
verlangen,
Sie ruhen hier, die Hüllen uns’rer
Dort nur blühet ewig unser Glück!’)
Guten,
Die auch im Schlaf ihr Gott bewacht. Sbg. Seb. 1853.
Nußdorf 1860.
Sbg. Seb. 1874.
357. Wandernd nach des Lebens Quelle Leicht sey ihnen dieses Grabes Erde,
Sanft ruhen sie in ihrer stillen Gruft,
Traf ihn hier des Todes Hand;
Bis der Herr durch sein allmächtig
Doch was reine Lieb’ verband
‚Werde‘
Zerreißet nicht des Grabes Schwelle.
Sie mit Schöpferkraft zum neuen
Sbg. Seb. 1831.
Leben ruft‘)
.‘ll'8. Hier ruhen sie in ihrer Gruft,
Sbg. Seb. 1847.
Bis sie des Richters Stimme ruft. (Waldeck 135.)
Dann leben sie und blühen auf, (Wedk. 26, 455.)
Steigen verklärt zu Gott hinauf. 365. Rechtschaffen war er, fromm und
Oberndorf.
bieder.
245 9. Der Gram, der bleichet unsre Wangen’ Es trauern hier, durch seinen Tod
Doch Trost ruft uns der Glaube zu: betrübt,
Ein edler Man ist heimgegangen, Um ihn die Witwe und die Brüder,
Wir sind in Schmerz, er ist in Ruhl') Die ihn so innig wie er sie geliebt.
Morzg, 1874. Das Grab ist nur zum bessern Seyn
(Wlf. 153.) die Schwelle,
(Wedk. 247, 497.)
Gott sey barmherzig seiner armen
Trauernd stehen am Grab der Lieben Seele.
Wir, die noch zurückgeblieben. Tainach 1814.
Doch zu unser beider Heil
Wird uns süßer Trost zu Theil: ‚ Für Gottesfurcht, für Fleiß und Red
Jenen winkt das Auferstehn, lichkeit,
Unser Trost heißt Wiedersehn. Lohnet ihm nun die sel’ge Ewigkeit.
Sbg. Seb. 1875. Mattsee 1798.

‘) Z. 4 vergl. 260 und 603.


') Zum Anfang vergl. Nr. 105 sowie Urban Nr. 1.
3) Z. 3 und 4 vergl. Nr. 154.
48

367. Schön war stets sein Leben, 373- Hier hat sie Trübsal oft gedrückt,
Edel sein Bemüh'n. Nun wird sie von dir, o Gott,
Möge Gottes Segen erquickt.
Ewig ihm nun blühn. Hier sah ich sie im Jammerthal,
Maria Saal 1886. Nun ist sie frei von jeder Qual.
Aus Kärnten.
1168. Leutselig, stille, bescheiden, mit
jedermann im Frieden,
""- Kein Vergessen dieses Lebens!
Rechtgläubig, mäßig und from war
Alles was er that und litt,
dieser Mann hienieden.
That und litt er nicht vergebens,
Dem lohnet es die Ewigkeit. Wer
Alles Gute nahm er mit,
aber Lohn, und Segen
Darum wird der Herr der Welten,
im Leben schon genießen will, der
Alles Edle ihm vergelten,
brauche sein Vermögen
Was auf dieser Lebensbahn
Bald, und ordne selbst, was Gott zur
Er als Vater uns gethan.
Ehre und Menschen beglücket,
Sehe noch sein Gutes, bevor ihm Anthering 1894.
Tod das Licht entrücket.
- Deme Vnd allen Gott wolle belohnen,
Mattsee 1782.
was Sye hier guetts g’wirkht, dort
369. Hier in dieser Grabeskammer ruht Ewig verschonen.
eine Mutter und ihr Sohn,
Sbg. Seb. 1693.
Sie sind erlöst von Erdenjammer und
stehen schon vor Gottes Thron.
- Der Eltern heiße Thränen fließen
Der frühe Tod des Sohnes brach ihr
Dem Sohn, der ihre Stütze war;
das Mutterherz,
Doch er wird nun den Lohn genießen,
Der liebe Gott belohne es beiden
Den seine Tugend ihm gebar.
und lindre ihren Schmerz,
Bei Gott kann er noch mehr erflehen,
Wie sie uns hier auf Erden schon
Drum zog er hin in’s bessre Land;
haben Gutes gethan,
Dort werdet ihr ihn wieder sehen:
Bis wier auch einstens werden euch,
Hier ist kein Glück und kein Bestand.
ihr theuren Herzen, nah’n.')
Schnobolin 1895. Sbg. Seb. 1880.

570. Sanft und Milde war ihr Tod, - Dem Auge entrückt, dem Herzen ver
ihre Güte lohne Gott. blieben, ruhet hier . . . . . .’)
Domeschau 1872.
Sbg. Nonnt. 1874.
371. Ein Opfer war ihr Leben, (Hörm. ll. S. 7.)
Dem Wohl der Armuth willig dar
ä ‚ Sie schied hinüber ins ewige Licht!
gebracht.
Nur nützen wollte sie, nur Hilfe geben, ihr Wirken bleibt —— Erinnrung
An eignes Glück hat wenig sie gedacht. schwindet nicht.
An Liebe reich, von Milde stets geleitet, Sbg. Seb. 1856.
Hat bis zum Grab sie Segen nur Sbg. Seb. 1870.
Sbg. Seb. 1883.
verbreitet’) (Wlf. 19.)
Klagenfurt 1875.
1172. - Nur ehren will die Dankbarkeit
Sanft ruhe er in Frieden
Nach der Arbeit seiner Zeit. Die Selige in diesem Stein,
Gott lohn’ ihm alles Erdengute Nicht schützen vor Vergessenheit,
ihr Name grub sich Herzen ein.
im Haus der Ewigkeit.
Laufen (Kirche) 1827. Sbg. St. Peter 1822.

‘) Z. 5 geht auf den ersten, Z. 6 auf den zweiten Teil von Z. 4 zurück.
') Vergl. Petak Frdfv. Nr. 10.
‘) Vergl. Nr. 261, 467.
49

- Was die Eltern uns gewesen, 1188. Der Blick nach Jenseits tröstet hier
Kann man nicht am Grabstein lesen die Seinen,
Eingegraben wie in Erz Die Gattin und den Sohn, die hier
Steht es in der Kinder Herz‘; noch um ihn weinen,
Oberndorf 1890. Zu früh starb er « gerecht ist unser
Schmerz,
381. Herbey Herbey zu diesem Orth, DochWiederseh'n beruhigt unser Herz.
Alexium zu erquikhen.
Oberndorf 1868.
Vernemmet dessen wenig worth, Oberndorf 1876.
Die er zu vns thuet schikhen.
Er bittet all, die disen Stein 31‘W~ Zu früh riß von des Gatten Herzen
betrachten vnd durch sechen, Der grause Tod die Gattin los,
Das seye wollen barmhertzig seyn, Ihr Wert verdoppelt seine Schmerzen,
ein wenig bleiben stehen, Sie war allein das Glück, das er
Nur omb ein Ave ruefft er zue, genoßf‘)
weichwasser thuet ihm Geben, Sbg. St. Peter 1875.
Das Er nach arbeith zu der ruehe
2188. Zu früh riß von des Gatten Herzen
Gelang ins Ewige Leben.
Sbg. Nonnb. 1724. Der Tod die beste Gattin los,
‚(Hörm. III. S. 48.) Ihr Werth verdoppelt seiner Sehnsucht
1482.
Schmerzen,
O sie schlafen hier im Frieden
Sie war sein Glück, das er genoß.
Jetzt den Pilgerschlaf der Ruh.
Nicht er allein, der für sie brannte,
Viel zu früh für uns hienieden
Weint an ihrem Leichenstein;
Deckt ein stilles Grab sie zu.
Nein! jedem Edlen, der sie kannte,
Sbg. Seb.
Muß ihre Tugend unvergeßlich seyn.
'- O Sie schläfet hier im Frieden Gnigl 1844.
Jetzt den Pilgerschlaf der Ruh!
Viel zu früh für uns hienieden, Gott! Laß uns Weinenden den
Deckt das stille Grab Sie zu") Glauben
Sbg. Seb. Und Trost in unsre Seele weh’n,
(Wlf. 42.) Wir werden einstin Paradießes Auen
Den früh Verlornen wiederseh’n.
r Owie sanft schlummert hier in Frieden
Sbg. Seb. 1868.
Er, der Pilger! Schlaf’ in Ruh’! Sbg. Seb. 1851.“)
Viel zu früh für uns hienieden (Wlf. 18.)“)
Deckt ein stilles Grab ihn zu?)
2190. Allzufrüh für uns hienieden
Sbg. St. Peter 1871.
(Wedk. 453, 575.) Deckt der Staub die Hülle zu,
Doch er schläft in süßen Frieden
r Ach! er starb, er starb zu früh,
Schläft in Gottes ew’ger Ruh,
Zu früh ach für die Meinen, Bis wir uns einst wiederseh’n,
Die alle wehmutsvoll um ihn, Wenn wir alle aufersteh’nF)
Um ihren Vater weinen,
Mattsee 1891.
Ach, welches Leiden, welcher
Schmerz! 39I . Viel hat sie hier getragen
Mir blutet immer mehr das Herz Ihr Werk war lang und schwer;
Bei meiner Kinder Thränen.‘) Nun fühlt sie keine Plagen
Oberndorf 1895. Und keine Lasten mehr.

‘l Z. 3 und 4 vergl. Nr. 404.


’) Vergl. Nr. 510.
“) Z. 4. vergl. Nr. 390.
‘) Z. 5 vergl. Nr. 81 Schluß.
"1 Vergl. Petak Tdg. Nr. 63.
°) Z. 1 »uns den hohen Glauben«, Z. 3 »Lauben« statt »Auen«.
7) Zu Z. 2 vergl. Nr. 364, 318, 309, 590.
Zeitschrift für osterr. Volkskunde.
50

lhr Abend ist gekommen, 397~ Er schloß sein Auge, das so mild,
Vollendet ist ihr Thun ‚"— Erglänzt uns wie ein Sternenbild!
Wie wird sie bei den Frommen Es ist verstummt im Tode bleich,
So sanft und selig ruh’n! Sein Mund so lieb und Iehrenreich.
Olmütz 1895. Doch nun aus lichter Himmelsruh,
Schaut verklärt er auf uns zu,
Und preist des Högsten Vatterhand,
Weil ihre Seele Gott gefiel,
Die ihn geführt ins Heimatland.
Ließ er gelangen sie zum Ziel,
Dort in der ewigen Heimat fern,
Nahm sie zum Lohn aus dieser Zeit
Winkt uns der Wiedersehungs-Stern.
Zu sich hinauf zur Seligkeit.
Er geht nicht unter, löscht nicht aus,
Mattsee 1891. Bis wir bei ihm im Vaterhaus.
Mattsee 1892.
(Wedk. 518.) Aschau (Zillertalh
' - Der Mutter weihet diesen Stein
391 Die ich geliebt, sind nicht gestorben, Der Tochter Herz, das stets getreue.
Dort schweben sie auf der Voll Es soll der Liebe Denkmal sein,
endung Höh’n. Wo sich mein ew’ger Schmerz er
Wenn ich die Palme auch wie sie neue;
erworben, Bis einst der große Tag erscheint,
Dann lohnt die fromme Sehnsucht Der uns im Lichte neu vereint.
Wiederseh'n.
Oberndorf 1879.
Oberndorf 1884.
Hier im stillen Todeshain
Entronnen aller Erdennoth Ruht ein seliges Gebein.
Und aller Schmach entnommen, Die Welt bedauert seine Jugend,
Führt ihren Geist der Engel Tod Der Himmel freut sich seiner Tugend.
ln’s stille Land der Frommen. Oberndorf 1866.
Oberndorf 1894. ‚ Ein Jüngling an Jahren,
Ein Mann an Christlicher Tugend,
395 Weinet nicht! Sie sind entschwunden, Ein Greis an Handels Wissenschaften,
Doch gestorben sind sie nicht. Starb, doch nein! er verhandelte nur
Frei von trüben Wechselstunden, Ein zeitliches in ein ewiges Leben.
Schau’n sie nun ein ewig Licht. Sbg. St. Peter 1780.
Denn der hier im Heilandsglauben (Hörm. l. S. 152.)
Heilandslehre treu geübt, - Ein junges Blut, ach seiner Eltern
Dem vermag kein Tod zu rauben, Lust,
Was zum Lohn der Himmel gibt‘) Ein Musensohn, erbleicht in schönster
Oberndorf 1871. Jugend.
Doch nein: es starb, dem Himmel
3‘Ji. wars bewußt
(Dort?) lebt sie ja, entfernt zwar,
Schon als ein Mann in reiff erwachs
aber heiter,
ner Tugend‘)
Mit ihrem theuren Bruder Hand in
Hand, Sbg. St. Peter 1763.
Wo Lieb’ und Hoffnung stets sie als Was mir theuer war in diesem Leben,
Begleiter Ruht hier in diesem kleinen Raum,
Umschweben in der Unschuld Freude ist in diesem Leben
Sternenland. Nur ein kurzer Traum.
Sbg. St. Peter 1837. Olmütz 1865.

‘) Wenig volkstümlich!
’) Die Inschrift gehört wie soviele andere einem Hagenauer, welche Familie
die Verse auf den Gräbern liebt.
51

401i. Ach unsre Mutter lebt (ist) nicht Drum, Kinder, denket stets an euere
mehr, Pflicht,
Ihr Platz in unserm Haus ist leer, Und vergeßt der Eltern im Grabe
Sie reicht uns nicht mehr ihre Hand, nicht.
Der Tod zerriß das schöne Band. Oberndorf 1887.
Olmütz 1893. Oberndorf 1888.’)
Schnobolin 1894.
- Uiberfallen durch fremde Hand,
- Ach unser Vater lebt nicht mehr, Wurde zerrissen das Lebensband.
Der Platz in unsern Kreiß ist leer; Schmerzhaft hat er ausgelitten,
Er reicht uns nicht mehr seine Hand, Gieng der Heimat Gottes zu,
Der Tod zerriß das schöne Band. Hat den schweren Kampf bestritten
O was der Vater uns gewesen, Schlummert nün in stiller Ruh’.
Kann niemand Fühlen und ermessen, Darum, Kinder, denkt stets an Gott,
Drum eingegraben wie in Erz Daß er bewahrt, wenn Gefahr euch
Bleibt er in unsern treuen Herz!) droht“)
Seeham 1874. Oberndorf 1878.
Z. 14—4 Schnobolin 1884, 1894.
410. Sie hat nun schmerzhaft ausgelitten

405. Und ging der ewigen Heimat zu,


Wenn am Grabe unsrer Heißge
Sie hat den letzten Kampf bestritten
liebten
Und schlummert nun in sanfter Ruh’.
Sich das Herz im Glück der Liebe
Seid dankbar, Kinder, denkt an eure
bricht,
Tröstet nur die Hoffnung die Be—
Pflicht,
Und vergesset die Mutter im Grabe
trübten,
nicht.
Die des Kreuzes Glaube uns ver
spricht. Fechterhof bei St. Katharina 1878.
(Hein Böhm. S. 94.)
Sbg. Nonntal 1874.
4II. In diesen engen kühlen Haus
406. Arbeit, Sorgen, Müh’ und Plag’ Ruht er von den Geschäften aus.
War ihr langer Lebenstag. Sbg. Seb. 1829.
Doch auch Freude, Segen viel Morzg 1873.
Auf dem Weg zu ihrem Ziel. Mattsee 1873.
(Hörm. II. S. 51.)
Sbg. Seb. 1859.
412. Ihm ist wohl, er ist nun drüben,
407. Schmerzhaft hat er ausgelitten, In dem sel’gen, frohen Ort.
Und ging der Heimath Gottes zu, Doch im Herzen seiner Lieben
Er hat den bessern Kampf gestritten, Lebt ja stets der Gute fort‘;
Und schlummert nun in sanfter Ruh. Oberndorf 1880 (2mal‘.
Oberndorf 1887
Sbg. Seb. 1854. Oberndorf 1888
(Petak Leond. Nr. 9.) Oberndorf 1889
Oberndorf 1890
40“. Schmerzhaft hat er ausgelitten, Oberndorf 1895
Sbg. Seb. 1874.
Gieng der Heimat Gottes zu.
Nußdorf 1890.
Er hat den bessern Kampf bestritten, (Rieder S. 36.)
Und schlummert nun in süßer Ruh. (Petak Tdg. Nr. 65.)

') Anfang vergl. Schwzb. Nr. 4, Schluß siehe Nr. 380.


‘1 Z. 6 »des Vaterunser am Grabe«. Zum Anfang vergl. Widmann Nr. 1a), zu
2.3 Petak Tdg. Nr. 66, zum Schluß Widmann Nr. 1a) und 13 b) und Nr. 68 dieser
Sammlung.
-‘) Zu den beiden ersten syntaktisch bemerkenswerten Zeilen tritt das bekannte
Motiv noch hinzu.
‘) Vergl. Nr. 279.
49
52

411!~ Dem theuren Vater bringen zwei 414- Der Gatte, Zeuge ihrer schweren
Kinderpaar Leiden,
Dieß Denkmal heißer Liebe dar. Weiht ihr dieß Denkmal, seines
Ruh’ sanft, o Edler! der du uns das Grams Simbol.
Leben Wie gerne wär’ er ihr gefolgt im
Und eines höhern Daseyns Grund Scheiden;
gegeben, Doch leben mußt’ er für der Kinder
Und mit des Weltenrichters heil’gen Wohl.
Segen ' Sbg. St. Peter 1867.
Tritt uns dereinst vom Sternenzelt Sbg. St. Peter 1840, 1867.‘)
entgegen

Sbg. St. Peter 1851.

‘) Z. 1 »Die Gattin« u. s. f. Vergl. Nr. 250 und 251. Zu Z. 1 vergl. Widmann Nr. 4.
IV. Allgemeine Gedanken.
Übersicht:
Tod und Vergänglichkeit . . . . . . . . . . . Nr. 415»4434
Das Leben ein Traum und ähnliches . . . . . . . . » 435 4439
Auferstehung und Wiedersehen . . . . . . . . . . . >> 4404466
Treue Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4) 4674477
Trennungsschmerz und Hoffnung . . . . . . . . » 4784491
Lebensauffassung . . ~ . . . . . . » 492#496
Mutterliebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 497;- 500
Tiefes Leid . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 501-503

415. Das sterben ist der Menschen Loos, 430~ Ältern trennt die Zeit von ihren
Der blasse Tod raubt klein und groß, Kindern,
Undjungundaltläßt(unleserlich)frei, Grausam, schnell raubt sie des Todes
Fragt keinen, obs gefällig sei. Hand,
Seeham 1878. Der Gedanke kann den Schmerz nur
lindern:
416. Alle Menschen müssen sterben, Wiederseh’n winckt im bessern Land!
ihre Herrlichkeit verbiüht, Sbg. Seb. 1845.
Keiner kann den Himmel erben, (Wlf. 150.)
Der zuvor den Tod nicht sieht.
Seeham 1897. - Des Lebens Tag ist schwer und
schwül;
- (Z. 1—4 wie früher.) Des Todes Odem leicht und kühl,
Dieser Leib wird wieder Erde, Es wehet freundlich uns hinab,
Daß er einst unsterblich werde; Wie welkes Laub, ins stille Grab;
in des Grabes Sicherheit Uns sammelt alle, klein und groß,
Reift er für die Ewigkeit. Die Mutter Erd’ in ihrem Schooß.
Seeham 1897. Sbg. Seb. 1850.
(Wedk. 279, 207.)
418. So muß ein Mensch nach dem andern (Waldeck 112.)=)
Von dieser Welt ins ewige wandern.
(Wlf. 181 .)
Domeschau 1874.
'- Die Welt vergeht mit ihrer Lust,
Vergeht mit ihrem Leid,
419. Auf Erden ist kein Glück;
Nur wer den Willen Gottes thut,
Wo große Freud’, ist großes Leiden, Der bleibt in Ewigkeit!)
Doch ob die Lieben von uns scheiden,
Der Himmel gibt sie uns zurück‘) Seeham 1893.
Klagenfurt 1867.
Anthering 1884. (Dres. Nr. 583.)

‘) Zum Anfang vergl. Nr. 434 und Petak Tdg. Nr. 80.
”) Z. 2 »Tages Abend«. Der Anfang erinnert an Matthissons »Nachruf an Elisa
Jung« (1802) zweite Strophe. (Vergl. Nr. 228.) »Der Lebenswandrung Tag ist schwül.«
P ;2| Biblische Motive. Zum Anfang vergl. Cor. VII. 31. Zu Z. 3 und 4 vergl.
rov. X. 21.
54

42 i. Vergänglich ist das Glück, 428. Wie der welke Greis am Stabe,
Doch ewig währt die Liebe. Sinkt der Jüngling und der Knabe
Olmütz 1881. In das schandervolle Grab;
Zieht zuletzt auch uns hinab!)
424 . Wähle! Hier die Erdenblume, Sternberg bei Velden 1895.
Die am Abend schon erbleicht,
4‘."J. Was geboren ist auf Erden,
Dort den Kranz voll Himmelsruhe,
Der Unsterblichkeit dir reicht‘) Muß zu Staub und Asche werden,
Oberndorf 1887. Wie das Korn, ins Feld gesäet,
Reich an Ähren auferstehet,
42b. Alles Fleisch ist wieGras So werden wir uns wiedersehn,
Und seine Herrlichkeit wie des Grases Denn der Glaube kann nicht unter
Blum’; gehn.‘)
Das Gras verdorrt und seine Blum’ Mattsee 1893.
fällt ab, (Hörm. III, S. 113.)
Aber das Wort des Herrn bleibt in (Petak Tdg. Nr. 79.)
(Petak Leond. Nr. 56.)
Ewigkeit’)
Maria Rain 1853. 430. Wir leben, unsre Liebsten zu be
graben,
426. Fäden nur zu seinem Leichentuche Bis sie uns selbst zur Gruft getragen
Sind die Stunden, die der Mensch haben.
erlebt, Oberndorf 1885.
Von der Wiege bis zum Aschenkruge 4Jil. Des Menschen Leben welkt wie Laub,
Ist gar bald das schwarze Tuch ge
Das matt vom Baume sinkt,
webt;
Der stärkeste zerfalt in Staub,
Darum, Wand’rer! Nimm an jedem
Wenn der Allmächtge winkt.
Grabe
Drum höre, was aus dunkler Gruft
Du die inhaltschwere Lehre an:
Der Toden Geisterstimme ruft,
Daß dich morgen schon im Glück
Thue was vernunnft und Gott gebeut,
und Habe
Und wirke für die ewigkeit.
Eine Hand voll Erde decken kann.
Sbg. Seb. 1807.
Sbg. Seb. 1869.
(Z. 1774 Wlf. 22.) -Ifi2. Vom Jüngling bis zum Greise
Ach! ist nur eine Spanne Zeit.
427. Siste viator! Oft schnell und unversehner Weise
Memento te moriturum Ruft Gott zur langen Ewigkeit‘)
Et post mortem id messurum,
Seeham 1876.
Quod hic seminaveris.
Terram teris, terram geris, 433. Nur das bleibt, was edel, gut und
Et in terram reverteris, schön,
Qui de terra sumeris: Alles andre muß die Zeit verweh’n.
Gerne, quid es, et quid eris, Staub bist Du, o Mensch, und Wind
Modo flos es, et verteris die Jahre,
In favillem cineris. Pfeilesschnelle hat der Gang zur
Sbg. Seb. 1811. Bahre.
l; Der zweite Teil ist ganz mißglückt.
Grab des dortigen Pfarrers. Die Inschrift mahnt an P5.102, 15, der mitunter
auf Gräbern steht, so auch in Klagenfurt:
»Der Mensch, wie Gras sind seine Tage,
Wie die Blume des Feldes welkt er dahin.«
’) Grab eines alten Mannes. Diese Aufschrift würde aber natürlich auf das
Grab eines jungen Menschen passen. Zu Z. 4 ist als Subjekt zu ergänzen: das Grab.
‘) Ein Fremdling aus der Kunstdichtung.
‘) Das Grab hat, wie Pom. bemerkt, ein starkes Holzbrett in Form eines Grab
steines.
55

Dieses lehre Dich des Priesters Bein, Weint, Freunde, nicht; denkt:
Welches decket dieser Todtenstein. Wiederseh’n!
Gut war er und fromm im Priester Die Todten werden aufersteh’n!
kleide, Sbg. Seb. 1860.
Armendank war Labsal ihm und Mattsee 1893.
Freude‘) Mattsee 1897.
(Waldeck 134.)5)
Maria Saal 1811. (Wedk. 762.)

43 H. Auf Erden ist kein bleibend Glück, -ß9~ Hier Mensch! hier lerne was du bist,
Wir blüh'n nur einen Augenblick, Hier lerne was dein Leben ist,
Wir fallen gleich der Blume ab Ein Sarg nur, und ein Leichenkleid,
Und sind nie sicher vor dem Grab. Bleibt dir von deiner Herrlichkeit,
Sbg. Seb. 1872. Wer weiß wie bald auch dich zur
Oberndorf 1876. Gruft,
Mattsee 1886.’)
Der Herr des Tods und Lebens ruft,
Drum halte dich zu jeder Zeit
«II L'w‚ Ein Traum, ein Traum ist unser Leben Auf einen guten Tod bereit.
Auf Erden hier;
Anthering 1886.
Wie Schatten auf den Wegen (Hörm. l, S. 16, 114, 125.)
schweben, (Hörm. m, s. %‚ 140.)
So schwinden wir.“) (Rieder S. 108.)
(Hein V. T. 66, Nr. 6.)
Oberndorf 1889. (Petak Leond. Nr. 58.)
(Hörm. III, S. 94.) (Schwzb. Nr. 8, Z. 3174.)
(Petak Tdg. Nr. 77.) (Wedk. 130.)
(Reitterer Nr. 6.)
41116. (Waldeck 618, 336.)°)
Das Leben ist ein Traum, ein Blend (Jelinek.)’)
werk dieser Nacht,
0 glücklich, der vergnügt von diesem
- Wer kann fürchten, wer kann beben,
Traum erwacht.
Wir sterben, um ewig zu leben.
Oberndorf 1870.
Oberndorf 1886.

437. Was ist derErdeGlück? —— Ein Traum,


411. Wo wir uns einst wiederfinden,
Der ausgeträumt, begonnen kaum;
Wird uns Ewigkeit verbinden.
Weil das Geschick ihn nimmermüd
Dem Arm des Bruders Schlaf entzieht. Oberndorf 1894 (2mal).
Doch deinen Schlaf stört keine Zeit,
Du lebest fort in Ewigkeit‘) 442. Gleich wie der Strom zum Meere eilet,
Aus Kärnten. Auf seinem Wege nie verweilet;
So flieht von uns die goldne Zeit
4118. Ein Schlaf nur ist des Menschen Tod; Dahin ins Meer der Ewigkeit")
Er schaffet Ruh’ den Müden, Mattsee 1894.
Nimmt Leidenden die Bürde ab (Hein Böhm. S. 95.)
Und bringt zum ew’gen Frieden. (Rieder S. 108.)

l) Grab des Pfarrers (89 Jahre). *— Vergl. Petak Frdfv. Nr. 8.


=) Z. 4 »Sie welkt und stirbt und sinkt ins Grab«. _ _
3) Vergl. Nr. 26, 106, 107, 530 und 573. Alle diese Grabsprüche wie auch die
beiden folgenden interessieren als Beweis, wie alt und verbreitet der Calderonsche
Gedanke ist.
‘) Zu Vers 446 vergl. Nr. 454, Z. 5—8.
I') Z. 5 »Weint nicht, es ibt ein Wiederseh’n«.
“) Hier ist auf die dritte tro he eines Gedichtes von Joh. Müller hingewiesen.
7) 'l‘otenbrett aus Vintel bei eu edein (Zeitschr. f. österr. Volksk. l, 126).
8) Anklänge an die Kunstpoesie ?)
56

'W~ Wer ewig leben will, der strebe in 448‚ Wie das Kind aus seiner Mutter
der Zeit, Händen
An jedem Tage nach der frohen in sanfte Ruhe sinkt,
Ewigkeit!) So wird auch hier der Tod uns Ruhe
Mattsee 1896. Se"d@"‚
Wenn Gottes Vorsicht winkt‘)
‘W. Zeiten lauffen, Jahre gehen Nußdorf 1849.
Wie ein samftes Wasser fort. 4„~ Der Menschheit argen Kummer
Was die Menschen gutes säen, Begräbt des Todes Schlummer,
Wird gewis (belohnet?) dort. Nichts störet der erstarrten Glieder
Also lenke dein Bestreben,
. .. . . Ruh’,
Deme Wunsche’ defmen S‘‚nn’ Froh fliegt die Seele bessern Welten
Denn du kannst nicht ewig leben, zu
Auf die Allmacht Gottes hin.
Oberndorf 1895.
Sbg. Seb. 1790.
‘50- Hier im kühlen Schooß der Erde
ist nach des Lebens Mühsal Ruh’,
44.5. Es gibt
‘ am‘ L:m d ’ WO F rau d cn Wle
' d er Und aller Kummer, alle Beschwerde
blühen, ‚ ‚ ~_ 4
Die Zeit und Gram hier abgepflückt. Deckt dleser kleme Hügel zu‘ )
Aus dem‘ die Schaaren schwarzer Sbg- Seb- 1866
. . sorgen fllehen’ 451~ Rauh ist der Probepfad des Erden
Dre oft das Herz hier schwer lebens_
bedruckt’ Selbst Glückes Wirken ebnet ihn
Du kennst das Land, wo alle Klagen vergebens
schweigen, . ’
Kein Weh und Ach das Herz mehr Des schlcksals Emitugientz)ellilctk dem
. . nagt; Und läßt zum Trotze unsers heißen
Wo, wenn sich hier der Hoffnung Strebens
. Ste‚me neigen’ Meist Thränen dem enttäuschten Sinn
Em Morgen Gottes ewig tagt!) zurück‘)
Sbg' Seb- 1858- Sbg. St. Peter 1835.
(Wedk. 324.)
452 Was Gott thut, ist wolgethan,
446~ Die Seele Gott, den Leib der Erde. Kommt es uns auch schmerzlich an;
Leiden ist Christen Pflicht
Olmütz 1889’ Ewig trennt der Tod uns nicht‘)
447~ Nur unser sterbliches Gebein (Petakollglntd7. 1l‘lgrt.H‘i9, SO.)
Wird, Erde, deine Gabe;
Froh schwingt sich, wenn die Hülle 453 Sanft führt ein frommer Glaube
fällt, Uns zu des Grabes Rand,
Der Geist empor zur bessren Welt. Führt sanft uns aus dem Staube
Sbg_ Nonntal 1865_ ins ewige Vaterland.
(Waldeck 635.) Sbg. St. Peter 1872.
(Wedk. 506.) (Wlf. 34.)
l) Die zweite Zeile scheint verstümmelt zu sein.
2) Obgleich zweifellos der Kunstxoesie angehörig, verdient der schöne Spruch
auch in dieser Sammlung wegen der nklänge an beliebte Motive Beachtung.
a) Zum Anfang vergl. Petak Leond. Nr. 14 und Petak Tdg. Nr. 21.
‘) Z. 1 bekannter Anfang. Vergl. Petak Leond. Nr. 10, Widmann Nr. 3.
Schluß vergl. Nr. 234.
b) Sehr gekünstelt.
‘) Vergl. Nr. 159 und 539, ferner Sieger Marterl vom lselberg (Zeitschr. f. österr.
Volksk. lll, 305) und Petak Tdg. Nr. 1.
57

4.")4. Seelig alle, die des Lebens Reise 461. O suchst du Trost im schmerzlichen
Immer auf des Rechtthuns Pfaden Betrachten
geh’n Am stillen Grabe der Vergangenheit?
Und im angewiesnen Wirkungskreise So lerne Glaube, Hoffnung, Liebe
Edlen Samen für die Menschheit sä’n, achten,
Wie ein sanfter Schlummer, der den Sie trösten dich am Port der Ewig
Müden keit.
Nach des Tages Arbeit überfällt, Sbg. Seb. 1874.
So des Frommen Tod! Er schläft im (Wlf. 108.)
Frieden
-l(i2. Am Grabe kann sich fassen
Sanft hinüber in die bessre Welt.
Wer zum Himmel schaut!
Sbg. Seb. o. J.
(Z. 5 -8 Wedk. 395.) Denn der ist nie verlassen,
(Dres. Nr. 357.) Wer auf Gott vertraut.
455. Sbg. Nonntal 1874.
Das stille Grab erschreckt den
(Wlf. 138.)
Frommen nicht:
Er hofft auf Gott und fürchtet kein Was tröstet uns? Das Hoffen!
Gericht! Wie gut ist’s, Christi sein,
Sbg. Seb. 1877. Man sieht den Himmel offen
Sbg. Seb. 1856. Und nicht das Grab allein.
Anthering 1872.
(Wedk. 282.) Sbg. Seb. 1875.
Wlf. 102.)
(Waldeck 510.) «W—4~ Auf dem dunklen Erdenleben
(Hörm. III, S. 14.) Sind nur Dornen uns gestreut,
Mit Gott versöhnt zu sterben
4fü~ Gott bleibt unser Trost und Licht, Ist Seligkeit.
Wenn das Aug im Tode bricht,
Klagf. St. Ruprecht.
Wenn wir uns zu Grabe legen,
Folget uns des Himmels Segen.
Wiederseh’n! 0 welch Entzücken,
Nußdorf 1859. Laß uns auf zum Himmel blicken,
457. Zu der Frommen Vaterland!
Christus nur gibt dir ewige Freude,
Liebe, die wir hier beweinen,
Er bleibt deiner Seele ewiges Licht.
Gott wird wieder uns vereinen
Domeschau 1888.
Durch ein unzertrennlich Band.
Christus bleibt deiner Seele Weide, Oberndorf.
Seine Liebe wechselt ewig nicht‘) (Petak Leond. Nr. 46.)
Domeschau 1888.
466. Sie können nur von oben
Ist auch die Trennung noch so schwer, Des Trostes Glück erfleh’n,
Wir trösten uns in dir, o Herr! Der Schmerz wird erst gehoben
Der Glaube lehrt das Aufersteh’n, In Gott beim Wiederseh’n.
Die Hoffnung zeigt das Wiederseh’n. Oberndorf 1895.
Anthering 1894.
467. Dem Auge entrückt,
460. Selig, die im Glauben scheiden Dem Herzen verblieben’)
An den Heiland Jesus Christ, Sbg. Seb. 1873.
Weil nach ihren Erdenleiden
Seligkeit ihr Antheil ist. So fern dem Auge,
So nah dem Herzen“)
Sbg. Seb. 1843.
(Wedk. 142.) Sbg. Seb. 1878.

1) Hier und in 457 scheinen die beiden Hälften einer Strophe 'vorzuliegen.
") Vergl. Nr. 377.
"‘) Vergl. Nr. 215, Z. 4 und 5.
58

- Gibts einen Trost, der uns noch 47W Schwer getroffen laßt uns hoffen
bliebe? Dort ein selig Wiederseh’n;
Die Trennung ist so schmerzlich weit! Unvergessen soll indessen
Und doch, es schlingt des Herzens Hier der Liebe Denkmal steh’n.’)
Liebe Anthering 1886.
ihr Band bis in die Ewigkeit.
Görz 1886. 477 Ewig bleibt er nicht geschieden,
Dieser Bund, der uns umschließt.
- Wahre Liebe kann nicht schwinden,
Das ist's, was uns Trost und Frieden
Wenn auch Trennung unsre Seele
in die wunde Seele gießt.
trübt.
Sei's; dort werden wir uns wieder— Anthering 1877.
finden,
Wo man ewig ohne Scheiden liebt‘) ‚ Es durchzieht die gramerfüilte Brust
Klagenfurt 1872. das Sehnen
Nach dem Jenseits, wo der Gatte
47L Unsere Liebe weiht der Tod ein; und
wohnt;
die Trauerweide, auf unserem Grabe Wo den Trennungsschmerz und seine
sich neigend, übersilbert das Mond— Thränen
licht, daß sie glänzt wie blühende Mild in Wiederseh’n der Vater lohnt.
Myrthenfl)
Sbg. Seb. 1857.
Klagenfurt.
472 470 Eine Weile währt die Nacht der
Die Liebe hört nimmer auf!
Wenn auch Erd’ und Welt vergeh’n, Trauer,
Hoffnung bleibt auf Wiederseh’n;“) Harr’ ein wenig, und der Tag wird
wach;
Oberndorf 1892.
Heute rinnt der Trennung Regen
473. Erde mag zurück in Erdenstaub, schauer,
Fliegt der Geist doch aus dem Morgen strahlt des Wiedersehens
morschen Haus. Tag.
Seine Asche mag der Sturmwind Sbg. Nonntal 1877.
treiben,
Seine Liebe dauert ewig aus‘) am. (Z. 1 u. 2 verwittert.)
Klagenfurt 1879. Denn das Wort des Herrn kann
nicht vergeh’n,
- Wer im Geiste seiner Lieben lebt,
Jesus sagt, daß wir uns wiederseh’n.
ist nicht todt, er ist nur fern; Sternberg bei Velden o. J. l
Todt nur ist, wer vergessen wird.
Linz.
‚ Bald rollt des Lebens Vorhang nieder,
475. Schmerzlich ist die Trennung, Und über Sternen finden wir uns
Freudig das Wiedersehn. wieder.
Tainach 1897. Nußdorf 1800.

l) Siehe Nr. 487. Vergl. Petak Frdfv. »Liebe kann nicht untergeh’n«.
") Grab des heimischen Dichters Paul Renn; diese von ihm verfaßte lnschrift
zeigt, wie die Romantik über das Volkslied siegt.
') Zu diesem und dem folgenden Spruche vergl. man die letzte Strophe von
Matthissons »Lied der Liebe«.
Die Freude, sie schwindet, es dauert kein Lied,
Die Jahre verrauschen im Strome der Zeit;
Die Sonne wird sterben, die Erde vergeh’n:
Doch Liebe muß ewig und ewig besteh’n.
Vergl. auch Wedk. 117.
‘) in Z. 1 fehlt wohl das Wort »verbleiben«.
") Man beachte hier die hübschen Binnenreime.
59

- Hier muß das Herz verglühen, 458. In der Trennung tiefsten Wunden
Das Weizenkorn verdorrt (verdirbt?) Schimmert nur Ein Hoffnungslicht,
Dort oben gilt ein Blühen, Was so treue Lieb verbunden,
Das nimmermehr erstirbt. Löst der Tod auf ewig nicht?)
Klagenfurt 1874. Sbg. St. Peter 1855.
Sbg. Seb. 1860.
4815. In dunkler Nacht der Trauer glänzt
ein Stern, Was Lieb’ und Treu
Der ewig leuchtend steht im Schutz Vereint auf Erden,
des Herrn, Wird einst auf’s neu
Und von ihm Friede, Trost und Verbunden werden.
Ruhe weh’n, Sbg. Seb. 1878.
Es ist der Hoffnungsstern vom
' Wiederseh’n. 49U. Gott, der Jesum auferweckte,
Sbg. Seb. 1850. Als des Grabes Stein ihn dekte,
Sbg. Seb. 1862. Wird, mag auch das Grab uns decken,
Sbg. Seb. 1864. Von den Todten uns erwecken.
Nußdorf 1856.
Morzg 1888.
484. Mag der Tod auch alles rauben,
491. Ohne Sterben
Läßt er uns doch den süßen Glauben
Kein Aufersteh’n,
An Ewigkeit und Wiedersehnl
Ohne Trennung
Sbg. Seb. 1809. Kein Wiederseh’n.
485. Ob der Tod auch alles raube, Klagenfurt 1877.
Baut doch Liebe, baut doch Glaube
492. Laßt uns oft den ernsten Blick
Auf dem Sarg sich den Altar.
In der Erde dunkle Nächte In die Nacht der Gräber lenken;
Strahlen diese Himmelsmächte Laßt uns liebevoll zurück
Gleich den Sternen Gottes klar. An die geliebten Todten denken,
Sbg. St. Peter 1880. Daß wir in Bereitschaft steh'n,
Muthig ihnen nachzugeh’n.
486. Hier trennt der Tod oft frühe, die Sbg. St. Peter 1856.
sich liebten,
Dort winkt ein frohes Wiederseh’n! 493. Das Leben ist ein Rosenkranz
Einst wird die süße Hoffnung der Von Widerwärtigkeiten,
Betrübten Der Weise läßt ihn ohne Scheu
Verherrlicht in Erfüllung gehn. Durch seine Finger gleiten:
Sbg. St. Peter 1888. Er faltet seine Hände
(Waldeck 380.) Und betet ihn zu Ende.
(Wedk. 260, 558.)
Oberndorf 1891.
Reine Gattenliebe kann nicht
494. Wo der Buße heiße Thränen
schwinden,
Wenn hier Trennung unsre Seelen Fließen in des Herzens Sehnen,
trübt; Da ist der Himmel wieder offen,
Dort werden wir uns wiederfinden, Da kann der Sünder Gnade hoffen.
Wo man ohne Scheiden liebt. Schnobolin 1869.
Sbg. St. Peter 1851.
Sbg. St. Peter 1870.‘) - Was geschieht, ist hier nur klar,
Sbg. Seb. 1853. Das warum wird offenbar,
(Wlf. 126.) Wenn die Todten auferstehen.
(Wedk. 257, 343.)
(Waldeck 356, 387.) Sbg. Seb. 1843.

‘) Z. 1 »Kinderliebe«.
Siehe Nr. 470.
2) Unglückliche Vermischung zweier Gedankenreihen in Z. 1 u. 2.
«195. Das menschlich leben auf Erden ist 49"- Das arme Menschenherz hienieden,
ein streit, Von manchem Sturm bewegt,
Womit erworben Würdt die sellig— Erhält den wahren Frieden,
kheit.‘) Erst wenn es nicht mehr schlägt")
. .
Kirche in Grafenstem~ 1664. Oberndorf
Maria Saal 1887.
1884_
Klagenfurt 1891.
4571‘. Ob auch dem Herrn wir danken <Wldman" Nr‘ 6'))
(Hörm. III, S. 26, 38.1
müssen, (Dres. Nr. 305, 617)‘)
Das lang er uns die Mutter gab,
Zu früh noch ward sie uns entrissen, Frommer Herzen Edelthaten
Leben über Gräbern fort;
Zu bald wir steh’n an Ihren Grab.
Ach Mutterlieb entbert man imer, Und der Tugend gold'ne Saaten
W*n
L m an ' a uä1ehra?sgts
h l" t ke'n
l K'nd
l Reifen höhern Ernten Mattsee
dort. 1886.

Das Mutterherz verschmerzt man 5011 Die Wunden, die der Tod geschlagen,
nimmer, Die kann der Tod nur wieder heilen.
Der Mutter Bild man nie vergistß) Gries.
Aschau (Zi||erta|)_ 5UZ~ Des Kindes zärtlich Sehnen,
Zell am Ziller. Des Vaters tiefer Schmerz,‘
Der Mutter heiße Thränen,
111 I8. Ein Mutterherz, nur wer es fühlt, Der Freude traugt?d ger?'1892
Wer’s recht von Grund aus kennt, (Petajfrgttosrh_ Nr. '10.)
Der weiß, was man verhert an |hm,
Weiß, was kein Schmerz benennt 50"- Kein Meißel gräbt in Marmorstein
So tief des Leides Worte ein,
Sbg. Seb. 1876.
Als(?Leiden)bittrerTrennung5chmerz
Mattsee 1886.
Gries (mehreremal). Gräbt fest und tief ins wunde Herz.
(Petak Tdg. Nr. 88.) Klagenfurt 1861.
l) Grab der adeligen Familie Khemetter.
’) Z. 5 ~ 8 sind namentlich beachtenswert. ~
“) 6. Strophe des Gedichtes »Das Grab« von Salis—Seewis mit kleinen Anderungen.
‘) Mit folgenden Anklängen an die vorangehende Inschrift Nr. 498:
Ein treues Mutterherz hienieden,
Von jeder Sorge nur bewegt,
Schläft hier in selig stillem Frieden,
Von keinem Sturm nicht mehr erregt.
-‘) Z. 2 »Das manchen Kummer trägt«.
V. Kindergrabverse.
Übersicht.
Die Eltern an das Kind.
So früh dahingegangen . . . . . . . . . . . . Nr. 504—522
Du bist jetzt ein Engel . . . . . . . . . . . . >> 523“ 529
Du warst eine Blume . . . . . . . ~ . . . . » 530»--533
Das Kind spricht.
Warum weinet Ihr? . . . . . . . » 534 —543
Ich bin ein Engel geworden . . . . . . . . . . » 544 —546
Hier in diesem Rosengarten . . . . . . » 547-—557
Ich bin so jung gestorben . . . . . . » 558—567
Vater, wenn die Mutter fragt . ~ . . ‚ . . . . . » 568e571
Mitteilungen der Eltern.
Sein Leben war ein Augenblick . . » 572—575
Hier liegt unsere Wonne begraben . . . . . . . » 576«585
Ein Engel im Himmel . . . . . . . . . . . . . „ 586 —590
Eine gebrochene Blume. . . . . . . . » 591-594
Allgemeine Gedanken.
Trostworte . . . . ‚ . . . . . . . . . . » 595 » 597

Der Mutterliebe bange Sorgen ‘ ÜO7. In des Lebens hoffnungsvoller Blüte


Bewachten deinen gold’nen Morgen, Mähte euch des Todes kalte Hand,
Da riß der Tod, ach, zu geschwind, Raubte treuen Eltern ihre Freude,
Aus unser’m Kreis dich, liebes Kind. Ihrer Liebe schönstes Unterpfand;
Mattsee 1891. Ruhet sanft, euch weckt der Mutter
Klage,
'‚ Mit Freuden hab ich Dich geboren, Weckt des Vaters lauter Seufzer
Mit Liebe hab ich Dich gepflegt, nicht,
Mit Schmerz hab ich Dich verloren, Denn der Geist eilt zu dem schönsten
Mit Thränen in Dein Grab gelegt. Ziele,
Maria Saal, Kirche, 1893. Höherer Verklärung reinstem Licht!
(Hörm. III, S. 4.) Schnobolin 1877.
5( I8. Daß schon so früh Du mußtest
- Nach langen, bangen Tagen,
scheiden,
In der Jugend vollster Kraft,
Beklagen wir mit tiefem Schmerz.
Wurdet ihr von Gott gerufen,
Groß waren ja der Trennung Leiden,
In die bess’re Welt gebracht.
Ruh’ sanft, geliebtes, gutes Herz.
Die Hoffnung nur, daß wir dereinst
Vereint sein werden immerdar, Klagf. St. Ruprecht.
Gibt Mut und Trost dem schwer 509. Ruhe sanft, Du liebes Kind,
gebeugten In der Erde kühler Gruft;
(Von Gott?) geprüften Elternpaar!) Einst wenn unsre Zeit verrinnt,
Mattsee 1886. Und auch uns Gott zu sich ruft,

‘) Vergl. zum Anfang Nr. 130 sowie Heinz Totenbrett aus Maurach bei Zell
am See (Zeitschr. f österr. Volksk. I, 64) und Petak Leond. Nr. 40.
62

Wenn auch wir zum Vater gehn, Hier in diesen Rosengarten


Werden wir uns Wiedersehn. Will ich meinen Eltern warten‘)
Schnobolin 1893. Domeschau 1869.

O Du schläfst in stillem Frieden, ' Du warst auf dieser Erdenbahn


Liebes Kind, den Schlaf der Ruh’: Uns Stolz und Trost und Freude
Viel zu früh für uns hienieden Und giengst im Tode uns voran
Deckt ein kühles Grab Dich zu‘) In deinem Unschuldskleide,
Sbg. Seb. Doch hoffen wir der frohen Zeit
(Waldeck 232.) Wo alle auferstehen
Und ungetrennt in Ewigkeit
Emil. Schlumm’re, gute Tochter! sanft in Bei Gott sich wiedersehen.
Frieden, Mattsee 1885.
Du, mein Liebstes, was mich konnt’
erfreu’n. - Schlummert sanft im külen Schooß
Kurze Zeit nur war es mir beschieden, der Erde,
Treue Mutterliebe Dir zu weih’n. lhr, die in des Lebens Mai gepflückt,
Denn so schnell entrann Dein junges Bei dem Vater, der euch rief das
Leben, Werde,
Allzufrüh rief Dich das Schicksal fort Wohnet ihr, durch Seligkeit beglückt.
Hin, dort hin,wo die Äonen schweben, Aus den Thränen, die um euch
In des Friedens immergrünem Port. geflossen,
Werden tausend schöne Blumen
Sbg. Nonntal 1857.
sprossen.
Dem Mutterschoße kaum ent Fügen (Zillertal).
schwunden, Ä Schlummert sanft im kühlen Schooße
Hast Du das beste Loos gefunden.
der Erde,
Mach Platz dort oben, liebes Kind,
Ihr, die in des Lebens Mai gepflückt!
Für uns und die Dir theuer sind.
Bei dem Vater, der euch rief ins
Maria Saal 1873. Werde,
."113. Wohnet ihr, durch Seligkeit beglückt.
Guter Sohn, uns so bald ent
Aus den Thränen, die um euch
schwunden,
geflossen,
Dich beweint der Eltern blutend
Werden tausend schöne Blumen
Herz;
sprossen,
Von dem Leben hast Du nichts
Unser Schmerzenslaut wird einst
empfunden
verwehn
Als des frühen Todes herben Schmerz.
In des Himmels frohen Wiedersehn‘
Maria Saal 1866.
Sbg. St. Peter 1881.
Früh schon hast du überwunden, 519. Hoffnungsvolle Blüthe, du wardst
Frommes, heißgeliebtes Kind, gebrochen,
Früh schon deinen Herrn gefunden, Doch deine Frucht reift in der
Bei dem ew’ge Freuden sind. bessern Welt.
Olmütz 1896. Sbg. St. Peter (mehreremal).
(Widmann Nr. 5c.) Sbg. Seb. (mehreremal).

Ewig theier bleibt mir dieser Hügel! Von der Eltern warmem Herzen
Du o Tochter ach! hier schlummerst Rief dich eine höh’re Macht,
Du! Und zu ihren tiefsten Schmerzen
Die Erde deckt mit kühlen Flügeln Sankest du in Todesnacht.
Beste, die ich liebte, zu. Sbg. Seb. 1860.

1) i/E};i. Nr. 383.


") Anfang vergl. Nr. 349. Schluß vergl. Nr. 9 ff., 549 ff.
63

521. Bitte Gott, mein liebes Kind, ‘- Ruhe sanft, du Liebling unsres Lebens!
Daß wir dort beisammen sind‘) Schlummre sanft! Nun stört nichts
Tainach 1890. deine Ruh!
Ach, alle Müh’ und Hilfe war ver
522 Du sahst des Lebens Morgenroth gebens,
kaum prangen, Du eiltest viel zu früh der schönem
Kaum ging der schöne Lebenstag Heimath zu.
dir auf, Doch tröstet uns, du kamst ins
Da bricht der Tod dein Herz und Himmelreich
bleicht die Wangen, Und wurdest dort den lieben Eng—
Da senkt die Sonne sich im lein gleich‘)
schönsten Lauf;
Oberndorf 1895.
Was irdisch war, hält diese Gruft (Petak Ottsh. 4 u. 7.)
umfangen,
Doch sehen wir getrost zu dir
7 0 liebstes Kind, nun Engelein,
hinauf;
Lass’ uns dir nun empfohlen sein,
Dein Geist lebt ewig bei dem Vater
Die wir dereinst auf dieser Welt
oben,
Zum Schutze waren dir bestellt.
Ein Engel dort an Gottes Thron
erhoben. Oberndorf 1882.
(Petak Ottsh. Nr. 3.)
Sbg. Seb. 1871.
<wu. 206.)
Engel, die vor Gottes Thron erkohren,
- Zu früh entfloht ihr unsern Armen,
Sind für Eltern nie verlohren;
Der Allmächtige hatte mit uns kein
Ruhe sanft im Schoos der Erden,
Erbarmen.
Bis wir dich wieder sehen werden.
im Himmel war an Englein Not,
Drum rief euch alle vier der liebe Sbg. Seb. 1833.
Gott. (Wlf. 228.)
Kurz war eure Freude hienieden und
klein, Ein Engel reichte dir die Hand
Doch das einstige Wiederseh’n soll Und führte dich ins bessre Land.
uns erfreu’n.’)
Sbg. Seb. 1871.
Schnobolin 1894. (Waldeck 217.)
(Petak Ottsh. Nr. 8.) (Wedk. 195.)
524. Du Engel wurdest uns so bald
t'i 10. Dein Leben war ein kurzer Traum,
genommen,
Doch deine Seele flog zum Himmel Du ahntest seine Freude kaum;
Schon in des Lebens Morgenroth
auf;
Umarmte, Gute, dich der Tod“)
Und wen auch Schmerz und Leid
über uns gekommen, Maria Saal 1878.
Der Trost, das du im Himmel bist, (Dres. Nr. 44.)
heilt alles auf.
Olmütz 1894. ' Rein und blühend wie die Rose,
Schon als Knospe sankst du hin,
Gott wollte dich unter Engeln seh’n. Um in Gottes mildem Schoße
Uns bleibt ein Trost, Herrlicher emporzublühn.
Daß du wirst für uns fleh'n.") Sternberg 1878.
Maria Saal 1887. (Hörm. iii, S. 166.)
‘) Vergl. Petak Ottsh. Nr. 11 und 12.
') Zu Z. 3 vergl. Petak Tdg. Nr. 103.
"‘) Vergl. Petak Leond. Nr. 5.
‘) Vergl. auch Petak Ottsh. Nr. 8.
‘) Vergl. Nr. 106. 435 ff.
64

532 In der Blüte abgerissen, Was trauert ihr, wenn aus dem
Eiltest du früh dem Grabe zu, Garten
O, so nimm zum Sterbekissen Der liebe Gott die Blume pflückt
EItern-Thränen mit zur Ruhl') Und so dem Reif der Welt entrückt!
Sbg_ Seb_ 13(‚7_ So schön ist es auf Erden nicht
Wedk. 318.) Wie dort vor Gottes Angesicht,
( reS- Nr- 68-) Dort will ich auf euch warten‘)
»\"1:4- Schlummre sanft, du holde Rose, Sb(\Iäledk.
. Seb. 151.)
1874.‘
Ruh’ in Gott, du liebes Herz,
Das wir unter Thränen hier begraben, m9. Geliebte Eltern, wehrt der Thränen,
Ach, dein bestes Denkmal ist der
Die ihr an meinem Grabe weinet.
Schmerz
Gott hat wohl mit mir geweinet.
Aller, die im Leben dich umgaben.
Nehmt dieses Trostwort an:
Eugendorf' Was Gott thut, das ist wohlgethan.
(Petak Ottsh. Nr. 19.)
Sternberg bei Velden 1887;‘)
034~ Ihr steht vor meinem Grab
Wie Trauerweiden, 540- Was wollt Ihr Euch betrüben,
Der Tod hat mich hinweggenommen, Daß ich zur Ruh gebracht?
Wir haben müssen scheiden. Seid still, ihr meine Lieben,
Klagenfurt. Gott hat es wohl gemacht")
M"~ Theure Eltern trauert nicht, (Di„<elg_ggnfuzrgih)r)
Ich muß von euch scheiden.
Mein kurzes Leben ist vollbracht, ;,n~ Dort oben ist unser Heimatkmd’
Gott rief mich zu ewigen Freuden. Lebet, Eltern’ woh| im Erdemand_
Seeham 1870- Wir sind jetzt ja im Himmel oben
Sternber
(Peta bei
Tdg.Velden
Nr‘ 91')1897. -
Und sind ganz. glücklich
-. aufgehoben“)

~ Aus Kärnten.
-'»"ß~ Altem, Freunde, trauert nicht,
Blickt nicht schmerzlich auf mich m. |Ch bin bei Gott im Himmeheich‚
nieder; 0 liebe Aeltern, tröstet euch.
Drohen in des Himmels Licht
Finden wir uns alle wiederq‘) SbgMlggy‘fl‘gmfslwgwo'
Antherin 1862.
(Petak Ottsh‘ r‘ 5 u‘ 6') 543- Unser früher Tod ist unser frühes
557‘ Trauert nicht um meine Hülle, D |~ b EH __Gluctt<ti _ ht
Kränket euch nicht unnütz ab, ‘um’ ‘e e emi_kuns “'C
k’ ’
Den er war des höchsten wille,
Wir leben noch und lieben Euch
Der mich rief so früh ins Grab“)
Im unschuldsvollen Himmelreich")
Sternberg 1890.
(Petak Ottsh. Nr. 14.) Ories (mehreremal).

‘) Vergl. Nr. 592.


’; Vergl. Widmann Nr. 5d.
= Typischer Vers. Vergl. Nr. 597, 234, 309 u. a.; vergl. auch Widmann Nr. 12a.
‘g Schluß vergl. Nr. 549 ff., ferner Widmann Nr. 5b.
" Dieser kleine, rings um die hochgelegene Wallfahrtskirche befindliche Fried—
hof enthält hau tsächlich Kindergrabverse. ä Zu Z. 5 vergl. Nr. 452, s. Anm.
“ Vergl. r. 41.
’ Z. 4 »Ich wünsch Euch gute Nacht«. (Unser Text ist vorzuziehen.)
“) Vergl. Petak Ottsh. Nr. 18.
‘-') Auch in Gries haben, wie ich dies in Ottensheim beobachtete, die Kinder—
gräber einen eigenen Bezirk (auf den übrigen Gräbern sind die Sprüche sehr selten).
Die Kindergräber haben ferner meistens steinerne Thränenbecken.
65

54!~ lhr, Eltern, liebtet mich wohl sehr, _W~ Hier in diesen Rosengarten
Gott liebte aber mich noch mehr: Will ich meinen Eltern warten.
Er nahm mich in sein Himmelreich Ich sage ihnen gute Nacht!
Und macht mich seinen Engeln gleich. Ich muß schauen, was mein lieber
Sbg. Seb. 1870. Jesus macht
813%..52E1 18.27.1
(Petak Leond. Nr. 71.) (P°,tf!l< Otjlslh-SNF- 17')
(Dres. Nr. 17.) l °"“- 1 -32-)
545. Nur kurze Zeit war mir von Gott _~332‚ Hier in diesem (schönen) Rosen_
. . . gegeben’ garten
Dann "ef er m‘ch ‘"Ldgs btessere Thu ich meine (lieben)Eltern warten.
_ e an‘) Liebe Eltern, seid nicht betribt,
Sternberg bei Velden 1895. Gott hat mich zu sehr gelibt.
546- Vom Pfeil desTodes schwer getroffen, Sternberg bei Velden 18%- '
Seh’ ich sogleich den Himmel offen; Sternberg bei Velden 1897‘
Ich eilte zu den bessern Loos,
Hinüber in der Engel Schoos.‘) :‚.r.:r_ Hierin diesem Rosengarten
Sbg. Nonntal 1860. Thu ich auf meine Eltern warten.

Weinet unsretwegen nicht! t'ä"ä.'il‘i'äi ä”äll‘.i‘ 2:12...


g '
Denn wir liegen hier Klagf., St. Ruprecht.
Im Rosengarten
Und thun auf unsre >'1.1
Freunde und Bekannten warten. ln diesem Rosengarten
Will ich meiner Mutter warten.
Lmz' Mutter und Geschwister, weinet
33 Hier liegen wir im Rosengarten, nicht,
Müßen auf die Eltern warten. Ich stehe vor Gottes Angesicht.
Anthering 1876~ Maria Bannal heiß’ ich,
Zum himmlischen Vater reis’ ich,
549- Hier in diesem Rosengarten Sag meinen Freunden gute Nacht,
(Thu) Werde ich meine Eltern Ich ruhe sanft mit meinem Vater in
warten. einem Grab.
(Will ich auf meine Eltern warten.)“) Leset euch das Blümlein Vergiß
TaDinach 1293 (128%?D~ meinnichtß)
omesc au . -
Oberndorf 1881-
Sternberg bei Velden o. J.
äälliääälll! 123%:
Sternberg bei Velden 1898.
(Hörm. I, s.u’4,S_'16,
(Hörm 5 9, 22_)
10, 14.) . hegen
Hier . . |m
wir . Rosengarten,
(Hörm. m, 5~ 9_) Thun auf Vater und Mutter warten,
(Petak Frdfv. Nr. 2.) Wissen aber nicht wie lang,
Wenn Sie kommen im Himmel an
55‘). Will
Hier in
ich diesen
meinenBlumen
Altern Garten
warten. (Pe(t)ali(erlrjgämj_lätgqc)g'b_)

Domeschau 1877. (Petak Tdg. Nr. 96.)


l) Vergl. Petak Frdfv. Nr. 5.
') Z. 2 vergl. Nr. 566.
“) Eine Vollständigkeit ist bei diesem berühmten, schon im »Wunderhorn«
erwähnten Grabspruch fast unmöglich, da die örtliche und zeitliche Verbreitung
sehr groß ist. — Vergl. Nr. 9tf., 515.
‘) Vergl. Nr. 9.
Zeitschrift für österr. Volkskunde. .)
Johann bin ich genannt, 562. (Z. 1» 74 wie früher.)
Der Himmel ist mein Vaterland. Liebste Eltern, tausend Dank
Und in diesem Rosengarten Sei euch gebracht
Mus ich auf meine Mutter warten‘) Für Euere Sorge! Gute NachtI”)
Oberndorf o. J. Sternberg bei Velden 1895.
(Hörm. III, S. 34.) (Reitterer Nr. S.)
(Rieder S. 102)’)
(Dres. Nr. SO.)
i'il'ii. Kaum hab ich erreicht das 2. Jahr
.'157. Wir ruhen hier im Trauergarten Legten mich auf die Todtenbahr
Und thun auf unsere Eltern warten. Mit grünen Kränzchen zugedeckt
Klagenfurt. Kein Mensch ist, der mich auferwecktß;
Sternberg bei Velden 1893.
Sternberg bei Velden 1896.’)
Kaum fang die Rose an zu blihen,
Fallen die Blätter wider ab;
Kaum fing ich an zu leben, In dem Frühling meines Lebens
Muß ich schon ins Grab. Überraschte mich der Tod,
Sternberg bei Velden 1894. Eltern! Trauert nicht vergebens;
Sternberg bei Velden 1897. Denn mein Schicksal kamm von Gott")
Mattsee 1874.
.359. (Petak Ottsh. Nr. 22.)
(Z. 1—4 wie früher.)
Die kühle Erde hat mich gedeckt,
Kein Mensch ist,dermich auferwecktß) - Ich sterbe, jedoch ich sterbe,
Sternberg bei Velden 1897. Damit ich ewig leben kann.
Daß ich nicht in der Welt verderbe,
.'»PU.
Schließt sich mein Lauf, der kaum
Kaum hat die Rose ausgeblüht,
begann.
So fallen die Blüten ab;
Ich ward in meiner Frühlingszeit
Kaum hab ich die Welt erblickt,
Als Himmelspflanze Gott geweiht.
So muß ich schon ins Grab.
Sternberg bei Velden 1894.
Klagenfurt (2mal).

SGI. Mit der Sonne bin ich aufgegangen War noch so jung und mußte schon
Wie das Blümlein auf dem Feld, Das Leben meiden.
Kaum hab ich zu leben angefangen, Doch ein Trost für mich,
Muß ich wieder aus der Welt‘) Daß ich rein von Sünde
Den Himmel offen finde")
Sternberg bei Velden 1898.
Sternberg bei Velden 1896. Sternberg bei Velden 1897.

‘) Vergl. Nr. 13.


’) Dort heißt es:
»Jetzt bin ich noch so jung
Und hab schon den Tod erfahren.
Jetzt lig ich in dem Rosengarten
Und muß auf meine Eltern warten.
Gedenket mein,
Ich will auch jetzt noch euer Töchterlein sein.«
3) Zum Schluß vergl. Nr. 61, 62, 563.
‘) Vergl. Schwzb. Nr. 1, Z. 6. Ganz ähnlich Petak Leond. Nr. 73.
°) Zum Dank an die Eltern vergl. Nr. 64 sowie Petak Tdg. Nr. 89 und Petak
Frdfv. Nr. 6.
f) Vergl. Nr. 61, 62, 559.
‘) Z. 1 »die 14 Wochen«. Noch eine 5. Zeile »Als Gott allein«.
") Vergl. auch Nr. 583, 293, 294.
‘»') Schluß vergl. Nr. 546.
67

- Aus zehn Geschwistert bin ich das .572. lhr Leben war ein Augenblick,
jüngste, Ein Frühlingstraum ihr Erdenglück.
Doch das Erste in das Grab, Sbg. Seb. 1848.
Der Tod rufft mich aus eurer Mitte (Wlf. 240.)
Schon in zarter Jugend ab. (Waldeck 198.)
(Wedk. 17.)
Mattsee 1879.
573. lhr Leben war ein Traum,
Mutter, wenn der Vater fragt,
Zwei Tage zählt sie kaum.
Wo ist unser Lieblieng? So tröste ihn
Da zog ins stille Grab
Miet dem worte, das ich in dem
Der Tod sie schon hinab’)
Himmel bienn.
Vater, wenn die Mutter weint, Anthering.
So trieckne ir die Trenen ab,
(Waldeck 253.)
(Wedk. 400.)
Pflanze, ween die Sonne scheint,
Eine Rose mir aufs Grab‘) 574. Im ewig blühenden Garten
Maierhofen (Zillertal). Die zarte Blume zu warten,
(Petak Tdg. Nr. 94.) Hat sie der Gärtner der Welt
569,
Freundlich in Himmel gestellt!)
Vater, wenn die Mutter fraget,
Wo ist unser Liebling hin, Olmütz 1881.
(Petak Ottsh. Nr. 20.)
Wenn die Mutter um mich klaget,
Sagst, daß ich im Himmel bin. "'- Ihrer Unschuld Blüte
Mutter, wenn der Vater weinet, Sorglicher zd warten,
Trockne ihm die Thränen ab, Nahm sie Gottes Güte
Pflanze, wenn die Sonne scheinet, Auf in seinem Garten.
Eine Thräne mir aufs Grab.
Gries (einigemal).
Morzg 1885.
Römerstadt o. J.‘) 576. Hier ruht ein Geschwisterpaar,
(Hörm. III, S. 5.)
(Petak Tdg. Nr. 95.) Das der Eltern Wonne war.
Ach zu früh für unser Herz
- Vater, wen die Mutter fraget, Flog ihr Geist nun himmelwärts.
Wo ist unser Liebling hin,
Schnobolin 1892.
Wenn sie weinent um mich klaget,
Sag, daß ich im Himmel bin. 577. Ein hoffnungsvoller Knabe
Mutter, wenn der Vater weinet,
Schläft hier in diesem Grabe.
Trokne im die Träne ab,
Schnobolin 1894.
Pflanze, wenn die Sonne schein(e)t,
Ein Vergißmeinnicht aufs Grab.
578. Dieses Grab schließt die Gebein
Nußdorf 1893. Uns’rer lieben Kinder ein.
Nach vielen Leiden nahm sie Gott
’ - Ich bin zwar ein Iedigs Kind,
In seine Freuden durch den Tod.
Die auf der Welt verachtet sind.
Oberndorf 1887.
Doch Gott nimmt mich ins Himmel—
reich, 579. Hier in dieser Grabeskammer
Macht mich andern Kindern gleich. Ruht unser Freud und Jammer,
Nußdorf 1894. O, könten nach den Erden Weh’n
Hörm. l, S. 9.)
Wier uns jenseits wiedersehn!
( örm. III, S. 4.)
(Dres. Nr. 60.) Schnobolin 1893.

‘) Vergl. Nr. 70, 71.


') Z. 8 »Eine Rose auf das Grab«. Vergl. auch Nr. 70. An Innigkeit und herz
ergreifender, schlichter Schönheit überragt diese Inschrift alle mir bekannten Kinder
grabverse.
-") Vergl. Nr. 435, s. Anm.
‘) Vergl. Nr. 592.
5.
68

580- Sie waren das Liebste auf Erden, 587- Hier dieser kühle Marmorstein
Was uns der Himmel gab; Schließt Sigmund und Luise ein,
Daß wir sie wiedersehen werden, Zwei Kinder edel, sanft und mild,
ist Trost bei ihrem Grab‘) Der reinsten Unschuld Ebenbild.
Gnigl 1889. Früh winkte ihnen Gottes Hand
( Waldeck
edk. 119’ 260.)
289.) Hmuber 1n em bessers Land.
Nun schmücken sie im Jugendflor
W~ Der Aeltern Hoffnungs-Sehnen Auf Sions Burg der Engel Chorß)
Entschwand in Sehnsuchts-Thränen. Sbg. St. Peter 1801.
Sbg- 59b- 1835. 588. Zwei Englein, Geschwister im Erden
58‘4 Trauernd widmen seine Eltern land‚
|hm‚ was Menschen bieten können, Sie leben jetzt selig im Heimatland.
Liebe, Sehnsucht, Thränen. Morzg 1884
Görz 1353, 589 Ein Engel hienieden,
Ein Engel dort oben; w
583- ln dem Frühling seiner Tage
D’rum wollen zufrieden
Eilte er dem Grabe zu,
Den Vater wir loben‘)
Ohne Thränen, ohne Plage
Schläft er hier 18 süßer Ruh’.") _ _Euge_‘‚‘d°r f.
Anthering 1877~ 599 Die Erde deckt nun seine Hulle,
(Petak Leond. Nr, 7 u, 8_) Ja, unser Liebstes deckt sie tief;
Doch es gescheh des Herren Wille,
584~ So schnell entschwand sie zart und Der diese“ Enge, zu sich He“)
mild
im schönsten Jugendkleide, Otl:l(;;,ilgor1f8?gb4_
So ganz der Unschuld Ebenbild Sternberg bei Velden 1897.
Und ihrer Eltern Freude‘ 591- Mein Kind, das war ein Rosenknopf,
Oberndorf 1890 <2mal)‘ Wollt eine Rose werden
Nußdorf 1895. . '
Da Gott es aber lieber hat,
"‘t'ö~ ihn säte früh des weisen Vaters Wille Nahm er es von der Erden_
Ein Korn zur Reife in das Mutterland. Schöner Enge), bitt für uns.6)
Verflieget Thränen, Klagen werdet Ob@ffldgff1886_
stille! (Hörm. l, S. 8.)
im Leben winkt ihn wieder Gottes (Petak Tdg- NF- 97-l’)
Hand! 592 Das Bäumlein, dessen Blüthe
Sbg. St. Peter 1839. ' So lieblich uns ergetzt,
‚-,.,„_ NS er in unsrer Mitte Ward früh durch Gottes Güte
An Geist und Körper blühte, Ins Paradws Versetzt‘)
Ließ sich ein Engel seh'n, Sbg‘ Seb' 1846’
(Hörm. 1, s. 8, 10, 42.)
Und winkt ihm heimzugeh’n. (Höm1~ 111, 5_ 133_)
Gnigl 1888. (Wedk. 151, 179, 189, 304.)
(Dres. Nr. 75.) (Dres. Nr. 64.)

') Z. 1 und 2 vergl. Nr. 211.


2) Vergl. auch Nr. 564.
3) Z. 1 und 2 vergl. Nr. 349; Z. 3 und 4 vergl. Nr. 584.
‘) Auf einem Blatt verzeichnete Pom. eine literarische Parallelstelle, die am
besten hier Platz finden mag.Anton Moll »Das Hausbuch einer steirischen Bürgers
frau« (Zeitschr. f. deutsche Kulturgeschichte, neue Folge l!) bringt folgendes:
»(wir) haben ihr ein Namben geben
Caecilia und ist gleich gestorben. Hab
also ein liebs Enger! im Himbel droben«.
Die Frau lebte zu Vordernberg, das Buch reicht von 1666 bis 1694.
l’) Vergl. Nr. 309, 234, 152, 537.
') Vermischung zweier Vorstellungen (Blume und Engel). So auch bei Urban Nr. 6.
7) Schluß: »Weil Gott mich aber lieber hat,
So bleib’ ich nicht auf Erden.«
") Vergl. Nr. 292, 341, 528, 532, 574.
69

593. In der Jahre frühem Lenze .595. Stirbt dir dein Liebling,
Sank die Blume schon ins Grab; Grämme dich nicht.
Doch der Jugend schönste Kränze Kinder sind Blumen,
Nahm sie scheidend mit hinab. Die der Ewigebricht.‘)
Maierhofen (Zillertal). Mattsee 1893.
Mattsee 1895.
594. Die schönste Frühlingsblume Frühverblühte, zarte Blume,
Brach früh des Todes Hand, Wie der Strom des Lebens wich,
In Gottes Heiligthume Glänzt im Gottes Heiligthume
Ist jetzt ihr Vaterland. Nun als Engel ewiglich.‘)
Gries. Sbg. Seb. 1872.
597~ Das Aug beweint am Grabesrand
Des Kindes theure Hülle;
Die Hoffnung zeigt ins bessre Land,
Es war so Gottes Wille‘)
Schnobolin 1896.

‘) Vergl. Petak Tdg. Nr. 98.


") Gekünstelt und mißglückt.
J) Vergl. Nr. 537, 157, 234.
AN HANG.
Marterln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 598 «610
Wegkreuze und Votivbilder . . . . . . . _ . . » 611»—621
Marienbilder . . . . . . . . . . . . . . » 622? 626
Kirchen- und Friedhofinschriften. . . . . . » 627—636
Haussprüche . . . . . . . . . . . . . » 637-648

5118. 0 Mensch! Du mußt sterben O Jüngling! Stehe still alda an


Und weißt nicht die Stund, diesen Ort,
Wan der Tod wird kommen, Beth mir einen Vaterunser, dann
Dich richten zu grund. setze deine Reise fort.
Bist jung oder alt, Auch du hast keinen Brief, wann
Wie es Gott gefallt, es mit dir ist aus,
Bist groß oder klein, Vielleicht kombst du Heute noch zu
Gestorben muß es seyn. mir ins Todtenhaus.
Marterl in Maria Plain 1780. Trau deiner Gesundheit nicht, auch
deinen jungen Jahren,
Andenken Der Tod hat List und Tük, das habe
des Ehrenzüchtigen Jünglings Se- ich, 0 Freund, erfahren?)
bastian Dornauer Hutmachergcsell
Marterl am Raintaler See
dahier, welcher im vier und zwanzig- bei Brix‘egg 1873~
sten Jahre seines Alters zur Huldi
gungs—Zeit Kaisers Ferdinanden des l.
am 11. August 1838 durch den Ein— "01. Lieber Leser, geh’ nicht vorbei,
Sturz eines Hauses in Hall, sein Ohne an mich zu denken,
Leben geendet hat. Gott habe ihm Thu’ mir ein Vaterunser glei’
Und Ave Maria schenken“)
seelig.
Auch der muntre Jüngling stirbt, Marterl in Zill bei Hallein 1888.
Wie die Blume schnell verdirbt;
Wie ein Dieb um Mitternacht 602~ Wandrer, du mußt Achtung geben!
Kommt der Tod. So bethet, wacht. Ein Schritt ist zwischen Tod und
Einen Jüngling deckt dies Grab, Leben.
Ach, ein Haus fiel über ihn herab; Du bist nicht stärker als wie ich,
Und ihr fragt warum der Jüngling Geh hin, leb fromm und beth für
starb, mich‘)
D a5 d‘m B 0 ßh e‘‘t näcar:)
‘h f)em' H erz ver - Marterl bei Zell am See
(Weg zur Schmittenhöhe).
'Marterl in Fügen (Zillertal) 1838. (Hörm. II, S. 10.)

‘) Zu Z. 5 vergl. Hörm. I, S. 78, 131. — Zu Z. 8 vergl. Hörm. III S. 3.


‘ Ahnliches bei Hörm. l, S. 116, 131, 135 ff.; II, S. 31, 187; III, 188, 191.
‘) Schluß vergl. Nr. 37.
‘) Vergl. 293.
71

Ihr habt euch unserem Blick ent Priester verlangte, der aber leider zu
schwungen spät kam und so mit eigenem Trost
Und giengt der höhern Heimat zu! in das bessere Jenseits hinübergingß)
Ihr habt den Siegeskranz errungen, Marterl bei Zell am Ziller.
Wir sind im Kampf, ihr seid in Ruh. (Weg nach Gerlos.)
O Maria, steh uns bei im letzten
Streit, 110‘3.
O Mutter der Barmherzigkeitl‘) Des guten Sohnes Herz hat ausge
schlagen,
Marterl bei Mattsee 1894.
In der Jugend heitern Wonnetagen
Stand seiner Pulse reges Leben still.
Ihr Lieben all’, die Ihr mich kanntet,
Wenn Ihr dieses Denkmal seht,
Der Eltern schönstes Hoffen ist ver
nichtet,
Weiht mir eine stille Thränne
Der Tod, der unbarmherzig richtet,
Und denket meiner im Gebethfi)
Hat viel zu früh ihm gesetzt des
Marterl bei Mattsee 1882.
Lebens Ziel.°)
505. O liebe Eltern und Geschwister, Marterl bei Seekirchen
Gedenket mein, doch weinet nicht, (Weg nach Mattsee) 1872.
Wer also früh wird weggenommen,
Erfährt ein gnädiges Gericht“)
Unverhofft ist die Todesstunde,
Marterl am Zenoberg Drum seid allezeit bereit
bei Meran 1898.
Auf Tod und Ewigkeit.
- Bedenke stets, o Leser, dieß, was Ich liege in der friedlichen Gruft,
Bis einstens der Heiland mich ruft.
allgemein schon kund,
Uns Allen ist der Tod gewiß, doch Marterl bei St. Florian
ungewiß die Stund. (im Wald) 1895.
Der Jüngling mußte morgens früh
von seinen Lieben geh’n; til0. Das war wohl eine dunkle Nacht,
Er dachte nicht, er werde sie im Die mich ins kalte Grab gebracht,
Leben nicht mehr seh’n. Vor mir der Tod und ich allein,
Er kam nicht zurück, er starb, der So gruben mich die Wellen ein?)
Tod war sein Gewinn;
Marterl bei Pertisau
Noch eh die Welt sein Herz verdarb,
am Achensee 1879.
nahm ihn der Herr schon hin;
O Eltern, trocknet nur geschwind,
(HI. Ein Kreuz am Weg,
Gott dankend, eueren Blick,
Er gibt gewiß euch euer Kind im Du gehst vorbey
Gedenk,was das füreinßedeutungsei,
Himmel einst zurück‘)
Zieh ab den Hut,
Marterl in Niedernsill o. J.
Du bist ein Christ,
" - Hier endete der Anton Höllbart durch Der für uns gestorben ist.
einen Sturz vom Baum, welcher noch Kreuz bei Ursprung (Sbg.).
in seinem Todeskampfe nach einem (Hörm. I, S. 93.)

‘) Vergl. Nr. 260 und 359. e» Zu Z. 4 vergl. auch Nr. 411.


’) Vergl. Nr. 40.
3) Ein 18jähriges Mädchen stürzte in die Passer.
‘l Verunglückter Jüngling von 18 Jahren.
'J) Ungeschickte Stilisierung, die zu komischen Effekten Anlaß gibt.
°l Vergl. Nr. 351.
’ Ein junger Bursche von 27 Jahren brach zu Weihnachten 1879 im Eis ein.
Bei Hörm. II, S. 138 steht zwar der Spruch, aber mit der Jahreszahl 1887.
Bei Reitterer Nr. 8 heißt es:
Unverhofft um Mitternacht
Hat mich eine Schneelawine todt gemacht,
Ich War allein u. s. f.
72

61?- Freund, wo gehst du hin? Gib, daß ich mit Liebe segne
Vergiß nicht, daß ich dein Erlöser bin, Meinen Feind, wenn er mir flucht,
Daß ich so viel gelitten hab für dich, Daß ich huldvoll ihm begegne,
Deshalb bleib steh’n und grüße mich. Wenn er mir zu schaden sucht.
Kreuz in Sbg. Seb. (Hof). In den trübsten langen Tagen
(Hörm. l, S. 97.)
(Hörm. u, s. 83, 116.) Will ich auf dein Beispiel seh’n
(Hörm. 111, s. 146.) Und mit Langmuth alle Plagen,
Alle Leiden übersteh’n.
- Man sieht auf offnen Wegen
Oft Straßenzeiger steh’n, Christusbild,
Sie mahnen treu den Wandrer, Kirche in Maria Saal.
Den richtigen Weg zu geh’n.
Du siehst hier einen eignen,
618. Es starb am Kreuz in größten
Wahrhaftig gut gewählt; Schmerzen
Es ist der Herr am Kreuze Gottessohn, Herr Jesu Christ,
Am Wege hingestellt. Ihm sei Dank von ganzen Herzen,
Wie sind doch seine Arme Weil sein Todt mein Leben ist,
So liebend ausgestreckt! Wo immerhin auf Erden die Menschen
Das ist der wahre Zeiger, geh’n,
Der Weg ins Heimatland. Glückselig alle jene, die auf den
Wohin des Menschen Wege Heiland seh’n.
Auf Erden immer geh’n, Er ruft: komt zu mir! Auch in den
Glückselig alle jene, Gefahren!
Die auf den Heiland sehn. Wir flehn dich an, o Herr, von Ver
Wegkreuz suchung zu bewahren.
bei Reisach im Gailtal.
Lieber Wandrer, halte ein deine
614. Halt an, du mein Lieber Wanders Schrit
Mann, Und versage den armen Seelen das
Schau dein schmerzhaften Jesus an, Gebeth nicht.
Du es nun zum andenken, Kreuz mit Armeseelenbild
Ein vatter unser mir zu Schenken. bei Seekirchen (Straße nach Mattsee).
Kreuz bei Wiedergrün 1895.
(319. Wenn dich, mein Christ, ein Unglück
- O Nlensch, geh’ nicht vorbei!
trifft,
Schau mich doch an, wer ich sei,
So bau auf Gott und zweifle nicht,
Bekehre dich, thu’ Buß für dich,
Komm dann zu Gottes Bild heran
Es ist kein Sünder auf der Welt,
Und bethe ihn mit Demuth an.
Der nicht von mir die Gnad’ erhält.
Er wird sich deiner auch erbarmen,
Christusbild bei Anthering. Wie er gethan bei Reich und Armen.
" Wanders-Mann, halt ein deine Schritt Denn der lebt noch, der alle Leiden
Und versage den Armen Seelen das bricht,
Gebet nicht‘) Darum, mein Christ, verzage nicht.
Tafel bei Kothgumprechting. Kreuz bei Wiedergrün.
617. O Gott, allmächtiger, ich falle ö‘Ä). Herr, du bist mein und ich bin dein
Demutsvol! zu Füßen dir,
Und wo du bist, da werd ich sein’)
Du erhältst und schützest alle,
Schenk auch deine Gnade mir. Kreuz bei Giebau.

‘) Pom. teilt mit, daß an der großen Fichte bei K. sich ein Betstuh! befindet,
darüber am Stamme eine Tafel mit zwei Engeln und einer weiblichen Gestalt.
Letztere trägt einen Rechen und dürfte die heilige Nothburga sein. Pom. fällt dieser
Seelenkult auf. Vergl. Nr. 618.
2) Vergl. das berühmte Motiv des Volksliedes »Ich bin din« (Minnesangs
Frühling).
73

621. Jesus 625. Disen weg gehe nit vorbey,


ist die Auferstehung und das Leben, ohne das Maria Gegrüßet sey.
Wer an ihm glaubt, Erzengel Gabriel-Statue
Wird auch am Ende des »Zaubertales«
nach seinem Tode leben, bei Linz o. J.
Auf Kosten der 623. Siste viator hic, age grates vel pete
Schnoboliner Pfarrlinge.‘) gratias, Jesum adora, Mariam exora,
Kreuz im Friedhof dic materave, ut le liberet a v8’)
in Schnobolin 1806.
Görz 1705.

62?- Du sollst, 0 Jesu, ganz allein Des Lebens Liecht vnd Schein
Die Hoffnung meiner Seele sein, Vergeht auch endlich Bald;
Du sollst allein mein Trost auf Der Tugent Namm allein
Erden Lebt vnd würd Ewig alt.
Auch dort mein Heil im Himmel Laß Stamm vnd Aßt vergehen
werden! Vnd d’Wurtzeln hie verderben;
Wan sye nur dort Erwerben
Doch geh ich, wenn ich traurig bin, Ein fröhlichs auferstehen.
Zur lieben Gottesmutter hin,
Und alles Leid und allen Schmerz Kirche in Schellenberg 1712.
Vertrau ich ihrem Mutterherz.
628. Das Leiden Christi vnd sein Todt
Der Sohn (in?) seiner Leiden Nacht Hat das Hai! erworbe,
Hat sie als Mutter uns vermacht; Vnns erlöst von Ewigen Todt,
Uns helfen ist ihr Mutterpflicht, ist für vns gestorben,
Maria, sie vergißt das nicht. in Maria Schoß wird Christus giegt,
Vor Schmerzen Sye thet hinsinkhen.
Manch Herz ist an Erbarmen reich, Beweint den Leichnamb Christi guet,
Doch ihrem Herzen keines gleich; An den wür solln denckhen,
Drum felsenfest (ich ihr) vertrau, ihr Seelen, rhuet in Jesu bluet,
Sie ist ja »Unsre Liebe Frau«! Der Euchs ewig Leben schenckhet.
Marienbild. Kirche in Schellenberg 1675.
Kirche in Maria Saal.
629. Die Tugent stirbt nit ab,
623- Aus aller unser Trübsal, Armut, ihr Nam Lebt auch im grab,
Krankheit, Not und Qual
ihr Zeittliches abscheiden
Rett' uns die heilige Mutter Gottes Bringt selbst die Lebensfreuden,
Maria in Sall. Das Leben fangt erst an,
Marienbild, Wo man guet sterben kan.
Kirche zu Maria Saal o. J.
Kirche in Schellenberg 1705.
614~ 0 Mutter mein, mich schließ ein
- Gerechtigkheit gewint das Spili,
in dein verwundtes Herz,
Es komb der Todt gleich, wan er wii,
Verlaß uns nicht in Qual und Pein,
Gewissens Richtigkheit besteht,
in Sterbenszeit und Schmerz.
Forchtlos dem Todt Entgegen geht.
Marienbiid bei Neudörfel.
(Petak Leond. Nr. 39.) Kirche in Schellenberg 1712.

‘) Der Schluß zeigt einen unbeabsichtigten komischen Ausgang. Ein anderes


Beispiel unfreiwilligen Humors führt Pom. aus Beiovar (Kroatien) an:
»Hier ruhet Aleksander Hornig,
Tief gekränkt von seiner Gattin.«
1886.
') Weg nach Castagnavizza; Marienbiid mit Jesus und Engeln. Schluß ein
Wortspiel mit dem deutschen »Weh«.
74

631. Fremd kehr ich in die Heimat Was du auch unternimmst, einst
Und finde nur ein Grab, ‘ wirst du Erde,
Ein Grab von Hoffen, Lieben, Wie immer du begannst, du endest so.
Was ich ersehnet hab. Sei drum bescheiden! Sag nie: Ich
Friedhofkirche in Klagenfurt, werde.
St. Ruprecht 1891. Wandinschrift
Friedhof von Kaltenleutgeben
632. Ein kühler Wind geht durch die Welt, 1899.
Die Zeitlos’ blüht auf welkendem Feld;
Blätter und Früchte fallen nieder, 635. Weinend kamst du zur Welt,
1 Die Kinder der Erde zur Erde wieder. Von lächelnden Augen umgeben;
Wandinschrift Suche, von Freunden beweint,
Friedhof von Kaltenleutgeben Lächelnd zu geh'n in den Tod‘)
1899.
Wandinschrift
ti3l). Wenn ich zum stillen Friedhof geh’, Friedhof von Kaltenleutgeben.
Wird mir so schwer zu Herzen,
Daß man die treu’ste Menschenbrust, Der Reichen wie der Armen Häupter
Die mitgetragen Leid und Lust, sind hier Schädel,
So eilig kann verschmerzen. Unkennbar ruhen sie beysammen,
Gras wächst darüber, ach so bald, Und eine Stimme lispelt leise:
Das Grab wird selber heiter; Der Mensch ist Asche!
Wie wenn ein Blatt vom Wipfel fällt, Beinkapelle Sbg. Seb. 1832.
So geht ein Leben aus der Welt,
Die Vöglein singen weiter. Verachte nicht mich und das meinige,
O Menschenherz mit deinem Stolz, Betrachte dich und das deinige,
Was flüstern die Cypressen ? Findest du ganz ohne Tadel dich,
Wir stehn auf einem schmalen Raum; Alsdann komm und Verachte mich!)
Darunter ist ein Herze kaum, Hausspruch bei Zell am Ziller.
So ist es schon vergessen.
Wandinschrift 638. Nim dich selwst bei deiner Naßen
Friedhof von Kaltenleutgeben Und bedenke wohl dabei,
1899 Ob der Fehler deiner Maßen
(Strophe 2 PetakTdg. Nr. 78.)
Größer als bei andern sei.
Dein Grab erwartet dich, und Hausspruch in Schlitters (Zillertal).
irgendwo
Liegt schon der Stein, vielleicht noch 6169. Durch Fürbit—Maria, Johann und Paul
unbehauen, Beschitzet, von Plitz, Hagel und
Bestimmt (wer weiß wie bald) für Schauer.
deinen Namen Du reinigst durch den Plitz die Luft,
Und eine Jahreszahl, die du nicht Dein Regen kühlt die Saat,
kennst Und deines Donners Stimme ruft:
Und selbstbetrügrisch in die Ferne Seit rein von Missethat.
rückst.
Wer du auch bist und voller Stolz Hausspruch bei Anthering 1877.
dich nennst,
640. St. Florian, wir bitten Dich,
Du gehst d en Weg, den alle Todten
kamen. Beschütze dieses Haus
Drum lerne zeitig deiner Kraft miß Das kein Unglück kommt,
trauen, Kein Plitz einschlagt,
Dein Ziel ist weiter nicht, als du dich Das kommt kein Feuer aus.
bückst. Hausspruch in Anthering.

l) Distichon aus der Kunstpoesle.


2) Vgl. Dres. Nr. 848.
75

641. Grüß Gott, trittein, bring Glück Destwegen bin ich


herein, Worden graben,
Wenn dieses Haus so lang nur steht, Daß man ein kielen
Bis aller Haß und Neid vergeht, Trunkh kan haben;
Dann bleibt’s fürwahr so lange steh'n, Und mag mich drincken
Bis das die Welt wird untergehn. Ohne Sorgen,
Spruch am Brauhaus in Henndorf. Hat man kein Gelt,
(Dres. Nr. 682.) So thu ich borgen.
Brunnen am großen Platz
642. Halt’ an, kehr’ ein,
in Bruck a. M.
Ergreif das Glas mit goldnem Wein Z. 1—4 Hörm. »Haussprüche
Und laß es Dir gut münden.
aus den Alpen«, S. 172.
Hausinschrift,
Gasthaus im Sarntal bei Gries.
Ich heiße Anton Reindl
643. Dem stillen Veilchen gleich, Und hab’ a gutes Weindl,
Das im Verborgnen blüht, Und auch a gutes Bier,
Trink immer viel und gut, Ob’s d’ eini gehst zu mir.
Auch wenn dich niemand sieht. Wirtshausspruch in St. Gilgen.
Wirtshausspruch in Schiefling. (Hörm. wie oben, S. 158.)

644. Ich Hans Prasser


646. Es that schon mancher lieben
Trinkh lieber Wein
Wein, Weib, Gesang,
Als Wasser;
Und ist dennoch geblieben
Trünk ich das Wasser
Ein Narr sein Leben lang.
So gern als Wein,
So kündt ich ein Wandspruch in einem Gasthof
Reicherer Prasser sein. in Vöslau.

“47. Im Wein ist Wahrheit,


Doch wenn man sie hört,
Ist sie gar oft
Des Weines nicht wert.
Ebendort.

643~ Gott behüt uns vor Regen und Wind


Und vor Gesellen, die langweilig sind.
Wirtshausspruch in Schiefling.
Weihnaehtsgebäelae.
-—qnm--——

Eine vergleichende Studie der germanischen


Gebildbrote zur Weihnachtszeit.

Von

Dr. Max Ijöfler


Hofrat, in Tölz (Oberbayern).

Mit; 13 Figurentsafeln (69 Abbildungen).

Wien 1905.
Verlag des Vcreines für Österreichische Volkskunde.
Kommissionsverlag: Gerold & Ko., Wien, I. Stephansplatz Nr. 8.

Buchdruckerei Helios, Wien.

ßS
ie heutige Weihnachtszeit (mhd. winnacht, wihen nahten,
‘ wienachtis tac, winachtes nacht) hat im deutschsprechenden
V "‘ Volksmunde verschiedene Namen, so in Bayern-Österreich:
M e t t e n n a c h t (matutina, scil. hora, Klosterausdruck für Frühmesse);
Tirol: Heilige Zeit (im heiligen Monat; ahd. Heilag-mänoth =
Dezember, der erst durch Karl den Großen diesen Septembernamen
erhielt), Hochenzeitentag, Bechel- (Berchtel-‚ Perchten-)Tag
(siehe Z. d. V. f. V. K. 1904, 257); Schweiz: Opferk i n d litag; ‘Nest
falen: \Vurstabend. Ganz modern ist erst seit der Reformation der
Christtag (im Christmonat); englisch christmas (Christmesse)
auch Nut—crack-Night = Nußknackernacht. Nüsse und Äpfel
werden dort ins Feuer geworfen, die Nüsse auch mit den Zähnen
aufgeknaclrt. (Hazlitt, National Faiths and Popular Customs l, 118.
Die Nußknackerfiguren spielen auch auf dem Münchner Ghristkindl
markt noch heute eine Rolle.)
Die nordischen Völker haben: Pommern: J ul (eine aus Schweden
oder Dänemark entlehnte Bezeichnung); Schweden: Jul, Juld ag e n‚
Julhelg, Jul-högtid (Jul-Hohezeit); Dänemark: Herren
Fodselsfest (Herren-Geburtsfest); daenisch: höggu-nott (Hohe
Nacht), angelsächsisch: hauku-not, that er midsvetrar nött (Feilberg*‚
335); schwedisch: midwintersnatten; altfriesisch: midwinter (Mitte
des Winters); angelsächsisch: mödraniht = der Mütter Nächte.
Der Heilige oder Christabend, das heißt der Abend vor Christi
Geburtstag heißt in Hamburg Karst (Kaß)-Abend (Christabend)
im Saterland und im Oldenburgischen Voll- oder Dickbauchs
a be n d, sonst an verschiedenen ostdeutschen Orten Lan ge Nach t;
im tirolerischen Pongau Rumpelnach t, *) in Schweden .lul-afton
(Julabend), bei den Letten bluckuwackars (B locksabend).
In den slawischen Gebieten ist neuslawonisch badnik = vigiliae,
Christabend; serbokroatisch badnjak =Weihnachtsabend; tschechisch
s'stedry'1 veöer = largus vesper; polnisch szczodry dzieü = largum sero;
neuslawonisch und serbokroatisch findet sich auch hoiiö, bulgarisch
"') Rumpel und Lärm entsprechen der süddeutschen „Metten“ (hora matutina),
welche weihnächtliche Nachtmesse mit volksüblichem Lärm zur Vertreibung der bösen
Geister verbunden war.
‘Ü
boiiöü = Weihnachten und auch Julblock, W'eihnachtsklotz (darüber
unten noch mehr. Siehe R. Meringer, Wörter und Sachen in Indo
german. Forschungen, Zeitschr. XVI, 1, 2, 1904, S. 152 ff.)
Aus diesen auf germanischem Boden findbaren Bezeichnungen
ergibt sich, daß es sich beim \Veihnachtsfeste ursprünglich um eine
abendliche, beziehungsweise nächtliche Feier handelte. In der
indogermanischen Urzeit zählte man nach Nächten statt nach Tagen.
Das altfranzösische Nouöl oder neufranzösische Noöl ent
spricht dem römischen n atalis, seil. dies D o m in i; mittellateinisch
findet sich auch: dies luminarium (Lichtertag) und. mit Be
ziehung auf Christus: natalis (dies) solis invicti. Schon die
Christen der ersten Jahrhunderte hatten eine private Geburtstags
feier; denn Tertullian (-j- 230) spricht von »Oblationes pro natalitiis
annua die facimus« (de corona militis c. 3). Seitdem Jahre 354 wurde auch
der Geburtstag (dies natalis) Christi in Rom gefeiert, und zwar am Tage
des jüdisch-babylonischen Festes der neuaufgehenden Sonne, das heißt,
in der Vt’intersonnenwende (Tylor: Die Anfänge der Kultur, II, 298;
Tille, Deutsche Weihnachten, 3; Feilberg 2, 269.) Nach dem so
genannten Nativitätsstil der Kalendermacher war demnach der
25. Dezember ein Neujahrstag, weil mit dem natalis dies solis invicti
(Christi Geburtstag) das Jahr der Christen beginnen sollte. Klemens
von Alexandrien tadelte aber allerdings schon um 200 das Forschen
nach Christi Geburtstag als unfruchtbares Bemühen. »Niemand weiß
den Tag der Geburt Christi,« dieses Wort des Bischofs Jakob von
Edessa (7. Jahrhundert) gilt heute ebenso noch.
Mit der Feier des Geburtstages Christi am 25. Dezember lehnte
sich das Christentum an die jüdische Geburtstagsfeier des
babylonischen Gottes Tammuz an. »An ihm fand in Baby
lonien die Totenklage um Nergal (z: Sommer- und Herbstsonne)
statt, womit aber zugleich das Zurweltkommen des zarten Frühlings
knäbleins (Neujahrskindes), des Tammuz, begrüßt wurde . . . So setzten
auch die über alles dem Sonnenkult ergebenen Babylonier den
Wechsel der Jahreszeiten, die Sonnenwendperioden, in Mythologie um.«
(Prof. Hommel.) Durch das jüdisch-christliche Kalendertum der Römer
kam dann die Weihnachtsfeier als Geburtstag Christi zu den Ger
manen, welche in der Mittwinterzeit ein Totenfest hatten zum
Saatsegen. Das jüdisch-christliche Weihnachtsfest, das im Mittelalter
zum Neujahr wurde (selbst im alten christlichen Island nach Hazlitt,
II, 671), mag wohl den Sonnenkult der Babylonier als seine erste
Quelle gehabt haben, während in Deutschland von diesem Sonnen
kult in der Mittwinterzeil: soviel wie nichts zu finden ist.
Die Bezeichnungen Wintersonnenwende, Winterweih
n ac ht e n, S on n e n ra d fe s t (daen. solhverv) sind nur auf Gelehrten
einfluß zurückzuführen; die genaue Bestimmung der Tag- und Nacht
gleiche und des Tages der‘ Sonnenwende konnte auf germanischem
Boden nur durch die Bekanntschaft mit dem altrömischen Kalender
ermöglicht gewesen sein; vor der Berührung der Germanen mit den
Römern, die, nach dem Sonnenjahre rechneten, und längst vor Ein
führung des Christentums gebrauchten die Germanen sicher sehr weit
ausgreifende Zeitbestimmungen für ihre Jahresfeste. Tylor (I. c.) nimmt
an, daß in Rom das Fest der neuaufgehenden Sonne, das heißt, der
Wintersonnenwende, am 25. Dezember unter Kaiser Aurelian zirka
273 n. Chr. aufgekommen sei.
In die fröhliche Feier der Geburt Christi, die also mit dem alt
römischen Feste der \Vintersonnenwende und dem jüdischbabyloni
sehen Tammuz-Feste zusammenfiel, waren aber damals schon ein—
gebettet (nach Meyer, Mythol._ d. Germanen 326) die ausgelassenen
Tage der heidnisch-römischen Brumalien und die Saturnalien und das
(südliche) Aussaatfest samt den lustigen Kalenden (calendae s. dies
anniversarii; prov. chalendes, chalendae; böhm. koledas = Weihnachts‘
lieder).
»In keine Stelle des altgermanischen Festwesens drangen fremde
Festgebräuche und Festanschauungen massenhafter und tiefer ein,
als in die Mittwinterfeier. Sie ist förmlich bedeckt damit, und nur hie
und da lugen echt germanische Bräuche aus der dichten, sei es
heidnisch-‚ sei es christlich-römischen Verhüllung hervor.« (Meyer l. c)
Der bodenständige Teil des germanischen Volkes mußte aber trotz
der Einführung des römisch-christlichen Kalenders bei dem durch
Klima und Boden bedingten germanischen \Virtschaftsneujahr bleiben,
das mit dem Schlusse der Weidezeit (»Auswärtsa) oder mit dem
Beginne der Stallfütterung (»Einwärts«) seinen Anfang, je nach Ört
lichkeit und Jahrgang also einen sehr dehnbaren Zeitraum hatte.
Daß das nordgermanische Julfest, das von vielen Volkskunde
forschern so oft als echt germanisches Sonnenradfest —- aber mit
Unrecht — angenommen wird, seinen Namen vom \/Viederaufsteigen
des Sonnenrades habe (jul, friesisch yule, schwedisch hjul, angel
sächsisch hveol, englisch wheel, altnordisch hvel), beruht auf falscher
Etymologie; richtig ist: altnordisch jöl, jul : \Neihnachtsfest; gotisch
jiuleis = Januar, Winterfest; angelsächsisch geohhol, gdol, giuli; mittel
englisch yule : \Neihnachten; norwegisch jol, jul (f); schwedisch gul
(m.); daen. juul (pl.) = Weihnachtsfest, Zeit der Zwölften (Schrader,
Reallexikon 549; Kluge, Wörterbuch“, 418; Golther, Mytholog. 528;
Hazlitt, II, 671). Jul (vergl. joculus, französisch joli) ist die
heitere, fröhliche Festzeit, Jubelfest, mit‘. Jubel- und Jub
schreien (conf. mhd. jü, jüh = jauchzende Freudebezeichnung) be
grüßte Festzeit überhaupt. Ein vorchristliches germani
sches Julfest hat es nach Bilfinger (Untersuchungen über die
Zeitrechnung der alten Germanen II, Das germanische Julfest,
Progr. Abhdlg. d. Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums, Stuttgart 1901) nie
gegeben; man mag nun an eine germanische Wintersonnenwendfeier
glauben oder nicht, jedenfalls hat der Name Jul ") keine Beziehung
zum Sonnenrade.
Wir mußten diesem etymologischen und kalendarischen Exkurs
vorausschicken, um mit demselben jeden Versuch, gewisse Gebildbrote
der Weihnachtszeit aus der Feier des Sonnenrades, das heißt aus
der runden Form der Sonne zu deuten, von vornherein schon abzutun.
Das heutige deutsche Weihnachtsfest war ehe
mals eine Neujahrsfeier. »Die zahlreichen und lange fest
gehaltenen eigenartigen Gebräuche der \\"eihnachtszeit, die nicht aus
dem religiösen Inhalte des Christfestes fließen, sind nicht Überreste
eines einstigen germanischen Julfestes, sondern fast alles Neujahrs
bräuche, und zwar überwiegend antiken Ursprunges, anderes ist da
nach im Mittelalter neu geschaffen worden; denn die im ganzen
römischen Reiche begangene Feier der Kalendae Januariae ist nie
mals untergegangen, sondern unaufhaltsam ins Christentum ein
gedrungen, und zwar mit Übertragung auf die \Veihnachts.eit, nach
dem die christliche Festzeit vom 25. Dezember bis zum 6. Jänner
ausgedehnt war, ist mit dem Christentum weiterverbreitet und umso
mehr festgehalten worden, weil der Weihnachtstag jahrhundertelang
im Mittelalter zugleich Anfang des bürgerlichen Jahres war.« (F. Burg
in Zeitschr. f. d. Wortforschung ö, 290.)
Unsere Untersuchungen stimmen mit diesen Anschauungen
überein. Wenn das heutige Weihnachtsfest ein Neujahrsfest war, so
müssen sich bei demselben die gleichen Volksbräuche vorfinden, wie
beim modernen Neujahr (l. Jiinner), wie beim Großneujahr (6. Jänner)
und wie bei den übrigen im Volksbrauche sich ergebenden größten»
teils wirtschaftlichen Neujahrstagen. Über die Gebildbrote des modernen
Neujahrs haben wir in Z. f. ö. V. K. 1903, S. 185, und über die am
Großneujahrs- oder Heiligen Dreikönigstage in Z. d. V. f. V. K. 1904,
S. 257, bereits berichtet.
Daß dieses (weihnächtliche) Neujahrsfest in der Zeit der dunkelsten
Jahresnächte mit einem Totenkult verbunden war, ergibt sich nicht
nur aus den später zu berichtenden Volksbräuchen, sondern auch aus
der von Schrader l. c. 980 aufgestellten Tatsache, daß ein solches
Totenfest in weitgehender Übereinstimmung bei fast allen indo
germanischen Völkern während der winterlichen Hälfte des Jahres
sich nachweisen läßt. Über die Totenfeier an anderen bäuerlichen
Neujahrstagen, zum Beispiel St. Michael, St. Martin, haben wir schon
in Z. d. V. f. V. K. 1902, 193, und im Arch. f. Schweizer Volkskunde
1902, VI, 22, abgehandelt. Die Totenfeier am Allerseelentage in Bezug
auf Gebildbrote ist in der Beilage Nr. 271 zur Allgem. Ztg. 1901 und
in der Internationalen Rundschau f. d. Bäckergewerbe 1902 bereits
") Die Annahme Weinholds (Monatsnamen 4), daß jul ein vom Mittsommerfest im
Juli (’loö)u.o;) au! das Mittwinterfest im Dezember übertragener Julius sei, begegnete
berechtigten Zweifeln.
besprochen worden. Der christliche Allerseelentag hat die Mehrzahl
der Totenspeisegebräuche übernommen. Auch Hazlitt, National Faiths
and Popular Customs I, 5, findet in einem lateinischen Kalendarium
die Notiz: »The feast of Old Foois is removed to this day 1.Novemb.«
das heißt, die alten Calendae-Totengebräuche wurden auf den Aller
seelen-(Allerheiligen-)Tag auch in England verlegt. Darum war in
England auch das Mumming, der Mummenschanz der römischen
Calondae, lange Zeit üblich geblieben. (Hazlitt, II, 427.) Alle Züge
des Allerseelentages (das heißt des Totenkults) findet man auch beim
nordischen Julbrauche. (Feilberg*, 80.) Zur Vermeidung von Wieder
holungen sei auf diese eben erwähnten Vorarbeiten verwiesen, ebenso
auf die Abhandlung in der Z. f. ö. V. K. 1903, 15, und in der Zeitschr.
f. Volkskd. u. Volkskst. 1903 über die Gebildbrote in den der Weih
nachtszeit voraufgehenden Rauchnächten und (christlichen) Adventzeit.
Das mit allen Neujahrstagen verbundene Augurium (Loosung) knüpft
sich auf Weihnachten an den Thomastag, der die Rolle eines Silvester
tages hat; deshalb sind auch die St. Thomas-Gebäcke hier mit
einbezogen.
Wie an allen sonstigen Neujahrstagen, so findet sich auch auf Weih
nachten die Volkssage vom Schimmelreiter und der wilden Jagd. Im
Lüneburgschen hat der sogenannte Weihnachtsmann einen Schimmel.
(Niedersachsen 1902, VIII, 8, S. 94.) Im aitmärkischen Drömling zieht
der Schimmelreiter um, ihm folgt der Schmied‚ welcher dem Pferde
nach den Hufen schon muß, ob auch alles in Ordnung sei. (Wolf,
Beiträge I, 28.) In Hinterpommern war es Sitte, daß das junge Volk
in der Christnacht mit einem Schimmel durch das Dorf zog. (Knopp,
Volkssagen, 52.) In Backe! und in anderen hinterpommerschen Dörfern
wurde früher statt des Schimmels auch ein Storch ausgeputzt und
herumgeführt (l. c. 177). Im Anhaltischen tritt auf Weihnachten der
Schimmelreiter auf. (Z. d. V. f. V. K. 1896, 430.) In Oberbayern »reiten«
die Engel vom Himmel in der heiligen Nacht. (Deutsche Gaue 83/84,
S. 33.) In Obersteier geht in der Weihnachtszeit die wilde Jagd, in
der Schweiz die Posterli-Jagd um. (Mannhardt, Mythen 48.)
Im Altnordischen kommen die Elfenweiber zu den \Nohnstätten
der Menschen. Riesen schleppen die Menschen in dieser Nacht fort
(Feilberg2, 98). Jul ist in Dänemark der Wichte Zeit (juien er
voctternes tid); in dieser Zeit werden die sie abwehrenden Kreuze
(Julkreuze) an Haustüren in verschiedener Form angebracht (l. c. 181);
solche Elfengeister, die aus dem Seelenglauben stammen, kommen
als gute »Engel« in der Mitternachtsstunde, um die Plätze am Jul
tische der Lebenden einzunehmen; oder nach noch älterem Volks
glauben besuchen die Totengeister ihre alten Heimstätten, sie halten
in den Kirchen ihre Gottesdienste in dieser Zeit wie die Lebendem
aber wehe dem Lebenden, welcher zufällig in ihren Kreis kommt
(l. c. 200). In Smäland machen die Toten in dieser Nacht ihren
»Jahrgang« (l.c. 188); auch in Frankreich glaubt man, daß Gottes Engel
in der Julnacht vom Himmel herabsteigen und in der \Vinternacht
kälte am Julblockfcuer sich erwärmen (l. c. 269). Feuer und Licht
(ignis) sind ein »opportunum contra daemones tutamentum«‚ daher
der oft zu findende Volksbrauch, in der Weihnacht das Licht auf
dem Tische nicht auszulöschen (dies luminarium).
Im Gefolge des in der Christnacht auf einem Schimmel reitenden
wilden Jägers, auch »Sonnenwendmann« genannt, befinden sich die
Seelen der jüngst Verstorbenen. (Scheible, D. Kloster IX, 104.) Als
schrecklicher Begleiter des Christkindes (wie sonst Knecht Ruprecht
oder Klaubauf am St.Nikolaustage) zieht im Elsaß der Hans Trapp (vom
trappenden Schritte so benannt) mit Besen (Rute) und Sack (Gaben
korb) herum. (Elsässisches Wörterbuch III, 357.) Im Braunschweigischen
geht um Weihnachten der sogenannte Buller Kläs, von einem Schimmel
reiter begleitet, um. (Andres, Braunschweig. V. K. 230.)
Ferner findet sich als weiblicher Gegensatz zum männlichen
Schimmelreiter die weibliche Anführerin der Seelenschar, die
PerchtwHolle oder die Spinnerin. —- Praetorius (\Veihnachts
fratzen 395, 403) schrieb 1663: »Am heil. Weynachten zeugt die
Diana herum mit ihrem wütenden Krieges-Heer.«
Hier trat Diana aus antiquarischer Auffassung an die Stelle von
Perchta oder Holle. (J. Grimm, Mytholog. 260 ff.)
In Würzburg heißt diese um Weihnachten noch bei den Kindern
im Ansehen stehende Frau Holle »die Hullefrau«. (Mittlg. z. bayr.
Volksk. 1900, S. 2.) Zwischen Kalw und Zavelstein (Württemberg)
wollte die »Spinnerin mit der Kunkel« mit aller Gewalt am Christ
abend in den Vorsitz (Spinnstube), und obwohl man ihr sagte, daß
das Spinnen an diesem Abende eine schwere Sünde sei, so ließ sie
sich doch nicht davon abhalten. (Panzer, Beitr. ll, 556.) Wir werden
später diese beiden Anführer der wilden Jagd unter den Gebildbroten
der Weihnachtszeit wiederfinden.
Die bösen Geister, die Totenschar oder die Seelen der Ver
storbenen, die in der wilden Jagd sich zusammenscharen, werden
durch Lärm (Metten) und Rummel in der dunklen, langen Nacht fern
gehalten. Im Unterfränkischen zogen ehemals in der Weihnacht die
jungen Burschen mit ihren Peitschen gegen die Kapelle bei Heidings
feld und knallten auf dem ganzen Wege zur Vertreibung der bösen
Geister (Hexen) aus den Lüften, ein Neujahrsbrauch, der an vielen
anderen deutschen Orten wiederkehrt (Deutsche Gaue 93/94, S. 172.)
In Eutin ziehen die Kinder mit dem die Geister vertreibenden »Rummel
pot« (Lärmtopf, ähnlich dem sogenannten Waldteufel oder Murxtopfe)»
einem trommelartigr überspannten Gefäße, herum und erbitten sich
Gaben in der Weihnachtszeit. (Erk-Böhme, Deutscher Liederhort III,
119.) Hier ist zu erwähnen, daß in einigen englischen Distrikten der
Weihnachtsglauben besteht, daß der llahnenschrei an diesem Tage
alle üblen Geister von den kommenden Tagen des Jahres vertreibe.
(Hazlitt, I, Titelillustration.)
Bei der wilden Jagd im Ilannoverschen ist der (Seelen—)Hund
die Haupterscheinung; am Christabend läuft er in die Häuser, legt
sich am Herde (Seelenopferstätte) nieder und frißt nur Asche und
Kohle, und erst wenn im nächsten Jahre der wilde Jäger wieder
umzieht, bekommt er wieder Leben und eilt der Jagd nach. (Fried
reich, Symbolik 399; Panzer, Beitr. II, 305; Kühn in Ilaupts Zeitschr.
VI, 118.)
In ehemals französischen Häusern im Elsaß trat auf Weihnachten
die »Dame Noöl« (Personifikation des Festtages) auf (Alsatia, 1851,
165), jedenfalls die Verkörperung einer weiblichen Dämonin dieser
Kalenderzeit. '
Für den »Jul-Swend« (= Julmann, \Neihnachtsmann) wird in
Norwegen auf dem Hochsitze eine Art Nachtlager bereitet; findet
man am Morgen unter dem Tische einige Gerstenkörner, so bedeutet
es ein fruchtbares (kommendes, neues) Jahr. (Liebrecht, Zur Volks
kunde 323.) Diese männlichen und weiblichen Dämonen treten auf
Weihnachten auch als Teiggebilde auf, die jene bedeuten sollen.
In Häg (Badisches Wiesental) kommt das Christkind auf einem
mit Eseln bespannten Wagen; diese Geisterkutsche der Volks
sage (Meyer, Badisches Volksleben 64; vergl. die Abbildungen in der
Z. d. V. f. V. K. 194, Fig. 46, 47, S. 261) kehrt ebenfalls unter den
Weihnachtsgebäcken wieder. Auch die Geistermusik, die auf
Weihnachten und sonstigen heiligen Zeiten sich hören läßt (Panzer,
Beitr. II, 66) tritt als Lebkuchengebilde auf. Die Häufigkeit der Musi—
kantenfiguren auf \Veihnachtsmodeln spricht für diese Annahme.
Wie am Perchtentage (6. Jänner), so treten auch auf Weihnachten
in schwäbischen Sagen die drei weißen Frauen auf. (\Neinhold,
Weihnachtslieder 2; auch Z. d. V. f. V. K. 1904, S. 275.)
In den heiligen zwölf Julnächten hatten die isländischen Alfar
ihre Fahrtage und zogen von Stein zu Stein zu anderen Alfen oder
auch in die Häuser der Menschen zum Gelage; um ihre Gunst zu
gewinnen, wurden sie in der Julzeit besonders feierlich und vor
sichtig von der Hausfrau empfangen. (Meyer, Mythol. d. G. 184, 223.)
In Norwegen zieht die Rasgardsreia (Oskerei), ein Gemisch von Seelen
und Elben um und hält ihre Trinkgelage oder drängt sich in die Jul
feste der Menschen (l. eod. 73, 223).
Im Nordischen erhält der Flu ßgeist Huldra am Christtage sein
Kuchenopfer. (Friedreich, Symbolik 22.)
Als Abwehr gegen böse Nixen- und elbische Geister
zeichnet man im Dänischen das Nisse- oder Tusse-Mwrket (Marke,
Zeichnung) als Pentagramm auf das Julgebäck. (Feilberg“, 142.)
Die den Alptraum und sonstige Qualen der Menschheit ver
anlassenden Seelengeister, welche als elbische Wesen in der wilden
10

Jagd mitschwärmen, bilden die Schar der letzteren, an deren Spitze


in Deutschland der \Node oder Schimmelreiter (wilde Jäger) einer
seits und die weibliche Perchta-Holle andererseits emporragend sich
abheben; sie erhielten in der dunkelsten Jahreszeit vor Beginn des
neuen Jahres ihre versöhnenden Opfergaben, wie auch beim 'I‘otenkult
dem Geiste des Verstorbenen seine Seelenspeisen vorgesetzt wurden,
wozu man die Totenlieder (8. Jahrhundert dad-sisas) sang. Solche
Speisengaben werden auf Neujahr beim Umgange in Schlesien und
Böhmen unterm Absingen der sogenannten Kolande oder Koleda
(= calendae-)Lieder zusammengebettelt. In Steiermark lieferte die
Beisteuer der Sippengenossen das später noch zu erwähnende „Störi
brot«. Die Gilden oder Opferschmausgesellschaften, bei denen die
beigesteuerten oder entrichteten Lebensmittel als Opfergaben galten
(vergl. altsächsisch gäldan, angelsächsisch gildan = opfern), führten
dabei ihre Hausheiligtümer und Hausgötzen von Haus zu Haus herum,
die Einkehr der glückbringenden Schutzgeister so symbolisierend.
(Herrmann, Mytholog. 371, 425.) Am Christabende (anderw'ärts am
Perchtentage) werden im Salzburgischen die Eßtische mit dem so
genannten »Heiligenachttüchel« und mit einer Kerze, die nicht aus
gelöscht werden darf, wie auf einem Opfertische (= tabula fortunae)
für die nächtlicherweile einkehrenden Seelengeister bedeckt. (Gefällige
Mitteilung von Frau Professor Andree-Eysn). Diese Seelenspeisung in
der Weihnacht kehrt in der modernen Neujahrsnacht und noch aus
gesprochener in der Perchtennacht wieder. (Vergl. auch Sartori7 Die
Speisung der Toten öl.) Über diesen Empfang des elbischen Seelen
volkes in der Julzeit beim dänischen Volke vergl. Feilberg (Den
nordiske Jul 823 und Jul l‚ 1904.) Im mährischen Schlesien werden
am heiligen Abend viele Speisen gekocht und — was sonst das ganze
Jahr nicht vorkommt — der Tisch gedeckt (also der Opfertisch bereit
gestellt). Die Speisenmenge ist vorbedeutend für den Überfluß »des
ganzen folgenden Jahres« (also auch dort hat Weihnachten die Rolle
des Neujahrs); es muß viel übrig bleiben. Vom 24. bis 26. Dezember
früh wird nicht abgeräumt; die Brocken bleiben liegen »für die
lingel«‚ das heißt, für die Seelengeister (\Neinbold‚ Deutsche W'eih
nachtslieder 26) und werden am letzten Tage für die Vögel auf den
Bäumen mit den ‘Norten hinausgetragen: »Bäumchen, hier hast du vom
Christfest ein Stück; gib es uns wieder und bring’ uns Glück!« Die
(römische) Tabula fortunae (Opfertisch für die glückbringenden Schutz
geister) ist ein Hausaltar; dieser bleibt auch in Skandinavien die Jul
festzeit bis Heilige drei Könige, ja selbst zum Teil bis St. Knutstag
(13. Jänner) unberührt stehen; die darauf hergerichteten oder übrig
bleibenden Speisen gehören den Verstorbenen, den Ahnengeistern,
den schützenden Hausgeistern‚*) welche in diesen längsten Nächten
") Die heraldisch susgestatteten Herd- und Ofenplatten erinnern noch an diesen
Ahnenkult, der am Herde, dem germanischen Opferaltare, sich betätigte.
11

die Überlebenden heimsuchen; die von ihnen berührten Speisen


werden zu Glücks— und Zaubermitteln, welche wunderbare Kräfte und
namentlich heilsame Wirkung gewinnen; ja sogar die Haustiere
nehmen durch den Genuß der Kultspeise am Segen der Kultzeit Anteil.
(Vergl. Globus, 72. Band, S. 375.)
In der Planer Gegend tragen die jüngeren Hausgenossen dem
Zempa oder der Perchta in der Weihnachtszeit Speisereste des Abend
essens in die Gärten, wobei die Mädchen singen: »Belle, Hündchen,
belle! Über neun Kirchspitzen, wo mein schönes Liebchen sitzt!«
Dort, von woher das Hundegebell herauftönt, wohnt dann der Geliebte
der Ruferin. (Z. f. V. K. 1897, 116.) Der Fruchtbarkeitssegen erstreckte
sich sogar auf die Pflugschar, welche auf Weihnachten (1468) in
Bayern unter den Perchtentisch gestellt wurde (Z. d. V. f. V. K. 1904,
S. 144) zum glücklichen Segen für die kommende Saat- und Pflugzeit.
In Tirol ging der Bauer in dieser Nacht auf den Obstanger und lud
die Obstbäume (das heißt, die in diesen wohnenden Vegetationsgeister),
die draußen standen, ein zum Essen; ohne diese Einladung, wähnte
man, würden sie »im kommenden Jahre« nicht gerne blühen oder nur
wenige Früchte tragen. In Mähren legen die Leute am Weihnachts
abend von jeder Speise einen Löffel voll auf einen besonderen Teller
und schütten nach dem Essen alles in den Hausbrunnen, das heißt, sie
opfern den Wassergeistern; der dieses tut, der spricht.‘ »Der Hausvater
grüßt dich und läßt dir durch mich sagen, Brünnlein, genieße mit uns
das Festmahl; aber dafür gib du uns Wasser in Fülle; wenn aber in
dem Lande Durst herrschen wird, dann treibe ich dich mit deiner
Quelle aus!« (Weinhold, Quellenverehrung 56. *)
Die ungarischen Deutschen, die zum Teil aus Franken stammen,
lassen den Rest der festlichen Mohnspeise, wenn sie am Weihnachts
vorabend zur Kirche gehen, als fra Holden teil in der Schüssel liegen.
(Meyer, Myth. d. G. 433.) Auf Seeland ergreift am Weihnachtsabend
der dänische Bauer einen Korb mit Speisewaren und reitet um den
(Totem)Hügel, in dem das Ellefolk (elbische Seelenvolk) wohnt,
dreimal im Umkreise herum und legt dann das Ganze auf einen
hohlen (Opfer—)Stein neben dem Hügel nieder; am nächsten Morgen
ist dann alles weggenommen, das heißt, die versöhnende Speisung
der Seelengeister im Totenhügel ist vollzogen. (Z. d. V. f. V. K. 1898,
138.) Einen solchen »Totenberg« mit Pferdeumritten und Opfern von
hufeisenförmigen Gebildbroten werden wir später auch in Deutsch
land noch kennen lernen.
Solche Neujahrsgebräuche ließen sich nun noch mehr anführen;
hier genügt es, mit den bisher angegebenen Beispielen zu zeigen,

*) Vergl. die Behandlung, die der vom Wassersegen abhängige Weinpatron Sankt
Urban (25. Mai) nach Seb. Frank (Scheeppner, II, 297, 298; Bavaria, IV. 1, 244) erfährt,
wenn das Wetter für die Weinernte ungünstig ist. (Praetorius, Blocksberg 114)
12

daß es sich um eine Speisung der wiedereinkehrenden Seelengeister


beim Beginne des neuen Jahres, um den »Jahrgang der Totem, handelt.
Was nun diese (elbischen‘) Wesen erhielten, wurde im Gemeindeleben
zum Herrenrechte, im Hause zum Gesinde-‚ im \Virtshause zum Kunden
rechte, im Leben der Sippe zum Patengeschenke; selbst das Ilausvieh
nahm, wie schon erwähnt, an dem Segen der Kultspeisung symbolisch
Anteil; so gibt man in den Ostkarpathen den Hühnern während der
\Veihnachtsfeiertage gekochte und versüßte \Veizenkörner‚
damit sie fleißig Eier legen; die Menschen aber erhalten mit Knoblauch
gewürzte Speisen. (Z. f. ö. V. K. 1902, S. 123.)
In der ehemals deutschen Franche Comtö warf man am Jul
abend Brot aus an das Ilausgeflügel (Feilberg‘-', 343); in Dänemark
erhalten die Hühner Julgrütze (l. eod. 199).
In Boitzenhagen (Lüneburg) erhalten die Schafe auf Weihnachten
besonders gutes und reichliches Futter, sogar ganze lx’orngarben.
(Z. d. V. f. V. K. 1896, 369.) In Tirol gibt man dem Stallvieh an diesem
Tage ein besonderes »Leckat«. Im Norden erhalten die Pflugpferde
und Ackergäule, um eine gesegnete Ernte zu erzielen, in ihr Futter
etwas von dem Julbrote, das wir später noch besprechen werden.
In der Christnacht hat der Teufel Gewalt über alle, die sich an
der Heiligkeit der Nacht verfreveln; darum dürfen in dieser Nachtin
Würzburg (auch in Altbayern) die Bäcker nichts backen; wer es doch
tut, dem mischt der Teufel etwas ins Brot hinein (Schoeppner, Sagen
buch II, 261), wodurch letzteres zauberhaften Schaden bringt. In Ost
preußen brennt man in der Weihnachtsnacht im Ilause Lichter, damit
die einkehrenden »Toten« sich daran erwärmen können (\Vuttke,
D. Volksabergl, S. 44]), und in Schweden mußte auf dem Vl’eihnachts
tische auch eine gefüllte Bierkanne mit »E‘ngelbiem (acngla-cilet) für
die Verstorbenen stehen. (Globus, 72. Band, S. 375. Zahlreiche Belege
außerdem bei Feilberg“’, 163 ff.) _
Der Toten-, beziehungsweise Seelenkult erheischte beim Beginn
eines neuen Jahres vor allem die versöhnende Abspeisung der Seelen
oder Toten; diese verlangten das ihnen gebührende Speiseopfer;
solche waren neben den vegetabilischen Speisen auch die mit dem
Menschen symbiotisch verbundenen, aber im Interesse der Ilerdenzucht
nur zu gewissen Zeiten schlachtbaren Haustiere. Im Frühjahr gab es
aus diesem wirtschaftlichen Grunde Kälber, im Sommer Schafe oder
Lämmer, im Herbst Rinder, im Winter Schweine. Im lsländischen
heißt darum der Dezember Mörsugur = whmersauger (Schweinspeck
monat, Weinhold, Monatsnamen 51); daher mußte auch in christlichen
Zeiten das Schweinefleischessen in der Mittwinterzeit üblich bleiben;
daher gibt es im germanischen Norden noch den Juleber, der im
Altnordischen sonar-göltr : Herdeneber*) hieß; denn das die Zucht
‘) Feillberg’, 336, neigt sich anscheinend der Bugge- und Grimmschen Deutung:
sonar-göltr = Sühneeber, zu (sünarblüt = sonoller): ‚immolant putanles bes (das
13

erhaltende männliche Schwein konnte nun, nachdem die Eichelmast


aufgehört hatte und frischer Wurf in der \Vinterstallung zu erwarten
war, fallen (Meyer, Mythol. d.‘ G., 327). Als »Julagalt« oder »Jul
gris« werden wir dieses Opfertier der \Veihnachts- oder Julzeit unter
den nordischen Gebildbroten dieser Kultzeit wieder finden. In
Oxford wurde noch lange Zeit der Schweinskopf auf die Weih
nachtstafel aufgetragen unter Gesang (»caput apri defero, reddens
laudes Domino«) (Feilberg l. c. Z. d. V. f. V. K. 1903, 29). Ein solches
Eberhaupt schmückte auch in Dänemark und England die \Veihnachts
tafel und ist dort heute noch das weihnächtliche Festgericht; häufig
hat dasselbe einen Rosmarinstrauch oder einen Zitronenapfel“) im
Maul (Feilberg, Dansk Bondeliv I, ‘.234, Hazlitt, I, 59, Feilberg’, 349,
193). lm schwedischen Smäland heißt dieses Eberhaupt »jula hös«
(E. Hammarstedt; Feilberg’, 184). In Schottland gibt es ein Christ
meßessen, welches dort »Sowens« heißt, jedenfalls in bezug auf ein
Sau- oder Schweinsgericht der Julzeit (Hazlitt, ll, 559). In Dänemark
sind Schweinskopf und Schweinsfüße ein Julabendgericht (Feilbergi
341). In der Uckermark ißt man Schweinskopf, Lungenwurst und Grün
kohl. In Böhmen gibt es (nach Reinsberg. Das festliche Jahr, S. 542,
und \/V0lf l. c. I, 191) auch Schweinefleisch; am Rhein den Schweine
schinken; im salzburgischen Gebirgsgau nach der Motte den gemein
sam verzehrten Schweinskopf; in Altbayern die schweinernen Metten
würste, die in der Christnacht gekocht und verzehrt werden; im
Saterland den halben Schweinskopf mit Kartoffeln. In Halland
(Schweden) legt man einen halben Schweinskopf zur Salzfleisch
schüssel neben anderen Gerichten auf den Jultisch (Feilbergi 184).
Das münsterländische Mopkenbraut (\Vurstbrot) ist ein Analogon zur
ostpreußischen Blutwurst mit Backobst. In Schonen, der schwedi
schen Kornkammer, versammelte sich früher das ganze Gesinde beim
Herrn des Hofes zum sogenannten Hochessen; nebst einem großen
Brote wurde ein stattlicher Haufen Speckseite, Fleisch, Wurst und
Kuchen ausgeteilt; nachdem die Gesindeleute dieses heidnische (Eber-)
Essen in ihre Kammer getragen hatten, erschienen sie zum zweiten
mal im Sonntagsstaate an der Festtafel, wo es dann (christliche)
(Fasten-) Fische, Gänsebraten und Kuchen gab (Ortwein, Deutsche
Weihnachten 88). In Tirol wird den Nachbarsleuten »ein schlachtiges
Stuck« ins Haus geschickt (No'ö, Deutsche Alpen I, 402; Heyl, Volks
sagen 763) und das sogenannte »heilige Mahl« gerichtet (Z. d. V. f.
hemrdgxrschiedenen geopferten Tiere) eisdem erga inferos servituros et commissa

crimina apud eosdem placaturos‘ (l. eod. 338). Beide Deutungen sind annehmbar
und schließen sich nicht aus; da eben dann der Herdeneher am leichtesten zum Sühne
opfer verwendet werde konnte.
"‘) Über die Zitrone (felix malum) als sakrales abwehrendes Opfer siehe Z. d. V. f. I'll.
u. westf. V. K. I, 1904, S. 220 fi.‚ Z. d. V. f. V. K., 1904, S. 397. Auch in dem Werke
von C. Lundin und A. Strindberg. „Gamla Stockholm“ (1880—82), über das alle Stockholm
trägt das dort abgebildete Julschwein einen Apfel im Maul (E. Hammarstedt).
14

V. K. 1892, 78). Schon in der Adventzeit wird an verschiedenen


Orten die »Adventsau« vorausgegeben (Simrock, D. M., S. 48); kurzum
wir sehen durch alle germanischen Länder den Eber unter ver
schiedenen Formen als eine volksübliche Speise der Weihnachtszeit
noch heute und können aus dieser Hartnäckigkeit des Brauches auch
schließen, daß das Volk bei anderen Opfertieren ebenso kon
servativ war.
Dieses »heilige Mahl« mußte nun auch möglichst reichlich ge
halten werden (»plenius recreantur inde mortui«); bei den Holsteinern
ist es so üppig, daß der 24. Dezember dort der »vul buuksabend« ge
nannt wird. An anderen Orten trat die christliche Kirche dieser
heidnischen Festschwelgerei mit Fastengeboten entgegen. Das heid
nische »Fasten« war ein »festes« Binden an eine bestimmte Speise
ordnung mit vorheriger Enthaltung von den den elbischen Schutz
geistern oder Seelengeistern gehörigen Opfergaben (Speisen); das
christliche Fasten war eine Enthaltung von rotem Fleisch, Genuß
von weißblütigen Fischen etc. Im Elbtale ist zum Beispiel der Genuß
von gesalzenen Fischen (Heringen) als \Veihnachtskultspeise üblich;
der gesalzene Fisch hat vielleicht durch das Salz auch Beziehung zum
Seelenopfer. In Weihnachtsliedern des bayrischen Inntales bringen
die Hirten (Seelen-)»Mehl und Salz im Tüchel« als Opfergabe. Mehl,
Eier und Salz sind die drei weisen Seelenopfer. Über das Heilige
Dreikönigssalz siehe Z. d. V. f. V. K. 1904, 274. Wer in Sachsen
zu Vt’eihnachten Heringsalat mit Fischrogen ißt, der hat »das ganze
nächste Jahr« Geld (Ortwein, l. c. 90). In Holstein ißt man Stockfisch;
auf Rügen den Brataal, in Norddeutschland die blauen oder grünen
Karpfen, in Böhmen die schwarzen Fische in sogenannter polnischer
(schwarzer) Sauce; in Schlesien die polnischen Karpfen; auch in Steier
mark gibt es Karpfen; bei den Masuren Maränen etc. DerF i s ch ist hier
bei als christliche Fastenspeise ein direkter kirchlich eingeführter Gegen
satz zum heidnischen Schweineessen, das die Kirche aber doch nie
ganz verdrängen konnte. Der Fisch war nie ein heidnisch-germani
sches Festessen; er übernahm die Bedeutung einer Kultzeitspeise und
kehrt unter den Gebildbroten wieder, aber nur weil er eben auch
als solches an die Stelle des früheren heidnischen rotblütigen Opfer
tieres getreten war.
Obwohl das Roßfleisch gegenwärtig nirgends mehr in Deutsch
land ein volksübliches Kultzeitessen ist, so war doch das Pferde
opfer und das Fleisch des Pferdes sicher ehemals bei den Ger
manen üblich; wir werden auf dasselbe später noch zurückkommen.
Aus wirtschaftlichen Gründen muß dann und wann, da und dort
auch an Stelle des durch Brauch und Zwang vorgeschriebenen Ebers
das Kalb getreten sein. Das skandinavische »Julkalf« und das
schwedische »Julkuse«, über die wir ebenfalls später noch sprechen
werden, erinnern an diese weihnächtliche Opferspeise.
15

Eine ganz seltene Opfergabe der Weihnachtszeit muß die K uh


gewesen sein; sicher wurde diese aus wirtschaftlichen Gründen schon
sehr früh durch Milchspeisen und Käse ersetzt (englisch Christmas
Cheese, Hazlitt II, 487). Wolf (Beiträge II, 149) führt ein Kuhopfer
für den Helljäger am Christabend an. Im schwedischen Bärgslagen
war ehemals der jul-oxar (Julochse) üblich als Schlachttier und als
Festbrot (E. Hammarstedt, Feilberg*, 183). Der nordische »Julbocka")
und das ebenfalls nordische »Gumsebröd« erinnern als Gebäcke der
Schweden an das Bockopfer, das ebenfalls nur ganz ausnahmsweise
den Juleber vertreten haben mag. Auch bei den Südgermanen gab
es zeitweilig ein Bock- oder Schafopfer; denn in dem sogenannten
Schlachtmonate (Dezember) findet vor \Neihnachten das sogenannte
Hausschlachten an vielen Orten daselbst statt.
Zu diesen Sippen-Schlachtfestessen erschienen am Vogelsberg bei
Darmstadt nicht selten das Christkind und der Nickels als ein ver
mummtes Paar (Perchta und Wode), das die Kinder bescherte oder
bestrafte; dann gab es auch bei solchem Hausschlachten den soge
nannten »Schafweck«, der sicher an die Stelle eines älteren Schaf
bockopfers getreten ist. (Darmstädter Tägl. Anzeiger, 16. Dezember 1904,
Nr. 295, zweites Blatt); die armen Leute opferten manchmal leichter
einen Widder oder einen Ziegenbock als ein Schwein und noch
leichter den symbolischen Wecken (siehe unten S. 48).
An das Lammopfer gemahnt ferner das Tiroler »Lamplbrot«‚
über das ebenfalls unten näher berichtet werden wird; auch dieses
Tier kann nur ganz ausnahmsweise des Ebers Stelle vertreten haben,
da es aus wirtschaftlichen Gründen in eine spätere Jahreszeit fallen
mußte. Auch in Schweden erhält ein in Sagen und Volksglauben
vorkommender, in den Julnächten sich zeigender Glo-son (Glotz-Sohn
= Geist) ein geschorenes Lamm zum Opfer (E. Hammarstedt).
Dagegen war der Hase eine relativ späte Stellvertretung des
blutigen Tieropfers bei den Armen in Deutschland. Der Hase, ein
im Mittelalter nicht besonders angesehenes \Vild‚ von Hartmann von
Aue mit dem verächtlichen Ausdrucke »Kleines Kunden belegt, war
den Bauern vielfach für den Fang und als Speise freigegeben
(M. Heyne, D. Hausaltert. II.‚ 266); letztere hat sich als Weihnachts
gericht in Westfalen am sogenannten Wurstabend unter dem Namen
»Pannhase« erhalten (Bahlmann, Münsterland 354); als gebackenes
"‘) „Jul-bekken‘ ist auch eine tierische Skelettmaske auf Weihnachten und am Sankt
Stephanstage in Westgotland (Schweden). Am Julabend lag vor dem Jultisch ein Holz
block mit. einer Schweinshaut überzogen; der Hausvater trat vor und legte seine Hände
auf diesem „Julbock‘ und schwur‚ daß er seinem Hausvolke ein guter Vater (Gode) im
kommenden Jahre sein wolle; dann legten die Hau5mutter und das Gesinde ebenfalls
ihre Hände darauf und gelobten treufeste Pflichterfüllung (Feilbergä 192, 206, 350), ein
Neujahrsbraucb, der als ‚Aufdingung" des Gesindes für das kommende Jahr aufzufassen
ist. An die Stelle des Opfertieres trat auch da und dort in Deutschland ein Festgehäck,
zum Beispiel Weibnachtsflatlen (siehe unten 32).
16

Gebildbrot stellt der »Bauerhase« in Freiberg (Sachsen) das jagdbare


Tier dar, das eine Ablösung des blutigen Haustieropfers ist. Auch
das Tiroler »Hasenbrot« erinnert an diese Ablösungsform. Noch 755
war das rote Hasenfleisch vom Papst Zacharias als Fleischspeise den
Christen verboten; es galt aber später als bäuerliche Zinsabgabe. In
Prag bekamen die Richter als \Veihnachts-(Neujahrs-)Ehrung einen
Hasen. Wer zu Villanders freie Jagd hatte, mußte zu \/Veihnachten
dem Richter einen Hasen schenken (Simrock D. M. 510); hier vertritt
der Richter vermutlich den germanischen Code, der Priester und
Richter in einer Person war (vergl. Heyl l. c. 763).
Auch der blutig erlegte Hirsch vertrat ebenfalls ehemals das
blutig geopferte Haustier; an dieses gemahnen noch viele Gebildbrote,
die einen Hirsch oder eine Hirschjagd darstellen; zum Beispiel das
Straßburger Schwabenbrötli (Figur siehe Z. d. V. f. V. K. 1904, 267)
in Hirschhorngestalt (pars pro toto), in der Schweiz »Hirze-Hörndli«
genannt.
Die Kultzeit machte das Opfertier (Tieropfer) zum Heilmittel.
Der Mensch, am Kulte haftend, übertrug den Ileilwert des Kultopfers
auch auf das stellvertretende Jagdtier. An Stelle des Menschenopfers
war schon längst das blutige Haustieropfer getreten; an dessen Stelle
nun trat wieder aus wirtschaftlichem Zwange das gewaltsam getötete
Jagdtier; wie der Jäger so zum Lieferanten von volksmedizinisch ge
schätzten Heilmitteln wurde, so traten an die Stelle der Haustieropfer
auch die von der Hausbäckerin gebildeten Hirsch- oder Hasengebäcke.
An die übrigen zum gemeinsamen Sippenmahle ehemals zu
sammengesteuerten‚Beiträge erinnern noch ihre Namen,
so zum Beispiel der fränkisch-hennehergsche »Zampert« oder »Zemede«,
»Semete« (Thüringen. Unterfranken) sowie das österreichische
»Störibrot«.
Die in nachfolgender Abhandlung erwähnten Gebildbrote ver
dankt Verfasser in ihren Originalen der Güte der Frauen: Andree
Eysn (München), v. Dobschütz (Eisenach), Funk (St. Gallen), Graven
horst (Lüneburg), Gröbner (Gossensaß), Klein (Dahlbruch), Lechner
(Bad Tölz), Lemke (Berlin), v. Maier (Bad Tölz), Soennecken (Bonn),
Stark (Ballenstedt), v. Stülpnagel (Frankfurt), sowie der Herren:
Eid (Rosenheim), Ebenboeck (München), Feilberg (Askov).
1. Die altgermanische Speiseordnung verlangte beim 'l‘otenkult
vor allem die uralte Seelenspeise, den Brei (Mus) oder die Grütze,
und zwar besonders den Hirse b re i, der heute noch im Anhaltischen.
in Thüringen, Voigtland, Brandenburg auch auf Weihnachten üblich
ist, da die Hausregel den gerne mit Milch gekochten Brei daselbst
verlangt. (Wuttke", ää 75, 78.) Im Südosten von Deutschland muß
man ebenfalls Hirsebrei essen, damit »das ganze Jahr« das Geld“) nicht
"‘) Un—ter den \’Veihnachtsgebildhrolan fehlt als Symbol dieses Wunsches auch die
Geldtasche (Fig. 64) nicht.
17

ausgeht (V\’uttke“, S. 67); auch den Hühnern gab man 1793 in dieser
Ix’ultzeit Hirsebrei, damit sie in der Folge viele Eier legen (Wuttke,
‚S 673 ff; Tille l. c. 179). Die nordische »Julgrütze« (julgröt) hat
ihr südliches Gegenstück im Tiroler Bachlkoch (Perchtenkoch)
oder Weihnachtsbrei. In Dänemark stellt man diese Julgrütze für
das Ellefolk (Elbenvolk) ins Freie (Z. d. V. f. V. K. 1897, 492 und
1898, 138). In Schweden eilte man 1785 nach dem Sprechen des
letzten Segens am Altare, so schnell die Pferde laufen konnten, um
ein glückliches Auskommen »das ganze Jahr« hindurch zu haben,
unter Lärmen und Springen nach Hause, um so eilig als möglich
zum Löffel vor der Grützpfanne zu kommen (E. Hammarstedt). Heute
ist die schwedische Julgrütze ein weißer Heisbrei, ehemals war es
die weiße (\Veizen-) Grütze (schwedisch hvit-gröt, dänisch hvidgrod),
die aus dem Korn der letzten Erntegarben hergestellt war, in denen
das Fruchtbarkeitsprinzip, die Quintessenz der Vegetationskraft in
nuce, sozusagen in konzentriertester Form enthalten war. In Ver
bindung mit einer Kinderhaube war diese VVeizengrütze noch 1783
ein Julopfer an die Hausgeister (E. Hammarstedt; Meyer, Myth.
d. G. 214). \Nenn in Norwegen ein Ehestandskandidat am \Veihnachts
abend, sobald die Julgrütze gekocht ist, den Quirl nimmt und mit
demselben dreimal gegen den Lauf der Sonne (von \Nesten nach
Osten) rings um das Darrhaus herumgeht, dann wird seine zukünftige
Ehegenossin aus den Türen des Hauses heraustreten und mit ihm
sprechen (Liebrecht, z. V. K. 325). Dieses Opferaugurium mit der
Seelenspeise findet sich auch in Deutschland in ähnlicher Weise an
Neujahrstagen; der Gang nach Osten zu bringt den Speiseduft rascher
den Elben der Außenwelt entgegen; damit ist auch der Speisen
spender vom Glück des Tages mehr begünstigt. An die Stelle der
indogermanischen Ilirse traten im Laufe der Zeit da und dort auch
andere Körnerfrüchte, zum Beispiel in Böhmen die Erbsen. In den
Jahren, in denen es viel Mäuse gibt, wird nach dem Essen des
VVeihnachtsbreies in die vier Ecken der Eßstube eine kleine Portion
des Erbsengerichtes in Kreuzform geschüttet, gleichsam als Opfer
an die Elben in Mäusegestalt, die dann den Menschen nicht mehr
plagen sollen (Vernaleken, Mythen und Gebräuche 315). Auch im
Egerland streut der Hausvater am heiligen Abend die Speisereste in
seinen Garten zum Vertreiben der Maulwürfe (Z. f. V. K. 1900, 121);
durch diese Abfütterung der Vegetationsgeister, die so versöhnt
werden, sollen die Plagen der Maulwürfe verschwinden. In Oberbayern
füttert der alle Hofbauer in der heiligen Nacht an seiner Gattersäule
die Elemente (Vegetationsgeister) durch Ausstreuen von Getreide
körnern in die Lüfte, in denen in dieser Nacht draußen die Seelen
geister schwärmen. An anderen Orten wird Hafer als Körnerfrucht
zur Speisung dieser Seelengeister in den Lüften verwendet. Nach Jahn
(Opfergebräuche 277) wurden 1200 in England Hafer und Gerste als
Zeitschrift m österr. Vulkskunde. :
18

Spende an die Dämonen zur Verhütung von Seuchenmiasmen auf


Weihnachten ins Freie gestellt. Auch der schottische bannock -—
eigentlich nur ein Michaeli-Gebäck, also ein Neujahrsbrot — ist ein
Hafermehlbrot (schwedisch bjannak, gael. banagh Hazlitt, I, 120,
II, 409), das auf Weihnachten als Festbrot an die Kinder geschenkt
wurde (1819). Ob damit der rheinisch-fränkische bönek, eine Speise,
bereitet aus Blut, Mehl und Leber, zusammenhängt? (Z. d. V. f. rhein.
V. K. II. 1905, S. 39).
Haferbrei war im Mittelalter ein traditionelles Trauer- und Fasten
essen. Als in der Schweiz am Abend vor Weihnachten eine Frau
ihrem Manne nur den herkömmlichen Haferbrei auf den Tisch stellte,
rief dieser: »Das ist kein heiliger Abend; Honig und Kiichli will ich
haben; was die Alten errungen und erworben, lass ich nicht ab
gehen!« (1848, Schweizer Idiot. III, 132); die konservativere Frau setzte
eben den herkömmlichen Seelenbrei zuerst auf; der Mann verlangte
aber die im Laufe der Zeit hinzugekommenen süßen und fettreicheren
Speisen.
Im holländischen Kerst-(Christkind-)Liede heißt es: »t’Eet pap
nit een panneke, en t'maakt hem niet vuil; Het valt op de steenen,
en t’heeft nog geen buil«, das heißt, »selbst für das Christkind darf
an diesem Tage der Mehlpapp (Brei) nicht vergessen werden«.
In Salzburg (Pinzgau) beginnt »das heilige Mahl« am Weihnachts
tage mit einem in der Pfanne aufgetragenen Milchmus (Bachlkoch),
das mit Magen (Mohn) bestreut und mit Honig begossen ist. (Z. d. V.
f. V. K. 1894, 78.) Jeder der Hausgenossen trägt dabei eifrig Sorge,
nicht zu fehlen, denn die Percht würde es sonst iibelnehmen; doch
l'äßt man einen geringen Rest des »Koches« in der Pfanne, mit der
nun die Bäuerin unter die Obstbäume des Hausgartens tritt mit der
Aufforderung: »B'äum eßts!«, wobei man erwartet, daß die nächste
Ernte fruchtreich wird. (Frau Prof. Andree-Eysn im Archiv f. Anthropol.
III. Band, 1904, 2. Heft.)
Man sieht hier deutlich, wie besorgt auch der Landmann in
Tirol um das Schicksal der Saat gerade in dieser Kultzei’t ist, geradeso
wie der nordische Bauer in der Julnacht.
In Böhmen gibt es Mohnmilch mit Semmelbrockrm. (Reinsberg,
l. c. 558.)
Nach Hazlitt (National-Faiths and Popular Customs I, 261) war
1784 in der Gegend von Rotherham in Yorkshire ein aus »kneed
wheat« in süßer Milch mit Spezereien gekochter dicker, saftiger
weißer Grützbrei, »furmety« (frumentum? Weizen) genannt, als Früh
stück- und Mittagsgericht am Christmeßtage, aber auch am sogenannten
Furmety-Sunday üblich, dem Mittefastensonntag, an dem die Sippen
zur Mutterkirche (Sippen-Friethof) nach germanischer Sitte wandern;
damit ist das Seelen- oder Totenopfer gekennzeichnet. Eine Verchrist
lichung dieses Vt’eihnachtsbreies ist vielleicht die innerhalb der
19

griechischen Kirche (692) herausgebildete Sitte, nach dem Geburts


tage Christi Brei (?) aus feinstem Weizenmehl (sap.iöah;) zu kochen
und sich gegenseitig damit zu bewirten, um die Wöchnerin Maria zu
ehren. (A. f. Rel. W. VII, 288.) Ob hierbei nicht eher ein Semmel
gebäck gemeint ist? (Conf. Diefenbach Gloss. I, 534.)
Milch mit Weißbrotbrocken gibt es im Allgäu (Heiser, Sagen und
Sitten II, 18). Rauchweizen in der Milch gekocht gab es ehemals auf
Weihnachten in Oberbayern. In Neuhaus (Böhmen) muß jeder, und
wäre es selbst ein zufälliger Bettler, zuerst warme Milch mit Semmeln
essen und dann Graupen mit Milch, Schwämmen und Dörrobst zu
bereitet. (Reinsberg, l. c. 557, Ortwein, l. c. 90) Auch in Glatz
(Schlesien) bildet Semmelmilch das weihnächtliche Festgericht auf
dem Lande. (Ortwein, l. c. 90.) Im Voigtlande gibt es neun Gerichte,
darunter aber keine »Suppe«, weil man davon »im neuen Jahre« eine
tropfende Nase bekommt (Kühler, Volksbrauch 360) als Strafe für den
Bruch des Herkommens. (Die deutsche »Suppe« ist kein Milchbrei.),
. Die Dänen und Schweden kennen auch am Julabend die süße
Grütze (seid grcßd), die gezuckerte Ofengrütze (sockret ugnsgröt)
die Tauchgrütze (dopp grytan), in die man Brotschnitten eintunkt;
nach dieser Grütze heißen dort die Julfesttage auch doppare-dager;
außerdem die Korngrütze (korngred) in süßer Milch gekocht, die Reis
griesgrütze (risengryns-grcid), die Gerstengriesgrütze (byg-gryns-grdd),
welche unterm Hersagen von Grützereimen (grddrim), entsprechend
den bayrischen Schlegel- (oder Stampf-)Reimen beim Schlagen des
Breistampfes (Panzer, II, 515), verzehrt wird. Meist sind diese Jul
grützearten mit Anis bestreut und mit Zucker und Rosinen versüßt;
in der Mitte der Grütze ist eine Delle mit Fett gefüllt, in welche
Tiefe man die Brotschnitten eintaucht, »teuft«. (Feilberg*‚ 190, 191,
289, 346, 350, 178, 119, 196.) Diese Grützenoberfläche wird auch in
Dänemark von der Hausfrau in Kreuzesform mit dem Kochlöffel ver
tieft und so gezeichnet, damit die bösen elbischen Wichte keine
schädliche Macht über die Speisenden hätten; in die tiefe Kreuzmulde
legt man etwas Butter zum Eintunken ein. (Feilberg", 185, 187.)
Diese Julgrütze wird dort auch benützt, um das Jahreslos zu erkunden.
Der Bauer nimmt drei Löffel derselben, legt sie unter den Worten:
»Das ist Roggen, das ist Gerste, das ist Haber« auf den Boden; dann
wird der Hofhund hereingerufen; die Kornsorte, die er mit seiner
Schnautze zuerst aufschleckt, gibt die beste Prognose für das ganze
Jahr. (Feilberg”, 122; Feilberg, Bondeliv I, 236.)
In seinem dänischen Bauernleben teilt Feilberg (Dansk Bondeliv I,
235) mit: »Wenn das Abendmus verzehrt ist, hat das Volk in Vend
syssel einen Scherz noch vor mit den Überbleibseln der Mahlzeit.
Man nimmt auf den Löffelkopf einen großen Haufen Grütze. Der
Löffel mit dem angefüllten Kopfe bleibt liegen mitten in einem flachen
Tellerchen, um das sich alles im Kreise versammelt; sodann ergreift
2.
20

eines den Stiel oder Schaft des bisher stillestehenden Löffels und
schnurrt diesen rasch herum, so daß er sich längs des Tellerrandes
fortbewegt; da, wo der Löffelschaft stille steht, steht dann auch
diejenige Person, die diesen Grützerest (Schnurrgrütze, snurre-grdd
genannt (Feilberg‘-', 121) noch aufessen muß, wenn sie noch den
Platz dazu im Magen findet; aber der Jytländer hat nun einmal für
Grütze immer noch ein Plätzchen frei«; jedenfalls galt dieses Extra
als ein besonderes Augurium (vergl. auch das Löffelaugurium am
Heiligen Dreikönigstag in Z. d. V. f. V. I{~ 1904, S. 265), das vielleicht
eine abgeblaßte Erinnerung ist an das Augurium aus dem germani
schen Opfersudkessel.
Die verschiedenen anderen Brei-, Grütze-, Pulse-, Papp-, Mus
oder Ix'ochsorten anzufiihren, die sonst noch auf Weihnachten üblich
sind, würde hier zu weit führen; es genügt, hiermit nachgewiesen
zu haben, daß das germanische Volk mit dieser uralten Speiseform
immer wieder den Seelenkult betätigte; mit dem herkömmlichen
Breigenusse wurden die Seelengeister, die stillschweigend daran Anteil
nahmen, versöhnt; die durch diese Speisung erworbene Gunst der
Seelen bewirkte dann zauberhafte Fähigkeiten.
Wer in Norwegen am Weihnachtsabend still aus der Stube
geht, während die Bauern drinnen den Weihnachtsbrei, die Julgrütze,
essen und dann durchs Fenster hineinsieht, kann diejenigen, die »im
nächsten Jahre« sterben werden, ohne Kopf am Tische sitzen sehen.
(Liebrecht, l. c. 326.) Die Bewohner von Glatz (Schlesien) lassen von
dem schon erwähnten Semmelmilchbrei einen Rest übrig, damit „die
Engel«, das heißt, die Verstorbenen, welche kommen, wenn alles
schläft, im Falle sie essen wollten, wie es manchmal geschieht, etwas
finden, indem es sonst einem nicht gut ergehen würde. (Ortwein,
l. c. 90 ff.) Diese immer und überall zu treffende Angst vor der zu
künftigen Auferstehung und Wiederkehr der Toten machte auch die
'l‘otenspeisung zu einer allgemein menschlichen Sitte, die namentlich
am Neujahrsabend haften blieb.
Gerade die Speiseordnung beim Seelenkult nun bewahrt
überall einen gewissen, relativ festen Typus, der sich durch einen
altertümlichen Brauch, aber auch durch die Namen der Speisen
dokumentiert, was wir im Verlaufe dieser Abhandlung‘ öfters nach
weisen können. Im dänischen Bauernbrauch war sogar der Platz bei
der Julmahlzeit ein festgesetzter. Die Dirne, welche den letzten
Roggenbund gemacht hatte, »Roggenkälbl« (rug-krclling) genannt,
sollte am Julabend bei der Türschwelle sitzen, an anderen Orten
hatte sie den Ehrenplatz beim Hofbauer, dafür aber mußte das
»Gerstenkälbl« (byg-ktrlling) an der Türschwelle sitzen; die Dirne,
die den letzten Ilaferbund gemacht hatte, sollte ihren Platz haben in
der Nähe der Giebelöffnung am Hause, die man Schadenspalte (gaffende
Öffnung, durch die die schädlichen Geister ein- und auszogen, skade
gabet) nannte. (Il‘eilberg’, 121.)
21

2. Gegenüber dem älteren Breie ist der Laib nun ein mehr
weniger ausgebildetes, das heißt, aus diesem geformtes konserviertes
Rundstück, das aber schon durch seine primitive Form sein hohes
Alter bezeugt. Als Armengabe”) (eigentlich an die armen Seelen) oder
als Patengeschenk (zum Beispiel im Allgäu) hat auch der Laib seine
Beziehung zur Seelenspeisung bewahrt. In Reichenberg (Böhmen)
läßt man auf Weihnachten unterm 'I‘ischtuche einen angeschnittenen
Brotlaib »für die himmlichen Gäste« liegen. Nach Rastetter Hofrecht
(Schweiz) mußte 1378 der Ilofmann dem Dorfe Rastetten zu Weihnachten
ein halbes Multer Korn geben zum Brotmachen ; dieses Brot hieß »Mutsche
leibelin« (Brotlaiblein aus der Teigmulter ausgescharrt als Gabe an
die Hausgeister); dieses Multschärenlaiblein erhielten dann
die Kinder des Dorfes zu einer Gedächtnis (Grimm, D. R. A. “, I,
497); auch in La Chiäsaz bei Vevey (Schweiz) wurden auf Weih
nachten 1762 infolge eines Legats »les miches de Noöl« Brotlaibchen
(Muckel) ausgeteilt. (Schweizer Arch. f. V. K. II, 69.) In Dänemark
wurden für die Armen in Angeln »leve« (Laibe) gebacken. (Feilberg‘,
l. c. I, 252); auch gibt es in Norwegen »lefsa", ein pfannkuchenartiges,
dünnes Brotlaibchen um diese Zeit. Der süddeutsche Weihnachts
laib ist meist ein durch eingetrocknete, mitgebackene Birnklötzchen
(Hutseln) versüßter sogenannter Birnlaib (Birnbrot, die piratura
des Ruodlieb, M. Heyne, l. c. II, 273), ein Klötzenbrot, das von Sankt
Nikolaus bis Heiligen drei Könige fast in jedem Bauernhofe zu finden
ist; nur wenn es wenig Birnen im Herbste gibt, fällt der Birnen
zusatz aus. In Oberösterreich gibt es auf Weihnachten den sogenannten
Störilaib, der seinen Spendezweck schon durch seinen Namen an
deutet, da er aus den »zusammengesteuerten« Beiträgen der Sippe
ehemals hergestellt wurde. Mit ihm werden dort mitgebacken: ein
Laiblein, das der erste kommende Arme (arme Seele), der am
Weihnachtstage sich sehen läßt, erhält; die Großdirne reicht es ihm
mit einem Geldstücke oder mit einem Ei oder Fleischstücke; ist die
bettelnde Person ein Mann, dann heiratet sie, und zwar heißt ihr
Mann so wie der arme Bettler (Opferaugurium); ferner werden mit
gebacken: zwei Brotlaiblein für das Hausvieh, sogenannte »Viehstöri«‚
endlich vier bis fünf längliche Brote in Daumenform zur sogenannten
Fütterung der Elemente (Vegetationsgeister). (Baumgarten, Das Jahr,
Gymnasialprogramm 9.) Nach dem Einschießen des Störilaibes wird
in EIbestal-Zell auf Weihnachten der Backofenwisch um 12 Uhr mittags
abgenommen und mit den Tischabfällen von der Großdirne auf das
Weizenfeld (als Zeichen, daß um diese Zeit zu Hause für die Vegetations
geister gekocht und gebacken wird) getragen. Die Großdirne wickelt
die Schinde (Rinde, Schale) und Kerne von Äpfeln und Nüssen
*) ‚Die Umsetzung der ursprünglich den Toten dargebrachten Opfer in die Dar
reichung von Gaben, namentlich an die Bedürftigen, ist nichts spezifisch Christliches“
(Lucius, Anfänge des Heiligenlrultes 27).
22

sowie Bro'samen und sonstige Abfälle vom Essen in das Tischtuch


und späht, auf dem Weizenfelde angelangt, ob nicht in der Nähe ein
Mann geht; in der Richtung dieses Mannes heiratet sie »das nächste
Jahr« hin; ein Opferaugurium, das mit verschiedenen Abarten an
verschiedenen Orten Deutschlands und Skandinaviens auf Neujahr
und an anderen Neujahrstagen oft wiederkehrt. Wenn dort in Elbestal
Zoll Schlag 12 Uhr man mit dem weihnächtlichen Störilaibe sich auf
den Düngerhaufen stellt und spricht: »W'er mir vor Gott und der
Welt beschaffen ist, der komme und schneide diese Störi anl« so
kommt der Bräutigam oder die Braut zum Anschneiden (Zeichen
der Sippschaftszugehörigkeit); läuft man aber davon, so fliegt einem
ein Messer nach. (Baumgarten, l. c. 10.) Nach dem steiermärkischen
Glauben (Z. d. V. f. V. K. 1897, 188) kommen die Hexen am \Veih
nachtsabend an einer Wegscheide zusammen, schlagen mit einer
Haselrute an einen Maiskolben, drei Körner springen heraus, aus
diesen wächst ein Laib Brot; am St. Georgstage (24. April) wird dieser
Brotlaib zu Stein und alles Getreide verdirbt, das heißt, durch den
Rachezauber der auf Georgi nicht mit Speiseopfern versöhnten Vege
tationsgeister.
3. Viel mannigfaltiger als das einfache Rundstück ist die Form
des Weihnachtsbrotes.
Du Cange’s mittellateinisches Glossarium führt (VI, 131 bis 132)
an: Panes calendarii in die natali Domini = panes consuetudinales
in natali Domini et in Pasca debiti, qui ex consuetudine prästantur
in refectorio; demnach war es im Mittelalter bereits herkömmlicher
Brauch, im Klosterrefektorium ein eigenes Neujahrsbrot auf Weih
nachten (und am jüdischen Neujahr = Ostern) aufzutischen; jedenfalls
war dasselbe ein feineres, gewürzreicheres, mit Honig versüßtes oder
durch Zusatz von Eiern und Milch schmackhafteres Festbrot; denn die
panes natalitium des Jahres 1188 werden (l. c. VI, 134) erklärt als:
panis piperatus (gewürztes Brot, Pfefferkuchen oder Piperkuchen), seu
mellitus (Honigkuchen, Lebzelten) oder als: panis natalitius, qui ex
farina delicatiori, ovis et lacte confici solet (l. c. VI, 134); panis ad
Natale Domini : gäteaux de Noül; diese französischen gärteaux ent
sprechen dem romanischen gastel; 1563 vulgus gallicus gasteros et
gastellos appellat et Callidulos; ahd. castel = pastillus, Küchel;
englisch wastelbread; pikard. watel; angelsächsisch witel : panis in
cinere tectus et coctus (also Aschkuchen); es scheint damals in der Früh
heiß gegessen worden zu sein, ähnlich den Hätweggen.
Ferner führt Du Gange (VI, 132 bis 135) auf: Panis de Denano
(denario?) ad Natale Domini; 1228 panes de Natali et de Paschate,
qui vocantur tortelli (Küchel); 1248 panis panetariae [1050 cellarium
s. locus ubi conficitur panis]; in crastino nativitatis Domini unum
panem de panetaria pretii unius denarii (Schilling) (l. c. VI, 135, 136,
129); hier ist also bereits von einem käuflichen Bäckerbrote die Rede,
23

das am frühen Morgen (also vermutlich noch heiß) am \Neihnachtstag


zum Frühstück üblich war. (1250) Panis St. Stephani s. natalitius;
über dieses mit dem Weihnachtsbrote identische Stephani-Brot werden
wir noch nachfolgend berichten; (1293) panis de Pers (Paribus); in
Natali Domini unum panem des Pers, tres panes de Pers, duas
fouachias (Focheze, s. u.) de Pers; also auch bei den Nachkommen
der Angelsachsen gab es auf Weihnachten ein Pairsbrot, das sicher
besserer Art war. (1367) »Ich sol jn auch jarlaich ören zuWeynachten
mit 12 Pfenning werte Prots oder die Pfenning dafur« (Schmeller, I‚
127, Z. 2, v. 0.); also gab es auch damals in Altbayern schon käuf
liches Weihnachtsbrot. (1663) »Das Brod, so auff VVcynachten ge
bachen wird, sol sich lange gut halten« (Praetorius, Weihnachts
frazzen, 388). Boettiger (anno 1793, »Über das Bauzner Gebäck« in der
Lausitzischen Monatsschrift 200) führt aus den Monumenta inedita
Mecklenburg. an: »Forte et bis festis consuetudinibus Julicis originem
debent figurati et melliti panes, qui tempore nativitatis Christi
hodieque conficiuntur et figuram plerumque referunt animalium,
verris, hirci et similium.« Auf diese Gebildbrote der Julzeit kommen
wir noch unten zurück.
Verschiedene Abhandlungen über das nordische Julbrot ver
öffentlichte E. Hammarstedt am nordischen Museum zu Stockholm;
diese vortreffliche schwedische Quelle benützten wir in dieser Arbeit
ebenso gern, wie die gleich wertvolle dänische Abhandlung von
Dr. H. F.Feilberg (l) in Askov »Den nordiske Jul« (in Dansk Tidsskrift,
Dezember-Heft 1901) sowie des letzteren (2) zusammenfassende Arbeit
(1904) Jul. Allesjoelestiden, Hedensk, Kristen Julefest I, dessen zweiter
Band erst vor Jul 1905 erscheinen wird.
Das zum Hauptfeste des ganzen Jahres gebackene Brot hatte
seit alters her durch die Kultzeit einen erhöhten Wert; das Volk
schrieb ihm eine Reihe von wunderbaren Kräften zu, die durch die
kirchliche Weihe eine besonders heilsame, fast zauberhafte Wirkung
haben sollten. Nicht auffallen kann es daher, daß die volksmedizini
schen »Heilbrote« (siehe Janus, Intern. Arch. f. Med. Gesch. VII, 1902),
die nach den Kalenderheiligen benannt wurden, überwiegend in
die Zeit des Neujahrszyklus fallen; das »Neujahr« hatte für das ganze
Volk eine so tief einschneidende Bedeutung von jeher, daß seine
Kultzeit auch für Krankheiten und deren Behandlung wertvoll sein
mußte; das Festbrot verscheuchte nicht nur Krankheitsdämonen,
sondern sicherte selbst als Talisman in der Tasche oder als Vieh»
futter vor Unfällen und Heimweh. In Schweden pflegte man im
17. Jahrhundert denjenigen, der in den Krieg ziehen wollte, Julbrot
verzehren zu lassen (E. Hammarstedt, Jul, utgifven af konstnärs
klubben 1902). Dieses Julbrot der letzten Julzeit, das lange aufbe
wahrt wurde, schimmelte natürlich auch, verlor aber dadurch nicht
seinen hohen Wert.
In Schweden gehörte es zum Festbrauche der Julzeit, daß man
zu Mittag möljebröd oder, wie es in Südjütland heißt, mullebröd (mylä
= mollire, Feilberg", 119, 178 346) aß, das heißt dünne Schnitten dieses
Brotes wurden in die Fettschichten auf der Mitte der Julgrütze ein
getunkt und so aufgeweicht verzehrt.
Wenn der Vater in Bruchsal (Baden) zur Christmette ging,
nahm er Hausbrot in der Tasche mit; nach der Rückkunft von der
weihnächtlichen Feier in der Mitternacht teilte er das »Metten
b rot« unter die Sippengenossen und Haustiere aus (Meyer, Badisches
Volksleben 488). Auch in der Pfalz stecken besorgte Hausväter beim
Besuche der nächtlichen Christmette in der Weihennacht gerne ein
Stück Brot in die Tasche als Heilmittel gegen die verschiedensten
Krankheiten, elbische Geister und lrrwische (Grünenwald, Pfälzischer
Bauernkalender 16). Auch das schwedische Julbrot dient als Heil
mittel gegen verschiedene Krankheiten; stets aber wurde es früher
im Saathaufen vergraben und daselbst bis zur Saatzeit aufbewahrt,
um bei der ersten Pflugarbeit vom Hausvater und Ackerknechte, ja
selbst vom Pflugrosse verzehrt zu werden (Globus, 72. Band, 375;
Du Gange, VII, 490 ff. sub simulacrum). Wie heiligmäßig das Volk das
»Christbrot« ansah, lehrt uns, was (nach Baumgarten, l. c. 8) ein
alter Mann aus Fichtwang (Oberösterreich) erzählte: »Als das Christ
kind geboren wurde, stieg ein heller Schein von einem Sterne am
Himmel auf; die Leute ließen alles liegen und stehen und liefen dem
wunderbaren Lichte nach, das sie zum .lesuskinde leitete. Plötzlich
fiel es einigen bei, daß sie eben Brot im Backofen hätten und daß
in der Eile die Dampflöcher verstopft geblieben wären; wieder andere
waren wegen ihrer Viehherdeu in Sorgen,ob sie nicht von wilden Tieren
angefallen würden. Da gab ihnen das Jesuskind den Viehhaltersegen
und versicherte ihnen, auch mit dem Brote sei alles in Ordnung; sie
möchten nur ohne Sorgen sein. Als sie heimkamen, machten sie
schnell die Dampflöcher auf und waren hocherfreut, das Brot so
schön zu finden; es roch aufs angenehmste und schmeckte weit
besser als sonst; sie ließen auch alle ihre Nachbarn und Freunde,
das heißt Verwandte und Gevattersleute davon kosten, wobei sie es
freilich, um auszukommen, etwas klein antragen mußten.« Von dem
Viehhaltersegen sagte er, daß er von einem Manne, der über neun
Wasser gegangen sei, einmal in jedem Jahre gesprochen werden
solle, damit kein Unglück geschähe. Hier macht also die nächtliche
hochheilige Kultzeit ein besonders schmackhaftes Brot, das an die
Sippengenossen verteilt wird. Fällt der Tau der \Veihnachtsnacht auf
ein vors Fenster gelegtes Brot, so schimmelt dieses nicht (\Nuttke",
68); auch sonst ist das Weihnachtsbrot, wenn man es in der
Mitternacht der Wintersonnenwende (Solstitium) ins Freie legt, ein
Präservativ gegen Menschen- und Tierkrankheiten; es wird eben
durch die Gunst der in diesem Solstitium schwärmenden und mit
25

dem Seelenbrote versöhnbaren Totengeister zum zauberhaft wirkenden


Heilmittel, aber auch zum Mittel, um die Gunst dieser Geister im
kommenden Jahre schon im voraus kennen zu lernen, eine Art von
Auguriurhobjekt.
Am heiligen Christabend legen im Egerland die jungen Leute
unter drei Häflein ein Brot, eine Kohle (Opferbrand) und ein Kränzlein
oder eine Kindleinfigur; dann geht eine Person hinaus unter den
Sternenhimmel und mit verbundenen Augen wieder herein; welches
Häflein sie aufhebt, das darunter Angedeutete wird ihr dann »im
kommenden Jahre« widerfahren; denn das Brot bedeutet das reich
liche Auskommen, die Kohle (wie auf dem Grabe) den Tod oder
Krankheit, das Kränzlein die Heirat etc. (Z. f. V. K. 1900, 121.) In
Stralsund stellte man eine Garbe, die den Namen »Kindsfuß« hatte
(über diesen später unten Näheres), während der Mittwinternacht ins
Freie, damit der Weihnachtstau darauf falle und durch das so be
netzte Futter das Vieh fruchtbar werde (Mannhardt,\lVald- und Baum
kult 233). Im Allgäu gibt man dem Vieh gegen Hexeneinfluß Brot
oder Heu zu fressen, welches in der heiligen Nacht mit Weihwasser
besprengt werden war. (Mitteilung des Herrn Kurat Frank in Kauf
beuren.) Man sieht, wie auch das symbiotische Hausvieh an dem Segen
der nächtlichen Kultzeit Anteil nehmen muß, damit es recht gedeihe.
(Vergl. Knoop, l. c. 177.)
In Schonen (Schweden) geht niemand am Weihnachtsabend von
der Tafel, ohne dem Hofhunde einen Bissen Brot zu geben (Ortwein,
l. c. 93), (Feilberg’, 186), vermutlich um ihn vor der Tollwut zu sichern.
Im 13. Jahrhundert war das »Weihnachtsbrot« schon zum Heil
brot geworden, »die prosem, die ze Weihnachten vber werden, di gib
ze essen dem, der tob von hunden oder anders« (Wiener Sitzungs
berichte, LXXI. Band, S. 488).
Diese Sicherung vor Krankheitsdämonen durch das neujahr
zeitliche \Veihnachtsbrot erklärt auch den schlesischen Volksbrauch.
»Soll ein junger Hofhund recht böse werden, so gibt man am Christ
abend drei Bissen Brot mit Knoblauch oder Salz bestreut« (Wuttke,
_S 680), das heißt, ex contrario wird hier ein junger Hund besonders
zur \rVachsamkeit zu erziehen versucht; es ist dies eine aus dem
älteren Brauch falsch abgeleitete, sekundäre Vorstellung. (Kühnau,
Mitteilungen 26.)
Im germanischen Norden war es Sitte, daß die Hausmutter am
Weihnachtsabend in den Stall ging und den Kühen ein Stück Jul
brot reichte, indem sie sagte: »Es ist Jul, Kuhchen mein!« Der Haus
vater wiederum setzte den Pferden Julbier vor, das vorher durch ein
Kreuzeszeichen gesegnet war. (Globus, LXXII. Band, S. 378, Feil
berg", 193.)
Im Schweizer Simmentale sollte man jedem Tier im Hause am
Weihnachtsabend drei Stück Brot zu fressen geben, das sollte gut
26

sein gegen den sogenannten Schaden (Epizootie; Zahler, Die Krank


heiten im Volksglauben 47).
Auch in Mitteldeutschland gab man im 17. Jahrhundert in der
Christnacht den Kühen mit Honig beschmiertes Brot gegen Ver
zauberung, namentlich auch ein mit (Dämonen vertreibendem) Dill
bestreutes Brot (Paullini, Philosophischer Feierabend 870).
In der Gegend von Verviers (Belgien) legt man am 24. Dezember
auf Zäune und Fensterriegel ins Freie das gehefelte »Christbrot«
(Kerstbrot), welches durch den Einfluß der Kultnacht geweiht ist;
Menschen und Tiere essen davon, um von den Qualen der schädi
genden Krankheitsdämone frei zu bleiben. Liebhaber von Singvögeln
teilen dort auch diesen Haustieren mit, nicht bloß um sie vor Krank
heiten zu sichern, sondern auch damit sie besser und leichter singen
lernen (Volkskunde, Tijdschrift v. nederl. Folkore VII, 43), wie man
auch den Kindern lebkuehene Schultafeln (Fig. 3 und 4 [Z.d.V.f.V. K.
1905. S. 95.) (Abacus) und Buchstaben aus Teig zu essen gibt, damit
sie besser lesen lernen (siehe unten). Also nicht eine Angewöhnung
an die Heimat im neuen Jahre, wie Kühnau, Mitteilungen 26, meint,
liegt bei der Julfütterung der Haustiere zugrunde, sondern vor allem
deren Sicherung vor Krankheitsdämonen und deren Fruchtbarkeits
erhöhung, und auch der Glaube, daß man durch das Verschlucken
des zauberhaft wirkenden Kultbrotes (Seelenspeise) neue Kräfte und
Tugenden erhalten könne.*)
An manchen Orten Ungarns verbrennt der Hausvater am Weih
nachtsabend Geflügelfedern (Huhnopfer) und spricht: »\Venn mich
kein Feuerschaden trifft, so teile ich mein Brot mit meinem Klein
vieh (Geflügel).«
Es ist ferner dort Brauch, unter das Tuch des Festtisches Knob
lauch und Brosamen zu legen, die nach Abfluß der Kultzeit in einen
Fetzen gebunden und unter den Querbalken der Stube (für die Haus
geister) gelegt werden, damit durch die Gunst der mit knoblauch
duftenden Speisen versöhnten Geister das Geflügel nicht behext
werden kann (Z. d. V. f. V. K. 312, 313). Mannhardt (l. c. 234) be
richtet: »Wenn man am Weihnachtstag während des Gottesdienstes
Weizen (Körneropfer) in der Tasche trägt und diesen dann dem
Geflügel verwirft, so wird es fett und legt viele Eier«, weil es an dem
Segen des durch die Kultzeit zauberkräftigen Körneropfers Anteil
nimmt. Zur Sicherung vor dem Fuchs läßt man für die Hühner in
Böhmen etwas von jeder Weihnachtsspeise auf dem Tische stehen

“) Davon unabhängig ist der Brauch, den Seelengestalten (Vögeln) am Grabe der
Verstorbenen Körner zur Nahrung vorzdwerfen, was am Grabe Walthers von der Vogel
weide in Würzburg testamentarisch geschah. (Z. d. V. I. V. K. 1905, S. 1 ff.) Dieses
Körneropfer, das später dort in eine Semmelspende an die Domherren verwandelt wurde,
war nicht an die Jul- oder Weihnachtszeit gebunden; dieses Julfutter kam nur den Haus
genossen zugute.
27

(Wuttke", 295). In Tirol wird eine Kuhkette auf den Boden gelegt
(t‚)pferplatzabsperrung) und innerhalb dieses Bannkreises werden
\Veizenkörner für die Hühner gestreut (No'ö, D. Alpen I. 405). Auch
sonst erhält der Fuchs oder der Wolf als Dämonentier zu bestimmten
anderen Zeiten Speisegaben. Weihnachtsbrot auf die Tenne gebracht,
vertreibt die Mäuse durch die Versöhnung der sonst mit der Mäuse
plage quälenden Geister. Aber sogar die Obstbäume, beziehungs
weise die darin wohnenden Vegetationsgeister, erhalten am Weih
nachtstage ihre Opferspenden. Wenn in Tirol die Frau, die den Teig
zum Weihnachtsbrote knetet, mit den teigbeschmierten Fingern
und Armen die Fruchtbäume umfaßt, so werden letztere erträgnis
reicher. Im schwedischen Smäland streut man die Krumen vom
Julbrot um dieselben herum zu gleichem Zwecke (Globus, LXXII. Bd.‚
375), in Schlesien Speisereste (Wuttkefl 68). Sobald in Mähren die
Hausfrau den Teig zum Weihnachtsbrote angemacht hat, geht sie in
den Garten und streichelt (wie in Tirol) mit ihren teigbehafteten
Fingern den Obstbaum und spricht: »Bäumchen, bring‘ recht viel
Früchtel« (Wuttkefi 295). Mit den Resten der Festmahlzeit um
scbüttet man auch im Erzgebirge und im Voigtlande die Obstbäume,
damit sie wohl geraten (\Vuttke”, 68; Kühnau, Die Bedeutung des
Backens, Gymnasialprogramm S. 12). Säet man in Tirol in der Christ
nacht Brosamen (volksetymologisch zu Brotsamen gestellt), so gehen
diese auf, da man damit die Vegetationsgeister gefüttert hatte
(Zingerle, Sitten 121). In Norwegen erhält (nach Scheible, Das Kloster
VII., 770) noch heute, wie oben erwähnt, am Christtage der Fluß
geist Huldra. von den Uferbewohnern einen Kuchen von der Größe‘
daß man ihn eben noch durch ein sehr kleines Loch im Eise hindurch
stecken kann.*)
Die Windgeister erhalten ihre Speisespenden auch durch
das Feuer. In Oberösterreich wird am heiligen Abend das Feuer mit
dem schon erwähnten Störibrote »gefüttert« (Baumgarten, l. c. 8).
Angeblich zur Sicherung gegen Feuersgefahr wird in Oberbayern
von allen Speisen, die man auf Weihnachten auf den Tisch setzte,
etwas ins Feuer geworfen (und so den Windgeistern übermittelt)
(Heinsberg l. c. 219). Man sieht, wie vielseitig die Gefahren waren,
gegen welche der Mensch sich sichern wollte, indem er die Seelen
geister in den Lüften, in den Flüssen, in den Bäumen, im Hause etc.
durch das Spendebrot der hochheiligen Kultzeit günstig stimmen
wollte. Eigentümlich ist eine Vorschrift aus dem schweizerischen
Simmentale 1772 als Mittel gegen die Kraft der Hexen: Man soll
die (Hexen vertreibende) Raute mit \Veihnacbts- (Neujahrs-)Brot,

"‘) Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die lebkuchenen N i x e n w e i b c h e n, die


auf den Nürnberger Lebkuchenmodeln figuriercn, mit diesem Fluß geisteropfer der
Weihnachtszeit, wie die sogenannten Jungfernadler mit den Lu ftg eistern, einen Zu
sammenhang haben können. ‘
28

Salz (Seelenopfer) und Eichenkohlcn (Opferbrand) in einem


(Opfer-)Tüchel eingewickelt in ein Loch der Türschwelle (worunter
die Geister hausen) verstecken und dieses mit einem Rechenzahne
vernageln (Zahler, l. c. 44); so erhält das als Gewürm in dem
Schwellenholze verpuppte Wesen seine versöhnende Abfütterung.
In Westfalen wurde am 22. Februar (St. Peterstag in der Seile
oder Kathedra, St Petri-Stuhlfeier, ein altrömischer Totentag, Caristia
genannt) dieser Schwellenvogel (Ix'rankheitsdämon) durch lärmendes
Schlagen auf die Türen vor Sonnenaufgang ausgetrieben (1668),
(Praetorius, Blocksberg 117), (vergl. Höfler, Krankheitsnamenbuch 767 a).
Wir haben im vorhergehenden schon öfters das weihnächt
liebe Opferaugurium erwähnt. Die Grütze, das Störibrot und
das VVeihnachtsbrot werden benützt, um das zukünftige Schicksal zu
erkunden, denn in dieser Zeit des Neujahrcs ist man dem Schicksal
näher als sonst. In Dänemark steckt man d rei Messer in ein Roggen
brot am Weihnachtsabend, eines für den Roggen, eines für die Gerste,
eines für den Hafer; welches (Opfer) Messer am folgenden Morgen
am meisten angelaufen ist, das sagt auch voraus, welche Kornsorte
»im nächsten Jahr« am besten geraten werde (Feilbergä l.c., 251).
Schon aus dem Aufgehen des Teiges, der zum Kultbrot ver
wendet wird, weissagt man. Wenn zum Beispiel in Oberbayern der
llofbäuerin das weihnächtliche Klötzenbrot nicht gelingt, so muß sie
bald sterben (weil die elbischen Hausgeister. die den Backprozeß
beeinflussen, ihr nicht hold sind); darum gehört auch diesen Haus
geistern das erste, meist rauhrindige kantige Endstück oder Ranftl
des neugebackenen Brotes als Erstlingsgabe; damit sucht man sich
die Gunst der fruchtbarmachenden Geister zu erwerben. Bei den
Kassuben in Ostpreußen dürfen die Mädchen die oberste Kante des
Brotes, die bei den Süddeutschen »das Schörzl« heißt, nicht essen,
sonst werden sie zu fruchtbar und bekommen in der Ehe Zwillinge
(Knoop, l. c., 158). Das gemeinsame Abschneiden dieses Schörzls, das
heißt das Anschneiden des VVeihnachtsbrotes, ein Zeichen der Zu
sammengehörigkeit, ist im Volksbrauche ganz bedeutungsvoll; denn
das Endstück (das sogenannte Bodenscherz, österreichisch) schenkt
das Mädchen ihrem Auserkorenen, während die sogenannten Schwart
linge, das heißt die übrigen langgeschnittenen Scheitenstücke des Brotes
schon vorher weggegeben werden") Dieses »Schwartlingschneiden«
dauert im Ennstal vom Stephanitag bis Sebastiani (20. Jänner)
(s. Z. f. ö. V. K. 1897, 370); auch in Mittenwald (Oberbayern) ist
das Anschneiden des Weihnachtsbrotes ein besonderes Familicnfest,
wobei ebenfalls die Mädchen ihren Burschen das Schörzl (zu: cortex
: rom. scorza, Rinde, Kork), den Klötzenschörz schenken (Bader,
Chronik von Mittenwald 326); auch im Pongau beschenken in der
iumpelnacht (Weihnachten) die Mädchen ihre Liebhaber mit
*) Siehe Fremdenzeitung, XII, 1898, Nr. 11.
29

diesem Endstück des Klötzenbrotes (mit Birnklötzchen gemengter


Brotteig, Schmeller, Il., 366). Nach Praetorius (Saturnalia, 402) war
es in Koburg 1663 der Brauch, daß die Mädchen von neunerlei Essen,
das in dieser Nacht aufgehoben war, die Reste aufsuchten und in
dieser Zeit, in der die fruchtbarmachenden Geister schwärmen, am
Tische verzehrten ; darauf kamen ihre Liebhaber und brachten Messer
zum Abschneiden der Stücke mit; eine Erinnerung an das gemein
same Sippenmahl in der Neujahrsnacht, das durch eine reichliche
Bewirtung der Seelengeister eine glückliche Zukunft sichern sollte.
Die Gefräßigkeit der Bauern, die im Mittelalter so oft Gegenstand
satirischer Dichtung war, hatte sicher in dem sogenannten Aber
glauben der Festzeiten (»plenius recreantur inde mortui«), anderer—
seits auch in der trostlosen Monotonie der bäuerlichen Kost jener
Zeit einen Grund; es mußte eine Gegenleistung dem Gesinde, das
damals kaum einen Geldlohn erhielt, gegeben werden; übrigens waren
Ritter und Mönche diesbezüglich nicht viel besser damals.
Daß das so hochgeschätzte \Veihnachtsbrot einen v ersüße n d e n
Zusatz durch Obst, süße Früchte, Honig, Zucker, Metbier etc. er
hält, ist ganz selbstverständlich; denn die Schutzgeister essen immer
auch das gerne, was den Menschen schmeckt. Die Dänen haben auf
Weihnachten ein solches Süßbrot (seidt bred) und die Schweden das
süß-saure Brot (sötsur limpa), (Feilberg’, 184, 175). Das dänische
Yulebrot wurde auch in honigsüßes, mit Anis gewürztes Märzenbier
(marts-aßl) eingetunkt (Feilberg*, 189), eine Art, die auch in Süd
deutschland als »Bierbrocken« üblich ist.
Abgesehen von dem bayrischösterreichischen Klötzenbrot und
dem damit identischen schwäbischen Hutselbrot (Hutsel = vertrocknete
Früchte, Birnklötzchen mit der Haut oder Schale), dem schweizerischen
Birnbrot, die in den bäuerlichen monotonen Brotgenuß eine zeitweilige
leckere Abwechslung bringen, sind die verschiedenen Früchtenbrote
eine sehr oft zu findende Varietät. »Das aus feinem Weizenmehl und
eingemachten Früchten gebackene »Nonnenbrot« schreiben wir heute
der Geschicklichkeit der Klosterfrauen zu, und Legende und Sage tun
dasselbe, indem man annimmt, es seien die Frauenklöster verpflichtet
gewesen, das \Veihnachtsbrot in ebensolcher Weise fortzubacken und
auszuteilen, wie ehedem die heidnischen (welche ?)Tempelpriesterinnen
dazu gehalten gewesen wären.« (Rochholz, in Leipziger III. Ztg. 1863‚
Nr. 1068.)
Auch der englische Plum-pudding ist eigentlich (wie der
Hallorenkuchen in Halle a. S.) nur ein aus vielen süßen Früchten
und Brotteig hergestelltes Früchtenbrot. Zu Weihnachten fehlt dieser
Pudding [vermutlich zu: ahd. butin,Schlauch, Balggefäß, mlat. butina,
rrorivq, französisch boudin, welsch poten, weil in einem Schlauche
oder Balg gekocht) kaum auf einem englischen Tische; jede gute alt
englische Hausfrau bleibt den Weihnachtsabend auf, um ihren
30

geliebten \Veihnachtspudding bis zu dreizehn Stunden lang selbst zu


kochen. Mit großer Zeremonie wird dieser dann zu Tisch gebracht,
flammend durch angezündeten und darüber ausgegossenen Kognak,
wobei häufig die übrigen Lichter ausgelöscht sind; dazu ist die in
den Pudding eingesteckte Stechpalme (VVaxlaub) eine ganz originelle
Verzierung, die bei dem eigentümlichen Eindrucke, den das ganze
Speiseopfer macht, besonders wirksam ist.
Auf die Tafel der Königin oder des Königs kommt dieses
Früchtenbrot in mehr flüssiger Brühform unter dem Namen plum
pudding-broth; sogar in Gefängnissen wird der Plumpudding ver—
abreicht, so daß sich manche Arme absichtlich in dieser Zeit ein
sperren lassen. Auf dem Lande hängt man ihn (anstatt des früheren
Büttlings oder Schlauchs) einige Wochen vorher schon in das Gebälk
des Hauses (W. Hartmann: »Theorie und Praxis der Bäckerei«, 373),
wie bei der Räucherung einer Darmwurst;*) auch der Kieler Mehl
beutel mit Rosinen ist ein puddingartiges \Veihnachtsgebäck, ein
flüßiges Früchtenbrot, das in einem Tuchbeutel gekocht wird
(Dietmarscher Mehlpudding). In England wird ein Exemplar des
meist mehrfach gekochten Puddings »fiir das nächste Jahr« auf
gehoben; denn es bringt Glück fürs ganze kommende Jahr ins Haus;
auch beteiligt sich das ganze Haus am Umrühren des Teiges, da
jeder von diesem Hausglücke etwas mitverdienen will (gefällige
Mitteilung von Mrs. Allingham); auch steckt man, da der Weihnachts
tag ein Lostag ist wie jeder Neujahrstag, in den Puddingteig einen
goldenen Ring oder eine neue Münze; in wessen Portion nach dem
Kochen diese (Totem) Münze steckt (siehe Z. d. V. f. V. V. 1904,
S. 27l), der hat das Hochzeitsglück zu gewärtigen oder ein sonst
segensreiches Jahr vor sich. Auch die »Liegnitzer Bomben« sind ein
dichtgeballtes Rundstück mit Früchtengemengsel und Schokolade
überguß, das als »Weihnachtsgeschenk« in »altbewährter Qualilät«
empfohlen wird. In Kempten (Schwaben) ist das Weihnachtsbrot
direkt ein sogenanntes »Zuckerbrot« (aus Ulm); in Ravensburg
(Württemberg) »Zuckerplätzchen« (placenta); auch das norditalienische
panettone ist ein solch weihnächtliches Früchtenbrot in Laibform.
Wir haben schon oben erfahren, daß bereits im 12. und 13.Jahr
hundert das Weihnachtsbrot nach alter Gewohnheit aus feinerem,
gesichteterem, weißerem (fremden) Mehle hergestellt wurde;
der Pumpernickel, der seinen Namen von bonum paniculum (gutes
Brötlein) der‘ Klöster hat, ist in Oberfranken ein weihnächtliches
Patengeschenk (Bavaria, Landes u. Volksk. III, 1, 386); in der
französischen Schweiz ist das weiße lockere Weihnachtsbrot um 1750
als bons pains mollet (Schweiz. Arch. f. V. K. 1899, 43) und in
*) In Antwerpen ist das Weihnachtsbrot ein Wursthrot; die Überbleibsel des
Knltlleisches wurden so verwertet, wie bei den Süddeutschen die Fleischklösse üblich
sind; in den Balgschlauch wurde das Gemengsel hineingeschoben, daher ‚Schüblingwurst‘.
31

Böhmen werden um 1400 große stollenartig langgeformte, schmack


hafte, weil gesäuerle VVeißbrote als Weihnachtsfestgebäck erwähnt,
welches als stredrovnice die Nacht über neben einem Messer
auf dem Tische liegt, weil des Nachts »die Götter« kommen und '
davon essen (H. Usener, Religionsgeschichtl. Abhandlungen II).
In Dänemark ist es unziemlich, gewöhnliches Roggenbrot in der
heiligen Julzeit zu essen (Feilbergh 114) In Münster i. W. ist
das Mittwinterbrot auffallend groß, um zur Verteilung an die
Hausgenossen auszureichen (Bahlmann, Münsterländische Märchen
352). Die Üppigkeit der Seelenspeisung gehörte ja überhaupt zum
Volksbrauch; diese auffallend großen Formen finden sich besonders
bei den \Vecken- und Spaltgebäcken, das heißt den Fruchtbarkeits
symbolen; ellenlange oder 24 Pfund schwere Julbrote haben auch die
Dänen (Feilberg’, 114). Im alten Island gab es (nach Du Gange, l. c.
VI, 133 und Z. d. V. f. V. K. 1896, 250) ein Weihnachtsbrot (Fladen),
welches vermutlich blattdünn ausgewalzt war, ein sogenanntes
Laubbrot, laufa-braud, panis foliatus, placentulae genus; in Norwegen
heißt eine solche leichte Form des Julbrotes lette brod, ein anderes
tynd brod (Feilberg*, 140, 343) = dünnes, leichtes Brot. Auffallend
gelb in der Teigfarbe ist das dänische Safransbrot, safrons-brdd
(Feilberg’, 285). das sonst nur auf Ostern üblich ist, in welcher Zeit
das Gelb der Ostereier durch Safranfarbe ersetzt wird.
Aus den Abschnitten des Weihnachtsbrotes stellt
man die Klösse und Knötel her, welche mit schwarzen Fischen in
Böhmen (Mohnklösse mit Karpfen in schwarzer Sauce), als Mohnknötel
in Mähren, als Klösse in Lauenburg üblich sind; dazu die branden
burgischen »Mohn-Pielen«‚ Klösse in der Mohnsauce (ndd. paalen
= auskernen), aus ausgeschälten Mohnkörnern hergestellt; im Böhmer
wald gibt es Knötel mit Schwammerlsauce oder auch sogenannte
Ofenknötel (Napfkuchen).
Zu erwähnen ist hier, daß die lebkuchenen flachen Weih
nachtsbrote nicht selten die Form eines Tellers oder Korbtellers
haben; letztere Form (siehe Figur 2) hatten wahrscheinlich die
früheren Opfertell er. Die Lüneburger fladenförmigen Lebzeiten
haben oft (Fig. 1) im Inneren dieses Tellerbrotes einen Modelabdruck,
der dem Festzwecke entspricht, zum Beispiel .Iagdglück für den Jagd—
herrn, Glück für das Geschlecht (Wappen) etc. Auch die Israeliten
der Bibel hatten solche tellerförmige Brote, die sie ins Opferfeuer
neben einem Widderpaar warfen. Die grusinischen Fürsten benützen
solche Brotfladen heute noch als Teller (W. v. Siemens Lebens
erinnerungen 229; Arch. f. Relig. Wiss. III, 216). Die Modelabdrücke
solcher \Veihnachtsbrote oder Neujahrstellerbrote waren zum Teil
sehr luxuriös ausgeführt mit bildlichen Darstellungen, Wappen, bibli
schen Szenen, Sprüchen, Widmungen etc. In den Rheinländern gab
es solche in Graphit künstlerisch geschnittene Modelbilder schon
32

1493 (Z. d. V. f. rhein. V. K. 1904, I, 213). Aus Holz gearbeitete


Model wurden namentlich von Nürnberg aus vertrieben.
4. Im Gegensatz zum hohen Rundstück (Laib) steht das flache
Rundstück, der Zelten oder Fladen oder die Scheibe; in alter
Gewohnheit werden allerdings im Oberdeutschen an einzelnen Orten
die Laihe oder die Wecken auch »Zelten« genannt, womit aber
eigentlich nur flächenhaft ausgebreitete Festgebäcke gemeint sind
und bezeichnet werden.
In Tirol, Schwaben und Schweiz (1460 in Konstanz) gibt es
»Birnen-« oder »Hutselzeltem, die in Altbayern, Schweiz und
Tirol auch »VVeihnachtszeltena heißen; sie werden hauptsächlich
von Nikolai ab bis Sebastian verzehrt und durch dreimaliges Räuchern
(früher) geweiht, stehen also noch mit den düsteren Rauchnächten
Alp.-Ver.
(Z. f. V.
1896,
K. 136;
1902,Z. S.d. 19)
V. f.in V.Beziehung
K. 1897, 351;
(vergl.
Schmeller,
auch Z. II,d. 1119;
D.

Schoepf, l. c, 525, 827). In Alpach (Schweiz) wird der \Veihnachts


zelten zu Ehren des Christkindes gebacken; schon sein Teig soll
Wunder tun; die Dirnen, welche denselben kneten, gehen, die Hände
noch mit Teig behaftet, in den Garten hinaus und umfassen die Obst
bäume, damit diese »im nächsten Jahre« reichlich Frucht geben
(W. Hartmann, l. c. 377; Zingerle, S. u. B. 123). Über die sogenannten
»Zeltenlieder« dieser Zeit siehe Z. d. V. f. V. K. 1897, 357. Sie ent
sprechen den »Grützereimen« der Nordgermanen oder den Schläge]
reimen oder -Liedern der Bayern (Panzer, Beiträge II, 515) beim
Stampfen des Hirsebreies oder dem altnordischen Mühlgesang (grotta
söngr).
In manchen Dörfern des tirolerischen Inntales wird, während
der \Veihnachtszelten feierlich im Hause angeschnitten wird, draußen
die Windmühle vor dem Hause angetrieben (Zingerle. I. c. 121), um die
Elemente oder Seelengeister in den Lüften aufmerksam zu machen;
letztere bekommen auch in Altbayern, Tirol, Böhmen in der Christ
nacht ihre Abfütterung. (Zingerle, l. c. 120; Reinsberg, 558 ff., 573.)
Der »L e b z e lte n« ist dasselbe wie der Lebkuchen (siehe unten), nurin
flacher Fladenform; der schweizerische »Pimentzelten« hat einen
bestimmten Gewürzzusatz; die »Appenzeller Zelten« (Schweiz) sind
braune, runde Lebkuchen in Fladenform mit Zuckeraufguß, welcher
Figuren aus dem Appenzeller Sennerleben zweckentsprechend darstellt;
im Schwäbischen werden auf Weihnachten auch in der flachen Pfanne
gekochte Teigfladen, »Pfannzelten«, hergestellt. Die Schweizer
kennen aber auch den »Weihnachtsfladen« (14. Jahrhundert):
»\Velle syn bsunder brot izzet (das heißt, wer als unverheirateter
Sippengenosse seinen eigenen Rauch oder Herd führt; mensam agere =
mänage), der soll dem weibel ze wienacht ein wienachtsbrot oder ein
fladen geben.« »\Venn man ze Utzewyl einen hirten setzen will, den
soll man dingen by den fladen ze wienacht« (Schweizer Idiot, I, 1168);
33

also auch hier ist Weihnachten ein Neujahr, bei dessen Beginn man
den Gemeindehirten für das kommende Jahr auidingte, indem man
ihm einen Weihnachtsfladen als Vertragssymbol gab und so für die
Sippschaftsdienste verpflichtete, wie sonst früher (siehe oben S. 15)
auf das Ebershaupt oder den Julbock.
Auch die St. Galler Mönche hatten im 15. Jahrhundert ihren
Weihnachtsfladen (M. Heyne, l. c. II, 275); die Toggenburger
(Schweiz) bereiten auf Weihnachten auch »Rahm-« und »Birn
fladen«; die Norweger und Dänen ein Fladenbrot (»fladbred«)
(Feilbergä 202, 114); überhaupt gehörte der Fladen noch zu den
primitiveren und älteren germanischen Festgebäcken.
Nur die Thüringer nennen die teller- oder fladenförmigen Pfeffer
kuchen auch »Pfefferscheiben« oder »Lebkuchenscheibem; nach
\Vitzschel (Sagen aus Thüringen II, 173) soll auf denselben unter
anderem auch Frau Holle mit dem Spinnrade oder Rocken, das heißt
als Spinnerin (siehe unten S. 54), abgebildet sein als zweckentsprechende
Erinnerung für den Empfänger.
Nebenbei sei hier eingeschaltet, daß bei den toskanischen Bauern
die stiacciata, ein breitgeschlagener Fladen, üblich ist und daß in
Neapel auf Weihnachten auf Brettertellern und Tischen die sogenannte
Pizza [zu mittellateinisch pinsa: Backtrog, Mehlstampfgefäß; m:imw :
pinso;pinsores = pistores; pinsa = pizza, ein Fladengebäck aus zer
stampften Körnern] herumgetragen wird, eine Art hohes Rundstück
(Kreuzbrot) aus Brotteig mit Öl bestrichen, mit Schnittlauch und
geriebenem Ziegenkäse oder mit Speck, Basilikum und Schnecken
stiickchen bestreut. In neuerer Zeit wird diese Pinza auf Ostern auch
nach Deutschland gebracht: dann ist es aber ein durch Safran (Eifarbe
Ersatz) gelber, feiner, hoher, oben kreuzförmig geteilter Osterfladen.
(Leipziger Illustr. Ztg., 31. Dezember 1903, Nr. 3157, S. 1030.) Mit dem
Sonnenrade oder der Sonnenscheibe haben diese Rundstücke keine
Beziehung, da sich ihre Formen aus bäckertechnischen Gründen von
selbst ergeben; über die Bedeutung des Kreuzes siehe unten S. 69.
5. Ein germanischer Name für besser zubereitetes, länger ge
kochtes und feineres Festgebäck istderK uc h e n, der auf Weihnachten in
verschiedenen Formen oder Größen hergestellt wird. Der uralte »Leb
kuchena, über welchen wir schon unter den Nikolausgebäcken (Z. d.
V. f. V. K. 1902, S. 84) gesprochen haben, spielt gerade auf Weih
nachten und Neujahr seine größte Rolle, da er zur Herstellung von
Modelbildern, die den Zweck angeben, besonders geeignet ist oder
auch diesen Zweck sonst symbolisiert. Wie das Klösenzeug zum
St. Nikolaustag, so gehört der Lebkuchen als »Christbürde« zur
Christnacht. In der Pfalz sehen es die Kinder lieber, wenn um \/Veih
nachten helles \Netter ist; denn so oft das Abend- oder Morgenrot
dabei sich zeigt, bäckt das Christkind Lebkuch e n (Grünenwald, l. c.
15 ff). Besonders in den Frauenklöstern wurde das Lebkuchenbacken
z=mamn m österr. Volkskunde. 3
34

auf Weihnachten sehr geübt; so erzählt die Chronik, daß die Nonnen
des Klosters Günterstal zum VVeihnachtsfeste in zwei Tagen hundert
große, mittlere und kleine Lebkucken zu backen hatten (Reclams
Universum 1900, S. 986). Aus diesen Klosterbäckereien stammt wohl
auch der erste Teil des Wortes »Lebkuchen« (Iibum. angelsächsisch
lybb = Heillrank ;altnordisch Iyf: Arzneimittel), da derselbe ursprüng
lich ein mit Heilkräutersäften gemengter oder bestrichener Honigfladen,
»Zeltchen«, war, der in den Klosterapotheken hergestellt wurde. Auch
die Schüler erhielten, so zum Beispiel in Künigsfeld, zu Vt’eih
nachten »zum gueten Jahr« einen Lebkuchen (Schw. Idiot. III, 13T).
Sehr häufig und allgemein in Deutschland verbreitet waren die auch
von Praetorius (Weihnachtsfrazzen 335, Blockes-Berges Verrichtung 491)
1663 erwähnten Schultafeln aus Lebkuchenteig, die in Form des
römischen Abacus (A B C-Tafel) aus Holzmodeln ausgepreßt wurden (Ab
bildung siehe Z. d. V. fv V. K. 1900, S. 324; 1905, S. 60, Fig.3 und 4).
Wie die Stubenvögel durch das Verzehren des Weihnachtsbrotes
leichter singen lernen sollten, so sollten auch die Rinder durch den
Genuß der Buchstaben, die in einen dem römischen Metallspiegel
ähnlichen Rahmen eingefügt sind, besser lesen lernen, was
schon Horaz in seinen Satiren (I, 1, 25) als römischen Schul
brauch anführte: »ut pueris olim dant crustula blanda Doctores,
elementa velint ut discere prima«. (Vergl. auch (1aidoz »Les
gäteaux alphabetiques« in der Bibliothc‘zque de I’äcole des hautes
ätudes 1887).") Ob wohl mit diesen in 'I‘ütentrichtern verkauften
Lebkuchenfiguren und Buchstaben auch der »Nürnberger Trichter«
zusammenhängt, mit dem man den Kindern das Lernen »eintrichtern«
wollte‘? In den Niederlanden (Haarlem zum Beispiel) sind diese eßbaren
Buchstaben aus hellrotem Biskuitteig einzeln gebacken; sonst sind
sie meist weißgelb, gelbbraun, auch schokoladebraun (vergl. auch
das badische Buchstabenverhacken bei Meyer, Bad. Volksleben 109;
außerdem Meyer M. d. G.310; Basedow, Neues Werkzeug zum Lesen
Iehren 1784); Praetorius (Blockes-Berges Verrichtung 491) schrieb
1868: »Ja weiters weiß ich mich auch zu ersinnen, daß ein erfahrner,
gelehrter Mann sagte, daß man die Pretzeln (?!) sonderlich in be
kannte Figur machte, nemlich den Kindern über das Gebet, das ABC
mit »hineinzutrichtern«, indem man gar artig an einer recht auf‘f die
alte Manier gestalte Pretzel (?) alle 24 Buchstaben des ABC zeigen
kann.« Was Praetorius hier Brezel nennt, ist ein Buchstaben
gebäck mit runden Formen.
An anderen Orten heißt der aus klösterlicher Küche stammende
Lebkuchen auch »Braunk uch e n« (norddeutsch) oder »Honigkuchen«
(Schweiz, Mitteldeutschland), »Pfefferzelten« oder »Pfefferku‘chem
(Norddeutschland), wobei in letzterer Bezeichnung Pfeffer: Gewürz ist.
In den Schweizer Bergkantonen (1746) aßen Mann und Frau nach
") Vergl. auch Z. d. V. f. V. K. 1905, S. 94 (ABC-Kuchen, von Hieb. Andree) und
ibid. S. 181 (Zu den ABC-Kuchen, von Heinrich Lewy). Der Rad.
35

altdoutscher Gewohnheit am \Veihnachts- (Neujahrs-)Abend zusammen


einen Honigkuchen als Zeichen der Zusammengehörigkeit auch im
kommenden Jahre; ein Sippschaftsopfer für die Ahnengeister, das
früher durch den Honigzusatz zum Seelenbrei vertreten war. Der
Honig war der »Totenbalsam«, den die Römer besonders am Rhein
kultivierten, indem sie honigreiche Bienenpflanzen importierten (siehe
Neujahrsgeschenk der Zürcher Naturforscher-Gesellsch‚ LXVII, 18),
womit erst eine intensivere Bienenzucht in Bienenstöcken aufkommen
konnte. Der Honig, nicht nur der Waldbienen, sondern auch der
Imker, war stets eine zu kostbare Delikatesse, die in den breiten
Volksschichten schon früh durch süßere Früchte ersetzt worden sein
muß, weshalb Früchten-, Hutsel-, Klötzen-, Birnenbrot, auch »Hutsel
kuchen« das den Honigkuchen vertretende bäuerliche Fest- und
Zeitgeb'äck der süddeutschen Bauern bildet; in städtischen Verhält
nissen aber trat der teure Honigkuchen mehr in den Vordergrund
und war 1500 zu Konstanz ein Patengeschenk auf Weihnachten.
(Kriegk, Deutsches Bürgert. I, 352.) Was an Güte dem Kuchen
mangelte, das ersetzten die bäuerlichen Kreise dann durch die
Menge oder Größe des Festkuchens, der zum Festschmause
gehörte; so waren in Thüringen dreierlei Kuchen aus einer Metze
Weizen auf Weihnachten üblich und herkömmlich. (Wolf, Beitr. I,
104.) Im Norden hat noch 1825 bei den Bauern der Brauch bestanden,
zur Weihnachtszeit mit ganzen Fudern von allerhand Saatkorn und
Grütze, 24pfündigen Weihnachtskuchen (Julekager) und mit Kuchen
aus besser durchgesichtetem Roggenmehl in der Nachbarschaft herum
zuziehen (Ortwein, 1.0.95; Feilberg*, 114); in Dänemark ist der
»Sichtebrotkuchen« (sigte brnd-, sigte-kage), aus länger gesichtetem,
feinerem Roggenmehle hergestellt, ein besseres Weihnachtsgebäck
(Feilberg‘, l. c. I, 232; ’, 113, 114, 115, 129); in den Niederlanden der »Christ
k u c h e n« (kerskoeken), der (nach Liebrecht, l. c. 440; Wolf, l. c. I, 119)
stollenartig sein soll, in der Schweiz der »Weihnachtskuchem, der
mit Eizusatz verbessert ist (Schw. Id. III, 140); in Frankfurt am Main
wurden 1456 solche Weihnachtskuchen bei der Pfarrkirche von den
Lebküchnern in Kramständen feilgeboten. (Kriegk, l. c. I, 567.)
Die dänischen »Julkuch e n« (julekager) haben ganz verschiedene
Formen; Feilberg’, 114, erwähnt als solche Julkuchen unter anderen
Pfeffernüsse, Königsfiguren, Widder, Waffeln (goderäd), Fladen,
Schwesterkuchen etc. Über den vermutlich nach Dänemark im
portierten Schwesterkuchen siehe Z. d. V. f. V. K. 1904, S. 268.
Der schwedische Saatkuchen (sä-kakan, englisch 1638 seedcake)
wird aus dem letzten Julbrotteige oder dem Mehle der letzten Jul
garbe hergestellt für die unterirdischen Seelengeister. Die letzte
Erntegarbe enthält sozusagen in nuce in konzentriertester Form die
Quintessenz, die bei der Aussaat in den Boden gelegten Lebens und
Wachskräfte, deren günstiges Aufkeimen nach der neuen Aussaat
3'
36

von dem \Vohlwollen der unterirdischen Seelengeister abhängt; diese


Toten müssen in der Neujahrnacht vor allem versöhnt sein durch Toten
speisen, die man zur Erinnerung an die betätigte Opferpflicht vom
Allerseelentag oder Jultag bis zur Saat- und Pflugzeit z. T. aufbewahrt. An
der Segenskraft dieser Seelenspeise nehmen auch alle Freunde Anteil;
man schickt sie in England auch letzteren zu und gibt sie dem
Pflugmanne in der Saatzeit (Fastenzeit im Frühling). (Hazlitt, I, 24‚
299; II, 498, 54, 539.)
Die norwegischen Julekager sind ein gewürzreiches, in der
Mitte etwas eingekerbtes Gebäck, nach Art der sächsischen Stollen
(siehe unten) meist langgestreckt. Die englischen Yule-cakes sollen
(angeblich!!!) (W. Hartmann, 377) die Form eines \Nickelkindes haben,
die man auch,jedoch ganz mit Unrecht, in den sächsischen Stollen (siehe
S. 44) gefunden haben wollte. Nach Meyer (M. d. G. 360) hat man im
germanischen Norden Julkuchen, welche die Gestalt hammerverzierter
Böcke (siehe S. 64) hatten, unter das Saatkorn gemischt und bei der
Frühlingsaussaat von Arbeitern und Pflugochsen verzehren lassen;
wieder andere Julkuchen sollen die Form eines Ebers (siehe S. 59)
gehabt haben und unter freiem Himmel gebacken worden sein (?)
(W. Hartmann, lv c. 377), damit der Weihnachtstau auf sie falle. Die
vlämischen »Engel kuchen« (engeltjes- oder engelenkoeken), welche
für die in der Weihnachtszeit umziehenden Engel (Seelengeister)
gebacken werden, bewahrt man lange Zeit auf; jeder Gast darf von
dem Vorrate nach seinem Belieben essen. (Volkskunde l. c. 1902, 136)
In Ungarn lauft das Mädchen mit dem ersten Festkuchen, den
man aus dem Backofen zieht, auf die Straße und fragt den ihm zuerst
begegnenden Mann nach seinem Namen; so wird dann auch sein
zukünftiger Gatte heißen, ein schon oben angegebenes Augurium der
Neujahrszeit. (Z. d. V. f. V. K. 1894, 316.) Das Glück der Zukunft zu
erfahren in dieser Kultzeit, in der man den schwärmenden Schicksals
geistern am nächsten ist, führte zu allerhand Neujahrsgcbräuchen, die
wir schon in Z. f. V. K. 1903, S. 186, und Z. d. V. f. V. K. 1904,
S. 257, beschrieben haben. Zu diesen rechnet sich auch der St. Thomas
Lostag vor Weihnachten.
Beim Weihnachtsschmause in Thüringen gibt es auch sogenannte
»Jidden- oder Judenkuchen«, eine Art Plinse (Zelten) aus feinem
Gerstenmehl, nach einer bei den dortigen Juden üblichen Kochart in
der Bratpfanne gebacken, eine Form von sogenannten Hannewackel
(Ortwein, l. c. 90; W. Hartmann, l. c. 377; Reinsberg, l. c. 394); die
Übernahme jüdischer Gebäcke in die Kultgerichte ist in Deutsch
land nicht selten, vermutlich auch in anderen christlichen Ländern
Europas. Mit den jüdischen Fastengebräuchen übernahm das Christen
tum sicher auch manche jüdische Gebildbrote.
Die »\Vesterwiggeskuchen« auf Rügen sind eine Art Waffel
gebäck, das vermutlich von den Schweden aus Westerwigg dorthin
37

gebracht wurde; solche Wanderungen von Gebäcken von Volk zu


Volk, von Gegend zu Gegend sind eine selbstverständliche Tatsache;
so wanderte auch mit den wendischen Salzwirkern (1630, hallorum,
hallür, hallör) vermutlich das süddeutsche Früchtenbrod (Hutsef oder
Klötzenbrot) als »Hallorenkuchen« nach Halle a. S. An solchen
Salzorten (Hall), welche früher den regsten Verkehr durch den uralten
Salzhandel hatten (Hallein, Salzburg, Halle, Lüneburg etc), sind die
festlichen Gebildbrote (Lebkuchen) besonders reichhaltig und vielseitig,
meist aber nach Nürnberger Modelvorlagen hergestellt.
Der Altbayer und der Tiroler kennen eigentlich in ihrer volks
üblichen Küche keinen »Kuchen«; dafür haben sie die »Küchelm,
die aber im brodelnden Schmalze in der Pfanne gebacken werden.
In der Oberpfalz gibt es eigene »VVeihnachtsküchel«. Wenn man
in Tirol am Weihnachtsabend, während die ersten Küchel gebacken
werden und der Schmalzgeruch durch den Rauch den Luftgeistern
vermittelt wird, dreimal um das Haus herumgeht, so geht jeder
Wunsch, den man dabei hat, in Erfüllung (Zingerle, Sitten 121; Heyl,
Tirolersagen 417, wo ein gleiches Augurium auch am Heiligen Drei
königstage erwähnt wird; Christtag und Heiliger Dreikönigstag spielen
eben die gleiche Rolle eines Neujahrstages). '
Damit die Obstbäume gut geraten, ißt man in Pforzheim (Baden)
am Weihnachtstage Schnitz mit in Öl gebackenen Küchlein; ver
mutlich war dies Öl früher‘Mohnöl (mag-oel, aus mitg-säm, Öl aus
dem Mohnsamen, der als Gartenpflanze schon zur Zeit Kaiser Karls
des Großen gezogen wurde). In Sachsen und Brandenburg ist auf
Weihnachten der »Mohnk uchen« üblich.
Wenn solche Neujahrs- oder Christkuchen öfters eine Ring
oder Kranzform« zeigen, so hängt dies mit der Bedeutung des
Ringes zusammen, die wir unten noch näher besprechen werden.
Die mit den altbayrischen und schwäbischen Kücheln identischen
Nudeln (»VVeihnachtsnudelm, »Weizennudeln«) sind auf baju
varischem Boden in der ‘Neihnachtszeit mit süßen Weinbeeren
(Korinthen) versetzt und auch aus feinerem Weizenmehl hergestellt.
In Tirol versagt sich auch der Dürftigste am Weihnachtstage solche
Nudeln nicht, die man dort auch »Krapfennud eln« oder bloß
»Krapfen« nennt. In der Szegeder Gegend (Ungarn) wirft das Mädchen
in der weihnächtlichen Mitternachtsmesse »Mohnnudeln« in den
VVeihwasserbehälter in der Kirche; soviel Mohnkörner von den Nudeln
dann sich ablösen, soviel Freier soll das Mädchen haben (Z. d.
V. f. V. K. 1894, 315)‘ durch das Glück der in dieser Kultzeit schwär
menden Geister.
6. Die den Aufguß von Honig, Fruchtsaft etc. gekrüpft um
fassenden Nudeln, Küchel oder Fladen sind sogenannte Krapfen,
welche in verschiedensten Formen gebacken werden; so gibt es
»dreieckige Kröppeln« in Hessen (Argovia, Jahresschr. d. histor.
38

Gesellsch. III, 21), »süße K rap fe n«, »Butterk rapfe n« (durch Honig
aufguß versüßte Krapfennudeln) in Österreich und Tirol, »Nonnen
kräpfel« in schwäbischen Klöstern (Villingen).
Die Schweizer haben auf Weihnachten mit Koriander (sogenannte
Krapfenkörner) bestreute Krapfen; ein Schweizer Speisezettel (1612)
für die sogenannten Aussätzigen verordnete auf Weihnachten acht
Batzen für Krapfen und Ziger und sechs Maß Nidlen (Schlagrahm).
(Schw. Id. III, 843; IV, 659.)
Die Nördlinger haben ebenfalls »Weihnachtskräpfeh, die
halbmondförmig sind. In Schleswig-Holstein heißt das immer ein
Füllsel (Farze) umschließende Gebäck »Pförtchen«, »Förtchen«
(entstellt aus Färtzchen, la farce); im Angelsächsischen mag das
Gebäck wohl als »Honigapfel« bezeichnet worden sein (angelsächsisch
hunegapel = pastellus, Diefenbach, Gloss. ll, 282). Im Dänischen ent
sprechen den Krapfennudeln die weichen Julballen aus Roggenmehl
teig (julballan), die den unten zu beschreibenden Julhöger zusammen
stellen; sie bleiben bis Neujahr unberührt, um des Segens der Julzeit
besonders teilhaftig zu werden. (Feilberg*, 182, 202, 350.) Die im
schwäbischen Frauenkloster Villingen nur auf Weihnachten her
‘gestellten »Nonnenkräpfel« sind für die Nonnen selbst eine fest
liche Rarität und dienen nur zur Beschenkung ganz besonderer
Klosterfreunde; es sind »Nonnenfärzlein« in kleinballiger Form; die
»Badner Kräweli« und die »St. Galler Kräpfli« sind krallenartig
gezackte, hirschhornförmig gekrüpfte »Hirschhörnli« oder »Schwaben- .
brödle«. (Abbildung siehe Z. d. V. f. V. K. 1904, S. 267.) Das uralte
Krapfengebäck gab überhaupt seinen Namen für verschiedene andere
Schmalzgebäcke her, die sonst gar nichts mit der Krapfenform Gemein
sames haben. Ihr hohes Alter erklärt auch, daß sie zum Losen benützt
wurden. Nimmt man in Sterzing (Tirol) die drei ersten gebackenen
Krapfennudel und trägt sie dreimal splitternackt so um das Haus,
daß man nicht außerhalb der Dachtraufe*) kommt, so sieht man an
der letzten Hausecke (durch die Gunst der drei Schicksalsfrauen,
für die die drei Krapfen bestimmt sind; letztere dürfen nicht naß
und so zum Opfer ungeeignet werden) das künftige Gemahl. (Zingerle,
S. u. Br. 27; vergl. auch Z. d. V. f. V. K. 1904, S. 269.)
Interessant ist die Parallele zwischen dem Tiroler »Krapfenstock«
der Weihnachtszeit und dem nordischen Julhöger. Die viel größer
als sonst gebackenen Krapfennudel werden dachziegelförmig über
einander geschichtet und ein Brei aus Mohn, Klötzenmehl und ge
riebenem Zucker darüber ausgeschüttet; über jede Schichte, die sich
aufbaut, wird Schmalz und Honig gegossen, daher »süße Krapfen«
benannt. Bei so einem richtig aufgehäuften Krapfenstocke müssen
die honigsüßen Endzäpfchen außen herunterhängen; das ganze,
*) Die Dachtraufe ist die Grenze zwischen den Menschen im Hause und den Toten
geistern in den Lüften, den elhischen Wichten der Außenwelt. (Feilberg', 99.)
39

feinduftende Krapfengebäude steht auf einem breiten, runden (Opfer-)


Teller. Die schwedischen Julhöger (julehögar) sind zu einem solch
ähnlichen Stocke erhöhte, 'aufgeschichtete Julbrote (Julballen); obenauf
thront eine gebackene »Julhennea (siehe S. 67). unten um die Basis
des sich erhöhenden Stockes (Hang, Höger) liegen sechs bis sieben
Küchlein (kleine Hühnchen) aus Teig geformt, ähnlich denen beim
Västmanlandschen Saatkuchen.*) Dieser hohe Opferbrotstock gehörte
sicher ehemals nur den Hausgeistern am Ofenherde oder Eßtische,
das heißt, den alten Ahnengeistern des Hauses, die im Norden an
Stelle des schwarzen Totenhuhnes eine in Teig geformte gebackene
Julhenne (Hannewackel‘?) erhielten, während bei dem Tiroler Krapfen
stocke der Honig und Mohn an das alte Totenopfer erinnern; in beiden
Fällen ist aber die Aufschichtung der festlichen Opfergebäcke zu
einem hohen Haufen in hübscher Form charakteristisch. Feilberg”,
182, 183, dessen Namen als Verfasser der vortrefflichen Julschrift wir
nun schon oft angeführt haben, schildert den schwedisch-dänischen
Julhöger (jule-höjen) als eine Kuchenpyramide (aus sogenannten bullar,
Roggenmehlballen oder Krapfennudeln in stets ungleicher Anzahl);
jedes obere Küchlein (bul, bullar) immer kleiner als das untere; als
Basis dient dort entweder ein großer Käslaib oder ein besonders
großes sogenanntes Würzbrot (das man als Schnitten in die Bier
würze taucht); zu oberst thront in einer Nestkrone die Friedenstaube
(fredens-due) aus Teig mit einem Gerstenkorn im Schnabel; einen
solchen Julhöger, der zwischen Lichtern auf den Jultisch gestellt wird,
erhält der Hausvater, einen die Hausmutter, einen das Gesinde; er
bleibt aber bis zum Heiligen Dreikönigstage auf dem Tische stehen,
wodurch er eine besondere Kraft durch die Julzeit erhält; aber für
die Pflugzeit werden Teile desselben noch aufbewahrt. Aus solchen
zur Schau innerhalb der geschlossenen (Fasten-)Zeit aufgestellten Opfer
stöcken entwickelten sich die Schaugerichte der Köche und das jüdische
Schaubrot des Tempels (Iechem hapanim), die zwölf Gedenkbrote, zum
Anschauen durch Gott, dessen Wohlgefallen sie erregen sollten.
Auch die Griechen und Römer hatten solche Opferbrote, die sie
zum Teil in Körben, zum Teil auf dreifüßigen Opfertischen vor die
Ahnen-, beziehungsweise Götterbilder stellten und danach auch
5m'motrog, ö_ntiosratw.;, l,atloarotör, benannten (Lobeck, Aglaophamus 1061,
1063), wie wir überhaupt annehmen dürfen, daß mit den Opferbroten
auch viele Opfergebräuche und Formen aus dem Süden nach dem
Norden gewandert sind.
7. Das alte Totenopfer macht sich an diesem Tage auch dadurch
bemerkbar, daß in der Haushaltung Zopfgebäcke, die sich in der
Mitte strotzend verbreitern, oder sogenannte Strütz el erscheinen. In
vielen Orten Thüringens, wo auch, wie heute noch an katholischen
Orten, die Mitternachtsmesse (oder Metten = hora matutina) gehalten
*) E. Hammarstedt, Säkaka och Gullhöna 25.
40

wird, ißt man bei der Zurückkunft den sogenannten »Bienohchts


schmuß« (Weihnachtsschmaus) oder den sogenannten »Hahnewackel«
(vielleicht so benannt, weil früher auf dem lockeren Gebäcke obenauf
ein wackelnder Hahn thronte); gegenwärtig besteht das Festnachts
gericht aus sogenanntem Geknöchel, Brezeln oder geflochtenen Zopf—
gebäcken (= Kraeppelzöppl, Krapfenzöpfl) und Heringen oder auch
nur aus Kaffee mit Judenkuchen (siehe oben), Klump und Sauerkraut;
das dabei übliche Zopfgebäck findet sich aber auch an anderen
Orten an diesem Tage häufig; häufig sind diese Haarzöpfe in
Teigform mit Mohnkörnern bestreut, daher »Mohnstrützel« (Frank
furt a. 0.), »gefIochtene S t r ütz e l«, »Strützelstück« (Böhmen), »\Veih
nachtsstrützel«, »Christstrützel« (Böhmen, Dresden, Schlesien,
Salzburg, Lungau etc.) benannt (siehe Fig. 8).
Im östlichen Deutschland gibt es auch »Eierstrützel«, das
heißt, mit Eigelb bestrichene oder vermengte Zopfflechten. In Schlesien
gibt das Mädchen dem Hofhunde ein Stück von ihrem Mohnstrützel
und jagt ihn auf die Straße; wohin er läuft, von da kommt ihr zu
künftiger Gatte (VI/uttke“, 242), das heißt, von dort kommt das Glück
ihres Lebens, das ihr die mit dem Seelenbrote versöhnten Seelen
geister verschaffen werden. In Dresden wurden die in der Mitte
strotzend sich verbreiternden Stollen auf dem sogenannten Strützel
markte als »Strützel« verkauft (von Kügelgen, Aus den Jugend
erinnerungen S. 89); sonst ist das geflochtene (l) Strützel nur ein
das Haaropfer symbolisierendes, beziehungsweise stellvertretendes Zopf
gebäck, das auf Weihnachten süßer und rosinenreicher, auf Ostern
eigelbsatter hergestellt wird. In Deutschböhmen wird einige Frei
tage vor Weihnachten die ganze Nacht hindurch gesponnen, was
man »die lange Nacht« nennt; der Erlös aus diesem in derselben Nacht
gesponnenen Garne dient zur Anschaffung der Strützel (läng
liche Zopfgebäcke, deren jedes Familienglied ein Stück bekommt
(Tille, 1.0.47; Vernaleken, l. c. 542, 547.) In Mährisch-Schlesien
backt man in der langen Nacht die Mohnstrützel (Globus 1900,
S. 322), die an die Familiengenossen (Sippschaft) verteilt werden,
wie die im Rauris (Tirol) am Vorabende vor Weihnachten ausgeteilten
»Strutzem, die aber über die hohen Feiertage unberührt (als
Spende an die Schicksalsgeister im Hause) liegen bleiben (von Strele);
dieser »Strutzen« heißt dort aber auch »Zopfen«. Unser »Strützel«,
das im Althochdeutschen”) mit colifia (zwk1jtptov, zu auf/cf, = aiäoiov**)
*) Siehe Steinmaier, Althochd. Glossen III, 617; IV, 46, 50. Strützel ist also kein
slawisches, sondern ein gut deutsches Wort.
**) Lobeck, Aglaophamos 1067, führt diesbezüglich an: „Figmenta ejusmodi siliginea
nomine turpi designat Martialis IX, 3, cujus inter Apophoreta est quoque Priapus siligineus
XIV, 61, cui compares, quae Schal. Juven. II, 53, adnotavit: coliphia etc. „in Mantissa
Crameri coliphia, ut quidam dicunt, sunt membra virilia de melle et lermento composita.‘
(Im Neugriechiscben ist ‘110.010’; = penis erectus, zu antikgnecbisch '/J~')ÄÖ; = Stengel;
vergl. vulg. lat. cdlis = Kohl, Iat. caulis.)
41

bei Juvenalis ist colilia =pulmentum sive membrum virile) glossiert


ist und in Altbayern ein strotzend aufgeschwollenes Stangengebäck
darstellt (Fig. 7), das namentlich in der Erntezeit als Fruchtbar
keitssymbol und Erntearbeiter-Festnahrung üblich ist, hat seinen
althergebrachten Namen auf Wecken, Stollen und andere langgestreckte
Gebäcke, selbst auf lange Zopfflechten übertragen, da der Begriff des
Strützels dem Volksbewußtsein mit der Zeit entschwunden war.
In den deutschen Weihnachtsliedern (Z. d. V. f. V. K. 1899, 429)
aus dem Salzburger Lungau singen die Kinder: »Lampel und Kitzel,
Semmel und Strützel, Äpfel und was wir haben, das woll’n wir
»klaub’n z’samm'l« welche Sammlung an das gemeinsame Sippschafts
opfer erinnert, zu dem ehemals die Sippengilden oder Mitglieder bei
steuerten (siehe oben Störibrot).
Als Zöpfe (Fig. 8) sind nur die flechtenartigen Gebäcke
(Haaropfer-Substitut) zu bezeichnen, zum Beispiel der lausitzsche
»Höllenzopfar, der in Haupts Sagenbuch (1862, I, 41), in V\'olfs
Beiträgen (I, 204) und in den Verhandlungen der Berl. Anthrop.
Gesellsch. 1893, 279; 1896, 340; 1898, 385, auf die Todesgöttin Hel
bezogen wird; ferner die (schweiz) »Züpfen«, die (bayr.) »Zöpfe«‚
die Leipziger »Mohnzöpfe«. Die »Butterzöpfe«, welche aus
Butterteig hergestellt werden, sind (in Webers Univ.-Lex. d. Koch
kunst“, I, 151; Scheible, VII, 745) auch als \Veihnachtsstollcna
bezeichnet (jedenfalls mit Unrecht). Überhaupt hat der Weih
nachtsstollen der Sachsen eine beklagenswerte Verwirrung unter
den Gebäckbezeichnungen hervorgerufen, da manche Schriftsteller
den Stollen als einen Urtypus des deutschen Weihnachtsgebäckes
überhaupt annehmen, ohne eine Kenntnis davon zu haben, wie
verschiedenartig diese sogenannten Stollengebäcke sind und wie
schwer es ist, den Urtypus auch nur eines derselben festzustellen.
Wie das häufige Erntefestgebäck, das Strützel, so übertrug auch der
althergebrachte Stollen seinen alltäglich gewordenen Namen auf
andere, vielleicht etwas ähnliche Festbrote.
8. Zu den typischen Seelenbroten gehören auch die sogenannten
Kringel (Krengel), R i n ge und Bre zeln, die mit dem Julrade (siehe
oben S. 5) oder Jahresumringe keine Beziehung haben, sondern als
Stellvertretung des bronzenen Totenschmuckes in Teig-(Gebäck-)Form
aufzufassen sind (siehe Archiv f. Anthropologie 1904, III, 94). Ihre
Verbindung mit der Form des vorher beschriebenen Haargeflechtes
(Flechtenring, Flechtenbrezel) bekunden sie auch als »Flechten
kringel« (Mecklenburg; 1752): „welche nur iimb Weynachten aus,
also bloß zur Zeit des Juul- oder Sonnenfestes gebacken wird«
(J. P. Schmidt, Fastelabendgebräuche in Deutschland, 103); letztere
Quelle war noch von der falschen Etymologie Jul: Rad (Sonnenrad
fest) beeinflußt und sah demnach in der Kringel (Brezel) ein Symbol
des Sonnenrades. Wenn diese Flechtenkringel nur auf Weihnachten
42

gebacken wurden, so ergibt sich dies mehr aus der nicht oft
genug zu betonenden Neujahrsrolle, die das Weihnachtsfest im
Mittelalter hatte; gerade auf Neujahr sind nicht nur die Flecht
gebäcke (Haaropfer) häufiger, sondern auch die Verbindungen
dieser mit dem Ringe zu einem (lebildbrote, zum Beispiel Zopf
+ Brezel, Strutz —l— Zopf, Wecken —l— Zopf, Wecken -l— Strütz, Bein
—l— Zopf, Herz —l— Zopf, Horn —)— Zopf, Kranz + Zopf etc. Das Toten
bracelet (Brezel) findet sich besonders häufig an den Totenfesten
(christliche Trauen und Bußzeit, Fasten). Am zweiten \Neihnachts
feiertage, dem sogenannten Kalbemarkt, liefern in Thüringen die
Burschen als Festgebäck unter anderem die großen »VVeihnachts
brezeln« aus Hefenteig und Weizenmehl, während die Mädchen
den Kaffee, die Nüsse und Aepfel beisteuern. In der Zeitschr.
Niedersachsen 1902, VIII, 8, S. 94, steht folgender Artikel aus dem
Lüneburgischen: »Wiehnachts-Awendrot. In de VVeken vör V\'eih
nachten, dat is äwerall bekannt, hewt wi oft dat prächtigste Awend
rot. Wenn de Kinner up de Hei in ‘n Lüneborgischen düt Awendrot
seht, denn lüchtet jümm de Ogen on de een seggt to ‘n annern: Kick,
nu bötet de Engel in ’n Himmel den Aben, de söten Stuten to backen,
de usch de Wiehnachtsmann bringt!« In eenigen Heiddörpern awer
singt se: »Wat is de Hewen rot! De Aben steiht in Glot. Nu backt
de leewen Engel de söten V\’eihnachtskrengel un all de söten
Stuten för de lütten Puten. Wiehnachtsmann kummt nah'n Himmel
rup, Un smit den Sack up den Schimmel rup, He let den Schimmel
springen, dat alle Klocken klingen. Hophophop! Hophophop! Ümmer
in Galopp!« Demnach bringt hier der Weihnachtsmann als Schimmel
reiter (siehe oben S.7) süße Weihnachtskringel und süße Stuten (siehe
S. 47) den Kindern; diese erhalten eben das Festgebäck,das ursprünglich
den Seelengeistern (Engeln) gehörte. In Neustadt a. d Aisch (Bayern)
erhält jedes Kind an den Weihnachtsbaum eine sogenannte »I-Iörnl
brezen«, ein hufeisen- oder hornförmig gebogenes, der Brezelform
sich näherndes Festgebäck. Auf Fehmarn ist das »Kundenbrot« ein
an die Bekanntschaftskreise auf Weihnachten verteiltes Kringelgebäck
(cuntbrot).
Auch auf dem schwedisch-dänischen Julhög (siehe S. 39) hängen
K r i n g el auf kleinen Holzstäbchen, die ringsum um die Julbullar an
gesteckt und mit einem aufgespießten Apfel verziert sind (Feil
berg“, 183).
Aus solchen runden Weihnachtskringeln nun aber auf ein
weihn'ächtliches Sonnenradfest und sogar auf ein »germanisches«
Sonnenwendfest schließen zu wollen (Beilage zur Täglichen Rund
schau 1900, Nr. 301, S. 1202) ist nicht gestattet. Die meisten
Gebildbrote stammen aus römisch-griechischer Quelle, können also
als Brezel oder Kringel für ein »germanisches« Fest niemals ein
direkter Beweis sein; ferner ist die Brezel niemals ein geschlossenes
43

Sonnenrad mit vier Speichen G, das heißt ein Radkreuz, sondern


hat wie das etymologisch identische Bracelet immer eine Öffnung im
Umfange. Namen, Form und Brauch sprechen für die Deutung Brezel
= Brasselett; siehe darüber Archiv für Anthropologie 1904, III, 94 und
vergleiche unten die kreuzförmigen Gebildbrote. Kranz (Fulda) und
Ring(Hefering in der Schweiz, Ringkuchen) haben ebenfalls nur die
Bedeutung eines Totenschmuckes, der sogar in dieser ablösenden
Teigform, das heißt als Gebäck, noch an den verschiedenen Neujahrs
tagen verlost wird. wie ein Totennachlaß. Schon ihre häufige
Verbindung mit dem Zopfgeflecht (Haaropfer) unterstützt diese
Deutung, ebenso die Tatsache, daß solche Brezel und Kringel auch
an anderen mit Seelenkult verbundenen Volks- und Familienfesten,
zum Beispiel Kirchweih, Hochzeiten, Allerseelen etc, auftreten, die
doch sicher mit dem Sonnenrade keine Beziehung haben, während
sie andererseits gerade an solchen Festtagen fehlen, die einen aus
gesprochenen Sonnenkult aufweisen, zum Beispiel Sommersonnen
wende, Lichtmeß etc. Solche Ringgebäcke stellen auch die böhmischen
Kolentschen (Kolatschen, urslawisch“) Kolaöu= Ring, Kreis) dar, die
dort (Egerland) die Knaben auf Weihnachten als Patengeschenk er
halten (gefällige Mitteilung des H. John).
9. Die »Weihnachtsrosem (Abbildg. siehe Z. d.V.f. V. K. 1903, S. 392,
Fig. 5) ebenso die Neuruppiner »S-chen« (l. eod.) und andere schnecken
förmig gewundene oder rosenartig eingerollte Spiral- oder Sehne cken
gebäcke, welche in Würzburg, Fulda etc. nachts nach der Christ
mette verkauft werden, haben wir schon in Z. d. V. f. V. K. 1903,
S. 391, geschildert und sie dabei als Teile des indogermanischen
Hakenkreuzes erklärt, von dem Meyer (Myth. d. G. 336) sagt:
»Haken- und Radkreuze umgaben das ganze weitere Leben des
Germanen im Frieden wie im Kriege bis in den Tod hinein und
über den Tod hinaus.« Ursprünglich auf die verschiedenen festlichen
Zeitgebäcke (Fladen, Kuchen, Wecken etc.) als \/V0h l- oder
Segenszeichen oder als Apotropaeon (Hörnes S. 338) aufgelegt,
haben sich die Teile des Hakenkreuzes (Crux gammata*) im Laufe
der Zeit von letzterem wieder selbständig gemacht und erscheinen
heutzutage fast nur mehr als Schneckennudeln oder S-chen, in
Schweden als sogenannter Goldwagen (gullvagn) (Z. d. V. f. V. K. 1903,
S. 391) Die Thomas-Ringe der Weihnachtszeit, in Tirol »Thomas—Radh
l') Nach de Rossi ist die Crux gammata eine der ersten und spontansten Applika
tionen eines früher in Asien und Italien gebrauchten dekorativen Zeichens von seife der
Christen, um sich in der Periode der Verfolgungen unauffällig einander erkennen zu
geben (Bayern zur Römerzeit, von Professor Dr. F. Franziss, S. 437). In den Katakomben
kehrt das Hakenkreuz sehr oft wieder, hatte also irgendeine Beziehung zum christlichen
Totenknlt erlangt. Nach Hörnes (338) ist das Hakenkreuz ein apotropäisches Zeichen, das
in Gestalt von zwei sich durchschneidenden S-förmigen Linien besonders häufig auf
trojischen Votivspinnwirteln sich findet (S. 334). Wir werden unten bei dem Julkreuze
noch darüber sprechen.
44

genannt, werden hauptsächlich in alter Beziehung zum Neujahrs


lostag wie der Ring des Totenschmuckes verlost; sie dienen zum
Augurium, das sich im deutschen Volksbrauche besonders an diese
Ringgebäcke anknüpft. Das Verzehren solcher Wohl» und Segens
zeichen (Hakenkreuzgebäcke) sollte ebenso glücklich machen, wie das
Verzehren der Buchstabengebäcke lerneifrig und verständig.
10. Viel gefabelt wurde über die sogenannten Christ- oder Weib.
nachtsstollen. Nach der Beilage zur Tägl. Rundschau 1900, S. 1202,
sollte er ‚eine Umbildung des Ebers, des Hauptopfertieres in den
Tagen der Wintersonnenwende: sein. Nach Reclams Universum
(1900, S. 980) »pflegte man mit zunehmender Ausbreitung des
Christentums dem (sächsischen?) Weihnachtsgebäcke des Stollens
die Gestalt des in Windeln gewickelten Jesuskindes zu geben«. Es
ist unbegreiflich, wie man aus der Gebildform des Stollens (siehe Ab
bildung Fig. 9) heraus solches finden kann: Eber — Wickelkind —
Jesuskindl!
Nach Lepsius (Kleinere Schriften I, 253) ist der Stollen 1329
zuerst in Naumburg erwähnt: »ac in vigila nativitatis Christi duos
panes triticeos longos, qui Stollen dicuntur, factos ex dimidio scephile
tritici nobis et successoribus nostris ad curiam nostram solvere
obligarunt«; demnach war schon damals der lange Stollen ein der
Herrschaft gezinstes Weihnachts-(Neujahrs-)Gebäck aus \Neizenmehl
(was M. Heyne, Deutsche Hausaltertümer II, 276, übersah); er ist ein
sächsisches, norddeutsches, böhmisches und fränkisches Gebäck, das
sich erst in der Neuzeit als Festgebäck auch in Süddeutschland ein
gebürgert hat. Sein Namen deutet auf ein pfosten- oder fußähnliches,
weckenartiges Langstück, das aber als moderner sächsischer (l)
Stollen immer einen durch oberen Überschlag des Teiges gebildeten
Spalt oder eine Kluft (Klöwe, zu: klieben, spalten) aufweist, während
der sogenannte Mohnstollen noch ausgeprägt vierkantig ist. Klöwen
(Hamburg), Schietchen (Erfurt), Schoren (Hessen) und Stollen sind
nahezu identische Spaltgebäcke; nur ist der sächsische Stollen dabei
noch pfostenartig langgestrcckt geblieben; als solches in der Mitte
strotzend sich verbreiterndes, langes Gebäck konnte der sächsische
Stollen in der Oberlausitz auch »Strützel« (siehe S. 40) genannt werden;
wie auch in Böhmen und im Voigtland die Verbindung des Stollens
mit der Zopfform schon 1723 (zopll'stollen : plocamus; Diefenbach,
Glossar, II, 295; Köhler l. c. 164) erwähnt ist. Der »Christ- oder "Weih
nachtsstollen«, der (nach Reclams Univ. 1900, S. 983) 1575 er
wähnt wird, ist ein halbhohes, halbilaches, in Dresden fußartig lang
gestrecktes Strützelgebäck, das einen oberen, durch Überschlag
des äußersten Fladenwickelrandes entstandenen Spalt, wie auch
die obscöne, aber muschelartige Meißner Fummel (Fig. 10) trägt.
Durch die Einwickelung des mit Mohn oder süßen Früchten etc.
belegten Fladenteiges und die Einlage desselben in ein stollenartig
45

langgestrecktes, vierkantiges Backgerät entstand der Stollen, der dann


vielleicht eine Kombination zweier Fruchtbarkeitssymbole (Strützel
—(—Spalt), einen Schlitzweck vorstellt. Am zweiten Weihnachtsfeier
tage findet alljährlich in Dresden die Überreichung von Christstollen
proben an die königlichen Majestäten, einer jahrhundertealten
Tradition entsprechend, statt. 36 Pfund schwer und 1‘/2 m lang waren
die beiden Mandel, beziehungsweise Rosinenstollen, die 1902 dem
Könige überreicht wurden auf großen Tragbrettern von acht Bäcker
meistern und acht Gehilfen, an deren Spitze der Obermeister der
Innung stand, der dann zur Verteilung schritt; jeder Stollen wurde
in 36 Pfundstücke zerlegt und verteilt; später folgte ein Mahl im
Hause der Bäckerinnung. Angeblich soll diese Überreichung der
Christstollen an den sächsischen Hof aus dem Jahre 1529 stammen.
Bei der Belagerung von Wien soll (l) sich ein Weißbäcker durch
eine wichtige Meldung verdient gemacht haben; darauf soll (l) Kaiser
Karl V. allen deutschen Bäckern das Recht verliehen haben, öffent
liche Umzüge zu veranstalten. Der erste solche Dresdener »Auszug«
fand 1530 statt; den Bäckern wurde dazu ein Scheffel Weizen vom
Hoffutterboden zum Backen großer Strützel bewilligt; diese Abliefe
rung der großen strützelartigen Christstollen (die eine Art von Re
kognitionsgebühr für die Gutsherrschaft zur Erntezeit vorstellte,
wobei namentlich die Strützel als Fruchtbarkeitssymbole figurierten)
an die königlich sächsische Hoftafel erfolgt also noch heute in
Dresden. Früher war namentlich die sächsische Stadt Siebenlehn
durch ihre Stollen berühmt. Bis zum Jahre 1447 durfte man, wenn
gerade die Fastenzeit war, zu den Backwerken keine Butter nehmen.
Da nun dem Weihnachtsfeste das große Adventfasten vorausging, so
konnte man damals wegen dieses Butterverbotes zum Stollenbacken
nur Öl benützen, das war sehr unbequem und das Gebäck mochte
nicht allzu fein schmecken; darum wendeten sich der Kurfürst Ernst
und sein Bruder Herzog Albrecht an den Papst mit der Bitte um
Aufhebung dieses Butterverbotes, die auch erfolgte. Später, um 1491,
durften auch andere ihr Gebäck mit Butter mengen; allerdings war
an diese Erlaubnis vom Papste die Bedingung geknüpft, den
zwanzigsten Teil eines Goldgüldens zum Freiberger Dombaue jährlich
zu entrichten. Die Reformation beseitigte dieses Verbot und auch
den sogenannten Butterablaß. Die oben erwähnten Siebenlehner
Stollenbäcker gerieten mit den Meißner Bäckern, die ihre »Meißner
Fummeln« (= vulva, in Teigform siehe Fig. 10) versandten, 1615 in
Streit, weil diese nicht zugeben wollten, daß Siebenlehner Gebäck
nach Meißen hereinkomme; auch die Dresdener Bäcker beschwerten
sich über diesen Import, da die Siebenlehner Bäcker große Fuder
Backwerk nach Dresden brachten. (Nach dem Dresdener Journal 1902).
Mit der Zunftkonkurrenz wanderten die Lokalgebäcke von Stadt
zu Stadt, aber nur ganz allmählich von Land zu Land; erst mit den
46

Eisenbahnen geschah dieser Gebäcksimport rascher; seitdem wurden


aber auch die »Stollen« nach ihrem Material varietätenreicher. Man
unterscheidet heute: Milch-, Honig, Mohn-, Kümmel-, Mandel-, Butter
(1491), Rosinen-, Sultaninen- (Sultania-), Gemischt-Stollen. Die
kleineren »Stöllchen« gelangten nach Schwaben, wo sie aber »Semmel«
benannt werden (Reiser, l. c. II, 738}; in Straßburg sind die weih
nächtlichen »Feststollen« sogar viereckig wie ein Kreuzbrot;
daraus ersieht man, wie schwer es ist, aus einem einzigen lokalen
Namen der Jetztzeit die Gebäcksform zu deuten. Die Glossierungen
der althochdeutschen Zeit sind leider beim Stollen mangelnd.
Auf Rügen werden in den Süderdörfern die Kinder bis zum
vierzehnten Jahre auf Weihnachten beschenkt; mit der Geschlechts
reife erhalten sie als letztes Geschenk den die sexuelle Bedeutung
symbolisierenden Stollen (Globus 1900, S. 386; vergl. auch unten:
Wecken). Wie beim oberbayrischen Kultbrot der Weihnachtszeit
(Klötzenbrot), so achtet man auch im Voigtlande auf das Aufgehen
des Stollenteiges bei der Gärung und stellt so die Prognose für die
Zukunft; geht der Stollenteig nicht auf, so stirbt der Hausvater bald
(Wuttkei S. 201; Kühler, l. c. 362), weil die den Gärungs- und
Backprozeß beeinflussenden Seelengeister des Hauses ihm nicht
hold sind, da diese kein würdiges Opferbrot erhalten.
Ein Fruchtbarkeitssymbol, ähnlich dem gespaltenen Stollen
(Fig. 19, 9, 12), der Meißner Fummel (Fig. 10) und dem Hamburger
Klöwen (Fig. 9), sind die Erfurter Schietchen (Fig. 12), die 5, 8,
12, ja selbst 15 Pfund schwer hergestellt werden (so auch in Weimar
und Eisenach); in Furtwangen heißen sie »Schiedle«, in Thüringen
das Schiet, angeblich so wegen des Bäckerscheitholzes, mit dem die
Bäcker daselbst die Kerbe, den scheidenden Spalt, die Kluft ein
drücken (W. Hartmann, l. c. 829); Schietchen ist aber eher zu
scheiden, spalten, zu stellen = fissura (rima vulvae); es ist ein weih
nächtliches Neujahrsgebäck (aber auch wie der formell identische
Lüneburger »Kindsfuß« [Fig. 9, 19] ein Kindbettgebäck, das die
Fruchtbarkeit symbolisieren soll), das in Erfurt auf Weihnachten
jeder Dienstbote erhält; je größer die Schietchen, um so größer die
Freude. In Erfurt kommen die »Eyerschyt«, Eierschitgen, bereits
in den Rechnungen über die Kosten des Gusses der großen Domglocke
(1495—1499) vor (von Tettau, Mittlg. d. Ver. f. Gesch. u. Altert. von
Erfurt, ll, 1866, S. 167).
Vielleicht gehören unter diese Gattung von Stollenspaltgebäcken
auch die Brandenburger »Schrüppen«, ein oben eingekerbtes (germ.
skr'e'p: einschneiden) Brotweckchen. Über die sogenannten Schrüppen
Gottesdienste (f!) und Schrüppenkirchen in Berlin siehe »Illustr.Ztg.« 1899,
S. 15. Die Koburger »Palisaden« sind ebenfalls ein solches Spalt
gebäck; die zapfenförmigen Hervorragungen sind dabei eine knusperige
Delikatesse (Fig. 17).
47

Ein weiteres Fruchtbarkeitssymbol in der Weihnachtszeit ist


der Stuten, die Stute des niederdeutschen Sprachgebietes. Der
Stuten (zu ndd. stut.; ahd. stiuz = Kerbe, Steiß) = panis triticeus
quadratus stellt als rund-konvexe »Bauernstute« den gespaltenen
Bürzel vor und ist ein Analogon zu den p.o).koi der sizilischen Thes
mophorien und zu den cougnoux (cunni) von Namur. Dieser panis
quadratus, entspricht in d i e se r v i e rec k i g e n Form der deutschen
»Mutz« (rautenförmiger, behaarter Fleck ober dem weiblichen mons
Veneris, Ilöfler, Krankheitsnamenbuch 429) (Fig. 5a) oder dem soge
nannten »Fleck«; der Mutzenbäcker (1491) stellte sie besonders auf
Fastnacht her; Mutz verwandelte sich sprachlich zu Mutzel, Mutzschelle,
Muntschelle, Maulschelle, l\laultasche, Ohrfeige; lauter Namen für Ge
bäcke. Die rheinländischen »Mutzen« (feminalia) und »Mändelcher« *)
(virilia scrota, Fig. 5b) haben die gleiche symbolische Bedeutung. Solche
rautenförmige Flecke waren das Symbol der Astarte. »For example,
there was, and perhaps still is, a custom at Nottingham for the bakers
to send round to their customers, at Christmas, the modern
representative of the ancient Saturnalia, large cakes or buns, which
are made in a lozenge-form <>; upon these are moulded sometimes
the form of the cross, but more frequently the Virgin and Child;
a coincidence which stamps the custom as having been religious at
a former period, and probably as commemorative of the worship of
Astarte« (Liebrecht, z. V. K. 439). Der Zusammenhang des Rhein
länder Fastnachtsgebäckes mit den römischen Saturnalien ist nicht
unwahrscheinlich. Als »Stutweck« vereinigt der Stuten die lange
stollenförmige Weckenform mit der Spalt- oder Klöwenform; er hat
seine Verbreitung von Holland und Schleswig bis nach Köln und
Halle. Die schleswig-holsteinschen »\Neihnachtsstuten« sind große
Rosinensemmeln mit einer oberen Spalte, ein Weihnachtsgebäck. das
ein Fruchtbarkeitssymbol (rima vulvae) vorstellt.
Wie andere solche neujahrzeitliche Gebäcke werden auch die
Stuten (an Stelle der Schmucksymbole) ausgelost oder man bringt sie
als bedeutungsvolles Krambrot vom Markt der Frau oder der Braut
mit nach Hause. (Jahrb. d. Landesk. d. Herzogt. Schleswig-Holstein
1862, I, 187.) Wie schon oben erwähnt, erbetteln auch die Kinder
aus den Dörfern der Lüneburger Heide sich auf Weihnachten die
»süßen Stuten«.
Das Stralsunder und Lüneburger \Neihnachtsgebäck, der Kinds
voot(Kindsfuß) benannt(siehe Fig. 9,19 und oben S. 46‘), entspricht dem
Klöwen, Schoren, Fummel, Schietchen. Stollen etc., das heißt es‘ist
ein die rima vulvae andeutendes Spaltgebäck, das als Fruchtbarkeits
opfer in die Weihnachtsgarbe gesteckt wurde; letztere gab man,
*) Der etymologische Zusammenhang mit Mandel (Kern) ist abzulehnen; sie heißen
auch Mutzenmändelcher; die betrefl'enden Gebäcke sind nur in katholischen Orten am
Rhein zu finden.
48

nachdem sie die Nacht im Freien gestanden, um den Segen der


heiligen Nacht zu erhalten, auch dem Vieh zu fressen, um es frucht
bar zu machen. »Sö drögen se garwcn in de koppele eften susen de
lucht, dat se de wint snö rip efte. sus de lucht beschinen konte; dat
hätede men des morgeris kindesvöte, dat d6lde men des morgens
allem vähe fit; sloch öne garwe 2 efte 3 fit unt gaf den swinen,
koien, enten, gensen dat so alle des kindesvötes genöten scholden.«
(Jahn, l. c. 277, Mannhardt, l~ c. 233.) Das plattdeutsche Wörterbuch
von Dähnert, 227, schreibt (1781): »Kindsfoot ist das Zuckerwerk.
welches den bey Entbindungen eingeladenen Frauen vorgesetzt
wird, die ihren Kindern davon mitzunehmen pflegen und den
selben vorsagen, das habe das neugeborene Kind an den Zähen
mitgebracht. Kindsvoot hießen auch bei unseren päpstlichen Vor
fahren die am Weihnachtsabend ausgelegten (iarben, welche, wenn
sie in dieser Nachtluft infiziert waren, der Aberglaube zum Futter
gab und sie für gedeylich aufs ganze Jahr hielt.« Der Segen der
Opfergabe ging auf die \Veihnachtsgarbe über, aus der auch das
Korn zum Kindsfußgebäck stammte. (Vergl. Z. d. V. f. V. K. 1903,
S. 438.)
1LZu den Fruchtbarkeitssymbolen in der Weihnachtszeit gehört
auch der Wecken (Fig. 6), der wie ein Pfahl (ital. paleo=“'ecken
brot; palus, phallus) oder Stollen langgcstreckt ist. Die Oberpfälzer
»Spießwecken« sind ebenfalls bei Hochzeiten ein solches Symbol, das
auch auf Weihnachten als Kultgebäck wiederkehrt. In Frankfurt a. M.
sind die »Christweck« 1446 bereits erwähnt (Kriegk, l. c. I, 352,
394, 567); 1455 durften daselbst auch die fremden Bäcker auf \Veih
nachten solch gewürzreichere Wecken verkaufen. 1579 gaben die
Stiftleute der Herrschaft llelfenberg (Niederbayern) ihrem Prädikanten
als Neujahrsspende einen »VVeihnachts wecken«, der vermutlich ein
mit Birnklötzchen gemachter »Birnen wecken« war (Graf, Die Burg
und Herrschaft Helfenberg, 1875, S 281, 285.) Der »Bireweggen« ist
auch in der Schweiz ein mit Zimt bestreutes Weihnachtsgebäck.
(Schw. A. f. V. K. IX, 45.) Auffallend lange und große Wecken
sind in der Röhngegend auf Weihnachten üblich; nach dem
zwölften Lebensjahre erhalten die Kinder daselbst als letztes Paten
geschenk, das heißt als Zeichen der sexuellen Reife oder wehr
fähigen Mannbarkeit auf Weihnachten solche Wecken, aber es steckt
dann immer auch ein Messer (Schwert) im Wecken (Höhl, Höhn
spiegel 83); auch an anderen Orten erhalten die Kinder auf \’Veih
nachten lebkuchene Waffen (Fig. 63); den identischen Stollenspende
brauch auf Rügen haben wir oben schon erwähnt.
Im badischen Wolsach kaufen den Mädchen die Burschen auf
dem sogenannten Kuchenmarkte (am ersten Montag nach Christi
Geburtstag) sogenannte Spitzweck (als Fruchtbarkeitssymbol) (Meyer,
li. V. L., 198 ff.)
49

Selbstverständlich haben diese symbolischen Gebildbrote, an


deren obszöner Natürlichkeit die früheren Jahrhunderte keinen Anstoß
genommen hatten,*) im Laufe der Zeit dieselben mehr oder weniger,
fast nur bis zur Andeutung, verloren; bloß ihre Namen, zum Beispiel
Geige, Fummel, Tasche, Prügel, Bengel, Stange, Stute, Strützel,
Mändelcher, Mutzen etc., verhelfen zum Teil die heute oft stark ent
stellten Formen (Fig. 10 bis 19) auf ihre Bedeutung zu erforschen,
wobei uns die Analogien aus dem altrömischen Leben Bestätigung
geben. Die römischen Bacchanalien und Saturnalien haben sicher
auch bei uns in Deutschland ihre Spuren im Volksleben diesbezüglich
hinterlassen. (Vergl. Lobeck, Aglaopbamus 1061, 1067, Juvenal II, 53);
Martial XIV, 61, IX, 3; Rochholz, Drei Gaugöttinnen 84; Wolf, Bei
träge I, 107; Koch, Conject. de spiris pist. 15.)
Bei den dreitägigen Thesmophorien der sizilianischen Weiber
wurden zu Ehren der Göttin Demeter Sesamkuchen in Form von
ägm,3aiaz ywauzaiat gebacken und herumgetragen, welche pok).ot ..-—.. cunni
hießen. (Liebrecht, z. V. K. 438; Chr. Koch, Conject. de spiris 15.)
Auch die Südfranzosen hatten 1560 nach Bruyerius Compegius
(de re cibaria): »cibi quos cunnos saccharatos (=»Zuckerfötzeln«)
appellant.« Die Isisbrötchen der Römer hatten die Gestalt der Vulva,
die Vestabrötchen die des Penis. (Scheible, VII, 249). Siehe auch
Lichtmeßgebäcke in Z. d. V. f. V. K. 1905.
12. Ein altes, aus der romanischen Sprachperiode stammendes
Gebäck, das unter anderem auch in der Weihnachtszeit auftritt, sind
die Fogezen, Vochezen, Fogazen, Pogatschen, die (nach
Mones Z. XIII, 142) bereits im 9. Jahrhundert im Französischen als
fogatie, und zwar als Weihnachtsgebäck erwähnt sind; es ist dies
(nach Du Gange, l. c. III, 531) der panis focacius, subcinericius, sub
cinere coctus et reversatus, pain cuit en cendre, das heißt ein ehemals
auf dem Bordsteine (focus) gekochtes weihnächtliches Aschbrot,
ahd. vochenza z: elissa oder geröstetes Brot; fochez : crustula;
vochenza =— lagana, collyrida, torta; 1339 panis focagii = pain de feu,
qui pro focagio solvitur (Du Gange, VI, 133), altslawisch pogaöa
(Schrader, l. c. 114); es wurde später von einer besonderen Klasse
von zünftigen Bäckern hergestellt und war ein fladenartiges Mürb
brot der Bürger; ursprünglich ohne Hefe unter der Herdasche her
gestellt (vergl. Schmeller, I, 686), wurde es später zum Ofenbrot und
blieb lange Zeit eine zinsbare Rekognitionsgebühr der Neujahrszeit,
eine Art bürgerlicher Herdsteuer, die beim Beginn eines neuen Jahres
fällig war. Als Fochanza wurde es später von den zünftigen Bäckern
der Städte feiner bereitet, so daß die Foganzer oder Vochezzcr zu Groß
bäckern wurden (Staub, D. Brot 82, 127, 130).
"‘) Bruyerius Compegius, de re cibaria (1560) schrieb damals: ‚Aliae placentae
repraesentant virilia (si diis placet); adeo degeneravere boni mores, ut etiam cbristianis
obscoena et pudenda in cibis placeant.‘l

Zeitschrift fl'u' östcrr. Volkskunde. 4


50

Die Befugnis, einen eigenen Backofen auf eigenem Grund und


Boden sich zu erbauen, war das selbstverständliche Recht eines Freien;
mit der Ausbildung der Gewerke in den Städten mußte dieses Recht
wegen Feuersgefahr überwacht werden, und darum ward jeder focus
(ags. foca; mlat. focatia; focacia : placenta quae ad focum seu ignem
familiarem coquitur, Du Gange, III, 531) oder Herdstein, beziehungs
weise Ofen mit einer Herdsteuer (Focheze) belegt; nach und nach
kam es auch an manchen städtischen Orten zu einem gemeinsamen
Backhause (domus furnariae), in welchem das Frischbacken im Turnus
umging (Berlepsch, Chron. d. Gewerke VI, 86, 88). Die Form dieser
Focheze kann sehr wechseln, je nach der Örtlichkeit, in der es von
den Feilbäckern verkauft wurde; ursprünglich wohl ein fladenförmiges
Aschenbrot, wurde es unter anderem ein sehr einfaches. kleines
Rundstück, das 1446 als »Bruder-Fochezem an die Kranken und
Armen (Armen Seelen) im sogenannten Bruderhaus zu Frankfurt ver
teilt und auch auf Weihnachten an die Angehörigen verschenkt wurde
(Kriegk, l. c. I, 367, 394, 352). Im tirolerischen Gsießtal nimmt die
Fochaze oder Fochez auf Weihnachten die Figur von Hasen
oder Männern an, das heißt letztere wurden in dieser Zeit aus dem
gewöhnlich hergebrachten Fogazenteige hergestellt. Im Krainerischen
heißen sie »Pogatschen« und sind dort ein hochzeitliches Festgebäck
(Z. d. V. f. V. K., 1894, S. 77), dessen Form dem Verfasser nicht
bekannt wurde.
13. Die »großen, scheiblich gestäubten Semmelna, welche die
Münchner Hofbäcker nur auf \Neihnachten herstellten, sind durch das
aufgestäubte (Seelen-)Mehl als Armeseelenspende zu deuten; solches
Seelenbrot konnte durch die hochheilige Kultzeit sogar zum Zauber
brote werden, so (nach Praetorius, l. c. 401) 1663: »Am Christabend
soll man für drei Heller Semmel kauffen, solche in drei Bissen
eintheilen und durch drei Gassen es verzehren (das heißt im Freien,
so daß die in dieser Zeit umfahrenden Schicksal=geister auf dasselbe
einwirken können), in einer jedweden Gasse ein stücke; darauf wird
es geschehen, daß man in der dritten seine Liebste siehst, die einem
begegnen wird« (ein Opferaugurium der Neujahrsnacht, das sich in
ähnlicher Weise öfters findet).
Um sich »gefroren« (das heißt unverwundbar) zu machen, schrieb
man 1646 auf einen kleinen Zettel aus Jungfernpergament die Buch
staben I. N. R. I., überzog denselben mit Weizenmehlteig, formte
daraus runde Kugeln, über die drei Messen, das heißt in der Weih
nachtszeit, unterm Altar- oder Opfertuche gelesen wurden, dann ver
schluckte man sie morgens mit bestimmten Zauberworten. (Schweiz. Id.
IV, 661.)
Im tschechischen Teile von Schlesien ißt man am heiligen Abend
Fische und Mohngebäck (Fastengericht), steckt auch eine Kruste von
einer VVeizensemmel und sonstigem Kornbrote an ein Messer und
51

läßt dieses, in ein (Opfer-)Tüchel gehüllt, eine Nacht im Freien liegen;


wenn nun die Semmel an dem Messer einen größeren Rostfleck
verursacht hat, so gedeiht der Weizen im kommenden Jahre weniger
gut, wenn das Brot, so soll das betreffende Brotkorn nicht geraten.
(Globus 1900, S. 340.) Die Semmel, ein Gebäck aus feinerem,
weißerem Semmelmehl, bezeichnet häufig nur irgendein Festbrot,
die Form des letzteren kann sehr verschieden sein, Wecken, Stollen etc.,
so zum Beispiel bei der Egerländschen »Weihnachtssemm e l«. (Ober
lohma, Dorf, v. A. John, S. 155); weist deren Rinde Risse auf, so steht
ein Todesfall in der Familie bevor (Egerland, 1905, S. 33), weil sich
die Hausgeister ungünstig gesinnt zeigen.
Der 79. Canon des Generalkonzils zu Konstantinopel 690/91
setzte schon fest: »Quando aliqui post Diem Natalem Christi Dei
nostri reperiuntur coquentes similam (Weißmehliladen) et se hanc
mutuo dantes, praetextu seil. honoris secundinarum (Mutterkuchen,
placenta?) impollutae Virginis Matris, statuimus, ut deinceps nihil
tale Iiat a fidelibus.« (Hazlitt, I, 116.) Das festliche Semmelgebäck
hatte vermutlich auch eine bildliche oder formelle Andeutung an den
Ehrungszweck. Usener (im Archiv f. Relig.-Wissensch. VII, 288) nimmt
nur einen Brei aus feinstem Weizenmehl an (ceaiöahq). Diefenbachs
Gloss. I, 525, deutet dieses ebenfalls als similam __—_ Semmelgeb'äck.
Es ist nicht wahrscheinlich, daß man sich gegenseitig mit Weizenbrei
beschenkte, viel wahrscheinlicher aber ist es, daß man sich nach der
Neujahrssitte mit süßem, feinem Gebäcke gegenseitig bedachte. Schon
früh scheint das Semmelmehlgebäck als Seelenbrot verwendet worden
zu sein; noch heute ist unsere süddeutsche Semmel dem Kreuzbrote
der Katakomben vollkommen identisch. Das Körneropfer, das nach
Walthers von der Vogelweide Testament den Vögeln (Seelengestalten)
zur Weide »ad aves quotidie pascendas« jeden Tag gegeben werden
sollte, verwandelte sich in ein Kapitelbrot für die Geistlichen des
Domkapitels, »transtulit in semellas, dari canonicis in suo anni
versario et non amplius volucribus.« (Z. d. V. f. V. K. 1905, S. l.)
Schon Karl der Große hatte eigene »pistores qui similam ad Opus
nostrum faciunt« (Capitulare de villis, 45 Cap.); kurz, Semmel ist ein
besseres Seelenbrot, damit weiterhin Festbrot, heute alltägliches Gebäck.
14. Sonstige Lokalgebäcke der Weihnachtszeit sind:
a) Im Elbtale: der Apfelstrudel (ein gedrehtes Gemengsel in
Gugelhupfform); in der Steiermark: der Mohn- und Honigstrudel
mit Karpfen (»Putizena); man sieht, unter welch verschiedenen Formen
Honig und Mohn, die uralten Beigaben zu den Seelenspeisen, hart
näckig wiederkehren; dazu gehören auch die aus Honigkuchen her
gestellten Schweizer »Leckerliu (runde Zeltchen oder Fladen).
b) Im Böhmerwalde, in Oberbayern ehemals: der rösch in Schmalz
gebackene »Weihnachts röt z.el«‚ eine Art gerösteter Eierschmarren, zer
hackter Pfannkuchen, der heutzutage eine Alltagsspeise geworden ist.
401
52

c) In Böhmen: die »Talken«.


d) In Kempten (Schwaben): die »Nock en«; letztere beide klein
knollige Teigklümpchen, die in Fettschmiere noch glitschrig gebacken
werden.
e) Im bayrischen Wald (nach Schmeller, I, 745, II, 9, 1062, und
Rochholz (Deutscher Glaube II, 270): die Fürwitzel, viereckige‘
kleine Lebkuchenflecke, nach der Form der Fürwitzelfrucht (althoch
deutsch furiwiz = cornus mas) benannt. Im Egerlande (Mies) gibt es bei
armen Leuten am \Neihnachtstage sogenannte Dörwitsche oder
Dörewitsche (vielleicht entstellt aus Fürwitzel), flache, mit Mohn be‘
streute runde Flädchen. (Gefällige Mitteilung des Herrn A. John.)
f) In der Schweiz: »Züri-H ü p p l i«, das heißt Züricher Hohlhippen,
Oblatenröhren, die in Schaffhausen auf Weihnachten hergestellt werden,
ebenso die »Dirggeli« (zu: torquere) ein Modelgebäck. (Schw. A. f.
V. K. IX, 45.)
g) In Ludwigshafen (nach W. Hartmann, l. c. 855): das -»C h ris t
E i«, ein Weihnachtsgebäck in Eiform; in Holstein: die »Ochsenaugen«
(»Eier in Schmalz« sonst; dort aber ein kleiner, runder Pfefferplatz),
die dort (nach Reclam, Univers. 1900, S. 988) am Dick— oder Vollbauch
abend in unheimlichen Quantitäten vertilgt werden.
h) Im Elbtal: die »Semmel-Babe«, eine festliche Semmelspeise
für die slawische Dämonin Baba (altes Weib), ein sogenannter
Baba-Tatsch in Napfkuchenform; dieser Guglhupf hat Turban- (türkisch
= dulband) Form und heißt darum in Holland‘ Tulband als festliche
Speise der Weihnachtszeit.
z‘) In ‘Westfalen: das »Lose« genannte, lockere, lose Festbrot,
Losbrot ohne bestimmte Form vom Losbäcker hergestellt, feineres
Festbrot, Zwiebackreihe.
k) In England: die Christmessepasteten, (1626) Chrismas
Pyes, Coffin Pasties, Fleischpasteten aus Rinderzungen, Hühner- oder
Gänsefleisch, Eier, Zucker, Rosinen, Zitronenschalen und verschiedenen
Gewürzen. (W. Hartmann, 376 ff.; Ortwein, 97 ff.) Daß diese länglichen
Christmessepasteten die biblische Krippe vorstellen sollen, wie Hazlitt,
I, 121 ff., meint, ist durch nichts bewiesen; auch die sächsischen Stollen
sollten(!) eine solche vorstellen. Die Christmessepasteten sind auch als
goose-pies (Gänsepasteten) in Yorkshire am Stephanstage üblich,
die an arme Leute verschenkt und bis zum Lichtmeßtage aufbewahrt
werden. (Hazlitt, II, 564, 496.) Außerdem gibt es in England am
Christmeßabend Shrid-Pies (geschnittene Pasteten) und Mince-Pies
[klein gehackte Hach6s], Hazlitt, II, 412.) In der Jul- oder Christmeß
zeit singen in Yorkshire die Kinder:
Ule, Ule, Ule, Ule!
Three puddings in a pule
Crack nuts and cry Ule.
(Hazlitt, II, 671.)
53

l) In Westilandern: die Vollaerd, Volard (nach Schuermans


Algemeen Vlaamisch Idiotikon 826; vergl. auch Z. d. V. f. V. K.
1902, S. 199) ein langer Kuchen aus \Neißmehl, der sonst »Engel
kuchen« (das heißt, für die einkehrenden Seelengeister bestimmt)
genannt wird und auch am St. Michaelstage (einem germanischen
Neujahrstage) dort üblich ist. Vielleicht zu volrä.t = Dezembermonat
im Kopenhagener Kalender. (Vt’einhold, M. N. 59.)
m) In Thorn: »die Katherinchen«, so benannt vom Katharinen
tage (vier Wochen vor Weihnachten) mit der Katharinenmesse, um
welche Zeit man in Thorn mit dem Backen der Pfefferknchen begann;
hellbraune, zähe Lebzeltchen in Gestalt einer Doppelkette von je drei
kleinen Rosetten oder Plätzchen, die aneinandergereiht ist; jedes
Plätzchen hat eine kleine, flache Rosettenform aufgedrückt; das Gebäck
gehört zu den weihnächtlichen Lebkuchenformen (Fig. 20).
n) Im germanischen Norden gibt es dänische Svine-rßrer(Schweins
ohren), ocble-skiver (Apfelscheiben = Apfelkücheln) (Feilberg", 114)
und schwedische Döfvels-katt, auch Lussi-katt, Lussi-bröd genannt
(Gothenburg) (Feilberg*‚ 170, 345), über die wir schon in Z. d. V
f. V. K. 1902, 436, geschrieben haben unter Deutung als sogenanntes
Knaufgebäck *) (Teufelskatze, Luzienskatze); dasselbe ist iden
tisch mit dem holsteinischen Düv- oder Tüfkater (»Teufelskater«)‚
welches aber in Friedrichstadt bereits zur Nikolauszeit (Vorfeier
der Winlersonnenwende) gebacken wird, nachdem es von den Hol
ländern 1620 daselbst eingeführt werden war. Die schwedische Jul
kuse (siehe S. 64) ist ebenfalls identisch in der Form mit der schwedi
schen Teufelskatze und gehört zu der Gruppe der deutschen »Buben
schenkel«-Gebäcke, die von der Schweiz (»Schenkeli«, Schw. A. f. V. K
IX, 45) längs des Rheins abwärts wanderten und dann unter anderen
Namen nach Schweden gelangten, wo sie als Festbrote ältere Opfer
gaben verdrängen konnten. Von dieser Jul- oder Teufelskatze hat
auch der als kleiner Jul (lilla jul) dort geltende St. Lucientag (12. De
zember) den Namen: »Kattens Jule-Aften«. (Feilberg’, 116.) Zu diesen
Knaufgebäcken der Weihnachtszeit gehört auch die Egerländer Paten
semmel (Fig. 22), ein typisches Schenkelknochengebäck.
15. Wie die Fruchtbarkeitssymbole von den eigenen Spendern, be
ziehungsweise vom Gesinde verzehrt werden, so verzehrte das Volk

‘) Diese unsere Deutung der Knaufgebäcke als Gebilde, welche den Schienbein
knochen eines Rindes mit dem daran befindlichen Brat oder Fleisch darstellen sollen,
findet eine überraschende Unterstützung in der Tatsache, daß die alten Ägypter diese
nämliche Zeichnung, die wir als Typus oder Urform der Knaufgebäclre aufgestellt haben
(Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 448, Tafel II, Fig. 15), auch als Hieroglyphe für den Opfer
braten (Vorderbug) (‚sut‘) hatten, die auf den Speiselisten an den Wänden der Grah
kammern der vierten Dynastie häufig erscheint (siehe Fig. 22 c) (Wilkinson, The Manners
and Customs of the ancient Egyptians 1878, II, 28, 35, 458). Durch Wanderung zu den
Griechen und Römern kann das dieses Opferfleisch vertretende Gebildbrot auch zu den
Deutschen gelangt sein wie andere solche Gebäckformen.
54

auch seine eigenen Dämonen, das heißt die Teiggebilde, welche


solche bedeuten sollten. Der Trieb, solchen Gestalten der Furcht
bildlichen Ausdruck zu geben, sie mit eigenen Augen zu sehen, ja
sie sogar zu verzehren, ist allgemein menschlich (vergl. Liebrechh
z. V. K., 436, der aufgegessene Gott). Unter den deutschen Gebild—
broten, «welche in der \Neihnachtszeit vom Volke (Hausfrau, Nonne,
Bäcker, Lebzelter, Konditor etc.) hergestellt werden, heben sich, wie
bei der Vorfeier der winterlichen Sonnenwende, am St. Nikolaustage
(s. Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 86) besonders zwei Gestalten ab:
a) Der männliche Schimmel-ableiten, der auch zum
Ritter (ohne Schimmel), Edelmann, Mann mit dem Schwert oder
Degen, Soldaten, Jäger, Bauer, Schützen etc., umgebildet wurde
(Fig. 23) (vergl. auch Abbildung in Z. d. V. f. V. K. 1902, Tafel I,
Fig. 1). Bei dieser Gelegenheit sei es gestattet, auf eine bemerkens
werte Analogie aufmerksam zu machen, welche besteht zwischen
dem aus Teig gebackenen hornblasenden Reiter in Lüneburg (Fig. 25)
einerseits und dem wilden Jäger (Dietrich von Bern) auf einem Stein
bilde des 12. Jahrhunderts am Portal zu St. Zeno in Verona anderer
seits (Fig. 24). Da es sich bei letzterem Bilde um Verchristlichung
einer heidnisch-germanischen Vorstellung handelt, so setzen wir
auch den beigefügten Lapidartext bei, mit dem Bemerken, daß im
Orlegau der wilde Jäger Bern-Dietrich, bei den \\’enden Dyterbernot
oder Dieterbernada, in Holstein Diederich-Blohm, in Geldern Dirk
met den Bur, das heißt Dietrich mit dem Eber, weil er in der
Christnacht als wilder Jäger einen Eber jagt, genannt wird
(Krause, Tuisko-Land, S. 228): »O Regem stultum! Petit infernale tri
butum. Moxque paratur equus, quem misit demon iniquus; Exit aqua
nudus; petit infera non rediturus; Nisus, equus, cervus, canis huic
datur; Hos dat Avernus« (der Höllendämon gibt ihm im Jenseits Jagd
tiere) (vergl. Beilage z. Allgem. Ztg. 1904, Nr. 125, S. 396).
b) Die weibliche Spinnerin (Holle-Perchta), die zur
fächertragenden Edelfrau, Ritterin, Reiterin etc. ausartete. Aus Rück
sicht auf den Raum müssen wir leider auf die Wiedergabe dieser
betreffenden Abbildungen verzichten (siehe Abbildung in Z. d. V. f. V. K.
1902, Tafel I, Fig. 4).
Natürlich ist im heutigen Volke der Gedanke, daß solche Weih
nachtsfiguren ehemalige Dämonen vorstellen, nicht mehr gegeben,
während im sonstigen Volksbrauche Erinnerungen an die letzteren
noch haften geblieben sind. In Reichenbach, im Vogtland hat man
(nach Köhler, l. c. 455) zu \Neihnachten den Brauch, kleine Moos
männer auf den Tisch zu stellen; in Altbayern und Osterreich sieht
man auf Weihnachten neben dem Hutzelbrote oder Birnlaibchen auch
die schwarzen Krampusse,*) schwarze, aus getrockneten Zwetschken
"‘) Vermutlich = Chronymus (Hieronymus) oder Chranimus, dessen Festtag mit
dem St. Michaelsiag (germanisches Neujahr) zeitlichen Zusammenhang hat.
55

gefertigte, das heißt auf Draht gegliederte Männer (Kaminkehrer etc.)


in Öbstlerläden; als Teigfiguren kehren die Dämonen bei den volks
üblichen Weihnachtsgebäcken unter verschiedenen Namen wieder, die
wir schon in der Abhandlung über Nikolausgebäcke (siehe Z. d. V.
f. V. K. 1902, S. 88) größtenteils aufgeführt haben.
Hauptsächlich ist es der Schimmelreiter, den wir als Wode
oder männlichen Dämonenanführer kennen gelernt haben. In der
Röhngegend erhalten die Patenkinder große Reiter aus Marzipan
teig (Kühler, l. c. 83). Im Lüneburgischen wird der »rüter to peer«
aus feinem Semmelteig, der mit Goldschaum verziert wird, bereitet.
Dieses \Veihnachtsgebäck bringt der Vater aus dem nächsten
Städtchen mit, häufig das einzige Geschenk, das an die Weihnachts
bürde erinnert. (Lüneburg. Altert. Ver. 1887—1890, S. 37.) Im
Elsaß reitet ein Männlein oder \Neiblein auf einem gebackenen Hasen
= »Hasenritter« (Elsäss. \Vörterb. II.‚ 303); eine Abwechslung, die
ihre Parallele im Salzburger »Gockelreiter«, »Hahnreiter« (siehe
Z. d. V. f. V. K. 1902, Tafel I, Fig. 2) in der Nikolauszeit haben
dürfte. Am Niederrhein heißen solche Weihnachtsfiguren, Ritter etc.
aus Lebkuchenteig auch »Spekulatius« (ndl. spekulaas von speculator
= episcopus, sil. St. Nikolaus), eine vom St. Nikolaustag auf den
\Neihnachtstag, dies natalis Domini Dei, übertragene Bezeichnung.
Die übrigen männlichen Dämonengestalten dieser VVeih
nachtszeit heißen Dambedei (Schwarzwald): Domini Dei, Puppen
(Rhein), Fochezen, Lebkuchenmann, Mehlweißchen (Schlesien) (Fig. 26),
Bibermann (Zürich), Printenmann (Rhein), Weihnachtsmann (Nieder
sachsen) etc. In Dresden pflegte sich zur Zeit von v. Kügelgen (l. c. 89)
acht Tage vor dem \/Veihnachtsfeste der Altmarkt mit einem
ganzen Gewimmel höchst interessanter Buden zu bedecken; die
Schornsteinfeger (schwarze Dämonen, Krampusse) von gebackenen
Pflaumen, die gespenstischen Knechte Rupprechts etc, das alles regte
festlich auf, schreibt v. Kügelgen. Die ursprünglichen Hausgötzen
(Ahnenbilder) nahmen eine schreckhafte, furchterregende Gestalt an
und verwandelten sich im Laufe der Zeit auch da und dort in ganz
moderne Straßentypen; so wurden sie zu Bauernjungen (Salzdahlum
im Braunschweigischen: büerjungens); in Holland paradieren bereits
die Burenmännerköpfe, in Dänemark die Könige (Konger), (Feilberg",
114) unter den W’eihnachtsfiguren. Im‘ Volksmunde tragen solche
Teigpuppen oder Tocken (engl. Yule-Dough) häufig den Namen eines
wichtigen Kalendertages, zum Beispiel Nickels (Nikolaus, 6. De
zember, Vorfeier der Wintersonnenwende), Nissepuks (Nikolaus
puck (Schleswig-Holstein), Niese (Nikolaus), Nisse-Nasse (Schweden),
Lippel (Philipp, 1. Mai, Frühlingsfest), Michel (29. September, ger
manisches Neujahr) auf Michaeli, Krampus (Chronymus 30. September),
Hansel (Johannes, Sommersonnenwendtag), Hann-Ädämche (Johannes
Adam der Wintersonnenwende), Adam und Eva (Wintersonnenwende).
56

Kasperl (Kaspar, 6. Jänner, Großneujahr), Dambedei (Domini Dei seil.


dies, Weihnachten) im Schwarzwald.
Prof. Meringer hat in den »Indogermanischen Forschungen«
(XVI. Band 1904, S. 152, Wörter und Sachen) dargelegt, daß die ger
manischen Julblockgebräuche den slawischen diesbezüglich so gleichen,
daß die Annahme der Entlehnung aus dem Germanischen notwendig
sei; 1689 wird von dem Christabende im istrischen Krain erzählt,
daß jeder Hauswirt einen Weihnachtsklotz, »pain« genannt (pafij),
nach Hause bringt, wo er (wie der nordische yuleblock) ins Kamin
feuer geworfen wird und langsam verbrennt; wenn dann die Leute
zum Abendessen gehen, geben sie dem Klotze von jeder Speise zu
essen und laden ihn dazu ein. Im Görzischen wird dieser Block
boäiö genannt und wie ein Feuerbock verwendet; man sitzt um ihn,
betet, singt fromme Lieder und begießt ihn mit Wein, was auch im
Karst geschieht. Die Serben, bei denen der \Neihnachtsblock badnjak
heißt, begießen ihn nicht nur mit Wein, sondern streuen noch Mehl
darüber. Der Weihnachtsblock, der im Slawischen sogar dem ganzen
Weihnachtsfeste den Namen gab, empfängt also Götzenehren; ähn
liches auch im Toskanischen.
Die Weib lieh en Gestalte n werden auch als Puppen, Tockem
Zucker, Teig- und Brotpuppen an den Weihnachtsbaum gehängt; in
der Schweiz werden die »Froeuwi« aus Vt’eizenmehl und Eigelb
hergestellt (Schw. Id. III, 1243). Im ungarischen Kalotaszeger Bezirk
knetet man aus den Brotabfällen des Weihnachtstisches eine mensch
liche Gestalt und wirft sie in den Backofen mit den Worten: »Esset,
schöne Frauen!« (euphemistisch für böse Feiert), (Z. d. V. f. V. K.
1894, S. 311).
Das Volk wollte seine Dämonen nicht bloß ehren, sagen und singen,
sondern auch unter Maskengestalten schauen oder als hausbackene
Gebildbrote sogar verzehren.
Auch die Doppelgestalten (Mann und Frau) ergeben sich von
selbst im Volksbrauch, der solche Symbole der geschlechtlichen Liebe
in neuerer Zeit vorzieht, während in mittelalterlicher Zeit solches
weit natürlicher dargestellt wurde. In Stralsund gibt es eigene
Zwiebackweckchen, welche auseinandergeschnitten, mit Butter be
strichen und dann als »Männchen und \Neibchen« aufeinandergelegt
zum Kaffee gegessen werden. Im Schwedischen, das ja auch auf
Stralsund Einfluß hatte, gibt es nach Feilberg’, 343, ein feines
weiches Fladbrötchen, Lefsa (Laibchen) genannt, welches wie obiges
mit Butter bestrichen und zusammengelegt wird.
Die Brautpaare mit dem Kindersegen (Wiegenkinder,
Wickelkinder, Zeilenkinder etc.) finden sich beim Beginn des Neu
jahres ebenfalls als Zukunftswiinsche für die menschliche Fruchtbarkeit
ein. (Fig. 27 bis 32.)
57

Das Christkind im Wagen, in der Wiege (Fig. 38, 30) oder


als Engelligur im Stern (Abbildung siehe Z. d. V. f. V. K. 1904,27?) sind
Umdeutungen ins Christliche. Rochholz (Illustr. Ztgv 1888, S. 667) führte
an, daß im Mönchsgute auf Rügen ein \Veihnachtsgebäck in Pferde
gestalt »Kinjös«, (Kind Jesus) genannt werde, das heißt als
Christbürde an Christi Geburtstag; auch in Pommern ist 'Kindeken
Jös' (1776) eine solche Christbürde, wie St. Nikolaus ein »Klösen
zeug‘ in Süddeutschland ist. Alte Überlieferungen wurden mit christ
lichen Vorstellungen verschmolzen. Diese Christkindfiguren sind aber
verhältnismäßig moderne Weihnachtstypen. Das »Neujahrskindr ist
älter und als solches wohl die bildliche Darstellung des jungen,
kommenden Jahres mit all seiner erhofften Fruchtbarkeit; vom »Neu
jahrskindes muß mm die Hansel-, Nickel-, Lipperl-Figuren und
sonstigen -Teigaffen« trennen; letztere sind Kalendertagsl'iguren an
Stelle der früheren zeitlich korrespondierenden Hausgötzen. Solche
Teigfigürchen hatten ebenfalls schon die alten Römer, die sie Cajoli
(kleine Cajus) nannten, »bellaria puerorum imagines referentia« (Lobeck,
Aglaophamus, 1080).
Hazlitt, I, 117, führt unter den Christmeßgebräuchen Englands
an: »Presents were made by bakers to their, customers at this time
in old days: a baby of paste, or a cake with the figure of a lamb
on it; but,‘ altough in the formation of cakes all sorts of fantastic
shapes are still resorted to and lambs in sugar and flour are still
occasionally to be seen, the good ancient custom of giving such
things away has died out.«.
In Schweden beschenken sich die jungen Leute aufJul mit leb
kuchenen Herzen (in Deutschland meist nur an Jahrmarktstagen),
welche die Aufschrift »God Jul: (siehe Fig. 37) in Zuckerguß zeigen.
Im Egerland erhalten die Mädchen als Patengeschenk der Weihnachts
zeit herzförmige »Koleda« (calendae = Neujahr). In Deutschland
kommen diese aus Teig hergestellten Herzfiguren unter verschiedenen
Namen vor: »gebrochene Herzen< (Celle, Hannover), eigentlich eine
Brezelform, welche auch Ohr, Schweinsohr heißt (Archiv f. Anthropol.
1904, S. 106, Fig. 24); »gerührte Bruder-Herzem (Neuwied,
Gnadenberg), ein Herrnhuter Spezialgebäck aus gerührten Eiern,
Milch und Zucker in herzförmigen Modelformen gebacken; »Opfer
Herz« (Salzburg) in der bei Opferungen in der Kirche üblichen
Form, zum Unterschied vom »Tocken- oder Puppen-Horn (weib
licher Busen); »Zucker-Herzlein: im Salzburger Kochbuch IV, 108,
»Schaum«- (l751)‚ Mandel- (1763), Zimt-Herb, »Schwumm-Herz
(aus schwammigem lockeren Butterteig), »Butter-Herz- (Stralsund);
alle diese deutschen Herzformen haben die bekannte, oben durch eine
runde Einkerbung gelappte Form (siehe Fig. 36), welche als Bild zuerst
in der Venediger Accademia di Belle Arti auf einem Gemälde von
Marco Marciale, La cena in Emaus 1440 (nach gefälliger Mitteilung
58

des in Volkskunde vortrefflich bewanderten l“rtiuleins Elisabeth


I.emke‘\ vorkommt.
Auch auf einem Bilde des Gemäldezyklus ‚Die Jahreszeiten«
(l575 bis 1632) von Bahlen d. Ä. in der Münchner Alten Pinakothek
ist. die gleiche Form des oben doppelt gelappten und unten spitz
endenden Herzens (ein Kreuz in der Mitte) zu finden. Bei dem viel
späteren Herzen mit den brennenden Flammen, das nur als Gemälde
(nicht als Gebäck) auftritt, werden diese aus dem Herzen aufflackernden
roten'Flammen in der Regel als (mißverstandene) Herzblutgefäße
der Anatomie (Aorta) gedeutet; andere nehmen eine Umdeutung des
auf Epitaphien in den Katakomben oft sichtbaren Interpunktions
Efeublattes 6*) mit dem Stiele an.
Jedenfalls ist es sicher, daß die Griechen und Römer, welche schon
Herzkuchen hatten, das Herz sich noch nicht zweilappig, sondern als
pinienzapfenähnlichen Kegel vorstellten. Bei Lobeck (Aglaophamus,
1076) wird ein Herzopferkuchen beim griechisch-römischen Kult des
Bacchos—Dionysos <l>tlot:‚ genannt. Erotianus sagt von diesem attischen,
runden Hohlgebäck: »‘:'srt ä‘a I'd) af/‚pmrrt 5p.owv z.dtp6*r,«; nach Lobeck
(l. c. 560°) wurde das menschliche Herz bei den Griechen mit dem
w.dwoc; w) ot:poßikou verglichen, das heißt mit dem Pinienapfel; auch die
in Süddeutschland noch lange volksüblich gewesenen Organvotive,
welche die menschlichen Brusteingeweide in Holz wiederg'eben (siehe
Janus, l. c. 1901), stellen das menschliche Herz noch nach diesem
alten Schema eines runden Hohlkegels dar.
Herr Professor Furtwängler in München hatte die Güte, dem
Verfasser unterm 27. Jänner 1903 zu berichten, daß er sich nicht
erinnere, jemals in der Antike das oben zweifach gelappte Herz ge
sehen zu haben. Nach Erotianus wären diese ‘I’tloi; placentae bacchicae
gewesen, das heißt bei den Bacchanalien (Fastnacht) geopferte Kuchen;
dem Bacchus wurden überhaupt Herzen geopfert, die damals durch
Gebäckfiguren ersetzt, auch c‘rpo'firlot (Lobeck, 1074) und mpaqtiöe;
(l. eod., 709, 1077) genannt wurden. Durch das Verzehren des Herzens
sollte zauberhaft die Kraft desselben und selbst Gegenliebe erzeugt
werden. Auf der Wallfahrt nach Maria Einsiedeln (Schweiz) ißt nach
der Volkssage in Menzingen ein Mädchen Zuckerherzen und wird
dadurch geistersichtig, es hört die Geistermusik (Lütolf, l. c. 130).
Der Indiculus pagan. spricht davon, daß Frauen das Herz der Menschen
zu Zauberzwecken herausnehmen aus dem Körper, um es zu essen.
Siegfried, der Baugenspender, sitzt nach der Edda (Jordan, 348) am Feuer
") Selbst Martigny (Dictionnaire des antiquitäs chrtätiennes 1865, S. 161) nahm dabei
noch ein solches „Herz“ als caractöre religieux an; es ist aber nur ein herztörmiges Efeu
blait (Hedera distingucns). Kraus (Real-Enzyklop. 1882, I, 425) kennt nur dieses Efeu
blatt als Interpunktionszeichen und kein e Herzform in den Katakomben. Bei den
alten Ägyptern kommt allerdings schon ein der doppelgelappten modernen Herzt'orm
annähernd ähnliches Bild des geopferten Tierherzens vor (Wilkinson l. c., II, 458, 459, 460).
59

und brät das Herz Fafners. Auch Krimhild setzt ihrem Gatten Etzel die
Herzen der zwei ihm geborenen Knaben zum Essen vor. (Über dieses
Herzessen bei den alten Süd- und Nordgermanen siehe UrqueH von
Dr. Krauß, III, 90, 211 und Wolf, l. c.l, 140.) Nach dem ostpreullischen
Volksglauben macht das Herz eines neugeborenen Kindes, gebraten und
gegessen, unsichtbar (Lemke, Volksk. aus Ostpr. III, 3]). Durch das
Verzehren des Herzens, als Symbol des Liebessitzes, sollte die ganze
Liebeskraft in dem Verzehrer des Herzens aufgehen und so Gegen
liebe erzeugt werden und jeder Wunsch in Erfüllung gehen. Diese
modernen Herzenswiinsche stehen auf den Teigherzen aufgeklebt als
gedruckte Zettel oder durch Zuckeraufguß geschrieben. Oft erblühen
Blumen in demselben oder eine biblische Szene (heilige drei Könige,
St. Michael mit der Seelenwage, 1673) nimmt das Innere ein. Auf
einem Tölzer Lebkuchen zersägt die Eifersucht ein treues Herz
(1774) (eine gezähnte Blattsäge durchschneidet die eine Hälfte des
gelappten Herzens, aus welchem Rosen ersprießen, während die
Zahl »3« auf dem Herzen die »Treue« bezeichnen sollte). Solche
Herztiguren werden gebildet als »Lebkuchen«, als »Konfekt«
(in Frauenklöstern), als VVarmbrunner Teegebäck«, Butterteigmodel
(Holland), als »Schmalzwafleln« oder »St. Galler Rosenkuchen«
(»Modelküchle«), als »Marzipan«-Gebäck »Anisbrötla« (Fig. 2l)e_tc. Jeden
falls ist ersichtlich, daß hierbei uralte Vorstellungen durch die Gebild
brote sich bis auf unsere Tage erhalten haben und daß sogar das
symbolische Teiggebilde die vermeintlichen Kräfte des lebenden,
beziehungsweise geopferten Organs im Volksglauben übernommen
hat. Teiggebilde von anderen Organen (Leber, Lunge etc.) herzustellen,
war überflüssig, da man solche ohnehin in natura verzehrte und die
Jagdtiere im Notfalle Substitutionen lieferten.
16. Daß die tierischen Figuren aus Teig zumeist nur Ab
lösungen und Stellvertretungen der ehemaligen blutig geopferten
lebenden Haustiere sein können, ist selbstverständlich, wobei nicht
ausgeschlossen ist, daß im Laufe der Zeit noch manche Ausartungen
der Bäckerlaune hinzugekommen sind, welche Gebilde darstellen, die
ehemals nicht »zöhbar« waren (althochdeutsch zäbar = Opfertier,
Großvieh; angelsächsich tifer = Opfertier; altfranzüsisch toivre; mittel
hochdeutsch (un-)ziver = zum Opferdienste (un)geeignctes Tier); schon
der lndiculus superst. kennt »concessa animalia«, das heißt opferbare
Tiere, im Gegensatze zum nicht opferbaren Kunder. Vor allem ist es:
a) der Schweinseber (Fig. 38 und 39), der als Schweinsfigur,
aber unter dem Namen Julagalt oder Julgris auch als verschieden
artige Teiggebilde, zum Beispiel als Hakenkreuz, zu finden ist; oft
erinnert nämlich nur noch der Name des stellvertretenden Gebäckes
an dieses frühere Opfertier. Daß der Stollen (siehe oben S. 44) ein
Symbol der Deutschen für Frös Eber sei, wie selbst noch Liebrecht
(l. c. 439) meinte, ist durchaus unrichtig. In Skandinavien haben sich
60

mehrere Gebäcknamen für den dortigen Juleber, den diese Gebild


brote substituieren sollten, erhalten; zum Beispiel der altnordische
jolagalt (Jule-Galt), schwedisch julgrise; letzteres ist ein Pfeffer
kuchen- (Lebkuchen-)Teiggebäck, garniert mit »Krumelurer« (Brot
krümeln). Auch der esthländische Julegalt hat Schweinsgestalt,
ist ungefähr 1‘/, Fuß lang, aus Roggen- oder Weizenmehl. Nachdem
man zur Labung Brot, Bier und Salz gegeben hat, wird dieser Jul
eber in Teigform Schlag 12 Uhr nachts hereingetragen; dann legt
die Hausmutter denselben auf den Jultisch, macht mit Kreide einen
Bannkreis um denselben und läßt ihn als eine Art Schaubrot auf des
Hausvaters Platz, der mit einem weißen (Opfer-)Tuche bedeckt ist,
liegen; erst nach dem Heiligen Dreikönigstag wird er in zwei Hälften
geteilt, eine Hälfte wird am Lichtmeßtag, die andere am Fastelabends
dienstag mittags dem Hausgesinde zum Essen gegeben; auch der
Hirtenknecht und der Pflugmann erhalten Teile desselben; ja oft
bleibt dieses Julschwein in Teigform noch bis zum nächsten Jul auf
bewahrt. (Feilberg*, 192.) Es ist hierbei immer noch zu erinnern, daß
mit »Julgalt« auch das Hakenkreuzgebäck bezeichnet wird, ein
längliches Brot, das an den Enden in zwei Knäufe gespalten und in
der Mitte nicht verbreitert ist, die vier Endknäufe sind aber in sich
aufgerollt und gleichen dann einem Doppel-S, das über Kreuz gelegt ist
(siehe Abbildung in Z. d. V. f. V. K. 1903, S. 392 und 393, Fig. 3, 12
und 13). Die dieses Gebäck herstellende Hausmutter mußte genau
Obdacht geben, daß sie es immer in gleicher Anzahl buk, »sonst
ereignete sich im Laufe des Jahres ein Todesfall im Hause«. (Feil
berg’, 183, 175.) In Dagd wird der Julegalt aus reinem Roggen
mehl gebacken, aber immer von besonders gemahlenen Roggenähren
(l. c. 192.)
In der nordischen Volkssage verfertigten die unterirdischen Elben
oder Zwerge ein Schwein mit goldenen Borsten (gullinbursti) und
schenkten es der‘Freja. — E. Schade (de diis Germ. 775) (1728)
schreibt: »Verrem hunc Freijo immolandum jolagalt vocabant, farci
minaque inde confecta in summis deliciis habebant. Suspicatur autem
Verelius (notitiae ad Hervara-Saga) praeter verum illum verrem
(Julagalt) alium etiam fictum fuisse adhibitum. Rustici (in Däne
mark) enim hodieque (1728) in Parascheve (Vorbereitung der Fest
speisen) Jolia panem figure verris (nomini Julagalt) conlicere eumque
per totum Juliorum tempus, quo mensas (tabulae fortunae) pane,
perna, aliisque ferculis instruunt, majorum more ominisque causa
usque ad Canuti diem (13. Jänner) in mensa exponere solent«
Unter dem Namen julgalt, julgris 1iguriert heute noch bei den
Schweden dies Gebäck in Schweinsgestalt (E. Hammarstredt, Jul;
Grimm, D. R. A., II, 552; Globus LXXII, S.374) auf Weihnachten. Nach
Herodot, II, 47, haben aber schon im alten Ägypten die ärmeren Leute
an Stelle des lebenden, beziehungsweise blutigen Schweines solche
61

Mehlteigiiguren in Ehergestalt gefertigt und als Opferspeisen gebraten.


(Lobeck, Aglaophamus 1081.)
Das nordische Gebäck, das den Namen »Julgalt« führt, weist noch
andere ganz verschiedeneFormen auf, die meistens mit der Gestalt eines
Ebers keine Ähnlichkeit haben") Man mischt sie, trocken aufgerieben,
unter den Getreidesamen, damit durch den Segen der Julzeit die
nächste Aussaat kräftig aufgehe, oder man gibt sie, selbst verschimmelt.
den Pflügern oder dem Pflugtiere zum Essen in der Pflugzeit. (Meyer,
M. d. G. 327, 367.)
In England wird ein Gebäck, the boarshead (Eberhaupt)
genannt, gegessen, dem ein Wildschweinkopf mit dem Stempel auf
gedrückt ist. (Kleinpaul, Gastronomische Märchen 143.) In Anklam
wird nach schwedischer Sitte ein gebackenes Zuckerschwein an den
Christbaum gehängt.(Kleinpaul, l. c. 143.) Auch auf Ösel ist es Sitte,
daß die Hausmutter ein aus feinerem Mahle bereitetes, ungefähr eine
Elle langes, mit Nase, Mund und Ohren versehenes Gebäck, ein
Schwein darstellend, auf den Weihnachtstisch legt, um dasselbe ein
bannendes Radkreuz (siehe Hakenkreuzgebäck in der Z. d. V. f. V. K.
1903, S. 391) mit Kreide macht; man läßt es die ganze Festzeit un
berührt liegen, das heißt, man enthält sich gleichsam fastend der
Eberspeise zugunsten der Geister. (Globus LXXII., S. 374.) Im Hol
steinischen sind nach Müllenhoff (Sagen von Holstein) um VVeih
nachten Kuchen mit einem Eberbilde bei den Bäckern käuflich.
(Scheible, l. c. VII, 744.) In Schlesien und Sachsen werden auf Weih
nachten Schweine aus Semmelteig gebacken (Weinhold, D. Weihn,
Spiele 26; Ortwein, l. c. 9l), in Lüneburg ebenso wie in Schwaben
und Altbayern. In Böhmen wird (nach Reinsberg, l. c. 548; Lippart.
Das Christentum 677) ein »goldenes Schweinchen« benanntes Teig
gebäck als »goldene Schnitten« (Z. d. V. f. V. K. 1904, S. 266) oder
in Ebergestalt aus Fett goldgelb herausgebacken. In tschechischen
und (nach Wolf, I, 104) auch thüringschen Städten stellt man den
kleinen Kindern, damit sie vor Weihnachten ruhig fasten, ein
»goldenes Schweinchen« in Aussicht, deren man zu jener Weihnachts
zeit teils aus Holz oder Ton, teils aus Pfefferkuchenteig überall
zum Verkaufe ausbietet. Arme Leute, welche ihren Kindern kein
solches Spielzeug kaufen können. zeigen ihnen dafür einen goldenen
Schein an der Decke, der durch den Spiegelreflex erzeugt ist. Wer
am Abend vor Weihnachten fastet (sich der Speisen enthält), sieht
das goldene, das heißt goldgelb gebackene Schweincben (Reinsberg,
578 ff.; Wolf, I, 191), es wird ihm ein solches später aufgetragen.
") Siehe Z. d. V. f. V. K. 1903, S. 393, Fig. 13; 1902, S‘. 487. Daß die dänischen
und schwedischen Hausfrauen solche Eberfiguren wirklich gut nachzuahmen verstehen,
beweisen die dort üblichen Julebergebäcke. Die Vermutung von Feilberg’, I, 183. daß
die dortigen Hausfrauen am Julgalt (als Knauigebäck) den Schweinskopl richtig her
zustellen nicht imstande gewesen wären, ist nicht begründet. Der ‚Julegalt‘ sollte eben so
(als Knaulgebäck) und nicht anders hergestellt werden.
62

So sonderbar diese volksüblichen Schweinefiguren auch in Teig


gebildet sein mögen, das geringelte Schwänzchen läßt nie das
Schwein verkennen. In Frankreich war nach Cochelin (Denkschr. d.
keltischen Akademie IV, 429) die Sitte, sich mit Ebergebäck und
Mistelzweigen zu beschenken, hie und da von Weihnachten auf
modernes Neujahr übertragen werden (Krause, Tuiskoland 232); doch
in Deutschland tritt das Gebildbrot des Ebers auf Neujahr (I.Jänner)
wesentlich seltener als auf Weihnachten auf (Z. f. ö. V. K. 1903, S. 205);
jedenfalls hatte der Eber in der Neujahrszeit allein ehemals die
Hauptrolle unter den Opfertieren. Der heutige Volksbrauch deckt sich
diesbezüglich mit den literarischen Nachrichten aus älteren Zeiten.
b) Das Pferd als Teiggebilde kommt vor entweder frei aus der
Hand gemacht (Fig. 40) oder als Modelabdruck, meist als Reittier,
seltener ungezäumt. Die sogenannten »Springerleiw, Modelgebäcke, die
ursprünglich das »springende« Roß darstellten und die weiterhin alles
Anis- oder Marzipangebäck aus ähnlichen Modeln ausgedrückt bedeuten,
sind also als solche Pferdgebilde der Weihnachtszeit aufzufassen;
ebenso die oben erwähnten »Kinjäsbrötchen« der Insel Rügen, die in
Pferdegestalt hergestellt werden, die Pferdefiguren auf den Straßburger
»Anisbrötla«, auf den Kölner »Spekulatius«, auf den Frankfurter
»Prenten« (zu: imprimere); das Reitroß auf dem »Braunkuchen« in
Zuckerguß figuriert, frei aus der Hand gemacht, als »gebackenes Roß«
in Bayern, Tirol, Lüneburg etc. Das Sachsenroß (siehe Fig. 41) als
Stempelabdruck (Lüneburg), als Pferd und Reiter auf dem Säterländer.
Eisenmodelkuchen (»Eiserkuchen«) (siehe Z. d. V. f. V. K. 1893, S. 272)
Alle diese Gebäcke stellen sicher das Pferd vor. Es frägt sich
nun allerdings, ob damit das sattellose Roß (equus nudus) des
Schimmelreiters Wode gemeint sei oder ob damit das Boßopfer
substituiert werden sollte; so gut der Weihnachtseber durch Teig
gebilde ersetzt wurde, ebensogut könnte diese Substitution auch
beim Pferdeopfer der Fall sein, mag auch das letztere immer schon
sehr früh aus dem Volksbrauche durch das Christentum ausgemerzt
worden sein. Das Pferd, ein von den Indogermanen längst gezüchtetes
Haustier, war bei denselben auch ein Opfertier. Das Pferdeopfer kann
nicht verschwunden sein, ohne Spuren hinterlassen zu haben. Ab
gesehen von den Russen in Südeuropa, bei welchen schon gegen
Ende der Bronzezeit das Begraben des Reiters mitsamt dem ganzen
Reitpferde durch Beigeben von Pferdeteilen in das Grab des Ver
storbenen abgelöst war, und auch abgesehen von den Ungarn, bei
welchen einem verstorbenen jungen Manne (anstatt des Beittieres)
das Hufeisen auf die Brust ins Grab gelegt wird (Archiv f. Relig.
W. II. 357,), wo also pars pro toto bereits gegeben ist, wissen wir,
daß Thietmar von Merseburg ('l‘ 1018) erwähnt, daß ein großes Opfer
fest im Jänner in Lejra auf Seeland gefeiert wurde bei welchem
Menschen, Pferde, Hunde und Hühner geopfert wurden, in dem
63

Glauben, daß solche Opfer dem Volke die Gunst. der Unterirdischen
und die Sühne für seine Vergehen verschaffe. Das heidnische Julfest,
das damals gefeiert wurde, war als Beginn eines neuen Jahres die
Zeit der Wiederkehr der Toten unter der Erde (Feilberg‘. Den
nordiske Jul 820). Der Wikinger König Heidrek opferte am Jul
abend vor den Götterbildern in der Halle Pferde, deren Blut man
in Kessel laufen ließ; mit diesem besprengte man das versammelte
Volk, die Götterbilder, Altäre und Tempelwände (l. eod. 821); was
hier die Götter erhielten, bekamen ehemals auch die Totengeister.
Den nordgermanischen Helden folgten ihre Knechte, Pferde und
Hunde, die mit ihnen verbrannt wurden, in den Tod. Als König
Harald starb, tötete man sein Pferd und begrub den Sattel (pars pro
tote) mit der Leiche, damit er nach Walhalla reiten könne (J.W. Wolf,
Die Götterlehre 107). Wie wir unten sehen werden, ist am St. Stephans
tage, der zum \Veihnachtsfestzyklus gehört, das blutige Pferdeopfer
der Deutschen in Rudimenten und Substitutionen noch deutlich
erhalten. Wir können deshalb uns der Meinung Negeleins (Z. d. V.
f. V. K. 1902, S. 382 ff) anschließen, daß das Pferdebild und das Huf
eisen (also auch das in Teig gebackene Roß und die hufeisenförmigen
Gebildbrote) das Symbol oder die Stellvertretung des Pferdeopfers
sind. Kein volles Opfer verschwindet ohne Rudimente; darum gibt es
also auch gebackene hornartig gebogene Hufeisen (Fig. 42) im
Werratal, wie es auch Pferdefiguren aus Lebkuchenteig etc. gibt.
Etwas anderes ist natürlich das Reittier, das gesattelte Pferd oder
das Bild des pferdelosen Reiters, Ritters etc.‚ die alle den Schimmel
reiter (Wode) als Dämonenfigur vorstellen.
Aus wirtschaftlichen Zwangsgründen muß hie und da auch
c) das Lamm (Fig. 44) auf Weihnachten geopfert worden sein; denn
das Tiroler »Lampl-Brot« spricht deutlich für ein solches Tieropfer.
Dasselbe wurde mit dem Blute eines während der Christmette ab
gestochenen Lammes angeknetet, in derselben Stunde noch gebacken
und verzehrt; als solches sollte es nach dem Wildschützenglauben
im Pustertale kugelfest machen (Zingerle, Sagen’, 670, 672, 442,
Lütolf, Sagen 100; Alpenburg-Bechstein, Mythen 381; Rochholz in
lllustr. Ztg. 1868, S. 250). Ferner erinnern an dieses Lammopfer das
schwedische gumsebröd = H am m e l brot‚*) ferner die Braunschweiger
Holländer, Lüneburger etc. Christ- und Weihnachtsgebäcke, welche
das Lamm in Teigform darstellen; in jenen Gegenden fiel es wahr—
scheinlich dem Bauer leichter, ein Lamm oder einen Hammel, als
ein Schwein zu opfern.
d) Das Bockopfer der Weihnachtszeit bewahrt der schwedische
»Julbock«, der einen gehörnten Ziegenbock aus Brotteig darstellt.
"‘) Nach E. Hammarstedt befindet sich eine Abbildung dieses Julbockes auch in
C. Lundin och A. Strindberg: Gamla. Stockholm, Fig. 25, ein Werk, das Verfasser leider
nicht benützen konnte.
64

(Globus, LXXII. Bd., S. 374); (Fig. 45)”) In der Schweiz, wo das Bock
gebäck an anderen Festtagen des Jahres sehr häufig ist (Fig. 44)\
fehlt es auf Weihnachten; nur in Deutschland könnte man vielleicht
manches Horngebäck auf den Ziegenbock beziehen. Julkuchen,
welche die Form nhammerverzisrter Böcken hatten, wurden im
Norden unter das Saatkorn, das unter der Erde bei den »Unter
irdischen« keimt, gemengt und auch bei der Aussaat von den
Arbeitern sowie vom Pflugochsen verzehrt. (Meyer, M. d. G. 360.)
Bei den Griechen und Römern gab es ebenfalls solche B0 ck b rote;
denn Athenäus (2. Jahrh. n. Chr), der in Alexandrien lebte, erwähnt
bereits Kuchen nach dem Bilde des Bockes geformt. (Rochholz, Illustr.
Ztg. 1868, Nr. 1293.) Der Ziegenbock war eines der ältesten Opfer
tiere der Indogermanen, früher als das Rind und Schaf.
e) In Schweden heißt noch heute das beliebteste Festgebäck der
Julzeit »Julkuse«, das heißt Julkuhlein oder Julkalb (auch der Ober
bayer kennt die noch gangbare Deminutivform »Kusel« für Kalb,
siehe Schmeller, I, 1303); das schwedische Julkuse hat aber die Form
eines tierischen Schienbeines; über dieses Gebäck haben wir schon
in der Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 430, berichtet; nur der Name des
Gebäckes weist noch auf das ursprüngliche Kalbopfer hin; den her
kömmlichen Namen des Opfertieres übernahm das aus Teig gebackene
tierische Schienbein (Kalbshaxe)**) (siehe Z. f. ö. V. K. 1903, Tafel VIII, 27;
Feilberg2, 183). Wahrscheinlich, so meint E. Hammarstedt, l. c., ist
dieses »Julkuse« benannte Gebäck identisch mit dem Brote, von
welchem Olaus Magnus (Hist. de gent. sept. XIII, 12) im Jahre 1555
berichtete, daß es in der Länge und im Umfange eines fünfjährigen
Kindes in der Julzeit an alle, selbst an vollständig Unbekannte im
Hause ausgeteilt wurde; der Fruchtbarkeitszweck sollte durch eine
möglichst üppige Spendeform besonders gekennzeichnet sein.
Bei den sächsischen und schlesischen Wenden (Hoyerswerda)
ist es allgemeine Sitte, am Weihnachtsabend aus gutem Weizenmehl
allerlei Getier, als Ochsen, Schafe, Hühner etc. zu formen und in der
Bratröhre abzubacken (Berlepsch, Ohren. d. G. VI, 172; Boettiger,
*) In Run backt man einen Widder mit einem gewundenen Horn und ge
kreuzten Vorderbeinen, welcher „Julbuck' (Julboclr) genannt wird; man ißt ihn aber
erst am 13. Jänner, am St. Knutstag, an dem die Julzeit endet; also auch hierbei entsagt
man des Optergenusses zugunsten der Seelengeister (Feilberg', 192). Auch in Dänemark
(Feilberg’, 114) backt man ronne-vzrdre und gjalde-vazdre, das heißt kastrierte Widder
oder Hammel in Teigform.
*") Siehe die Abbildung Nr. 298 in Wilkinson’s The manners and customs 01 the
ancient Egyptians II, S. 28. „One is remarkable not only from being totally nnlike any
o! our European joints, but from its exact resemblance 10 that commonly seen at table
in modern Egypt: it is part of the leg, conslsling oi the flesh covering the
tibia, whose two extremities pl'oject slightly beyond it; and the accompanying drawing
from the sculptures‚ and a. ske.tch cf the same joint takten at a modern table in Upper
Bgypt, show how the mede 01 culting it bes been preserved by traditional custom to
the present day‘ (l. eod. ‘28).
66

l. c. 200); doch gehören diese Gebilde zum ostpreußischen »Gliick


greifen« oder »Glück für das Vieh«, welchen Neujahrsbrauch wir
schon in der Z. f. ö. V. K. 1903, S. 203, beschrieben haben; ebenso
auch das wendische »Hündleinbrot«, das kaum an ein Hunde
opfer erinnert, sondern eher eine Spende an die Seelenhunde (V\’ölfe)
darstellt. An der rauben Ebrach (Oberpfalz) backt man aus Teig allerlei
Tierfiguren unter dem Namen »Haus w 0 l f« (Panzer, Beitr. II, 303, 527),
über das wir schon in der Z. f. ö. V. K. 1903, S. 202), berichteten._
f) Eine Stellvertretung des blutig geopferten Schlachttieres war der
blutig erlegte Hirsch, dessen Bild auf \Veihnachtsgebäcken, namentlich
auf süddeutschen Lebkuchenmodeln, häufig wiederkehrt; zum Beispiel
werden in Gastein (nach gefälliger Mitteilung von Frau Professor
Andree-Eysn) auf Weihnachten Zöpfe (siehe oben) gebacken und auf
dieses Seelenbrot kleinere Teigstückchen aufgeklebt, in welche Model
mit Hirschfiguren eingedrückt sind; dieses spezielle Hervorheben des
Hirsches, ähnlich wie beim Haarzopfe auf der Seelensemmel
(Spendebrot) spricht dafür, daß der Hirsch ein besonders auf Weih
nachten (beziehungsweise Neujahr) übliches Opfertier gewesen zu
sein scheint.
Man darf hier kaum den Sonnenhirsch mit goldenen (leweihen
und goldenen Klauen, oder den goldenen oder weißen Hirsch, Balders
Reittier, oder das Wild der Jagdriesin Harke heranziehen, solche
mythologische Gebilde des Sonnenkultus liegen sicher nicht vor;
sondern wie beim Hasen, Schwein etc. nur die volkstümliche Ab
lösung des blutigen Tieropfers in Teigform; dies bestätigt sich auch
unter anderem dadurch, daß der Hirsch auf Lebkuchen sehr häufig
(wie der Eber) den Opferschmuck der Eichelfrucht mit Eichenblättern
im Maul hat“) Oft Iiguriert nur das Hirschhorn als Teil fürs
Ganze, so beim schwedischen Hjörtehorn (Feilberg, 2, 175) und beim
sogenannten »Schwabenbrödla« (Straßburg) (siehe Z. d. V. f. V. K. 1904,
267); als »Badner Kräweli« und »St. Galler Kräpfli« stellen sie nur
ausgeartete, kaum mehr erkennbare Formen eines solchen gebackenen
Hirschhornes dar, die, wie es scheint, von Osten her über den
Rhein vorgedrungen_sind, daher sie im Elsaß und in der Schweiz
Schwabenbrödla heißen. Das Ausstechen der Formen heißt »Schwowe
brödlen usbrechen« (Elsäss. Wörterbuch II, 205); vergl. auch den Aus
druck: »er ist ein ausgestochener Kopf«.
Auch die Kölner Spekulatius und die Lüneburger Lebkuchen
model weisen die Figur des gehörnten Hirsches auf; die Münchner
Modellebkuchen tragen nicht selten prachtvolle Jagdszenen. Auch die
‘alten Griechen hatten (nach Lobeck, l. c. 1063) beim großen Kuchen
feste der herbstlichen Thesmophorien ein Weizengebäck, welches
einen gehörnten Hirsch aufgestempelt hatte (‘Ay_ouiw; genannt), nicht
*) Vergl.: Das häufige Eichelfruchtmotiv auf Lebkuchen in der Z. f. 6. V. K. 1903,
Tafel VIII, Nr. 28 und 29.
Zeitschrift i‘ür österr. Volkskunde. 5
66

etwa als Symbol der Hirschjägerin Demeter, sondern als Symbol der
Opferspende für dieselbe; der Spendezweck sollte dadurch gekenn—
zeichnet sein, das erlegte Tier sollte mit dem Modelgebäcke sub
stituiert werden. Wenn auch die lndogermanen in früheren Zeiten
Wildbret kaum geopfert hatten, so haben doch die Niedersachsen im
Ardennenwald die Erstlinge der Jagd im 9. Jahrhundert n. Chr_
geopfert (Mabillon Acta Sanctorum l, 297), um das Jagdglück sich zu
erwerben. \/Vie an die Stelle des Saathahnes auch Tauben, Krammets
vögel und anderes Wildgeflügel bei den Römern traten (Arch. f.
Relig.-VV. VII, 102), so kann auch wohl an die Stelle des blutig
geopferten Haustieres ein blutig e'rlegtes Jagdtier getreten und dieses
wieder durch ein Teiggebilde vertreten worden sein.
Daß es sich bei solchen tierischen Gebildbroten nur um schlacht
bare Opfertiere handelt, ergibt sich unter anderem auch aus der
häufigen Darstellung von Schlacht-, beziehungsweise Metzgerszenen
auf solchen Lebkuchenmodeln (siehe Fig. 43) vom Jahre 1695, die in
ihrer Zeichnung etwas an klassisch-antike Bilder erinnern, vergl. dazu
den Boür: l=‘.ßöogm; aus dem 5. Jahrhundert v. Chr, auch Boü: 't'arpa'qwvo;
genannt. (Arch. f. Relig.-W. VI, 64 ff.; VII, 419.)
Auf Opfertellern des Lüneburger Museums, die als Lebkuchen
model 1676 abgedrückt wurden, hat das Hirschgeweih (siehe
Fig. l) auch die Bedeutung des Jagdgliickes, das auf Neujahr
dem Jagdherrn symbolisch zum Ausdrucke gebracht wurde.
g) Eine gleiche Bedeutung, das heißt, die Stellvertretung des
blutigen Tieropfers durch ein erlaubtes Zins- oder Jagdtier hat der
Hase, der als Weihnachts- und Neujahrsgebäck (Freiberger oder
»Bauerhase«) aus Pfefferkuchenteig bereitet ist und den braunen
Hasenziemer mit zwei Hinterläufen und einem Schwänzchen darstellt;
das Ganze ist mit kleinen Mandelkernplättchen gespickt. Der vom
deutschen Bauer früher dem Richter oder Priester gezinste Jagdhase
war im Mittelalter als Wild nicht besonders angesehen (M. Heyne,
l. c. II, 236); ein eigentliches Opfertier war aber derlIase bei den
Germanen sicher nicht. Sein Teigbild konnte aber ganz wohl nach
dem Vorbilde des Hirsches als Symbol eines blutigen Schlachtopfer
tieres gelten, jedoch erst im späten Mittelalter.
h) Unter den Schweizer \Veihnachtsgebäcken finden sich auch
der »Berner Mutz«, ein flacher, brauner Lebkuchen in viereckiger
Form, auf welchem ein flaches, durch Zuekerguß hergestelltes Bild
eines »E‘isbärem sich befindet. Auch auf 'I‘ellerbroten (Fig. 1) aus
Lebkuchenteig (1676), welche im Lüneburger Museum sich finden,
ist mittels Holzstempels als Zeichen des Jagdglückes, das gleichsam
auf dem Gutjahrteller gespendet wird, die »Bärentatze« mit im
Wappengebilde aufgedrückt. Der Bär ist also nur als Jagdtier zu
dieser Stellung unter den Gebildbrotenfiguren gekommen.
67

z‘) Der Fisch, der wegen seiner Fußlosigkeit und Schlangen


ähnlichkeit bei den Indogermanen nie eine regelmäßige Volkss-peise,
also auch nie eine Opfergabe gewesen war, so wenig wie Wildbret
oder wildes Geflügel (Schrader, l. c. 573, 602), konnte nur als klöster
liche Zinsgabe die früheren Opfertiere vertreten; erst durch die
jüdisch-christlichen Fastengebote wurde der Fisch zum Zinstiere
(Fischhaber); auch als Fischgebäcke konnten die Fische gezinst werden
(Zeilenfische, Schwummfische, das heißt schwammige Leb
kuchen in Fischgestalt, lebkuchige Fische, siehe Z. f. V. K.
1903, Tafel VIII, 36, gefüllte Fische mit Fruchtfarze); so waren auch
die Brotfische ein Pflichtbrot von besonderer Güte und Größe,
das der Maier statt des ursprünglichen Großfisches oder Habers auf
Weihnachten dem Kloster Muri in der Schweiz zu entrichten hatte.
»Aus dem gezinsten Flußfische, der daselbst auf Weihnachten zur
Visitatio gezinst wurde, ist das VVeisat (wisst) des Brotfisches
geworden, mit welchem man sich in der Zeit von St. Nikolaus bis
zum Neujahrstage in der Schweiz noch beschenkt.« (Argevia 1861,
31 bis .35.) ‘
k) Das Vogelgebäck, sonst in Deutschland ein Frühlings (Saat
zeit-) und auch ein Seelengebäck, tritt auf Weihnachten in Tirol als
»Hen nabrot« (Fig. 53) oder »gebackene H en neu, die an weib
liche Patenkinder verschenkt wird, auf, aber auch als Gluckhcnne
(siehe Fig. 53, 50, 47, 49) mit ihren Küchlein, die unter den Fittichen
versteckt sind, am Allerseelentag (siehe Z. d. V. f. V. K. 1896, 8.319);
viel häufiger ist das Vogelgebäck am St. Nikolaustage in Deutsch
land; im südlichen Schweden heißt dasselbe jul-tuppe (»Jul‘hahn«).
(Feilberg“‘, 183.) Im schwedischen Smälan-d bedient man sich zum
Herstellen dieses Vogelbrotes eines aus Holz gearbeiteten Stempel
models (Fig. 46). Der schwarze und der rote Hahn waren ein Toten
opfer der Germanen,*) deren wichtigstes Hausgeflügel das Huhn war.
In Schweden heißt es: »för tuppar röda springa de döda«‚ vor
dem roten Hahne springen die Toten, das heißt die Seelengeister, die
Nachtelben werden verscheucht; daher steht der Hahn auf der
höchsten Kirchturmspitze, da er zuerst durch sein Krähen die dunkeln
Plagegeister der Nacht vertreibt. In Schweden weiht man eine-Gluck
henne (skrockhöna) bei den Gräbern der Verstorbenen (E. Hammarstedt,
Säkaka och Gullhöna p. 25, 28); auch erscheint (siehe Fig. 48) auf den

"‘) Auch auf‘ einer Grablampe aus frühchristlichen Zeit (in Nordafrika gefunden
und abgebildet bei Moll, Gesch. v. h. Lev. d. Chr. ged. de zes eerstee euwen, II. Fig. Nr. IX,
siehe Volkskunde 1904, 118) kommt der Hahn und der Palmzweig vor; letzteres ist wohl
die Neujahrs-Strena, die wir in der Z. f. o. V. K. 1903, S. 193, erwähnten; ersteres ist
der Dämonen vertreihende Totenvogel (Leichengocltel). In der Weihnachtsnacht wurde in
Spanien die Gockelmesse (misa de gallo) gelesen, nach welcher schließlich einem Hahne
der Hals abgedreht wurde und tortas de Maria benannte Brote unter das Volk verteilt
wurden. (Hammarstedt 28.)
50
68

Lüneburger'Kucheneisenformen (1591) der Weihnachtszeit der Hahn


neben einem Glockenturm im Freithof. (Zeitschr. Nieders'achsen 1899,
Nr. 23, S. 367.) Als Goldhenne (gulhöna) der Schweden heißt diese
Julhemie auch »J u l - P utt« (schwedischjul-pytta),eine goldgelbe, feder
reiche Henne aus Teig gebacke‘n. (Fig. 49.)
Vor der Weihnachtszeit gibt es auch im Bergischen Gebäcke
in der Form einer Ente, sogenannte Bonner »Semmelvögel«
oder auch »Pillente« (mhd‚ daz bil :—. :rä).szu:_, Spitzhacke; die
junge gelbe Gans hat ein Bil oder Häckchen auf dem Schnabel). Wo
es keine Gänse gibt, da tritt die Pillente an deren Stelle; vermutlich
ist diese bergische Pillente eine Stellvertretung der Martinsgans, die
auch im Schwedischen als Jul-Gäs (vermumte Person in Vogel
gestalt) sich noch in Erinnerung bringt. (Feilberg”, 192.) Die Friedens
tau be (fredens due) auf dem obenerwähnten Krapfenstocke (julhögar)
ist nur eine feinere Form des Saathahnes, ebenso der Pfau auf den
Schaugerichten der mittelalterlichen Pastetenbäcker.
In Deutschland vertritt auch eine in das Spendebrot eingesteckte
Hahnenfeder das betreffende Huhnopfer (siehe Fig. 5, Tafel l, in
Z. d. V. f. V- K. 1902, S. 200); in Ungarn das Verbrennen einer
Hühnerfeder. Daß aus diesem Vogelgebäcke unter heraldischem
Wappeneinflusse auf Lebkuchenmodeln auch ein doppelter Reichs
adler werden konnte, liegt sehr nahe (s. Fig. 51, 52). Übrigens
hatten schon die alten Griechen und Römer ein Vogelgebäck, das
sie Erneum = zapdz röv öpvsov nannten. (Lobeck, Aglaoph. 1080 h.)
Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß alle diese
Teigfiguren, die früher und zum Teile noch aus der Hand dargestellt
wurden, unter dem Einflusse der Holzschnittkunst auch als »Mehl
VVeißchen« (Schlesien; Fig. 26), »Tirggeli« (Schweiz), (Torcular:
torquere), als »Printen« (Aachen) und »Prenten« (Frankfurt a. M.),
(to print: imprimere), »Anisbrötla« (Straßburg; Fig. 54,56), »Marzipan«
(allgemein), »VVasser- und Zuckerstücklein« (Baden), »Taaitaai«, zäher
Honigkuchen (Niederlande), »Konfekt« (allgemein) in ausgedrückter
Form erscheinen. Die Namen dieser Gebildbrote deuten fast nur auf
das Material und dessen Zubereitung hin, nicht aber auf den volks
tümlichen Hintergrund. In protestantischen Gegenden haben diese
Modelgebäcke der Weihnachtszeit meist eine Beziehung zur Bibel
erhalten; als solche Weihnachtsgebäcke erscheinen dann K rippen
szenen, Adam und Eva etc. (Fig. 54, 55, 56).
Für den Weihnachtstag als Neujahrstag sind auch in neuerer
Zeit und auch früher üblich gewesen, beziehungsweise geworden, die
das Glück im kommenden Jahre symbolisierenden Gebäck
formen, zum Beispiel das Füllhorn, der Gabenkorb, die Geldtasche
(Fig. 64) etc. Die Opfertellerbrote der früheren Zeiten wurden durch
die eingedrückten Glücksymbole zum Ausdrucke der Wünsche für
den Brotherrn; so kam es auch zu \Vappenlebkuchenformen als
69

Rekognitionsgebühr für Stadtherren und als Devotionszeichen für


Familien und Behörden.
Einer besonderen Besprechung bedürfen die weihnächtlichen
Kreuzgebäcke, welche im Schwedischen und Dänischen julkors
(Julkreuz) genannt werden. Sie treten dort in zwei Formen auf:
a) als verchristlichtes Sonnenrad in Gestalt eines Radkreuzes (hjulkors)
oder Malteserkreuzes mit und ohne umkreisenden Ring; b) als so
genanntes Hakenkreuz. Radkreuz und Hakenkreuz müssen aber
in ihrer Form und Bedeutung auseinandergehalten werden. Mon
telius (Prometheus XVI, 1905, 796 bis 798) sieht auch das Haken
kreuz |q_-| als ein Symbol der Sonne an. Daß das Radkreuz 9 in
sehr vielen Fällen das Symbol des Sonnenrades (am Sonnenwagen
des Sonnengottes) vorstellt, daran ist wohl nicht zu zweifeln; aber
daß das davon formell ganz abweichende Hakenkreuz (das ebenfalls
schon sehr alt ist, keinen geschlossenen Kreis und kein mittleres
Achsenloch aufweist) immer eine gleiche Bedeutung habe, wie das Rad
kreuz, ist nicht anzunehmen. Das uralte Radkreuz als Sonnen
symbol nahm das Christentum in seine Symbolik (sol invictus
= Christus) auf, wie Montelius (l. c.) genügend nachweist; die Crux
gammata, Croix pattcäe, Svastika") oder das H a k e n k re u z aber hatte,
wie M. lloernes (Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa 338)
sagt, »in zahllosen Fällen den evidbnten Charakter eines Amuletts
oder Talismans oder eines apotropäischen Zeichens«. Als solches Zeichen
(Abwehrmittel gegen böse Geister, damit Glück- und \Vohlergehens
Zeichen) tritt es auch als deutsches, beziehungsweise germanisches
Gebildbrot auf; aber auch als verchristlichtes Radkreuz (Malteser
kreuz, siehe Fig. 58, 60, 61), als christliches quadratisches Kreuz der
griechischen Christen (Fig. 59) sehen wir in Schweden das Julkreuz,
das aber in diesem Falle mit dem Sonnenrade keinen Zusammenhang
mehr hat. Wir sehen auf Weihnachten dort und (am heiligen Drei
königstage) auch in Deutschland eine Reihe von Dämonen ab
wehrenden Volksgebräuchen, unter welchen die Anbringung von
Kreuzen auf Türen, über den Fenstern, auf Wegen (Feilberg*, 18b
184, 191, 198), auf der Oberfläche der Julgrütze (siehe oben), auf dem
Brote, auf den Kuchen, auf Butterkugeln (l. eod. 184) ganz besonders
zu erwähnen ist; denn »Julen er voetternes tid«. Gegen der elbischen
‘Nichte Einfluß konnte man sich beim Beginn eines neuen Jahres
nicht genug sichern, daher die dänischen Nisse- oder Tusse-Mocrket
in Kreuzform. Unter verschiedenen Namen kommt auch das Haken
kreuz als Gebildbrot der \Veihnachts-, beziehungsweise Neujahrszeit
—mrslrritz svasti = Glück. Wenn nach Montelius (l. c. 282) an vielen nordischen
Runenstäben der Weihnachtstag durch ein vierspeichiges Rad (hjul) bezeichnet worden ist,
so kann man dieses auch als Kreuzbrot deuten, das an diesem Tage ebenso wie auf
Ostern und Johannes (Italien. Frankreich) üblich war, oder durch die Volksetymologie
h_iul = jul.
70

im germanischen Volke vor (siehe Z. d. V. f. V. K. 1903, S, 391); wir


haben es als elbische Dämonen abwehrendes Zeichen, das damit
Glück und Wohlergehen bezeichnen soll, aufzufassen. Daß nun die
nordische Julzeit, in der diese Julkreuze am häufigsten als Gebild
brote auftreten, im Volksbrauche hauptsächlich dem Totengeisterkult
angehört, hat neuerdings, wie schon anfangs erwähnt, Feilberg2
(1904 Jul) schlagend nachgewiesen. Nicht etwa am Sommer-Sonnen
wendtage, dem ausgesprochensten Sonnenkulttage, sind solche Kreuz
gebäcke (Fig. 62) bemerkbar, sondern
1. als Seelenbrote auf den christlichen Gräbern der Katakomben
(siehe Kraus, Realenzykl. der christl. Altertümer I, 175, 438, 672), und
zwar neben Fischen, was Montelius ganz außer acht liißt (Wilpert,
Fractio panis 9, 11, 73).
2. als Kreuzbrote, Kreuzweck, Kreuzsemmel am Allerseelentage
oder als Armeseelenspende, als Reformationsbrot am Reformations
fest der sächsischen Protestanten, das in den Allerseelenkultzyklus
fällt (Rochholz I, 327, Weinhold, schlesisches Wörterbuch 5).
3. als Good-Fridays-Buns oder Croß-Buns*) der Engländer am
Karfreitag, dem Todestag Christus’ (Hazlitt, Dictionary I, 282, II, 549),
ein Kreuzbrot,das als Karfreitagssemmel auch in Deutschland üblich ist.
Mögen auch manche Radkreuzformen der christlichen Symbolik
auf das antike und uralte Sonnenrad des Sonnengottes sich zurück
führen lassen, so darf man doch nicht die Kreuzbrote des Mittelalters
deswegen als Beweise eines Gebildbrotes, das für Sonnenkultzwecke
gemacht sein sollte, anführen, ganz abgesehen davon, daß »das Kreuz
die einfachste Form der geradlinigen Ausfüllung eines viereckigen
oder kreisrunden Feldes ist« (Hoernes, l. c.); das Kreuz in einem
runden Kuchen kann zum Beispiel auch nur einfache Verzierung
sein; Feigenblätter, Mandelkerne können so, auf runden Kuchen
radkreuzförmig**) aufgelegt, zur traditionellen Brotverzierung und damit
zu einem Kreuzbrote geführt haben; aber erst der an solchen Kreuz
broten haftende Volksbrauch kann über die Bedeutung des Kreuzes
entscheiden. Kreuzförmig eingekerbte Brote hatten schon die heid
nischen Römer vor Christus auf ihren Skulpturen angebracht (Kraus,
l. c. I, 672; Hazlitt, I, 282); in den christlichen Katakomben des 1. bis
Jahrhundertes finden wir sie fortgesetzt; dann übernimmt das
Signum s. Crux Christi den antidämonischen Wirkungsglauben. Die
heilige Hildegard, die gelehrte Äbtissin von Bingen (-l- 1179), ließ in
"‘) Geradezu unbegreiflich ist die bei Hazlitt, Dictionary I, 283, zu findende Ab
leitung der Kreuzbrote vom Horn der Astarte! Abgesehen von der formellen Unmög
lichkeit, würden die Christen niemals ein solches Symbol einer heidnischen Astarle an
ihren Gräbern angebracht haben.
**) Vergl. die Abbildungen in Wilkinson, l. c. II, S. 34, Nr. 301, Fig. e. (Ägyptische
Gebäcke); Kraus, l. c. I, 175, Fig. 83 (Altchristliche Gebäcke); Nr. 9071 des Museo
Nazionale in Neapel (alfreschi Pompeiani) etc.
71

ein Weizenbrot ein Kreuz schneiden, darauf einen Edelstein (damals


herrschte die Lithotherapie der Araber in der Schulmedizin) durch
die Kreuzesfurchen ziehen mit den Worten: »Deus, quo omnem
pretiositatem lapidum de diabolo abjecit etc.«; dann mußte der von
Dämonen geplagte Kranke das so geschaffene Heilbrot (Kreuzbrot)
verzehren. (Fühner, Lithotherapie 35.) Feilberg, 2, 185, teilt als einen
Volksbrauch auf Skäne (Schweden, Schonen) mit, daß in die Reisgries
grütze die Hausfrau mit ihrem Löffel ein Kreuz macht, damit böse
Wichte nicht Macht hätten, den Speisenden zu
schaden (also deutlich ein Abwehrmittel); in die Kreuzfurchen
legte man dann ein Stück Fett, das man heraustunkte; niemals aber
tunkte man in des Kreuzes Mitte, das wäre unbescheiden gewesen,
wohl aber in eines der Kreuzenden. Dazu wurden hergebrachte Grütze
reime (grödrimene) gesprochen, als Ersatz der früheren Beschwörungs
reime oder Schlägelreime (Mühlenlieder). 1600 bildete Rudbeck in
seiner Atlandik solche Kreuzbrote als schwedische Julbrote ab, auf
ihnen war das Malteser- oder griechische Radkreuz mittels eines
Holzstempels aufgedrückt; solche Brotstempel mit Kreuzform aus
Metall hatten auch die griechischen Christen schon in den ersten
Jahrhunderten des Christentums (Jahresheft des Wiener Archäologi
schen Instituts, Jahrgang?) Praetorius in seiner \Neltbeschreibung I,
S. 9, schrieb 1666: »Und wie ich nicht anders weiß, so bezeugt
auch Schickardus irgendwo, daß die Rabbiner auch solches (Penta
gramm ?) Zeichen auff ihr Brodt haben drucken lassen. Dergleichen
bey uns noch häuffig geschiehet, so auff Dörffern, so in den Städten
bey den Beckern, damit sie theils das Brot (wenn unterschiedliche
miteinander backen) voneinander erkennen mögen, theils daß sie auch
dem alten Aberglauben noch beypfliehten, dafür andere religiosores
ein Creutze theils mit dem Stempel oder Merck-Eisen und dazzu
geschnitzten Holtzen einpregen, theils wenn sie solches Brodt auff
schneiden wollen, unten am Boden oder Bauche mit dem Meßer vorher
zwerg über einkritzeln.« Kurzum, man sieht zur Genüge, daß die
germanischen Kreuzbrote mit dem Sonnenkult keine volkskundliche
Beziehung haben, sondern nur als böse Seelengeister (Alpg‘eister etc),
abwehrende Seelenbrote (Heilbrote zum Teil) aufzufassen sind. Mit
dieser Annahme stimmt auch die ganze übrige Weihnachts- oder
Julzeitbedeutung.
' Mit dem weihnächtlichen Neujahrstage hängt innig zusammen
der schon im 4. Jahrhundert im Orient gefeierte St. Ste phanstag
(angeblich der Geburtstag des ältesten christlichen Märtyrers und
ältesten Viehpatrons, der im Holsteinischen auch Peerdesteffen heißt).
Schon 806 ist der angelsächsische stephansdagr erwähnt, der im
Schwedischen annandag jul (anderen Tag Jul), auch Staffansdag
heißt (mit dem poculum St. Stephani) (Feilberg‘fl 204, 212); bei
den Dänen war der Stephanstag eine Art Karneval (Feilberg*,
72

133). In Westfalen ist er der Süp-Steffens Dach (Kuhn, Westfälische


Sagen II, 102) Im Capitul. Karls d. Gr. III, 10, hieß es: »Omnino
prohibendum est omnis ebrietatis malum et istas conjurationes, quas
faciunt per S. Stephanus (I), prohibemus.« (Bei St. Stephansblut schwor
man.) Bei den Deutschen ist es ‚der große Pferdetag« mit Pferde
rennen (über diese Stephansritte siehe Mannhardt, Baumkult 402, Feil
berg’, 204) mit Haber- und Heuweihe; dieses Pferdepatronat, der
Pferdeaderlaß (blutiges Boßopfer*), die Pferdeumritte (= Roßopfer;
Panzer, Beiträge II, 283), der Steffelsmet, die Bezeichnung Schlacht
tag, das Schweinskopfessen, das in der Nacht ins Freie gestellte
Viehfutter (Wuttke, S. 422), dies alles spricht für ein Uberlebsel
aus dem germanischen Opferkult, bei dem Eber- und Roßopfer neben
orgienartigen Festgelagen (1588, Schweinemahl zu Kaufbeuren, Tille, 42,
Birlinger, II, 15) und Minnetrunk (SteffelRausch, in der Schweiz, das
»St. Steffes Mänteli holen« genannt, Lütolf, l. c. 105), stattfanden. 1593:
»An S. Steffensdage wyhet men nicht alleine dat water, sonderen
ock den Hauer vnd allerley Korn mit etlyken auergelövischen Gebeden
vnd affgödisehen Crützslegen in, vnd sprickt, dat solckes an dissem
dage ingesegendes Korn dem vehe krefftige stercke geue, mehr also
dat vngewyhede vnd wenn ydt geseyet sehr vele fruchte bringe
ock den Minschen de daruan ethen, Lyves vnd der Seelen gesundt
heit mitdele< (Rostock) (Jahn, l. c. 277).
Auch dieser Neujahrsaberglaube spricht dafür, daß der weih
nächtliche Stephanstag zum Neujahrsbrauche gezählt werden
muß; darum hieß auch der Jänner Steffaman (Stephansmonat) (Wein
hold, M. N. 58). Im schottischen Hochlande erhält jede Person im
Bauernhause auf Weihnachten am Morgen ans Bett eine hölzerne
Schüssel mit süßem Haferbrei; dann erst verläßt alles die nächtliche
Ruhestätte, um die Wetterprognose »fürs ganze Jahr« zu stellen.
Nach Scheible (l. c. VII, 778) hielt ehemals in manchen Gegenden
die Klerisei am zweiten Weihnachtsfeiertage eine solenne Weihe
messe um Bescherung einer gesegneten Haberernte. Der Stephans
haber (Schell, l. c. 434, 597) war bis 1825 eine Zinsabgabe im Siegtal,
"‘) Diese gemeinsamen Pferdeaderlässe fanden im 16. Jahrhundert in der Dorf
schmiede statt, dann Pries (Arzeneybuch, S. 127) schreibt (1532): ‚Der Bach voller Bluts
schwamm gleich als auf St. Stefl‘ans Tag vor der Schmitten.‘ Im 17. Jahrhundert ver
boten, weil „ärgerlichen, abergläubischen‘ Vorstellungen entsprungen, dauerte dieser
Stephansaderlaß bei Pferden immer noch an, in Posen, Bayern, Westfalen, Belgien, England
und Dänemark. In Aachen schwört man „bei St. Stephansblut‘ (v. Stückelherg, CVI). Auch in
England ist der Plerdeaderlaß am Stephens-Day in der Christmeßwocbe seit dem 16. Jahr
hundert als althergebrachter Brauch bezeugt (Siehe Hazlitt, l. c. l, 56.) Auch Feilberg‘,
212, 222, nimmt eine abgeblaßte Form von einem ursprünglich heidnischen Pferdeopfer
an, das um diese Zeit dargebracht wurde. Als das Christentum eingeführt wurde, konnte
oder wollte dieses nicht die Volkssitten mit einem Schlage beseitigen. Die roheren Ge
bräuche werden sich auf‘ diesen anderen Jultag zurückgezogen haben und so kam der
Tag des ältesten christlichen Märtyrers zur Stellung eines Pferdeopfertages und der Heilige
zum Viehpatronat.
73

die vielleicht das Pferdeopfer (Haber = Pferdefutter = Pferde


bestand) vertrat (?). In Niederösterreich nördlich der Donau und in
den angrenzenden Teilen Böhmens bewarf am St. Stephanstage der
Bursche sein Mädchen mit dem Haberkorn (Fruchtbarkeitssymbol‘?)
(Alex. Peez, Erlebtes und Erwandertes, S. 77).
1280 ist das Stephansbrot (»panes St. Stephani, qui in feslo
hujus Sancti a praediorum conductoribus solent dominis praeberi in
crastino natalis Domini«, Du Gange VI, 136) wie ein neujährliches
Weihnachtsbrot die Morgenspende des Hofmeiers an seine Zins
hem‘en; es sollte durch die Kultzeit Segen bringen für die Stallung
des letzteren. im Pilsner Kreise werden am St. Stephanstage die
Mädchen mit Kuchen aus Brotteig beschenkt; die Stallknechte aber
und die Kutscher erhalten ein hufeisenförmiges Backwerk (Beins
berg, l. c. 596); dieses heißt man in der nahen Oberpfalz »Step hau s
hörner«. Nach gefälliger Mitteilung von Frau Professor Andree
Eysn werden hufeisenförmige Lebkuchen zu Oberndorf und Salz
ach am Fuße des »Totenberges« verkauft, auf dessen Maria-Bühel auf
Georgi Umritte stattfanden; hier ist das Hufeisengebäck ein Symbol
für das Pferdeopfer; das Hufeisen selbst, das Glück im Stall bringen
soll, ist als Votivgabe bei Pferdekrankheiten eine Stellvertretung des
ganzen Pferdes. Kurzum, man kann deutlich aus dem Bisherigen ent
nehmen, daß der neujahrzeitliche Pferdeopfertag in christlich ver
änderter Form auf den St. Stephanstag verlegt worden ist.
Am Stephanstage findet im kärntnerischen Lavanttale der
Stephansritt nach St. Stephan bei Marein statt, wobei Brot und Salz
in der Kirche geweiht werden; nach dem Umritte erhält jedes Pferd
ein mit geweihtem (Neujahr-) Salze bestreutes Steph an s b rot, wovon
man auch sonst in Krankheitsfällen dem Vieh ins Futter gibt; dann
bleibt es »das ganze Jahr über« gesund und deswegen fehlt dieses
Brot dort auch in keinem Haushalte; es gehört eben zu den schon
erwähnten Heilbroten des Neujahrszyklus. (Pfeifer, Germania XI, 75.)
In Holland, wo Waffeln und Pfannenkuchen an diesem Stephanstage
in fast jedem Hause gebacken werden, holen sich in manchen Orten
die Kinder beim Müller (Gemeinde- oder Sippschaftsopfer) ein Brot
oder es werden Brötchen unter die Kinder in der Kirche ausge
worfen (Seelenspeisung; Volkskunde 1902, 136).
In Dänemark sind Staffenskagen (Stephanskuchen) üblich
(Feilberg’, 135). In Schweden (Smäland) gibt es am St. Stephanstage
die »Stephans-Bollen« (staffansbullar), ein Julgebäck, das in
rundlicher Nudel- oder Krapfenform gefertigt wird (E. Hammersted'e
Brödets helgd 26 Anm); sie sind wohl identisch mit den oben schon
erwähnten Julbullar, die den Julkrapfenstock aufbauen. In Süddeutsch
land wird besonders gerne an diesem Tage nach dem hohen christ
lichen Feiertage das Klötzenbrot angeschnitten. In Rauris geht
man »in d’ Schörz«, das heißt zum Anschneiden des Schörzen am
74

Kultbrot; das erste Stück des sogenannten Stru tz e n (Birnwecken in


strotzender Verbreiterung), das sogenannte Schörzel, erhält der oder
die Geliebte (ein Zusammengehörigkeitssymhol, das sich vom gemein
samen Sippschaftsmahle bei der Totenfeier ableitet). In Heigermoos
sagt man: »Neunerlei, auch nur ein fremdes Klötzenschörzel sind gut
für den Neid«‚ oder »VVenn ein Mädchen neunerlei Klötzenbrot zu
sammenbringt als freiwillige Geschenke, so bekommt es das kommende
Jahr einen Mann«. Im Innviertel heißt es: »Wenn man von neun
Häusern Klötzenbrot ißt, so stirbt man nicht in diesem Jahre« (von
Strele), weil dann die Gunst der Seelengeister sicher ist. In Tirol
und Oberbayern wird der Bursche von seinem Mädchen zum Klötzen
brotlaib-, Birnzelten- oder Schörzelanschneiden am St. Stephanstage
eingeladen (Bavaria l, 387, IV, 830; Z. d. V. f. V. K. 1898, 252); der
Zweck ist der Segen der Fruchtbarkeit aus dem gemeinsam ver
zehrten Kultbrote.
Auch in Klöstern (zum Beispiel Ulm, nach Birlinger ll, 15) be
kamen vor Zeiten die Armen (arme Seelen) und die Konventualen
an diesem Tage je ein (besseres) Semmelbrot. In Schweden be
kommen die Kornschnitter wegen des um diese Zeit gefeierten
Sichelhenket am St. Stephanstage Hutselzelten und weiße
Zelte n, Weizenbrot. (Panzer, l. c. II, 233, Jahn, l. c. 234.) In Paznaun
(Tirol) heißt der St. Stephanstag »Kücheltag«, weil es Kiicheln und
Mohn krapfen gibt. (Z. d. V. f. V. K. 1897, 351).) Im Pilsner Kreise
werden am St. Stephanstage die Mädchen mit Kuchen und Brotteig
beschenkt. (Reinsberg 596.) Das eigentliche Fruchtbarkeitssymbol in
Brotteigform aber ist der Wecken, den wir schon oben Seite 48
besprochen haben. In Oberösterreich bringen am St. Stephanstage die
Gödenleute (Paten) dem Gödenkinde, bis es zwölf Jahre alt ist, den
großen Göden w e c k en und einen lebzeltenen Zeilenfisch; an anderen
Orten erhalten die Kinder den großen \Necken erst mit dem zwölften
Lebensjahre, das heißt mit der Zeit der beginnenden Geschlechtsreife
oder Mannbarkeit.
Den Fruchtbarkeitssegen der Kultzeit für das kommende Jahr
durch die Gunst der Seelengeister zu erhalten, ist, beziehungsweise
war der Hauptzweck der neujahrzeitlichen Speisenopfer und sonstiger
Volksgebräuche; das erhellt auch aus den Volkssitten, die am
folgenden 27. und 28. Dezember üblich sind. Nach Lippert
(Christentum 366) gehörte der Unschuldige Kindleintag (daen. uskyldige
börnsdag, »die Kindleinnacht«)‚ nach welchem Tag der voraufgehende
(VVinter-) Johannes Evangelist »Weinhannsel«, der »Engelmann«
oder »Unschuldige Kindermann« benannt wurde, als Festtag der
Kirche zur Zeit des heiligen Augustin (‘l‘ 430) in jenen Zyklus von
Feiertagen, welchen die Bezeichnung der Epiphania (Christi Er
scheinung oder heiligen Dreikönigstag) deckte; aus diesem Großneu
jahrzyklus wurde später der Unschuldige Kindertag herausgenommen
75

und an das weihnächtliche St. Stephansfest angegliedert; dieser


K i n d e rtag sollte eigentlich nur Beziehung zur biblischen Erzählung
vom Kindermorde zu Bethlehem haben; der deutsche Volksbrauch
aber verband damit die erotische Sitte des »Aufkindelns«, ein Brauch,
der mit d'or Verlegung des Kindleintages vom 6. Jänner (Großneu
jahr) auf den Tag nach St. Stephan überwanderte; nur in Ebern in
Unterfranken blieb dieser allmählich aussterbende Brauch, der sich
eigentlich mit keiner christlichen kirchlichen Festfeier vertragen
konnte, in den sogenannten heiligen Dörfern an beiden Tagen
(28. Dezember und 6'. Jänner) haften; sonst war er fast allgemein an
den‘ Perchtentag geknüpft gewesen. Die in den Klöpfelsnächt‘en (siehe
M. f. V. K. u. V. K. 1903, S. 7) schwärmenden Seelengeister, auch die Seelen
der noch ungeborenen Kinder, die als »ungetaufte Kinder« in Wodes
Heer mitfliegen, die Engel und Eiben in der Sternenheimat meldeten
sich anklopfend im den Klöpfelsnächten vor dem neuen Jahre an; es
war dieses die Kinder bringende Zeit im sogenannten Kindermonat
(1594), in welcher in Altbayern, Schwaben, Thüringen, Franken, Ober
pfalz etc. die Mädchen durch das Schlagen mit der Lebensrute, ein
indögermanisches-Fi‘uchtbarmachungssymbol, aufgekindelt, aufgeiitzelt,
aufgepfeffert, gedengelt wurden (Mannhardt, Baumkult 265 ff.,
Schmeller, I, 422, 1262, Feilberg’, 142, Panzer, Beitr. II, 307), ein
Brauch, der sich an verschiedene Neujahrstage (Weihnachten, heilige
drei Könige, Nikolaus, Martini, Ostern, Fastnacht, Gregorius etc.) an
knüpft; am Rhein, wo das römische Neujahr im März noch viele
Spuren hinterlassen hat, ist es an die Frühlingszeit gebunden und
heißt dort »Hedwig-Pitschen« (Peitschen, um die H<ätweggen, heiße
Wecken zu erhalten) (vergl. die Werfrute, werpelrut, wepelrut in
J. d. V. f. V. K. 1893, 171, Volkskunde XVI, 127).
In Süddeutschland lösten sich die Mädchen durch die Spende
eines räßen Pfefferkuchens oder Pfefferzeltens (ahd. phephirceltin),
Pfefferscheibe, Lebkuchen, Lebzeiten, Pfefferbrot, Leckerli etc. ab‘ von
dieser obszönen Sitte des »Lebzeltienstreichense ami Pfefferta-ge
oder Pfeff'e rle in ta ge (16. Jahrhundert), F i tze l’s- oderF i tz l e i n
tage (Franken); eigentlich ist fitzeln :: muliebria virga contingere
(siehe meinen Baum- und Waldkult, S. 20, Bayerland 1893, S. 360;
Christ v. Schmids schwäb: Wörterbuch 60, 193); allmählich ver
wandelte sich dieses Fitzeln in ein Streichen der‘ Waden der Kinder
mit der Rute, wobei sie Obst oder Klötzenbrot (Lechrain) erhielten.
Das Papietenbuch, 161Jahrh. (Germ. XVII, 80—90) schreibt: „Den
nächsten Tag danach an d'or unschuldigen Kindlen Tag gehen: die
jungen (Gesellen~ herurnb mit einer Ruten, schlagen die Junckfrawen
umb den Lebkuchen und diß nennen etlich den Pfeffertag.« »Am
Kindli'stag binden Knaben und Buben mehrere Besenreiser in-Büschel
und hauen« damit die Weibsbilder um die Füße herum, das heißen
sie Kindeln; da-fiür bekommen sie von diesem Bier oder Schnaps; das
76

Kindeln ist eine Ehre für die Weibsbilder und geschieht, wie man
sagt, damit sie nicht räudig werden.« (Panzer l. c. 307; Scheible, l. c.
VII, 782 ff.) Man schlug mit den Worten: »Ist der Lebzelten räß?«
solange, bis diese Frage bejahend beantwortet wurde, dann war Friede
und ein neues Leben zog ein ins Haus am »Lebkuchentagea.
(Scbmeller, II, 1119.)
Am Kindleintag war aber auch das sogenannte Johannes-Brot
üblich (1663): ‚Umb Weynachten ist es rechte Zeit, mit dem Johannes
Brodte zu (er)zeugen, einen Anfang zu machen.« (Praetorius, Weihnachts
fruzzen 389.) Im Spessart gibt es zwischen dem Adamstag (24. De
zember) und dem Winter-Johannes (Weinhansel, 27. Dezember) soge
nannte >HanuÄdämchen«, ein zweizipfliges Knaufgebäck in Doppel
weckenform, an die unterfränkischen Dürrbäncher (siehe Z. d. V. f.
V. K. 1902, S. 430) erinnernd. Auch Wickelkin d erfiguren, die wie
ein Neujahrsbrot gegen den Brand (Feuersgefahr) in die (persönlich
gedachte) Lobe geworfen wurden, gab e am Unschuldigen Kinder
tage. (Fig. 27—32.) Das Agathenbrot (5. Februar) hatte gleiche Ver
wendung. (Über letzteres siehe Z. d. V. f. V. K. 1905.)
Wenn wir nunmehr nach Beschreibung der Neujahrs- und Groß
neujahrsgebäcke (siehe Z. f. ö. V. K. 1903, S. 185, und Z. d. V. f. V. K.
1904, S. 258) zusammenfassend auch noch die Weihnachtsgebäcke
überschauen, so kann unser Schluß etwa dahin lauten:
Das Weihnachtsfest als ein Neujahrsfest weist auf einen Toten-,
beziehungsweise Seelenkult hin, der sich besonders bemerkbar macht
durch eine Seelenspeisung (Seelenbrei, Seelenbrot, Festkucben etc),
durch die (Totem) Lieder beim Einsammeln der Beisteuer zum Sippen
mahle, durch die Totenbeigaben (Haaropfer, Schmuckopfer etc.) Dieser
weihnäcbtlicbe und neujahrszeitliche Seelenkult entspricht ganz dem
am Allerseelentage oder bei Sterbefällen üblichen Vorgange im Volks
brauch; eine solche Seelenspeisung erfolgte nach uralter Sitte auch
beim Beginn eines neuen Jahres; etwas, was so lange Zeit ununter
brochen ganz und gar alle Schichten und Stämme des germanischen
Volkes durchdrang, kann nur einem älteren germanischen Kultur
stadium entsprungen sein; wir haben schon öfter betont, daß das
germanische Neujahr einen anderen Zeitpunkt (vor der VVinterstellung
nach Schluß der Weidezeit) hatte. Durch den christlich-kirchlichen
Einfluß kamen verschiedene Neujahrstage (und Lostage) auf; durch
das ganze Mittelalter hindurch war die Weihnachtszeit die eigent
liche Neujahrszeit geworden, die sich bis zum sogenannten Groß
neujahr (6. Jänner, Perchtentag), im Norden sogar bis zum 16. Jänner
(St. Knuts-Tag) hinauszog. >St. Knud der driver Julen ud«, sagt das
schwedische Volk. (Feilberg, Den nordiske Jul 827.) In diese lange
Zeit fällt auch der Zyklus der meisten Heilbrote, die mehr als alle
anderen Brote an die betreffende Kultzeit gebunden waren. Mit Ein
führung der christlichen Kultzeit wanderten diese Heilbrote um so
77

eichter mit, als die bessere Backtechnik, die besseren Mehlsorten, die
größeren Pflanzenkenntnisse etc. mit den Klöstern eingedrungen
waren. Die Kultzeit, wenn auch verschieden je nach der Religion.
machte das Kultbrot immer wieder zum Heilbrot, das durch den
Fruchtbarkeitssegen der Seelengeister seinen Heilwert erhielt. Diese
Geister sind die Seelen der Verstorbenen, der Unterirdischen etc._die
vor dem Beginne eines neuen Jahres ihre Schwärmzeit hatten; die
versöhnenden Seelenspeisen, Tieropfer und Seelenbrei, die symbo
lischen Haar- und Schmuckopfer, die Fruchtbarkeitssymbole etc.‚ sie
kehren alle heute noch wieder im Seelenfeste der Christen; ein
solches Totenfest muß auch in heidnischen Zeiten bei den Ger
manen in den Winter gefallen sein, das heißt in die längste Zeit
der Winternächte oder M1'itternächte. Bei den Nordgermauen ist es
bezeugt, daß für die kommende Fruchtbarkeit bei Mensch und Haus
lier (til grödrar) im Mittwinter ein Fest begangen wurde. (Meyer,
M. d. G. 326; Weinhold in Z. d. V. f. V. K. 1904, 100.*) Die Weih
nachtsgebäcke selbst stammen wohl größtenteils aus dem antiken
Neujahrsfeste der Römer oder aus dem jüdisch-christlichen Kult,
manche hat das deutsche Mittelalter aus Tradition altgermanischen
Volksbrauches hinzugefügt.
*) „Da skulde man blote imod vinteren til et godt är, 0m midvinter til god
afgrö de og tredie gang um sommeren, det var sejrsblot.“ (Vergl. Saga, cap. VIII.)
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgebäckc. TAF‘EL I.

Fig. 2. Tellerbroi.
Modelgebäck aus dem Lüneburger
Stadtmuseum.

Fig.1. Tellcrbrot (1676) aus Lebkuchen, Model aus Lüneburg, mit gcripptem Rande, das
symbollsierte jagdgliiclr (Bärentutzen, Hirsch, Hirschhorn, Löwe) im Innern des Tellers.

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Fig. 3. Schultafel. Marzipnnmodel aus Lüneburg. Fig. 4. Holzmudel aus Rosenheim. Schultnl'el (Abakus)
mit Schulazcne.
Dr. M. Höfiler, Weihnachtsgebäcke. TAFEL II.

Fig. 5a. Fig. 5b.


Mutzscheln nach Codex Kölner Murren, Kölner Mündelcher.
germ. man. 44131‘. 175 7 cm lang, Sun breit.
der Münchner Staats.
bibliuthelt.

Fig. 6. Fig. 7.
Kiimmelweck (Frankfurt n. NL), Tupfenstrützel (Altbayern),
“'eclten (Niederösterreich, Tirol), Scelenmichel (seil. Brot)
Spitzweclrel (Altbayern), (Schwaben),
Krcunreclr (Schwaben), Seele (Württemberg),
Meinradiweclten (Tirol), Kümmelstollen (Miltenberg),
\Vcinbcerlweclten (Altbayern), Schnullerprügel (Oberbayern),
Kipl'el (Altbayern), Suppenbengel (Straßburg).
Pnleu (Neapel).

i //////////////Im
Fig. 8. 1.71‚ ‘
Strützel (Oberösterreich, Steiermark),
‘ "".'I/////
Stutzweclr (Biberach),
geflochtene Strützel (Böhmen),
‘Mohnstullen (Dresden)
Weihnachls-, Chrislstriitzel (Böhmen, Sachsen, Schlesien).
mit Wickelung des Teiges.
(Durchschnitt.)

Fig. 10. Fig. 9.

Mutzenstrützel (Ballenstiidl), Meißner Fummel (Sachsen), Christstollen (Sachsen),


I\iaultasche (Lindau), Knisterwecltl (München), Stollen großer Klöwen (Hamburg),
(Dillingen), Tatschi (Salzburg). Strützel (Oberlausitz),
Kindsfuot (Lüneburg).

Laibls (Ansbach), Mannheimer Tischbrötchen


Wecltle (Stehen), (Königsberg),
Scbusterlaibl (Salzburg), Zehnerbrötli (St. Gallen),
Milchweclr(la) (Hersbruck), Franzbrot (Aachen),
Butterwecltla (Straßburg), Loosbrot (Bremen),
Anlrcnwecltli (Schweiz), Schienbein] (Südböhrnen),
Brotweclr (Straßburg), Fnncese‘ (Rom),
Clairomveckla (Ansbach), Mutschels (Ulm),
Fig. 11.
Kafi'eeweckli (Schweiz), Poliner (Böhmen),
Pariser Wecltli (St. Gallen), Milchbrötchen (Hamburg), Mohnmilchbrut (Königsberg), Murre (Feldkirch),
Eierwecltel (Oberbayern, Frankfurt) Milchbrötli (Schweiz), Tafelbrötll (St. Gallen), Augsburger oder Ulmer Geige,
Grüßbrot (Hamburg), Semmelbrölli (Luzern), Herrenbrut (Ulm), süße Geige (Krumbach).
Osterbrot (Mühlhauscn in Thüringen).
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgebäcke. TAFEL III.

Fig. 12. Fig. 13.


Weclr (Ehingen i. W.), Kafl'eeweclrli
Schietcl'xen (Erfurt), (St. Gallen, Straßburg).
Leipziger Stollen (Oberbayern).

Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16.


Walpurgisrasche Maullasche Butterslollen (St. Gallen),
(Marburg). (Sigerland, Nürnberg). Schietchen (Erfurt).

Fig. 17 Fig. 18, Fig. 19.


Aamuer Halbmond, Palisade Wallwcck (Umerfmnken)_ Bulterslullc (St. Gallen),
(Kobwß), “'cihnachtsstollen (Dlllingen,
Kafl'eewecldi (St. Gallen), Passau),
Buonaparll (Schweiz), Kindsl'uß (Lüneburg).
Strützel (Donanwört),
Blasien-Brot (Faimingen).
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgebäcke. TAF'EL IV.

Fig. 20. Fig. 21.


Thorner Katherinchen. Schwabenbriitla (Straßburg).

\ Fig. 22.
Patcnwccken (Knnufgcbäck)
(Egc r):
Neujahrsstollen (Heidelberg).

Fig. 25.
Reiter mit Jagdhom.
43 an langes Handgebildbrot
(Lüneburg).

Fig. 23.
Reiter, Lebkuchenmedel aus Neumnrkt (Salzburg)
N
Fig. 22. n, b, r.
a. Das von mir in Z. d. V f. V. K. 1902, S. 442, Tafel II., Fig. 15,
aufgestellte Schema oder die Urform für die sogenannten Knauf
gehäcke.
b. Die von Wilkinson (The Mannen; and Customs of the ancient
Egypiian5 II, 28. 35, 458) als Opferflcischstüttk (tierisches Schien
bein mit Fleisch) godeutete alttigyprische Zeichnung.
c. Die von Wilkinnon (I. eod. U, 28, Anm. l) in den Speiselisten
der Grabkamlnern der 4. Dynastie häufig gefundene Hieroglyphe
(vergrößert) nun = Knochen am Vor erbug des Rindes.

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"via

Fig. 24
Steinbild auf dem Portale zu St. Zeus in Verona
(aus Krause, Juislrolond 228).
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgebäche. TA F E L V.

Fig. 27.
Zeilenkinder in der Falsche,
Lebkuchen (.\‘lünchem.

Fig. 28.
Kind in der Falsche,
Lebkuchen (München).

Fig. 26.
.\Iehl\\eißchen. Weibliche Figuren (Schlesicfl).

Fig, 30.

Fig. 29.
Kindersegen (Villach, Kärnten). Fig. 31. Fs\schenlxinder‚ Lebkuchen (Hnllein)
Dr. M. Höher, Weihnachtsgebäcke. ‚ TA FEL VI.

F ig. 34.
Kutsche, Lebkuchcngcba'ick
(München).
Fig. 33.
Christkind im \Vagcn‚ Mnrzipnngcbäck (München).

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‘-Jßf
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‚t.‘.

Fig. 32.
‘ig. 36.
Deutsche Herzfonn.
O00 36 n. 36 b.
Ilcrzformen für altägyptischc Opferbilder
(nach Willrinson, II, 458, 459, 460).
36 c

\\'ickellrind (Lüneburg).

Fig. 38. Fig. 39. Fig. 37.


Schwein, Weihnachtsgcbäck, Schwein, Julgris-Bröd (1600) Herz, Weihnachtsgebäck, Braun
Stockholm, Braunkuchen mit aus Rudbeclrs Atland. (nach lwcbcn mit Zuckerguß »God jul«
Zuckerguß. E. Hammatetcdt). (Stockholm).

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Fig. 35. Galaschlittcn, Marzipanmodel (Kauflnturen).


Dr. M. Höfler‚ Weihnachtsgebäcke. TA FEL VII.

Fig. 40.
Gebackenes Ruß aus Cossensaß.
Brezel, Hüml und Hirschhörnl als Zicrat tragend.

Fig. 41.

Über einem Suahlenkmnze springendes Ruß


(Sachsenroß ?)
aus dem Lüneburger Stndlmuseum.
Lebkuchenmodel.
0Ql \l u\l0\
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgcbäcke. TAFEL VIII_

Fig. 42.
Hufeisen (sehr groß), Gebäck aus Frauenbreitungen (Werratal).
(Das mittlere Spaltwecklein zum Größenvergleich eingefügt.)

Fig. 43.
Lebkuchenmodel (1695) aus Tüll, Schlachtszcne.
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgebäcke. TAF‘EL IX.

Fig. 46. Fig. 47.


julhenne, Brotstempel von Smiiland (Schweden) _Iulbrut von Flistad in Westergothland
(Nordisches Museum) (nach E. Hammarstedt). (nach E. Hammarstedt).

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Fig. 48. Hahn auf dem Frciihofe neben dem nordischen Glockentunne (1591), Wafl'elbackform.
\Lüneburger Stadtmuseum.) (Abbildung aus der Zeitschrift Niedersachsen IV. 1899, 23. S. 367.)
Dr. M. Höfler, Wcihnachtsgebäcke. TAFE L X.

Fig. 50.
Julbrut, Kiichlein der Goldhennc aus Schwed.-Jämtland
(nach E. Humrnarstedt).

Fig. 49.
julbrot, ‚lulputte, Goldheune aus Sehwed.-Jämtlztnrl
(nach E. l-Inmrnarstedt).

Fig. 52.
Anisbrötln (Reichsndlcr), Straßburg.

Fig. 51.
Vogel \Hnndgebildbrut aus Reutte i. T.)

Fig. 53. Hennenbrot. gebackene Henne aus (Iossensaß.


Die schneclrennrtig gerollten Gebilde stellen die Küchlein unter
den Flügeln vor.
Dr. M. Höher, Weihnachtsgebäcke. TAFEL XI.

Fig. 54.
Anisbrötla (Straßburg).
Nach altchristlichem Vorbilde Adam und Eva unterm Feigenbaum.

Fig. 55.
Adam und Eva, Modelgebäck (Dinicelsbühl).
Dr. M. Höfler, Weihnachtsgebäcke. TA F‘E L XII.

Fig. 58.
_]ulbr0t in Kreuzl'orm aus Rud
becks Atlandik (1600)
(nach E. Hammarstedt).

Fig. 57.
Brotstempel aus Holz mit stilisiertcm Kreuz aus
Schwed.-Smäl:md (Nordisches Museum)
(nach E. Hammnrstedt).

i’.‘ ‚» y- v. k:
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‘ig. so.
Julkreuz aus Schwed.-Smäland (Nordisches julkreuz (Radkreuz), Stcmpelkuchen aus
Museum) Schwed.-Sm?dand (Nordisches Museum)
(nzvh E. Hammarstedl). (nach E. Hammnrstedt).
Dr. M. Höher, Wcihnachtsgcbäcke. TAFEL XIII.

Fig. 61.
Julbrot mit Rndltreuz
aus Rurlbecks Atlandik (1600)
(nach E. Hammarstedt).

Fig. o2.
Refurmationsbrut, Frnnzbrut (Lübeck), Stuttgarter Wecken (Ulm),
'l‘etzelmütze, Kreuzneckcn (Mnrbui'g), Torgnucr Karfreitngsbrut,
Pfafl'enkappe. Kntnkumbenbrot (Rom) 260n.Chr., Kreuzbrot (Lübeck).
Kreuzersemmel (Bayern).

Fig 64. Fig. 63.


Geldtnsche (Lebkuchen), stilisiert _':ms Blätterltranz und Ring; Waffen (Pistole und Dolch),
unter einem Engel drei Lederbörsen mitsammcn verbunden. Lebkuchenmodel (Tölz).
Ostergebä'cke.
V
—w‚<v\——

Eine vergleichende Studie der Gebildbrote


zur Osterzeit.

Von

Dr. Max ljöfler


Hofrat, in Tölz (Oberbayern).

Mit 103 Abbildungen auf‘ 6 Tafeln und im Text.

Wien 1906.
Verlag des Vereines für österreichische Volkskunde.
Kommissionsverlag: Gerold & Ko., Wien, I. Stephansplatz Nr. 8.

Buchdruckerei Helios, Wien.

<(
\.T)
Fig. 1. Osterflecken aus Niederösterreich und Salzburg.

Bei der Besprechung der Ostergebäcke müssen wir den eigent


lichen Ostertag trennen von den Tagen der Karwoche und den Tagen
nach Ostern. Der Palmsonntag soll dabei ganz unberücksichtigt bleiben.
A. Die Karwoche.
(Mhd. Karwoche; zu ahd. chara Trauer, Klage aus innerem Harm; dieses zur
germ.Wurzelz kar = Sorge, Kummer; Kluge °, 196, sie heißt auch die stille, taube, gute
Woche, die Marter-(Martel-)Woche und Ledelweke (Leidwoche); Westfalen: Judas
weke; südd. Antlaß-Woche (wegen des Antlaßpfinztages); la. semaine sainte, die grüne,
große, schwarze (Trauer-)Woche; in Rußland die weiße, reine Woche (wegen der
Hüttenreinigung vor dem Feste.)
Schon nach diesen Bezeichnungen hat die Karwoche den
Charakter »der l e t z t e n F a s t e n-(F a s t e l-)W 0 c h e« in der Trauer
zeit vor dem Osterfeste. Da dieselbe auch zum Teil in die Saatzeit fällt,
so finden sich in ihr auch Saatgebräuche, die wir am Karfreitag
näher besprechen und mitverbinden werden; dazu kommen noch
Andeutungen aus der abgelaufenen Faschings- (Fastnachts-)Zeit
wenigstens in einzelnen Gebäcksformen, die sich dann zeitlich etwas
verspäten.
Der M 0 n t a g in d e r K a r w 0 c h e, selten „guter Montag“, heißt in
Westfalen Märgel-(Märtel-)Montag oder blauer Montag; bei den Kleinrussen: reiner Montag.
Der Dienstag in der Karwoche heißt in Westfalen der krumme
oder schiefe Dienstag, (1752) der blaue Dienstag, sonst auch Antlaßdienstag; bei den Klein
russen reiner Dienstag; man tränkt dort das Vieh bei Tagesanbruch mit Lein- und Hanfmilch,
um es vor Krankheiten zu sichern oder man begießt es in der reinen Woche mit Schnee
wasser, in dem Donnerstagsalz aufgelöst werden war (Yermolofl‘, der landwirtschaftliche
Volkskalender 91). In Ostfriesland heißt der Tag: geel Dingsdag (vermutlich wegen der
gelben Eier).
Der Mittwoch vor Karfreitag in der Karwoche hieß in
Westfalen (1386) ‚am krummen oder schiefen Guetentag“; 15. Jahrhundert die krumme
Mittwochs. Nach Bilfinger (Zeitschrift für deutsche Wertl'orschung, IV) heißt dieser Tag auch
der krumme oder schiefe Mittwoch, weil die Quadragesima durch diesen ungeraden, über
schüssigen Tag nicht gerade mit 40 Tagen abschloß; ndl. Skortel-Woensdag; Seinertel
Woensdach (Hemd-Mittwoch, Reinigungstag); Plalzmittwoch (südd.), weil das Osterlamm
zum Osterbraten auf den Marktplatz gebracht wurde. In Ostfriesland heißt dieser Tag:
‘wit Midwälr = weißer Mittwoch.
An diesem Tage gab es (nach Schiller-Lübben, Mittelnieder
deutsches Wörterbuch, VI, 168) in Lippe (Westfalen) Stockfisch
‘lt
(Fastenfisch) und Jahrkuehen (Neujahrskuchen), ein sogenannter Eiser
kuchen, lokales Festgebäck zwischen Eisenplatten gebacken und ver
mutlich da und dort mit christlichen Symbolzeichen ausgestattet
(vergl. Abbildung 102).
Der Gründonnerstag in der Karwoche,coena Domini, mlat.
Dies viridium. Um 1200 tritt nach Kraus (Bealenzyklopädie der christl. Allertflmer. I, 636)
der deutsche Name Grtlndonnerstag auf (Wetzer und Welle, Kirchenlexikon, V, 1308).
Du Gange, III, 110, verweist auf das Calendarium germanicum v. Haltaus; demnach ist
mlat. Dies viridium wahrscheinlich nur Übersetzung des deutschen „Gründonnerstag‘;
im Mittel- und Niederrhein Mengel-, Mendeltag (angeblich zu ahd. mendildn = scherzen und
mende =Freude; mitten in der traurigen Zeit der Karwoche war an diesem Tage das
Fasten angeblich unterbrochen und so ein Freudentsg eingelegt. Aber schon Birlinger in
Alemannia, I, 156, war mit Recht gegen diese Deutung); wahrscheinlicher wegen des
Mandaten- oder Mändelbrotes (s. u); ndd. Witteldach (Tag in der weißen Woche);
Witte Dornsdach = weißer Donnerstag (Dies panis albi); in Bayern heiliger Pfinztag
(fünfter Tag in der Woche), Speis-Pfinztag (Armenspeisung); Michel Pfinztag (im
Gegensatz zum Christi Himmelfahrtstag); Weihen-Pfinztag; Antlaß-Pfinztag; Antlaßtag
(Dies absolutionis = Stindenerlaß, das heißt Entlassung der Täuflings aus der Kirchen
buße); Pflnztag in der Märtelwoche; 1470 am hohen Dnnstag; 1781 der gute Donnerstag
in der guten Woche; der große Donnerstag. der hohe Donnerstag; im Elsaß: fetter
Donnerstag. In den Niederlanden der Suppen-Donnerstag, an dem die Armen mit. Suppen
gespeist wurden. Schweiz: Judasmahl. franz.: Jeudi saint; engl.: Maundy Thursday (vom
Mandaten-, Mändelbrot = Dies mandali); engl.: Shere Thurs-Day; skandinu.: skirdsgr;
dan.: Skjaar-tors dag. (eigentlich Scheretag, Badetag, Reinigungstag, vielleicht an die
biblische Fußwaschung anknüpfend oder als Vorbereitungstag der Katechumenen und
Täuflinge). Bei den griechisch-orthodoxen Bussen der weiße, reine Donnerstag.
Der kirchliche Dies azymorum, wie der Gründonnerstag auch
heißt, hat Beziehung zu den ungesäuerten Osterbroten der Juden
christen, worüber unten noch gesprochen werden wird.
Hierbei ist zu bertlclrsichtigen‚ daß dem Donners-(Thor-)Tage als solchem schon
eigenartige germanisch-heidnische Festgebräuche anbafteten, da der Donnergott Thor im
Bauernvolke der Germanen so großes Ansehen genoß, daß sein Tag zeitweilig der
‚höchste‘ Tag gewesen zu sein scheint. Am Gründonnerstag darf man zum Beispiel in
Mecklenburg nicht hacken. Nach Kahn (Märkische Sagen, 387) galt der Volksspruch:
Wenn man am Gründonnerstag backt (wie die Heiden vor einem großen Feste), so regnet
es das ganze Jahr (zur Strafe) nicht mehr.
Das Gründonnerstagbrot sollte andererseits, wie das Neujahrs
und Christbrot (siehe meine Abhandlungen in der Z. f. ö. V. K., X, 1904
und XI, 1905, Supplementheft) nicht schimmeln, galt also wie ein
festliches Osterbrot.
Man sollte nicht schlachten oder waschen, weil sonst alle Regenschauer und
Sommergewitter wegziehen; aber eifrig wird gesäet und gepflanzt und man ißt grünen
Kohl. Diese Bedeutung des ‚Donnerstag‘ erhellt besonders am Fronleichnamstag und
Christi Himmelfahrtstag, die im Volksglauben mit dem Donner in Beziehung gebracht
werden und immer auf einen Donnerstag fallen. Die schwedischen Bauern schossen
ehemals an diesem Tage auf die nach dem Blä-Kulla, dem nordischen Blocksberge
fahrenden (Wetter-)Hexen (Meyer, Mythol. d. Germ., 361); auch im dänischen Seelande
fahren die Hexen auf den Blocksberg an diesem Tage (Feilberg, Danslre Bondeliv, I, 270).
In Böhmisch-Neubau erscheint an diesem Tage ‚die weiße Frau‘. Auch bei den Russen
setzte man in früheren Jahren an diesem Tage Stroh in Brand am frühen Morgen zur
Dämonenvertwibung und rief dabei die Toten an (Yermolofl‘ l. c. 93). Daß nach dem
russischen Volksglauben im Gouvernement Smolensk Seelengeister in dieser Nacht um
gehen, erhellt aus dem dortigen Brauche, ein Stück Brot und ein Häufchen Salz ins
Freie zu legen; wenn das Brot über Nacht gefriert, so wird das kommende Getreide
unterm Frost leiden. Dieses Brot selbst aber soll für die Gesundheit des Verzehrenden
sehr vorteilhaft sein, wenn man es noch an demselben Tage ißt (Yermolof l. c. 92.)
Im deutschen Volke macht sich der Geisterglaube an diesem Tage nicht so bemerkbar;
nur an den slawischen Grenzen und in der Nahe der griechisch-orthodoxen Christen
kann man ihn deutlicher verfolgen.
Wenn wir nun die an diesem Tage volksüblichen vegetabili
schen Speisen (die Fleischspeisen fallen ohnehin selbstverständlich
aus) berücksichtigen, so fällt vor allem auf, daß
l. der Seelenbrei nur im Böhmischen als sogenannter »süßer
Brei« oder Koch auftritt oder als Bröselerbsen (puöalky), welcher
Genuß die Erbsen im kommenden Jahre gedeihen läßt (Reinsberg
Düringsfeld, Festkalender, 93). Wer im deutschen Böhmen an diesem
Tage Linsenbrei ißt, dem geht das Geld nicht aus (John, Sitten und
Bräuche im deutschen \Nestböhmen, 61); es ist dies ein Neujahrs
glauben, der auf die Osterzeit, beziehungsweise den Ostertag (s. u.)
übertragen wurde. .
Der »Weckbrei« oder die »Wecken in der Milch«, die in Ant
werpen an diesem Tage üblich sind, sind ein Frühlingsbrauch ohne
eigentlichen Bezug auf den Gründonnerstag als solchen. Nach
Scheible (Das Kloster, VII, 70) geht in Böhmen die Sage, die Perchta
von Rosenberg, »die weiße Frau« von Neuhaus, soll eine Fundation
hinterlassen haben, aus welcher alljährlich die Kosten des Honigbreis
(Hirsebrei mit süßem Honig begossen), der dort in Neuhaus (und in
Jeltsch in Mähren) seit urvordenklichen Zeiten öffentlich verteilt wird,
bestritten werden. Die Bauern der Umgebung müssen denselben am
Gründonnerstag verzehren. Unterbrechungen dieser Observanz soll
»die Weiße Frau« schwer gerügt haben (Lippert, Christentum, 422 ff);
wir werden aber auf diesen Honiggenuß auf Ostern noch unten
zurückkommen. Im übrigen Deutschland fehlt der Hirsebrei an
diesem Tage.
2. Charakteristisch für den Gründonnerstag sind die grünen
Speisen. Im Elsaß gibt es ein »Neunkräutel-Gemüsea; in Bayern
und Deutschböhmen die »Kräutelsuppe« mit sieben- oder neunerlei
Kräutern; im Voigtlande(Köhler, Volksbrauch im Voigtland, 371) sind
diese Kräuter: Bachbunge, Schlüsselblume, Brunnkresse, Holunder
sprosse, Merk, Frauenmantel, Lauch, Nessel und Sauerklee. Die alte
»Neun-Stärke« (Braunschweig: nagen-starke; 9 = alles; Pancarpie,
Panspermie) aus neunerlei glückbringenden Kräutern bestand aus:
Geißfuß, Zichorie,Sauerampfer‚ Löwenzahn, Bibernell, Bachbunge und
Fetthenne;dies ist der neumärkische »Osterkohl« (Wuttke °, 73, Beilage
Nr. 79 zur Allgem. Ztg. 1901, S. 6). Diese »9 Kräutla-Suppe erinnert
sofort an den ags. Neunkräuter-Segen, der eine verchristlichte Be
segnung der im Frühjahr frisch wachsenden volksmedizinischen
Heilkräuter ist; er soll schon im alten Orient (Babylonien) üblich
gewesen sein. In Böhmen wird auch der Gundermann (Glechoma
hederaceum) zur Kräutlsuppe verwendet (Schmidt, Mieser Kräuterbuch,
12; Hoops, Altenglische Pflanzennamen, 55); diese sollten gegen
9 böse Geister, alle 9 Gifte und 9 ansteckende Krankheiten Abhilfe
oder Stärke schaffen. »Mit dem VVeihrauche und den \Veiheformeln
der Kirche mischt sich der Duft heiliger indogermanischer Acker
poesie« (Meyer, Myth. d. G., 33). Das Volk lehnte leicht an seine alten
Acker- und Kräutersegen den »grünen« Donnerstag an. Darum soll
man nach weiterverbreitetem deutschen Volksglauben etwas Grünes
am grünen Donnerstag essen, dann geht das Geld nicht aus. (Mann
hardt, Mythen, 152). (1595.) »Am grünen Donnerstag im Mai (?) kocht
eine Bewrin ihren Brei von 9erlei Kohlkräuterlein; solt wider
alle Kranckheit sein« (Andree, Braunschweig. Volksk., 245). In
Schwaben, Thüringen, Schlesien, Anhalt etc. gibt es Nißlsalat (Winter-,
Wingart- oder Ackersalat: Valerianella olitoria) oder Spinat; in den
Marschen Braunkohl mit anderen Kräutern; im Braunschweigischen
grauen Kohl.
Die Übertragung des indogermanischen Ackersegens auf die
Gemüse, beziehungsweise Gartenkräuter, wird wohl erst zur Römer
zeit erfolgt sein. Die römisch-katholische Kirche in Deutschland schuf
so den lateinischen Dies viridium im Mittelalter oder Dies viridis,
nach exegetischer Auffassung, so genannt als Tag der Grünen, das
heißt der öffentlichen Büßer, die aus dürrem Zweige wieder zu
grünem Holze geworden seien, »grunender der da ön sunde ist«
(Eychmann). Der volkskundliche Forscher wird letztere Erklärung
nur als kirchliche Umdeutung eines älteren Brauches annehmen, da
in der katholischen Kirche eine solche Auffassung auch in den
übrigen katholischen Ländern maßgebend gewesen sein müßte, während
der »grüne« Donnerstag spezifisch deutsch, beziehungsweise germanisch
ist, wo eben das Grünzeug der Gärten und Wiesen um diese Oster
zeit besonders geschätzt ist.
3. Ein typisches Kultbrot des Gründonnerstages ist das sogenannte
Mändelbrot, das im Westfälischen und am Niederrhein üblich
ist (Alemannia, I, 156). Nach \Noeste (Wörterbuch der westfälischen
Mundarten, 84) war dasselbe 1380 eine Pfründeabgabe der Klöster
»ad album panem in cena domini cum herbis (jedenfalls grüne Früh
jahrskr'äuter) ad capitolium«. Schiller-Lübben (l. c. VI, 212) führt für
dasselbe folgende Belegstellen auf: »Aliis nempe Coloniensibus
(Kölnern) et Juliacensibus (Jülichern) mendeldagh et mengheldach
dictus: et mendelbrood sive menghelbrood panis ex farragine, tritico
nempe et secali, quae tunc pauperibus erogatus panis autem candidus
in templo sacerdotibus distribui solitus pridie parascheues (Kar
freitag) qui menghelbrood, Juliacensibus, Flandris, Bruggensibus
(Brügge in Flandern) Kricke micke (siehe Karfreitag) dicitur.« Ferner:
»Auff Mendeldach pringet der Schult zum Osthoffe alhei im Kerspell
36 mendelkocke (über Mändelkuchen s. u.) und der angedeutete Kocke
pringet, kriegt auch essen und drincken. Von ernannten 36 Kocke
kreiget jder junfer l, Scholle junffern 1, bades maget 1, junfer Had
dewich l, die überigen bleiben bei der Abtei« (Frankenhorst anno
1570); sowie: »Auf Mendeldach den jungfern auff chor ein mendel
broed haltend vif (5) Proevenbrot« (Pröven, Präve, Präbendbrot, auch
Jungfernbrot, ein sogenanntes Deputat an die Klosterjungfrauen; im
Bergischen heißen sie noch »Mengelsbrötchen« und werden am
Gründonnerstag gesegnet Z. d. Ver. f. rhein. V. K. 1904, S. 214).
Dieses Mändelbrot dürfte identisch sein mit dem Mandelbrot oder
Mandatenbrot (1416), welches nach Alemannia, I, 156; Diefenbach,
Gloss, I, 377; Staub, Das Brot, 110; Kriegk, Deutsches Bürgertum, I, 544,
169) auch in der Schweiz und in Frankfurt am Gründonnerstag üblich
war und mit dem »Mandatum do vobis« (Evang. Johann, 13, 34) bei
der christlichen Fußwaschung am Gründonnerstag etymologischen
Zusammenhang haben dürfte. Jedenfalls ist es ein längs des Rheins
übliches Gebäck, das an die Armen, welche Mangel hatten, verteilt
und an die Klosterfrauen als Jungferndeputat (Praebende) gegeben
wurde. Auch in England hat es sich aus dem katholischen Mittelalter
bis auf unsere Tage erhalten. Nach der Vossischen Zeitung, Nr. 152,
2. IV. 1902, und nach Hazlitt, Faiths and Folklore, Dictionary, II, 395,
fand dort vor Jahrhunderten die in katholischen Ländern nach
biblischem Vorbilde noch übliche Fußwaschung der Apostel durch
den König statt; auch die Königin Elisabeth tat dies in ihrem
39. Lebensjahre an 39 alten Leuten in Greenwich und trocknete
„mit wohlriechenden Kräutern« deren Fiiße ab. Dieser Tag heißt in
der Volkssprache noch heute Maundy-Thursday‚ da während der Fuß
waschung der Chor die lateinische Hymne Mandatum anstimmte, was
in Maundy verdorben wurde. Hazlitt l. c. II, 395, vermutet engl.
maund = großer Brotkorb; allerdings gab es solche Korbbrote, die
die alten Christen in lose geflochtenen Körben zur Agape brachten
(Wilpert, Fractio panis. 9, 11) und die in ahd. Zeit Kanstella (aus
mlat. canistrum = Brotkörbchen = panis clibanicus) hießen (Stein
mayer, ahd. GI. III, 153, 213; Heyne, Deutsche Hausaltertümer, II, 268,
277; Diefenbach, Gloss., l, 127, 93, 106, 108, II, 70, 81); aber der
Umstand, daß auch am Rhein ‘Mändeltag und Mändelbrot auf
den Gründonnerstag fallen, an dem das Mandatum gesungen
wurde, lassen doch die Deutung Hazlitts unwahrscheinlich
machen; vielleicht haben die Maundy (Körbe) erst von letzterem
Mandatumbrote ihren Namen erhalten. Nach Scheible, VII, 878,
fand eine solche Brotspende an Arme in Gestalt von Oblaten
(mandatum) oder Mandaten auch in Wien statt. Schon mhd. ist
diu mandä.te der Name eines Gebäekes; 14. Jahrhundert mandata;
1629 mandat (Augsburg), mandaten (Schmeller, Bayer. Wörterbuch,
:
I, 1621); franz. le mandatum = die Fußwaschung am Gründonnerstag,
deren Einzelhandlung im kirchlichen Ausdrucke Mandatum heißt. Der
»Mandatenbachem (1618 crustularius hebdomadae sacrae vel pedilavii)
stellte sie in der Osterwoche her, und am Gründonnerstage wurden
sie seit dem 14. Jahrhundert als Brotspende an arme hochbetagte
Männer (die Apostel) nach der rituellen Fußwaschung verteilt. Die
Form dieses »Apostelbrotesa ist heute meist Weckengestalt, »Apostel
wecken«, die in Marburg die Form der Berliner Schrüppe haben
(Abbildung 1*), das heißt einen Wecken mit einer oder mehreren
oberflächlichen Schrüppen (Spalt) darstellen. In Lüneburg ist das
Mandatenbrot ein »Jungfernbrot«, ein feinerer, handlanger Wecken
aus Semmelteig, der in der Osterzeit als Deputat (s. u. 17) oder
Präbende an das Frauenkloster Lüne bei Lüneburg geliefert wurde
(15. Jahrhundert junckfrouwenbrot nach einer gütigen Mitteilung des
Herrn Reinecke in Lüneburg); es trägt hier zwei obere Querschrüppen
(Abbildung 2). Die schwäbischen »Apostelbrocken« (Birlinger, Schwä
bisches Wörterbuch, 28) sind gebackene Mehlnudeln mit Apfelschnitten
und Weinbeeren gefüllt (auch »Apostelkuchem genannt), also eine
Art »arme Ritten oder »Bettelmann« (eine Speise, die allgemein
bekanntsein dürfte);die Apostel, das heißt die zwölf armen alten Männer,
durften dort ehemals einen Almosenrundgang in der Pfarre machen
und erhielten dabei dieses Tagesgericht. In Sachsen und Böhmen
heißen diese Apostelbrote auch Judaswecken, Judasbrote, tschech.
Jidaäek. Jedenfalls ist aus dem Ganzen ersichtlich, daß es sich bei
diesem Gründonnerstagbrote um eine rein kirchliche Armenspende
handelt, die man im Merseburgischen aus dem Kreuzgange verteilt
(Meiche, Sächs. Sagenbuch 772).
Eine Erinnerung an die Coena Domini, die am Gründonnerstag
kirchlich gefeiert wird, ist auch das Herrnhuter »Liebesmahl
Brötchena, ein einfaches, 8 cm Durchmesser haltendes Rundstück
(Laiblein); über das zum Liebesmahl bezügliche Herzgebaeck, siehe
Archiv für Anthropologie 1906.
Im böhmischen (tschechischen) Elbtal gibt es am Gründonnerstag
»Honigbrötchen« und Honigschnitten, »Honnigsemmel«. Auch
kann nach deutschböhmischem Glauben derjenige, der am Grün
donnerstag Honigbrot ißt, von keinem giftigen Tiere (Impen, Flöhe
') Die in dieser Abhandlung abgebildeten Originalgebä'cke verdankt der Verfasser
der Güte der nachfolgenden Damen und Herren: Andree-Eysn in München, Freifrau von
Bechtolsheirn in München‚ Heer in Königsberg, v. Forster in Nürnberg, Gaul in Dresden,
Gentsch in Bad Tölz (früher in Frankental), Gravenhorst in Lüneburg, Gr0bner in
Gossensaß, Lechner in Bad Tölz, Elisabeth Lemke in Berlin, Lorenz Meyer in Hamburg.
v. Mayer in Bad Tölz, Robert in Frankfurt a. M.‚ Exzellenz v. Stülpnagel in Frankfurt a. M.,
Sprengel in Braunschweig, Ebenboeck in München, V. E. Hammurstedt in Stockholm.
Dr. Hingsarner in Passau, Dr. Ebermann in Berlin, Dr. Frischauf in Eggenburg. Pfarrer
Wolf in Niederbrombach, Weisstein in Ortelsburg, Hofrat v. Wieser in Innsbruck.
Ihnen allen sei hiermit auch öffentlich bestens gedankt, ebenso Herrn Professor Baron
v. Bissing für freundliche Beratung über die ägyptischen Gebildbrote.
\
und \Nespen etc.) gestochen oder verletzt werden (John, Sitten, 61;
Wuttkea ä 450, 620); nur im tschechischen Teile von Böhmen ist
das Honigessen am Gründonnerstag allgemein volksüblich, teilweise
auch in Deutschböhmen, Schlesien und Lausitz. Wenngleich nun
sicher vielfach jüdische Ritus- und Kultgebräuche in den christlichen
Volksgebrauch eingedrungen sind, so ist doch das Honigessen am
Gründonnerstag nicht auf den jüdischen Talmud zurückzuführen
(Urquell, Monatsschrift für Volkskunde, IV, 213), der dem dortigen
Volke nicht bekannter ist als anderswo, sondern es ist dem Umstande
zuzuschreiben, daß die wendischen Zeidler und Impker, die früheren
Meister in der Honigzucht, um diese Zeit ihre Honigstöcke zu
schneiden pflegen und dann der Honig dort leichter zu haben ist
(vergl. Lausitzsche Monatsschrift, 1793, S. 158). In den Bauernhäusern
um Reichenberg (Böhmen) wirft am Gründonnerstag vor Sonnen
aufgang ein Knecht, nachdem er schweigend sich im fließenden
(Oster-)Wasser gewaschen hat, ein mit Honig bestrichenes Brot in
den Brunnen, ein anderes in die junge, grüne, frische Saat des Ackers,
wie anderw'ärts Eierschalen oder Osterkuchen (s. u.). Honigsemmeln
und Kümmelplätzel, das heißt mit Feldkümmelgewürz bestreute
Flädlein (placentulae) sind auch das Gründonnerstagessen der Bautzener
Wenden (Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1293); für diese ist der
Gründonnerstag ein ganz besonderer Festtag. Sie finden sich an
demselben vom Lande her in den Lausitzschen Städten zahlreicher
als an anderen Tagen ein, wobei für die Kinder ein Marktgeschenk
(wie am Nikolaustage anderwärts) abfällt, das alle Jahre im Werte
steigt und solange andauert, bis das Kind beim Abendmahle gewesen
ist, das nennen sie »den grünen Donnerstag geben« (Lausitzsche
Monatsschrift 1793, S. 157, Anm.) Wer an diesem Tage in der
wendischen Lausitz »Kümmelplätzel« ißt, ist das ganze Jahr über
vor Flöhen gesichert (l. eod. 158). Diese »Platz« (placentae), die
namentlich auch im Fränkischen unter diesem Namen üblich sind
und im 14. Jahrhundert vom Platzbäcker hergestellt wurden, werden
natürlich im Wendischen auch mit Honig bestrichen, zu welchem
Zwecke auch kleine Öffnungen in den Kuchen geritzt sind. Weit
häufiger und von den gemeinen Wenden weit gesuchter ist der bloß
mit Sirup (Honigersatz) überkleisterte, aus dem schlechtesten Nach
mehle gebackene Platz, oder sogenannte Honigkuchen am Grün
donnerstag.
4. Etwas Gemeinsames haben auch die übrigen Gründonnerstag
geb'äcke insofern, als sie entweder mit »grünen Kräutern« vermengt
sind oder bereits vorgreifend an Ostertagsgebäcke anknüpfen, oder
die Fastenzeitgebäcksformen noch einmal wiederholen.
Zu den grünen Gebäcksformen gehören zum Beispiel das Lüne
hurger Krautbrot, der Berner Krautkuchen (Schweizer Idiot,
l, 581, III, 136) mit grünen Frühlingskräutern belegt; der Flandersche
grüne Kuchen (groenkoeken) (Volkskunde, Tijdschrift v. nederl.
Folklore, XI, 174); der mit grünem Schnittlauch belegte oder ge
mengte \Vetterauer grün e Pfan n kuchen (Wolf, Beiträge, l, 228;
\Vuttke ’ 74) oder Berliner Eierkuchen (Omlette, Frittate s.u.),
die Elsässer Sängnessel-Küchli (Elsässer Wörterbuch, I, 423; Salz
burger Kochbuch, IV, 93; Saubert, German. Weltanschauung, 241), ein
mit Brennesseln versetztes Gründonnerstaggebäck, wobei daran zu
erinnern ist, daß die Brennessel ein uraltes Mittel gegen elbische
Einflüsse, Nixenzauber, Hautwürmer, Seitenstechen und Bettnässen
und sonstiges Hexenwerk ist (Mannhardt, Myth., 102, 103); ferner die
böhmischen Spinatkra pfen (Reinsberg-Düringsfeld, Das festliche
Jahr, S. 102), die mit Spinat gefüllt sind und im Schwäbischen wegen
ihrer Farbe »Laubfrösche« heißen; auch diese sind ein Gründonners
taggericht. Unbewußt der Bedeutung des Gründonnerstags stellen die
modernen Konditoren eine »Gründonnerstagtorte« mit spinatgrüner
Glasur her (Universal-Lexikon der Kochkunst, I, 379).
In Nördlingen werden die sogenannten Tulpen, ein mutscheh
oder maultaschenartiges Gebäck (siehe Abbildung Nr. 55), mit grünem
Spinat gefüllt, an diesem Tage gegessen. Am hohen Donnerstag
erschienen 1732 in Luzern die Bürger auf dem Rathause, um ihre
verspäteten (Fasten-)Küchli in Empfang zu nehmen (Schweiz. Id.,
III, 132). Am »Hoh—Dunstig« backte man auch im Badischen Küchle
nach dem Volksspruche: »Küchelt man am Gründonnerstag, so hat
man das ganze Jahr hindurch immer Anka« (Butter). In Weizen
(Bonnd.) wird am Gründonnerstag in jeder Familie ein Abendessen
gehalten, zu dem Küchle aufgetragen werden. In Auenheim (Kehl)
bäckt man (vorausgreifend) bereits Osterfladen, mürbe Kuchen
mit einem Aufgusse von Reis, Eiern, Zucker, \‘Veinbeeren und Zimt.
In Oberaachen werden »die Apostel« und Armen mit Osterfladen
(Apostelkuchen) beschenkt (Meyer, Mythol. d. G., 301 ff.). Das Apostel
brot verwandelt sich eben da und dort in einen besseren »Apostel
kuchen«. Rostock steht am Gründonnerstag jeden Jahres im Zeichen
der sogenannten Schwaanschen Kuchen, eines kleinen Oster
fladens, der angeblich zur Zeit einer Teuerung von den auswärtigen
Bäckern zuerst von Schwaan (Mecklenburg-Schwerin) zum Osterfeste
in Rostock gestellt wurde; er besteht aus Semmelteig, Butter, Zucker,
Zitronen, Rosinen und Korinthen. Die internationale Rundschau für
Bäckerei 1903, S. 273, schreibt: »Am (Kar-)Mittwoch nachmittag etwa
um 4 Uhr kamen die Schwaaner mit vielen, oft 15 und mehreren
“lagen, alle hoch mit Kuchen beladen, vor dem Steintore an, dort
erwartete sie der Gewettsdiener und verbot ihnen bei Strafe der
Konfiskation an diesem Tage irgend etwas zu verkaufen; um 6 Uhr
wurden die Wagen durchs Steintor vom Gewettsdiener zur Herberge
geleitet. Sobald der Morgen angebrochen, fuhren die Schwaaner auf
den Markt und verkauften hier bis mittags 12 Uhr. Mit dem letzten
Glockenschlage mußteu sie bei Verlust ihres Privilegs ihre Wagen
vom Markte in die Steinstraße zurückgebracht haben. Bis in die
Zwanzigerjahre des 19. Jahrhundertes hinein haben die Schwaaner
dieses ihr Vorrecht ausgeübt. In jeder Rostocker Familie bildet noch
heute dieses kleine rundliche Osterfl'ädlein die Zugabe zum Nach
mittagskaffee, welche der zünftige Bäcker als Festkuchen ehedem
herstelltea. Auch in Ostpreußen greift der Gründonnerstag bereits mit
seinem Osterkuchen voraus. In der größtenteils zur griechischen
Konfession gehörigen Bukowina beginnt auch an diesem Tage schon
das Backen der Osterkuchen, wozu die Männer nur das trockene Holz
besorgen. Die Hauptarbeit des Tages aber liegt in den Händen der
Weiber; diese bereiten die das Schicksal der Familienmitglieder (wie
bei einem Neujahrsbrote) bestimmenden Osterkuchen; gut aus
gebacken, ohne Sprung der Oberfläche sind sie besonders glück
bedeutend, eine Vertiefung oder ein Riß in der Mitte des Kuchens
aber deutet auf Tod »innerhalb des nächsten Jahres«; wenn der
Osterkuchen nicht aufgeht, bedeutet es Hungersnot, wird er brüchig,
eine Seuche. Die heiratsfähigen Mädchen prophezeien aus dem Kuchen
vorbacke (über die Bedeutung des Vorbackes im Volksbrauche muß
bei anderer Gelegenheit berichtet werden), das am Ostersonntag
geweiht wird, eine baldige Hochzeit. Außer einem großen Osterbrote
werden auch kleine Perepiczke (Sauflaibe,* Zukost) als Geschenk
an Arme oder als Weihespenden an Priester gebacken (siehe Beil. 49
zur Allgem. Ztg. 1901, S. 2).
Wie die Fastenküchlein der Alemannen, so sind auch die
Brezeln und Kringeln des Gründonnerstages (und Ostertages)
eigentlich nur die Fastentrauerzeit abschließende Gebäcke, an welche
sich aber, wie‘ an die grünen Frühjahrsgebäcke hie und da ein
volksmedizinischer Glaube knüpft. Praetorius (Blocksberg, 114)
schrieb 1668: »Wie groß gefallen muß der Teufel haben, wenn er
ihm die Christen sihet so häuffig folgen im Aberglauben, sonderlich
‚am grünen Donnerstage mit den Pretzeln oder Krengeln oder
Ringen, wie sie an unterschiedlichen Orten genant werden, auß dem
warmen Backofen für Fieber, Kranckheiten, Zauberey und andere
Plagen im Hause auffgehenkt.« Wir haben schon in unserer Ab
handlung über das Brezelgebäck im Archiv für Anthropologie
(Neue Folge, III. Bd.‚ Heft 2, S. 101) auf den volksmedizinischen
Glauben an die antifebrile Wirkung der Gründonnerstag-Kringel
(»Gnappekrengel« in Braunschweig genannt) aufmerksam gemacht
und dieselbe aus dem übernommenen Trauerkult in der Fastenzeit
erklärt. Auch in Hamburg, Königsberg, Kurland gibt es am Grün
donnerstag solche Knabbekrengel (Abbildung siehe dort Fig. 32); in
Luzern sind es »Kümmelbrezel«. Im Schwäbischen hilft nüchternes
t_Salz- oder Kümmel-)Brezelessen an diesem Tage gegen kaltes Fieber
"‘) Vergl. den angels. gesufelne bis! (10. Jahrhundert).
10

und im schwäbischen Marbach bringt der Bursche seinem Mädchen


an diesem Tage Laugenbrezel (in Lauge oder Salzwasser gesotten)
(Birlinger, Aus Schwaben, Sagen, Sitten etc., II, 71; Jahn, Deutsche
Opfergebräuche, 45; \Nitzschel, Sagen aus Thüringen, 195; Meyer,
Badisches Volksleben, 501; Perger in den Mittlg. d. k. k. Zentral
kommission Wien, XIV, 1869, S. V; Beilage zur Allgem. Ztg. 1879,
S. 611). In Dürrenbach (Bretten) werden die gesalzenen Fastenbrezel
an diesem Tage ins Haus gebracht, die man nüchtern essen muß,
dann bleibt man ein Jahr iieberfrei (Meyer, Badisches Volksleben, 501).
Sogar im evangelischen Königsbach (Durlach) werden sie frühmorgens
vor dem Gottesdienste als erste Speise verzehrt (l. eod.). Dieser volks
medizinische Glaube haftet aber an den Gründonnerstagbrezeln nicht
etwa wegen der kommenden Osterzeit, sondern wegen des Seelen
kults der Trauer- und Fastenzeit, welche die Karwoche beschließt.
Über die volkskundliche Bedeutung des Fastens haben wir uns schon
in jener Abhandlung »üher das Brezelgebäck« ausgesprochen. Das
Trauerfasten war eine Folge der Furcht vor der Rache der Ver
storbenen, denen man durch das Essen bestimmter Speisen oder
während bestimmter Fristen nicht zu nahe treten durfte. Die Brezeln,
Bäugeln oder Kringel sind die Teigsymbole des Totennachlasses
(Brasseletts, Bangen, Ringe), der zwar dem Verstorbenen gehörte, aber
durch das Ringsymbol aus Teig abgelöst werden war. Es sei gestattet,
hier zu den schon erwähnten volkskundlichen Beiträgen über die
volksmedizinische Bedeutung der gesalzenen Brote (und des soge
nannten »gerösteten Salzes«) noch einige Ergänzungen anzufügen.
Bei den Niederländern half im Mittelalter geröstetes Brot und Salz
darauf gestreut gegen das Sodbrennen (De Vreese, Middelnederland
sehe Genceskundige Recepten, 137).
Gesalzenes Brot mit gedörrten und gepulverten Haselnußzäpfchen
(Blüten) gibt man im Isartal den Kühen, wenn sie die Milch ver
lieren wollen, als Kraftmittel, andere solche Salzgebräuche siehe
Z. d. V. f. V. K. 190:’), 137; Archiv f. Relig.Wiss., VIII, Beiheft, S. 33 ff.;
Beilage zur Allgem. Ztg. 1905, Nr. 197.
Daß an Stelle des Salzes und des uralten Kümmels auf solchen
Zeitgebäcken auch Zucker oder Zimmet erscheinen kann, bedarf keiner
Erwähnung. Volksüblich sind in der Fastenzeit aber nur die gesalzenen
Brezeln bislang gewesen, die mit der Osterzeit ihr Ende nehmen.
Die österreiohisch-schlesischen »Bäugeln« und die preußisch-schlesi
schen »Bägeln« (Gallenau, Kr. Frankenstein), welche die sogenannten
Klapperjungen (Klöpfelbuben) am Gründonnerstag heischen, sind ein
ringförmiges Gebäck der Fastenzeit (siehe Blätter f. hessische V. K.,
I, 243). Daß solche Brezeln an manchen Orten wegen des um diese
Osterzeit gebotenen Eivorrates, eisatter oder durch Safran gelber ge
macht werden, wie zum Beispiel in Straßburg, erklärt sich ebenfalls, denn
das Gründonnerstag-, Antiaß-‚Karfreitag- und Osterei sind identisch.
11

»Anis- und Kümmelplätze» sind, wie schon erwähnt, hauptsächlich in


wendischen und fränkischen Gegenden üblich, nur sind sie in den
wendischen Gegenden noch häufiger mit Honig bestrichen. »Niemand
greift noch jetzt (1792) eifriger nach diesem durch seinen Anblick eben
nicht sehr einladenden Gebäck als die hochaufgeschürzte, dicke,
wendische Bauerndirne; denn es ist ihr von Jugend auf gesagt worden,
daß, wer an diesem (Gründonners-)Tage Kümmelplätzel ißt, das ganze
Jahr über vor den Neckereien des Flohs (und anderen Plagegeistern)
verschont und befreit sei.« »Kümmelplätze werden zu Bautzen am Grün
donnerstag, wo(!) daselbst die gewöhnlichen Fastenbrezen aufhören,
allenthalben den Hausgenossen verteilt; es ist ein kleiner Kuchen,
dessen Oberfläche eingeritzt gebacken und mit Honig ausgefüllt wird.
Daher sagen die Leipziger (die Nachbarn der Wenden), wer am Grün
donnerstag nicht Honig esse, laufe Gefahr, in einen Esel verwandelt zu
werden.« (Rochholz, Deutscher Glauben und Brauch, II, 270.) Die in der
sächsischen Oberlausitz zwischen Löbau und Zittau üblichen sogenannten
»Patensemmeln« (Abbildung Nr. 32) sind braune, mit Mohn bestreute,
runde, flache Fladen, deren Oberfläche über Kreuz eingeteilt ist, um et
waigen Fruchtsäften Halt zu geben. Sie werden alljährlich dort an
diesem Tage an die Patenkinder verschenkt als alter Ostermarktbrauch.
In Gallenau, Kr. Frankenstein (Schlesien), beschenken die Paten ihre
Kinder mit dem »Gründornschtig« (analog zur Christbürde, Klausen
zeug), das heißt mit dem am Gründonnerstagmarkt gekauften Ge
bäcke (Blätter für hessische V. K. II, 243). Die volksübliche Ten
denz, die herkömmlichen Fasten—, beziehungsweise Ostergebäcke
mit der biblischen Legende des Tages in Zusammenhang zu bringen,
schuf nicht bloß die später zu erwähnenden böhmischen »Judas
wecken« (= Brezel, siehe Archiv für Anthropologie, III. Bd., S. 101,
Fig. 36), sondern auch die deutschböhmischen »Judaszelten« (Krumau)
sowie die Hamburger »Judasohrem, Osterflädchen mit einem das
Ohrläppchen andeutenden keilförmigen Ausschnitte, wodurch das
ganze Kuchengebilde absichtlich entstellt wird (siehe Abbildung Nr. 31).
Volksmedizinischer Glaube aber haftet an diesen Judasgebäcken nicht;
es sind nur christliche Spottgebilde. In Bretzenheim bei Mainz
wurden sogar die »Judenmazzen« von den Juden geheischt durch die
umziehenden Jungen (Blätter f. hess. V. K., III, 162).
Auffällig ist, daß am Gründonnerstag auch die »Maultaschen«
(Maulschellen, Mundschellen,Mutscheln, Mutzeln), ein die rima vulvae
andeutendes Fruchtbarkeitssymbol wieder auftreten. Mit Honig be
strichene Maultaschen gibt es in Westböhmen (A. John). Das stets gerne
etymologisierende Volk bringt sie natürlich mit dem Backenstreiche
Christi in Verbindung (wie man auch in der Brezel eine Christus
fessel sah). Die Nördlinger Spinattulpen (siehe Abbildung Nr. 5:3)
haben wir schon erwähnt; sie geleiten uns zu den alemannischen
»Mutscheln« (Mutschli, Mützschi), welche zum Abschlusse der
12

Fastenzeit, in der die »Mutzen« (siehe Z. f. V. K., XI, 1905,


Suppl. III, S. 47) eine Rolle spielen, wie Fastenkiicheln verteilt wurden.
1604 wurden am hohen Donnerstag gesegnete Mutzschli in Luzern
ausgeteilt. 1611 traten dafür schon die (Fasten-)Küchli auf. Sogenannte
Spend-Mutzschi teilte bis 1798 das Gotteshaus St. Urban alle hohen
Donnerstage an die Armen aus dem Amts Aurwangen und Bipp
aus, welche Spende (ursprünglich wohl an die armen Seelen) heute
mit Geld abgelöst ist (Schweizer Id.‚ III, 132; IV, 600, 602). Solche
Armenspenden sind nicht etwa durch den kirchlichen Einfluß
erst aufgekommen, sondern nur viel zahlreicher und geregelter ge
geben worden; rein christlich aber waren sie nicht, da sie schon
bei den heidnischen Römern angegeben wurden.
In die letzte Fastelwoche oder stille Woche fällt ferner der zur
Vorbereitung der österlichen Speisen (parasceue, parascepe, Diefenbach,
Gloss. nov., II, 412”) bestimmte
K a1‘ fre i tag. 15. Jahrhundert. Der gude ffridage; Diefenbach, I, 412; (1752)
der blutige Jüdische Kreystag (Kreuztag) (J. P. Schmidt, Fastelabendsgebräuche, 37);
Westfalen: guter oder stiller, langer Freitag, Martertag, Todestag Christi. Saetag, Char
tag, groner Fridach, ein für die Fruchtbarkeit und Gesundheit im deutschen Volksglauben
entscheidender Tag. Eugl.: Good Friday, Goddes Sontay, Long-Bope Day (wegen des
langen Reifseils oder Taus, das die Kinder vom Bache aus durch die Straßen schleppen,
das Navigium Isidis, den carro navale nochmals am Schluß der Fasten nachahmend,
Hazlitt, l. c. II, 307); schwed.: Längfredag; franz.: Vendredi Saint; bei den Russen großer
Freitag, im Kaukasus roter oder schöner Freitag (Yermoloff, 95). Dabei ist zu berück
sichtigen, daß der höchste „Freia'-Tag (ahd. friatay, altnord. frjadagr = Veneris dies.
Vendredi) an die Göttin Frigg (ahd. Friia, langob. Frea, ags. Frigg, deutsch Frirke) im
deutschen Volksleben angeknüpft wurde, das heißt an die gütige, göttliche Landgeberin,
die über dem Saatlande und über den Pflugfeldern schwebte. Vielleicht ist es eine ver
blaßte Erinnerung an die Friclre, welche auch in deutschen Sagen, die sich auf diesen
Tag beziehen, wiederkehrt. Am Karfreitag zeigte sich am Königsstein bei Aarau (Schweiz)
‚die weiße Jungfrau“ (= Frühlings-Vegetations-Geist) am liebsten. Drei Jungen sahen sie
und erzählen es ihrem Großvater; dieser befahl ihnen, Brosamen auf laubgeflochtene
Wannen (Opferteller ?)‚ mit denen die (Oster-)Jungfrau (Oster-)Wasser aus einem Brunnen
holt, zu werfen, dann verwandle sich alles Laub in Gold (durch Versöhnung der Wasser
geister mit Brotopfer) (Kuhnau, 23, Die Bedeutung des Brotes). ‚Wannen‘ oder „Wannl‘
heißen in Österreich, Altbayern und Böhmen auch die in wannenförmigen Geschirren ge
backenen Teigiormen. Solche Wannen waren früher auch Getreideschwingen. Die Laub
flechtung deutet wohl auf Opferschmuck.
Im Egerland (Böhmen) soll man am Karfreitag kein Brot backen
wegen der an diesem Tage besonders großen Hexengefahr; um die
Bienenstöcke herum (über Honig siehe oben) soll man Schrotmehl
streuen, dann hat man Glück (John, Sitten, 61). Am Karfreitag geht
der Bilmaz- (Bilmiz-)Schneider (Korndämon) um (l. eod., 198). Ein
Stückchen Brot, das am Karfreitag an einem heiligen Schmerzen
kreuze gerieben wurde (Totenbrot), ist in Tirol das Vehikel für
ein den sogenannten Viehschelm (Milzbranddämon) vertreibendes
*) In Rumänien ist dieser Tag als Paraskeve (heilige Mutter-Freitag) sogar
personifiziert (Mannhardt, Wald- und Feldkulte, 184).
13

rotes Tuchfleckerl (Blutsubstitut), das man dem Viehe eingibt (Alpen


burg, Mythen und Sagen Tirols, 76).
Die Erbsen, ein häufiges Totenfeieressen, gehören den Seelengeistern; man steckt
Erbsen in die Totenköpfe (Wuttke ' 5 472). An diesem Tage nun gehören die Erbsen
den elbischen Zwergen; sonst bekommt man leicht Schwären (mitessende Zebrwürmer,
Wurrnclärnonen), Wolf, Beiträge, II. 324. Die an diesem Tage geworfenen Kälber bleiben
nicht am Leben (Yermolofl', 95; Wuttlre ’ 5 699, 5 87). Wenn man mit einem Linden
sprossen, der am Karfreitag beim Zwölfuhrschlage geschnitten wurde, den ersten Kinds
brei anrtlhrt, so bekommt das Kind nie Zahnweh (Rochholz, Alem. Kinderlieder, 292).
Der volkskundliche Hintergrund des »höchsten Freitags im
ganzen Jahre« trägt einen vorwiegend vorbeugenden, antidämonischen
Zug. Nicht nur häufen sich die volksmedizinischen, gegen angehexte
Tier- und Menschenkrankheiten gerichteten abergläubischen Mittel
gerade an diesem Tage, sondern auch die Mittel, um weibliche
Schönheit und männliche Fruchtbarkeit und Saatenglück zu erzielen.
Die Antlaßeier, das Nägel- und Haarschneiden (Schertag), Karfreitag
wasser etc. (siehe das Jahr im oberbayrischen Volksleben, S. 16;
Reiser, Sagen, II, 114 ff.; Meyer, Badisches Volksleben, 502 etc.) be
kunden, daß Mischungen von kirchlichem Teufels, Hexen-, altgerma
nischem oder altrömischem Aberglauben sich an diesem Tage mehr
als an anderen Tagen vereinigen. Auffallend viele der abergläubischen
Gebräuche desselben sind an kirchliche Kultzeiten untertags und
an solche Kulthandlungen dieses Tages gebunden, nur wenige
Saatgebräuche an die Nachtzeit: »Die meisten (nicht durch römisch
kirchlichen Einfluß veranlaßten) germanischen Osterbräuche erklären
sich aus einem Frühlingsfeste, das den Germanen, wie allen
Völkern eigen war, aber auf keine bestimmte germanische Gottheit
zu beziehen ist.« (Golther, Myth., 488.)
Bei manchen, namentlich bei den volksmedizinischen Handlungen des Karfreitags
spielt der Dies Veneris durch die mittelalterlichen Schriftgelehrten mit herein und sicher
lich auch ein traditionell vor dem Oster-Neujahr eingeschlichener, neujahrzeitlicher
Seelen— oder Totenkult. (Vergl. dazu die Veilchensaat am Karfreitag in der Haute Bretagne
[Las violiers.] Die Veilchen sind die Blumen der Proserpina; Revue des tradilions popu
laires XVIII No.1, Cotumes et superstit N0. 36) In einigen sächsischen Orten ist es noch
lebendiger Brauch, in der Karfreilagnacht aus Sargnägeln und Sarggiiihn geschmiedete
Schutzringe gegen Gicht und andere Gebrechen herzustellen (Mitt. d. Ver. f. sächs. V. K.‚
III, 4. Heft), welcher Brauch sicher mit dem Totenkult dieses Tages zusammenhängt,
wozu der Todestag Christi auch das begünstigende Moment gewesen sein mag; daher
auch der an anderen Seelenkulttagen zu findende Volksbrauch, am Karfreitag zu fasten,
bis die Sterne aufgehen oder bis zum Sonnenuntergang. Bei den Nordländern war das
Fasten am Ostertage als Mittel gegen Fieber (Krankheitsdämonen), weil eine heidnische
Sitte, verboten. (Maurer, Bekehrung, II, 422.)
Das am Karfreitag übliche Brot heißt an manchen Orten
»Marterbrot« wegen der biblischen Marterwoche. In der Pfalz gilt
es als löblich, wenn die Hausfrau an diesem Tage frühmorgens
frisches Brot bäckt (Grünwald, Pfälzischer Bauernkalender, S. 32). In
Erfurt gab man ein am Karfreitag über dem Kruzifix (Kreuz) ge—
weihtes Brot als Fiebermittel (Z. d. V. f. V. K. 1901, 274); überhaupt
14

spielt das Kreuz an diesem Kreuzigungstage eine große Rolle im


deutschen Volksbrauche. Am Karfreitag erhielt im Braunschweigischen
sogar der Hund (gegen die Tollwut?) ein Butterbrot, auf dem ein Kreuz
eingekratzt war (Kühnau, Die Bedeutung des Brotes; Andree, l. c.,
246). Wir haben schon in der Abhandlung über die Weihnachts—
gebäcke (Z. f. ö. V. K., XI, 1905, Suppl. III, S. 69) über die Kreuz
brote gesprochen und darin das Hakenkreuz und Radkreuz
vom christlichen Kreuze getrennt. Mögen auch beide oft durch das
letztere verdrängt worden sein, so ist doch der mit dem Kreuzbrote
des Karfreitags verbundene Volksbrauch kein eigentlich heidnisch
germanisches Überbleibsel, sondern durch die antidämonische Ver
wendung des christlichen Kreuzes erklärbar.
Die Form des Kreuzes findet sich als dekoratives Motiv innerhalb
des Kreises schon auf altägyptischen Broten (siehe Abbildung 4); da das
Judentum viel aus dem Altägyptischen übernommen hatte,so wäre schon
deswegen die Möglichkeit gegeben, daß durch das Jüdisch-Christliche
solche Brotformen als Weihebrote auf unsere Zeit übermittelt wurden.
Weit wichtiger als das Judentum war aber diesbezüglich das koptiscbe
Mönchstum. Das Koptische, welches nicht durch das Christentum
allein entstand, sondern hauptsächlich durch das Eindringen des
Griechischen und Syrischen in Oberägypten angeregt wurde, gewann
eben erst in christlicher Zeit auf ägyptischem Boden in der dar
stellenden Kunst die Oberhand; die damit zusammenhängenden Ge
bildbrote wurden hauptsächlich durch das koptiscbe Mönchstum dem
Abendlande vermittelt; in der griechisch-katholischen Kirche erhielt
sich das koptiscbe (ägyptische oder syrische) Kreuz auf den Weih
broten am längsten (siehe Abbildungen 13,14,16, 17 und Fig. 1 (S. I); als
Malteserkreuz lebte es auch in der lateinischen Kirche wieder auf und
dauert auch noch als Julkreuz der Nordgermanen im Volksbrauche fort.
Auch viele ältere Brote der römisch-katholischen Kirche tragen dieses
gleicharmige christliche Kreuz (siehe Abbildungen 8—17). Als ein
Osterkreuzbrot möchte ich das mit Palmen (siehe Abbildung 15) und
dem Säulenbogen (Einzug nach Jerusalem?) ausgestattete Stempelbrot
aus Südfrankreich ansehen, dessen kleinere vier Kreuzstempel auffallend
mit den Julkreuzen 1600 in Schweden (siehe Z. f. ö. V. K., XI, 1905,
Suppl. III, Tafel XIII, Fig. 61) übereinstimmen.
In Torgau gibt es nur‘ am Karfreitag solche Kreuzbrote
(siehe Abbildungen 18, 20, 21, 24, 26,28, 30, 34 und 35), deren Erhabenheit
zwischen den gekreuzten vier Feldern hornartig aufgewunden sind,
ähnlich den cornetti der Italiener, welche diese vier Felder zur Erhöhung
der delikaten Knusperigkeit sich in die Höhe winden lassen (siehe Ab
bildung 20). (Vergl. das Bild des A. Vicentino im Venediger Dogenpalaste,
die Belagerung des Rivo alto durch Pipin den Kleinen, auf welchem
solche Kreuzbrote erscheinen.) Zu diesen österlichen Kreuzbroten gehört
vielleicht eine Form des Stralsunder »Osterwolf« (s. u., Abbildung 40).
16

Im (schwedischen) Smäland spart man (nach Hammarstedt,


Säkaka och Säöl, 266) die mit: sogenanntem limp-deg (Teig für das
profane Weiche, limpa genannte Rundbrot) gebackenen Julkreuze mit
griechischer Kreuzform auf bis zum Karfreitag (dem Saetag), an
welchem Tage diese Kreuzbrote in Fleischbrühe getaucht (ohne
Fleisch) verzehrt werden (also noch mit Beobachtung der früheren
kirchlichen Fastengebote) mit einem eigens zu Hause gebrauten Biere;
also auch hierbei ist die germanische Mittwinterzeit (Totenfeier)
maßgebend für die Wirksamkeit des am christlichen Karfreitag ver
zehrten Saatopfers in Gestalt des bekreuzten Brotes. Auch in Frank
reich sind um diese Zeit solche Kreuzbrote üblich (Montelius in
Prometheus, XVI, 281). In England werden heiße Kreuzb rote
(Hotcross-buns*) nach dem Vorbilde der heißen Wecken (Hät-Weggen,
siehe Abbildung 35) der vorausgegangenen Fastenzeit in der Früh
ausgerufen und verkauft, dort gelten sie auch als volksmedizinische
Mittel (gegen Fieber und Diarrhöen). Das Kreuzbrot ist die »Kar
freitagssemmelu (Good-Friday-Bun) der Engländer, über welche die
Vossische Zeitung 1902, Nr. 152, schreibt: »In gewissen Dörfern
Englands wird die Karfreitagsemmel geradezu als Heilmittel genossen
und gelegentlich auch dem Viehe verabreicht, wenn eine Seuche im
Stall ausbricht. Gewisse Bäckereien erfreuten sich im vorigen Jahr
hundert großer Berühmtheit wegen der dort am Karfreitag gebackenen
Kreuzsemmeln. In der Vorstadt Chelsea stand vor hundert Jahren
eine Bäckerei, die am Karfreitag von über 50.000 Personen besucht
wurde, die keine anderen als die im Bunhaus gebackenen und mit
Spezereien schmackhaft gemachten Semmeln genießen und nach Hause
nehmen wollten. Der Aberglaube an die Kreuzessemmel spukt auch
in einer alten Schenke im Quartier Bow im Ostende Londons. Das
Wirtshaus trägt das Schild »Zum Sohn der Witwe«, deren einziger
Sohn gegen den Willen der Mutter zur See ging, und zwar an einem
Karfreitag. Die gute Mutter behielt eine Kreuzessemmel für ihren
Jungen bis zum nächsten Karfreitag auf, als er da nicht kam, reihte
sie eine frische Semmel an die Schnur, aber er blieb verschollen, und
nach dem Tode der Mutter haben die neuen Wirtsleute die Sammlung
"‘) Herr Professor Hoops in Heidelberg hatte die Güte, über die unsichere Etymo
logie des engl. bun zu berichten: ‚Gewöhnlich wird das Wort bun, das im Angel
sä.chsischen nicht vorkommt, sondern zuerst 1371 belegt ist (cum uno pane albo, vocato
bunne), mit provenzalisch bougno Schwellung, nordfranz. bigne zusammengebracht. Das
Deminutiv dieses Wortes nordfranz. beignet, bignet, prov. bougnets bedeutet nämlich
„Pfannkuchen, Pufi'er“ und im Dialekt von Lyon soll auch das Simplex bugne oder hugni
In diesem Sinne vorkommen. Dazu spart. buüuelos = Pfannkuchen, Semmel. So Murray
in New English Dictionary s.v. bun (1888) und zuletzt Skeat, Notes on English Etymology
p. 25 (1901). Die Grundbedeutung des Wortes wäre dann ein aufgedunsenes, baucbiges
Backwerk. Sprachlich ist diese Entlehnung des engl. bun, mengl. bunne aus dem südfr.
bugne schon möglich, aber bei der Verbreitung des Wortes in den engl. Dialekten wäre
doch auch germanischer Ursprung denkbar, obschon ich im Augenblick selbst keine ent
sprechende Anknüpfung und Erklärung wüßte.‘
Zeitschrift für österr. Volkskunde. XII. Suppl. H. IV. 2
16

fortgesetzt, die jetzt 64 rauchige Stücke zählt. Alljährlich wird das


Wirtshaus, das auch sonst guten Zulauf hat, am Karfreitag von Neu
gierigen und Durstigen in großer Menge besucht. Nach einer Über
lieferung vermachte ein Londoner Bürger eine Summe Geldes, aus
deren Ertrag alljährlich am Karfreitag 21 neugeprägte Sixpence und
ebensoviel Kreuzessemmeln für 21 Witwen auf seinen Grabstein im
Kirchhofe bei der Kirche des Bartholomäus im Smithfield, Londons
Ostende, gelegt werden sollten.« Hier ist also die Kreuzessemmel ein
deutliches Totenspendebrot, das man sonst auch wie die Braun
schweiger Knappe-Krengel gegen häusliches Unglück in den Zimmern
aufhängt. Auch auf den Grabsteinplatten in den römischen Katakomben
ist die Kreuzessemmel oder das Kreuzbrot ein Seelenbrot (siehe
Abbildungen 8, 9 und II); sicher kam es aus Italien durch das Christen
tum als Totenspende mit dem als signum crucis gedeuteten dekora
tiven Innenkreuze und als antidämonisches Saathrot nach Süd
germanien und zu den Nordgermanen. Ein königliches Mandat vom
Jahre 1252 verbot diese Kreuzbrote; trotzdem fuhren die zünftigen
Bäcker fort, auf ihre Good-Friday-Buns das Kreuz einzutreiben, ehe
diese in den Ofen kamen (Hazlitt, l. c. I, 283). Es ist dort auch all
gemeiner Volksglaube, daß man solches Karfreitagbrot als Glück
fürs ganze Jahr (also wie ein Julbrot) von einem Gutfreitag zum
nächstjährigen aufbewahren soll. In Dorsetshire backt man für diesen
guten Freitag Brotlaibe, die in die Räucherkammer gehängt werden,
um das Haus während des kommenden Jahres vor dem Verderben
zu bewahren. Ein wenig von diesem Gutfreitaglaib in Wasser ein
geweicht, ist ein unfehlbares volksmedizinisches Mittel gegen Diarrhöe
(l. eod.) Eine Abart dieser englischen Kreuzbrote sind sicher die
cross-marked wafers _= W'affeln mit einem Kreuze markiert (Hazlitt, I,
283), die wohl im 16. Jahrhundert dort aufkamen. Aus den unter
den Weihnachtsgebäcken (l. c.) und hier unter Karfreitaggebäcken
angeführten Belegen erhellt deutlich genug. daß die zur christlichen
Osterzeit gebackenen Kreuzbrote auch ein die bösen Geister und üblen
Vegetationsd'ämonen abwehrendes, für das Glück des Hauses und den
Saatsegen verwendetes christliches Heilbrot, beziehungsweise ein
Seelen- oder Totenbrot sind, dessen Kreuzfigur aber mit dem Sonnen
kult in keinem Zusammenhange steht, sondern nur mit der Ver
wendung des christlichen Kreuzeszeichens als Apotropaeon sich er
klären läßt, das am Karfreitag besonders leicht volksüblich geworden ist.
Drei Kreuze auf den Brotteig gedrückt sind ein Mittel gegen Hexen.
(Staub, l. c., 22.)
Ein sehr primitives Karfreitaggebäck waren ehemals die in
Tölz (Oberbayern) üblichen sogenannten nKarfreitag-Häute«, hefelose,
derbe, zähe, runde kleine Zelten oder Fladen mit blasenartig abge
hobener oberster Rinde (siehe Abbildung 33), auf der Butter (früher
wohl Lein- oder Hanföl) mit Salz oder Kümmel aufgestrichen wurden
17

(Salz und Kümmel sind antidämonische Gewürze). Diese Gebäcke


gleichen den Broten der Araber, aus Durramehl hergestellt (nach
Professor Sepps gefälliger Mitteilung). Über das hefelose Brot werde
ich noch unten sprechen.
Sogenannte Kuchen des Karfreitags sind: Der Tiroler Öl
kuchen, der mit Fastenöl (Hanföl, Lein-,Repsöl) hergestellt wurde,
weil das tierische Fett (Butter) erst später als Fastenfett erlaubt war.
Die alten Griechen benützten Olivenöl oder Sesamöl zur Bereitung
ihrer Kuchen, die sie deshalb s‘qsoqtiöag, mqsaatöoz 819.0t (nach der Insel
Delos) oder irptov nannten, und die der ‘z'rpaombkq; verschleißte. Es waren
dies aber mit Olivenhefe bereitete Kuchen (Lobeck, Aglaophamos,
1076, 1061). Im Schwäbischen und Badischen gibt es Eierkuchen
(15. Jahrhundert ayrkuch = liba fricatus, frittata; Diefenbach, I, 326)
als Gericht der eigentlichen Osterzeit; über diese werden wir noch
unten sprechen. Hier wäre nur kurz auf das sogenannte »Antlaßei«
einzugehen, ein in der Nacht vom Antlaßpfinztag zum Karfreitag
gelegtes Ei, dessen Wert als sexuelle Kraft gewährendes Mittel vom
Volke hochgeschätzt ist; außerdem gilt das Karfreitags-Ei auch als
Mittel bei anderen schweren Krankheiten und Seuchen und soll sich
besonders lange gut erhalten (Arch. f. Schweiz. V. K. 1905, S. 146;
Elsässer “Wörterbuch, II, 665). Dieses vor dem Freitag gelegte Hühnerei
sichert die Männer vor Leibschaden, Genital- und Blasenleiden und
Impotenz (siehe meine Volksmedizin, S. 154). »Das Antlaßei ist im
Kirchengebrauch zur Weihe nicht begehrt,« sagt der genaue Volks
kenner Pfarrer Schlicht in seinem Altbayernland. Das Antlaßei, warm
aus dem Neste genommen, soll der mit einem Bruche (hernia;
volksmedizinisch wird der Hodenbruch als Genitalkrankheit behandelt)
Behaftete aussaugen, die Eierschalen sollen dann mit dem Urin des
selben angefüllt und in die Hure (Rauchfang) gehängt werden, dann
vergeht nach und nach der Bruch, sobald der Urin in der Schale aus
getrocknet ist, das heißtsobald die Materia peccans verduftet ist. Auf der
schwäbischen Alp bringt am Karfreitag morgens die Frau dem Manne
ein gesottenes Gänseei über das Ehebett und bereitet ihm am selben
Tage noch einen Eierkuch en (Birlinger, Aus Schwaben, Sitten etc.,
II., 72). Der Zweck ist klar genug. Auch das Gründonnerstagei hat
eine zauberhafte Wirkung, denn nach Praetorius (Blocksberg, 550)
weisen die daraus ausgebrüteten Küchlein bei der Mauser alle Jahre
neue Federfarbe auf. Die badische Mutter verhackt die Buchstaben
des großen und kleinen Alphabets ganz fein mit einem Karfreitagei
und gibt es vor dem ersten Schulgange (beim Beginn des neuen
Schuljahres auf Ostern) dem Knaben(!) zu essen, damit er lernkräftig
werde (Mayer, Badisches Volksleben, 109; Myth. d. Germ., 310). Wenn
am Karfreitag auf einem Schweizer Bauerngute kein brütendes Huhn,
das heißt kein Karfreitagei vorhanden ist, so kommt der Bauer in
kurzer Zeit um Hab und Gut (siehe Schweizer Archiv f. V. K., VIII,
')l
18

269; vergl. auch M. Eysn, Das Antlaßei in Z. d. V. f. V. K. 1898, S. 340;


Heiser l. c. II, 115); auch in Tirol gibt das Mädchen ihrem Burschen
ein gekochtes Osterei (Wuttke, 5 551).
Die Fruchtbarkeit liegt an diesem Tage sozusagen in der Luft.
Am guten Freitag gibt es in Nordengland einen aus verschiedenen
Ingrediemen hergestellten Kräuter-Pudding, welcher Passion Dock
genannt wird (Dock = Kornkiste, Hazlitt, ll, 482), weil er in einem
solchen oder ähnlichen Geräte gemacht wird, wobei daran zu erinnern
ist, daß man im oberbayrischen Inntal ein Kruzifix oder Totenkreuz
mit Saatkorn überschüttet (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch,
I, 318). In Niederbayern kehrte man ein Brot auf einem Kruzifix um,
trocknete es, zerstieß es zu Pulver und mischte letzteres dem Brot
teige zu, damit das Brot durch die Kraft des Kreuzes nicht schimmle
(Panzer, Beiträge, ll, 281). Das christliche Kreuz steht hier also als anti
zymotisches Abwehrmittel da, das auch für das Saatkorn verwendet
wird. Damit erklärt sich auch vielleicht der Brauch in Schweden, das
Julkreuzbrot in die Ackerfurche zu legen.
Ein Gebildbrot christlichkirchlichen Charakters sind auch die
sogenannten »Hergt« (Herrgott) oder ungesäuerten Oblaten mit dem
Bilde des Osterlammes, oder des auferstandenen Christus, oder des
gekreuzigten Christus, welche in Thüringen verschenkt werden
(Spieß, Idiot, 101). Ferner der sogenannte G r e d i n g der mittalterlichen
deutschen Klöster, der an einem »Freitage« in der Fastenzeit an die
Dienstboten verschenkt wurde unter dem priesterlichen Spruch: Crede
mihi (mulier), (Glaube mir, Weib! Evang. Johannes, IV, 21).
Die Etymologie des Brotnamens ist: (1278) gred mich (Pfeifiers Germania, XV,
SO); mndl. crede miclre; mlat. credemica (anlehnend an mica = Bros‘amen, Du Gange);
micke = momicke br0t (Pfelffers Germ.‚ V, 80) = panis qui dicitur Gredmich. Gredemich
(Voc. thent.); 1329 in pane Gredennih; 15. Jahrhundert ein phannen zelten in der breite
als ein gredmich; 1458 greding; 1526 gredling (Schweiz, Id., II, 705); 17. Jahrhundert
crede mihi, ein niederrheiniscbes Klostergebäck; Flandern: Krickemiclre.
Es scheint ein breiter Brotlaib gewesen zu sein, vielleicht ein
Saatbrot an die Hof- und Klosterdienstleute.
In Liegnitz (Schlesien) wurden am Karfreitag mehr als 15.000
Menschen mit Buggeniten beschenkt; in Görlitz heißen sie
»Pocheneten«‚ ein Frühjahrsbrot (auch Agnetenbrot genannt) aus
ungesäuertem Roggenmehle (Weinhold, Schlesisches Wörterbuch, 13;
Neues Lausitzsches Magazin, XXVIII, 17 ff).
Daß es vor Ostern noch Brezeln in der Karwoche gibt, ist
erklärlich. Im Würzhurgischen hören mit dem Karfreitag die der
Fastenperiode angehörenden sogenannten ausgezogenen Brezeln auf.
(Nach gefälliger Mitteilung von Herrn Professor Brenner; Abbildung
siehe Archiv für Anthropologie, III, 101, Fig. 20.) Nach Wuttkea 75‚
353, ißt man im Schwäbischen am Karfreitag wie sonst in der ganzen
Fastenzeit oder am Gründonnerstag die »gesalzenen Brezeln«, weil
sie vor dem Fieber schützen sollen. Über die Bedeutung des Salzes
19

auf den Fastenbrezeln haben wir in der oben erwähnten Abhandlung


über das Brezelgeb'äck, S. 97, schon gesprochen. Die Brezeln sind
ein durch die Klöster eingeführtes Trauergebäck (Entsagungsopfer),
welches den Totenarmring (bracelet) substituiert. In der böhmischen
Bunzlauer Gegend backt man am Karfreitag die sogenannten Judasso
(jidäje), welche die Form eines gedrehten Strickes oder einer ge
wundenen Stange haben, also ebenfalls unter die Brezelarten gehören
(Abbildung siehe Arch. f. Anthropol., III, Fig. 26); volksetymologisch
ist es natürlich das Symbol des Strickes, mit dem sich Judas erhängte.
In der böhmischen Raudnitzer Gegend ist der »Judas« gewöhnlich
eine böhmische Talken (kleiner glitschriger Knollen) mit Honig (s. o.)
beträufelt (Cesky Lid, XIV, 146); sonst wird auch ein ringförmiger,
flacher Judaskuchen in Böhmen »Judas« genannt. Vorwiegend sind
sonst diese (meist böhmischen) Judasgebäcke auf den Karsamstag
beschränkt. Über den »Judaswecken«, ein Gebäck der böhmischen
Karwoche, werden wir weiter unten noch sprechen; jedenfalls erhellt
auch hierbei der christliche Charakter dieses Karfreitagbrotes, das
aus der Bibellegende seinen Namen erhielt.
Der Karsamstag (:to'tß,’iarov 5't'f10‘1, Dies vigiliarum,*) Nox an’
gelica.) heißt: Hoher Samstag, Taufsamstag, Judassamslag (J. P. Schmidt, Fastelabends
gebräuche, 37), Schulsamstag (Österreich); in Elsaß: stiller Samstag; in Westfalen:
Paschabend; bei den Angelsachsen easter-aafen, Osterabend; sonst im Norden und bei
den Russen der große oder stille Sonnabend; Marter-Sonnabend; franz. Samedi Saint,
Grund Samedy; bei den Russen auch Färber-Sonnabend (wegen des Farbens der Ostereier);
engl. Shitten oder Shutin Satarday (Grahschluß; Hazlitt, l. c. II, 543); ostfries. Husenbusen
Saterdag (Hausbesen Sabbattag, Reinigungstag). Bemerkenswertester volksüblicher und
kirchlicher Oslersamstagbraucb ist die Urfeuerbereitung, norus ignis de lapide excussus,
Judast‘euer (Frtihjahrsfeuer). Nach der Taufwasserweihe am Ostersamstag begann ehemals
ein neues (jüdisch-christliches) Neujahr; bei dessen Beginn gebt nur in Ober.-teier, wie
sonst an anderen Orten am modernen Neujahr die wilde Jagd um (Weinhold, Deutsche
Weihnachtslieder, 14).
Manche Volksgebräuche des folgenden Ostertages werden da
und dort schon am Karsamstag antizipiert. Wenn zum Beispiel in
Rom das Haus vor Ostern blank gemacht ist, wird auch das Bett
noch mit weißen Linnen und Spitzen besonders geschmückt, der
Tisch am Abend (wie die Tabula fortunae auf Neujahr) gedeckt, mit
Blumen bekränzt und Eier, Salami und Pinza (siehe Z. f. ö. V. K.
1905, Suppl., S. 33), ein oben drei- bis vierfach in Kreuzform geteiltes,
feines, eisattes Weißbrot, aufgetragen; dann kommt der Geistliche,
segnet dies Ostermahl und besprengt alles im Hause mit Weihwasser.
In Böhmen spritzt man am Karsamstag den Honig (s. o. S. 7), der
bei der Bereitung des süßen Ostergebäckes übrig geblieben ist, mit
‘) Die nächtlichen Gottesdienste vor Ostern sind heidnischen Ursprungs. Man beging
sie hauptsächlich zu Ehren der chthonischen Gottheiten, da sich die Nacht (vergl. Weih
nacht, Rauchnächte, Silvesternacht) besonders zum Totenkult nach dem alten Glauben
eignete. daß sich die Totengeister oder Seelen besonders leicht in der Nacht einfinden
(Lucius, Die Anfänge des Heiligeukults, 311).
20

einem Wedel auf die Zimmerböden, um die elbisohen Geister in Gestalt


von Wanzen zu vertreiben (‘Nuttke ", 398). Im Konvent zu Tegernsee
(vergl. die panes calendarii s. panes consuetudinales in natali Domini
et in Pasca debiti, qui ex consuetudine praestantur in refectorio
[Du Gange, VI, 131»132] und Z. f. V. K., IX., 1905, Suppl. III, S. 22)
gab es 1534 an diesem Tage bereits die sogenannte Propstsemmel
aus feinerem Semmelmehle (Germ., IX, 199). Die Semmeln, das heißt
die feineren Semmelmehlbrote, sind ein auf Ostern beliebteres Fest
gebäck gewesen. Auch in der griechisch-katholischen Bukowina werden
schon am Karsamstag die zum Weihen in der Kirche bestimmten
Speisen zurechtgelegt; dazu gehört vor allem das Osterbrot, das dort
»Pasca« heißt; es wird schon an diesem Abende ein Pasca in kleine
Stücke zerschnitten, ein ganzer Pasca aber zur kirchlichen Weihe
für den folgenden Tag bereitgestellt. Die zerschnittenen Stücke
dieses Osterbrotes werden dann mit den anderen Eßwaren in einen
Milchkübel gefüllt oder in einen Korb mit anderen abergläubischen
Sachen (Lappen, Kastrationsschnur, durchlochte Steine, Kräuter etc.)
gelegt und dann am folgenden Tage zur kirchlichen Weihe getragen
(Beilage zur Allgem. Ztg. 1901, Nr. 79, S. 3). Diese Parascheve ist in
ähnlicher Weise in allen katholischen Gegenden Deutschlands noch
üblich. Man sieht deutlich, wie die christliche Kirche das ganze
Osterfest beherrschte und in ihrem Sinne und nach ihrer Tradition
ausgestaltete.
B. Der Ostertag.
Jüd. Chag Ham-mazzoth, der Tag der ungesäuerten Brote. Dies azymorum, Dies
paschalis, Pascha bonum caruosum, Bert dierum, festivitaturn et celebritatum, celebritas,
Dominica gaudii, Dies regalis. Nur die mittel-, west- und süddeutschen Stämme und die
Angelsachsen kennen ‚Ostern“, die übrigen, später christianisierten Stämme entlehnten
die Festnamen aus dem Judentum. Gotisch: Paska; altsächsich: Pasca, Pascha; ndd.:
Paslredag, Paschen-, Pasken-, Pauslren-, Päsche-Dag; altfries.z Pascha; nordfries.: Puask;
westfries.: Peeske; neuniederl.: Paasch (t); altnorweg.z Pfiskir; dänisch: Paaske; bayer.:
die Ostern, Ostersonntag, Ostertag, Rote Eier-Sonntag, Fladensonntag; Upstandinge,
Urstende. Bei den griechisch-orthodoxen Russen das vornehmste und größte Fest des
ganzen Jahres, „Ostern ist breiter (vornehmer) als Weihnachten“. ‚Ostern ist nur einmal
im Jahre,“ sagt der Russe, dessen Kirche den Ostertag ebenfalls nach der jüdischen
Mondjahrrechnung festsetzt, das heißt Ostern fallt auf den Sonntag nach dem Frühlings
vollmonde.
Das deutsche »Ostern« (ahd.: östrä; ags.: eöstre) bedeutet eigent
lich die Zeit, in der die Sonne genau wieder im Osten aufgeht. Damit
begann also in dem zweimal geteilten Jahre der vom Judentum
beeinflußten christlichen Kirche das Großsommer-Semester und damit
führte die christliche Kirche ein jüdisches Neujahr ein.
Das mosaische Jahr begann mit dem Passahfeste in der Fruchtreife des Frühlings;
der erste Monat im Frühling war der Nisan; mit dem Frühliugsneumonde des Monates
Nisan begann das jüdische Neujahr, am Frühlingsvollmonde dieses Nisan feierte man
Passah. Der Ausgangstag für die Zeiteinteilung der alten Ägypter und Babylonier war
der Vollmondtag, mit dem auch der jüdisch-biblische Sabbat zusammenhängt. Prof. Mahler
21

wies auf dem elften internationalen Kongreß für allgemeine Religionsgeschichte 1904 auf
die merkwürdige Tatsache hin, daß der Auferstehung—lag des ägyptischen Gottessohnes
Horns mit dem des Gottessobnes Jesus Christus zusammenfalle (siehe liess. Blätter f.
V. K., III, S. 202). Jedenfalls ist die Zeitbestimmnng des Osterfestes nach der Mondjahr
rechnung erfolgt und damit war ein Gegensatz zum germanischen Sonnenjahr gegeben.
Außerdem ist die Bezeichnung ‚Ostern‘ gerade bei den nordgermanischen Völkern, die
doch einen ausgesprochenen Sonnenkult hatten, nicht üblich. Damit fällt auch die an
gebliche altgermanische Göttin Ostara (oder Eöstre Baedas), welche man aus etymolo
gischen Gründen aus der altbayrischen Astaroth des Berthold von Regensburg (1' 1272)
wieder auflebenylassen wollte. von selbst weg.
Ostern sind die Tage der heiligen Urständ (16. Jahrhundert),
der Auferstehung Christi, die in dieser Frühjahrszeit nach jüdischem
Vorbilde gefeiert wurde (Weinhold, Monatsnamen, 52), oder der Auf
gang der vom Kuckuck verkündeten wärmeren Jahreszeit, der mit
Blnmenopfern, Flnßopfern,*) Freudenfenern, Osterritten, Reigentanz
und Spiel (sogar mit Aderlaßlätitien)**) begangen wurde wie eine
Hochzeit, die der glückliche Freier mit der von ihm ins Land ge
führten (Oster-,Frühlings-)Sonne hält. »Die Osterbräuche erklären sich
aus dem Frühlingsfeste, das den Germanen, wie allen Völkern
eigen war, das aber auf keine bestimmte Gottheit zu beziehen ist.«
(Golther, Mythol., 488.) Zu diesen Ostergebräuchen gehört zum Beispiel
das bei den Slawen, beziehungsweise Wenden und deren Nachbarn
übliche österliche Aufpeitschen (»Eierpeitschen, Schmeck- oder
Schmack-Ostern«; von: Schmicke = Gerte, Rnte***) der Mädchen (bei den
Deutschen Hedwig-Peitschen oder Hätweggen ütstuppen in der
Frühlingsfastenzeit, Auffitzeln oder Aufkindeln in der Weihnachtszeit
: muliebria virga contingere).
Das österliche Neujahr, das sichtbar ein fremdes, hereingebrachtes
war, macht als solches sich im wirtschaftlichen Volksleben Deutsch
lands nicht recht bemerkbar. Das Hansgesinde, die Gemeindehirten,
die Flurrechte, die Hausmieten sind fast unbeeinflußt; Losen und das
Hexenvertreiben ist sehr selten beobachtbar, nur die Deputate und
gestifteten Reichnisse der Geistlichkeit und Klöster sowie die von
letzteren festgesetzten Schulferien machen sich in dieser Zeit mehr
bemerkbar. Alles übrige ist alter Frühlingsknlt oder rein christlich
kirchlichen Ursprungs. Bei keinem Jahresfeste macht sich der jüdisch
biblische Einflnß auf den Volksbrauch so breit als gerade beim Oster
feste. Die griechisch-katholischen Kleinrussen, welche auch viele
altertümliche Bräuche des vom Judentum stark beeinflußten Christen
tums bewahrt haben, haben außerdem auch auf Ostern Züge des
Geisterwesens und sogar einer österlichen Totenfeier, wie sie sonst
") Vergl. außerdem die Sagen von der weißen Frau am Wasserqnell‚ von der
Osterwäscherin (Schell, Bergische Sagen. II, 34), von dem Osternachtspiele der Nixen im
schwarzen Teiche (Sächs. Sagenbnch, 377).
"") Der bayerische Bischof Adalpero starb 972 nach einem Oster-Aderlasse.
"") In der ehemals wendischen Ukermark am Ostermontage in Pommern ‚Oster
stiepen“ genannt. (Manhardt, Waldkult, l, 253, 264; vergl. auch Hagelstange l. c. 225 IT.)
22

auf germanischem Boden nur am Neujahrs- und \Veihnachtsfeste und


sonstigen Neujahrstagen nachweisbar sind; denn während der Oster
frühmesse kann man dort im hinteren Winkel den Hausgeist (Domovoj)
schauen‚ und am Osterdienstag, »dem Osterfeste der Totem, gehen
diese zum erstenmal im Jahre auf die Erde herunter (die anderen
zwei Tage sind die Zeit der Getreideblüte und der Tag der Verklärung
Christi). In der zweiten Woche nach Ostern, sogenannte Thomas
woche (s. u.), atmen die verstorbenen Eltern Wärme aus dem Grabe
und am Montag dieser 'I‘homaswoche besuchen die Kleinrussen die
Gräber (Yermoloff, 161, 165, 166). Bei den Germanen findet sich dieser
Totenkult in der Frühjahrszeit an dem Totensonntag in der schon
vorausgegangenen Fastenzeit. Im deutschen Volke fehlt aber auch
das Auftreten der wilden Jagd auf Ostern (mit Ausnahme von Steier
mark, welche Ausnahme nicht dagegen spricht). Im Oldenburgischen
gehen Seelen als ‘sogenannte Vt’idergänger um (VVuttke 3 ‚S‘, 83) und
in der Osternacht kann man auf Kreuz- oder Totenwegen den Teufel
beschwören (l. c. ä 384), in Sachsen erscheint das Bergm'ännlein auf
dem Hochwalde (Sächs. Sagenbuch, 195); solche Sagen finden sich
aber auch an anderen deutschen Neujahrstagen und sind sicher nur
Übertragungen auf die Osterzeit.
Die Opfertiere der Osterzeit sind hauptsächlich nach
biblischem, das heißt jüdischem Vorbilde das Lamm und das Zicklein
(Kitz). Der schon in ahd. Zeit (ostarfriskinga*) auftretende Oster
frischling war eine kirchliche Zinsabgabe, deren die Klöster bedurften.
Der griechische Patriarch Nerses (1- 1175) beschreibt ein Osterlammopi'er, das die
griechischen Christen nach jüdischem Vorbilde noch lange schlaebteten. Der Priester
segnet das (Dämonen vertreibende) Salz mit dem Zeichen des Kreuzes unter Rezitation
von Psalmen und Gebeten, dann gibt er dieses geweihte Salz dem Lamm zu lecken,
wodurch dieses Opfertier von innerlichen Dämonen gereinigt werden soll; nach den
Erfahrungen der Opferanatomie mußte dieses zum Opferdienste ohnehin schon als zu
gelassen geltende Tier ft1r das Gottheitsopt‘er noch besonders gereinigt werden, dann erst
erhielt es den Nackenstich. Nerses verdammte den Volksbrauch, auch das Lammblut zu
sammeln und zu essen oder die Türschwellen mit Lammblut zu beschmieren. Ein
Byzantiner des 11. Jahrhundertes behauptet, daß die Armenier ein Kreuz nur dann als
geheiligt zuließen, wenn es vorher in ein Opfertierblut eingetaucht werden war
(L‘Anthropologie 1903, S. 60). Beim samaritanischen Passahfeste auf dem Berge Garizim
bei Nabulus betrug die Zahl der daselbst geschlachteten Lämmer sieben. Der alte Opfer
ritus ist noch treu bewahrt, aber die frühere Sitte, daß Väter und Mütter an ihren
Kindern und selbst an Säuglingen mit dem Opferblute einen Strich von der Stirn bis
zur Nasenspitze machen, wird nur noch heimlich geübt (Archiv f. Relig.-W., VIII.‚ 295).
In Italien ruft man sich auf Ostern wie eine Art Neujahrsgruß:
»Buona Pasqual« zu. In den Fleischerläden hängen die Lämmlein
und Zicklein mit frischem Lorbeergrün geschmückt (Beilage zur
*) Ahd.: freiscing; indog.: praiskine: altfrauz.: fresange = frisches, junges Opfer
tier, nicht ausschließlich etwa junges Schwein, sondern auch junges Schaf oder junger
Ziegenbock; daher das Wort auch zur Erklärung eines alttestamentlichen Opfertieres
verwendet wird, ohne daß man deswegen mythologischen Hintergrund anzunehmen nötig
hat (Heyne, l. c. II, 181).
23

Allgem. Ztg. 1904, Nr. 93). Im Böhmischen gibt es gebackenen


Kitzlbraten mit frisch-grünem Rapunzel- (oder Nüßl-) Salat schon am
Karsamstag (John, Sitten, 65). Im Mittelalter fand ebenso wie bei den
griechischen auch bei den römischen Katholiken eine Benedictio
ovorum paschalium, agni paschalis quorumcumque comestibilium
statt: »ne daemones aliquid potestatis sibi in eo usurpare possint«
(Pfannenschmid, Weihwasser, 142), welche sich sicher auf ehemals
heidnische (wenn auch nicht germanische) Gebräuche bezog, die von
der christlichen Kirche durch ihre Weihen patronisiert wurden.
»Walafried Strabo (de reb. eccl. 18) und ein handschriftliches
Rheinauer Rituale aus dem 12. Jahrhundert schreiben dem Meßpriester
vor, das am Osterfeste in die Kirche geführte Lamm mit Weihwasser
und unter einer Gebetformel cinzusegnen, in welcher es heißt: »Segne
Gott dieses Fleisch, das wir in Deinen Ehren genießen wollen.« Daher
war es im alten Siechenhause zu St. Jakob bei Basel bis zur
Reformationszeit Sitte, daß dem Geistlichen, wenn er hier zu Ostern
den Gottesdienst abhielt, nach beendeter Messe ein Lamm im Wirts
haue zugerichtet ward (Basler Neujahrsblatt 1833, 22). Es war dies
zwar ein Notversuch, das (germanisch-heidnische) Bocksopfer zu ver
kleiden in der Form des jüdisch-christlichen Päschahlammes; jedoch
er mißlang und die Kirche selbst berichtet es, wie oft der altsinnliche
Paganismus die -ihm zu enge Form des christlichen Mysteriums wieder
durchbrach. Der im 13. Jahrhundert zu Heisterbach bei Bonn lebende
Mönch Cansarius erzählt einen solchen, in dortiger Gegend von ihm
selbst erlebten Fall, wie das Landvolk zu Kirchherten einen bänder
geschmückten Osterwidder wie ein Götzenbild auf einer Bühne
feierlich ausstellte, umtanzte, dem besten Tänzer zum Preise schenkte,
um ihn dann in Gemeinschaft zu verschmausen. Vergebens hatte der
herbeigeeilte Priester abgemahnt und mit allen Heimsuchungen
gedroht; erst nachdem ein plötzlicher Hagelschlag erfolgte, zerstreute
sich die Masse.« (Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1293, S. 250.)
Der Osterfrischling war schon in ahd. Zeit eine Stift- oder
herkömmliche Zinsabgabe an die Klöster. Ahd.tisterstuopha in melle sivein
paltenis persolvenda (Grimm, DM‘ II, 651, III, 131, Quitzmann 131); zu: stuopbs, vergl
ags.: stofun = stipes (stips). Steinmayer, ahd. Gl., ll, 597.)
»Der bekehrte Germane war verpflichtet, unter den an die Orts
kirche zu leistenden Gefällen das Osterlamm zu zinsen; dies war ein
halbjähriger, aufgefütterter Hammel, Schaffrischling genannt, der den
Wert zweier anderer Lämmer hatte und zum Entgelt für den kirchlich
verabreichten Osterwein entrichtet wurde. Dies besagen die Laures
heimer Urkunden: ad osterstöpha friskingam ouinam und noch
häufiger erwähnen die Monumenta boica dieser kirchlich gezinsten
friskingae, ostar- und grasfriskingae. Derlei hat nun mancherorten
ausnahmsweise sich solange fortbehalten, daß zu Schillingen bei Trier
erst das Visitationsprotokoll vom Jahre 1712 eine kirchliche Abgabe
24

(stuopha = Stift) abstellte, die daselbst bis dahin unter folgendem Namen
entrichtet worden war: der Osterbock für die Taufe des ersten
Kindes (vermutlich damals in der Osterzeit), hircus paschalis pro
primo infante baptizando (Simrock, Myth., 407 *). Allein dieses der
Kirche gezinste Tier wurde zugleich auch kirchlich geschlachtet.«
(Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1293.) Von dem geweihten Oster
lammfleische sollte man im Schwäbischen genießen, um für allerlei
Menschen- und Viehkrankheiten, die durch Zauberei veranlaßt sind,
zu helfen (Birlinger, l. c. I, 428); ebenso sollte man dieses Fleisch,
wie in Oberbayern der Kalbskopf gegen Kälberseuchen im Kamine,
so auf Ostern gegen das gelegte Malefiz ober der Haus- oder Stall
türe einmachen. Aus dem Ganzen erhellt aber, daß weder das Oster
lamm noch der Osterbock ein Vegetationsdämon sein konnte.
sondern ein nach jüdisch-biblischem Vorbilde von der Kirche
eingeführtes rituelles Opfer in der Osterzeit, das durch das Oster
lamm **) sogar auf Aderlaßschüsseln "‘*) ausgedrückt wird (Bozener
Volkskunde-Museum). Wenn man am Ostersonntag in die aufgehende
Sonne schaut, so sieht man in der Scheibe der Sonne das Osterlamm
springen (Knoop, Posener Sagenbuch, S. 327). Bei den Polen sieht man
am Karsamstag ein Lamm mit einer Fahne in den Strahlen der Sonne
sich baden. Im Kreise Kempen ist am Ostertage zweimal ein Lamm
in der Sonne zu sehen, bei Sonnenaufgang ist es ein weißes, bei
Sonnenuntergang ein blaues (l. eod.). Ich halte diesen Zug für eine
Übertragung des Weihnachtsglaubens. Auch auf Weihnachten
(Neujahr) sieht man den Himmel offen und zeigt man das goldene
Schweinchen als Sonnenreflex an der Wand. Dem heidnischen
»Mundus patet« wird der christliche offene Himmel gegenübergestellt.
An Stelle des Osterlammes (Osterbraten, Paschahbraten) trat der
Osterwidder, der Osterbock (Kitz j‘), hircus paschalis, Osterochse
(Birlinger C. c. II., 81, 82; Wuttke, ä 425), Osterstier, Osterkalb, Kalbs
kopf etc. Daß es sich bei dieser Schlachtung um eine kultusähnliche
Handlung handelte, belehrt uns der Ausdruck »Oster-Sax«, Osteropfer
messer (Simrock, Handb. d. Mytholog. * 377). Nach gefälliger Mitteilung
des Herrn Pfarrers Ghedina in Steinberg wird in Rauris (Tirol) auf
") Auch im Allgäu wurde für den Osterbock für das erste Kind, das zu Ostern
zur Taufe kam, Geld geopfert (Heiser, l. c. II, 235).
"“") Aus den Knöcheln des zu Ostern geschlachteten Osterlammes machte man 1657
Kinderspielwllrfel (Alem. Kinderlieder, 447). Die Würfel erinnern an das Losen beim
heidnischen Kultopfer (Augurium).
""‘) Vergl. auch Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, S. 250; Schweizer ldiolikon, III,
1271. Der Osteraderlaß hatte, wie jeder zeitlich fixierte Aderlaß, sein „Lätizl“.
T) Wenn am Harz in das Osterfeuer früher ein Bockshorn geworfen wurde, so kann
dies (nach Mannhardt, Feldkult, 2, 179) der verbrannte Getreide- oder Korndämon
gewesen sein (also dann kein Bocksopfer), das gleiche gilt vielleicht auch vom Eich
hörnchen, das in Köln ins Osterfeuer geworfen wurde (Wolf, Beitr. I., 74; Liebrecht
z. V. K., 260).
25

Ostern ein lebendes Osterlamm mit den übrigen Osterspeisen in der


Kirche geweiht. Auch in der dem Kloster Benediktbeuern gehörigen
Jachenau wurde bis 1854 ein Osterwidder, mit vergoldeten Hörnern
und Buchszweigen geziert, nach der kirchlichen Weihe von den
Gemeindemitgliedern verzehrt (F. Dann, Bausteine, I., 224). An manchen
Orten in Österreichisch-Schlesien wurde auf Ostern ein Lamm ge
braten und gemeinsam verzehrt (Vernaleken 302). Selbstverständlich
konnte an Stelle des Osterlammes auch ein anderes Tier (zum Beispiel
Hase) oder eine Naturalleistung gezinst werden (zum Beispiel Honig,
Wein, Spelt? Heyne, l. c. II., 181, oder bei den Slawen auch ein Tuch,
paltema, paltena, siehe Beiträge zur Anthrop. Bayerns, XVI, 14).
Was früher gemeinsam geweiht und verzehrt worden war, das
ließ sich später der einzelne Hausstand in Körben zur kirchlichen Weihe
gebracht zu Hause schmecken. Die mit dem Ostersonntag verbundenen
vegetabilischen Speisen (15. Jahrhundert Paschahkost, Paschespeise), das
heißtdie Kultgebäcke des Ostertages sind: 1. Der an anderen
germanischen heidnischen Festtagen (Neujahr,Jul‚ Martini,Michaeli etc.)
übliche Hirsebrei, das uralte Seelenopfer, fehlt am Ostertage des
jüdischen Christentums auf germanischem Boden ganz; wenn es
wirklich ein germanisches Osterfest gegeben hätte, so würde er gewiß
in der Speiseordnung des Volkes am Ostertage nicht fehlen, da er
sehr hartnäckig an hohen germanischen Festtagen erscheint. Die auf
Ostern übliche Eiersuppe (1782 »Ostersuppe« Sachsen), die gelbe
Sauermilchsuppe (»schwedische Suppeu), welche aus Bier mit Semmel
brocken, Eigelb und Milch abgerührt besteht, ist kein Breisubstitut,
sondern eine Variation der österlichen Eierspeise, die heute oft nur
durch Safran markiert wird, zum Beispiel in Oberbayern durch
safrangelbe Fadennudelsuppe. Über die Bedeutung des Ostereies
werden wir noch sprechen. Im heutigen Rom wird das Ostermahl
mit obligater Eiersuppe, einem Osterfladen, von dem die ganze
Familie acht Tage lang leben kann und mit einem gerösteten Zicklein
gesegnet (Scheible, l. c. VII, 901).
2. Das Osterlaibl, ein kleiner Brotlaib, der im böhmischen
Angel- und Elbtal, Österreich, Bayern und Elsaß üblich ist, wird in
Deutschböhmen jedem Dienstboten am Ostertag zum festlichen
Lammsbraten gegeben (Z. f. V. K. 1902, 226; Vernaleken, Mythen
und Bräuche im Volke Ostern, 301; Elsässer Wörterb., I, 543; Lippert,
Christentum, 679; Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, 250).
3. Das meist kirchlich geweihte und meist auch weißmehlige,weizene
Osterbrot (engl.: easterbread; dän.: paaskebröd) führt verschiedene
Namen und Formen ; auch ist es im 14.Jahrhundert meist noch ungesäuert
nach jüdisch-biblischem Vorbilde; vielfach sind es Fladen (siehe Ab
bildungen 23,27, 32,41, 42, 48, 73-76, 78 —88) mit tiefen rautenförmigen
Einkerbungen (Prickelungen), welche sicher nur Verzierungen in des
Fladens runder Kreisform sind und auch die süße Honigauflage besser
26

festhaften lassen. Im Sächsischen durfte 1782 das »Osterbrot« niemals


aus Roggenmehl, wie das alltägliche Brot, sondern nur aus (weißem)
Weizenmehl gebacken sein (Germershausen, Die Hausmutter, I, 388).
Dieses geprickelte oder auf seiner oberen Seite gestichelte Brot
scheint der uralte germanische Opferfladen gewesen zu sein; denn
diese Form geht unter verschiedenen Namen durch die ganze
germanische Welt. Ags.: pricked bread = panis punctns s. speciarius, re aliqua
respersus (Du Gange, VI, 135); altgerm.: prick, mit. prikkelen; dän.: prikken = sticheln;
ags.: prician; schw.: pricka = punktieren, stecheln; engl.: to prick, stechen mit dem
Stachel. Präckel oder Prickel, mit den stechenden Zapfen eines Kammes oder einer RafTel
(Kluge ‘, Schmeller, I, 467; Dähnert, Plattdeutsches Wörterbuch, 358, 359); schwed.:
half-stacke-bröd (Feilberg, Jul. = 184). ein flaches Julbrot, das nur auf der einen Hälfte
(Oberfläche) gestichelt ist, stach = das Stecbgerät (gefällige Mitteilung des Herrn
D. Feilberg); meist ist es heute ein Osterfladen. Ein Vorläufer des gestichelten
Prickelbrotes wird das nur mit den Fingerspitzen »gepipte Brot« gewesen
sein,das die elbischen Dämonen scheuen, weil dadurch Böses abwehrende
Zeichen sichtbar werden. Die \Valdweibchen sprechen: »Pip’ kein Brot,
schäl' keinen Baum,erzähl' keinen Traum, back'keinen Kümmel ins Brot,
so hilft Dir Gott in aller Not (Kühler, l. c. 464; Kühnau, 40). Solche Ver
bote tun offenbar die Waldgeister nur um ihrer selbst willen. Jedenfalls
beweisen solche Volkssagen das hohe Alter der Brotstichelung, die
aber nichts spezifisch Österliches ist. In Bayrisch-Ried (Flotzheim)
wurde ein solch gepiptes Brot am längsten aufbewahrt und zuletzt
gegessen, es ist wie ein Neujahrsbrot das ultimum refugium, wenn
eine Feuersbrunst entsteht; dann muß man den gepiptcn Vorback
vor allem ins Feuer werfen; in Wittesheim muß dieses durch einen
Juden geschehen; in der Oberpfalz heißt es, daß dieser das Umsich
greifen des Feuers abhaltende gepipte Brotlaib nicht verbrennen
könne (gefällige Mitteilung des Herrn Pfarrers Sturm in Flotzheim).
Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zum Osterbrot zurück.
Aus dem 13. Jahrhundert erwähnt Du Ganges Gloss, VI, 134:
panes de paschate, qui vocantur tortelli (Törtlein ?); im 14. Jahrhundert
heißt der Ostertag der ungeteismoto broten Tag, der hochzitlichtag,
so man ungeteismet brot isset, der da heisset Ostertag; festum azy
morum, qui dicitur pascha (Kluges Zeitschr., II, 182); 1432 ist der
Ostertag mit asyma (azyma) panis sine fermento glossiert(Diefenbach,
l. c. I, 64, II, 45; Frommann, Die deutschen Mundarten, IV, 292).
Eine Verordnung des Lüneburger Rates aus der Mitte des 15. Jahr
hundertes (Liber Memorialis, 15) lautet: »Nemand scall backen wegge,
semmelen, schonroggen, junckfrouwenbrot (siehe S. 5) unde krude
brot, so man backet tegen de Paschend sy eyn becker to Lune
borgk« (gefällige Mitteilung des Herrn Reinecke). 1785 gingen die
Kinder im thüringischen Mühlhausen am Sonnabend vor Palmarum
(I’almsonntag) zur Brotlanbe und empfingen daselbst a'uf Stadtkosten
das sogenannte Osterbrot, ein Spaltgebäck ganz gleich den süd
deutschen Eierweckeln (siehe Fig. 21). Das eben erwähnte grüne
27

Kräuterbrot (Krudebrot), das wir schon oben beim Gründonnerstag


und Karfreitag besprachen, sollte den Vegetationssegen der Früh
jahrszeit bekunden und desselben teilhaftig machen. Das nach
jüdischem Vorbilde hergestellte ungesäuerte Osterbrot ver
langt dagegen eine nähere Besprechung; dasselbe ist als solches
natürlich weit älter als das mit Hefe oder Sauerteig versetzte, obwohl
es schon in ahd. Zeit Bärm- oder Hefenbrot gegeben hatte.
»Der ungesäuerte, in der Asche des Herdes gebackene Brot
kuchen (Aschkuchen) ist in Europa eine uralte, wahrscheinlich über
die Sonderexistenz der Einzelvölker hinausgehende Erscheinung. die
allmählich durch die hinzugekommene Kunst der Säuerung vervoll
kommnet Wurde« (Schrader, Reallexikon, 114). »Am frühesten geht
die häusliche Tätigkeit des Brotherstellens über in Gewerbsformen
in Ägypten; hier lernten auch die Juden den Sauerteig kennen; dann
kam er vor dem 5. Jahrhundert vor Christi zu den Griechen, im
2. Jahrhundert zu den Römern. Die Westgoten des 4. Jahrhundertes
nach Christi, die Alemannen, Franken, Bajuvaren, Angelsachsen des
7. Jahrhundertes kennen Wort und Sache. Die Westgermanen aber
müssen den Sauerteig unabhängig von den Ostgermanen kennen
gelernt haben; denn sie haben ein anderes Wort dafür. Gotisch:
beist = ahd.: deismo; ags.: dhocsma; die Goten haben unbedingt den
Sauerteig von den Griechen kennen gelernt, die Franken etc. über
Gallien (daher noch Franzbrot“) von den Römern« (O. Benndorf
im Eranos Vindob., 375). Die Erinnerung an das ältere ungesäuerte
Brot bewahrten auch die römischen und jüdischen Opferpriester. Bei
den Römern durfte der Flamen Dialis die farina fermentata, fermento
imbuta nicht einmal berühren (Arch. f. Relig.-W., VIII, Beiheft, S. 29;
Schrader, l. c.‚ 112); namentlich war es den Jupiterpriestern verboten,
gesäuertes (also relativ neues, damals noch nicht allgemein übliches)
Brot zu essen (Friedreich, Symbolik, 694); auch in der römisch
katholischen Kirche muß noch nach jüdisch-mosaischem Vorbilde die
Hostie aus ungesäuertem Teige hergestellt sein.
In Deutschböhmen war um 1400 das unges'äuerte Brot noch
das alltägliche (Tille, Deutsche Weihnacht, 47); auch in Schweden
war noch im 16. Jahrhundert das ungehefelte oder ungesäuerte Derb
hrot das volksüblichere; erst dann kam das sogenannte Würzbrot,
das heißt mit Bierwürze (Hefe) versetzte Brot mehr auf; aber sicher
schon zur ags. Zeit muß es mit Bierhefe oder Sauerteig versetztes
gesäuertes Brot gegeben haben: ags.: gebeten hlaf= panis fermentatus; panis
acrozimus saxoniee gescorid, Du Gange, VI. 130; dazu schwed.z sirade hröd — osyrade
br6d; dän.: suur brnd = 5I{1‘501 &Dlliftl'- des Xenophon (Anabasis, VII, 21).
*) Schon Plinius (Hist. nal, XVIII, 68) schrieb: ‚Galliae et Hispaniae Irumento in
potum resuluto (Bierhel'e) spuma ita concreta pro fermento utunlur, qua de causa levior
illis quam ceteris (seil. Germanis) panis est.‘ Dies ist wohl das durch die christlichen
Klöster aus Gallien (Frankenreich) nach dem Rhein gebrachte feinere Franzhrot
(1291) panis francicus, Du Gange, VI, 133; Kluge‘, 122.
28

Dieses mit Hefe (Bierhefe) oder Sauerteig versetzte, leicht säuer


lich und bitter schmeckende, vom zünftigen Sauerbäck (1427 sawr
peckh; Heyne, l. c. II, 269) hergestellte Brot stand im Gegensatze
Zum Del‘bbI‘0t Odßl‘ Süßlh‘0t (ahd.: derp; an.: thjarfr; ags.: tbeorf = ungesäuert;
ahd.: derpi = Iagana (Fladen), panis latus et tenuis. Steinmayer, ahd. GI., IV, 259;
1420 derp vel suss brot = azimus; mndl.: taerwynbroed; mnd.: derl'brbt; flander. tarwe
broodjes); dies ist der Osterfladen ehemals gewesen, der nach biblischem
Vorbilde ohne Hefe bereitet wurde; es war ein ohne Deisam — der
Deistler bereitete das Deistelbrot (ahd.: deismo; ags.: Thaesma) —
hergestelltes Brot (14. Jahrhundert der ungeteismoten brote tagt,
Kluge Z., II, 182; 1440 ongeteisemt brot = azimus, Diefenbach, I,
64); dasselbe entsprach dem »ungebillten Brote« (ahd.: unkebilot =
ungibillöt brot = panis azymos; Schrader, I. c., 113; Diefenbach, I,
64; bill = bilis, Galle, Hefe, siehe mein Krankheitsnamenbuch, S. 43),
ein nicht bitteres, das heißt hefeloses Osterbrot; an den Hefegeschmack
muß man sich erst gewöhnen; daher erscheint in ahd. Zeit das ge
hefelte Brot noch als gallig bitter. 1787 ist dieses ungesäuerte, aber
mit Essig zu einem Brei gekochte Kultbrot ein Mittel gegen das
Seitenstechen; das Kultmittel wurde zum medizinischen Mittel wie oft
in der Volksmedizin (Schmidt, Mieser Kräuterbuch, S. 59). Bezüglich
der Form des Osterbrotes ist noch zu erwähnen, daß, abgesehen
von der runden, flachen, gestichelten und geschrüppten Fladen- oder
Zeltenform, dasselbe auch manchmal zwei- bis dreilappig ist, wie das
Blatt des sogenannten »Kuckucksbrotes« (Sauerklee, Oxalis acetosella)
auch die dreilappige Malvenfrucht führt den Namen »Gugger-Brot
oder Laiblea, weil sie wie ein Osterlaib dreilappig gefächert ist
(Rolland, Flore populaire, III, 107). Im schweizerischen Fricktal hat
der Osterfladen oder das Osterbrot einen Vogelkopf (Frühlingsbote,
Rochholz, Illustr. Ztg. 1868, S. 383) und heißt ebenfalls »Guggus
brot« (mlat.: cuculo-panis =: guggulium‚ panis kukuli [13. Jahrhundert]
= alleluia »Osterblume«, Steinmayer, ahd. Gl., III, 496). Nebenbei
erwähnt, kommt nach der Volkssage in Steiermark in der Osternacht
das Himmelbrot wie ein biblischer Mannaregen vom Himmel herab.
Söhns (Pfianzensymbolik, S. 48) erklärt diese Sage so: »Nach einem
heftigen Regen werden oft die flachliegenden kleinen eßbaren
\Vurzelknollen der Feigwurz (Ficaria ranunculoides) in größerer
Menge sichtbar bloßgelegt und bedecken weithin den Boden; ungeahnt
und plötzlich, wie vom Himmel gefallen, sind sie da, als ob der Herr
gott selbst sie nächtlicherweile auf die Erde ausgestreut hätte.« Das
Ansbacher Osterbrot ist ein einfaches Osterlaibl (Rundstück). Andere
Osterbrote tragen das Opfersymbol (Ei, Eichel, Zierschmuck,
Laubschmuck, Opferbeeren, Osterlamm, Osterhahn, Saathahn etc.) als
Oberflächenbelag, oder sie sind wie das Osterlamm mit einem Sieges
fähnlein ausgestattet. Das oberbayrische und Schwarzwalder »Hahnen
brot« ist vielleicht das Bild des Vegetationsdämons (Saathahn). Über
29

die Bedeutung des Saathahnes, ob Opfer, Seelenhahn oder Frühjahrs


symbol, ist man noch nicht einig; doch möchte ich mich nach Analogie
anderer Vogelgebäcke eher für das in Teig geformte Substitut des
Leichen- oder Seelenhahnes entscheiden, das später dann auch in
das Frühlingsvogelgebäck ausgeartet sein kann. Im niederdeutschen
Kloster Altenbodiken hatte dieses Paaschbrot Harfengestalt (mnd.:
harpenbröt; Schiller-Lübben, II, 209), wobei daran zu erinnern ist,
daß nach Lobeck (Aglaophamos, 706) in den Opferkästen des Licht
gottes Apollo auch r:äp.p.ovraz äv o‘;_‘i,rtorrt ).5patq rs. aal ‘t6&co zoti ßs‘mbv als
Gottheitssymbole niedergelegt waren; doch ist es kaum wahrschein
lich, daß solche antikklassische lyraartige Formen bei dem ndd.
Harfenbrote“) vorlagen; vielmehr dürfte damit der dreieckige
»Schönroggen« gemeint gewesen sein, den wir in der obenerwähnten
Lüneburger Ratsverordnung des 15. Jahrhundertes als Ostergebäcke
bereits kennen gelernt haben; in sogenannter Dreipaßform erscheint
dieses Brot auch 1679 in dem Zunftwappen der Hamburger Fast
bäcker. 1090 panis de siligine guo vulgariter roggo subtilis dicitur
(Kindlinger, Münsterische Beiträge z. Gesch. Deutschlands, II, Urkunde,
S. 56); 1269 scenrog, ein Ruppiner Roggenbrot von 1 Pfund Kölner
gewicht (Anton, Geschichte der deutschen Landw., III, 276); 1542
schoenroggen = Brot mit drei stumpfen Ecken (Z. f. Lübecker Gesch., III,
563). (1752) solcherhalben waren... dem Gestirne (Brote) in Gestalt
eines Triangels oder unsere Schönrockens geheiliget (J. P. Schmidt,
Fastelabends Gebräuche, 104). Dieser dreieckige Schönroggen ist nur
auf Mecklenburg, Hamburg, Stralsund, Rostock, Ruppin, Lübeck etc.
beschränkt (siehe Abbildungen 25, 29). Das Hamburger Osterbrot (1879)
im Zunftwappen ist sehr ähnlich dem Königsberger Zümpel-Brötchen
oder Knüstchen, welcher Herr Geh. Rat Prof. Dr. Stieda mir zu
übersenden die Güte hatte; ich kann dessen Deutung: Phallus cum
testiculis distantibus, nur akzeptieren. Die Bedeutung der allmählich
veränderten Form ist dem Volke natürlich ganz verloren gegangen.
Zümpel ist in Ostpreußen = Priapus (siehe mein Krankheitsnamen
buch, S. 862).
Durch das Lammblut rot gefärbt wäre das nur in der Puster
taler Volkssage (Zingerle, Sagen ’, 670, 672, 640) auftretende Lammbrot,
ein Osterkuchen aus Mehl, das um Ostern gemahlen wurde und
welches mit dem Blute eines Lammes angemacht ist, das zu eben
dieser Zeit geschlachtet wurde (siehe auch \Veihnachtsgebäcke in
Z. f. V. K., XI, 1905, Suppl. III, S. 63). Der Genuß dieses mit Opfer
blut gemischten »Lamplbrotes« schützt den dortigen Wilderer »das
ganze Jahr« (demnach mehr ein Neujahrsaberglaube, der auf das

*) Bei den Angelsachsen erhielt die germanische Harfe (harpa) eine dreikautige
Form (Historiske Tidlkrift, 4, Reihe II, Heft 3—4. H. Panum, Nordeuropas gamle
Strenge-instrumenter. Mannhardt, Waldkult, I, 226). Dreieckige Kuchen (Douptt) hatten
auch die alten Egypter (Revue de l'histoire des Beligions, Bd. 36, 1897, S. 8).
30

Osterbrot übertragen wurde). Auch in Böhmen ißt man, um sich


kugelfest zu machen, einen Mehlkuchen, der wie das Tiroler »Lampl
brot« bereitet ist (\Vuttke 3, ä 475).
Die Farbe des Osterbrotes ist sehr häufig, wie schon
erwähnt, durch den das Eigelb des Ostereies markierenden Safran
(auch1ngwer- oder armenischer Bolus-)Zusatz auffallend gelb oder
gelbrot, von welcher Farbe auch die schlesischen »Galßrutla« (Gelb
brötelein) der Osterzeit ihren Namen haben = panis crocatus.
Bruyer, Compegius 423, führte schon 1560 an: »Nostrates (Süd—
franzosen) quibusdam (panibus) crocum adjiciunt gustatuque non in
suaves sentiuntur.« Beim Schmackostern im Erzgebirge, das heißtbeim
frühjährlichen Schlagen mit der Lebensrute (Weidengertel kaufen
sich die Mädchen durch einen Osterfladen oder durch ein safran
gelbes Osterbrot von dieser erotischen Sitte los (Mannhardt,
Waldkult, I, 263). Dieses Osterbrot mag allerdings an verschiedenen
Orten auch verschiedene Formen zeigen. Daß der Safran als gelbe
Gebäcksfarbe den Sonnenschein versinnbildlichen soll (Rochholz, l. c.,
II, 269), ist gewiß unrichtig.
Wir haben nunmehr schon öfter der kirchlichen V\'eihe
des Osterbrotes Erwähnung getan. Alle diese Osterspeisen,
welche heute zur kirchlichen Weihe getragen werden, heißen »Ge
weihtes« oder »Gesegnetes«. Im Augsburger Papistenbuch des 16. und
17. Jahrhunderts (Birlinger, Aus Schwaben, I, 161) heißt es: »Volgt
zu Morgen der Ostertag, da weihet man den Anbiß kram: Fladen,
Kess, Gehektz auf den Altar und schicken die Freund einander des
Geweihten oder Fladens.«
Im Kloster Tegernsee erhielt jeder am Konventtische Eßende
ein Stück geweihtes Fleisch mit etwas von dem Propstfladen oder
Osterfladen (Germania, IX, 199). Auch der griechisch-orthodoxe Russe
kennt das »Geweihte« (Sswatschenoje) auf Ostern; es beruht die
österliche Besegnung der Speisen auf einem vom Judentum über
nommenen christlich-kirchlichen Ritus, der sich aber nur auf das
jüdische, das heißt österliche Neujahr beschränkt; diese kirchliche
Speisensegnung erinnert wieder etwas an die Tabula fortunae, die
wir auf Weihnachten und Neujahr als einen vermutlich von den
Römern übernommenen Brauch der Deutschen und Nordgermanen
kennen gelernt haben. Bei den Huzulen in den Ostkarpathen wird
neben Ostereiern und Rauchfleisch (Opfertier) auch das Osterbrot
(paska) von den einzelnen Haushaltungen in Körben zur kirchlichen
Weihe gebracht, aus denen der Kirchendiener für sich einige kleinere
Kuchen (perepiczka) mit einigen Ostereiern in seinen Sack einsammelt
(Z. f. ö. V. K, 1902, 244). Bei dem nationalen Osterfrühstück in
St. Petersburg dürfen geronnene Milch und geweihte Osterbrote
(kulitschi) nicht fehlen; erstere schlägt man fest zusammen und stellt
sie in großen Pyramiden geformt (vergl. den Julhaug in Z. f. ö. V. K.,
31

XI., 1905, Suppl., III. Bd., S. 39) auf. Das russische Kulitsch ist ein
dickes zylinderförmiges Weißbrot (Weggen ?). In der Regel sieht es
aus, als wenn man lange Teigstreifen zu einer dicken zylinderartigen
Dornenkrone aus Brot zusammengeflochten hätte (?); gewöhnlich legt
der Bäcker zur Verzierung auch noch kleine Brezeln (Fastenkringeln)
darauf; auch kleine geweihte (grüne) Zweige vom Palmsonntag werden
manchmal mit eingebacken, die vorne etwas zur Seite herausgucken.
Das Osterbrot (Kulitsch) und die Quarkpyramide aus Osterkäs
(Paschi) werden unten mit Blumen und Lichtern verziert, auf den
Tisch gesetzt, und beim Verspeisen schmiert man sich den weichen
Käse oder die Milch auf das weiße Brot und taucht dazu ein hart
gesottenes Ei in geweihtes Salz (Scheible, l. c. VII, 921). Wie die
Knochenreste vom Entfastungsmahle auf Ostern im Felde vergraben
werden (die unterirdischen Seelengeister erhalten so ihre versöhnende
Speise), so wirkt auch der Rest des geweihten Osterbrotes zauber
haft; denn eine Maus, die davon nur ein Krümchen frißt, wird in
eine Fledermaus (geflügelte Elbengestalt‘?) verwandelt nach dem
Glauben des russischen Volkes (Yermoloff, 161). Wie das Neujahrs
und Weihnachtsbrot der Germanen, so vmuß das Osterbrot in der
griechisch-katholischen Bukowina bei der Gärung gut aufgehen.
Auch bei den Ägyptern sagt man aus der Brotteiggärung voraus,
ob das befruchtende Nilwasser steigen oder fallen und so das ganze
Jahr fruchtbar oder unfruchtbar sein wird (Z. f. ö. V. K. 1905,
S. 235). Das kirchlich geweihte Osterbrot ward zum Hexen ver
treibenden Mittel (Allgäu), (Reiser, l. c. II, 113), aber auch zum Vor
bilde für verschiedene andere Heiligenbrote, die der lokale Heiligen
kult an verschiedenen Orten schuf. In Rostock nannte man solch
österlich geweihte Brote: »VViegel-, Weihel-, Weilbrot« oder in
Wismar: Wigelfladen«; mnd. 1428 wiggelvladen (Schiller-Lübben, II,
581). In einigen Dörfern westlich von Braunschweig erhalten die
Kinder von ihren Paten zu Ostern das \Veilbrot; es ist (als echtes
Osterbrot) aus ungesäuertem Teige gebacken und heißt seiner derben
Form wegen auch »ballholt« (»Ballschlagholz«), (Schiller-Lübben, V,
709). (Ob es zum Osterballspiel Bezug hat?) (Mannhardt, Waldkult, I,
471). Etymologischer Zusammenhang des Wigelfladens mit ags.
wicca = Zauber (Hazlitt, II. 641) ist wohl abzulehnen.‘
J. P. Schmidt (l. c. 29) schrieb 1752: »So weiter hat die Ge
wohnheit so genandte Wiegel Broedte auf Ostern zu backen, ihren
sicheren Ursprung daher, daß die Geistliche im Pabsthum den Layen
nicht gerne erlaubet haben nach geendigter Fasten-Zeit wiederumb
Fleisch und Brodt zu essen, bevor solches geweihet worden. Alß
wodurch dann, weil dieses Einsegnen und Weihung am Ostertage
geschah, und sich allmählich auf das Brot miterstreckete, man eben
das Osterbrot: Wiegel-, Weihel- oder geweihete Kuchen genandt
hat« (vergl. auch Büsching, Wöchentliche Nachrichten, I, 272). In den
Zeitschrift für österr. Volkskunde. XII. Suppl. H. IV. 3
32

katholisch-römischen und griechischen Ländern findet diese \Veihung


des Osterbrotes und Osterfleisches noch statt; in Süddeutschland
heißt es: Gesegnetes (1563), Oster Gesegnetes (15. Jahrh.) (Bierlinger,
Aus Schwaben, II, 74). An Stelle des einen von der ganzen Sippe
geopferten Osterlammes in natura traten mit der Zeit die darbringenden
einzelnen Teile in Körben, die die einzelnen Haushaltungen zur
kirchlichen Osterweihe tragen lassen, wobei das Osterbrot, Salz,
Meerrettich,*) Ei nicht fehlen darf. Solch geweihtes Brot wurde nun
selbstverständlich auch wegen der österlichen Taufe am Karsamstag
zu einem Taufpatengeschenke »Godenbrotrr, »Götenbrot«, »Gödl
brot«; (1495) »ein gels musli von milch oder wyss von einem götti
prot gemacht (Schweizer Id., II, 291), (Gote. Göt Döt, Doat); (15. Jahrh.:
Goettin-, goettibrot =acrismus acrizymus, Diefenbach, II, 7; I, 10;
Schmeller, I, 963; Schoepf, Tirol, Idiotikon, 201); es scheint da und
dort nicht oder nur sehr wenig gesäuert gewesen zu sein; als ein
solches bonum paniculum (Pumpernickel) erscheint es auch’ in der
Osterzeit in Oberfranken. wo es ein Lebkuchen aus Honig und
Roggenmehl ist (Bavaria, III, 1, 36).« Im Sprichwort der Pfälzer heißt
es: »\Vo es Mode ist, da segnet man auch den Pumpernickel in der
Kirche.«
An anderen Orten, zum Beispiel am Hunsrück (Fürstentum Birken
feld), erhält das Kind von seinem Taufpaten auf Ostern zwei Ostereier
und ein kleines Roggenbrötchen (Rundstück) zugeschickt, wogegen
der Überbringer wieder ein Stück Kuchen und ein Ei zurückerhält
(Pfarrer Wolff T). Ein gegenseitiges allgemeines Beschenken, wie es
in der Julzeit bei den germanischen Völkern, vermutlich nach
römischem Vorbilde, üblich war, finden wir sonst auf Ostern daselbst
nicht mehr; es scheint sich überhaupt nur um Taufpatengeschenke
gehandelt zu haben, wenn von solchen österlichen Beschenkungen
die Rede war, da Ostern die Haupttaufzeit früher war.
Ein österliches Patengeschenk ist auch die Lausitzer »Paten
semmel«, ein 17 cm im Durchmesser haltender nicht besonders hoher
Osterfladen, der mehr der Laibleinform sich nähert und oberflächlich
rautenförmig geschrüppt ist (siehe Abbildung 32). Solche Patengeschenke
der christlichen Ostertaufzeit haben sich auch als Brauch auf andere
Festtage übertragen. Das Osterbrot der Schüler in den christ
lichen Klöstern am Schlusse des alten Semesters und beim Beginne
des neuen Schuljahres war unter anderem der Marzipan, der
panis marcialis, das Märzbrot der Römer, ein bei diesen aus ergotin
freiem Mehle frisch hergestelltes Neujahrsgebäck, das in verbesserter,
mehlfreier Form heute zum alltäglichen Feingebäcke geworden ist.
Wir haben über dieses Gebäck bereits in »Egerland« (1904, Nr. 3,
*) Was man sich vor dem Genusse des Osterkrens wünschend denkt, das geht
nach oberbayerischen Volksglauben in Erfüllung. Wer bei Verirrung im Walde an das
Essen der Ostereier denkt, findet den rechten Weg wieder (B0hmerwald).
33

4 und 31) berichtet. Daß für das Gedeihen und die Ausbreitung der
Marzipanproduktion in Lübeck, Tilsit, Memmel etc. die in den be
nachbarten Wäldern der Letten, Kuren und Liven blühende Honig
gewinnung maßgebend gewesen sei, wie in der Beilage zur Allgem.
Ztg. 1904, Nr. 201, gemeint wurde, ist schon deswegen nicht richtig,
weil der Marzipan gar keinen Honigzusatz hat (vergl. auch A. Tille
in der wissenschaftl. Beilage z. Leipziger Ztg. 1895, Nr. 35, S. 137,
Anm.) Ob der Marzipan aus einem arabischen Worte abstammt, wie
neuerdings behauptet wurde, möchte zu bezweifeln sein; das Wort
klingt so lateinisch als möglich.
Auch die Fochanze, über die wir unter der schon öfters er
wähnten Abhandlung (Über Weihnachtsgebäcke, S. 49) berichtet
haben, wird in Tirol als Osterbrot zur kirchlichen Osterweihe ge
bracht und als ein großes, mürbes Weizenbrot in Gestalt von (Oster-)
Hasen oder (Oster-) Männern (s. u.) oder als Osterfladen den Kindern
geschenkt (Schöpf, l. c. 146; Zingerle, 97, 98). Wenn im Schwä
bischen jedes Stück Vieh auf Ostern oder beim Austriebe auf die
Weide neben dem Dreikönigssalze auch etwas vom geweihten
Osterbrote erhält (Reiser, Allgäuer Sagen, II, 374; Deutsche Gaue,
63/64, S. 6), so ist dieser Brauch eben vom Neujahrsfeste (Weih
nachten, Neujahr, Dreikönigstage) auf das kirchliche Osterfest über
tragen worden, wie wir auch sonst verschiedene andere Neujahrs
gebäcke und -Gebräuche am Osterfeste wiederkehren sehen.
Als -Osterbrot« ist auch das franzbrotähnliche Opferbrot (siehe
Abbildungen 46 und 48) aufzufassen, welches auf einem Mosaik des
6. Jahrhundertes von Melchisedech dargebracht wird, während gleich
zeitig Abel das Osterlamm opfert. Die Entwicklungsweise dieser
sogenannten Rosenbrotformen (Rosensemmeln) geben die Ab
bildungen 41, 42, 46, 48, 75—-86. Vergl. auch das altchristliche Kreuz
brot (Abbildung 15), welches aus Südfrankreich stammt und die Oster
palmen (‘r’) unterm Säulenbogen aufweist.
4. Der Hang des Volkes zum Erhalten des Überkommenen äußert
sich namentlich durch die fast allgemein übliche Form des Osterbrotes
in Gestalt der Fladen, Zelten oder Breitling (Flarren, Flärrle, Fleck,
Platz); es ist dies ein flaches, mehr dünnes und ausgebreitetes, als er
habenes, rundes, selten (Sachsen) vierockiges Gebäck, wegen dessen auch
der Ostersonntag in der Schweiz »Fladensuntig< heißt. In ahd.Zeithieß
‘es preitinc = placenta (Steinmayer, ahd. Gl., III, 614), im späteren Mittel
alter war der »Breiting« (Breitling*) nach Heyne, l. c. II, 174, nur ein
Leckerbissen, während der westgermanische »Fladen« (ahd. Flado,
verwandt zu :rl.ovcö;) das eigentliche Wort für flaches Opferbrot blieb;
er entwickelte sich ursprünglich durch Ausbreitung des dicken Mehl
breies (Grütze, Mus) über einem flachen heißen Aschensteine, wobei
*) Im schwäbischen Mindeltale stritt man sich, wer das Ostergesegnete, den Oster
tladen oder Breitling, zur Weihe in die Kirche tragen durfte (Birlinger, Schwaben, II. 75).
a.
34

aufgeschüttetes Fett das Anbrennen des Teiges verhütete. Die ver


schiedenartigen Einkerbungen, Prickelungen, Schrüppen auf der
Oberfläche dienten vermutlich dazu, um den aufgegossenen Honig
oder Fruchtsaft länger in den Furchen haften zu lassen, und ihre
Zeichnungen sind sicher nur rein dekoratives lineares Motiv ohne
mythogenen Hintergrund. Im Ahd. ist flado auch = lapas i. e. fructus
fici inter duas turtas pressi, also eine Art Feigenfruchttorte, welche
Form aber in Deutschland nicht allgemein üblich gewesen sein kann,
weil die Feige daselbst nicht allgemein gezogen wurde; sonst ist ahd.
flado meist nur = liba (Opferbrot mit Fruchtsaft oder Honig belegt).
In Appenzell .werden am Ostertage hauptsächlich Rahmkäs- und
Birnenfladen gebacken (Schweiz. ld., I, 1168). Solch verschiedene
Fladensorten stellte der Fladenbäcker im Fladenhause (mhd. vladehüs
Lexer, 344) her. Die Oberfläche ist meist quadratisch oder rauten
förmig stark geschrüppt, so daß sie sogar ein fast igelstachelförmiges
Aussehen durch die hochaufragenden, regelmäßigen Felderabteilungen
einnehmen kann (siehe Abbildungen 23, 27, 32, 73, 74, 76, 85, 87). Der
Göttinger Bildhauer, welcher im 15. Jahrhundert die Nikolaus-Figur mit
den drei griechischen Brotfladen darstellte (siehe M. Heyne, Deutsche
Hausaltertümer, II, 276), hat diese griechische Form von Festgebäck nicht
gekannt, sonst hätte seine Darstellung andere Form haben müssen (siehe
Abbildungen 74,87). Der »Osterfladen«, der sogar als flan de päques
ins Französische wanderte (Görard, L’ancienne Alsace, S. 172), trägt
meistens ein die österliche Zeit markierendes Symbol (Lämmchen,
Siegesfahne, Osterei, eigelbe Farbe). Solch fladenförmige Brote waren
auch Tellerbrote, über die wir schon in Z. f. ö. V. K., IX, 1905,
Suppl. III, S. 31, Fig. 1, berichteten, daß sie auch bei den Israeliten
als solche Teller verwendet wurden”) Ein Lüneburger Tellerbrot
zeigt (siehe Abbildung 47) auch das Osterlamm als Zeitmodelabdruck;
andere (zum Beispiel in Hallein oder in Ungarn) tragen christliche
biblische Kreuzigungsszenen als Zeitmarke.
Schon in mhd. Zeit heißt es (Heyne, l. c. II, 275): »An dem
heiligen Ostertage, dö ein heilic prister eine vladen wihen solide
und sin vleischa. Das ist der Wigelfladen, den wir oben schon
erwähnten. Sebastian Frank (1534) in seinem \Veltbuch (F01. LI):
„Zu Ostern bacht man die fladen, da gibt etwan ein reicher zween
fladen, den einen den_jungen knaben, den anderen den jungen
meydlin vmb diese auff einer wisen für aller menge zu lauffen«,
also als eine Art österlicher Tanzkuchen, über den wir unten noch
sprechen werden und der sicher mit dem jüdisch-christlichen
Charakter des Osterfestes als solches nichts zu tun hatte. Solche
geweihte und ungeweihte »Osterfladen« wurden ebenso wie andere
*) Auch die Mohammedaner in Bosnien backen zur Zeit des Baruazan solche Teller
brote, sogar mit zwei seitlichen Handgriffen; sie beißen dort Curek = Kümmel, weil sie
mit Kümmel belegt sind.
35

deutsche Festbrote (Neujahr, Weihnachten etc.) auch an das Gesinde


und an Pfründner verteilt. Im Schwäbischen Schöneberg bei Rottweil
bestand sogar eine alte Osterfladenstiftung, von der jeder, der wollte,
etwas bekam (Birlinger, Aus Schwaben, Sitten, II, 73). In der
Augsburger Pfründeordnung (1543) steht: »Die Gült-ayr sollen all
wegen zu Osterfladen damit gebachen und jedem Pfründtner ein
Stuck von einem Fladen geben werden.« Die Verbindung der
Ostereier mit den Ostergebäcken haben wir schon oben besprochen.
In Oberbayern war der »Osterfladen« ein Geschenk nicht nur des
Klosterpropstes an seine Konventsbrüder, sondern auch an die (‘e-haften
Bader, die im Kloster zu tun hatten (Germania, IX, 199; Schmeller,
II, 19), in Verbindung mit »Geweihtem« (s. o.) und mit Eiern; in der
Schweiz war dieses Geschenk auch ein mit einem Gehäcke von
frischen grünen Frühlingskräutern belegter Krautkuchen (Schweizer
Id., I, 581). Im 16. Jahrhundert erhielt der Gemeindehirte zu Döllnitz
bei Leichtenberg (Opferpfalz) zu Ostern (gleichsam zum Segen der
Fruchtbarkeit der ihm anvertrauten Herde) von jedem Hause zwei
Antlaßeier (s. o.) und einen fünf Heller werten eiergelben Osterfladen.
In der Schloßkapelle der Hallburg (Gerolzhofen in Unterfranken)
fand früher die Weihe des Osterl'ladens statt; zwei Bursche trugen
auf einer aus Stangen gefertigten Tragbahre am Ostertag nach
mittags zwei Fladen, mitten in der Doppelreihe der sogenannten
Fladenprozession einherschreitend, nach Hause, wo die Flurwaller
diese mitgebrachten Osterfladen verzehrten; es scheint sich um eine
Rekognitionsgebühr von seite des Burgher'rn gehandelt zu haben;
denn um dieser österlichen Fladenabgabe willen sollen die Sippen
von Sommerach und Nordheim dereinst dem Besitzer der Hallburg
die Schafweide auf ihren Sippenlluren (Herdegemarkungen) ein
geräumt haben (Deutsche Gaue, V, Heft 87/88, S. 80.)
Das Baseler Kochbuch (1756) bezeichnet den »Osterfladen« als
eine Brottorte aus Ei (Osterei), Rahm und Butter, belegt mit ge
backenen (Oster-?) Brotschnitten (Schweizer Id., I, 1168); v. Germers
hausen (Die Hausmutter, 2, I, 188, 190) schrieb 1782: »In den
meisten (sächsischen) Dörfern ist es gebräuchlich, daß in Ostern (und
Pfingsten) auch den Hirten des Dorfes (Mohn- und Quarkfladen)
Kuchen gegeben werden.« Diese seltene Verbindung der Hirten
spende mit dem Mohn ist bemerkenswert; es deutet dieselbe vielleicht
auf ein älteres Seelenopfer vor dem Weidetriebe; doch ist der Mohn
gerade auf Ostern eine sehr seltene Gewürzbeigabe; es wird wahr
scheinlich eine gleiche Ursache vorgelegen haben wie bei der später
zu erwähnenden märkischen Präbende. W. Menzel (Symbolik, 180)
gibt 1854 an, daß man vormals »Osterfladen« auf Berge trug, um
sie bei Sonnenaufgang zu verzehren; er gibt aber weder den Ort
noch das Volk an, wo dieses gebräuchlich war. Als Kaiser Otto 962
zu Pavia das Osterfest beging, brach einer seines Gefolges, des
36

Schwabenherzogs junges Söhnlein, gierig ein Stück des »Osterfladens«,


der auf der kaiserlichen Tafel stand, ab und wurde dafür vom Truch
seß mit dem Stab blutrünstig geschlagen (Lehmann, Chronicon
Spirense 1698, S. 343). Nach Rochholz (Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1293,
S. 250) erzählt ein Bruder Pauli in »Schimpf und Ernst« von einem
Grafen, der nach Rom wallfahrtete, zum Papste kam und sich da
eine Gnade ausbitten durfte. Er erbat sich, die Osterfladen schon
am Osterabend essen zu dürfen, solange sie noch warm sind; denn
am Ostertag darauf, meinte er, seien sie schon nicht mehr ha’lb so
gut; der Papst lachte und sprach: »Wartet Ihr die ganze Fasten auf
den Ostertag, so könnt Ihr die Osternacht über auch noch auf den
Fladen warten.«
Diese Erzählungen bekunden jedenfalls das Alter und die Volks
tümlichkeit des kirchlichen »Osterfladens«, der am Ostertage nach
der Weihe den ersten »Anbiß« gab; vorher durfte man ihn nicht
genießen.
In vielen schwäbischen und oberbayrischen Orten heißt der
Fladen auch Zelten; je nach der Beimengung Birnzelten etc., nach
der Herstellungsart Pfann(en)zelten. Der Zelten hat mehr den
Charakter eines süßen Fladens, eines ausgebreiteten Lebkuchens
(Lebze l te n) oder eines Konfekts; obwohl wahrscheinlich ein urdeut
sches Wort (Kluges, 434), ging es doch erst durch den Einfluß der
Klosterküche (Apotheke) in den Volksmund über. Daher das celtelin
(14. Jahrh.) eigentlich ein Apothekerkonfekt (Zeltl) darstellte, das mit
Honig und verschiedenen Heilkräutern gemengt oder bedeckt war‘;
es war schon in ahd. Zeit (9. Jahrh.) celto = tortella, trochiscus, libum,
pastillum (Heyne, II, 275); sein hohes Alter bekundet auch sein Vor—
kommen im Volksmärchen; die wilden Männlein, die kräuterkundig
sind, bereiten und verschenken es als volksmedizinische Hilfegeister.
Der ahd. phanzelten = crispilla, phanzelte = pastellns (Steinmayer‚
l. c. IV 189, 243) ist im 13. Jahrhundert als phacelat eine Speise (Pfanzel)
in der Osterwoche (Schmeller, I, 428); hauptsächlich im Schwäbischen
bleibt der »Pfannzelten« erhalten; Abraham a Santa Clara, I, 397,
kennt 1686 »ein Pfannzelten auß Schwaben«; im Salzburger Koch
buche (IV, 114) ist 1719 der »Osterzelten« ein mit Fruchtsäften be
strichenes Gebäck; vielleicht auch ein »Eierzelten« (1515 ayer
zelten = torta, Diefenbach, I, 589). Ein dreieckiger »Küchla- Zelta«
(Leutkirch im Allgäu) (Reiser, II, 130) erinnert an das dreieckige oben
erwähnte Harfenbrot, es ist ein kuchenförmiges Ostergebäck in
Fladen- oder Zeltenart. In diese Kategorie der Fladen reiht sich auch
ein der österreichische Osterfleck, ein manchmal pflugradgroßer,
runder, in der Mitte etwas vertiefter Teigfladen, dessen Außenwand
mit dem Teigradl zackig ausgeschnitten ist und dessen Oberfläche
mit den Zacken eines eigens hierfür verwendeten Holz- oder Bein
kammes strahlenartig sich ausdehnende Stichelungen (Prickelungen)
37

als dekoratives Motiv aufweist; meist ist er 30 bis 40 cm breit und


trägt nicht selten das Osterlämmlein (s. u.) aus Teig oder Butter (in
Oberschwaben letzteres bis zu 2 Pfund schwer). Der Osterfleck wird
ebenso dort zur kirchlichen Weihe gebracht, wie anderwärts der
Osterfladen; in Wien wird er als Feingebäck und kunstvolles Schau
brot hergestellt (Rochholz in Illustr. Ztg., IV, 1868, Nr. 1293, S. 250;
Z. f. ö. V. K. 1897, S. 10; Perger Mittlg. d. k. k. Zentralkomm., III;
gefällige Mitteilungen von Frau Prof. Andree-Eysn). Der österreichische
Name »Fleck«*) lehnt sich nur nominell an den dort üblichen Fasching—
fleck (= Rhombus Veneris) an, der aber eine andere Bedeutung hat und
viel kleiner ist; letzterer ist ein »Mutzenfleck« (siehe Abbildungen 59-62),
der am Sonntag L‘ätare der Fasten- oder Frühlingszeit eine erotische
Rolle") spielt (vergl. auch den Mützenfleck am Ostertag in Thüringen,
der den Mutzenfleck umgeht). Die Mädchen stellen dort Wettläufe an
um solche (lederne) sogenannte »Miitzenlleckenu, die Symbole ihres
Geschlechtes sein sollen (vergl. Z. f. V. K., XI, 1905; Suppl.
III.‚ S. 47, und das Hochzeitsbuch von Ida v. Düringsfeld S. 161).
5. Die verschiedenen (1683) Osterkuchen, Palm- oder
Paschkuchen (dän. paaske-kage) sind meist alltägliche Fest
gebägke, die wir in unseren früheren Abhandlungen schon größten
teils besprochen haben; zum Beispiel der W eige l k uc he n (Wismar),
s. o. Weichelbrot, die böhmischen und tirolerischen »Eierkuchen«‚
die Erfurter »Napf- oder Aschkuchen«, die westfälischen
»Pfannkuchen«, die verschiedenen an das Frühlingsgrün
erinnernden »Krautkuchen«‚ die bekannten Käskuchen, die
sächsischen (1786) »Rosinen-, Weizen-, Butter-‚ Öl-, Bären-(Hefe) und
Osterburgskucben«, die russischen sehr harten »Honigkuchen«, welche
als »Lebkuchen« auf Ostern fast nur in slawischen Gebieten (und
deren Grenzdistrikten sowie in ehemals slawischen Ortschaften) eine
Rolle durch den Osterhonig (s. o.) spielen; oft tragen solche Leb
kuchen auch biblische Szenen (Auferstehung zum Beispiel, Abbildung 51)
als Modelabdrücke. In der Schweiz finden sich solche auf das Oster
fest bezügliche biblische Szenen auf den sogenannten Honigtirggeli,
zum Beispiel Auferstehung, der Herr der Herrlichkeit stirbt am
Kreuz, Judas empfängt das Verrätergeld 30 Silberlinge, Jesus hält
das heilige Abendmahl (nach Originalen, die Herr Prof. Hoffmann
Krayer dem Verfasser gütigst übermittelte). Volkskundlich sind von
diesen Kuchenarten am meisten einer Besprechung wert die öster
lichen Eierkuchen, wegen des Eizusatzes (fläm.: eier-koeken; ndd.:
Eigerkuech; dän.: oeggekaoc; sächs.: Dotterkuchen; 15. Jahrh. ayrkuch;
1433 ayrcbuech; 1420 eyn eyer Koche = liba fricatus, fricatum; 1577
*) Daß diese „Flecke“ ihren Namen von den Kaldaunen (mhd. Vlecke) haben
(Heyne, l. c. II, 277, Anm. 72) ist unrichtig; die zerschnittenen Kaldaunen oder Kuttel
Hecken haben vielmehr ihre Namen von ihrer flicklappenartigen zerschnittenen Form.
“*) S. Schedius, De diis German., 232.
38

eyerkuchle = panis crocatus; Diefenbach, I, 326, 409.) In der Schweiz


versteht man unter »Kuchen« überhaupt nur den Eierkuchen. Vor
dem 15.Jahrhundert ist der »Eierkuchen« nicht nachweisbar, wenn er
auch sachlich weit älter sein muß; meist ist es ein fladenartig dünner,
stark eihaltiger Pfannkuchen, der auch oft mit anderen Ingredienzien,
Grünkraut zum Beispiel, gemengt ist; manch solche Eierkuchen sind
stark aufgelaufen durch das Backen auf der Pfanne (1756 aufgelof’fen,
Schw. Id., III, 1130). In Berlin ist Eierk uch en=Omelette, Frittate,*)
Pfannkuchen; im Anhaltischen ist Eierkuchen ein den Waffeln ähn
liches, sehr dünnes Gebäck; in Jena Spritzgebackenes (Univ.-Lrxikon
der Kochkunst, I, 226); in Erfurt gibt es in der Osterzeit, sobald es
frischen Eivorrat gibt, fladenförmige und 70 cm lange, 48 cm breite
Eierkuchen. In der »Eigentlichen Beschreibung aller Stände auf
Erden« (1574) sagt der Bäcker in seinem Kramladen: »Zu mir ’rein,
wer hat Hungersnot! Ich hab gut Weitz- und Rücken-(Roggen-)Brot.
Aus Korn, Weitzen und Kern ge)backen‚ Gesaltze (gewürzt) recht
mit allen sachen; Ein recht gewicht, das recht wohl schmeck,
Semmeln, Bret-zn, Laub, Spuln und Weck, Dergleichen Fladen und Eyer
kuchen, Thut man zu Ostern bey mir suchen.« Der Zusatz der als
besonders kräftigend angesehenen Ostereier zum kuchenförmig rasch
gebackenen Mehlbrei machte natürlich auch den österlichen Eier
kuchen zu einem volksmedizinischen Mittel überhaupt und dann
auch weiterhin zum Vehikel für andere Medikamente. In Tirol er
hielten ihn die Leprosen oder Aussätzigen (Mones Z., I, 14) und
sonstige Kranke als Kräftigungsmittel (auch am Silvestcrtage). In der
Oberpfalz verwendet man gegen den Frierer (Fieber) den Harn des
Fiebernden (materia peccans), den man in einen Eierkuchen verbackt;
der Kranke muß ihn dann hinterwärts ins Wasser werfen, wo sich
Fische aufhalten, die den Kuchen mit dem Fieberstoff aulfressen
(Schönwerth, O.-Pfalz, 38, 2); die Luiterwallen in Flandern lassen den
Kranken auf einen Eierkuchen pissen und so die Materia peccans
durch einen Hund verschlucken; wenn der Hund stirbt, so ist der
Kranke wieder gesund hergestellt (De Cock, Volks-Genees Kunde, 199).
In Frankreich wird die sogenannte Hundsrose (Cynoglossum) per
signaturam rerum gegen die Hundswut als Bestandteil des Eier
kuchens verwendet (l. eod., 318, 320). Die große volksübliche Ver
breitung und Verwendung des Eierkuchens und wohl auch sein
hohes Alter (das allerdings nicht literarisch belegt ist) erhellen auch
daraus, daß der Eierkuchen in der Sage auftritt; er wird von den
elbischen Zwergen selbst gebacken; ein Plateau im Badischen, auf
dem zur Adventzeit nach der Volkssage der Hexensabbat gefeiert
wird, heißt dort »Eierkuchen« (Meyer, Bad. V. L, 556), vielleicht
wachsen dort auch sogenannte Dotterblumen? Die Verwendung des
* "‘) Eatum = 15. Jabrh. eyerkuch; 1440 eygerlrüch; 15. Jahrh. altsichs. eyger
kolre, Diefenbach, I, 247.
39

Safrans als Ersatz des Eigelbes scheint von Spanien ausgegangen zu


sein; denn panis crocatus = spannisch brot, 18. Jahrh , Diefenbach, I,
409. Aus den Niederlanden mag der Brauch den Niederdeutschen
vermittelt werden sein. 1656 spaensche pap (ostfries.)‚ (Schiller-Lübben,
VI, 232). Dieser spanische Papp oder Mus war ein aus spanischem
Brote hergestellter W'eckbrei, zu dessen Verbreitung Soldaten bei
getragen haben dürften. Der Safran, ital. zafferano, arab. asforä.n,
zä.farän, mhd. safrän, ahd. kruogo (crocus) ags. cröh, war in alter
Zeit ein bei fast allen anderen besseren Speisen verwendetes Gewürz.
1575 ist Gelbrot als saffran = croceus bei Diefenbach, I, 159, erwähnt.
Das gelbe Brot hielten die Leipziger 1781 als eine Gastspeise vom
ersten Rang, das man nur zu Wein oder Kaffee verspeiste (v. Ger
mersh., II, 161). In Oberbayern ist die safrangelbe Nudelsuppe noch
heute eine Festspeise des Volkes (immer bloß auf Ostern). Die gelbe
Farbe des Gebäckes ist aber nicht bloß auf Ostern üblich, sondern
auch beim Wochenbette (Kindbettfeier), wo der volksmedizinische
Glaube an die Gesunderhaltung und Fruchtbarmachung des Eies und
Eigelbs, *) beziehungsweise des Opferhuhns sich ebenfalls bemerkbar
macht In den Londoner Bäckerl'äden gab es 1805 einen »Jewish Passover
Cake for the Jews, bound in with slips of paste cross ways in it« mit
vier Ostereiern belegt (Hazlitt, l. c. II, 345); aber ohne Abbildung ist
die beste Beschreibung eines Gebildbrotes nicht ausreichend, um den
Typus des letzteren festzustellen. Abgesehen von den schon erwähnten
Matzen, verzehren die Juden in Schlesien am Passahtage die sogenannten
»Kimsel« (in Danzig Chrimsel genannt), Osterkuchen aus Matzenteig
und Rosinen hergestellt, in zusammengerollter Form gebacken, auch
als Pfannenkuchen herausgestoßen (Treichel in Verhandlg. der Berl.
Anthrop. Ges, XXVII, 480; Hartmann, Manuskript im bist. Vor. v.
Ob.-Bayern, 520). Die Kimsel oder Kemsel heißt auch Judentätscher
(Tartscher?) in Frankfurt am Main als breitgeschlagenes Pfannen
gericht. Obwohl es den Christen nach dem Corrector Burchardi
(Kap. 176) im 11. Jahrhundert verboten war, Judenspeisen zu ver
zehren, welche diese sich selbst bereiteten (Wascherschleben,Abend
ländische Bußordnungen, S. 664,‘, so drangen doch viele Judengebäcke
in die Volksküche vermutlich durch das altchristliche Passahfest ein;
auch der Glaube an die jüdische Heilkunde — Juden und Hexen
reichten sich hierbei die Hände — mag mitgewirkt haben; in Böhmen
hilft heute die Judenmatze gegen das Gefrieren einzelner Teile des
Körpers (John, l. c. 253).
Während in Altbayern, wo es überhaupt in der Volksküche
keinen »Kuchen«, sondern nur »Kücheln« gibt, diese letzteren
vom Festtagstische ausgeschlossen sind, wie überhaupt die fettreichen
*) In Schweden spielt der sogenannte Hahnentritt im Dotter eine besondere
Wochenbettrolle als Präservativ gegen Nachgeburtstörungen. Die Keimkrat't in dem
Eidotter sah man als Heilmittel an.
40

Speisen, Krapfen zum Beispiel, auf Ostern sehr zurücktreten, gibt es


in Tirol am Ostertage besondere »Kücheln«; namentlich sind die
»Äpfelküchel« in Süddeutschland wegen der um diese Zeit
schon raren Äpfeln ein sehr beliebtes Osterfestgericht (vergl. Roch
holz, l. c. 1868, Nr. 1293). ’
Was sonst der ungesäuerte jüdische Opferkuchen ist, das heißt
der Matzen=Matzkuchen (Judenmatz), (Kluges, 262), ist in
Schlesien ein Topf- oder Napf- oder Aschkuchen, in Böhmen das
Mazanec=0sterküchlein (Oeskj Lid, VI, 146). Als »Matzen« ist die
Judenmatzen in Glossarien des 15. Jahrhundertes bereits ein
gebürgert: jüd.: mazzo; hebr.: mazzä.h = ungesäuerte, dünne, leicht
bröckelnde Kuchen, Sauerbrot (Kluge“, 262) (s. s. S. ); vermutlich
gehören hierher auch als Ostergebäcke die thüringischen »Juden
(Jiden-) Kuchen (holländ.: jedenkocken), eine Art Plinse (Blini
der Russen) aus feinem Gerstenmehl auf der Bratpfanne (Plinzeneisen)
gebacken; die holländischen Judenkuchen sind kleine Fladen oder
dickere Oblaten aus Butterteig mit sägeartig gezacktem Rande,
durch Ingwer etwas rot gefärbt. Eine im Geschmack ausdruckslose
Erinnerung an die jüdischen Matzen bilden die sächsischen (1679)
»Prophetenkuchen«, dünne, breite, hartknusperige, ungesäuerte
Fladen aus Mehl, Eier und Zucker (Kluge, Z. II, 29; Kleinpaul,
Gastronomische Märchen, 129; Barmer Zeitung, 10, VI, 1905, Beilage.)
Einen großen volkskundlichen Gegensatz zu diesen jüdisch
biblischen Osterkuchen bildet der österliche »Tanzkuchen«‚ den
wir oben nur kurz streifen konnten. Die frisch-grünen Kräuter
der Osterzeit, deren Wachstumskraft sich besonders bemerkbar
macht, werden als kraft- und fruchtbarkeitgebende Mittel den Fest
gebäcken dieser Zeit beigemengt (mit und ohne Ostereier); ein solcher
Krautkuchen ist der Tanzkuchen, der namentlich im I-Iennebergischen
(nach Spieß, l. c. l, 143) auf Ostern (und Johannes, Kirmes sowie
Pfingsten) üblich ist, wobei ihn die tanzenden Mädchen mitbringen;
beide Geschlechter spielen und tanzen, um ihn zu bekommen; der
Wettlauf auf der Osterwiese um den Preis dieses österlichen Fest
kuchens fand auch im Würzburgischen statt (Mittlg. f. bayr. V. K.
1900, Nr. 2, S. 2); etwas genauer schildert Hazlitt (l. c. I, 203, 204,
II, 568, 580) diesen Osterfestbrauch in England; dort werden nämlich
aus frisch aufgekeimten Frühlingskräutern und Eiern Kuchen her
gestellt, welche »Tansey« oder »Tansies« heißen (Rainfarnkuchen
wegen des Krautes tanacetum, Pfannenkuchenkraut, Rainlarn, das
Sysimbrium der alten Klostergärten; siehe Jessen, Die deutschen
Volksnamen der Pflanzen, 95; Schröder, 1685, Medizinisch-chym.
Apotheke, 976).
Dieser Rainfarn kuchen schmeckt durch dieses Kraut
und wegen der voraufgegangenen Fisch- oder Fastendiät ganz gut;
darum heißt es im englischen Osterlied:
41

»Soone at Bester comet, Alleluja!


With butter, cheese and a tansey.‘
Das engl. tansey oder (1633) tansay, mittelengl. tansy hat
natürlich zu Tanz keine etymologische Beziehung, sondern zum
bitteren Rainfarnkraut (ahd. reine fano = am Rain wachsendes
fahnenartiges Kraut, tanacetum vulgare = Kraftkraut“) Kluge“, 105;
Mannhardt, Waldkult, 476), das heißt es ist ein österlicher, beziehungs
weise Frühiahrs - K r u t e r k u c h e n, welcher Lebenskraft, namentlich
den auf der Osterwiese tanzenden jungen Leuten, geben sollte. 1740
wurde derselbe als »lip-loved-tansey prepared by Nancy« bezeichnet;
mit diesen tansey-cakes und mit dem Tanzen (dancing oder walking)
lösten die jungen Burschen ihre Schuhe und Schuhschnallen wieder
aus, welche ihnen von den jungen Mädchen ausgezogen worden
waren. Dieses absichtliche Barfußlaufen (germ. walkan = sich
hüpfend bewegen) über die im frischen Grün prangende Osterwiese
symbolisierte den ehemaligen nackten Kultreigenf") aber auch den
Fruchtbarkeitszweck, wie dies auch beim \Nälzen der entblößten
Mädchen auf dem Getreideacker anzunehmen ist; die Vegetations
kraft der Erde im Frühjahr sollte auf die sich liebende Jugend über
gehen. Für den Eschwachs und für die Fruchtbarkeit***) verzehrte
man dann den Festkuchen; daher heißt es in den Weistümern
(Untermosel): »der meier soll zu den ostern bringen ghen Esch ein
Wastel oder osterkuchen« (Heyne, D. Hausaltert, II, 276). Dieser
Wastel (ahd.: castel, mhd.: gä.stel, franz.: gasteau, gä.teau) war ein
dreieckiger Osterkuchen, vielleicht ähnlich der ital. Pinza. Auch die
alten Griechen hatten einen solchen Tanzkuchen beim Bacchus
reigen, den sie ä:rw.üz).ro; nannten =placentae Syracusanae genus‘(Lobeck,
Aglaophamus 1074); einen solchen Tanzkuchen (auf Pfingsten) haben
auch die polnischen Masurek (Masuren in Ostpreußen), von denen
der Mazurkatanz benannt ist, daher dieses Eiergebäck auch
»Mazurkakuch en« heißt (Sonntagsbeilage zu Nr. 135 der Barmer
Zeitung vom 10. Juni 1905). Über die thüringischen »Mützenflecke«
beim Osterwettlauf der Mädchen haben wir schon oben gesprochen
(vergl. Hochzeitsbuch von J. v. Düringsfeld, 1871, S. 161).
") Chrysanthemum tanacetum K. war ein uraltes antidämonisches Wurmmittel,
das beim Sonnenwendfeste als sogenannte Gürtler von den Frauen am Schoß getragen
wurde (vergl. auch Fouabn, Orm og Ormmidler, S. 19).
**) Dazu gehört auch das alte Tanzlied ‚Grünes Gras unter meinen Füllen‘
(Hessen) Böhme Kinderl., 482 ff., (englisch-amerilr.)
Walking on the green gras
Walkiug side by side,
Wallriug with a pretty girl
She shall be my bride.
(Blätter t. bess. Volksk., m, 192).
*““") Über’ die Herstellung der Liebeskrapfen und Liebeskuchen wird später
einmal zu berichten sich die Gelegenheit geben. Ähnliche Gebräuche s. Z. f. rheiu. V. K.,
1906, S. 62, und Peters: Aus pharmaceutischer Vorzeit, 1., 258.
42

Wie der Osterfladen (s. o), so wird auch der »Osterkuche n«


verteilt. In der Bukowina werden kleine Osterkuchen an die Armen
verteilt und vor allem die Haustiere, um sie fruchtbar zu machen,
damit gefüttert (Kaindl, in der Beilage’Nr. 79 z. Allg. Ztg. 1902, S. 4).
Im slawischen Mähren sucht man mit dem fleischhaltigen Oster
kuchen (masance velkonoöni) die Maulwürfe von den Äckern zu ver
treiben, indem man die Beinchen, wie anderwärts die Eierschalen
—— s. Panzer, Beiträge, II, 532; Mannhardt, Waldkult, V, 297 — aus
dem geweihten Osterkuchen in deren frisch gemachte Gänge in die
Erde steckt (Grohmann, Apollo Smintheus 54), wie man auch in
Flandern St. Paulsbrötchen in die Erde vergräbt gegen den Saat
wurm, und das Julkreuzbrot in die Ackerfurchen legt (Schweden),
nicht weil das Julkreuz als angebliches Sonnensymbol die Sonnen
wärme vorstellen soll, sondern als abwehrendes, das heißt die unter
irdischen Geister versöhnendes Mittel. Der agrarische Charakter dieser
antidämonischen Handlung ist viel natürlicher als das hier sehr ge
suchte Sonnensymbol. In Deutschland wirft man da und dort die
Überbleibsel des sogenannten Gesegneten oder Geweihten, auch die
Eierschalen der Ostereier auf die frischen Äcker, um diese vor dem
bösen Korndämon zu sichern. Die zauberhafte Kraft, die auch den
kirchlich geweihten Opferstücken eigen war, mußte sich selbst auf
deren kleinste Abfälle "‘) übertragen, namentlich auf die bei den
Germanen stets beim Totenkult verwendeten Knochen (s. Rochholz,
Deutscher Glaube und Brauch, I, 217 ff). Auch bei den alten Nord
germanen wurden die Gebeine Halfdanz', des Schwarzen, wie die
Knochenreliquien eines christlichen Heiligen oder eines griechischen
Heros unter die einzelnen Landschaften verteilt, damit sie nicht bloß
einer, sondern allen diesen Gegenden zum Schutz und Segen ge
reichten (Meyer, Mythol., 115 ff.)
6. Bei dem Osterwecken, zu dessen Besprechung wir nun
mehr übergehen, ist vor allem der Begriff »Wecken« festzustellen;
denn nicht alles, was heutzutage als »Weck« oder »Weggen« be
zeichnet wird, ist auch wirklich ein keilförmiges, langgestrecktes
Gebäck, welches der »Weckbäcker« ehemals zünftig herstellte.
So ist der Aachener »Posch-(Pasch-)Weck« ein sogenanntes
Knaufgebäck, das wir schon in Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 431, Fig. 21,
abgehandelt haben und das identisch ist in bezug auf den Typus
mit der Hamburger »Pasch-Semmel« (l. eod. 8.431, Fig. 13) und mit
dem Niederbrombacher »Osterweck« (Birkefeld); siehe Abbildung 36;
es ist eigentlich ein Neujahrsgebäck. Über die Bedeutung dieser
Knaufgebäcke habe ich mich l. eod. S. 431 und 442 und Z. f. ö. V. K.

*) Aus den Knochen des zu Ostern geschlachteten Lammes machte man 1657 für
die Kinder kleine Spielwürt'el (Alem. Kinderlieder, 447). Frisehart erwähht Spielknöchel
aus den Knochen von Ziegen (Hiltecken) und Ochsen (Köte); meist sind es die Fuß
wurzelknochen.
43

1905, XI, S. 53 (Suppl. III), bereits dahin ausgesprochen, daß es


Knochensubstitute in Teigform sind; welch wichtige Rolle aber die
Knochen und Gebeine im Kultus spielen, weiß jeder Volkskundige‘)
Als »Osterwecken« kennzeichnen sich dieselben nur durch die aus
gesprochene Eigelbfarbe des Teiges. Solche »Osterwecken« in Ge
stalt der Paschwecken erhalten (Z. f. rh. V. K., II, 184) die Taufpaten
kinder auf Ostern an der oberen Nahe. Auch in Niederbrombach
(Fürstent. Birkenfeld) haben die Osterwecken die Gestalt der nieder
rheinischen Paschwecken; nur sind die beiden Endknäufe (condyli)
in einen Knauf oder Zipfel (timp, tip) zusammengeschmolzen (siehe
Abbildung 37). Die »Eierweckeln«, welche vor Sonnenaufgang am
Ostersonntag gegessen, vor Fieber und Krätze (wegen des Ostereis)
sichern sollten, sind ein bayrisches Spaltgebäck (keine Wecken)
(— 1535 eygerwecken); in der Schweiz ein Neujahrsbrot; ähnliche
Form haben auch die Schweizer »Speck-Wecklh, die auf Ostern
üblich sind (Schweiz. Id., IV, 384; Staub 103 (siehe Abbildung 43).
Der »Judaswecken« in Böhmen (dort auch Koteisch, Kotouö genannt,
das heißt aus den Teigresten in der Brotmulter Zusammengescharrtes,
ist eine Brezel, die weckenartig zusammengedrückt ist (siehe Archiv
f. Anthropol., III, S. 106, Fig. 36).
Die aus der Fastenzeit her bekannten »Het Weggen« (heiße
Wecken) sind nur ein ganz selten beobachtetes Ostergebäck, das an
manchen Orten aber dann Kreuzform annimmt (siehe Abbildung 35)‚
Eigentliche Osterwecken sind nur:
a) Der hennebergische »Gelb-(Gal-)Weck« (galwaecke), (Spieß,
Id., I, 148), ein mit Eigelb oder Safrangelb gefärbtes Oster- (auch
Hausbau-) Brot in Weckenform. In Österreich (Semmering) heißen
sie auch »Osterkipfel«, welche als Godelgeschenk geholt und gefordert
werden wie eine Zemmede (collectio), (s. Z. f. V. K. 1896, S. 194).
b) Die Marburger »Apostelwecken« (ein am Gründonnerstag
dort üblicher Spendewecken mit einer oberen Schruppe), den wir oben
schon besprochen hatten (siehe Abbildung 1).
c) Der aus Semmelmehl hergestellte »Semmelwecken« (1577),
simelweck = panis similaceus (Birlinger, W. B., 385; Diefenbach,
l. c. I, 409) als besseres Festbrot in Weckenform, das in der Oster
zeit üblich war.
d) Die Badener »Prüfungswecken«, die die Kinder beim Beginn
‚des neuen Schuljahres (Ostern) erhalten (Meyer, Bad. V. L., 113)
e) Vermutlich auch die 1488 auf Ostern im Zisterzienser-Kloster
Maria-Wald im Bergischen an die Laien verteilten Spendewecken
»cunei« (lat. »simbola in cuneis, Wecken), (Z. f. berg. Gesch. V., XXXII,
61 ff). An der oberen Nahe gibt es auf Ostern Eier und sogenannte
. ') Vergl. Wuttke s. v. Knochen, Totenknochen, Speisenreste; Rochholz, Deutsches
Gl.‚ I, 328 ff.; Praetorius, Blocksberg, 72; Z. d. V. f. V. l(~ 1894, 48; Urquell 1895, 125;
Tägliche Rundschau 1900, Beilage Nr. 152.
44

Wecken (Blätt. f. hess. V. K. II, 3); in Nürnberg die Spulweck oder


Spülein, nach der Spulenform benannt.
f) Die oben schon erwähnten Osterbrote in Lüneburg (15.Jahr
hundert), (siehe Abbildung 2).
g) Aul einem Tiroler \Vaffeleisen (Ferdinandeum zu Innsbruck)
aus dem Jahre 1570 ist eine biblische Ostermahlszene eingraviert,
Welche auf dem Tische (siehe Abbildung 50) deutlich das aufliegende
typische Weckenbrot zeigt. Da der betreffende Künstler sicher nur
die damals volksüblichen Ostergebäcke vor Augen hatte, so muß
daraus geschlossen werden, daß auch der W eck e n zum Ostergebäck
zu zählen ist.
Hier möge eingeschaltet sein, daß schon zur Römerzeit unter
Kaiser Nero an das profane Volk tesserae, Metallbilletts nach Art der
Bierzeichen, verteilt wurden, gegen deren Abgabe es solche Speise
oder Spendewecken als Geschenk erhielt; solche »spendierte« (zu
expendere), als Geschenk ausgeteilte Medaillons trugen neben dem
Schweinskopfe (siehe Abbildung 3) und der Schinkenkeule auch das
deutlich erkennbare Bild des Weckens (Daremberg, Diction d’ant.
gröques et rom. Fig. 19/‘20, l, 2. C., 1487). Dem römischen und germa
nischen Volke mag seit jener Zeit die eigentliche Bedeutung des
Weckens ganz verlorengegangen sein. Jedenfalls ist es ein uraltes
Spendebrot, das in manchen Fällen Analogien mit altägyptischen
Brotformen hat und das auch in der deutschen Volkssage auftritt.
Das Taufermännle (Schwaben), ein elbischer Geist, läßt einen Bauer
erst dann über die Taufer hinüber, als er ihm einen Wecken ver
sprochen hatte (Kühnau, Die Bedeutung d. Brotes, 39). Hier ist der
Wecken ein Opfer an den Flußgeist. Nach der oberösterrcichischen
Sage (Baumgarten, Das Jahr und seine Tage, Gym.-Progr.. 8) stieß
der wilde Jäger auf einen Taglöhner; doch dieser hatte zum Glück
ein Stück Brot unterm Arm, da sprach der wilde Jäger voll Zorn:
»Hättest Du nur den Keil nicht unterm Arm, ich hätte Dich schon!«
Hier verhütet der keilförmige Wecken als Glücksbrot die Strafe der
rächenden Seelengeister (cuneus = Wecken, Keil, Strützel). Diese
Züge im Volksglauben decken sich nicht mit dem Volksosterbrauche‚
und Glauben beim »Weckenu (stricte sie dictum), der auf Ostern
eben nur das herkömmliche »Spendebrota überhaupt bedeutet und,
wie schon erwähnt, in der Osterzeit (das heißt Eierzeit) den Eizusatz
durch seine gelbe Teigfarbe markiert. Nach Rochholz (Drei Gau.
göttinnen, 85) sollen die strfltzel-, beziehungsweise stangenförmigen
»Kipferl« (Wecken) nur an Burschen, die gespaltenen »Eierweckel«
nur an Mädchen als Geschenkgabe gewährt werden (symbola generis
utriusque). Ebenso verhält es sich mit den Pasch- oder Oster
semmeln, die nur das bessere Festbrot (aus besserem, weißerem
Semmelmehl) bedeuten; sie sind sehr verschieden geformt, als Zopf
flechten, kahnähnlich, rautenförmig. Die Hamburger »Pasch s e m m e l«
45

ist dasselbe wie der eben besprochene Paschweck. Im allgemeinen


kann man nur sagen, daß Ostern als Fest ein besseres, weißeres
Festbrot unter dem Namen »Semmel« mit sich führt. Die Oberlausitzer
»Patensemmel« ist ein fladenartiges Laibchen von 17 cm Durch
messer, oben breit rautenförmig eingeschruppt (siehe Abbildung 32).
In Lübbau (Niederlausitz) wird auf Ostern ein eigener »Semmel
markt« abgehalten (E. Müller, Wendentum, 103); vorausgreifend heißt
darum auch der Mittfastensonntag in England »Simnel- oder Simblin
Sunday«, weil man die Fastenzeit zur Hälfte hinter sich und die
nähere Osterzeit mit ihrem weißeren Osterfestgebäcke aus Semmel
mehl schon vor sich hat (Hazlitt, l. c. II, 549). Manche Festtage
greifen mit ihren durch Volksbrauch sonst sehr fixierten Zeitgebäcken
schon voraus (weil das Volk auch dem alten Grundsatze huldigt:
varietas delectat); andererseits dehnen sich manch beliebte Zeitgebäcke
länger aus, so zum Beispiel:
8. Die Brezel-, Kringel- (Ring) Gebäcke, die sonst
nur in der Fastenzeit und am Neujahrstage sowie am Allerseelentage
üblich sind; gleichsam die Fastenzeit abschließend, erscheinen sie
deshalb auch in der Osterzeit, womit die Brezeln eigentlich ver
schwinden, an manchen Orten gleichsam als verspätete Nachzügler,
aber nur an wenigen Orten; meist sind sie dann Patengeschenke.
So sind die Egerländer »Patenringe« (Duaden-, Doten-, Godl
ringe) ein Geschenk der Godel oder Paten noch in der Osterzeit,
ebenso die schlesischen Beugel- (Bange, Ring) Gebäcke. In der
Rheinpfalz bringt der sogenannte Osterhase (s. u.) außer bunt
gefärbten Ostereiern auch Brezeln, »Patenbrezelm; ebenso in
Weißenburg a. Sand. Nach einer alten Chronik (Zingerle, Sitten, 2,
187) durfte 1132 auf Ostern jedes Beichtkind ein altes Seidel Wein
und zwei Fastenhrezen beim Gerichte zu Deutsch-Nofen sich er
holen; dafür mußte der Oberhofer daselbst dem Gerichte von der so
genannten Brezenwiese eine Weizenlieferung geben. Auch die bei
der Frankfurter Ostermesse üblichen »Geleitsbrezeln« (siehe Archiv
f. Anthropologie, III, S. 96, Fig. 60 b) sind nur nachträglich ein
geholte Fastenbrezeln, die den zurückkehrenden Geleitsreitern
sonst entgangen wären. In Erfurt und Quedlinburg sind die so
genannten »Windbeutel« ein ringförmiges, lockeres (windiges) Gebäck
(siehe Abbildung in der Brezelabhandlung, Fig. 46), ein Oster
gebildbrot, ganz ähnlich den Miltenberger »Osterringen«; es sind
eben wie die geflochtenen »Osterkränze« (Gossensaß) verspätete
Fastenzeit-Ringe. Auch bei diesen Brezeln,Kränzen oder Ringen markiert
die stark gelbe Farbe der sogenannten »Eierbrezeln« oder »Eier
kringeln« (Mecklenburg, Lübeck) die Osterzeit, wie wir auf dem
Spendewecken der Seelenzeit den Seelenzopf als Zeitmarke auf
gedrückt finden. In der Schweiz haben die Bauern sogenannte »Kraut
waihen« (über die brezelförmigen \Vaien, Waeen, siehe Archiv
46

für Anthropologie, III, S, 100, Fig. 59), welche durch das grüne Kraut
die Osterzeit (siehe Gründonnerstag) mit der Fastenzeit verbinden
Typisch sind für die Osterzeit die Brezeln und Kringeln durchaus
nicht, sondern nur für die voraufgegangene Fastenzeit. Freybe’s
Meinung (l. c. 10), daß das radförmige(?) Ringelbrot mit seinen
Speichen auf das österliche Sonnenfest hinweist und in manchen
Gegenden als Fastenbrezel zurückblieb, ist ein längst abgelehnter
Irrtum, der leider immer wieder aufgewärmt und aufgetischt wird.
Rochholz bildete in der Leipziger Illustr. Ztg. 1868 ein Standbild
aus dem Züricher Antiquar. Museum ab, welches das übliche Oster
lamm vorstellt, mit der Umschrift: Ich Bin Das Lamm Gottes, welches
weg nimpt Die Sind DeR Welt. An der österlichen Siegesfahne (siehe
Abbildung 22), welche das Lamm führt, hängt die überwundene
Fastenbrezel (nicht Osterbreze, wie Rochholz l. c. meinte).
9. Die Zopfgeflechte, die zopfartig geflochtenen »Oster
kränze«, haben wir soeben besprochen. Zopfartige »Osterstrützel« gibt
es in Salzburg, im Schwarzwalde und in \Vestpreußen; »Osterzöpfe«
im Allgäu (Reiser, l. c. II., 131), aber auch hier markiert das Osterei
auf dem sogenannten »Osterstrützel« (Salzburg). (siehe Abbildung 65)
oder die eisattere Farbe des Teiges die Osterzeit. Das »Osterstrützel«
von Leobschütz in Schlesien ist überhaupt kein Zopfgebäck, sondern
ein Gelbbrötlein (s.o.) in strützelförmiger Weckengestalt, dessen gelbe
Farbe wieder nur die Osterzeit bekunden soll. Im Breslauer Vocabul.
vrat. ist strüzel, strotzel ader wecke mit cuneus = Wecken (s. o.)
glossiert (Diefenbach, II, S. XXIII; Urquell, VI, 188). Eine Zopf
flechte der Osterzeit aber war vermutlich auch die Praeve
(Praebende), von der Job. Praetorius (De pollice, Lipsiae, 1677, pr. 122)
— gütige Mitteilung des Herrn Professors Dr. J. Bolte — schrieb:
»In der Mark wird ein Brot mit Gewürze, Safran (Ostereigelb
ersatz) etc. gebacken, wie eine Flechte, genannt Praeve, so man
sonderlich zur Osterzeit siehet und denen Hirten teils gesandt
wird etc. Das kommt her von Praebendo, weil man dergleichen vor
Zeiten dem Priester offerieret hat. Aber da man sie nicht mehr
offerieret hat, ist demnach der Nahme zu Gestalt des Brodts ver
blieben.« Dieses Pfründnerbrot oder Prövenbrot (Hamburg) hatte
sicher ganz verschiedene Formen; es stammt, wie schon der Name
bezeugt, aus klösterlichen oder kirchlichen Stiftungen und war eine
Art Neujahrsdeputat, das später an die Klosterdienstleute und damit
auch an die Hirten überging. Schon als solche Neujahrsspende könnte
das Brot Zopfform haben, die österliche Zeit aber wurde durch die
gelbe Safranfarbe markiert. (Im Osnabrückschen gibt es Präbend
roggenbrot.) Das Proevenbrot (1105) oder Prebendsbrot (1790) war
ursprünglich ein Seelen brot (daher Zopfform *), das die Domherren
*) Siehe Archiv für Anthropologie 1906, IV. 130 tT.‚ wo dargelegt ist, daß die Zopf
gebäcke das Haaropfer in Teigform an die Seelengeister vorstellt.
47

oder Klostergeistlichen erhielten, als Gegenleistung für die kirchliche


Totenfeier; dieses herkömmliche Totenbrot erhielten auch die Armen
und Pfründner unter der hergebrachten Zopfform, nur auf Ostern
eigelb gefärbt. Man sieht, wie nur der volkskundliche Untergrund
die Zeitgebäcke erklären läßt.
10. Durch ihre Namen lassen sich ferner als Ostergebäcke erkennen:
a) Der »Eiermond« (Eiermann), (Elbemarschen, Holstein, Rostock,
Hamburg), ein lockerteigiges, rundes, breitringeliges Eierbrot aus dem
Teig der Plunderkringel; in der Mitte anstatt des Loches auch bloß
eine Vertiefung zur Aufnahme der frischen Erdbeeren aufweisend
(Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, S. 229); eine Ähnlichkeit mit dem
Mond liegt meines Erachtens nicht vor. Abbildung siehe in der oft
erwähnten Abhandlung über Brezelgebäck, Archiv f. Anthropologie,
III, 1905, Fig. 44, sowie hier Fig. 44 a, b.
b) Der damit vermutlich identische »Ostermond« (Bremen: Oster
mann), welches Backwerk Grimm (D. M.‚ II, 651) als ein mondförmiges
»Ostergebäck von heidnischem Aussehen« bezeichnet; worin aber das
heidnische Aussehen bestehen soll, ist nicht gesagt. Es ist vielmehr
sehr wahrscheinlich, daß »Eiermond« und »Ostermond« nur als Zeit
gebäcke des Ostermonates aufzufassen sind, da am Nieder
rhein und auch in Island, das vom Erzbistum Bremen-Hamburg(1053)
aus pastorisiert wurde, diese Zeit als Eierzeit oder Eiermonat be
zeichnet wird. Coremanus (L'ann6e de I'ancienne Belgique, 19) nennt
den April Eiermaand, auf Sylt heißt der Mai Eiertiid oder Eiermunn
(Weinhold, Monatsnamen, 36); auch in Alt- und Neuisland ist eggtid
der Name für Mai. Im Ostfriesischen heißt der Ostersonntag flicken
bicken Söndag (wegen des Eierpickens, das sonst auch Spitzeln, Tupfen,
Pocken heißt).
c) Der Salzburger »Eierkäs«, eine beliebte Osterspeise (Salz
burger Kochbuch, IV, 11), mit Speisekräutern versetzte Creme.
d) Der fränkische »Eierplatz« (placenta), (Schmeller, I, 464), ein
Eierteigfladen. ")
11. Die eigentliche Bedeutung des Ostereies (ndd.: PaaskEij) auf
und in solchen deutschen,beziehungsweise germanischen Ostergebäcken,
kann nicht aus christlich-jüdischem Gebrauche oder Ritus abgeleitet
werden. Schon die Benedictio ovorum paschalium »ne daemones aliquid
potestatis sibi in ea usurpare possint« (Pfannenschmid,Weihwasser, 142)
spricht dafür, daß man damals heidnischen Brauch dahinter wußte; die
altchristliche Sitte kannte ja das Osterei überhaupt nicht (Lippert,
Christentum, 602) und man sammelt dasselbe nicht bloß auf Ostern,
sondern auch am l. Mai nachts (vergl. Jühling, Tiere in der Volks
medizin, 190 u. a.); darum kann man auch nicht biblische Symbole
(Auferstehung) oder das kosmogenetische Symbol des aufkeimenden,
") Im Egerländischen heißt die Frühlingspflanze Lotus corniculatus ‚Eierplätzl‘
(Egerland, IX, 28).
Zeitschrift für östcrr. Volkskunde. XII. Suppl. H. IV. 4
48

auferstehenden
V. K., 1902, S. 225,
Lebens
sagt:
dahinter
»Das Landvolk
suchen (vergl.
weiß was
blutwenig
Blau in von
der Natur
Z. f.

symbolik«; ich kann das in bezug auf den Osterbrauch nur bestätigen).
In der Oster- oder Frühlingszeit hat man eben aus wirtschaftlichen
Gründen das Eiopfer bevorzugen müssen; denn sehr wahrscheinlich ist
das Ei: pars pro toto; wie die Milch (Quark, Käse) das volle Kuhopfer
vertrat, so konnte auch an die Stelle des ursprünglich lebenden Opfer
huhnes ehemals das Ei getreten sein, dessen angesammelter Vorrat
dann im Frühjahr ebenso verwertet wurde wie der Honigvorrat im
Winter. Noch vor kurzem, berichtet Rochholz, II, 168, wurde in den
Dörfern des Fricktales im Aargau am Ostertage, nachdem das Weih
wasser für das neue Kirchenjahr frisch eingesegnet war, durch den
Sigrist die Schwelle der Häuser mit diesem sogenannten Ostertauf
bespritzt, wofür der Kirchendiener von jeder Haushaltung einen Laib
(Spritz-) Brot und zwei Ostereier erhalten hatte; jetzt geschieht das
nur privatim. Diese dem Sigrist (Mesner) gezinsten Ostereier sind an
die Stelle jener Ostereier getreten, die man ursprünglich in den Neu
bau selbst vergrub, um dessen Dauer dadurch zu sichern. Noch kommt
es vor, daß man in ein vom Strom bedrohtes Ufer Eier vergräbt. Als
man ein Loch in das Gemäuer der Kirchspielskirche zu Iserlohn
brach, fand man ein eingemauertes Ei; beim Abbrechen eines Wald
hauses zu Altenhagen fanden sich im Fundament des Schornsteines
Eierschalen (Liebrecht, Z. V. K., 295; Schweiz. Id., II, 268; Pfannen
schmid, \Neihw. 112). Heute noch bilden im Isarwinkel Eier ein Opfer
beim Neubau eines Hauses. Hier trat wohl überall das Ei an die
Stelle des Huhnopfers") (Lippert, Christent, II, 323; Z. f. V. K.
1901, 21; Urquell I, 32, 50, III, 1892, 233, IX, 230, V, 157, 158; Friedreich,
Symbol, 567). In alemanischen Gräbern — Jahresberichte d. histor. Ver
eines Dillingen 1890—1900 nach gütiger Mittig. d. Herren O. A. Richter
Weber—fand man an Stelle des Leichenhuhnes Eierschalen, ebenso
in bajuwarischen Gräbern (Beitr. z. Anthrop. Bayerns, XV, 102). Der
Seelenhahn war das Opfer an die die Fruchtbarkeit beeinflussenden
Seelengeister. Wenn der Bauer in die erste oder letzte Garbe ein
Osterei einbindet (Mannhardt, \Valdkult, I, 237), so erhält eben der
Vegetationsdämon, der in dieser Garbe steckt, sein Opfer, mit dessen
Darbringung derselbe versöhnt und für die nächstjährige Ernte günstig
gestimmt werden soll, man steckt auch das Kindsfußgebäck (Frucht
barkeitssymbol) hinein; diese Gebräuche sollen Beispiele der Stell
vertretung des Seelenhuhnes durch das Ei sein. Der österliche Ei
vorrat wird (von den Kindern draußen im Felde nach dem alten
Kinderbrauche) in der Osterzeit gesucht und gesammelt und da und
dort gleich zum »Eiertatsch« (»Eier im Schmalz«) verkocht, was
auch früher der zünftige »Tatschenbäcker« auf flachen Blechpfannen
“) Vergl. den Saatkuchen bei Hammarstedt: Säkaka och Gulihönna, 27 fl., wo das
Eier brütende Huhn das Saathuhn vorstellt.
49

besorgte, oder er wurde zur Naturallieferung für die Klerisei und


Kirchendiener an Stelle des Huhnes verwendet. Der durch die höher
steigende Frühlingssonne gespendete Wärme- und Fruchtbarkeits
segen der Osterzeit machte die vorrätigen lebenden Opfer dieser Zeit
und deren Substitute zu besonderen Fruchtbarkeits- und Kraftmittel
(»Schönheit und Stärke«). In Tannheim (Niederbayern) erhielt jeder
Knecht ein Antlaßei, welches er mit der Schale verzehrte, um den
vollen Fruchtbarkeitserfolg zu haben und damit er sich beim Heben
keinen Leistenbruch zuziehe (das heißt nach Volksglauben nicht
impotent werde); auch wurde daselbst das gekochte Antlaßei in zwei
Hälften geteilt; eine Hälfte, in Leinwand gewickelt, wurde in dem
Pferdestalle, die andere im Kuhstalle aufgehangen, um diese Tiere
fruchtbar zu machen. Im Schwarzwald erhält der Pfingsthansl (Vege
tationsdämonengestalt) Eier zum Geschenke. Am 1. Mai erhält der
Pfarrer von Grün (am Bojersteige) Körbe voll Eier als Opfer der
Bäuerinnen in der Kunigunden-Kapelle (Z. f. ö.V. K. 1902, 236). Der Pfarrer
als Segenverteiler erhält das, was man den Seelengeistern, die über die
Fruchtbarkeit walten, ehedem gab. Das Frühlings oder Fastnachthuhn
als Opfergabe wird durch den österlichen Vorrat an Eiern ersetzt
beim Opfer und beim Geschenke. In Westfalen wird am ersten Oster
tage die die Jahresfruchtbarkeit darstellende sogenannte Osterbraut
mit Ostereiern beschenkt und unter Absingen von Reimliedern herum
geführt (Wöste, Wörterb. d. westf. Mundarten, 191). Die K u ltz e i t ist
es, die die betreffenden Opfer zum Fruchtbarkeitsmittel im Volks
munde macht; daher ist auch das »hochheilige«, aber doch nie
kirchlich geweihte An tlaßei am höchsten »Frei(ja)-Tage« vor Ostern,
dem »besten Säetage« (siehe meine Volksmedizin, S. 156 und 208,
und Z. f. ö. V. K. 1902, S. 226), das volkstümlichste Fruchtbarkeitsmittel
des deutschen Volkes. Auch bei den Russen ist es ein angesehenes
volksmedizinisches Heilmittel für kälbernde Kühe, bei den Germanen
ein Mittel gegen männliche Impotenz und andere Geschlechtsleiden
(1694): »Ein gantzes Jahr geschieht den Ayrn nit so vil Ehr, als eben
jetzt zur Oesterlichen Zeit; man verguldets, man versilberts, man
belegts mit schönen Flecklcn vnd macht allerhand Figuren darauff,
man marmelirts, man mahlts auch vnd ziehrts mit schönen erhebten
Farben, man kratzets auß, man machet etwann ein Osterlämmbleim
ein Pelican, so seine Junge mit aignem Blut speiset oder die Urstünd
Christi oder was anderes darauff; man siedets, man färbte grün, roth,
gelb, goldfarb etc. *) Man machte auch schön gesprengt vnd verehrt
es hernach ein guter Freund dem andern, ja man tragts haut in

*) Das gefärbte, mit Blumen bemalte \r'ogel-(Gänse-)Ei findet sich als Grabbeigabe
in romanischen Steinsärgen 320 nach Christus bei Worms (Korresp.-Bl. l‘. Anthrop. 1897,
S. 61t1'.‚ 108). Die Bemalung war hierbei Schmuck des Totenopfers (vergl.: Die Bemalung
der Totenschädel und der Blumenschmuck auf’ Herzfiguren, bei Opfertieren etc.); an die
Göttin Ostara, die nicht existiert hat, zu denken bei solchen Grabbeigahen geht nicht an.
40
50

großer Menge (NB. nicht als Antlaßei, sondern als Osterei) in die
Kirch zu der Weych Vnd seynd ihrer gar vil. welche heunt vor allen
anderen Speisen ein lind gesottenes Ayr essen oder außdrincken.«
(Salzburg, A. Strobl, 189.) Beim Maibaumsetzen, einem germanischen
Frühlingsbrauche, fordern die Burschen der Pfarrei Fürholzen (Ober
bayern) von den Mädchen (Oster-) Eier (als Fruchtbarkeitsmittel). Im
Allgäu hilft das Vergraben von Ostereischalen (Hülscha, Schelfen) in
den Wurzgärten gegen den Abfraß durch den Krautwurm (Reiser,
l. c. II, 131), wie auch in Galmaarde im Brabantischen St. Pauwels
broodjes am Pauli Bekehrstag in den Ackerboden gegen den Saat
wurm gelegt werden (Volkskunde, XIV, 218); nicht der Sonnenschein
soll dadurch herabgelockt werden, sondern wie beim schwedischen
Julbrote, das in die Ackerfurchen beim Pflügen gelegt wird, die unter
irdischen Geister, die die Fruchtbarkeit beeinflussen, sollen durch
Speiseopfer (Huhn, Ei, Brot) versöhnt werden. Wir haben oben schon
über das »Antlaßei« gesprochen, und dies wird genügen, die Bedeu
tung des Ostereies in und auf den Ostergebäcken zu erklären; damit
bringt sich ganz wohl in Einklang, daß auch beim Osterfest mit
seinem Reigen und Wettlaufe die Fruchtbarkeitssymbole“)
in den Gebäcksformen bemerkbar sind:
a) die Nördlinger »Tulpe« (s. o. S. 11 und Abbildung 55);
b) die Egerländer »Maultaschen«.
c) die schwäbischen »Ostergeigen« (Birlinger, Aus Schwaben,
Sitten, 731, siehe Abbildung 57);
d) die Hamburger und Bremer »Klöwen« (Spaltgebäcke);
e) das thüringische Osterbrot (s. o. sub 3);
f) das süddeutsche Eierweckel (s. o. sub 6, Abbildung 54).
Die Nördlinger »Tulpe«, deren lappige Gestalt den Namen gab,
ist wie die »Maultasche« ein das aiöotov wwa.zatov = vulva darstellendes
Gebildbrot; diese letzteren sind eigentlich auch Mutscheln (Mutzen);
mit dem »Ulmer Mutschala« (Mutzen, Mutscheln, siehe Abbildung 58)
sind die »Augsburger Geigen« (ein Spaltgebäck) identisch. Der
»Mütschlebäck« oder »Mutzenbäcker« stellte sie hauptsächlich auf
Fastnacht in der Frühjahrsfeierzeit her als ein Spaltgebäck mit einem
die rima vulvae markierenden tiefen Längsspalte, den auch der
»Klöwen« (Spalt) aufweist (Maultasche, Mundschelle, Mutschel, Mutz)
(siehe Abbildungen 59-62 und Tafel II, Fig. 9, 10, 11 der öfter er
wähnten Weihnachtsgebätike—Abhandlung).

") Das Osterliche Phallusbrot, das vielleicht im deutschen Osterwecken und in dem
oben erwähnten Königsberger Zümpelbrote gesucht werden darf, erwähnt Liebrecht
(Z. f. V. K.‚ 438): ‚In Saintonge in the neigbourhood of La Rochelle (Charente, Frank
reich) small cakes, backed in the l'orm cf a phallus, are made as offerings at Easter ende
are carried and presented fram house to honse.‘ Über den Phalluskult in der Oster
woche in lnverchetin (England) vergl. Mannhardt, Waldkult, I, 469; Kuhn, Westf. Sagen,
II, 138, 406; siehe außerdem Korresp.-Bl. f. Anthropol. 1906, S. 17, 19.
51

12. Der beim letzten Backen in der Teigmolter zurückbleibende


saure Teigrest, die sogenannte Höfl (Tirol) oder Trogscharre, wird angeb—
lich in Ulten in Tirol von der backenden Person zum Teil dazu benützt,
um aus ihm auf Ostern unbestimmte Gebilde in Brot herzustellen,
welche angeblich dort »Gott« heißen. Dieser »UltenerGott«, den ein
Schriftsteller dem anderen abschreibt (vergl. Zeitschr. f. d. Mythol., I, 288;
Simrock ‘, 510; Panzer, 249;Wuttke ’, 279; Staub, 38; Licbrecht zur Volks
kunde, 437; Schoepf, 201; Z. f. ö. V. K., 1897, S. 16), dürfte vielleicht einem
entstellten »Gottes-Laibl« seinen Namen verdanken, das ebenso her
gestellt und auch »Gottesgabe«, »Gotteskuchen« genannt wird (O.-Pfalz).
Vorerst muß aber die Tatsache, daß diese Trogscharre in Ulten wirklich
»Gott« genannt wird, bestätigt sein. Herr Pfarrer Haas in St. Pankraz
in Ulten schrieb unterm 26. Oktober 1905, daß dieser Ausdruck für
Trogscharre dort nicht vorkommt (vielleicht früher?)
13. Lokale Ostergebäcke von untergeordneter zeitlicher
Bedeutung sind ferner:
a) die böhmischen »Krapfen«, wahrscheinlich aus der Fastenzeit
verspätet (Z. f. V. K. 1904, 219) und als Spinatkrapfen der Osterzeit
entsprechend wieder verwendet (s. o. Gründonnerstag);
b) der Elsässer »Guglhupfu (Napfkuchen), der vielleicht als
Bienenkorb (in der Honigzeit) zu deuten ist und längs des Rheins
sich auf Ostern bemerkbar macht;
c) der Frankfurter »Igel«, ein mit zugespitzten Mandelstiftchen
stachelartig besetztes Semmelgebäck (siehe Abbildung 56), in heißem
Fette gekocht, ähnlich dem sogenannten »Mandel-Wannl«; vielleicht
nach dem griechischen is"/_W0: (Lobeck, Aglaophamos, 1061) = Igel
gebäck gebildeter Frankfurter Osterkuchen (Universallexikon der
Kochkunst, I, 476); auch der eben erwähnte »Guglhupf« wird da und
dort so gespickt.
d) der Anhalter »Fünzel«, der der Zeit entsprechend mit grünem
Salat gegessen wird; es ist ein schnell (ahd. funs= promptus; Schmeller,
I, 733) aus Ostereiern, Milch und Semmeln zubereiteter Osterauflauf
(Z. d. V. f. V. K, 1897, S. 77, 93);
e) die Schweizer »Hosenknöpflior = Leckzeltchen von der Form
eines Hosenknopfes aus Mehl, (Oster-)Eiern, Zucker und Rosenwasser
(Schweitzer Idiotikon, III, 751, 753), vielleicht ein Nußgebäck;
f) die mittelfränkischen »Pfeffernüsseu, welche das Körneropfer
vielleicht in Erinnerung behalten. 1507 bewarfen die Elsässer Mädchen
ihre männlichen Freunde »in ludo castri pascali« beim Osterburgspiel
mit Muskatnüssen (Kotelmann, Gesundheitspflege im Mittelalter, S. 25).
14. Die Nachbarvölker haben (abgesehen von den schon
oben erwähnten) noch als Ostergebäcke:
a) die schlesischen Tschechen die »Babe« (Festbackwerk) (vergl.
Scheible, VII, 70);
b) die Livländer die »Rauschen«;
c) die Russen die »Kolatschen« (verschiedenes, meist ring- oder
kreisförmiges Festgebäck) und »Pasken« (Osterfestgebäck, Quarkk'äse
Formen);
d) in der mährischen Walachei werden »Buchten« (Wuchteln,
eine Art Rohrnudel) mit. Eiern am Ostersonntag geweiht und im
Familienkreise gegessen; die dabei abfallenden Eierschalen werden auf
die Krautschößlinge gestreut (Krautwürmer abwehrend); (s. Z. f. ö. V. K.
1896, 246);
e) die Engländer haben als Ostergebäck die pudding-pie »Pud
ding-Pasteten«, eine Art von Käsekuchen mit einer harten Kruste,
mit Korinthen gemengt und mit Kirschengeist begossen; »er schmeckt
den jungen Leuten besonders gut« (Hazlitt, l. c. II, 502). In dem
Bocage Vendäen gibt es auf Ostern l'alise pacaude (Marmeladen
gebäck) (Revue des traditions populaires, XVIII, Nr. 10, Duine, sub. IV)
Damit soll natürlich keine abschließende Übersicht gegeben sein
über die auswärtigen Ostergeb'äcke.
15. Die in der Osterzeit ganz auffallend zurücktretenden mensch
lic h e n Figuren (siehe Abbildungen 63——72) tragen als »Ostermann«
— ein Osterweiblein gibt es nicht als Gebäck, auch keinen »Oster
Putz« — als »Teigmännlein« oder »Puppe« zur Charakterisierung der
Kultzeit fast immer das Osterei. Wie nun das Osterei als Fest
geschenksnamen auch auf Weihnachten übertragen vorkommt
(Christei in der Pfalz = Christgeschenk), so kommen die Neujahrs
und Weihnachtsliguren auch auf Ostern vor, aber nur als Ostern
oder Patengeschenke, das heißt als ein vom modernen Neujahr (Weih
nachten) auf das österliche Neujahr mit Tauffeier übertragener Brauch.
In der Pfalz erhalten die Knaben von ihren Paten außer sechs farbigen
Ostereiern noch einen großen Osterhasen (s. u.) aus Teig, auf dessen
Rücken ein kleiner Reiter sitzt. Die Mädchen erhalten eine aus
demselben Teige gemachte große Puppe, die in der Regel nach dem
weihnachtlichen Vorbilde ein kleines Püppchen (Kindersegen) auf
jedem ihrer Arme hält (Grünenwald, l. c. 37 ff). Auch in Neckar
gemünd gibt es außer den schon erwähnten Brezeln auch ein Back
werk in Puppenform oder Tockengestalt (Alemannia, XXVII, 292); es
beschränkt sich also das Vorkommen von Osteriiguren mit weiblicher
Gestalt bloß auf einen kleinen Bezirk, wo das Osterfest einige Züge
des Neujahrs übernommen haben kann. Vielleicht sind auch der
Winterriese und die Osterjungfrau damit vorgestellt als zeitlich ver
legte Volkstypen aus der Frühlingsfeier.
16. Tierfiguren sind viel häufiger, und zwar:
a) Vogelgestalte n; diese sind allerdings auch nicht durch
ganz Deutschland üblich (siehe Abbildung 44). In Bayern, Schwarzwald,
Tirol gibt es ein »Henna-(Hühner-)Brot« in Gestalt eines Hahns oder
einer Henne, »gebackene Henne«, »Osterhennea, welche das Osterei
unterm Flügel trägt. Ersteres als Patengeschenk an Knaben, letzteres
53

an Mädchen (das gleiche aber auch am Allerseelentage) (Abbildung in


Z. f. ö. V. K. XI. 1905, Suppl. III, Tafel X, Fig. 53; siehe Jahn, 189, Z. d.
D. Oe. Alp. Ver. 1880, 203, Schoepf, Idiot, 201, 258). In Straßburg hat das
Vogelgebäck die Gestalt eines (kinderbringenden) Storches; auf Korfu
(griechisch-orthodox) die einer Taube (Pfingsten ?). Eine Umformung
des Ostervogels in den altchristlichen Pelikan "‘) findet man auf
Lebkuchen, Marzipangebäcken und auf Ostereiern. Einen Frühlings
vogel stellt auch das schweizerische »Guggusbrot« dar, ein Oster
fladen mit schnabelförmigem Kopfe, in dessen Mitte VVachholder
beeren und Rosinen das Auge andeuten (Fricktal bei Laufenburg)
(Rocbholz in Illustr. Ztg.). »Der schweizerische Katholik, der in der
Melilspeise das bloße Fasttagsgericht erblickt, nennt das erste nach
den österlichen Fasten bereitete Fleischgericht, das aus gewickeltem
Kalbfleisch mit Speckfüllung (und Grünkraut) besteht, ,Fleischvogel‘
und ,Kälbervogel‘, und eben dahin weist auch jene in der preußischen
Altmark geltende Bauernsitte, den Raucbspeck nicht eher anzu
schneiden, bevor nicht der Kuckuck gerufen hat.« (Rochholz in
Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1300, S. 383). Eine Reihe solcher Ostervögel
gebräuche deuten auf den Frühlingsvogel, so der Umzug mit dem
Hähnchen in Oberschlesien, der Palmpasch am Rhein etc.
b) In Österreich gibt es auch Ostergebäck in Gestalt eines
Hirschen (Salzburg, Pinzgau); es ist dies aber eine zu seltene Er
scheinung unter den Ostergebäcken, während er unter den Weih
nachts-(Neujahrs-)Gebäcken häufig wiederkehrt.
c) Allgemein verbreitet dagegen ist das gebackene Oster
lamm, das sicher nur das Symbol des jüdischen Osterlammes
(Agnus Dei) ist, das das Christentum in seine Symbolik aufnahm,
wofür wir aber oben schon die Belege beigebracht hatten. Der
wirtschaftliche Lämmerbestand im Frühjahrs begegnet hierbei
dem biblischen jüdisch-christlichen Osterlammopfer, so daß die
symbolische Schlachtung dieses von der Kirche geduldeten
Opfertieres möglicherweise ein anderes, schon vorher übliches
Frühjahrsopfer (Bock, Ziege, Kitz, Widder) verdrängt haben kann. Das
Teigbild zweier aus Gerste bereiteter Widder warfen schon die alten
Israeliten ins Opferfeuer als Stellvertretung des lebenden Tieres
(Archiv f. Relig.-W., III, 216). Das Bild des christlichen Osterlamms
ist in der altchristlichen Ikonographie häufig dargestellt. (Siehe Ab
bildung 101). Vom 4. Jahrhundert ab ist dasselbe als Symbol
Christi mit einem Nimbus umgeben und über ihm das Monogramm
Christi angebracht; solchen Heiligennimbus übernahm sogar das Teig
gebilde, welches dieses christliche Osterlamm wiedergab. In der
päpstlichen Kapelle wurden derartige Agnus Dei zuerst aus Wachs
“') Der seine Jungen speisende Pelikan ist als christliches Symbol auf bronzenen
Fingerringen des l. bis 3. Jahrbundertes (in oberägyptischen Leichengräbern) bereits
nachweisbar (Forrer, l. c. XIII, Fig. 20). ~
54

geformt, wie ein Opfertier in Wasser getaucht, geweiht und dann nach
auswärts verschickt (Ch. Godof. Hoffmann, Nova Script. ac. Monument.
Collatio, 1731, II, 388). In der römisch-christlichen Katakombe S. Domi
tilla tritt das symbolische Lamm oder der Widder auf mit der Schäfer
wippe und dem Milcheimer daran. (Kraus, Christliche Altertümer, I,
439; Beilage Nr. 45 zur Allg. Ztg., 1905, S. 356, Anm. 16.) An die
Stelle dieser später nicht mehr erkannten Beigaben trat schon in Ober
ägypten im 4. Jahrhundert (siehe Abbildung 101) die fliegende Sieges
fahne (Sieg des Todes über das irdische Leben durch die Auferstehung);
auch 1226 auf altfranzösischen Goldmünzen (Agneleti genannt) ist das
Vexillum beim Osterlamm bereits sichtbar. (Friedreich, Symbolik, 493).
1265 erhielten die Klosterfrauen des Aargauer Städtchens Klingnau
das Recht, für ihre und ihre Nachbarkirchen sogenannte Oblaten zu
backen, denen das Bildnis des Lämmleins, des Gegeißelten, des Kreuz
tragenden und des Gekreuzigten mit dem Backeisen aufgeprägt war
(Gerbert, Nigra-Silva, III, 180). Ein solches Lamm Gottes, ein Stein
bild, das aus einer Züricher Stadtkirche stammt und im dortigen anti
quarischen Museum verwahrt wird, bildete Rochholz in der Leipziger
Illustr. Ztg. 1868 ab; die Auferstehungsfahne auf diesem Bilde trägt
eine Fastenbrezel (nicht »Osterbreze«, wie Rochholz angibt), welche
mit der Osterzeit abschließt, nachdem die Fastenzeit gut überwunden
ist. Nach solchen flächenhaft gezeichneten oder geprägten Osterlamm
bildern wurden auch die Osterlammbilder aus Teig plastisch her
gestellt, wie in Deutschland so auch in den griechisch-katholischen
Ländern; es bildet das Osterlamm häufig eine Zierde auf der Ober
fläche des Osterkuchens und wird auch von dieser Unterlage getrennt
als eigenes Patengeschenk gegeben; aber auch als Kuchenmodel findet
sich das Osterlamm abgedruckt. Auf einem sehr primitiven und wohl
auch als alt anzuschauenden Eiserkuchenmodel des Lüneburger Stadt
museums — Frau Justizrat Gravenhorst sei hier bester Dank für gütige
Überlassung des Originals zur Wiedergabe ausgedrückt — ist das
christliche Osterlamm als symbolisches Opfertier abgebildet (siehe
Abbildung 102) (ein Blutstrahl ergießt sich aus dem Halse des Lammes
in einen christlichen Kelch), rechts der christliche Anker (vergl. Diction
naire de la Bible, par E.Vigouroux fasc.Xll, p.1131‚F0rrer, l.c.,S.17),
darunter ein christliches Kreuz j‘, links ein Kreuzbrot, darunter der
Buchstabe W (Eigentümer), darüber ein Hahn in der linken oberen
Ecke. Das Ganze erinnert in der Technik und Zeichnung an alt
christliche Modelbrote. Dieses christliche Opfersymbol, das sich aus dem
lebenden Osteropfer der Juden ableitet, hat zum Gegenstück ein anderes,
ebenfalls von Rochholz in der Leipziger Illustr. Ztg. 1868, S. 249, ab
gebildetes weltliches Osterbrot, ein plastisch seinsollendes sogenanntes
»Häli-Mutteli« (haellen = heilen = castrare; mutilus, verstümmelt,
ungehörnt, Hammel, mouton); sein dichtes Wollvlies, in dem es da
liegt, ist durch die viereckigen Formfelder des Waffeleisens roh
55

ausgedrückt; an der Stelle des Schwanzes aber trägt es ein Pfeifchen


von rotgebranntem Ton eingebacken (ähnlich auch bei den Bonner
und Kölner Göbbelcher); dies ist die bekannte Frühlingspfeife, ge
schnitten aus dem jungen Weidenholz unterm Absingen der Bast
lösereime, bei deren Ton der Saft in dem Baste der Bäume auf
steigt und das Saatkorn emporschießt aus dem dunkeln Boden, in
dem die Unterirdischen im Winter ruhten, bis der Frühlingsvogel sein
Lied erschallen läßt.
Solches Osterlammgebäcke hat verschiedene Namen. Im Ans—
bachischen, wo die Dienstboten sie zum Geschenke erhalten, und
im Böhmischen heißen sie: »Bützela« (Lockton: baetz) (Deutsche
Gaue, 105/106, S. 360); in der Herrnhuter-Kolonie Neudietendorf bei
Erfurt heißen sie »Sonntagsschäfchen«. Alles Marktbrot, das der über
Land gehende Hausvater seinen Kindern mit heimzubringen ver
spricht, wird auf Ostern »Lämmlein« (auf Weihnachten Christkind,
auf Nikolaus Klausenzeug oder Nikolö, Spekulatius, auf Ostern auch
Ilasenbrot) genannt, mag die Form des Brotes sein welche
sie will. Im schwyzerisch Wollerau am Züricher See ist »Schauf
(Schaf) Böckli« bloß ein mit Butter bestrichenes Brotklößchen aus
rauhem Mehle; am Fricktaler Rheinufer und um die Stadt Laufenburg
hat das »Schäfli« die Daumenlänge des im Aartale üblichen Schnitter
brotes(hläuschen genannt); im Berner Lande ist es zwar ein Pfeffer
kuchen in Lammsform, heißt aber wegen seiner Welkheit »Schlabbe«
(schlaffweicher Teig) und »Tölpelu. Und so wird auch in der Kinder
sprache beides, Osterbrot und Schaf, mit dem gleichen Namen »H'äli
Böggli«, »Häli-Mutteli« benannt, weil bei beiden die klumpig zu
gestutzte Gestalt das Augenfällige ist (Rochholz, Leipziger Illustr. Ztg.,
11. April 1868, Nr. 1293, S. 249). Das Schweizer Böggli oder Baeggel
(vom blökenden, böggenden Tone so genannt), das Koblenzer
»Schäfchem, das Einsiedler »Schafböggli« oder »Einsiedlerböggli«‚
das bayerische »Lamplbrot« ist alles das christliche Osterlamm in
Teigform.
Die schönsten Osterlämmer bildet gegenwärtig das Lebkuchen
model des Herrn Ebenböck (München) ab (siehe Abbildung 99), sie ent
behren nicht des sinnigen Volkshumors (vergl. zum Beispiel die zwei
lustigen Osterhasen, welche auf einem blumigen Hügel neben dem
Tempel, unterm Baums scherzen, oder die sehr viel primitiveren
Maiglöckchen und die zwei Pelikane auf dem Salzburger Osterlamm
model, dessen Original Verfasser der Güte der Frau Professor
Audree-Eysn verdankt. Abbildung des Schafböggli aus Einsiedeln,
siehe Tafel IX Fig. 44, d. Z. f. ö. V. K. 1905, Suppl. III).
d) Der Bock, den wir schon oben als Osterbock, hircus
paschalis, kennen gelernt haben, war jedenfalls in weit älteren Zeiten
ein Opfertier der Germanen in der Frühlingszeit; die Indogermanen
besaßen in vorgeschichtlicher Zeit nur den Hund, die Ziege als
56

Milchtier, das Schaf als Wolltier, das Rind als Zugtier, das Schwein
als Schlachttier; Ziege und Schaf sind wohl weit ursprünglicher als
das ‘Rind; das Bockopfer ist wesentlich älter als das Rinderopfer. Als
Gebäck figuriert der Bock fast nur in der Schweiz. Nach dem Bock
geformte Kuchengebilde erwähnt der im 2. Jahrhundert n. Chr.
lebende Athenaeus, III, 109 F (Rochholz, Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1293).
e) Ein häufiges Paten- und Dienstbotengeschenk auf Ostern ist
der gebackene Hase, der aber als »Osterhase« ebenfalls oft die Zeit‘
merke in Gestalt eines Ostereies trägt (siehe Abbildungen 89, 91,93, 94,
96, 98, 100), zum Unterschiede vom eilosen Nikolaus-, Neujahrs- und
Allerseelenhasen; dieses »Hasenbrot«, das heißt der Hase aus Brotteig,
wird in Aarau auch als»Markthäsli« verkauft; es ist ein ganz allge
meines Gebäck auf Ostern in Deutschland, das die Eltern den Kindern
vom Ostermarkte mitbringen, als ob ihnen unterwegs der Hase auf
dem Feldwege (wie auf Weihnachten das Christkind oder der Bischof
Nikolaus) dasselbe mitgegeben oder als ob man es dem Hasen abge
jagt hätte, so daß »Osterhase«, wie Hasenbrot, Osterbrot und
Osterei das Ostergeschenk, auch Taufschmausgeschenk (Pommern)
überhaupt bedeuten kann (Erfurt, Voigtland, Nordthüringen, Ost
preußen) (Köhler, l. c. 288; Z. d. V. f. V. K. 1900, 209; E. Lemke, aus
Ostpreußen, III, 64). In Köln bringt das Hasenhänschen das Hasen
brot aus dem Elbenlande mit (Z. d. V. f. V. K. 1899, S. 355; Mann—
hardt, Mythen, 410). Wenn der Wald raucht, dann backen auch die
Hasen in Schwaben Küchle oder Brot, das heißt, es nähert sich die
Osterhasenzeit mit den Zeitgebäcken (Birlinger, S. I, 377; Rochholz,
Alem. Kinderlieder, 547). Wie bei den Slawen (Russen) der Früh
lingsvogel, die Lerche, den Kindern Pfefferkuchen und Naschwerk
bringt, so bringt auch der Osterhase als z e i tlic h e r V e ge t atio n s
bote*) das Osterbrot oder Hasenbrot. Wir müssen hier wieder auf
den volkskundlichen Boden, auf dem dieses Teiggebilde steht, zu
rückgreifen. Wie andere in einer bestimmten Kultzeit blutig erlegte
Jagdtiere,so ist auch dasllasenblut, der sogenannte HasenlaufoderHasen
sprung, das heißt die Vorderklaue oder der Vorderfuß eines am ersten
J»Freitaga im März (also in der Frühlingszeit) geschossenen, also blutig
erlegten Hasen, sowie das in Blut eingetauchte Fell eines Märzhasen
ein volksmedizinisches Mittel gegen Hautkrankheiten (Rotlauf).
Eine Reihe von volksmedizinischen Rezepten (siehe Jühling, Die
Tiere in der Volksmedizin, 47 ff.; Meine Volksmedizin, 106, 161;
“) Auf antiken Bildnissen sieht man Hasen vor einer unterirdischen Grotte, in
welcher das Beilager zwischen Bacchus Liber und Proserpina Libera vor sich geht.
‚Siegtrit (oder wer es sonst war) kämpft mildem Winterdrachen sechs (Winter-)Monate um
die eingesperrte (planelarische) Ostra, der Winter wird besiegt; der Held vermählt sich
mit der Göttin (‘9) und der Hochzeitstag heißt davon Ostertag“ (Scheihle, VII 245) Auch
auf alten Nürnberger Lebkuchen, die den Reiter St. Georg mit dem Drachen vorstellen,
sitzt die zu erlösende Jungfrau in einer Grotte, vor der der Osterhase (Zeitsymbol)
trauert.
57

Schmidt, Mieser Kräuterbuch, 61; Wascherschleben, Angelsächsische


Bußordnungen, 160, 176) schreiben vor, daß der zu diesem
Zwecke (namentlich zur Steigerung der Fruchtbarkeit,*) Schönheit
oder Stärke) verwendete lebende Hase entweder am 1. März
oder an den drei »ersten Freitagen im März« oder am »Karfreitag«
vor Sonnenaufgang geschossen sein müsse, also nur der zur
Frühlingszeit (am Tage der Venus oder Freia‘?) blutig erlegte wilde
Hase, der das Kultopfertier substituiert, hat den gesund, schön und
fruchtbar machenden Wert, den ihm der germanische Volksglaube
beilegt; so kam auch der geschlachtete und der lebendige Hase in
die Osterpasteten (siehe Rumpolts Kochbuch, 1581, S. 62) als Kraft,
Schönheit und Stärke gehendes Nahrungsmittel der Frühlingszeit.
Wir haben schon bei der Beschreibung der Nikolaus-Gehäcke
(siehe Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 199) darauf hingewiesen, daß Hirsch
und Hase, weil blutig erlegte Jagdtiere, auch beide das blutig ge
opferte Tier ersetzten und so auch zum Zinstiere "‘*) wurden; darum
erscheint auch auf den Schweizer Tirggeli (zu: torquere) vom Züricher
Seeland der Hase vom zinsenden Bauer in der Hand hängend und
getragen; ebenso ist der Freiberger »Bauerhase« als bäuerliches
Steuerbrot gegeben. Der Osterhase ist also nicht immer elbischer
Vegetationsdämon, auch nicht immer Fruchtbarkeitssymbol, sondern
auch das durch die Kultzeit fruchtbar machende Opfertier, be
ziehungsweise dessen Substitut. Da die Volksmedizin einen von dem
Bekehrungseifer der Geistlichkeit weniger berührten Überlieferungs
strom aus älterer Zeit darstellt und da die Volksmedizin sehr häufig
ihre ältesten Mittel gerade aus dem Opferkult bezog und diese auch
in dem Substitut des Opfertieres (vergl. auch den Gegensatz zwischen
Hasenherz und Löwenherz; das Herz verzehren ist. nur beim Kult
opfer von Bedeutung für die Kraftgewinnung) manche Rudimente
des blutigen Opfers erhalten hat, so ist in dem blutig erlegten März
hasen sicher das letztere gegeben, umsomehr als der Hase auch an
anderen mit Seelenkult verbundenen Jahrestagen als Gebäckfigur
auftritt. Der Schritt vom Opfersubstitut zur Nachbildung in Teig
form lag ja gewiß sehr nahe. Daß »der Osterhase einst der Frühlings
göttin Venus (Freia) heilig war« (Meyer, Konv.-Lex.‚ 5, VIII, 281),
glaubt wohl‘heutzutage niemand mehr; ebensowenig daß der Oster
hase auf die Bilder der keltischen Nehalennia hinweist (Freybe, 25).
Das Bild des Hasen, das auf altchristlichen Funeralobjekten sich findet
(vergl. Forrer, l. c. 24), ist dabei durchaus nicht immer Symbol »des
vorwärts strebenden Christentums«, »des Christen, der das Leben
‘) Papst Zacharias verbot 755 das Hasenfleisch als christliche Speise, weil es
nach mosaischer Anschauung (3. Buch Mosis, XI, 6) geil machen sollte (Friedreich.
Symbolik, 435).
**) Die Männer von Unterwalden brachten nach alter Sitte dem Vogt eine soge
nannte Heiligengabe oder Heiligensteuer von Hasen (Höfer, Etymol. Wörterbuch, 111,190).
58

durchlaufen hat und der die Frucht des ewigen Lebens genießt«,
sondern häufig genug bloßes Ornament als Jagdtier, das aus älteren
Perioden fortgeführt wurde.
f) Die sehr seltene gebackene »Oster-Enteu trägt ebenfalls als
Zeitmarke das Osterei; sie ist ebenfalls nur als Frühlingsbote aufzu
fassen.
g) Auf den Züricher Tirggeli sieht man, wenn auch selten, die
Gestalt eines Wolfes, der sonst nicht als Tiergebäck figuriert,
während er als Gebäckname »Osterwolf« auf Ostern sich zeigt, und
zwar nur in Pommern (1451): De Kumpan des rades (zu Greifswald)
dem de tolle und de hoppenscheppel bevallen wert, hyrvor schal hee
hebben alle jar en vöder hoyges, to Paschen enen wulff van den
bekkern, siven herink van den hacken (aus Th. Pyls Pommerschen
Geschichtsdenkmälern, p. 41, Nr.3; Stralsunder Chronik, 3, 37). Nach
Schiller-Lübben, V, 786, schrieb man in Stralsund 1558: »I‚~ sende
mi einen groten wolff tom nien jare«; demnach hat es sich um ein
»Osterwolf« oder »Wolf« benanntes Lokalgebäck gehandelt, das auf
Ostern und Neujah r üblich war und wovon der Zollverwalter des
Rates zu Greifswald auf Ostern (neues Jahr) sein Deputat als eine
Art Osterstift von den zünftigen Bäckern erhielt; diese haben das
heute noch in Stralsund übliche, vor Ostern für alle Familien gebackene
\Veizenbrot aus alter Gewohnheit »\/Volf« oder »Osterwolf« benannt,
womit sie wohl nur das die üblen Vegetationsdämonen vom Getreide
abwehrende Saatbrot (in Kreuzform) meinen konnten. Es war eigent
lich ein Neujahrsbrot (vergl. Z. f. V. K. 1904, S. 202, Hauswolf. Wo
\Völfl, Neujahrswolf, Neujahrshündlein etc), das man vermutlich den
Seelenhunden oder Wölfen zur Versöhnung gab. Das Christentum
machte daraus auf Ostern (siehe Karfreitag) ein Kreuzbrot gegen die
bösen, die Saat ungünstig beeinflussenden Kornwölfe (Hexen); das
sogenannte Osterwolfgebäck ist formell unter anderem auch ein
halbes Kreuzbrot, das anderwärts ebenso gebildet wird unter dem
Namen »Pollweck« oder »Kreuzwecka (Marburg) (siehe Ab
bildungen 40, 43, 45, 47). Die tiefen Kreuzfurchen, welche das Brot
leicht auseinanderbrechen lassen, sind durch unten umgreifende Teig
klammern festgehalten; diese Teigklammern hat nun die Volks
etymologie als \Nolfsklauen gedeutet; einige sehen sogar ein Wolfs
maul und vier Wolfsfüße (»ln Neuvorpommern und Rügen werden
um die Osterzeit ‚Wölfe‘ aus Teig gebildet, welche alle Viere von
sich strecken und ein weit aufgerissenes Maul zeigen gleich dem
Höllenwolf Fenrir«, in Zeitschrift »Der Bär«. VII, 1881, S. 395, mir
nicht erreichbar), die aber nirgends dem objektiven Auge auf dem
Stralsunder Osterwolf sichtbar sind; es müßte denn sein, daß unter
dem Namen »Osterwolf« verschieden geformte andere Gebäcke kur
sieren, was mir zwar nicht bestimmt genug versichert werden konnte;
sonst sehr zuverlässige Quellen berichteten allerdings, daß sowohl
59

kröten'ähnliche Fladen, als stollenförmige Klöwen mit »Osterwölfe«


bezeichnet werden;*) diese Vielseitigkeit der Formen —— vorausgesetzt,
daß die mir berichtenden Quellen recht haben —- würde beweisen,
daß man nicht den Wolf als solchen figurieren wollte, sondern ein
zeitgemäßes Segensbrot gegen den Saatw0lf (Korndämoh) geben wollte.
Durch dasselbe wollten sich wohl die Bäcker gegen Getreidemißwachs
schützen, wie sich auch der Hirte seine Herde gegen den Wolfs
biß zu sichern suchte. »An der rechten Vasnacht nym von jelicher
(ge)richt (Pancarpie) den ersten pissen vnd ain gersten mell vnd
pach ain zellten daraus vnd gibs dem viech, da peißt dirs kain wolf
nicht« (Schmeller, II, 1118). Der Roggenwolf ist; ein durch ganz
Europa bekannter Korndämon; dieser auch in den Zwölften vor
Neujahr in Thüringen auftretende Kornwolf erhielt ebenfalls wie die
Seelenhunde sein Brotopfer (VVitzschel, II, 175; John, 178 ff; Mannhardt,
Feldkult’, II, 188), welchem Gebäck die Volksphantasie gewisse Formenje
nach der Zeit zu geben gewöhnt ist, Kreuzform in der Karwoche, haken
kreuzartig auf Neujahr, klöwen-, das heißt spaltförmig in der Fastnacht,
übergroß in der Pflug- und Erntezeit. Moderne Bäckerlaune könnte
allerdings auch schon eine dem Wolf ähnliche Figur herstellen, aber
nur aus volksetymologischer Weisheit, wie man ja auch in Thüringen
schon Brezeln mit zwei bittenden Armen darstellte, weil man
»Brezeln« von pretiola, pretiuncula, preces ableitete.**) Es ist darum
höchste Zeit, die ursprünglichen Formen der Kultgebäcke (Gebild
brote) zu sammeln, ehe der aus Volksetymologie und Konkurrenzeifer
schaffende moderne Bäcker diese bereits umgedeutet und geformt
hat. Eine Parallele zu dem deutschen Osterwolf ist der normannische
Loup vert, ein Vegetationsdämon, der in der Mittsommernacht nach
einer längeren Fastenfrist (wie beim Seelenkult) ein mit Blumen ge
schmücktes riesenhaftes Brot, »un enorme pain bänitä plusieurs ätages«
(also eine Art Haug o. Höger, siehe Z. f. ö. V. K. 1905, IX, Suppl. III,
S. 39), das man prozessionsweise herumtrug, erhielt (Mannhardt, \Vald
kult, I, 325). Dieses Brot könnte ebensogut Loup vert heißen, wie das
dem deutschen Kornwolf als Vegetationsdämon gebackene Brot Oster
wolf heißt. Die riesenhafte Größe des Brotes symb0liiert dort — eine
demonstratio ad oculos — den übergroßen Segen, den man similia
similibus erhofft; je nach dem zu erwartenden Frucbtbarkeitssegen
variiert dann auch das Gebildbrot. Da nun der Ostertag ein Neujahr
war, so kann es uns nicht auffallen, daß in dem Kloster-, Kirchen
und Gemeindehaushalt auch auf Ostern Neujahrsgeschenke, so
genannte Deputate, Präbende oder Renten***) als Gebäcke erscheinen,

"‘) Auch gibt es dort in neuester Zeit bereits Stollen auf Weihnachten, die
‚Weihnachtswölfe“ genannt werden, weil sie in dieser Zeit am gängigsten sind.
*") Gartenlaube 1905, S. 448.
""') Man beachte, daß hier klösterliche Ausdrücke aus lateinischer (romanischer)
Quelle vorliegen.
60

so auch die »Pasch-Rente«, eine Art von Zinskuchen (dänisch


paaske-rente) in Gestalt eines Osterbrotes, das auch als stiftliche Ab
gabe oder aufgezählte Steuer galt, wie der Osterstufen, den wir
oben schon erwähnten. Wenn A. Freybe (Ostern in deutscher
Sage, Sitte und Dichtung, S. 5) meint, daß »der Osterfladen, Oster
stollen, Osterstufen, Osterküchel, welche zu dieser Zeit gebacken
werden, wie alle solchen Gebildbrote auf alte Opferschmäuse zu Ehren
der Ostara. weisen«, so ist dies (ganz abgesehen von dem Osterstufen,
der gar kein Gebildbrot, sondern eine gestiftete Tuchabgabe war)
auch schon deswegen hinfällig, weil es keine Göttin Ostara gab.
Bis zum Jahre 1806 hatte die frühere Reichsstadt Frankfurt jede
Osterzeit bei Ablegung der Gemeinderechnung das sogenannte
»Igelmahl« gehalten, so benannt nach dem oben schon erwähnten
»Igelgebäcka, welches jahrhundertelang wie etwas Unabänderliches
auf dem Speisezettel des ehrsamen Stadtrates mit aufgezählt stand
(Rochholz in Illustr. Ztg. 1868, Nr. 1299, S. 370) Über das Jungfern
brot als österliches Deputat an das Kloster Lüne haben wir schon
oben gesprochen.

Oster-Montag.
Engl: Eeaster-Monday, Black-Monday (1360), im Tiroler Patznaun
tal Kücheltag genannt; ostfries.: Eiertrullen-Mandag (wegen des Eier
rollens); Holstern, Duwengelag (Werfen auf eine aufgehängte Holz
taube und darauf ein Gelage).
Auf diesen zweiten Festtag der Osterzeit haben sich, wie auf
den zweiten Weihnachtstag, einige Volksgebräuche der vorauf
gegangenen Festzeit fortgesetzt. Die Eierschalen der verzehrten Oster
eier, die an grünen, im Saft stehenden Reisigästen stecken, werden
mit Salz bestreut auf die gepflügten Äcker hinausgeworfen als Saat
unglück abwehrende Mittel. Im Elsaß zieht die kirchliche Prozession
der Gemeinde um den Feldbann (Eschgang) am Ostermontag (und am
25. April, St. Markustag) zur Erreichung des Flursegens (Eschwachs),
wobei das mitgetragene christliche Kreuz an die Stelle des früheren
simulaorum, quod per campos portant (lud. superst, 13) trat (Eis.
Wörterb., II, 50). In einigen Gemeinden des Schweizer Kantons Uri
gehen junge Burschen am Ostermontag in die Häuser der Mädchen,
um (fruchtbar machende) Ostereier (siehe oben) zu heischen (wie in
der Fastenzeit oder am Frühlingsfeste das Küchli); an einem der
folgenden Sonntage werden beim Eiertanz (Osterreigen) dann die Eier
bei einem gemeinsamen Mahl verzehrt (Schweiz. Arch. f. V. K., II, 64);
in der Niederlausitz werden die Dingeier »Kicke« mit großen Pfeffer
kuchen und Fastenbrezeln gegeben. (Scheible, l. c. VII, 925 ff.; Lippert,
Christent, 604). Im Elsaß werden am Ostermontag den Patenkindern
Osterkuchen (siehe oben) gespendet. Vor 1775 wurden in Zürich am
Ostermontag hin und wieder Mahlzeiten (vergl. das Vogtsgedingessen
61

in der Jülicher Vogtei zu Aachen) gehalten, welche meistens aus


Eiern, süßen Fladen und Kuchen bestanden (Schweizer, ld., I, 581).
In dem alten Moßbacher Stadtrechte (1520) heißt es: »Den Ostermontag
als man wie von Alters Fladen (siehe oben) versucht.« (Birlinger,
S. II, 73). Im Böhmerwald gibt es meistens in den dortigen Wirts
häusern »eingeschlagene Eier« (Eiertatsch siehe oben). Im Tiroler
Stanzertal wurde sonst an diesem Ostermontag Pflug und Lamm
feierlich umgeführt (Rochholz). In England werden am Ostermontag
bei den Osterwettläufen Stallhasen von den Knaben »eingefangem.
Hazlitt (l. c. I, 204) teilt darüber noch mit: »They have an ancient
custom at Coleshill in the county of \Varweck, that, if the joung men
of the town ean catche a hare and bring it to the parson of the
parish before ten o'clock on Easter-Monday; the parson is hound to
give them a calfshead and a hondred of eggs for their breakfast and
a groat (8 sous) in money.« Hier ist der Pfarrer wohl als VVetter
segenspender der Empfänger eines durch Jagen in der Früh einge
fangenen Hasen, wofür er dem quasi Opfertierelieferanten einen Kalbs
kopf zum Frühstück geben muß neben Geldlohn und hundert Eiern;
der fruchtbare Hase hat eben in dieser Kultzeit ebenso hohen Wert
nach dem Voiksglauben, als das christliche Osterlamm für den Saat
segen, wenn sie geopfert wurden. Vielleicht hat hierbei der Vege
tationsdämon der Frühjahrszeit zugleich die Rolle des Opfersubstituts
übernommen?
Am O ster die n stag, der im Thurgau wegen des dort üblichen
Gerstenbreies »Gerstentag« heißt, war am Frau Hola-Stein eine allge
meine Brotspende üblich sowie Geschenke von Brezeln, Ostereiern,
Eierkuchen (Hohl, Röhnspiegel, 93). Im Allgäu war am Osterdienstag
der Eschgang („Nach Emaus gehenu) oder Kreuzgang der Flurwaller,
wobei die. Kinder harte Ostereier und einen sogenannten Hellerweggen
erhielten (Reiser, l. c. II, 131). In Steiermark ist das Gänse-Rennen
ein Oster-Wettlauf üblich. Im deutschen Böhmen erhielt am Oster
dienstag die ganze Hausgenossenschaft süße Milch mit weißer Semmel
(antizipierter Pfingstbrauch) als Mittel gegen die Mückenbisse (John,
Sitten, 69). Bei den Russen heißt diese Woche des bei ihnen höchsten
Jahresfestes die schöne, herrliche, große Ruhewoche (Yermoloff, 159).
Die Ostfriesen nennen den Osterdienstag »All op-öten-Dingstagm,
in welcher Zeit die Überreste alle aufgegessen werden sollen.
Da wie auch an anderen Jahresfesten der Volksbrauch von
solchen Jahresabschnitten gewisse althergebrachte Übungen und An
nehmlichkeiten auch auf die folgenden \\'ochen nach solchen Festen
ausdehnt, so ist es nötig, auch noch
69 die Zeit nach Ostern zu besprechen.
Erster Mittwoch nach Ostern heißt bei den Russen im
G0uvernement Wilna »der Hagel-Mittwocb« (Yermolof‘l‘, 165, ver
mutlich wegen der Hagelfeier).
62

Erster Donnerstag nach Ostern. An diesem Tage wird


das russische Frühjahrstotenfest gefeiert (siehe oben), das bei den
Deutschen am Totensonntag in der Fasten vorausgegangen war.
Erster Freitag nach Ostern. Bei den Russen heißt er
Einladetag oder Bittag (Yermoloff, 166), eine Art Erinnerungstag an
die Seelen der Verstorbenen, die noch einmal an den Familientisch
zu Gast gebeten werden. In Böhmen ist dies die goldene Stunde
oder Press. Bei den griechisch-orthodoxen Bosniaken lagern sich die
Anverwandten auf den Gräbern, nach einem Gebete für die Verstor
benen essen sie gefärbte Eier, gebratenes Fleisch und Kolatschen;
Eier und Kolatschen legen sie auf die Gräber (Z. f. ö. V. K. 1900, S, 65).
Erster Freitag nach Ostern. An diesem Tage findet im
Pustertal die sogenannte \Vidderprozession von Virgen und Prä
graten nach Lavant statt (Widderopfer zur Saatzeit, Z. d. V. f. V. K.
1895, S. 205).
Am Sonnabend vor dem weißen Sonntags wird bei
den griechisch-katholischen Südslawen in der Kirche für die Ruhe
der verstorbenen Verwandten Brot geopfert und dann am Tore an
die Armen verteilt (Sartori, Die Speisung der Toten, 67). Diese Brote,
welche die Priester backen lassen, um sie den Gläubigen mit nach
Hause zu geben, sind äußerlich mit roter Farbe bemalt, auf der die
Worte: »Christus ist von den Toten auferstanden« mit. goldenen Buch
staben zu lesen sind. Diese Brote zerschneiden die Priester in eine
Menge von Schnitten, die in Körben angefüllt werden; mit diesen
gefüllten Körben treten die Priester zur Galerie des Altars hinan
und verteilen von da herab die Brotschnitten an die Gemeindeglieder,
die sich mit hundert ausgestreckten Armen herandrängen. Stückchen
mit Buchstaben sind besonders Glück bedeutend, außer jenen mit
dem Worte »Toten«. Diese kleinen Brotstückchen werden am Bretts
des Hausheiligen aufbewahrt (als Glück fürs ganze Jahr), (Scheible,
l. c. VII, 937 ff). Dieses griechische Totenbrot spielt also die Rolle
eines Jul- oder Neujahrsbrotes, einer durch die Kultzeit glückbrin
genden Opfergabe.
Erster Sonntag nach Ostern Quasimodo-geniti, weißer
Sonntag (NB. Vor dem 16. Jahrhundert war der Sonntag Invocavit
der weiße Sonntag nach Grotefend. Nach Birlinger, ll, 62, ist im
Schwäbischen der erste Fastensonntag noch der weiße Sonntag); seit
dem 16. Jahrhundert ist die Dominika in albis (seil. vestibus propter
baptisma) weißer Sonntag; engl.: White Sunday; ndd.: witteldag
(Dänhert, 554); engl.: Loe-, Low-Sunday = little Sunday after Easter;
mnd.: Goychkentag(Gauchen-,Kuckuckstag); Freudensonntag; Böhmen:
Pröbelsonntag; Solothurn: Bohnensonntag (wegen einer kirchlichen
Bohnenspende), (Reinsberg, Düringsfeld, Das festliche Jahr, S. 120);
Bayern: kleiner Ostertag, Mettag, wegen des Schön- und Stärketrunks
63

in den Methäusern, wo sich die Gäste mit rautenförmigen kleinen


Honigkuchenfleckchen »Schifferl« bewerfen, ein fruchtbar machender
Wunsch-Brauch, der an das Überschütten der Braut mit Körner
früchten (nuces projicere, Konfettiwerfen) erinnert.
Im deutschen Teile des Böhmerwaldes wurde früher am weißen
Sonntag zur Jausenzeit die ganze Hausgenossenschaft mit süßer Milch
und Semmeln (Weißbrot) bewirtet, damit sie alle später vor dem
lästigen Beißen der Mücken bei der Heuarbeit beschützt waren
(vergl. oben die flöhevertreibende Wirkung der wendischen Honig
brote). Im Allgäu wurden früher (1700) die Hirten am weißen Sonntag
in der Fasten gedingt und ihnen »weiße« Brocken in süßer Milch
aufgesetzt (Herrn Kurats Frank gefällige Mitteilung) als eine Art von
Saisonbrot, das dort aber nicht öster l ich, sondern ein Fastenzeit-,
also Frühlingsgebäck war.
In Stralsund ist eine Abgabe von »weißem Brot« üblich, das die
Rolle eines schönen, leckeren Festbrotes hat, das aber auch sonst die
elbischen Geister gerne haben. Der Lüneburger Hinzelmann schlürft
täglich eine Schüssel voll Milch mit Weißbrot (Meyer, Myth. d. G., 218),
auch die Krankheitsdämonen und Quälgeister werden mit Weißbrot
behandelt. 1392 erhielten die Siechen (Armen) im Spital zu Dinkels
bühl am weißen Sonntag ebenfalls solche weiße »Schönbrote« (von
Steichele, Bistum Augsburg, III, 302). An anderen Orten Schwabens
waren österliche Eierkuchen (siehe oben) üblich; im W'estfälischen
heißt der Tag deshalb auch Pannekauken-Sundag wegen der Pfannen
kuchen (Woeste l. c. 194).
In Erfurt ist an diesem weißen Sonntag die sogenannte»Peters
Kirmse« (Kirchweih des früheren Klosters auf dem Petersberge),
bei welcher die schon oben erwähnten ringförmigen Windbeutel
(Ringe) üblich sind als verspätete Fastenbrezeln aus windigem,
lockerem Teige. In der Pfalz erhalten die sogenannten Nacht
mahlkinder, welche zum erstenmal kommunizieren, am weißen
Sonntag nach Ostern von ihren Eltern einen kleinen, formlich viel
leicht bedeutungslosen Rundkuchen, auch Guglhupf genannt, wie in
Frankfurt auch, mit Milch; dazu sechs gefärbte Ostereier in ein
»weißes« Tuch gehüllt (Grünenwald, l. c. 38); überhaupt spielt der
Guglhupf um diese Zeit in und um Frankfurt eine gewisse Rolle.
Das am Sonntag der Thomaswoche (weißer Sonntag der West
europäer) geweihte Brot ist bei den Russen ein fieberabwehrendes
Mittel (Yermoloff, 166). Die auf den weißen Sonntag fol
gende Woche ist bei den Russen die Thomaswoche, neue Woche
oder Geleitwoche. Am ersten Sonntag derselben feiert das russische
Volk ein Frühlingsfest, die Krassnaja Gorka (wegen der roten Bestrah
lung des nächsten Berges durch die neue Sonne, deren neues Geleite
auch begossen wird, daher auch Begießtag [Politki] genannt).
Zeitschrift für österr. Volkskunde. XII. fluppl. I-I. IV. 5
64

Zweiter Montag nach Ostersonntag.


Montag nach dem weißen Sonntag heißt im Englischen
Lange-Mark-Day, wegen des Flurganges längs der Feldermarke
(Eschbann), der in Deutschland in der Rogationswoche und am
St. Markustag (25. April) vorgenommen wird. In Rußland ist das der
Montag in der Thomaswoche; an diesem Tage gedenken die Klein
russen ihrer Toten, weil in der sogenannten Geleitwoche das große
Osterfest dahinscheidet, und das, was übrig blieb, den Verstorbenen
gegeben werden muß; die Frauen und Weiber sammeln sich in den
Sippenhütten, um für das Seelenheil der verstorbenen weiblichen
Verwandten zu beten; daher ist es das »Frauen- und Weiberfest«
(Yermoloff, 166). Er wird auch bei den Russen »Erinnerungsmontag«
genannt; es werden geweihte Speisen auf die Gräber der Hinge
schiedenen gelegt und daselbst verzehrt. Gewöhnlich haben sie in
der Mitte eines Tellers ein großes, hohes, rundes Brot, um dieses
herum rote Ostereier, Salz, Kringel- und Honigkuchen gelegt. In dem
Brotzylinder steckt ein brennendes Seelenlicht. Andere fügen auch
noch ein Töpfchen mit Honig hinzu; auf dem Brote liegt »ein
Büchlein des Andenkensu. Nach der priesterlichen Weihe des ganzen
Seelenopfers, das auf dem Grab steht, fangen die Familienmitglieder
an, in Gesellschaft der Priester auf den Grabhügeln zu schmausen
und zu trinken (Scheihle, VII, 940). Was hier die griechisch-katho
lischen Russen des 19. Jahrhundertes noch betreiben, war im west
lichen Europa schon 589 verboten »manducare et bibere super
tumulos« (Homeyer, Der Dreißigste S. 154). Wir sehen also hier bei
den griechisch-katholischen Russen einen ausgesprochenen Seelen
und Totenkult bei ihrem österlichen Frühjahrssonnenfeste.
Der zweite Dienstag nach Ostern heißt bei den Eng
ländern Hoc-Tues-Day = hoher Dienstag, auch Hoke Day. Hocke
Tide = hohe Zeit (Hazlitt, l. c. II, 317).
Der zweite Freitag nach Ostern (Lancea Domini) hieß
in Köln: Gottestracht, Speer- und Kronentag, Kronfreitag, Drei-Nägel
tag (vielleicht hatten diese drei christlichen Kreuznägel wie der
Leonhardnagel eine Beziehung zum simulacrum, quod per campos
portant). Die christliche Gottestracht durch die Fluren verdrängte
vielleicht ein eisernes Fruchtbarkeitssymbol; dieser Tag hatte auch
Beziehung zur Hagel- oder \Vetterfeier (Weerfeier).
Der zweite Sonntag nach Ostern Misericordia, Bock
sonntag (Osterbock), Hirtensonntag (vermutlich wegen des ursprüng
lich von Hirten geopferten Bockes vor dem Weidebeginn) mit dem
Hammeltanze; siebweise werden dazu die runden Osterkuchen (im
gothaischen Dorfe Wolfsbähringen) und tonnenweise wird das
Pfingstbierl! dazu auf die Almendwiese hinausgefahren, wo der
Hammel unter der Tanzlinde geschlachtet und nebst einem Gerichte
65

Schweinefleisch von jung und alt verzehrt wird (Rochholz in Illustr.


Ztg. 1868, Nr. 1293), also ein Pfingstbrauch.
Am Samstag nach Misericordia gab es im Kloster
Maria Wald im Bergischen »Weggen« (keilförmiges Opferbrot) in der
Bittwoche oder in der Zeit des Felderumganges, die sonst »Wall
weck« heißen. .
Dritter Sonntag nach Ostern Jubilate. Am folgenden
Montag wurde an die Schüler in Fränkisch-Henneberg ein hufeisen
förmiges süßes Horngebäck, sogenanntes Hufeisen oder Roßeisen mit
Brezeln (Stabausbrezeln) verteilt (Spieß, l. c. 112, 114, 115); auch
hier dürfte ein ehemaliges Bockopfer der Gemeinde Anlaß zur
Schülerspende gewesen sein; diese letztere lehnt sich vermutlich an
das österliche Schulfest an; Das Horngebäck und das gebackene
Hufeisen sind formell nahezu identisch, auch mondsichelartige Ge
bäcke haben Ähnlichkeit damit, aber ohne die reale Form dieser
»Roßeisen« genannten Gebäcke zu kennen, läßt sich darüber nicht
entscheiden; doch möchte aus der häufigen Hornform der Gebäcke
in dieser Flurwallerzeit auf letztere mit mehr Wahrscheinlichkeit
geschlossen werden.
Von da ab verlieren sich die eventuellen Nach-Ostergebäcke
ohnehin und mischen sich mit den Gebäcken der sogenannten Roga
tionswoche oder Hagelfeier und Pfingstbräuche so, daß wir damit die
Ostergebäcke beschließen können und müssen.
Überblicken wir nunmehr all die Gebäcke der Gruppen A, B, O’,
so muß uns folgendes auffallen:
l. Die Häufung der grünen Gebäcksarten vor Ostern (Grün
donnerstag) durch ganz Deutschland, die auf einer älteren germanischen
Wertschätzung der ersten Frühjahrskräuter mit Besegnung beruhen
dürfte.
2. Die Häufung der Kreuzbrote am Karfreitag, die ganz deutlich
(wie überhaupt die meisten Gebildbrote eine wahre Demonstratio ad
oculos sind) nur das christliche Kreuz symbolisieren; das nichtchrist
liche Hakenkreuz fehlt unter den Gebäcken ganz.
3. Die Häufung der mit Eigelb und (Oster-)Eiern ausgestatteten
gemengten oder belegten Gebäcke, die wieder mit Farbe und Ei
deutlich die Frühlingszeit markieren und dadurch vor anderen Zeit
gebäcken, die das Huhnopfer als Ganzes substituieren, sich unter
scheiden.
4. Die Häufung der Honiggebäcke längs der slawisch-wendischen
Gebiete, die vermutlich vom Volksbrauche der nahen russischen oder
Balkanländer beeinflußt erscheinen, in denen das Osterfest einen noch
älteren christlich-jüdischen Neujahrstypus bewahrt hat als bei den west
europäischen Völkern.*)
*) Das christliche Pascha ist nur eine Umformung des jüdischen und nichts
anderes (E. Schwert: in Zeitschr. f. d. neutest. W.‚ VII, 1906, 1. Heft).
5c
66

5. Die Häufung der Fladenformen in der eigentlichen Osterzeit (B)


und der besseren Semmelmehlgebäcke (Weißbrote). Die Zeichnung
derselben hat mit dem Sonnenrade keine Beziehung, sondern ist nur
dekoratives Motiv, das sich von selbst ergibt.
6. Die Häufung der sogenannten Spendebrote als Präbenden,
Rente oder Deputate (Abgaben), die sich durch die österlichen Jahres
rechnungen der Klosterstiftungen und Gemeinde (Ostern-Neujahr)
erklären lassen. Überhaupt finden sich viele Gebäckanalogien zwischen
Neujahr (Weihnachten) und Ostern. Bei den griechischen Katholiken
und deren Nachbarn ist das österliche Neujahr ausgesprochener.
7. Hoingebäcke und Zopfgebäcke fehlen nahezu ganz, ebenso
sind die mit Mohn bestreuten Gebäcke eine seltene Erscheinung in
der Osterzeit. '
8. Die Brezelgebäcke der Osterzeit sind nur verspätete Fasten
brezeln, desgleichen sind
9. die Krapfengebäcke und Fruchtbarkeitssymbole nur aus der
Fastenzeit (Frühjahrsfeier) fortgesetzt; sie sind auch auf Ostern noch
etwas volksüblich und harmonieren mit der gleichzeitigen Wert
schätzung der grünen Kräuter und Ostereier. ,
10. Der volksmedizinische Wert der Ostergebäcke knüpft sich in
erster Linie an das Osterei, das heißt an die Kultzeit des Frühjahres,
sowie an das frische Grün der Oster-, beziehungsweise Frühjahrs
kräuter (zum Teil auch noch an die verspäteten Fastenbrezeln). Kein
Zeitabschnitt des ganzen Jahres aber liefert mehr volksmedizinisch
verwertete Heilbrote als der Neujahr2yklus. Da nun das Osterfest
auch den Charakter eines neuen jüdischen Jahres hat, so kann es
nicht wundern, daß auch manche andere Osterbrote solchen Heilwert
erhalten haben; doch ist die Wertschätzung bei den eigentlichen
Neujahrsbroten (Gebäcken) eine viel häufigere als bei den Oster
gebäcken. Die Volksmedizin, die so sehr mit dem Kult verbunden
ist, ist in dieser Beziehung ebenso, vielleicht noch mehr konservativ
als die übrigen Volksgebräuche; sie blieb bei ihrer Wertschätzung
des Materials an der Kultzeit ebenso festhaltend wie bei anderen
Heilbroten. Die Kultzeiten, nicht die Gottheiten schufen
die Heilbrote.
11. Es fehlt auf germanischem Boden der echt germanische Fest
brei, der Hirsebrei, der sonst mit zäher Hartnäckigkeit sich an allen
echt germanischen Hohenzeiten mit Totenkult zeigt und in der un
mittelbar voraufgegangenen Fastenzeit (Saatzeit oder altgermanische
Frühlingsfeier, Faselnacht) so stark sich bemerkbar macht; nur an
wenigen Orten ißt man wegen der Fastenzeit Erbsen, Linsen, Gerste;
auf ehemals wendischem Boden findet man Hirsebrei, aber auch nur
selten.
12. Ein ausgesprochener österlicher Seelen- und Totenkult findet
sich nur bei den griechisch-katholischen Russen und Slawen.
67

13. Die Trauergeb'äcke (Brezel, Zopf, Mohn etc.) treten ganz auf
fällig zurück; ebenso die Salzbrote und die Teilbrote (Zeilenbrote,
Schichtsemmeln etc.)
14. Männliche und weibliche Dämonenfiguren, die an dem
Mittwinterfeste weit zahlreicher und geradezu typisch für dieses auf
treten, fehlen nahezu oder sind als männliche Figuren durch das
Zeitsymbol (Osterei) besonders von den letzteren (Winterdämonen)
unterschieden.
15. Es fehlen das Pferd und der Eber als Teiggebäck; es fehlt
auch der Schimmelreiter in dem Volksglauben auf echt germanischem
Boden; es fehlen die Herzgebäcke, die Liebespaare, die Kindersegen
typen.
Das Nichtchristliche — das Osterei und die grünen Kräuter —
hat den volksmedizinischen Wert unter den damit verbundenen Oster
gebäcken am meisten festgehalten.
Das sicher Christliche — nämlich das Kreuzbrot und das Oster
lamm —— überwiegt aber unter den Ostergebäcken in seiner Häufig
keit so sehr, daß auch diesbezüglich der Glaube an ein alt
germanisches Osterfest (von der Göttin Ostara ganz zu
schweigen) nicht aufkommen kann; dies umsoweniger, als
keine unmittelbaren Nachrichten von heidnisch-germanischen Oster
gebräuchen auf uns gekommen sind. Obwohl es in unserem Volks
glauben und -Brauch sonst geradezu unmöglich ist, das Heidnisch
Germanische von dem Frühchristlichen mit Sicherheit voneinander zu
scheiden, ist gerade beim Osterfest das Christliche und Heidnische
in den Gebäcken am schärfsten getrennt.

Fig. 2. Kopiischer Kreuzbrutstempel nus Holz. (1156 n. Chr.)


Gebildbrote
der

Faschings-‚ Fastnachts— und Fastenzeit.

Von

Dr. Max fiöfler


Ehrenmitglied des Vereines für österreichische Volkskunde

Bad Tölz, Oberbayern.

Mit 47 Textabbildungen.

W
WIEN 1908.
Verlag des Vereines für österreichische Volkskunde.
Kommissionsverlag: Gerold & Ko., Wien, l. Stephansplatz Nr. 8.

Buchdruckerei Helles. Wien.

65
Die Zeit der Fastnacht dehnt sich im deutschen Volksbrauche aus
von Epiphania (heiligem Dreikönigstag) bis weit in die eigentliche
Fastenzeit hinein. Dieser lange Zeitraum macht es erklärlich, daß
eine Anzahl fremder Volksgebräuche mit der einheimischen Frühlingsfeier
vereinigt wurden, die ehemals je nach Örtlichkeit und Jahrgang zeitlich
verschieden gehalten worden sein werden.
»Gegen Ende Februar, wenn die winterliche Nacht dem neuen
Frühling zu weichen begann, feierten die heidnischen Germanen ein Opfer
fest. Man wollte dadurch vor allem Gedeihen für die Wintersaat und
überhaupt Fruchtbarkeit für das (kommende) Jahr erlangen; so galt es,
die über Himmel, Erde und Wetter waltenden Mächte durch Bittopfer
günstig zu stimmen, durch Sühnopfer zu versöhnen. Rosse, Rinder,
Schweine, Böcke, Gänse, Hühner, Flachs und Speisen wurden Wodan,
Frija und Donar gespendet.« (Golther, 572.)
Der Ausdruck für diese mit allerlei Lustbarkeit und ausgelassenem
Mummenschanz verbundene Zeitperiode hieß mhd. vase-nahten, das heißt
in den Tagen, in denen man nächtlicher Weile aus Freude über den
kommenden Lenz allerlei Unsinn trieb (faselte). »Die Form Fastnacht
mag von der Geistlichkeit eingeführt worden sein« (Kluge “, 106), wenn
auch die Bezeichnung »Nacht« (wie Weihnacht) auf heidnischen Hinter—
grund hinweist, in welcher Zeit man nach Nächten statt nach Tagen
rechnete. In der ehemals deutschen Franche-Comhä heißt sie fassenot und
f<%chenot (Mannhardt, I, 457), auf bayrisch-österreichischem Gebiete Fasching
(mhd. vaschanc).
Die Pflege der Toten (Unterirdischen oder chthonischen Gottheiten)
beim Beginn eines neuen Erdenjahres (Frühling) ist nun ein allgemeiner
Brauch; denn diese chthonischen Mächte mußten im Interesse der ani
malischen und vegetativen Fruchtbarkeit günstig gestimmt werden, wie
wir dieses bei allen neuen Abschnitten eines Wirtschaftsjahres nachweisen
können. Die Vorstellung über solche Mächte macht sich im Volksglauben
durch das Auftreten verschiedener Gestalten in dieser Zeit bemerkbar.
Am Niederrhein tritt das »Fastnachtsrößle« auf (Z. d. V. f rh. u. w. V. K.‚ I),
in Schlesien, in der Mark und in Bayern der »Fastnachtsschimmel«. In
Eisleben zieht das »wilde Heer«, im Mansfeldischen die »Frau Holle« mit
dem wütenden Heere durchs Land (Mannhardt, Myth., 48, 262; Scheible,
VII, 793; RD. 3; Simrock, 457; Büsching, 16), im Mecklenburgischen das
l!‘
'»Woor« (wütende Heer). In St. Gallen erscheinen die Butzen, Hexen und
Teufel auf Fastnacht und beteiligen sich (wie anderwärts der Schimmel
reiter) an den Umzügen als Popanzfiguren (St. Gallen, 612, 620). 1471
wurden solche Fastnachtsbutzen (1587, poetzmanne v. Fastnachtslarven
: maniolae, D., l, 347) in Speier verboten (Chronicon Spirense, 881).
Frazer (The golden bough, III, 138 ff.) hält die Fastnachtszeit
(Carneval) für soviel wie identisch mit den römischen Saturnalien, die in
den romanischen Ländern am längsten andauerten, wobei die in der
Faschingszeit getötete Figur den Saatgott Saturn personifizieren sollte; der
Bohnenkönig am Epiphanien—Tage, der mittelalterliche Narrenbischof etc.
seien alles Figuren derselben Art. Die Saturnalien seien ursprünglich im
Februar oder März gehalten worden, weil der 1. März einmal ein
römisches Neujahr war; später habe das alte Saturnfest, das auf dem
Lande auch nach der Einführung eines anderen Neujahres noch immer
andauernd in dieser Märzzeit gehalten wurde, unter dem modernen
Namen des Karnevals*) die Städte wieder erobert; bei den italienischen
Landleuten waren und sind Februar und März die Hauptsaison für Saat
und Pflanzung. Der orgienartige, fleischlich—sinnlichc Charakter des
Karnevals entspräche noch diesem Vegetationskult; ihm mußte (nach
Frazer) ehemals eine Periode der Nüchternheit und Entsagung schon
längst vor dem Christentum gefolgt sein, um das Wachstum der Saat
zu fördern durch eine »magische Vorbereitung für das Säen und Pflanzen«.
Dieses »ganz komplizierte Hypothesengcbäude« Frazers hat A. Lang
(Magic and Religion, 82 ff.) einer Kritik unterzogen, die deren schwache
Punkte gut beleuchtet (Nilsson, 36). Abgesehen von dem Zeitpunkte der
römischen Saturnalien (17. Dezember), wäre hier noch entgegenzuhalten,
daß, wenn die Faschings- oder Karnevalszeit den römischen Saturnalien
entspräche, dann auch in der Karnevalszeit das gegenseitige Beschenken
aller Sippenglieder am Glückstische üblich sein müßte; denn solch all
gemeine Schenkgebräuche könnten niemals spurlos verlaufen; das Ge—
sinde am allerwenigsten, ebenso auch nicht die Familie als Ganzes ließe
sich die‘ hergebrachten Geschenke nehmen, die man auf Neujahr und
Weihnachten tatsächlich findet, während man in der Faschingszeit davon,
das heißt von einem allgemeinen gegenseitigen Sichbcschenkcn am
Glückstische, ohne Rücksicht auf das Alter, nichts finden kann (nur bei
der geschlechtsreifen Jugend ist dieses der Fall in der Faschingszeit).

*) Carrus navalis : Schiffskarren. Schon Tacitus (Germ.9) erwähnt signa in


modum liburnae figurata bei einer schwäbischen Göttin, die er Isis nennt (= bona
dca; in der Schweiz ist Fastnacht das Fest der Bonncn Deen), welche aber bei den
Germanen der Hauptgöttin Frija entsprach, die sich bei ihrem Umzugs durchs Land
im Frühjahrs eines Wagens oder eines Schiffes bediente. In den bayrisch-schwäbischen
Donaugegenden zog man Fastnachtskähne auf Rollen durch die Ortschaften, die
Maste mit Eßwaren behängt (Hermann DM., 382). In der Schweiz (Luzern) ist noch
am fetten oder schmutzigen Donnerstag in der Fastnacht die Umfuhr des »Fritschi
Wagens« üblich (Lütolf, 472); Fritschi = Fridolin, 6. März, Personifikation des
Kalendertages in der Fastnachtszeit.
Wenn wir nun in den deutschen Fastnachtsgebräuchen auch die
Anzeichen eines Totenkultus nachweisen können, so sind dies eben Be—
weise für einen früheren Bestand einer Frühlingsfeier, die aber weit eher
ein schon einheimischer germanischer Brauch, als fremder Import war.
Das Perchten— oder Huttlerlaufen und das »Maskera-Gehen« in Süd
deutschland ist ebenfalls sehr wahrscheinlich ein von der antiken Nach
barschaft ganz unbeeinflußter Volksbrauch, der, wie die Verkleidungen
der Mänaden beim dionysischen Kultreigen (s. Fig. 1) auf einem gemein
samen Bestreben beruht, die Gestalten der Verstorbenen (lares, lemures)
nachzuahmen (tierische Vermummung,*) Mummbütz, Butzenmummel), um
durch den Analogie- oder ldentitätszauber die bösen Dämonen des ab
gewichenen Winters beim Beginne eines neuen Lenzjahres zu vertreiben

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Fig. l.
Die tanzenden =\liinaden (Bassarai) bringen dem Diunysus-Pricstei', der das Blulgef‘ziß bereirhäli, einen
Hasen und einen Hirsch zum Opfer. (Aus dem Diction. d'nntiq. gr. et r., XII, 2, 1483, Figur_476t.)
l

und zu überwinden, und so die animalische und vegetative Fruchtbarkeit,


die von diesen bösen Winterdämonen noch behindert werden konnte,
neuerdings lebensfrisch zu gestalten und zu erhalten. So erklärt es sich,
daß »Sitten, die uns heute von dem Feste toller Ausgelassenheit
unzertrennlich sind, kulturgeschichtlich auf Totenfeste zurückweisen«.
Sicher aber findet sich auch in den deutschen Fastnachtsgebräuchen
mancher fremde Einschlag, mehr aber in der Form der Festbetätigung

*) Was heute die Fastnachtsmasken vorstellen, war ehemals ein Volkstanz


mit allerlei Mummenschanz und Verkleidung. Auch die arkadischen Hirten und
Hirtinnen tanzten als Böcke oder Oeiße vermummt zu Ehren des Weidegottes Pan
(= Lupercus der Römer, die die Lupercalia auf Fastnacht hatten). Der Weide- (pasci,
dazu: Pan) Gott, welcher den Hirten panischen Schrecken im Alptraum einjagte
wurde dadurch gefeiert und »« similia similibus — die Alpgeister mit tierischen
Schreckgestalten vertrieben. Über das Verbot des Butzengehens s. Hessische Blätter
f. V. K., Vl, 167.
als in dem zeitlichen Moment. Die Phallophorien, die Vermummungen
bei den griechischen Dionysien, fielen allerdings in den Winter; der diony
sische Schiffskarren (= carro navale), welcher ebenfalls einen Phallus
trug (Nilsson, 265, 268), aber in die attischen Anthesterien, das allgemeine
griechische Seelenfest im Frühling (vergl. Totensonntag) (Nilsson, 271 ff.)‚
in welches lenzliche Totenfest auch der altthrakische Dionysoskult erst
später eindrang. Die auch bei den altgriechischen Dionysien nachweis
baren Weiberfeste (= Weiberfastnacht, Weiberessen, Weibertänze, Häfeli—
tag, Kuchelbälle), die Epiphania des Dionysos (= Beginn des Faschings
am Epiphanien—Tage), die an die Dionysien gebundenen Volksschauspiele
(= Fastnachtsspiele), die bacchische Omophagie etc. sind formelle Parallelen
zwischen der deutschen Faselnacht und den griechisch-römischen Baccha
nahen, beziehungsweise Dionysien; im Mittelalter interpretierte man ge
radezu die deutsche Fastnacht mit Bacchanalia (Grotefend, 33); vermutlich
wegen der Analogie der Volksgebräuche. Allerdings ist es nicht ausge—
schlossen, daß auch manche Züge einer altrömischen Neujahrsfeier, die
auf den 1. März (Geburtstag des Mars), somit in die Faschingszeit fiel,
mit eingedrungen sind (Pferderennen, Equirria am 27. Februar und 14. März,
sowie Liberalia für den Gott Liber-Bacchus, 17. März). Die verschiedenen
bacchantischen K'üfer— und Schäfflertänze fallen zumeist in die Frühlings
und Faschingszeit (Lüneburger Köpe- [Kufe] Fahren, Münchner Schäfflertanz).
Die helljubelnde Begeisterung, mit der das Volk die Erscheinung
des neuen Frühlings begrüßte, ist eine allgemein menschliche. Als gott
ähnliche Verkörperung der Vegetationskraft wird derselbe überall empfangen
bei seinem Erscheinen; wie die beschworenen oder berufenen Seelengeister,
so wird auch die zeugende Gottheit eingeladen, unter den Lebenden zu
erscheinen, bei ihnen zu verweilen und an ihrem Sippenmahle (= Fest—
essen, Bankett, Ratsmal etc.) Anteil zu nehmen; der Segen durch die Anteil
nahme am Gottheitsmahle (communio) ging auf alle festlich mitfeiernden
Menschen über. Die alten lndier empfingen ihren Sonnengott mit Liedern,
sein Bildnis wurde symbolisch an den Füßen wie bei einem zukehrenden
Gaste gewaschen, Sandalen und Safranblüten sowie Honig, Zucker und
Milch in einem Becher ihm angeboten, und während seines Verweilens
unter den lebenden Menschen wurden an das mitfeiernde Volk, gleichsam
als Zeichen seiner Anteilnahme am Gottheitsmahle, kleine geweihte Reis
kuchen ausgeteilt; diese himmlische Nahrung wurde wie ein Sakrament
auf den Knien in Empfang genommen und innerhalb der Pagode, also in
Gegenwart der Gottheit verzehrt. Die Gottheitsspeisen sind nun je nach
dem Volke, nach der Zeit, nach dem Orte auch verschieden, aber immer
knüpft sich an deren Mitgenuß der Glaube an zauberhaften Segen ani
malischer und vegetativer Fruchtbarkeit, Schönheit und Gesundheit.
Auch bei der Erscheinung (Epiphania) des Bacchus-Dionysos wurde
ein lebendiger Stier (Gottheitsgestalt) oder eine lebendige Ziege (ebenfalls
die Gestalt des Gottes Dionysos) von den Gottanbetern zerrissen und
roh verzehrt (Omophagie, Theophagie) (Frazer l. c. ll, 1, 3, ä 7); solch
bacchanalischer Omophagie, als einer auch bei den römischen Bacchanalien
bestehenden Kultsitte, machen (nach Rohde, II, 46) noch Clemens Alexand.
(1' 220 p. Chr), Arnobius (1- 295 p. Chr.) und Firmius Maternus (347 p. Chr.)
Erwähnung; in der deutschen Volksmedizin treffen wir sie in abgeschwächter
Form als Fastnachtsbrauch noch in jüngster Zeit an. Hierbei ist wohl zu
berücksichtigen, daß Dionysos lauter Beinamen des Hades trug, Herr der
Seelen war und als chthonischer Gott sich im Seelenreiche der Unterwelt
aufhielt, von der er auffuhr, um seine Erscheinung unter den Menschen
zu feiern; hier stürzten sich die anwesenden, in Tanzwut befindlichen und
in Tiermasken (Hülle der Seelengestalten) verkleideten Menschen auf das
Opfertier, um gleichsam als blutdürstige, nach neuem Leben lechzende
Seelen das rohe, lebenswarme Fleisch und Blut desselben zu genießen
und nach diesem Genusse neue zauberhafte Lebenskräfte zu gewinnen.
So entstand auch aus dem Herzen des zerrissenen Bacchus im Frühjahr
ein neubelebter Leib; überhaupt wurzelte der ganze Dionysos-Kult in
rohem, uraltem thrakischen Opferkult (Rohde, II, 118), in welchen noch
andere Kultformen mit der Zeit eindrangen.
Auch die germanische Erdgöttin hielt, nachdem das Eis gebrochen
war, Fischerei, Schiffahrt und Saatarbeit wieder begonnen hatten, segnend
ihren Einzug und ihre Umfahrt durch das Land; ihre Epiphania beginnt
schon nach den dunkelsten Jahresnächten mit der heutigen Faschingszeit;
sie verweilte bis zur Osterzeit; nachdem die widerspenstigen bösen Winter
dämonen vertrieben waren und im Kampfe mit dem Winterdrachen dieser
besiegt worden, tritt die erlöste Erdenjungfrau aus der unterirdischen Welt
herauf und neuer Fruchtbarkeitssegen verbreitet sich; dieser ganz erklär
bare Wunsch des Volkes macht uns auch die im Lenz so sehr in den
Vordergrund tretenden geschlechtlichen Bündnisse (Weiberfeste, Umzüge
der Küche! heischenden Burschen) mit allen ihren die Fruchtbarkeit
symbolisierenden Beigaben verständlich.
[T Die Grundstimmung der Fastnachtszeit ist eine bis zur Ausgelassen

heit gesteigerte Fröhlichkeit und Annäherung der geschlechtsreifen Jugend;


daß diese Zeitperiode nicht zu lange ausgedehnt und möglichst auf die
drei Faschingstage beschränkt wurde, lag in der Absicht der Kirche, die
ohnehin mit der darauffolgenden vierzigtägigen Fastenperiode ein starkes
Gegengewicht gegenüber der zu auffälligen Sinnlichkeit der Faschingszeit
gegeben hatte.
Will man nun die Gebildbrote*) der Fastnachtszeit in ihrer volks
kundlichen Bedeutung richtig beurteilen, so darf man sich nicht auf die
*) Die Originale zu nachfolgenden Gebildbrotezeichnungen verdankt Verfasser
der Güte der Frauen und Herren: Professor Andree—Eysn, München; Dr. Bartels, Husum;
Bindewald, Greifswald; Professor Brenner, Würzburg; Bruns, Göttingen; Kurat Frank,
Kaufbeuren; Dr. Frischauf, Eggenburg; L. Gaul, Dresden; A. Gentsch, Frankental;
Justizrat Gravenhorst, Lüneburg; Exzellenz Gutbrod, Berlin; Muchall-Viebrook,
München; Exzellenz Rathgen, Straßburg; Schottelius, Braunschweig; Kommerzienrat
Soennecken, Bonn; Sprengel, Braunschweig; Exzellenz v. Stülpnagel, Frankfurt am
Main; Kreisbauinspektor Weißstein, Ortelsburg; Professor O. Zorn, Heidelberg.
Diesen allen sei hiermit auch öffentlich besten s gedankt. '
heutigen eigentlichen drei Faschingstage beschränken, sondern man muß
die ganze Karnevalszeit vom heiligen Dreikönigstage ab bis zum Ascher
mittwoch und selbst noch die Fastenzeit mit einbeziehen.

I. Faschingsbeginn.
An die Weihnachtsoktave und heiligen Dreikönigs-(Perchten—) Oktave
schließen sich im deutschen Volksglauben eine Reihe von Kalendertagen,
deren Heiligennamen und Brote noch mit dem antidämonischen Neujahrs
brote in zeitlichem und volkskundlichem Zusammenhange stehen.
8. Januar, St. Erhard, St. Erhardi dies, »nach dem Prechentag«
(Grotefend, 43), der Patron für Viehkrankheiten und auch für Brunnen.
Über das E r h a r d s - B r 0 t, das ein sogenanntes Heilbrot ist, hat Verfasser
schon im Janus, Archives internationales, VII, 1902, 4. Heft, berichtet.
Die Zeit vom 9. bis 16. Januar war die nordgermanische Mitt
winter-Opferzeit (s. Weihnachtsgebäcke), und zwar »til god afgrode« für
ein gutes Aufgrünen im kommenden Wachstum der Erde, die später
durch den Pflug aufgewühlt wurde. Der Montag nach dem Perchtentage
heißt darum im Englischen noch der Plough-Monday = Pflugmontag, im
Niederländischen: Koppeltjes- oder KoppenMaendach; im Niederdeutschen:
sware mandach = verschworener Montag (Grotefend, 77); auch der
12. Januar hieß bei den Siebenbürger Sachsen: Homo vetus (Alt—
mann), der geschworene Montag (Grotefend, 52), und in den Niederlanden
verlorener, verkohrener, verschworener Tag, mit ihm beendigte sich dort
nach altem Herkommen die weihnächtliche (Perchten-, Jul-) Kultzeit, die
aber an anderen Orten bis zum 20. Januar andauerte. Die letzten Brocken
der Julspeise wurden im Norden in die Grütze eingebrockt, daher der
11. Januar auch »Brokkenmesse« hieß; (Feilberg ’, 107) auch Brettivamesse,
Brigitta, Briktiva. Zu diesem Zyklus von Brotheiligen-Tagen der Neujahrs
zeit gehört auch:
Der 13. Januar mit dem St. Hilarius-Brot.*) Der Kult des heiligen
Hilarius (Gelerius-Tag, auch Gläris-Tag) ist durch fränkische Mission zu den
Alemannen in der Schweiz gedrungen, wo dieser Tag ein Analogon war
zu dem nordischen St. K n uts -Tag‚ Kanuts-Tag (Affare Dag); an diesem
Tage (12 volle Tage nach Neujahr oder 18 Tage nach Weihnachten) be
schlossen die Nordgermanen ihre Julzeit mit dem Verzehren des Julbock—
gebäckes (s. Weihnachtsgebäcke, S. 15, 63), die Schweizer aber die Perchten
tage mit dem Bertolds- oder Berteli-Schmause der Bürger zu Frauenfeld
am Bächtelistage. (Schw. Z. f. V. K., III, 164, 250, IV, 153, XI, 244.)
Am zweiten Donnerstag im neuen Jahre ist in Reut
lingen (Württemberg) der sogenannte Mutscheltag, wobei alt und jung
in den Wirtschaften und Bäckereien um dieses süße Gebäck sich be
kümmert. Ein Tagblatt 1905 schreibt darüber:

*) Über dieses Heilbrot s. Janus l. c. VII, 1902.


»ln der Zeit der freien Reichsstadt Reutlingen wurden die Bürgers
söhne, die sich verheiratet hatten, an dem Tage in das Stadtmilitär
eingereiht. Aus diesem Anlaß fand im Schützenhause ein Scheibenschießen
statt, bei dem die Preise in Mutscheln bestanden. Die Leute, die sich
nicht am Schießen beteiligten, gingen in die Bäckerläden und würfelten
dort um Mutscheln. Seither hat sich der Brauch erhalten und von Jahr
zu Jahr findet das Spiel um Mutscheln, die in ‘jeder Größe gebacken
werden, von neuem statt. Auch dieses Jahr (1905) wurde der Mutscheltag
wieder bis zum frühen Morgen begangen, und mancher trug einen Rausch
davon, aber nicht von den Mutscheln, sondern von dem zur besseren
Verdauung dazu genossenen Wein. — l'l. L.« (S. Fig. 2.)
Die Beschreibung des Oberamtes
Reutlingen (herausgeg. vom Statistischen
Landesamt Stuttgart, 1893, S. ‘143 f.) sagt:
»Das Erscheinungsfest heißt vielfach »das
Öberste« oder der Sterntag. Am Abend
vor demselben wird im Bezirk außerhalb
Reutlingen weißes Brot gebacken in der
Form eines Sternes, dessen Zinken jedoch
hervorragender und deutlicher als die des
Müllerkuchens die strahlende Sonne dar
stellen. In Reutlingen nennt man jenes
Backwerk Mutscheln. Der Mutscheltag
fällt aber erst auf den Donnerstag nach Fig. 2. Reutlinger Mulscheiloklßßri‘ll‘llll
dem »Öbersten«. Am Abend dieses Tages ‘
verwandeln sich die Bäckerstuben in Wirtshäuser, in welchen es lebhaft
zugeht: überall werden Mutscheln herausgewürfelt und Wein dazu ge—
trunken. Wehe dem Ehemann, der an diesem Abend ohne Mutschel nach
Hause kehrt! Die Ehefrau rechnet so sicher darauf, daß sie für den
folgenden Tag das Frühstücksbrot abbestellt hat.« Jedenfalls sollte das
Mutschelgeschenk den Fruchtbarkeitswunsch symbolisieren.
Mutschel ist hier so viel wie Mutz, über welches Gebäck wir unten
noch besonders sprechen werden. Die Abbildung, welche Rochholz in
lllustr. Ztg. 1868, S. 228 (vor 40 Jahren) lieferte, stellt ein achteckiges
Sternpentagrammgebäck dar, das auf seiner Oberfläche mit einem doppelt
geflochtenen Teigkranze gekrönt ist, in dessen Mitte eine (volksetymo
logisch veranlaßte?) Teigmuschel (Schnecke) liegt. Da und dort ver
änderte die in ihrer obszönen Form nicht mehr erkannte Mutz (Fleck,
Plätz) ihre ursprüngliche Rhombus-Veneris-Form und wurde ganz und
gar der bildnerischen Bäckerlaune des Mutschenbäckers (Muschabeck,
Mutschler) überlassen, der die Mutz oder Mutschel ganz verschieden formte.
Der »Motzen«— oder »Mutzenbäcker« stellte sie zeitweise gewerbsmäßig als
Festgebäck her, wie der Meichelbäck die Michaelswecken. Es liegt sehr
nahe, anzunehmen, daß die Reutlinger Mutschel ihre Pentagrammform
durch den voraufgegangenen heiligen Dreikönigstag erhalten hat, der als
10

oberster Tag oder Großneujahr ein solches (südliches) Glückssymbol*)


als Festgebäck haben konnte, allerdings unter einem nicht passenden
Namen, der aus der folgenden Fastnachtszeit herübergenommen sein dürfte,
gleichsam antizipiert wurde.

Fig. 3 4. Verchristlichrcs Salomo-b'iegel nul einem koptischen Brutstempel aus Holz (3’) mm dick},
auf dessen Rückseite ein lebensfrischer springeuder Hirsch mit Pflanze im Maul.
(Aus Catalngue des zuniq. Egypt. du ‘.\lusöe de Cuiro XII.)

Am 17. Januar ist »S t. Anton na twelften, nach obersten« in


der Antonius-Woche. Auch dieser Heilige hat durch seinen Kalendertermin
Beziehung zum Neujahrsbrot; das Antonius—Brot, über das wir im Janus,
Vll, 1902, gesprochen haben, war in Norddeutschland ein Schönroggen
brot, das nach volksüblicher Auffassung durch den Segen des heiligen
Antonius ein Heilmittel wurde. »Ock hebbe ick van ein boswichte predigen
ghört, so idt möglich were, dadt men einen schönroggen (Brot) in dusent
stücken snede, so mennich stücke alse man den Tonniges swinen gaf,
so mennich XL aflates (Ablaß) kregh men 0th der Tonniges söge(n)_«
(Schiller-Lübben, IV, 576.) Oberhalb Tiirkheim bei Kolmar im Elsaß liegt
hoch im Wasgenwald der Wallfahrtsort »Drei Ähren« (les trois epinesf);
dort findet sich ein Opferstock mit der lnschrift: Tronc pour le pain de
St. Antoine. Solches Weißbrot, etwa apfelgroß, wird dort (in drei Ähren)
an diesem Tage gebacken und verkauft; es gilt als heilkräftig und Unheil
abwehrend für Schweine, Rindvieh u. s. w. (Gefällige Mitteilung von Herrn
Professor R. Andree.) In Neapel hängt man am 17. Januar den Pferden
und anderen Tieren Kränze von Teigringen (ciambelle = Butterbrezeln),
Kastanien und Haselnußkernen um den Hals und führt sie dreimal um

*) Marenkreuz (nordisch maremerke, marukors, tusse merke), auch das Glücks—


und Gesundheitszeichen der Pythagoräer oder Salomons-Siegel der Judengriechen
(s. Fig. 3«--4), das gegen kaltes Fieber (Saupe, 14) helfen sollte.
ln Antwerpen verkaufte eine deutsche Kartenschlägerin einen sogenannten
Zauberkuchen, der zur Ermittlung von Hausdieben dienen sollte; auf demselben
war das Salomons5iegel mit den Mondphasenbildern aufgedrückt (Katalog Nr. 2081
des Antwerpener Volkskundemuseums). Die koptischen Christen drückten auf ihre
Heilbrote mit Holzstempeln vorne dieses uralte Heilzeichen, das Sonnenrad, und
rückwärts den lebensfrischen Hirschen auf (vergl. auch unter Fastnacht, II), der zum
Symbol des ewigen Lebens wurde.
11

die Kirche herum. (Scheible, VII, 99.) Auch in den Rheinlanden fand am
Vorabende dieses Heiligen ein Schweineschlachten mit Verteilung des
Fleisches an die Armen statt (Lippert, 455); hier möchte noch die Er
innerung an ein Kultopfer nachgewirkt haben. (V. K., XIV, 198; Wuttke”,
129.) Auch in der Schweiz (Glarus) fällt auf den dritten Sonntag im
Januar die Winterkirchweih mit Mahl, Schweinefleisch mit Kälberwürsten.
(A. f. schw. V. K.‚ IV, 293.)
Am 20. Januar ist St. Sebastian*) in den »Iateren twölften«
(Grotefend), nach welchem Kalenderheiligen der Januar Bastian-Monat
(auch Fabian—Man; Weinhold, Monatsnamen 33, 37) hieß. »Fabian läßt
den Saft ins Holz gan«, damit beginnen die Bastlösereime beim An
schneiden des Bastes der Linden- (= Weiden-) Bäume. Im Elsaß wird das
Birnenschnittenbrot (= Hutzelbrot, Klötzenbrot, Schnitzbrot,
Hutzelknopf), die letzte Erinnerung an das weihnächtliche Früchtenbrot,
angeschnitten; daher Sebastian auch = »Schnitz-Baschen« ist. Auch in
Tirol schneidet man am Sonntag vor Sebastian (= Wastl oder Baschi)
die N e uj ah rszelte n noch einmal an; am Sebastians—Tage selbst aber
den letzten. Von St. Stephan (Weihnachtsgebäcke, S. 73) bis St. Sebastian
dauert im Ennstale das Schwartling- oder Scherzenschneiden (An
schneiden des letzten Stückes [Scherzel] Birnenzeltens); darum »geht
Sebastian mit dem Bodenscharz davan«. »Am St. Sebastians-Tage geht
der Saft in das Laub« der Fruchtbäume. In der Gärtnerei zu Bamberg
wurden um diesen Tag herum Eierringe gebacken, nachdem am Sonn
tage vor Sebastian eine außerordentlich feierliche und von allen Gärtnern
besuchte Prozession durch den ganzen Stadtteil, die sogenannte Gärtnerei,
gehalten worden war (Manuskript von Hartmann). Hiermit beginnt also
die erste Anknüpfung an eine Frühlingsfeier; vermutlich sind diese Eier
ringe Brezeln aus Eierteig gewesen.
Am 21. Januar, am St. Agnes-Tag (engl. Agnes-Day, -Eve,
-Night, —Fast), erscheinen nach dem Volksglauben die ersten Lerchen; die
Bienen schwärmen aus, das bereits höhersteigende Sonnenlicht wird be
grüßt. In Görlitz gab es 1851 an diesem Tage das sogenannte Agn ete n—
brot, welches die (damals bekannte) Wallfahrerin Agnes Finger im
15. Jahrhunderte gestiftet haben soll und das im Weinkeller zu geben
verordnet war. (28. Band des Neuen Lausitzischen Magazins, S. 17 ff.;
Hoffmann, Scriptores, I, 2,36.) Nach dieser Quelle wäre das Agnetenbrot
identisch mit den schlesischen Pocheneten (1789 Buchnieten : parvi
panes aulici), welche (nach Weinhold, Schles. Wörterbuch, 13) in Trachen
berg den Hofgärtnern zum Lohne gegeben und auch an das Hofgesinde
und an die Armen verteilt wurden; es war jedenfalls ein mit der be—
ginnenden Frühlingsfeier zusammenhängendes Kultbrot. Nach Angabe des
Herrn Küster wurden solche Bochaniten am Allerheiligen-Hospital zu
Breslau aus ungesäuertem Roggenmehle gebacken und an arme Kranke
gespendet. (S. auch Ostergebäcke, S. 63.)
*) Über das Heilbrot des St. Sebastian-Tages s. Janus, VII, 1902.
12

In den Alpen geht an diesem St. Meinrads—Tage der riesische


Bergdämon (der Alperer) zum letztenmal um. In Einsiedeln (Schweiz)
wird bekanntlich St. Meinrad verehrt und an seinem Namenstage Mein
rads-Strützeln verkauft, das heißt striezelförmige, in der Mitte sich
strotzend verbreiternde Wecken (Schw. A. f. V. K. 1900, 113), welches
Klostergebäck durch die Mönche auch ins Salzburger Benediktiner—Stift
Nonsberg übertragen wurde, dessen Patron seit dem 17, Jahrhundert
St. Meinrad ist. Nach gütiger Mitteilung von Frau Professor Andree—Eysn
werden daselbst M e i n r ad s - W e c k e n an der Klosterpforte an die Bettler
verabreicht, nachdem sie vorher mit Wein (= St. Meinrads-Blut, s. A. f.
Schw. V. K. 1900, IV‚2. 113) geweiht worden; vermutlich handelt es sich
auch bei diesem Gebildbrote um Fruchtbarkeitszwecke der schweizerischen
Winzer, deren Gesindebrauch nach Nonsberg verpflanzt wurde.

Fig. 5. Fig. (j.


Patschkauer Dohle; Ortelsberger Vögelehen; Weckvogel;
Vogel von der Bautzener Vugclhochzeit. _ Patschkauer Dohle.

Am 22. Januar ist St. V i n zen z-Tag »nach weihnachten, als sich
die vöglein zweien« (Grotefend, 80) oder paaren (= Vogelhochzeit). In
der Steiermark wird St. Vinzenz-Tag als »Vogelhochzeitstag« bezeichnet.
Wer Lust hat zum Heiraten, muß an diesem Tage gut aufpassen; wer
die Vögel zu zweit sieht, der trägt im kommenden Jahre noch einen Ring
am Finger, sieht man aber auf den ersten Blick nur einen Vogel, so heißt
es warten bis zum nächsten Jahre. In Bautzen (Sachsen) ist die soge
nannte Vogel h ochzeit (ein vermutlich aus dem slawischen oder grie
chischen Osten übernommener Volksbrauch, s. 9. und 10. März) am
25. Januar (vor Pauli Bekehr—Tag), wobei niedliche Tauben
vögel (ganz ähnlich den Patschkauer Dohlen [s. Fig. 5 u. o] des
Maria Geburt-Tages, 8. September) und Sto rc h e n n e ste r aus krausen,
wirren Teigschlingen gebacken werden. Die Bautzener Mutter erzählt
ihren Kindern: »Am 25. Januar verheiraten sich die anwesenden Vögel
und feiern Hochzeit; sie bauen von Steinchen kleine Herde, auf denen
Hochzeitsgebäck hergestellt wird. Artige Kinder dürfen am Vorabend ein
Tellerchen heraussetzen, auf welchem sie dann am Morgen das Hochzeits
gebäck der Vögel vorfinden.« (Gefällige Mitteilung von Frau Gaul in
Dresden.) Mit den Frühlingsvögeln ziehen auch die für Fruchtbarkeit der
Erde günstig gesinnten gütigen Elben ein, die sonst auf Neujahr auf dem
13

Glückstische ihre Speiseopfer auch in dieser neuen Zeit finden, und die
dann zur Belohnung andere Glücksgaben einlegen. Diese Speiseopfer an
die guten Seelengeister verwandelten sich dann in ein Gesinderecht dieser
Frühlingszeit, des Beginnes einer neuen Jahreszeit.
Seit 678 ist der folgende Tag:
26. Januar, ein Festtag, St. Pauli Bekehr, engl. St. Pauls—
Day, St. PauI—Pitchers-Day (Peitschentag), nord. Pals messe, Souwels Be—
kehrung, Pauls—Tag der Kerung, Pauls Kertag, Pauls Ker (Grotefend, 67),
St. Pauls—Tag im afterwinter. Mit diesem Wetter— und Lostage kehrt der
Nachwinter dem Frühling zu; es ist die Wintermitte der christlich—
deutschen Kalendermacher. Wenn an diesem Lostage Nebel eintreten,
so kommt nach dem Oberpfälzer Volksglauben (1650) Sterben ins Land,
da die von der Sonne nicht vertriebenen elbischen Nebelgeister Krank—
heiten bringen. Man scheint in alter Zeit diesen Tag besonders gefeiert
zu haben. Beim alten Mittwinteropfer (s. Weihnachtsgebäcke 4) baten die
germanischen Nordländer Odin um guten Jahresertrag und um Gedeihen
der Saat. (Mogk, 109): »Ea skyldi b16ta i m6ti vetri til ärs (Jahresglück)
en at mic‘ljum vetri blota til grödrar (Fruchtbarkeit), hit Eric‘lja
at sumri Eat var sigrblöt« (Siegesopfer) (l. eod.). Dieses Mittwinterfest,
das sozusagen alle winterlichen Bedürfnisse und Genüsse, Bräuche und
Anschauungen noch einmal zusammenfaßte, hatte viel Ähnlichkeit mit dem
weihnächtlichen Julfeste (s. Weihnachtsgebäcke). Im Altfriesischen war
aber auch Weihnachten oder Jul die Mittwinterszeit, wie im Altgerma—
nischen überhaupt; auch im Münsterlande ist noch das Weihnachtsbrot
ein »Mittwinterbrot« (Bahlmann, 352); im Saterland heißt dieser Tag
auch »Dickbauchsabend« wegen der Schmausereien, die an demselben
wie beim Julfest üblich waren; dort werden auch sogenannte Puffert
aus leckerem (puff = blasen) aufgeblähten Teige (Puffbrot) gebacken
(1623, pof oft poffenbrood : panis albus spongiosus, SchilIer—Lübben, III,
384; ndl. poffertje, mnd. puffe) und dazu ein halber Schweinskopf mit
Kartoffeln und Senf als Festbraten aufgesetzt. (Z. d. V. f. V. K. 1893, 269.)
In Lerwich (Schottland) wurde am 24. Tage nach dem (alten) Neujahre
(Epiphania) die Julzeit ebenfalls mit Schmausereien und Maskeraden be—
schlossen, womit wohl auch das »Peitschen« auf PauIi—Pitcher—Day zu
sammenhängen dürfte. (Hazlitt, ll, 607, 485.) Jahn, 295, führt einen nieder
ländischen Brauch des St. Pauli Bekehr-Tages an: »Superstitiones et
Iudicrae observationes nostratium pontificiorum in hac urbe circa festum
conversionis Pauli plane non cessant. Paulum quendam stramineum in
angulo aliquo prope focum (ll, ubi placentas coquunt, collocatum pla
centis buttyratis (Butterfladen) quasi colaphisant, siquidem
dies sit serenus aut sine pluvie; sinsecus stramineum suum idolium
inde tollunt usque ad aquas baiulant et in eas proiiciunt.« (Wolf, Beitr.‚
II, 109; Grimm, DM.,‘, I, 51; Rochholz, II, 96.) Hier erhält also der wie
ein Hausgeist am Hausherde (s. u. Lichtmeß) aufgestellte Vegetations
dämon aus Stroh sein Speiseopfer als Butterfladen am St. Pauli Bekehr-Tage,
14

wobei für die Mitbewohner auch Küche] gebacken werden. Ebenfalls


in den Niederlanden spielt das St. Pauls-Brötchen eine Rolle
als Pflugbrot oder Apotropäon gegen den unterirdischen Saatwurm.
Früher pflegten nämlich die Bauern aus dem Lande von Aalst,
wenn ihre Früchte durch Würmer geplagt wurden, ihre Zuflucht zu
nehmen zu den weitbekannten St. Pauwelbroodjes von Galmaarde,
einem brabantischen Dorfe bei Gerhardsbergen; man vergrub einfach
diesen Wurmkuchen, wobei man Sorge trug, daß dieser tiefer stak als
die Pflanzen wurzelten; so wurde das Ungetier gezwungen, noch tiefer in
den Grund zu kriechen als der Kuchen lag, und die Saatpflanzen waren
von ihm erlöst (V. K., XIV, 218\ (vergl. auch die oberösterreichische »Vieh—
störl« am Faschingsonntage).
Hier ist gewiß nicht die Rede von einem Analogiezauber, der etwa
durch das Bild der runden Sonnenscheibe (= runder Brotlaib) die Sonnen
wärme rascher herablocken sollte, vielmehr ist es das Speiseopfer an den
Vegetationsgeist der Kultzeit, das zum Apotropäon wurde. An diesem
Kultopfer nahm das Gesinde ebenso durch Mitgenuß der Kultspeise An
teil. Auch die Klosterherren von Schäftlarn bei München feierten jährlich
um Pauli Bekehr ein Gedächtnisfest, ließen nach dem Gottesdienste drei
Banzen Bier für die armen Dienstleute laufen und reichten diesen eine
Spende von Hefenudeln. (Sepp, 348; Noö, Bayer. Voralpen, 45.) Auch
die Tegernseer Mönche erhielten 1536 um diese Zeit an Stelle eines
Mittwinterbrotes am
2 8. J an u a r einen Lebze lte n als Extraspeise (Germania, lX,192)
nach altem Brauche, hinter welchem vielleicht ein ehemaliges Speiseopfer
an den Hausgeist stecken kann.
Von dieser Winterkehrzeit ab nähert sich der landwirtschaftliche
Kalender dem sogenannten Auswärts (Oberbayern), den (ndd.) üt-dagen
oder der längeren Tageszeit des Lanks (Lenz), in welcher Zeitperiode
die Außenarbeit wieder von den Dienstboten mehr aufgenommen werden
kann, weil der Tag länger wird (ahd. lengzo, lenzo, lengizin; angels.
lencten, langtin; engl. lent = Fastenzeit oder Lenz). Die Acker- oder Boden—
wirtschaft der deutschen Klostermönche lehnte sich bei Gesinderechten,
namentlich vor dem Beginne der Saatzeit im Lenz, sicher an das Boden
ständige, Hergebrachte, Volksübliche an.
Zu den Lichtmeßgebäcken sind auch zu rechnen die am
31. J anuar oder 1. Februar bei Innsbruck gebräuchlichen
St. lgn atz i - B rote, nach gefälliger Mitteilung des Herrn Regierungsrates
v. Hoermann in Innsbruck. Eine besonders auffallende Form haben die
selben jedenfalls nicht; es ist eine einfache Schichtsemmel.
Bezüglich der am
2. Februar üblichen Lichtmeßgebäcke, über welche wir
schon in der Z. d. V. f. V. K. 1905, S. 312, geschrieben haben, wollen
wir hier nur als Nachtrag einfügen, daß fast alle Gebäcke dieses Tages
für einen häuslichen Seelengeister- oderHausgeisterkult
15

a m H e rde beim Beginne eines neuen Hauswirtschafts- oder Dienstboten


jahres sprechen, einen Kult, den wir auch oben am 26. Januar bereits
nachweisen konnten. Der Ofen oder die Herdstätte, »wo die Heiligen in
die Töpfe gucken« (Schlörscheid im Bergischen), ist »das Hel«, um welches
man im Bergischen Braut und Bräutigam geleitete, das (schwed) ugnhol
(Ofenhöhle), die (altbayer) Hell, wo die »Hellküchel« aufbewahrt werden.
Der Hausherd, die älteste Begräbnisstätte, wo der herkömmliche
Wichtelstein später durch die gußeisernen Hauswappentafeln im Edelsitze
abgelöst wurde, und wo die Penaten und Lares und die Wichteln bild—
liche Verehrung erfuhren, war die Stätte des häuslichen Ahnenkults; ihm
klagte man sein Leid*) und dort vergrub man bei den Römern die Opfer
herlen der Tiere und verschloß sie hermetisch in der rußschwarzen
Mauer; von dort stammt auch die »schwarze Kunst« des Hermes (Alko
hol, Chemie etc). In der Lichtmeßnacht schlichen sich auch in Buxtehude
die heiratslustigen Mädchen, und Witwen zum sogenannten Ofenanbeten,
wo sie sprachen: »Aben, Aben, ick bed di an! Bescher’ mi up’t Johr en
netten Mann, De god straken un küssen kann.« (Niedersachsen, XIII,113.)
3. Februar, St. Blasius-Tag, engl. Blazes Day; Blasiusdach,
Plesiusdag, Bleisgendach. (Grotefend)
Über das St. Blasien-Brot haben wir in Z. d. V. f. V. K. 1904,
S. 431, bereits gesprochen, daß es ein Heilbrot aus römischer Neujahrs
zeit ist mit den Symbolen der Fruchtbarkeit. An manchen Orten Tirols,
so auf dem St. BIasien-Berge bei Innsbruck, werden nach dem soge
nannten Einblasigen am 3. November Brötchen in Stangenform, mit fünf
bis sechs kleinen Einkerbungen versehen, an das Volk verteilt als Schutz
mittel gegen Halsleiden; hat jemand ein solches, so braucht er nur einen
solchen Abbiß von dem St. BIasien-Brot zu sich zu nehmen und zu ver
zehren, um geheilt zu werden. (v. Hoermann, Tiroler Bauernjahr, S. 196.)
Auch die Bosniaken geben am St. Blasius-Tage den Schweinen
Kukuruz zu fressen, damit sie vor Halsdrüsenanschwellungen (Rankkorn,
s. d. Verf. Krankheitsnamenbuch, S. 299) gesichert bleiben. (Z. f. Ö. V. K.
1902, S. 115.) Im Russischen ist der 11. Februar der St. Blasius—Tag und
ein Fest für die Kühe, welches (nach Yermoloff, 71) mit dem Feste des
russisch—heidnischen Hausgötzen Welles zusammenhängen soll. Man be
sprengt dort das Vieh mit Weihwasser. »St. Blasius hat den Bart im
Öl,« sagt der Russe, eine Erinnerung an die Ölspenden beim Opfer an
den slawischen Welles, meint Yermoloff, 72.
4. Februar: Veronika (Verena).
Im schwäbischen Volksbrauche ist diese Heilige eine Venus (Freia,
Fru Fräne nach Meyer, Mythol. d. Germ., 19) unter christlichem Gewande_
Nach Rochholz (Drei Gangöttinnen, 143) ist die schweizerische Vrene die
Patronin der Schiffer (ahd. verenna = Fahrschiff), der Fischer und Müller,
*) Über diese Ofen beichte s. Grimm Mytholß, 5.595; L. Tobler Kl.Schriften
1897, S. 81, 84, 93, und Liebenau, Das alte Luzern, 229. — Ofenbeten s. Zeitschr.
Niedersachsen 1907, XIII, S. 113—14.
16

weil dort um diese Zeit die Flüsse eisfrei werden. Sie trägt als Legenden—
zeichen einen schwimmenden Mühlstein oder einen in Brot verwandelten
Stein oder Kamm; als Brotheilige wurde sie auch Aussatzpatronin
und tritt in Krankheitssegen als Vrene oder Dörrewegl auf. (Weinhold,
Verehrung der Quellen, 26; Lütolf, Sagen, 86; Simr'ock, Handb. d. Myth.,
392; Verf. Krankheitsnamenbuch, 392.) Sie war die Heilige des Bistums
Konstanz, dem fast das ganze schwäbische Württemberg angehörte; loka
lisiert ist ihre Legende in Solothurn und Zurzach im Aargau; sie gibt
Buben (die heilige Ottilia Mädchen), sie hilft Gebärenden durch ihren
Gürtel etc. (W. Hertz, Aus Dichtung und Sage, herausgegeben von R. Voll
möller 1907, S. 167.)
Acht Tage später, 11. Februar, kamen im 17.Jahrhundert in der Nähe
von Rouen die heiratslustigen Burschen und Mädchen in der Kapelle der
heiligen Veronika zusammen; sie trugen in der Hand Phallusgebäcke mit
zwei Testikeln, in welchen als Vegetationszeichen Ilexzweige (Immergrün)
steckten (Blanchard). (Zentralblatt f. Anthropol. 1906, S. 19.) Als Parallele
zu anderen deutschen Volksbräuchen ist diese Mitteilung hier eingereiht,
welche lehrt, daß man sexuelle und vegetative Fruchtbarkeit analog zu
befördern suchte (vergl. unter Fastnacht und erster Fastensonntag). Dem
Volke war für beide Arten das Erflehen des Gottheitssegens unter Nieder
legung der Wunschsymbole früher ein religiöses Bedürfnis; wir werden
auch beim Fastnachtsküchel diese Kultweihe noch treffen._l
5. Februar, St. Agathen-Tag. Acten, aitentag (Grotefend) (in
der Schweiz am 5. Jänner, also noch im Neujahrszyklus gefeiert). In ihrer
volkstümlichen Stellung ist St. Agatha eine durch die Kirche eingeführte
Nachbildung der sizilischen Bona Dea, der guten Getreidegöttin, der man
Mehl, Weihrauch und Früchte opferte, oder der damit identischen Juno
Lucina, Bona Dea lucifera, die wir bei der Lichtmeßfeier (s. oben) be
sprochen hatten. Die heilige Agatha befreite die Stadt Catania in Sizilien
von Pest und Hungersnot,wurde deshalb Brotheilige; an ihrem Gedenk—
tage pflanzte man auch Bohnen als Volksnahrung. (Rolland, Flore popul.‚
IV, 195.) Diese unter Diokletian ihrer weiblichen Brüste beraubte und nach
der Legende in glühenden Kohlen gewälzte Jungfrau wurde, wie Sankt
Antonius (s. oben), zur »Brand«-Patronin. Das an diesem Tage gebackenen
St. Agathen-Brot, das sicherlich nur ein zeitlich hinausgeschobenes
Neujahrsbrot ist, konnte nicht nur den »Brand« auf den Getreidefeldern,
sondern auch den »Brand« als Krankheit (s. Krankheitsnamenbuch, S. 66),
Pestseuchen mit Ergotismuskomplikation verhüten. Geiler v. Keisers
perg (1516) erwähnte zuerst des St. Agathen—Brotes als Mittel gegen
Feuer, (Kotelmann, 241); man wirft es ins Feuer (Wuttke "‘, 294, 401),
wie auch die sogenannten Agathen-Zetteln (1561, Agathas Letters, Hazlitt,
l, 2); es schimmelt nicht und bringt den Flachsfeldern Segen (Wuttke,
ä 175.) Am Agathen-Tag läßt man im lsentale und im Glarus Agathen—
Mehl und -Korn segnen,welche das Jahr hindurch als Präservativ gegen
die sogenannten »hitzigen« Krankheiten aufbewahrt werden.(Schweiz. ldiot.,
17

I. 125, IV, 218). Im Kanton Zug werden die Agathen—Brote am Vorabende


schon in den Bäckereien eingesegnet. (Schw. A. f. V. K., I, 211.) Auch im
bayrischen Isarlande wurde das Agatha-Brot geweiht und namentlich
(nach ihrer erwähnten Legende) den Brustkrebskranken gegeben. Im
Glatz’schen löscht das Agathen-Brot das Feuer. (Kühnau, Die Bedeutung
des Backens, 11.) Ein Älpler, der in seine verwünschte Sennhütte eintritt,
wo die Berggeister seine stehengebliebene Geiß zu fressen im Begriffe
waren, gewinnt diese wieder, als er mit Feuerstahl und (brandlöschendem»
Agathen—Brot und von seinem Hunde begleitet daselbst erscheint. (Kühnau,
I. c. 40). Im schweizerischen Frei— und Kelleramte bringen am Agathen
Tage, der in schwäbisch-alemannischen Diözesen mehr gefeiert wird, die
Leute Brot in Laiben, Wecken oder Stücken in den Morgengottesdienst
(wie sonst auf Ostern), legen es auf den Muttergottesaltar oder auf die
Stufen desselben, wo es dann vorn Priester gesegnet wird. Nach der
Heimkehr ißt jedes »eppen es Möckli« davon (Communio an der Gott
heitsspeise). Die Bauersleute geben aber auch von diesem gesegneten
»Agete—Brote« jedem Haupt Vieh, das sie besitzen, Schweine und
Hühner inbegriffen, ein Stücklein, der Rest wird gedörrt und an einem
trockenen Orte aufbewahrt; es verhält sich also wie ein Jul— oder Neu—
jahrsbrot (s. Weihnachtsgebäcke, S. 25 ff), es soll ebenfalls nicht schimmeln.
Tritt in der Familie ein Krankheitsfall ein, so kocht die Mutter dort nach
altem Brauche gewöhnlich »e gröstni Suppe« und verwendet dabei etwas
Agathen—Brot; ebenso erhalten Kälberkühe und Kitzligeißen ein wenig
Agathen—Brot, wenn sie den schweren Moment der Entbindung über
standen haben. (Schw. A. f. V. K., IX, 49 ff.)
In St. Gallen ist das Agathen—Brot auch ein Mittel gegen das Heim
weh (zum Eingewöhnen wie das Neujahrsbrot) oder auch ein Einstands—
brot für die neu ins Haus gekommenen Dienstboten (St. Gallen, 640;
Schw. A. f. V. K., IX, SO); es wird auch dem sogenannten Malefizpulver
für verzauberte Menschen beigefügt und gegen Getreidemißwachs ins
Samenkorn gelegt (Birlinger, I, 422,429); es hilft als Opferbrot apo—
tropäisch gegen böse Geister und läßt Ertrunkene im Wasser finden.
(Schw. A. f. V. K.‚ X, 226.)
Dieses Agathen—Brot, welches wie das Johannes-Brot mit Lichtlein
besteckt, auf dem Wasser schwimmend durch sein Stillestehen den Ort
anzeigt, wo der Ertrunkene liegt, stellt kaum den Körper oder das Licht
die Seele des Ertrunkenen vor (Z. d. V. f. V. K., XVII, 373); wozu sollte
es denn gerade geweihtes Agathen—Brot sein? Es ist wohl eher als Opfer—
brot (mit Licht*) zu deuten, damit die Flußgeister den Toten heraus
geben, nachdem sie ihr durch den Kulttag geweihtes Opfer erhalten

*) Auch beim Füttern des Viehes in der heiligen Weihnachtszeit im Holstein—


schen setzt man vor die Krippe ein Licht (Biographie F. Hebbels’ von Emil Kuh
1907, I, 39) als Zeichen der Opfer-Communio an dem Segen der Kultzeit, in der die
holden Geister versöhnt und die Unholden ferngehalten werden.

Zeitschrift für österr. Volkskunde. XIV. Suppl.-H. V. 16


18

haben. Auch im Badischen ist das Agathen-Brot ein solches Mittel. (Meyer,
B. V. L., 507.) Das Opferbrot kann auch wie jedes Opfer zum Apotropäon
werden. In der Vall6e de Bagnes (Schweiz) läßt jede Haushaltung am
Agathen—Tag ein Brot weihen, welches dann wie das Neujahrsbrot an die
Familienmitglieder und Haustiere zur Sicherung vor den bösen Dämonen
(Folatons) verteilt wird. (Schw. A. f. V. K. 1901, S. 48, II, 69.) Im Aar—
gauischen wird das Agathen—Brot in Gestalt eines M u l ts c h e n —W eggeli
(ein kleiner Wecken aus dem Teige der sogenannten Molterscharre, die
aus der Brotmolter ausgekratzt wird) hergestellt und an die Einwohner
verteilt, wie ein Sippenbrot beim Totenopfer. Den Zusammenhang des
schweizerischen Agathen-Brotes mit dem Neujahrsbrote ersieht man, ab
gesehen von der Feier des Tages am 5. Januar, auch noch aus den schon
erwähnten Agathen—Zetteln, die die Anfangsbuchstaben der heiligen drei
Könige (C —l— M —I— B) aufgeschrieben tragen und auf dem Brote selbst
befestigt werden; ferner aus seiner Benützung als Losbrot, wofür (nach
gefälliger Mitteilung von Herrn Dr. Stückelberg im Rechnungsbuch des
Klosters Klingenthal, S. 249) ein Beleg aus dem Jahre 1446 vorliegt:
»Uß sannct Agat brot geloßet.« Auch E. Hammarstedt (Omen fornordisk
ärstredelning, 253) gibt zu, daß das schwedische Jul- (Neujahrs-) Brot die
selbe Rolle spielt wie das St. Agathen-Brot. In Schweden ist es auch, wie
das schon erwähnte niederländische St. Pauls-Brötchen und wie der
nordische Julkuchen, ein Pflugbrot (Hammarstedt, Säkakan och Säöl, 249),
das als Opfer an die unterirdischen Geister auch zum Apotropäon wird.
Auch bei den griechisch—katholischen Russen wird das Agathen—Brot ge
weiht, in das man kleine Stückchen apotropäischen Salzes hineinsteckt;
so gibt man es als hilfreiches Mittel den Kühen gegen den sogenannten
Kuhtod (s. Verf. Krankheitsnamenbuch, S. 740) zu fressen. Man wirft es
auch dort bei Feuersbrunst ins Feuer, das immer als etwas Feindseliges,
Persönliches gedacht wird, oder ins Feld, um die Winde dorthin abzulenken.
(Yermoloff 69.) Auch der männliche St. Agatius »multum valet contra
ignem« (12. Jahrh.) (v. Stückelberg, Die Reliquien d. Schweiz CVIII). Der
für das Saat- und Pfluggeschäft im Lenz so wichtige Agathen—Tag (12. März
in England) war auch in Bristol der Tag für eine Armenspende mit
50 Brotlaiben, miches (Muggen) genannt, mit drei Fastenfischen für je
einen Bettler und einem bushell Erbsen (Hazlitt, ll, 363); hierbei übernehmen,
wie auch sonst zu finden, die Armen die Armeseelenspende; an manchen
Orten erhielten die Schulkinder dieselbe; so am
6. Februar, St. Dorotheen-Tag (Orthiendach, Grotefend, 66).
Im 15. bis 16. Jahrhunderte wurden in Eger die Lehrmaidlen und Schüler
durch den Gemeinderat beschenkt (John, Sitten, 421) = Sippenopfer
Substitut.
9. Februar (des griechisch—orthodoxen Kalenders), St. Pankra—
tius—Tag: »Nicht jeder Pankraz hat viel Brot«, meint das russische
Sprichwort, weil um diese Zeit in manchen Gegenden Rußlands der Ge
treidevorrat zu Ende geht.
19

10. bis 12. Februar, St. Scholastikas—Tag (engl. St.Scho—


lastikas—Day), in Schweden der äsk-herskarinnensdag : Donnerbeherrscher—
(Oswald-) Tag. in lmst (Tirol) findet bereits an diesem Tage ein Fest des
Sonnensieges über den Winterdämon statt als sogenanntes Schemen—
laufen. Der sogenannte Rollerer, eine der Hauptfiguren, schwingt dabei
einen hölzernen Wedel; der sogenannte Scheller, eine Figur mit Frauen
larve, trägt einen bunten Stab, mit Fastenbrezeln behängt. Hexen und
Hexenmutter, auch sogenannte Rußler (geschwärzt) sind mit im Zuge
tätig; ein stark antizipierter Frühlingsbrauch.
14. Februar, St. Valentins-Tag im Hornung, nach der Licht
messen, vor Fastnacht, vor dem vassang. in England schenkte man sich
ehemals am St. Valentines-Day die Valentinchen (wie am 1. Mai die
Philippchen :: Vielliebchen), als »True-Love-Knots«. Nach Hazlitt (ll,
608—11) gibt ein altrömischer Kalender für diesen Tag (14. Februar) an:
»Manes nocte vagari creduntur« (s. 17. bis 21. Februar).
Am folgenden Tage, 15. Fe b r u a r, wurden im altrömischen Kalender
die Lupercalia gefeiert, ein Fest für den sexuellen Fruchtbarkeits
repräsentanten Faunus. Die Luperci schlugen dabei die Frauen (wie die
Tiroler Huttler) im Wettlaufe mit ihren Zeugungsriemen, damit aus Ana—
logie die natürliche Zeugung sie befruchte (A. f. Rel. W., X, 1907, S. 338 ff);
vergl. oben den Peitschertag und unten Heetwecken—Stäupung.
17. Februar, St. Donatus. »Blockfest« im Appenzeller Hinter
lande mit Blockumzug (Schw. A. f. V. K., XI, 253), Fruchtbarkeitsritus.
Der Block oder Baumstamm stellt die Vegetation des kommenden Jahres
dar, die nunmehr wieder ihren Einzug hält.
17. bis 21. Februar.
Das altrömische allgemeine Totenfest der Parentalia (Ahnen), deren
letzter Tag Feralia (= die Gefürchteten) hieß, welches Fest dem alt—
römischen Neujahrsfeste voraufging Die Römer speisten dann die vor
dem Jahreswechsel wiederkehrenden Seelenschatten mit B r ote n und
sonstigen Gerichten ab. »Nunc animae tenues et corpora functa sepulcris
Errant; nunc positu pascitur umbra cibo« (Ovid, Fast, ll, 565) (Feilberg 3,
13; Sonntag, 155; Döllinger: Heidentum und Judentum, l, 541; Neue
Jahrb. f. klass. Altert., Vlll, 1905, 194). Auch in der deutschen Saatzeit
innerhalb des Faschings haben sich die Spuren dieses Seelenkults er—
halten. im alten Rom setzte man aus eigenen Beeten abgepfückte Veilchen,
die Blumen der Proserpina (Persephone), neben Salz, Wein und Brot auf
die Gräber; vielleicht hängt damit auch das schweizerische File- oder
Veilchenbrot*> und das (mhd.) Fial— oder Veilchenmus zusammen, ein
Appenzeller Neujahrsbrot, große scheiben‘runde Fladen mit drei kleinen
sogenannten Schnecken (Hakenkreuzteilen) im lnnern und einem äußeren
Teigflechtensaum, safrangelb auch mit Zuckerviolett (»fialmus wo] mit
fialblumen geferwet«). (Rochholz, ll, 269.)
-— *) DidAbleitung des Fialbrotes oder Filebrotes vom griechischen 39710; (»‘ä'fiww
Brot, philenbrot, das ist gütter lieben fründen brott«) (Schw. A. f. V. K., Xi, 256) ist
nicht annehmbar. ‚_.‚
20

19. Februar, Susanna, die Patronin für Obstbäume, Glocken


und Augen; abgebildet mit einem Apfel.
In der Allg. Schweizerzeitung 1902, Nr. 69, 11. II. 02, schreibt das
Baseler bürgerl. Armenamt aus, daß die Austeilung des Sus a n n a
Brotes an die armen Baseler Bürger am 12. Februar stattfindet, welche
Armenspende, eine Art Armenseelenspende, mit dem altrömischen Seelen—
kult der Parentalia (s. oben) vielleicht zusammenhängen dürfte.
Im schweizerischen Wallis gibt es auch Theodul—Brote; Sankt
Theodul fällt auf den 17. Februar.
Am 22. Februar begann das altrömische wirtschaftliche Neujahr,
das als St. Peters-Stuhlfeiertag, Festum cathedrae Petri, in einigen
Gegenden Deutschlands fortgefeiert wurde, namentlich am Niederrhein:
1421 sinte Peters dach in die Zelle (= sella, Stuhl); 1474 sant peters
stfilung; 1774 sinte Pieters dach in Zelle (vermutlich angelehnt an sulle
= Februar als Seelenmonat [s. Weinholds Monatsnamen, 55]).
Um die Bedeutung dieses auch in Deutschland volksüblichen Fest
tages zu würdigen, muß noch einmal betont werden, daß auf diese Zeit
eine Reihe von Frühlingsgebräuchen fallen, »welche noch Ähnlichkeit mit
den auf Ideen und Vorstellungen des vormaligen Seelenglaubens und
-Kults beruhenden Zeremonien verraten«. (Saupe, Indiculus, 9.)
Wir haben die Gebäcke dieses Tages in der Zeitschrift des Vereines
für rheinische und westfälische Volkskunde 1906, S. 161, besprochen.
Solche Frühlingsfeste der Germanen zogen sich je nach der Lokalität
verschieden lange hinaus, selbst bis in die Maizeit. Man stellte sich dabei
vor, daß die unterirdischen Seelengeister, die während des Winters un
tätig sich ins Innere der Erde zurückgezogen hatten, bei solchen Festen
wieder frisch als neue Vegetationsgeister aus dem Schoße der Erde auf
leben, nachdem der alte Winterdrache oder Riese verjagt werden war.
Da solche Vorstellungen allgemein menschlich sind, so kann es uns nicht
wundern, wenn wir sie bei Germanen, Galliern, Römern und Griechen in
gleicher Weise zum festlichen Ausdrucke gebracht sehen. Längs des
schiffbaren Rheines ist nun gerade der St. Peters-Zechtag ein durch alt
römischen Kultureinfluß hauptsächlich fixierter Frühlingstag, weil er ein
altrömischer Neujahrstag war;*) mit dieser alten Tradition rechnete auch
die Kirche, indem sie für den
23. Februar den Winterschluß und Frühlingsanfang
festsetzte; also war damit auch ein Lostag gegeben wie vor einem anderen
Neujahrstage, so auch am
24. Februar, St. M atthias—Tag (westfäl. Sünte Tigges Tag). In
der Matthias-Nacht wandern, nach dem zu Rosbach a. d. Sieg verbreiteten

*) Im Odenwald ist dieses Gemeindejahr im »Hebregister von petri 1682 bis


dahin 1683« bestätigt (Hess. Bl. f. V. K., II, 1903, S. 34), auch war an diesem 22. Februar
der Dienstbotenwechsel daselbst. Im Lippe’schen Barntrup fand die Dingung des
Gemeindehirten für das laufende Jahr in der Fastnachtsitzung bei einem großen
Stutenbrote statt. (Z. f. rhein. V. K., V, 74.)
21

Glauben, die Geister derer, die »im nächsten Jahre« sterben werden, zum
Kirchhofe hinaus (A. f. R. W. 1901, IV, 306); also auch hier ist der alte
Seelenglauben vor dem neuen Jahre lebendig geblieben. Im Bergischen
erscheint in der Matthias-Nacht der Geist der Geliebten in der Mitter
nachtsstunde (Schell, ll, 40‘), und mit Vorliebe wird der Matthias-Tag als
Liebesorakeltag gewählt. Die vegetative Fruchtbarkeitsfrage und die sexu
ellen Hoffnungen soll dieser neue Jahrestag voraus verkünden; der Tag
ist, wie viele andere Tage im Fasching und Lenz, auch ein Weibertag.
»Bei mehrtägigen Festen, wenn sie (wie auch das Neujahrsfest) alt
germanischen Ursprunges sind, spielen heute die Männer, morgen oder
übermorgen die Weiber die Hauptrolle und umgekehrt. Das Weiberfest,
welches sich dem Petri—Tage anreiht, fällt auf den folgenden Matthias
Tag«. (Zeitschr. des bergischen Geschichtsvereines, XI, 87.) Diese Männer—
und Weiberbündnisse entspringen vielleicht einer uralten sexuellen Ab—
stinenzzeit, die vor der Pflug- und Saatzeit als religiöser Lenzritus ein—
gelegt worden war und die nach dieser Periode dann zur orgienartigen
geschlechtlichen Vermischung, die sich in der Faschingszeit am meisten
fIeischlich-sinnlich äußerte, überging. Solch alte Volksbräuche müssen
sich denn auch unter den Gebäckformen der Faschingszeit bemerkbar
machen.
In den Gebildbroten dieser Faschingsperiodel sehen wir also haupt
sächlich die süßen Heilbrote der vorangegangenen Neujahrszeit, die Vogel—
gebäcke der deutschen Frühlingszeit und leise Spuren eines germanischen
Seelenkults der eigentlichen Lenzzeit verkörpert. Weit deutlicher ist der
Kult der Hausgeister vor dem Frühling angedeutet. Hakenkreuzgebäck
fehlt, andere Glückssymbole (Pentragramme) aus Teig beziehen sich wahr
scheinlich auf die vorangegangene Neujahrszeit.

II. Die eigentliche Faschingszeit.


(Schwed. fastlag : Fastenrecht; dän. fastelavnstid.)
A. Fastnachtdonnerstag: Bayern: Faselnacht— Pfinztag;
Donnerstag vor dem Sonntage Esto mihi (oder auch Invocavit). Westfalen:
(1386) Lütken oder Iütker, lützel fasselawent; kleine Fastnacht (im Gegen—
satze zum großen Karneval). Rheinland: Schwerer Donnerstag. In der
westfälischen Mark und im kölnischen Süderland, wo die Zimbertsburschen
ihre Gaben einsammeln: Simpers—, Zimbertsdach (Simperstag), Tag des
Semperlaufens, sonst auch: wütige Fastnacht, tumbe Fastnacht, wütiger
Donnerstag(Grotefend). Im Eifelgebiet: Weiber—Donnerstag (Z. f. d. Mythol.,
l, 89, 386, Grotefend s. oben); Weiber— oder Pfaffen—Fastnacht, sonst auch:
fetter, feister, unsinniger, toller Donnerstag. (Schweiz) schmotziger Donstig;
(fetter) schmutziger Donnerstag (Pfinztag in Bayern); Gumpeter, Gümpeli
Donnerstag (Augsburg); Schübel-Donstig (schmutziger) (St. Gallen 627);
lumpiger Döschta (Donnerstag) (Oberbayern); Bauern-Jahrtag (Oberbayern);
in die Zeche gehen (Eger). In England heißt derselbe (Leeds): Fritter
oder Frutters—Thursday wegen des dicken, kleinen Schmalzgebäckes mit
22

Korinthen. (Krapfen P) (Fricatum, fritilla, fritatus, Iiba fricatus : genus


liborum; Eierkuchen in Schmalz geröstet oder gebacken; D., I, 247, 326;
II, 182; Hazlitt, I, 247); schwed.: Fastel avens Tirsdag.
Über die volksüblichen Fastnachtsgestalten in der Schweiz, Ölgötze,
Chrungele, Chride—Gladi, Elsi, Hänsli und Gretli (Personifikationen der
beiden Lenzeshälften) s. Hoffmann—Krayer in Schw. A. f. V. K. 1907, XI,
241. Zu den Gebräuchen der frühen Lenzesfeier gehörten: Der Mummen
schanz, das Bärenumführen, das Hahnschlagen, der Schwerttanz, das Auf
stäupen und das Pflugumführen, das Sommer- und Winterspiel, Fastnachts
spiele etc. Im Inntal laufen die Huttler, welche an ihrem Gurte, Schnur,
oder Peitsche Semmeln und mehr als 50 (Fasten-) B re z e In hängen haben;
vielleicht lassen sich dieselben als Vegetationsgeister deuten, denn je
mehr Huttler laufen, um so höher und schöner werden Flachs und Mais;
sie schlagen mit ihren ledernen Riemen oder Peitschen auf die jungen
Weiber, für die sie eine Kinderpuppe mitbringen.
In der Schweiz werfen solch vermummte Gestalten Nüsse oder
Mandelkonfekt aus, »sie nüsseln« (Schw. Id., IV, 830), das heißt sie
machen fruchtbar, ein symbolischer Übergießungsbrauch, dem wir im
Frühling (und bei Hochzeiten) öfter begegnen. Auch die später noch zu
erwähnenden Lüneburger Sülzer werfen sogenannte Handbohnen aus.
Die Frau des thüringischen Hörselberges zeigt sich nur am Fastnachts
donnerstage (Scheible, IX, 547), und im Mansfeldischen (Thüringen) zieht
das wütende Heer alle Jahre um diese Zeit durch. (Witzschel, I, 137.)
»Ich habe neben andern gehöret dz zu Eißleben und im gantzen Lande
zu Mansfeld das wütende Heer, also haben sies genennet, hürüber gezogen
sey, alle Jahr auff den Fastnacht-Donnerstag, und die Leute sind zuge
lauffen und haben darauf gewartet, nit anders als solte ein großer und
mächtiger Kayser oder König fürüberziehen. Vor dem Hauffen ist ein alter
Mann hergangen mit einem weißen Stabe, der hat sich selbst den treuen
Eckhart geheißen etc.« Die Hexen, die in dem Faschingsfeuer verbrannt
werden, sind vermutlich als die plagenden, unholden Vegetationsdämone
aufzufassen; ihre Gestalten decken sich mit den Fastnachtsputzen und
Larven. (1587 poetzmanner v. Faßnachtslarven : maniolae D., I, 347;
Iarvae = plagunculae Macrobii; conf. Lobeck, 1079.)
In Österreich erscheint an diesem Tage das »Pfinztag-Weibel« (Ver
naleken, 293) in Schwaben das »Holler-Mütterli« (Birlinger, II, 147) und
in der Schweiz das »Heu-Mütterli«. In Schweden verzehrt an diesem
Tage das Hofgesinde ein Stück des bis dahin aufbewahrten Julgalts
(s. Weihnachtsgebäcke, S. 59 ff), eines Gebildbrotes, das den Juleber im
Namen vertritt (Feilbergi 192); es ist dies eigentlich ein Überbleibsel
des Mittwinteropfers, das für den Segen der Pflugarbeit gegeben wird
(»til god afgrode«); auch andere Julbrote, nicht bloß eberförmige, werden
bis zur Saatzeit aufbewahrt, nachdem sie vorher den unterirdischen und
Hausgeistern, die die Vegetation gut und schlecht beeinflussen können,
in der Mittwinterzeit gespendet worden und unberührt (für dieselben
23

allein) auf dem Jultische (Tabula fortunae) gelegen waren; also nicht der
Analogiezauber läßt solche Gebildbrote erklären, sondern der Seelenkult.
Abgeblaßte Erinnerungen an die Speisung dieser Vegetationsdämonen
sind vielleicht für diesen Fastnachtsdonnerstag:
1. Das sogenannte Marschallessen im Cafe Marschall in Rapperswyl
(St. Gallen) (St. Gallen, 627), woselbst früher der uralte grausame Brauch
des Katzentötens (s. unten) stattfand, indem man eine Katze, in einer
Schweinsblase verbunden, vom Turme herabwarf. (Lütolf.)
2. Das Essen der sogenannten Brögelerbsen (gebrockte Erbsen)
im Egerland (John, Sitten, 37), vielleicht der Rest eines Opfers an die
Windgeister.
3. Die sogenannten Ofenplenten in Trient (Zingerle, Sagen, 84),
eine am Ofenfeuer gebackene Polenta mit Speck und dergleichen gemengt.
(Conf. Casaubon. Athen. XIV, 924: »Galenus narrat populos quosdam
esse, qui alphitis hoc [polenta] est; farina facta e probe tostis hordei re—
centis granis utantur loco panis.«)
»Knödel, Nudel, Nocken, Plenten sein der Tiroler vier Elementen«
oder »Nudel, Sterz, Nocken, Plenten sein der Bayer vier Elementen.«
(Z. d. V. f. V. K., IV, 30.)
An diesem Tage machen sich wieder die Weiberbündnisse bemerk—
bar, wie schon der Name »Weiberfastnacht« für dieselbe spricht. Scheible,
VII, 792, führt diese an für das württembergische Dorf Ochsenbach. Das
Unterhaltungsblatt zur »Straßburger Post« vom 25. Februar 1900, Nr. 166,
schreibt:
»Eigentümliche Bräuche, die aber zumeist auf ein Zechgelage der
Frauen hinauslaufen, knüpfen sich an den Donnerstag vor Karneval, an
die sogenannte Weiber- oder Pfaffenfastnacht. An diesem Tage haben die
Frauen das Regiment. Sie werden auf Kosten der Gemeinde mit Wein
bewirtet und dabei sogar von den Gerichtsbeamten bedient. Doch wird
auch Gericht abgehalten, sowohl über nachlässige und unordentliche
Hausfrauen, als über schwatzhafte, die von dem vorjährigen Gelage aus
geplaudert haben; sie müssen zur Strafe allein am Katzentisch zechen.
In der Eifel durften die Weiber eines jeden Dorfes im Gemeindewalde
einen Baum fällen, dessen Erlös von ihnen gemeinsam vertrunken wurde.
Fast übereinstimmend wird für die Entstehung solcher Bräuche erzählt,
daß eine Gräfin, nach anderen eine Königin, die Anordnungen zugunsten
der Weiber getroffen habe. Natürlich liegt der Sinn der Sage tiefer, und
an die Stelle der gütigen Dame ist eine Göttin zu setzen, deren Name
das Volk, als es christlich geworden, nicht mehr nennen durfte. Auf der
anderen Seite aber ist ein Anklang an das vornehme römische Fest der
bona dea bei der Weiberfastnacht unverkennbar, ja vereinzelt wird diese
in Süddeutschland sogar das Fest der »Bonnen Deen« genannt. Auch bei
den Mysterien der bona dea nämlich war alles Männliche streng ausge
schlossen. Man ging so weit, die Bilder männlicher Tiere zu verhüllen,
und als Clodius Pulcher, der Geliebte von Cäsars Gemahlin Pompeja,
24

sich als Frau verkleidet bei der Feier einschlich, wurde er wegen Reli
gionsverletzung öffentlich belangt. Es soll übrigens bei den deutschen
ebenso wie bei den römischen Weiberfesten nicht gerade zart zugegangen
sein. In Köln bestand die besondere Belustigung der Weiberfastnacht
darin, daß sich die Frauen gegenseitig die Hauben abrissen, und auch
heute, wo auf den Dörfern die Frauen noch sehr auf ihr besonderes Fast
nachtsrecht halten, während in den Städten fast lediglich die Marktweiber
davon Gebrauch machen, sind Anmut und edle Sitten nicht eben das,
was zu den Gepflogenheiten des Tages gehört.«
Diese Weiberbündnisse der Faschingszeit erinnern auch an die
Weiberfeste bei den griechischen Dionysien, welche zu Fruchtbarkeits
zwecken*) abgehalten wurden. Dieser Parallelismus zwischen animalischer
und vegetativer Fruchtbarkeit geht durch die ganze Welt (Nilsson 283, 322);
geschlechtliche Abtrennung (Abstinenz) gehörte ehemals zum Kult zu
gewissen Zeiten bei den verschiedensten Völkern.
B. Fastnachtfreitag. Er heißt in Oberbayern pframiger (fett
reicher) oder rußiger Freitag; der das Mädchen anrußende Bursche muß
am folgenden Tage demselben ein Geschenk mit Schmalznudeln
oder einem anderen saftigen Gebäcke machen. (Baader, 363.) Der Bursche
holt sich bei seiner Geliebten das Zeitgebäck, dessen Form verschieden
sein kann, dessen Grund aber in Fruchtbarkeitszwecken liegt.
Erwähnenswert sind hier die Veroneser Gnocchi, die vielleicht den
süddeutschen S c h m alz n o c ke n analog sind. (Z. d.V.f.V. K., 1904, S. 320.)
Frl. Elisabeth Lemke schildert dieses Nationalgericht am letzten Freitag
vor Fastnacht (l. eod.) beim sogenannten Gnocchifeste eingehend: »Mas
kierte Männer (»Maccaroni«) mit maskierten Bäuerinnen (Männer in
Frauenkleidung) ziehen mit einem geschmückten Ochsenwagen (carro
trionfale) und anderen Scherzfiguren zum Palaste des Govern'atore, um
diesen einzuladen, in San Zeno »Gnocchi« mitzuessen, wohin das Volk
Mehl, Käse, Wein und Brot zur Herstellung dieses Gerichtes schon ge
bracht hat. Die Prozession mit Mehl, Wein und lorbeerbekränzten Käse
tragenden Kindern teilt vom Triumphwagen aus Brot an die Menge aus.
In ungeheuren Kesseln werden dann auf dem Platze vor San Zeno die
Gnocchi gekocht und ebenfalls an das Volk verteilt. Wie weit dabei etwa
langobardischer Einfluß mitspielt, ist nicht mehr zu bestimmen. Der
Name des Fastnachtsgerichtes spräche für germanischen Ursprung (ahd.
(h)nocch = rundliche Erhabenheit; cnocco = Erhabenheit). Nach der
Tiroler Volkssage (Zingerle, Sagen’, 110) kocht die Hexe Lang—Tüttin
solche »Nocken«.
C. F a s tn a c h ts s a m s t a g (Sonnabend). Im Niederdeutschen
Fastelabend, im Niederländischen Frauchenabend (Weiberbündnis); engl.
Egg—Satur-Day (wegen der kommenden Ostereier?); in Süddeutschland
*) Auch Ares-Mars, der Gott der Seuchen und Frühlingsgott, hieß '{')V1'.7.6
il'‚ivov~ = Frauenschmaus (Nilsson, 407), also auch bei den Griechen waren diese
Weiberfeste an die Märzzeit, den Lenz, gebunden.
25

geschmalzener oder schmalziger Samstag, auch Kässamstag; in der Schweiz


Chüechli-Samsti; in den Niederlanden auch vette zaterdag.
In Stralsund gab es1781 einen Festschmaus an diesem Tage, Fastl—
abend-Fatt genannt (Fastelabendschüsseli, meist aus geräuchertem und
anderem Fleische bestehend. (Dähnert, 114.) In der Abtei in Vreden im
Münsterlande wurde ein halbes Kalb als Fastelabendessen für die Stifts
jungfern zubereitet. (Bahlmann, 299.) Über die niedersächsischen Fastel—
abendgebräuche schrieb 1752 J. P. Schmidt (S. 30): »So ergeben sich
nähere Ursachen, warumb einentheils eben zur Fastelabendzeit so viele
Gastereyen angestellet werden und woher hiernechstens bey solcher
Feyrung just H ettwegge n (s. Fig. unten), Schincken, geräuchert Ochsen
fleisch und Mettwürste alß wesentliche Fastelabendsgerichte zum Essen
aufgetragen, dann auch das sogenandte Fastelabendbringen, Hettweggen
Abstäuppen (s. unten), Hundeschlagen *) und die Vermassqvirungen dabey
betrieben werden.« Im Odenwald kochen am Fastnachtssamstag viele
Leute »für die lieben Engelein« (das heißt für die ehemaligen Seelen
geister) das Beste und Leckerste, was sie nur haben, setzen es auf den Tisch,
öffnen den Engeln die Fenster und legen sich dann schlafen (Mannhardt,
Mythen, 724; Grimm, Mythol.‘, CV, 896, ‘, III, 467; Feilberg’, 329); ein
Brauch, der sowohl am Allerseelentage (s. Allerseelentagsgebäcke, S. 6 ff.)
und an verschiedenen Neujahrstagen da und dort wiederkehrt. Nach
Wuttke", 238, wickelt man im Voigtland am Fastelabend neunerlei (das
heißt glückbrlngende) Speisereste (Pancarpie) vom Abendessen in eine
Tischtuchecke, nimmt das unter den Arm und was man dann (im Freien?)
hört, das wird wahr; ein Opferaugurium, das ähnlich auch an sonstigen
Lostagen vor Jahresbeginn zu finden ist. Am Fastelabend muß man sich
in Mecklenburg neunmal vollfressen (J. B. Schmidt, 49); in der Wetterau
gibt es neunerlei Gerichte, wie auch sonst an heiligen Tagen. (Wolf, Bei
träge, l; Wuttke“, 80.) In Hessen kocht die Hausfrau auf Fastnacht
vielerlei Speisen, springt auf den Herd und ruft: »Häupter (von Kohl)
wie mein Kopf! Blätter (so groß) wie meine Schürze, Dorsen (torso =
Strunk, Rüben) wie mein Bein! (wün‘sche ich mir von den Hausgeistern)«
und springt wieder herunter. (Wuttke 3, 425.) Am schmalzigen Samstag
schickten in Schwaben die Großbauern zu den Söldnern ins Haus und
ließen sie (als Sippenangehörige) einladen, »auf die Fastnacht zu kommen«.
Wer dieser Einladung dann durch den Mitgenuß der Fastnachts—
k'üchle Folge gab, mußte auch »im Schnitte« (Erntezeit) aushelfen. Das
Gebäck war also eine Art Rekognitionsgebühr für erwachsende Pflichten
oder Rechte innerhalb der Sippe (Kurat Frank).
Im Brandenburgischen und Westpreußen gab es sogenannte
Schorrbacken, das heißt große runde Pfannkuchen, ehemals aus
dem letzten Teige in der Trogscharre, Molterscharre hergestellt, die recht

*) Sehr wahrscheinlich ist damit ein Hundeopfer angedeutet; sowohl der


Seelenführer Wodan wie die germanische Todesgöttin Nehalennia erhielten
Hundeopfer.
26

heiß mit Butter gegessen werden Der Schorrback gehörte sonst den
Hausgeistern (Brandenburgia, XV, 397.) In den Niederlanden werden am
fetten Sabbattage »warrem broeike_s« und »heetbrood« ausgerufen als Vor—
läuferessen für den folgenden Tag. (V. K., ll, 127.) Im Kloster Himmels
kron unter dem Köslar erhielt: »item am samstag vor den veisten suntag
den kaplan preylin (einen kleinen Brei), der elczten (= der Ältesten) einer
V krapffen (Fastnachtskrapfen, s. unten) und 11j heydenisch
kuchen mit honig«. (Panzer, Beiträge, ll, 229.) Im Buche von guter
Speise, 5a (15. Jahrh.), heißt es bereits: »diz heizzent heidenisch
kuchen: man sol nemen einen teyc unde sol (den) dünne (aus)breiten
und nim ein gesoten fleisch und spec, gehacket und epfele und pfeffer
(Gewürz) unde eyendar in und backe daz«; sie werden (nach Weber,106)
bereits im Würzburger Kochbuch (14. Jahrh.) nach SchilIer—Lübben,
III, 22, im Mittelniederdeutschen als heidensche Koken erwähnt; es ist
vielleicht ein dem altgriechischen Ölprozpäat; (Fleischkrapfen) ähnliches
Pastetengebäck mit Fleischfüllsel. In der Schweiz aber waren es wahr—
scheinlich sogenannte »Heidenhüllen« (Schw. Idiot, ll, 1160), das heißt in
Schmalz gebackene Hasenöhrl (s. unten); ihre dreieckige Form auf
Thors Hammer zu beziehen, ist nicht nötig, eher sind sie ein Substitut
des Hasenbratens in Teigform, kaum eine Entstellungsform aus der vier
eckigen Raute (Mutz) (s. unten), wie sie der Fastnachtszeit besonders
eigen war.
Am »Samstag vor der Herren Vassnacht« erhielten die Chiemseer
Klosterfischer einen sogenannten »Aiernschmalz« aus 40 Eiern und zwei
Pfund Schmalz zubereitet. (O. B. V. A., 42. Bd., S. 182 ff.) Die Dienstboten
im bayrischen Kloster Scheyern erhielten um 1500 jeder 21 S c h u c h s e n,
ein fast formloses, ausgezogenes*) Nudelgebäck aus Schweine
schmalz gebacken. (Panzer, Beitr., ll, 527.) »An dem Sambtztag
vor herren vassnacht, den man nent den smaltzigen sambtztag,
pacht man den Ehalten einzognew großew Küche], genennt
schuchssen vnd gibt yedem Ehalten XXI. Davon essent sy dy
vassnacht, vnd werden gepachen aus sweinen smaltz, dy sullen
sy am sambtztag nicht essen, aber am suntag, Montag Erich
Fig. 7.
Fn<tnachts- tag« (Schmeller, ll, 364; H. Peetz, 153); das Gebäck (s. Fig. 7)
St““ät‘°) schuckst im brodelnden Fette hoch auf. Auch sonst sind an
| “l \.ll'g;
Küghgl‚N„.lfly diesem Tage in Altbayern, Österreich und Schwaben S c h m a l z
n u d e I n, Schmalzbraten und T o p f e n k ü c h e l (mit Quark
' versetzte Nudeln) als Festspeise gebräuchlich; in den Nieder
landen der sogenannte K u c h e n b a c k (Koekkeback), das heißt Pfannen—
kuchen in Waffelform (Eiserkuchen?)‚ die am »Frauchenabend« (Fastnachts
sarristag) (s. oben) von den verheirateten Frauen gemeinschaftlich gegessen
werden, bis die Männer kommen und mit ihnen tanzen (Vlämisch Belgien)
(Reinsberg-D, 41). Im Jülichschen gibt es die bekannten Waffel n oder
Eiserkuchen, im Lüneburgischen das »Kese-ettent« (Käseessen, s. unten);
I5‘) Vielleicht die »tracta« des Plinius h. n. XVIII, 11, und des Cato de r. r.
27

im Dänischen Äpfelscheiben (Äpfelküchel) und smaakager für die


Fastelabendsänger (Feilberg, 246, 260) (ahd. smähi : klein, schmächtig;
ags. sme‘:alic = fein; dän. smaa : klein; an. smär = klein).
Im großen und ganzen sind es hauptsächlich sehr heiße, fettreiche
Gebäcke, zumeist ohne besondere Formen (mit Ausnahme der Waffeln
und Hasenöhrl), welche an diesem Tage üblich sind.
l). Fastnachtssonntag. Sonntag zu Großfastenabend; (1745)
Groiß Fastavend. Sonntag Esto mihi, Dominica in capitis jejunii, Rinn
sonntag. Schweiz: Faiste Suntig, ÖhrIi-Suntig, ChüechIi-Suntig. Bregenz:
Feister Sonntag. Elsaß: Buresonntag, Küchelsonntag, schmalziger Sonn
tag. Kassel: Brotgenstag, Brodenreigendach (Grotefend), an dem das
Küchlein gereicht wurde. Im Niederdeutschen (nach Grotefend): Schüttel
dach (Schüsseltag), Allermannsfasching, Mannefasten, Allermannsfasten;
daher:
»Edit Nonna, edit Clerus,
Ad edendum nemo serus,
Bibit ille, bibit illa,
Bibit servus cum ancilla.«
Bacchanalia, alte Fasching— oder Fastnacht, Pfaffen- und Herren—
fastnacht, weil für diese am Sonntag darauf schon das vierzigtägige Fasten
begann. Die geistlichen Herren sollten nach einer päpstlichen Verordnung
ihre Bacchanalien um zwei Tage früher als die Laien beginnen; daher
rühren die heute noch gebräuchlichen Bezeichnungen der Sonntage Esto
mihi und lnvocavit als Herren— oder Pfaffenfastnacht, beziehungsweise
Bauernfastnacht. Frühlingsfasten, Molkenfastenabend, Kässonntag in der
Käs- oder Butterwoche (Oberbayern, Tirol), entsprechend den Lacticinien
der Römer und dem Purimfeste der Juden und der angelsächsischen cys
vuca; russisch: Massljanitza = Käse- oder Butterwoche; neugriech. „ri,’t
'l‘opocsa'yoo“.
In Tirol wurde in der Frühlingsfasten der gemeindliche Weidehirt
gewählt und mit Käsekücheln regaliert (Schoepf, Id., 305); der Käse
war in dieser Woche eine häufige Speise und wurde auch geweiht
(Pfannenschmied, 66); in der Schweiz gibt es dann auch geschwungene
Milch (Schlagsahne), Nidel, Luggmilch, brochete, gestockte, gebrochene
Milch, in Frankfurt in früherer Zeit auch Mandelkäse. In Verona die
schon erwähnten Käsenocken.
Im Norden heißt es: »Dä ugns-pankaker och i synnerhet kalfdants
(Kalbskäse) göres, meiste dören vara väl tillskuten, att ingen aldraminst
främande mä inkoma« (Wallensteen), das heißt wenn es Ofenpfannkuchen
und besonders Kalbskäse (nach einem Festtanze auch Kalfdants ge—
nannt) gibt, so mußten die Türen wohl verschlossen bleiben, damit
niemand, besonders kein Fremder, dazukomme. (Diese gehörten zuerst
den Geistern.)
An diesem Tage sind die animalischen Speisen so häufig,
daß man auf ‚frühere 'l‘ieropfer der Lenzzeit schließen darf, wobei daran
zu erinnern ist, daß die Metzger oder Schlächter im Volksbrauche öfters
28

an die Stelle der Opferpriester getreten waren, welchen bei den alten
Frühlingsfesten mit Götterumzügen (Nerthus und Freyr; Müllenhoft, IV,
224) eine bevorzugte Stellung zugekommen war. (Vergl. zur Opferanatomie
im Korresp.-Blatt f. Anthropologie 1896, l, S. 1.) Im Vlämischen heißen
die Metzger »Fürstenkinder« (Prinzen).
Das frühere Umführen eines Ochsen beim sogenannten Metzger—
sprung in München, das Straubinger Metzgerstechen (1576), die Frank
furter Milzkuchen, die mit vielen Gewürzen versetzte gebratene Milz,
welche die Nonnen zu Weißfrauen beim Beginne der Fastenzeit in der
Zahl von 22 Stücken für die Ratsbeamten herstellen mußten (Kriegk, I,
391, 574), sind Überbleibsel des alten Frühlingsopfers, ebenso das Münster
Ochsenschlachten, der Rostocker Piepochse, das isländische Hängefleisch,
die mecklenburgischen Mettwürste etc.
An das S c h w ein s opfer der Lenzzeit erinnern: die Allgäuer Schlacht
schweinspende an die Armen, welche »in fasten gö« (Reiser, II, 85); das
St. Galler Fastnachtssprüchlein: »Ezt chund die lustig Fasnachtzit, w6s
Brotwürst rägnet und Chüechli schnit.« (St. Gallen, 626.) Wer am Fast
nachtsmorgen (also nüchtern) Blutwurst ißt, der bleibt das ganze Jahr
hindurch vor Rotlauf geschützt (Jühling, 181) und vor Flohstichen. (Bavaria,
ll, 300.) Man sieht deutlich, daß das animalische Frühlingsopfer durch
die Sippen-Communio der Gottheitsspeise zum Heilmittel wurde. Die mitter
schlesischen Faschingswürste, die 100 Ellen langen Riesenwürste (Phallus—
symbole?*), »die früher zur Fastnachtszeit umgetragen« und gemeinsam
verzehrt wurden (1558—1601 in Königsberg, 1591—1658 in Nürnberg,
1613 in Wien, 1726 in Zwickau; die 1606 in Königsberg i. Pr. um
getragene Riesenwurst soll sogar 1005 Ellen oder 2010 Fuß lang gewesen
sein (Schw. A. f. V. K., I, 129); schließlich das Schleswiger Schweinskopf
essen (Urquell, I, 113), die niederdeutschen Fastelabend— und Mettwürste,
der Mecklenburger Schinken (J. P. Schmidt, 126, 129), der Schleswiger
»Saden« (1500) als gesottene**) Kultspeise mit Schweinefleisch in dieser
Zeit (Mühlenhoff, 61; Dähnert, 393); nur der rituelle Kulthintergrund erklärt
die Andauer solcher Festgerichte. Gesottene**) Schweinsleber mit Opfertier
eingeweiden (Blutwurst, Leberwurst), gebrannte Eicheln (Mehlvorläufer,
s. unten Hirsebrei) zusammen mit Gewürzkräutern, sind in der Edda
(2. Gudrunlied, 414) schon ein sichtbar aus dem Opferkult stammendes
Heilmittel, um zu betäuben, was da war verbrochen und die Dämonen
günstig zu stimmen.

*) Es ist hier daran zu erinnern, daß in der Provinz Sachsen als Fastnachts
brauch »der Rehschwanz herumging«. Das Genitalopfer ging von Hand zu Hand.
(Z. d. V. f. V. K. 1903, S. 29.) Vergl. das Umtragen des Leonhard-Nagels in lnchen—
hofen. Das Umtragen des Phallus im Monate des Liber Pater (Bacchus) in Lavinium,
die Phallephorien in Ägypten und Griechenland. Vergl. den Färingerschen »Drunnur«,
ein aufgeputzter LämmerschWanz (Globus, 81. Bd., 263), und den norwegischen
Völsi. (Z. d. V. f. V. K. 1903, S. 29 ff.; zu letzterem A. f. R. W.‚ VII, 126).
**) Die Germanen sotten zumeist ihre Opfertiere; daher got. sauj'gs = Opfer.
29

An das Bockopfer der Lenzzeit erinnern: Der Schweizer Böggen


Möntig (Fastnachtsmontag nach Invocavit), das Erschlagen der Habergeiß
im Allgäu und der Hirschbock als Fastnachtsgebäck. Im württembergi—
schen Zabergau wurde auf Fastnacht die sogenannte Weiberzeche mit Bocks—
braten, Butterkuchen und Wecken, welche die Bäcker auch feilhielten,
abgehalten. (Köln. Ztg., 16, II, 1904, Nr. 137.)
Zur Fastnachtszeit bringt das Opfer eines schwarzen Lammes
Erlösung aus der Gewalt der Dämonen (Friedreich, 494).
An das Frühlingsopfer des Hasen, der bei den bacchischen Dio—
nysien eine Rolle spielte (die tanzenden Mänaden schwingen ihn im
Reigen empor [s. Fig. 1]), erinnern die Hasenöhrl (s. unten). Der Hasen
braten in dieser Kultzeit verlieh ewige Schönheit. Gerade der Märzhase
ist in der Volksmedizin eine ganz auffallende Erscheinung, namentlich
als Mittel gegen Hautkrankheiten und Ruhrseuchen und als Fruchtbarkeits
mittel. Wenn Papst Zacharias 755 das Hasenfleisch, weil geilmachend,
verbot, so war damit auch ein Grund dafür gegeben, daß die Klöster
den Ienzlichen Hasenbraten in ein Hasengebäck (Hasenöhrl [s. unten])
verwandelten.
Das Huhnopfer geht als Fastnachtshuhn durch ganz Deutschland,
wo es fast von jedem Hörigen, der eine Herdstätte hatte, als »Rauch
huhn«*) gezinst wurde, wogegen das Fastnachtsküchlein oder das so
genannte Hennenmahl eine Gegenleistung war. Der sogenannte »Hahnen
tanz« war ein mittelalterliches Fastnachtsspiel (Hagelstange, 238;
Büsching, l, 134; Scheible, p. VII), wobei das Huhn der Gewinn war; eine
ähnliche Volksbelustigung war auch in England das Fastnachtsspiel des
»Hahnenschlagens« (Hazlitt, II, 475, 476); auch in Westfalen, Deutsch—
böhmen und vielen anderen Orten war dieses das alte Huhnopfer stell
vertretende Spiel üblich (Z. f. ö. V. K. 1902, 178; John, Sitten, 215; Wolf
Beiträge, II, 439; Kuhn, Norddeutsche Sagen, 391; Vernaleken, 303; Z. d.
V. f. rh. V. K., IV, 20 etc.) ‚
Das Fastnachtshuhn (pullus carnisprivalis 1285 oder pullus
abstinentialis 1313, pullus contemptativus 1349 im alten Mönchslatein)
ist das alte Saathuhn, welches sowohl in der Frühlings- oderSaatzeit, als
auch in der Herbst— oder Erntezeit (Michaeli—Huhn) (1299) gezinst wurde
(Anton: Gesch. d. t. Landw., III, 414). Dasselbe konnte sogar als Zinsgabe
das sogenannte Besthaupt bei Sterbefällen vertreten (l. c. 167). Jeder Haus
besitzer, dessen Haus einen eigenen Rauchfang hatte (fumum gerens),
gab für jede solche Herdstätte ein sogenanntes Rauchhuhn oder Fasel—
nachthuhn (»yderman eyn fasnachthun, dy eigin roch hat«, 14. Jahr
hundert) demjenigen, in dessen Schutz er sein Haus stellte, eine Art
Rekognitionsgebühr (l. eod. 415 ff), die an die Stelle des alten zur Kult—
stätte gespendeten Huhnopfers getreten war. In die Einnahmen der
Kultstätte teilten sich Kirche und weltliche Obrigkeit, die früher der Gode
(Priester und Richter) beide vereinigte.
*) Vielleicht ehemals ein Opfer an die am Ofenherde verehrten Hausgeister,
das von der Sippschaft beim gemeinsamen Mahle verzehrt wurde.
30

In Augsburg trat zuzeiten an die Stelle des Fastnachtshuhns auch


eine lebende Gans (Birlinger, 475) als Zinsabgabe.
Die Kirche führte an manchen Stellen der Fastenzeit wegen auch
die Faschingsfisc he (Hecht, Karpfen) ein; mit diesem kirchlichen Fasten—
gerichte oder Fastnachtsfisch hängt auch wohl der schleswigsche Slacker—
mann zusammen. Die Fischermahlzeiten dieser Zeit (‘Scheible,Vll, 806)
aber sind ein Frühlingsmahl zum Zeichen der Eisfreiheit der Fischwasser
und des Beginnes der Fischereiberechtigung.
Die für den Faschingsonntag vom deutschen Volksbrauche vor
geschriebenen vegetabilischen Festgerichte sind:
1. Die Urkost der Germanen: der bei keinem germanischen Feste
mit Seelenkult fehlende H i r s e b re i, der auch als Grütze, Mus, Suppe etc.
auftritt und auch in Gegenden üblich ist, wo gegenwärtig keine Hirse
mehr wächst, weil eben der Glaube an die segenspendende Wirkung
dieser Kultspeise sich immer noch lebendig erhalten hatte. In Bayern,
Franken und Niederdeutschland muß man, oft schon vor Sonnenaufgang,
also nüchtern, Hirsebrei und Blutwürste (s. oben S. 28) essen,das schafft Geld
und bewahrt vor Fieber (Wuttke“, 83); Fastnacht Hirse gegessen, quellt das
Geld (Mannhardt, Mythen, 1521; Hirsebrei und Säusack (= Schwarten
magen, Preßsack) (oder Schweineopfer> essen auf Fastnacht, das erhält
das ganze Jahr gesund (Oberbayern). (Panzer, Beiträge, II, 304.) lßt man
am Fastnachtstage Milchhirse, so bringt das auch in der Schweiz Geld
(Lütolf, 381). Eine Papierhandschrift des 14. Jahrhundertes (Jahn, 117)
verbürgt uns auch, daß man aus der Verwendung des Hirsebreies für
das kommende Jahr wie an einem Lostage vor einem neuen Jahre pro
phezeite (: Fastnachtsauguriumi: »ltem an dem vaschangdag, so werfeyt
sy prein an die Dillen, velt er herab, so stirbt er des jars«‚ das heißt
die Seelengeister des Hauses verweigerten die Annahme der Opferspeise,
durch deren Mitgenuß der Spender sich sonst langes Leben erhoffte.
Schoepf, 122, bezeugt uns diesen Brauch für Tirol. Die Hirse ward ein
so alltäglicher Brei, daß man unter »Brei« oder »Brein« fast nur Hirse
verstand. Sogar die Kinder in der Siechenstube zu München (Findelhaus)
erhielten in der Fastnacht (1482) »zu der dritten Richt (als drittes Ge
richt) ain guts Schüsselhefen vol guts semelmus wolberait« (Lammert,
187). An anderen Orten trat der Reisbrei an die Stelle des altväter
lichen Hirsebreies (1470, reys, den man ist yn der vasten, D., l. 262); so
in Freiburg noch. In Unterwürschnitz im Voigtlande wird Hirsebrei oder
Reis auf den Tisch gestellt, sonst muß im Voigtlande die Hausfrau sieben
oder neunerlei Speisen (Pancarpie, Panspermie) kochen, darunter muß
Hirse und Hering (= Fastenfisch) sein. (Wuttke l. c.)
Von den Überresten des Hirsebreies werden im Ansbachischen auch
die Hühner wie auf Neujahr oder Weihnachten gefüttert (D. Gaue, 105/06,
S. 33); auch sie sollen Anteil nehmen an dem Segen des Festgerichtes,
durch dessen Communio auch den symbiotischen Haustieren wie den
Sippengenossen der Fruchtbarkeits- und Gesundheitssegen durch die Ver
söhnung der Seelengeister zuteil werden soll.
31

Wie alt der Genuß des H i r s e b re i e s ist, lehrt auch die Etymologie
von »panis«, das mit »panicum« verwandt ist, weil die Kolbenhirse
(panicum) in älterer Zeit die allgemeine Brotfrucht war (Hoops, 354); auch
in deutschen Volkssagen und Ortslegenden tritt der Hirsebrei oft auf.
Von den Bewohnern von Grün (Böhmen) sagte man, daß sie Hirse
brei im Strumpf bis Maria—Kulm mitnahmen, wo derselbe noch so heiß
ankam, daß eine Stiegenplatte daselbst sprang. In Grün ißt man wegen
der Ortsneckerei auch keine Hirse mehr. (John, Sitten, 419.) In Gladbach
(Oberhessen) erzählen die Eltern ihren Kindern, daß das Hünnelche am
Hünnsteine Hirsebrei koche (Blätter f. hess. V. K., I, 10); es ist die Seelen
speise damit gemeint, welche das elbische Kleinvolk erhält.
Lange Zeit kochte die Mutter als Mittel gegen den Kinderdurchfall
aufgewärmten Hirsebrei (Oesterlen, 598); die Seelenspeise sollte dann als
Heilmittel dienen. Bei Hochzeiten und an sonstigen festlichen Tagen war der
Hirsebrei ein so bekanntes Gericht, daß man es in möglichst großen
Mengen, also als point de rösistance, auftrug; daher heißt es in der mhd.
Metzenhochzit: »einez daz beschach mit namen das man fieren ie ze
samen hirs in einen Kübel richt« (Hagelstange, 118); vier Bauern aßen
zusammen einen Kübel voll Hirse auf. Auffällig ist es, daß der semitisch—
ägyptischen Welt die Hirse bis in die späten Zeiten überhaupt so gut wie
fremd geblieben ist (Hoops, 323), während in den germanischen Ländern
das auffallend zähe Festhalten am festlichen Hirsebrei, namentlich an den
mit Seelenkult verbundenen Festen, für das größere oder höhere Alter
der Hirse als Brotfrucht gegenüber dem Weizen und der Gerste spricht.*)
Der Glaube an den Segen der Fruchtbarkeit durch den Mitgenuß an
dieser uralten Seelenspeise erhielt sich bis auf unsere Tage. Auch die
alten Griechen benützten den Hirsebrei als Opfer an die Fruchtbarkeits
gottheiten; darum hieß auch die Liebesgöttin Aphrodite xsT/~pt; (Scheible,
XII, 206) und die Römer opferten der altitalischen Feldgottheit Pales
an den Palilien Hirsekuchen. Hirse fand man auch in den Schweizer
Pfahlbauten. »Ganz besonders bedeutungsvoll ist es, wenn im Kanton
Tessin die reife Hirse durch Tanz ausgedroschen wird, was man ‚ballare
sul panic‘ nennt« (Schw. A. f. V. K., XI, 260), denn damit ist die hohe
Bedeutung, die man der Hirse im Kult beilegte, noch leicht ersichtlich.
Hirsebrei wird auch an manchen Orten durch den Erbsenbrei
ersetzt; so gibt es in Hessen Schweinerippenfleisch mit Erbsen im Topf
gekocht; die abgenagten Schweinerippenknochen des Festgerichtes werden
dann in den Leinsamen gesteckt (um die Leinsaat fruchtbar zu machen),
wobei man die Kochtöpfe zertrümmert (um durch den Lärm die Frucht—
barkeitsgeister in der Erde auf das Einhalten der Speiseordnung aufmerk
sam zu machen). (Wuttke“, 84.)
In Dänemark wird von den übrig gebliebenen Fastelabendkrapfen
(warme boller med smörhul i«), ähnlich den später zu erwähnenden Het
wecken, mit etwas Milch ein eigener Fastnachtsbrei, »Pap« genannt,
7 *) Noch älter scheint die Eichel- und Bucheckerkost zu sein.
32

hergestellt (Volkskunde, XVI, 127); sonst dienen die Abfälle des festlichen
Kultbrotes meist zur Bereitung von sogenannten Knödeln oder Klößen,
die an solchen Festtagen als bäuerliches Gericht noch gleich beliebt sind.
Eine Abart des alten Breies ist das sogenannte Fastnachts- oder
Fastenmus, das aber mehr eine in Fastenöl gekochte Fastenspeise
war, aus Hülsenfrüchten hergestellt; über dasselbe werden wir später
noch sprechen.
2. Durch Brühen des Breies entstand das Gebrühte, Gebraute, das
heißt das B rot, das ursprünglich ein nach dem Erkalten und Hartwerden
so konservierter Brei war.
Das in der Kultzeit der Fastelnacht und Fastenzeit gebackene
Fastnachtsbrot war auch eine Spende an die Armen, das heißt an
die armen Seelen, wie am Allerseelentag. (S. Allerseelentagsgebäcke, S. 17.)
So gab es 1107 in Magdeburg durch die Stiftung eines Bischofs Adlgoz
von Halberstadt »alle dage in der vasten hundert brot und hundert heringe
an hundert arme lude«. (Lammert, 24.) Das Schweizer Fastnachtsbrot war
(nach Rochholz, II, 276) mit sogenanntem Fürwitzel blutig rot gefärbt
(Berberis vulgaris), wodurch das blutige Opfer vielleicht in Erinnerung
erhalten werden sollte. In Fauerndau bei Göppingen ließ man von dem
Fastnachtsschmause etwas für die elbischen Erdwichtel übrig als soge
nanntes »Wichtelbrot« (Henne Am Ryn, 278; Jahn, 116), womit die unter—
irdischen Geister ihre Opferspeise erhalten sollten, wofür diese dann
reichlichen Segen und Sippenfruchtbarkeit schenken. Das Opfer an diese
elbischen Wesen ist in der Volkssage oft erwähnt. Das Waldweibchen im
sächsischen Voigtland bat: »Backt doch ein Brot auch mir in meiner Not,
groß oder klein, am besten wie ein halber Mühlenstein.« Es belohnt dann
die reiche Brotspende mit einem Brote, das nie abnimmt (Zingerle, S. 2,
36), oder mit harten Talern (Köhler, 469; Witzschel, l, 225), oder sogar
mit Gold. (Schoeppner, III, 133.) In einem Hohlwege zu Kettenhausen
(Schwaben) erhalten die sogenannten Heiden— oder Wichtelmännchen für
ihre guten Dienste drei Brötlein unter die Türe gestellt und ein Krüglein
Wasser dazu. (Schoeppner, I, 42.) (Vergl. die Bergweihe in Berchtesgadem
in Z. d. V. f. V. K. 1900.)
In Oberösterreich wird die Störi (=Steuer)oder das Störi-,
Stüribrot in dieser Zeit gebacken (wie in der Weihnachtszeit [s.Weih
nachtsgebäcke,8.21]l und viel Sorgfalt auf dessen Herstellung verwendet,
damit nicht etwa »die Dirne ihre Seele mit hineinbacke« (die sie an die
nach neuem Leben lechzenden Totengeister verliert); in vielen Häusern
bekommt jeder Dienstbote seinen eigenen Störilaib, auch warten Bauer
und Bäuerin einem Besuche, den sie ehren wollen, gerne damit auf; es
schimmelt wie das Neujahrs— und Weihnachtsbrot nicht. (Baumgarten, 7.)
Zugleich mit diesem Störibrot (das vermutlich als Zusammensteuer der
Sippe zu deuten ist) ward in Oberösterreich hin und wieder in der Fast
nacht für jedes Stück Vieh ein einziger Brotlaib, die sogenannte Vieh
störi, gebacken; auch vergrub man (wie das Pauls-Brötchen [s. oben
33

26. Januar]) ein Stück in den Ackerboden (für die unterirdischen


Saatgeister); für die Windgeister aber steckte man drei ungebackene (noch
mehlweiße), aber doch geformte Laibchen auf Zaunpfähle, oder man warf
sie zur Vermittlung an die Windgeister ins Herdfeuer. Um Klaus im
Traunviertel backt man nebst der Störi einen kleinen Laib aus gröberem
Mehle, den man in drei Teile zerbricht und für das Feuer (als Mittel
gegen den Feuerbrand) aufbewahrt (l. eod. 8). Dieses »Störibrot« trägt
also ganz den Charakter eines Neujahrsbrotes und Agathen-Brotes (s. oben),
die beide nicht schimmeln; schon der Fastnachtssauerteig schützt das Brot
davor (Ansbach). (D. Gaue, 105/06, S. 35.)
In Zürich ist dieses Fastnachtsbrot ein sogenanntes Grußbrot, in
Glarus ein Birnbrot; ersteres ist wohl ein Grusch- oder Grüschbrot, ein
hartkrustiges Brot (Staub, 68); das letztere ist das bekannte Früchten
brot, das sonst nur um Weihnachten üblich ist.
3. Der Brotlaib in flacher dünner Form ist der Fladen oder
Zelten, (kleiner) Flecken oder Platz (placenta).
Die Danziger, Nürnberger und Schwaben haben ihre runden Fast
nachtsfladen (»die fasnacht hat uns procht zu groszem schaden,
das wil uns die ostern widerkern mit air und fladen« [16. Jahrh.)).
(Heyne, ll, 278.) Ohne allen zwingenden Grund vergleicht Mannhardt, 466,
diese von Natur aus stets rundscheibigen, an allen größeren Feiertagen
bemerkbaren Fladen mit dem Funkenringe (Sonnenscheibe) und sucht in
ihnen ein Sonnensymbol (P?) oder den Jahresumring (s. Weihnachts
gebäcke, S. 5). Die runde Form ergibt sich aber allein aus der Back
technik, bei der der Teig sich in runder Form ausbreiten muß, ohne alle
Absicht des bildenden Bäckers.
Die Oberbayern haben auch Fastenzelten, die auf Fastnacht ge
backen werden. (Schmeller, II‚1118.) Dieselben gelten auch als Apotropäon
gegen den Wolf; »an der rechten vasnacht nym von jelicher richt den
ersten pissen (Erstlingsopfer) vnd ain gersten mell vnd pach ain zellten
daraus vnd gibs dem viech, da peißt dirs kain wolf nicht« (l. eod.). Das
Hausvieh nimmt an der apotropäischen
Wirkung des Sippschaftsopfers Anteil.
Die Schwaben haben auf Fastnacht
Pfann(en)zelten mit Kraut und Bohnen (Bir—
linger, 91, 294, 438), eine ganz abgeblaßte
Erinnerung an das lenzliche Kultgericht.
Diesen Pfannzelten gleichen am
Fig. 8. Lnnggestieltcs Plinscneisen (Sachsen).
meisten die slawischen P l i n s e n
(1587 plinßen, laganurn, D., I, 316) von russisch blinis = flache, dünne
Teiglappen, die auf ebenso dünnen und sehr flachen Blinseneisen
(s. Fig. 8) gebacken werden. Fastnacht und Blinis sind in Rußland un
zertrennliche Begriffe, wie bei uns Fastnacht und Krapfen; ohne Blinis
dort keine Fastnacht. »Zu Fastnacht gehen die ersten Blinis für das
Seelenheil der Toten«, »Zu Fastnacht braucht jeder seine Pfanne selber«‚
Zeitschrift flir österr. Volkskunde. XIV. Suppl‚.l{‚ V. 3
34

für seine eigenen Pfannzelten (Yermoloff, 49); auch hier gedenkt man
mit dem Erstlingsopfer der Totengeister. Platz (placenta) und Bletz
(ahd. blezzo) sind formlich gleich flach; der Bletz oder Plätz ist kleiner.
In der Schweiz gibt es sogenannte Fastnachtsplätz (A. f. Schw.V. K., 1,183),
die, wenn sie von der backenden Hausfrau beim Herstellen übers nackte
Knie gezogen wurden, im Elsaß »Knieplätz« genannt werden. (E.W., II, 174.)
Es sind also eine Art Liebeskrapfen (s. Krapfengebäcke [Z. d. V. f. V. K.
1907, S. 74]), wobei der weibliche Lustduft als Fruchtbarkeits— und Liebes
mittel in das Gebäck übergehen sollte, ein Brauch, der sich auch in York
shire bei den unten zu erwähnenden Hotcokles (heiße Küchel) findet. (Haz—
litt, l, 331.) Beim Wiener Faschingsschluß tollten früher die jungen Leute,
die Gesichter mit Ruß beschmiert, auf den Straßen und in den Häusern
herum, bis sie das nur zur Zeit der Fastnacht übliche fladenartige Gebäck,
die sogenannten »Faschangflecken« erhielten, die in die Form der rauten—
förmigen Mutzen (s. unten) gehörten; auch manche deutlich hirschförmige
Gebildbrote heißen in Zell am See »Faschangflecken«, vermutlich aber
durch (seltene) Übertragung; vielleicht trugen dort die rautenförmigen
Mutzen ehemals einen Hirsch (s. unten) als Abdruck und wechselte so
»Hirsch« mit »Faschangfleck«.
4. Über den Fastnachtskrapfen (s. Fig. 9) haben wir schon in
der Zeitschrift des Vereines für Volkskunde (Berlin) 1907, S. 65 ff., uns
ausgesprochen. Wir deuteten dieselben als die Form des römischen
Herzschemas, das nicht doppellappig war, sondern einen runden Hohl
kegel darstellte; es waren dies vermutlich die placentm. bacchicae, die
auch l;tlßi; hießen; solche ’|S»OI;: Küchel oder Krapfen wurden auch am
Geburtstage des Heilgottes Apollo am 7. Bysios zwischen
Winter und Frühjahr geopfert (Nilsson, 154). Als solches
Überbleibsel des römisch—griechischen rundballigen Herz
schemas deuteten wir den ebenfalls rundballigen, hohlen,
mit einer duftenden Farce innerlich gefüllten Krapfen
(s. Fig. 9), der als placenta bacchica, das heißt als Kult
Fig.9‚Ggfüjlre‘ brot der Bacchanalien, vermutlich aus dem römischen
F""‘““Ci“skff‘l"‘ß“ Kolonistenbrauch durch Vermittlung der Klosterküchen
(oben geluupft). ‚ . .
auf germamschen, beziehungsweise deutschen Boden
sich übertragen haben kann, wo er als Faschingsgebäck, Erntebrot
und Hochzeitsküchel sich forterhielt und sich in verschiedenen anderen
Abarten weiter entwickelte. Solche Abarten sind auch die rheinischen
und neckarschen Kräppeln, mit welchen Stäbe besteckt werden, die als
Fruchtbarkeitszauber fürs kommende Jahr aufzufassen sind: »Und gebt
lhr uns kein Kräppel nit, dann legen Euch die Hühner nit« singen die
kräppelsammelnden Kinder daselbst. (A. f. R. W., Vlll, Beiheft, S. 91; Z. f. rh.
V. K., II, 161.) Wie die Fastenbrezeln, so sind auch die Kräppeln als
Zeitgebäck dabei verwendet.
Über das »Krapfenholen« (ein Fastnachtsspiel von Hans Sachs) Iaßt
dieser Dichter 1540 den Bürger sagen:
35

»lch hab’ zur Fastnacht Euch hergeladen,


daß Ihr Euch Krap ten holt und Fladen
und heut mit mir wollt Fastnacht halten
dem Brauche nach, dem guten alten«. (Bronner, 74.)
Die Dresdner »Kräppel« sind rautenförmige Fastnachtsmutzen
(s. unten); die Badener »Kraeweli« (Kräpflein) tragen die Form von
halben Hirschhörnlein (s. S. 56) und haben nur wegen der Lenz— oder
Krapfenzeit diesen Namen; mit Krapfen bezeichnete man da und dort die
Schmalzgebäcke überhaupt, vorwiegend aber solche der Lenzzeit.
5. Ein altes Fruchtbarkeitssymbol ist der Weggen (Keil). Im
Schwäbischen gibt es eigene (1763) Fastnachtsweggen = in Reihen
gebackene Küchel oder Einback, die am Fastnachtssonntag wie die heißen
Weggen (Hätweggen) warm gegessen werden. »Bei der Klerisei bildeten
die sogenannten Fastnachtsküchlein oder die Fastnachtswecken einen

Fig 12. Fig. 13.


Hötweclren H&twecken (Husum);
Fig. 10. Fig. 11. (Braunschweig), .\Ioschiilren (Greifswalll);
Weckentypus Alle Weckenfurm (14. Jahrli.) die vier Zipfel Hedwig (Fehmarn);
(Doppelkeil). Timpenstute auf dem \Vungelstein i: Timpen) Lel'su (Norwegen).
eines Stralsunrler Bäckers, 1591. über Kreuz gestellt.

wichtigen Teil des jährlichen Schmauses«. (Birlinger, Sitten, II, 38; Bir—
linger, Wörterbuch, 38, 39; v. Schulenburg.) Sind solche Wecken aus
Pollmehl hergestellt, dann heißen sie in Baden »Pollweggen«. Die be—
sonders auf Fastnacht in Norddeutschland (Niederrhein, Schleswig, Rügen,
Holstein, Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Westfalen, Vorpommern,
Stralsund etc.) üblichen »heißen« Wecken oder Häfweggen, Hetwigen, Hete
wigge etc. (s. Fig. 12 u. 13) werden, wie ihr Name schon andeutet, heiß
und nüchtern gegessen, ein Brauch, der sicher auf ganz alte Zeiten
zurückreicht. Sie waren vermutlich eine nächtliche Seelenfütterung, weshalb
sie auch noch 1531 eine Spende an die Armen und Krüppelhaften waren.
Von ihrer ursprünglichen Weggen- (Keil-) Form haben diese Hüweggen
gegenwärtig keine Spur mehr; sie sind meist handtellergroße Rund
laibchen (Milchbrote), manchmal mit vier in Kreuzform vorspringenden
Ecken oder Zapfen, welche sich als letzte Reste der Wecken- oder Keil
form erhalten haben (s. Fig. 10, 11, 12). Die westfälischen Heitewiggen
1lserl0hn) haben die Übergangsform eines abgerundeten Doppelkeiles, teils
in Gestalt eines sogenannten Andreas- oder Hakenkreuzes, teils in der
eines stumpfen lateinischen Kreuzes —i— )< (Argovia, III). Nach Woeste,
3*
36

100, 123, sind die westfälischen Hetewigge rund und verziert; der Über
gang aus der ursprünglicheren Keilform dieser »Wecken« zu den runden
»Hetewiggen« wurde sehr wahrscheinlich durch den abgerundeten kranz—
förmigen Wecken (Timpenstuten) vermittelt. Auf einem Glasgemälde
(14. Jahrh.) an der Wiesenkirche zu Soest ist der westfälische Timpen
stuten (s. Fig.11) in einem Brotkorbe der Abendmahlszene wieder—
gegeben. (Die betreffende Abbildung verdankt Verfasser der Güte Seiner
Exzellenz Herrn General Rathgen.) Wecken war außerdem eine Be
zeichnung für Festbrot überhaupt. In Niedersachsen sollen die Hetwecken
auch dreieckig sein. (Mannhardt, 253.)
Beim Frühjahrskultreigen schlugen die verbündeten Weiber mit
Holundergerten auf die Männer los (sonst umgekehrt), bis sich diese
mit solch heißen Brotgaben loskauften, ein dem südd. Aufkindeln,
Auffitzeln, Lebzeltenstreichen, nordd. Osterstiepen, Schmackostern etc.
identischer Volksbrauch, der den (indogermanischen) Schlag mit der Lebens—
rute (muliebria virga contingere) vorstellt. J. P. Schmidt, 85, 138, 143,
schrieb 1752 in seinen niedersächsischen FasteIabends-Gebräuchen: »Noch
weiter ist der 4. Fastel-Abends Gebrauch, die sogenandte Heetweggen—
Abstäupung; diese Handlung äußert sich beim gemeinen Mann auf eine
gar unanständige ärgerliche Weise. Denn da kommen die jungen Kerls
zu denen Mägden am Fastel-Abends—Morgen gantz frühe vor dem Bette
und streichen dieselbe, vermuthlich unter allerhand schändlichen Ent—
blößungen, solange zur Lust mit Ruthen, biß diese sich verbindlich
machen, gleichsam aus Danckbahrkeit für die genossene Ehre, sothane
Streiche mit einem Heetweggen—Schmauße zu vergüten. Und vermuthlich,
daß unsere heutige Mädchens sich auch noch anjetzt gleich gute (Frucht
barkeits-) Würckungen von ihrer Heetweggen-Stäupung versprechen,weilen
sie dafür die obgedachte collation zum Besten geben«. (Vergl. auch Büsching,
l,130; Lichtenberg, Schriften, V, 1844, S. 367.) »ln Kiel, Segeberg und
anderen Orten gehen am Fastnachtsmontag Kinder mit Ruten in die
Häuser und peitschen damit die Verwandten, Bekannten und Nachbarn;
dafür erhalten sie Heißwecken; dies nennt man Hedewichen-pietschen.
Wir glauben auch einmal gehört zu haben, daß die Kinder bei dem
Schlagen mit der Rute sprechen sollen: stup utl hedwichl« (Urquell,
1,130; R. D., 47.) In Wismar klopfen die Kinder mit Birkenruten auf das
Fußende der Bettgestelle, in welchen die Eltern oder Verwandten liegen,
mit dem Verse: »Hetwecken herl« (Schiller-Lübben, l, 211.) »lm Olden—
burger und Bremer Land, überhaupt wohl in ganz Norddeutschland,
ist in der Fastenzeit ein Gebäck sehr beliebt, das besonders zur
Fastnacht in keinem Hause fehlen darf. Es sind das die sogenannten
»Hedwigs«, ein rundliches Gebäck im Durchmesser von etwa 10 cm,
welche warm oder auch heiß, sowohl zum Frühstück- als auch zum
Nachmittagkaffee genossen werden. Sind dieselben warm nicht mehr
beim Bäcker erhältlich, dann werden sie zu Hause auf oder im Ofen
warm gemacht. Es gibt aber auch Bäckereien, welche nicht nur zur
37

Fastenzeit »Hedwigs« oder heiße Weggen backen, sondern solche das


ganze Jahr hindurch führen« (Internat. Rundschau f. Bäckerei, 1903, Nr. 19‘.
In Herford sind sie bereits aus moderner Volksetymologie auf den »Hed—
wigs—Tag« (17. Oktober) übertragen. An anderen Orten werden sie zwischen
Kissen und Decken verpackt den Kindern zugeschickt; der runde Deckel
des Gebäckes (Milchbrotlaibchen [s. Fig. 13], keine eigentlichen Wecken)
wird abgeschnitten, in die dadurch entstandene Höhlung der weichen
Brotkrume wird eine Mischung von heißer Milch, Zimt und geschmolzener
Butter hineingegeben und dieser Brei mit dem Löffel aus dem krustigen
Rande herausgegessen wie eine breiartige Vorspeise des Fastelabends.
In Svendborg (Dänemark) ist die Hölweggen-Peitschung als Fastel-avns
ris (Reis, Zweig) bezeichnet; dieses mit Papierblumen und Goldblättern
gezierte Reis ist mit einem Hahne (wie der niederländische Palmpaasch
und die Aer—op—stukjes) gekrönt; mit demselben schlägt man sich gegen
seitig, um »warme bollen met een (gevuld) boterputje er in« oder warme
boller med smörhul i« zu heischen, die dann abends gemeinsam ver
zehrt oder zu einem Breie verkocht werden, oder die die Eltern
peitschenden Kinder erhalten einen Wecken (V. K., XVI, 127; A. f. R. W.,
IX. 4. 08).
Wenn es in Elberfeld im Bergischen eine eigene Heitewecke-Kirmeß
(Fest) gibt, so kann diese wohl nur eine Beziehung zur Fastnachtsheiterkeit
haben (Z. f. rh. u. westf. V. K.‚ l, 214). Im Braunschweigischen und Hessischen
wird am Fastnachtstage zum sogenannten Füen, das heißt die Fut be
streichen (s. Mannhardt, Waldkult), zum Peitschen mit der Lebensrute
der Wacholder (Quecholder: Lebensbaum) benützt (s. auch Ostergebäcke,
S. 21, Weihnachtsgebäcke, S. 75). Diese symbolisch die animalische Frucht
barkeit bezweckende Sitte verwandelte sich auch an manchen Orten in
ein Waschen der Mägdefüße mit Branntwein durch die Knechte (Neumark)
oder in ein Zehenbeißen (Grafschaft Mark), oder in das sogenannte Hülsen,
das heißt Kratzen der Frauen mit dem Hülsenstrauche (Stechpalme, Wax
laub) im Kreise Minden (Z. f. rh.V. K.,IV, 1907, S. 19); meist lösen sich die
Mädchen durch eine Spende eines Zeitgebäckes von dieser sicher ero
tischen Sitte ab, die vorwiegend auf ein Bestreichen der weiblichen Geni
talien mit dem lebensfrischen Frühjahrsstrauche abzielt; heute sind es
an anderen Orten nur mehr die Langschläfer, die man mit Birkenruten
aus den Betten treibt. Die Burschen tun dies (vielleicht ehemals mit
Rollenwechsel?) den Mädchen an oder man schlägt bloß die Entgegen
kommenden des anderen Geschlechtes mit der Peitsche, Quaste, Rute etc.;
in einigen Städten stäupt man nur noch die Finger, Waden oder Füße,
oder man beschenkt sich gegenseitig mit Fastelabendsruten (Mannhardt,
254 ff.; Liebrecht, Z. V. K.‚ 491). Die H6twecken spielen dabei nur die
Rolle des Zeitgebäckes, mit welchem sich die verschämten Beherrscherinnen
der Küche ablösen, denn der Weg zum Herzen des Mannes geht durch
den Magen; geradezu unbegreiflich ist es aber, daß Nork (Scheihle, VII,
135) in den Heetweggen ein römisches Schlangenbrot sehen konnte!
38

Vorzugsweise junge Leute, Brautpaare und Neuvermählte wurden


ehemals mit der Lebensrute geschlagen, um leichtere Geburten zu haben.
Hoffmann-Krayer (Schw. A. f. V. K., 1907, XI, 266) führt dafür eine inter
essante Belegstelle aus dem 16. Jahrhundert an:

»Pulsabant, nuruum palmas qui verbere tali


Pana deum faciles credebant reddere partus.«

»Und schlugend mit der geisslen bhend


Der jungen Weyblein zarte hend.
Damit hends anzeigen wöllen,
Dass sy dest eh gebären söllen.«

6. Bevor wir auf die eigentlichen F a s t n a c h t s k u c h e n und Küch


lein übergehen, wollen wir noch die übrigen K u c h e n a r te n der Fast
nachtszeit abfertigen, wegen deren dieser Tag im Badischen auch
»Küchelsonntag« heißt.
Im Vlämischen gibt es »Pfannk uchen« (= Krapfen), die in der
Pfanne mit heißem Fett gekocht werden, oder »heiße Kuchen«, ferner
(wie in Aachen, Jülich, Ostfriesland) auch B uchweizenkuchen
(boekweit Koeken) (V. K., XI, 174). Der Buchweizen gedeiht auf dem
sandigen Lehmboden der Rheinniederung vorzüglich und wurde früher
viel häufiger als heute angebaut. Die Säffeler bei Aachen hießen nach
diesem Volksgebäcke die Boggeskoke; diese waren besonders in der
Fastnachtszeit üblich, in der die jungen Burschen sie auf einer Stange
herumtrugen. (Z. f. rh. u. westf. V. K. 1906, 192.) Zwerge aus dem Reins
berge schenkten in der Volkssage einem Knechte jeden Morgen Buch
weizenkuchen. (Wolf, ll, 319.) Außerdem gibt es im Vlämischen Blum
kuchen (bloemkoeken, V. K., XI, 174) = Kraut- oder Rainfarn
kuchen (richtiger Rainfahnenkuchen), ein Frühlingsgebäck, über das
wir schon in den Ostergebäcken, S. 40, gesprochen hatten. Solche Kraut
oder Grünkuchen sind ein Gebäck der Frühlingszeit. Die fettreichen
Speck— und Ölkuchen (Flandern: spekkoeken), auch Eierkuchen,
sind ebenfalls meist mit Grünzeug gewürzt; über diese Frühlingskräuter
und Eierkuchen siehe Ostergebäcke. (I. c.). ‘Auch die ostpreußischen
Quarkkuchen, die in dieser Zeit üblich sind, hatten ihre Vorläufer
schon in antiker Zeit; bei den Griechen hießen sie ‘topdozzvov oder ‘rapi
v.w,aro: = placenta, cui adjiciebatur caseus (=: npo':, Quark) per cribrum
succretus; auch "motopi: =— placentae erant ex Iacte multo, melle et farina
factae, caseolorum formam referentes. (Athenaeus, Casaubon. XIV, 94, 92;
Schneider, ll, 971.) Die Frankfurter hatten auf Fastnacht sogar ihren Milz—
kuchen, der mit verschiedenen lngredienzien gewürzt war (Kriegk, l, 391 ff.‚
574)und wahrscheinlich aus Gallien (beziehungsweise Frankreich) stammte
Der Genuß der Milz (Milzwurst) ist sonst nicht besonders volksüblich in
Deutschland.
7. Die übrigen Fastnachtsküchel (Faßnet-Chüechli, Schweiz)
sind meist süddeutsche, in heißem Fett gekochte, verschieden geformte
39

Teigkuchen (Fig. 14, 15, 16); die sächsischen Fasten- oder Faselkuchen
sind Krapfen (Germersh., II, 40); die altbayrischen Fastnachtsküchel sind
sogenannte ausgezogene oder geröllte Küche], auch Schuksen (s. oben)
(Fig. 7) (Schmeller, II, 364; Germania, IX, 199); in der Schweiz sind es
Fesenküchli aus Fesen- (Dinkel—,Spelt—) Mehl; in Schwaben heißen sie auch
Quatemberküchle. In Schlesien, Anhalt, Elsaß sind die Fastnachts
küchel, Eiser— oder Iserküchel, das heißt mit einem klemmenden Kuchen—,
Krull- oder Waffeleisen hergestellte flache Flädchen, Waffelkuchen. Mittel
schleswig: jarnkager, ndd.: iserkauken, Fehmarn: isenkoken. Die weitaus
besseren, fast künstlerischen Waffeleisen der Schweiz stehen im Gegen—
satze zu den bäuerlich einfachen Zerbster Eiserkuchen. Die Schweizer
Türggeli sind wohl als Vorläufer der Waffelkuchen aufzufassen; beide ent—
wickelten sich aus dem Hostieneisengebäck der Klöster; in St. Gallen

Fig. 16.
Krapfcnnudvl,
Tiroler Krapfen,
j:;„_ 14' ausgezogene Nudel, |,<,-g_ 1_-,.
Faslnachtskiichle. Hnubenküchle» Fnsinachtskiichle, F.l\lhl\tlllskffll'lflfl,
Schuchsen' Berliner Pfannkuclun.

findet sich die Hostie als flache dünne Oblate zuerst; vermutlich wanderte
dann das zweigriffige Kuchen- oder Oblateneisen längs des Rheines in
die Niederlande, wo das wabenförmig gezeichnete Fladbrot die Vorlage
abgab zu den Waben oder Waffeln, die als Goffern (Waffel) nach Frank—
reich gelangten und als solche wieder über Elsaß ins Schwäbische zurück
kehrten; sie wanderten durch die Schweizer Kalvinisten selbst nach
Debreczin in Ungarn. Das Waffeleisen des Parazelsus (1493—1534) im
Schlosse Ambras, über welches Zingerle (Sagen ‘-', 477) berichtet, soll ein
Backwerk geliefert haben, welches »durchlockert war wie ein Bienenfladen«;
um diese Zeit mag das schweizerische Kucheneisen als wabenförmig ge
zeichnetes Klemminstrument zuerst auf die Tiroler Herrenschlösser gelangt
sein; solche Waffeleisen aus den Jahren 1540 und 1576 bewahren das
lnnsbrucker Ferdinandeum und das Bozener Volkskundemuseum. 1680 sind
sie dann im Elsaß und 1783 in Fehmarn. Im Südosten Österreichs und
Bayerns war das Waffelgebäck immer etwas Fremdartiges.
Im Elsaß holen sich die Burschen unter allerlei Schabernack an den
drei Fastnachtstagen in der Küche diese Fastnachtsküchel, was man
40

»Küchlesmachen« nennt. (E. W., II, 947.) In Grochwitz bei Torgau heißt
es, man stoße mit dem Waffeleisen den den Ackerboden aufwühlenden
Maulwürfen die schadenbringende Schnauze ab, das heißt der Genuß der
Fastnachtskuchen als Zeitgebäck gewährt den Feldern Schutz vor dem
unterirdischen Saatfeinde, wie das Krapfenfett, das man im Meiningischen
zu Fastnacht zum Schmieren der Ackerpflugkeile benützt, die man später
in den Pflug einschlägt. (Ähnliches auch in Böhmen am Fastnachtsdienstag.)
(Grohmann, Apollo Smintheus, 36; Rochholz, Drei Gaugöttinnen, 188.)
»Aus einem über ein Jahrhundert dauernden Streit zwischen der
Universität Freiburg als Inhaberin der Stadtpfarrstelle zu Ehingen a. D.
und dem Rate der gedachten Stadt als Vertreter der niederen Kirchen—
diener ist uns eine ziemliche Anzahl von Aktenstücken überliefert, die
uns über die zur Fastenzeit im Pfarrhause zu Ehingen jeweils abgehaltenen
Gastereien von dem Jahre 1589 bis ins 17. Jahrhundert Beschreibungen
liefern. So heißt es unter anderem: »An der Herren Faßnacht braucht
man gewöhnlich ein ‚mütli Mehl‘ zu den Küchlein und uff diesen Tag hat
man zu Gast alle Priester und den Kaplan von Heufelden, den Schul
meister und Provisor; gibt ihnen ein gut Fleisch, Sulz, Gebratenes und
Küchle und wenn ein Priester krank ist, so schickt man ihm einen Braten
und eine Maß Wein ungefährlich. Aber in die Zech gibt man uff einen
jeden Tisch Käß und Küchle, Wein und Brot, dies bezahlend die Priester.«
»ltem uff diesen Tag kommen nach der Vesper auch die Schüler, denen
gibt man eine Suppe und Fleisch, Kraut, Sulz und Küchle und ziemlich
Wein dazu.« »An der rechten Faßnacht (Fastnachtsdienstag) nach dem
Nachtessen richtet man den Tisch in der untern und oberen Stuben. Und
was ehrbar Leut sind, heißt man hinaufgehen, aber das gemeine Volk
läßt man in der unteren Stube. Denen gibt man zu trinken und Küchle,
aber oben gibt der Pfarrer nach seiner Bescheidenheit.« Die Universität
nannte diese Ehingenschen Mahlzeiten einen großen Luxus.«
Den Fruchtbarkeitssegen der Kultzeitspeise wollte man eben allen
Bekannten zuteil werden lassen; daher werden selbst die Wirtshausgäste
mit solchen Fastnachtskücheln (und Krapfen) heute noch in der Pfalz,
Bayern, Schweiz, Tirol, Oesterreich und Elsaß regaliert; in der Schweiz
gaben selbst die Behörden unentgeltlich solche Küchlein ab. (A. f. Schw.
V. K., l, 183; E. W., II, 663.) (1588) Fastnachtskiechlin für das gesindt;
(1565) ouch muß ich (der Pfarrvikar zu Baden in der Schweiz) alle fass
nacht den schuelern allen das Kuechlin geben (I. eod.); 1466 gingen die
(Schweizer) Klosterkonventbrüder zu siebent in der Nacht aus dem
Kloster, »um Küchli zu reichen« (Schw. Idiot, III, 139) (= holen). Birlinger
(Sitten, II, 31) führt aus dem Jahre 1617 an: »Gegen deme (das heißt
einer Holzabgabe seitens der Herrschaft Königsegg) soll nun daß pfund
pfenning so ein pfarrherr bißhero den Kindern zue Moßkirch järlichen an
brott für daß Faßnachtsküchlin spendieren sollen, von der Herrschaft auf—
gehept sein.« Auch in Waldsee (Schwaben) wurden 1615 die Fastnachts—
küchlein verboten: »alß auch biß anhero mit Hollung der Fastnachtsküchle
41

vil unnützer unkosten offgewendt.« (Birlinger, S. ll, 60, 61.) 1620 holten
die Stuttgarter Handwerksgesellen bei den Kunden mit Musik ihre
Fastnachtsküchle (Z. d. V. f. rh. u. w. V. K., l, 196); dieses gemeinsame
Holen und Reichen von Kultzeitspeisen durch die jungen Leute, »unver
schanten Küchli reichen« (A. f. Schw. V. K., I, 183) — ein usueller Tribut der
Weiblichkeit an die ins Haus stürmenden jungen Burschen — dürfte ein
Überrest einer uralten Gepflogenheit aus der Zeit der Jünglingsbünde
sein (Schurtz, s. Blätter f. hess. V. K., III, 176), die ihr Analogon in den
Weiberzechen (Weiberfastnacht) haben; sie unterscheiden sich aber dadurch,
daß die Speisen in der Küche der Weiber geholt und geheischt werden,
ganz wesentlich von dem gegenseitigen Beschenken der Erwachsenen,
der ganzen Sippe mit den Gaben des neujahrzeitlichen Glückstisches
(tabula seu mensa fortunae). (S. Neujahrs- und Weihnachtsgebäcke.) Die
Statuta capituli ruralis Wurmlingani 1763 besagen: »Si in aliquis locis
vi consuetudinis aut potius desuetudinis parvulis ad doctrinam cate
cheticam obligatis distribui a parocho debent placentae vulgo das Fas
nachtsküchl, Fasnachtswecken etc.« (Birlinger, S. ll, 38); also besonders
der Pfarrherr mußte seinen Schulkindern dieses Kultzeitgebäck spendieren;
die Schulkinder möchten hier wohl als Substitute anderer Personen an
zusehen sein. In der Schweiz heischen um Fastnacht Vermummte,
das heißt wohl die Gestalten der Frühjahrsdämonen, ihre Küchli und
singen unter anderem: »Hä nacht ist die Fasenacht, wo me die Chueche
bacht, Bached mer au e Chueche, Lö mer si au versuche etc.« (Arch. f.
Schw. V. K., I, 187.) An andereri Orten in der Schweiz rufen die Kinder
in Nachahmung der Erwachsenen vor den Häusern: »Hosch, holle! hosch,
hollel gend ins e chlin Fastnachtchuechlil« (Schw. Id., ll, 115, III, 130);
auch der Ziegenhirt darf sich diese Hausspende holen und Burschen und
Mädchen regalieren sich gegenseitig; auch die Wirte laden ihre Gäste
zum Fastnachtsküchel ein. Der Klosterkellermeister gab den Ackerleuten
Fastenküchli und Weißbrot (I. eod.). In Ellwangen sangen die Kinder:
»Faßnacht, du alte Kuh, steck dein . . . mit Lumpen zu! Faßnacht, komm
morgen z’nacht, wann mein Mueter Küchlen bacht, d’ Kuechlen sindt ver
brannt, wärist bälder kommenl« (Birlinger l. c. ll, 31.) Die pfälzischen
Fastnachtsküchlich oder Küchelche werden erst gebacken um Sonnen
untergang; der Teig dazu wird flach gewälzt, dann rechteckig oder
rautenförmig (s. unten 8) mit dem Messer zerschnitten, dann im heißen
Fett (meist Öl, das durch rohe Kartoffelschnitten vom Ölgeschmacke be—
freit, gelöscht ist) gebacken. Bis sie gebacken sind, singen die Kinder:
»Ringele, Ringele, Rose -— Die Küchelich sind geblose — Wenn mein
Mutter kein Küchelich backt — Pfeif’ ich auf die Fasenachtl« Ist eine
Frau schwanger, so darf sie keine Fastnachtskuchen backen, denn alle
herausspritzenden Ölflecken kommen als Elbflecken (s. d. Verf. Krankheits
namenbuch, 887) bei ihrem Kinde zum Vorschein genau auf derselben
Hautstelle, wo das heiße Öl die Mutter getroffen hatte. (Grünenwald, 23,
24.) In den Dörfern bei Roßlau im Anhaltischen wurden die Bauern, die
42

vom Hause des Schulzen aus in jedes Gehöfte unter Vorantritt von
Musikanten zogen (einkehrende Dämonen), überall, auch in den Häusern
der Ärmeren, außer mit Wurst, Schinken, Bier und Branntwein auch mit
den obenerwähnten Eiserkuchen und anderem bewirtet. (Z. d. V. f. V. K.
1901, 76.) Der jeweilige Pfarrherr von Zabern Im Elsaß gab 1539 allen
Kindern seiner Pfarrei auf Fastnacht Lebkuchen (der sonst meist eine
Weihnachtsspende ist) (Alemannia, III, 189) und in Rapperswyl in der
Schweiz findet noch in dieser Zeit eine Anstellung von Lebkuchen und
Oblaten (Eiserkuchen) an die Jugend statt. (Schweiz. Id., I, 116) In Baden
holen sich die Kinder bei ihren Paten die Faßnetküchle und die Schüler
bringen sie von zu Hause ihren Lehrern mit (Meyer, B. V. L.); ähnliches
auch im Ansbachischen. (Deutsche Gaue, 105/6, S. 33.)

Fig. 17 e'20. Drenlener Kriippelil, \Viirllcmlrcrgcr Scherben, l“ustnnt:htslciichle‚

Bezeichnend für den Charakter der Fastnachtsküchlein als Kultgebäck


ist, daß sie beim Pfarrer, oder seltener Gutsherrn, geholt werden (Schweiz),
wodurch diese Zeitgebäcke wohl eine Art Kultweihe durch das Haus er
fahren sollten.
8. Wir haben bisher schon öfter angetroffen, daß die Form dieser
Fastnachtskücheln rechteckig oder rautenförm ig ist, manchmal auch
dreieckig. Diese flachen, scheibendünnen, rautenförmig zugeschnittenen
Fastnachtsflecken (Pletz, Fig.17—20) heißen nun am Rhein, Köln, Bonn etc.
»Mutzen«, in dreieckiger Form heißen sie »Hasenöhrl« (Bayern), »Öhrli—
chüechli«, »Eieröhrli« (Schweiz).
Wir wollen zuerst die rautenförmigen viereckigen Mutzen (Fig. 21,
22) besprechen. Die ursprüngliche Bedeutung der »Mutz« ist behaarter
Fleck, heimliches Ding, vulva, mons Veneris, feminale (Schmeller, I, 1700,
1702, 1706); altniederd.: mutze = cunnus, prostibulum; ndl.: mot = Put,
Fotze (Weinhold, W. B., 63); Westfalen: muz : vulva, mueske == vulva
(Woeste, 181); Hessen: mucze : cunnus (I. eod. 311); Allgäu: mutz =
Hundsfutküchlein (Reiser, 307). Vilmar. Idiot. (1868) belegt ebenfalls mutz
= vulva; ein Gericht über Weiber heißt auch Mutzengericht, judicium
43

cunnagii; Grimm, W. B., VI, 2837 gibt mutz und mutze : vulva; 2838:
mutze eine Art feineres Backwerk, Nebenform zu mutsche 2802;
1362: Mutschler (Bäcker); 1435: Der Beck, den man nennt Mutschler.*)
15.Jahrh.: moycz : collyrida (D., l,132); 1470: mucidus: mochtzel, montzel
(panis) (D., l‚369); 1 491 : mit den motzenbeckern l : Mutzenbäcker, Mützschle
bäck) iß gelenglich halten vnd nit mit dem gewicht sondern mit dem augen
schin besichtigen (Kriegk, l, 574); es war also die Motze in Frankfurt a. M.
kein Alltagsgebäck, sondern ein nur gelegentlich in verschiedener Größe
hergestelltes leichteres Gebildbrot; 15. Jahrh.: mutschell : artocopus
(panis), ein vom Mutzenbäcker hergestelltes Gebäck (D. ll, 36); 1517:
mutschel = artocopus, spira (P) (D., I, 51, E. W., I, 742); 16. Jahrh.:
moitze, muntschel, mundschelle, mytzel = artocopus (D., I, 51, ll, 36);

Fig. '22.
.\Iutschcln nach der
Zeichnung im Codex
gerrnnn. monnc. 4413.

Fig. 21.
Nullen (Bonn), 7 cm lang, 5011 breit, ‘5;, cm dick; Fuuigmnnvl (Nornegen‘).

mutschällen = crustulum (Schw. Id., ll, 1488, IV, 602); 1518: dass nieman
af die zyt, so alle spil verbotten sind, soll mutschellen (rautenförmige
Hartkuchen?) noch lebchuechen schlagen (Kraftprobespiel), noch die in
zwei fingern tragen oder blinzligen werfen (die abgeschlagenen Teile
wurden verteilt oder ausgeworfen; durch den Genuß der so erhaltenen
Gebäckstücke sollten die Finger für dieses Schlagspiel im nächsten Jahre
gestärkt werden) (Schw. Id., III, 138); Elsaß: mytzel : artocopus; Bayern:
mutsche, mütschelin (Schmeller, I, 1700); 1531: mütschly brots : (rauten—
förmiges ?) Brot; 1555: ein piennigwertbrot oder mutschelen (Schw. Id., IV,
602); 1561: mutschelle (l. eod.); 1562: ein mutschli old spendbrod (l. eod.
600); 16. Jahrh.: mutschlin; 1578: mütschli = (rautenförmiges?) Brot,
*) Diese und andere Notizen verdankt Verfasser der Gefälligkeit des Herrn
stud. phil. E. Hohl in Stuttgart.
44

Almosentafeln; 1538: mundtschellen = Gebäck. (Schmeller, l, 1622.) Hier


ist das eingeschlichene n der Übergang zur Deutung Mundschelle, Maul
schelle, Ohrfeige. Im schwäbischen Vilstal ist Mutschel ein Spaltgebäck.
(Ulmer Geige.) Maulschelle hört man in Mainz, Hannover, Erfurt, Thüringen,
Hamburg, Stralsund, Berlin. (R. D., 102; W. Hartmann, 827, 857, 834.)
Mausschelle ist wohl Druckfehler; Maultasche (= Maulschelle) in Schlesien,
Pfalz, Darmstadt; 1593: nuw bachnen mutschällen; 1620: mutschellen
(Schw. ld., IV, 603); 1606: mötschlin : kugelförmiges Brötchen. (Schw.
ld., IV, 598.) Im Elsaß ist Motz, Moitz, ein rundes, dickes, feines Kuchen
laibchen oder Brötchen aus Weizenmehl mit Eiern oder aus Teigresten.
(E. W., l, 742, 744.) Die unterelsässischen Moze sind flache Milchbrötchen
(Flecken), deren Oberfläche mit Eiweiß bestrichen, glänzend und in

Fig 23. Fig. 24.


R:iutenfiirmig:s Klosterkonl'ekt mit dem Hirsch Kleiner und großer Timpenstuten (Herford).
(Reutberg, Oberbayern).

Quadrate geteilt ist (Stöber, 474); sie sind der typische Unterelsässer Fest
kuchen. (Geärard, 170.) Die Mutzen und Mutscheln sind in der Schweiz
sprachlich schwer zu trennen von den Mutschellen, Mutscheli*) (= Multer
scharre), welche formell ein einfaches rundes Laibchen darstellen, das ehe—
mals aus dem letzten Reste der Molterscharre dargestellt wurde; eine Reihe
von lautlich an letzteres sich anlehnenden Nebenformen sind: (schweiz)
Mötschlin, (tirol.) mutschallen, (Straßburg) mütschelin, (schwäb) mütschelein.
Ortsneckerei war es, wenn die Leute im schwäbischen Isny als »Mutschel—
fresser« bezeichnet wurden. 1'Bir1inger,W. B., 386.) Die kölnischen Mutzen
und Mändelcher (s. Fig. 21) sind deutlich rautenförmig; auch die im
Codex german. monac. 4413, F0l.175, der Münchner Staatsbibliothek
*) Daß das Volk unterMutscheln auch ein oben vierfach geteiltes pfaffen
käppchenartiges Laibchen (Multscheli) verstanden habe, ergibt sich aus dem
Namen des Pfaflenkäppchenstrauches, Evonymus europaeus, der »Mitschelinsholz
MuIschelle-, Mutschelle-‚ Mutschlinholz« in der Schweiz heißt. (PritzeI-Jessen, 149.)
45

(nach Schmeller, l, 1700) abgebildeten, durch die Güte eines Bibliotheks—


beamten als Pause dem Verfasser zugänglich gewordenen Mutscheln
(s. Fig. 22) sind ebenfalls rautenförmig; sie gleichen ganz den in Villingen
in Württemberg üblichen Kirchweihküchle, dort »Scherben« (von ihrer
flachen Form) genannt. Über diesen Rhombus Veneris ~(Schedius, 232) siehe
Weihnachtsgebäcke, S. 47. Ganz und gar weicht davon die Reutlinger
Mutschel (Fig. 2) ab, welche einen achteckigen Stern (Pentagramm) dar
stellt, auf dessen Mitte ein geflochtener Doppelkranz und in dessen Zentrum
eine Teigschnecke liegt (Muschel? Volksetymologie?) Rochholz bildete
sie in der Leipziger Illustr. Ztg. 1868, S. 228, also vor 40 Jahren, schlecht
genug ab; es ist als solches Glückssymbol formell ein Neujahrsgebäck,*)
auf welches nur der Frühjahrsgebäcksname »Mutschel« mit Unrecht

Fig. 25—26.
Rnuicnförmige Lebkuchen.

übertragen wurde, gleichsam das Fruchtbarkeitssymbol nominell anti—


zipierend. Verschiedene andere Gebildbrote, namentlich die Lebkuchen,
haben Rautenform (s. Fig. 25——26){; ebenso der Herforder große und kleine
Timpenstuten (s. Fig. 24); auch manches Klosterkonfekt, das einen (Fast
nacht?) Hirsch aufgedrückt zeigt, hat Rautenform (s. Fig. 23).
Diese rhombischen flachen Mutzenflecken, Teigflecken (Schmalz
gebäck), die nur auf die Fastnachtszeit beschränkt bleiben, stellen nach
unserer Anschauung den Rhombus Veneris dar; schon ihre absichtliche
Gegenüberstellung am Rhein gegenüber den »Mändelcher« läßt letztere
als (scrota) Virilia und jene als Feminalia deuten. Stark mit Zuckerstaub
überstreut liegen dort die »Mutzen und (die) Mändelcher«, jedes, das heißt
die Mutze getrennt von den Mändelchen, in einer eigenen Schale, für die ein
kehrenden Hausfreunde nur währendder Karnevalszeit frei zum beliebigen
Genusse auf. Im bergischen Herkenrath werden die Mutzen auf Fastnacht
*) S. oben S. 9.
46

bereits ohne eine bestimmte Form gebacken, indem man einfach das
Mehl in das siedende Oel wirft d. V. f. rh. V. K., l, 214.)‘; so ver
kümmert sich der Volksbrauch. Die Lebzelter in Zell a. S. (Tirol) stellten
nach ihren Wappenbildern dieselben rautenförmigen, mit Mandeln belegten
Lebkuchen her, wie die Hamburger, deren Bäckerwappen ebenfalls rauten
förmige Mutzen (18. Jahrh.) aufweist. iSeyler, 54, 55, Tafel 65, Nr. 7,
Tafel 64, Nr. 5.) Die Dresdner »Kräppel« sind ebenfalls rautenförmig zu—
geschnittene dünne Teiglappen aus Schmalz gebacken, die ihr Name
»Kräppel« = Krapfen mit der Fastnachtszeit in Verbindung setzt.
Die obenerwähnte Volkssitte, daß sich die jungen Leute auf Fast
nacht gegenseitig mit den Symbolen der animalischen Fruchtbarkeit be
schenken, findet sich unter dieser verhüllten Form (Mutzen und Mändelchem
also noch angedeutet. Als Flecklein gehen diese kleinen, scherben
dünnen Teiglappengebäcke bis in die althochdeutsche Zeit zurück. Ahd.:
flekkelin : torta, kücho (Steinmayer, ahd. Gl., III, 213); 1460 ist flecki
mit artocopus (wie die Mutz s. oben) glossiert (D., ll, 36), dürfte also das
fleckenförmige Mutzengebäck des zünftigen Mutzenbäckers bedeuten. Der
bayrisch—österreichische »Eierfleck« ist ein mit Eierklar überstrichenes, in
Schmalzgebackenes, fleckförmig zugeschnittenes Gebäck (Eierplatz‘, das
ebenfalls im Frühjahre von den Mädchen in Niederbayern
und Österreich verschenkt wird (Höfer, l, 13; Bavaria, ll,
1, 262); in Wien heißt derselbe, wie schon erwähnt,
»Faschangfleck«.
9. Eine andere Form der flachen und eckig zu—
geschnittenen Fleckengebäcke der Fastnachtszeit sind die
dreieckigen (s. Fig. 27) sogenannten Hasenöhrl oder
Fastnachtsküchel A, die etwas schwerer zu deuten sind:
sie könnten sein:
a) entartete Mutzen (aus viereckigen Formen in
dreieckige umgewandelt);
b) Hasenohren, die als Teil fürs Ganze (Hasenopfer,
Fig. 27~ Hasenöhrl s. oben S. 29) gehen könnten; langgestreckte Hasenlöffel;
'Ohflhnymm c} die stillose Hammergestalt.
Mit dem christlichen Kreuzeszeichen kann diese dreieckige Form
nie und nimmer Zusammenhang haben, wie J. P. Schmidt, 105, meinte;
dieser erinnerte nämlich daran, daß Heinrich der Löwe, Herzog zu Sachsen
und Bayern, den zum Christentum bekehrten Wenden den Auftrag ge
geben haben soll, gewisse Formen des Brotes in Kreuzform Kreuz
brote bei der Abhandlung über Ostergebäcke, S. 14) zu backen, zum Bei—
spiel die slawischen Seelenbrote: »Die denn eben solcher Form halber
Wecken Ecken oder eckigte Broedte benannt wurden und sich von darab
biß noch jetzund sowohl ihrem Nahmen alß alter Gestalt nach in einem
feyerlichen Gebrauch, umb Fastel-Abend aus, behauptet haben.« Schmidt
(l. c. 1061 ergänzt diese seine Bemerkung noch damit, daß der Herzog
befohlen habe, das Brot in der Form,wie es zu Wismar und in anderen
47

Städten schon bekannt und gebräuchlich gewesen sei, zu backen, nämlich


kreuzweise wie die sogenannten Hetweggen (s. oben S. 35, Fig. 12); mit
anderen Worten, der Herzog führte (angeblich) bei den sächsischen Wenden,
welche bekehrt waren, ein niedersächsisches Gebäck (und bessere Bäckerei
überhaupt) ein, welches Gebäck die Biographen als ein Kreuzbrot deuteten.
Die Kreuzbrote sind aber nahezu ausschließlich ein Ostergebäck mit christ
lichem Charakter und kommen in der Fastnachtszeit nicht vor, wohl aber
die Hetweggen, deren Ecken überkreuz stehen. Nach Wolf, I, 78, ißt
man in Ilseburg im Harz und in Torgau i. S. dreieckige Kuchen an
geblich in Hammergestalt; Verfasser ist es nicht möglich gewesen, solche
zu erhalten, er konnte aber auch bisher nie eine Hammergestalt unter
den vielen Tausenden von Gebildbroten, die er gesehen hat, ausfindig
machen. Wenn auch die Triangelform schon seit der Steinzeit geübt
wurde und wohl auch Kultbedeutung hatte, so ist doch niemals an des
nordgermanischen Thörs Hammer bei diesen meist süddeutschen drei
eckigen Kücheln zu denken. Nach J. Bruyerinus Compegius, 421 ff., der
um 1560 seine Beobachtungen über gallisches, das heißt französisches
Gebäck niederschrieb, wurden damals dreieckige Küchel oder calliduli
in der Frühe als erstes Frühstück in der Fastenzeit gegessen. »Sed alio
genere maxime universa Gallia, praecipue jejunio illo solemni quadra—
genario. Id autem panificium in pistrinis dulciariis frequentius fit. Subi
piscitur sedulo ac tritatur farina triticea a furfuribus diligenter secreta,
cribro pollinario, deinde butyrum admiscetur. lnterdum vero, quando per
religionem licet, Iutea ovorum adjici videmus. Hos panes in triq u etr am
figuram fingunt pistores. Vulgus Gasteros et Gastellos (= Wastel,
gasteau, gäteau) appellat et Callidulos (= H€atwecken P). Vidimus in auli
corum procerum mensis primo cibo sumi, quod non magnopere laudamus.«
Es läßt sich dieses französische Herrenhofgebäck nicht deuten, vielleicht
waren es solche dreieckige Faschingsflecken, die wie die norddeutschen
Hetweggen morgens heiß gegessen werden, oder e's waren andere Ge
bäcke, welche zum Beispiel als sogenannte Heidenhüllen in der
Schweiz auf Fastnacht üblich sind (Schw. Id., II, 1160); daselbst heißen
sie auch »Fastnachtskissen« (Fasnacht Chüsi), aber wegen ihrer vier
eckigen stark aufgetriebenen Form. (Schw. Idiot, III, 530; Schw. A. f.
V. K, I, 1183.) Diese viereckigen Fastnachtskissen erinnern vielleicht an
die bacchischen placentae, welche Lobeck (Aglaophamos, 1076) anführt:
»yr,aav.pxzi 7.01.‘. rrupczp.iöe; 1.01.‘. ro‘uärrav. ‘mal zo'nowa. 7m}.oöp.pä~lou ‘Anti 1.ctloiq«‚ die
rola'mv,-_‚ und ß‘r]p1,v.a; sollten nach ihm ein pulvini modo conglo—
meratum sein.
Die dreieckigen Hasenöhrl, welche als »hahzenor« schon im
ältesten oberdeutschen Kochbüchlein (nach Rochholz, Illustr.Ztg.1868,
S. 271) aufgeführt sind, kommen auch 1534 als Hasenöhrl im Tegern
seer Kloster als Fastnachtsgericht vor (Pfeiffers Germania, IX, 201), ebenso
1719 als Hasen-Aehrlein im Salzburger Kochbuch, IV,91; Schmeller, I, 1172;
Schw. Id., I, 414. Es sind mit Topfen oder Quark versetzte flache,
48

drei- (oder vier-)eckige, in Langohrform ausgeschnittene und in Schmalz


gebackene Teiglappen, die sich im heißen Fett etwas kissenartig hohl
aufblähen; sie werden meist zu Hasenragout oder Sauerkraut gegessen.
Ihnen gleichen die Milch- oder Eieröhrli der Schweiz, (1541) milch-örli
oder eierörli, Küchle, die aufgond und eine Hole habend wie Küssele =
laganum (Schw. Id., I, 416); (1577) auss den eiern machend die unseren
Küechle, eyer oder milchörle genennt; (16. Jahrhundert) eierörle, laganum,
ein gattung der Küechlinen. (Schw. Id.. l, 414; III, 134.)
Im Schwäbischen heißen diese Teiglappen (Flecken) auch »Fast—
nachtsöhrle« (RD., 47;), in der Schweiz »Öhrli Küchli (Schw. A. f. V. K., I,
183; Schw. Id., III, 135), in Mittelfranken »Hasenlöffel«, in Oberfranken
»geschnittene Hasen«. Ob nun das Volk diese dreieckigen Langohrlappen
bloß allgemein mit den Hasenohren verglichen hatte, oder ob dasselbe
wirklich das Hasenohr als Teil des ganzen Tieres oder Kopfes annahm?
Die weite landschaftliche Verbreitung der Bezeichnungen »Hasenohr«,
»Hasenlöffel«‚ »geschnittene Hasen« etc. legen die Verbindung mit dem
Hasentiere als solchem sehr nahe.
Der Märzenhase als Fruchtbarkeits- oder Seuchenopfertier in den
römischen Bacchanalien ist ein volksmedizinisches Mittel, das symbolisch
in der Mönchsküche der Fastenzeit vielleicht durch ein Hasenohr in
Teigform gegeben wurde.
Hasenohren oder Maulwurfspfoten*) wurden im 14. Jahrhundert in
die Wiege des Kindes zum Schlafmachen gelegt als Teil des ganzen
Tieres, um es durch den Analogiezauber einzuschläfern und vor den
elbischen Quälgeistern zu sichern. (Hess. B]. f. V. K., V, 160.) Gebackene
Hasenohren könnten also ganz wohl wie die gebackenen Hirschhörner das
ganze Opfertier der Lenzzeit vertreten, auch als Teigfigur, wie auch der
gebackene Osterhase das lebende Hasentier als Frühlingstier vertritt. Der
März- oder Frühlingshase ist nicht bloß Vegetationsgeist,**) sondern auch
ein Opfertier der Lenzzeit, das leicht größere, andere Opfertiere ersetzen
konnte; der aus Teig gebackene Freiberger Bauernhase wird von der '
Volkssage direkt als fastenzeitliches Substitut des Fleischhasen erklärt;
auch der westfälische »Pfannenhase« (pannhase, Bahlmann, 354), ein Buch—
weizengericht mit Fleischteilen, dürfte ursprünglich mit dem lenzlichen
Fleischgerichte eines Hasen Zusammenhang haben; auch in Oberbayern

*) Gerade in der Fastnachtszeit werden an verschiedenen Orten die Scher


maushaufen auf den Feldern abgetragen und so die unterirdisch schlafenden winter—
lichen Vegetationsgeister in Gestalt von Maulwürfen gleichsam vertrieben. Schw.
A. f. V. K., VII, 51.
**) Auf antiken Bildwerken sieht man Hasen vor der die Sinnenwelt dar
stellenden Grotte (virginis antrum), in welcher das Beilager zwischen Bacchus Liber
und Proserpina Libera vor sich geht; also auch hier hat der Hase Beziehung zu dem
Bacchusfeste der Römer. Diese antike Vorstellung kehrt auch auf alten Nürnberger
Lebkuchen als Gebildbrot wieder (Rochholz in Illustr. Ztg.1888), allerdings als
Ritter St. Georg, der die in der Bergesgrotte verborgene Jungfrau erlöst; neben dieser
sitzt ein Hase in einer Frühlingslandschaft, vorne liegt der erlegte Winterdrache.
49

war früher das Hasenragout mit »Hasenöhrl« ein Fastnachtsgericht.


Kurzum, die größere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß das ge
backene »Hasenöhrl« den Lenzhasen als Lenzopfertier, das den Segen
der Fruchtbarkeit bezweckte, vertreten dürfte (s. auch ersten Sonntag in
der Fasten), weshalb auch in der Schweiz die Mädchen ihren Geliebten
Hasenteiggebäcke schenken in dieser Zeit wie ein Vielliebchen oder wie
andere Fruchtbarkeitssymbole in Teigform.
10. Eine andere Form der Fastnachtsküchel sind die rheinischen
Mändelcher (s. Fig. 28), die im Volksbrauche ganz deutlich den weib—
lichen Mutzen (s. oben) gegenübergestellt werden. Die gewöhnliche Er
klärung, daß sie eine mandelartige Form haben, reicht nicht aus. Warum
sollten sie als solch angebliche Mandolinen zu den Mutzen in so auf
fallend betontem Gegensatz'e stehen? Die Mandeln sind eine um 820
zuerst in Deutschland erwähnte südliche Gartenbaumfrucht, die immer
den Charakter von etwas Fremdem hatte und die nicht leicht von den
breiten deutschen Volksschichten der früheren Zeit zum Vergleiche des
Fastnachtsgebäckes gewählt worden sein konnte.

Fig. 28. Fig. 29.


Mutvenmänclelcher (Rhein); Fastnachtszipfel aus Irrse (Schwaben).
Fehmnrsche Krüppel. '

Die älteren Zeiten waren bei der Herstellung dieser natürlichen


Männlichkeit nicht so prüde, erst die Neuzeit erlaubt nicht mehr, die
selbe figürlich oder sprachlich zum Ausdrucke zu bringen, lehnt also in
der Deutung der »Mändelcher« an die Mandelfrucht an; wir werden noch
einmal darauf zurückkommen müssen, glauben aber schon hier die
»Mändelcher« = Männliches, das heißt als scrota virilia deuten zu müssen,
als ay_i‚y~z o"v.vöpdw. Vermutlich gehören hierher auch die elsässischen »Zapfen«,
kleine zipfelförmige Teigklößchen, in Wasser gedrehte Fastnachtsküchel,
welche noch unlängst die Milchweiber ihren Kunden verehrten. (E. W., II,
910 [Fig. 29.]) Ferner die schwäbischen Fastnachtszipfel (lrrsee)
aus einer Klosterbäckerei, welche die Gemeinde bezahlt, und welche
weckenartig und oberflächlich mehrfach geschrüppt sind; doch ist diese
Verbindungsform des länglichen Weckens mit dem runden Zapfengebäcke
sehr schwer definitiv festzustellen. Diese gesalzenen Fastnachtszipfeln er
holen sich die Schulkinder im Hause des Gemeindekassiers. Näher liegt
der Vergleich bei den elsässischen Buben spatzen, Ansbacher Bauern
oder Feuerspatzen, kleine in heißem Schmalz gebackene, dem penis in—
fantilis angeglichene Teigklümpchen; im Elsaß »Burenpimpeln« genannt
Zeitschrift für österr. Volkskunde. XIV. Suppl.-H. V. 4
50

(E.\W~, ll, 528; Deutsche Gaue, 105/6, S. 33; Krauß: Anthropophyteia, H, 263.)
Als Phallusgebilde ist auch das (gallische) Rübengebäcke der Fastnachts
zeit zu deuten, das auch in Rom als pane piemontese figuriert. Bruyer.
(Comp., 405) schrieb (1560): »Qua apud nos aliquot dies ante jejunium
quadragenarium magna matronarum puellarumque hilaritate conflantur,
Buma*) vocant, a bimi forte hoc est napi (= Napa) figura« (vergl. Rüben—
zagel = Rübezäl); vielleicht zu: {äoovmt;= Ochsenfiesel; Rübe.
11. Wie naiv das Volk früher solche Fruchtbarkeitssymbole zum Aus
druck brachte, lehrt uns ein Blick in das Antwerpener Volkskundemuseum,
wo unter Nummer 564, 565 alte männliche und weibliche
Figuren, aus dunklem Roggenmehl (welches heute dort nicht mehr
verwendet wird) roh gestaltet, wie afrikanische Fetischfiguren, mit sehr
ausgeprägten (phallischen‘l männlichen und weiblichen (spaltförmigen)
Geschlechtsteilen, die sogar den behaarten Mons Veneris = Rhombus
Veneris zeigen, sich befinden. Das ist der Roggen—weht (Bursche) und
das Roggen-wijf (Mädchen), Gebäcke, die sich die Verliebten, wie Viel—
liebchen, in der Mittfastenzeit schenkten (Catalogue du Muse'e de Folk
lore 1907). Animalische und vegetabilische Fruchtbarkeit wurden stets in
Sympathie zueinander gebracht.
Sonst ist die Darstellung männlicher und weiblicher
Figuren aus Teig, die wir als Verkörperungen von Vegetationsdämonen
oder Hausgeistern (Fastnachtsbutzen) auffassen müßten, nach Analogie
der Niklas-‚ Weihnachts—, Ostertiguren in der Fastnachtszeit, nicht so
häufig zu finden, wohl deshalb, weil solche ohnehin im Volksbrauche
dieser Zeit in natura vorgestellt wurden und eine bildliche Wiedergabe
in Teigform nicht nötig hatten. Der Schweizer Küchlimann, ein
Züricher Fastnachtsgebäck in Gestalt eines Mannes (Schw. ld.‚ IV, 264),
ist vermutlich wie auch das zu Engste und Schwerte im Bergischen auf
Fastnacht gebackene und in Iserlohn zu Markt gebrachte Fastnachts—
weib (Z. d. berg. Gesch., V., Xi, 87) mehr eine Scherzfigur, mit der ver—
mutlich die Verliebten sich neckten (s. auch ersten Sonntag in der
Fasten).
12. Die südd. sogenannten Fa stn a c hts n u d e l n (Fig. 14—16) sind
nur lokal anders bezeichnete Fastnachtskiicheln oder die schon oben,
5.26, erwähnten Schuchsen. Bei dem Fastnachtslaufen und Maskeragehen
in Mittenwald (Oberbayern) figuriert nicht selten eine Küche, in welcher
zwei bis drei Metzen gutes Mehl als Kücheln oder Hefenudeln aus Schmalz
herausgebacken und verteilt werden. Auch die Lieblingsspeise der Knaben
»Eier in Schmalz« wird von den Masken bereitet und ausgeteilt.
(Baader, 362.)
13. Ein spezifisches Fastnachtsgebäck ist und war das Herz,
namentlich im Krainerischen und im Elsaß, wo die Mädchen ihren Burschen
als Zeichen ihrer Neigung (nicht die weiblichen Spottfiguren, s. oben 11)

*) Rolland, Flore populaire, führt dieses Wort unter Brassica napa nicht auf.
51

herzförmige Kücheln oder Lebkuchen als Liebessymbol zum Geschenke


machen, gerade in dieser Fastnachtszeit. Auch die Karlsbader Fastnachts—
rosen (Fig. 30), ein rosettenartiges Krapfengebäck, tragen als mittelste
Auflage ein blutrotes Herz (s. unter erster Fastensonntag). Wir haben
oben schon die Krapfen als römische rundballige Herzform gedeutet und
haben uns in der Abhandlung »Das Herz als Gebildbrot« bereits im
Archiv f. Anthropologie, V, Heft 3, S. 264, ausgesprochen, daß die zwei—
lappige (nicht ganz runde) Herzform aus Ägypten durch die koptischen
Mönche übermittelt sein dürfte. Das Herz als Organ des Seelensitzes
spielt in der Volksmedizin eine sehr große
Rolle; mit dem Genusse von Menschen- und
Tierherzen sollten namentlich die dämo
nistisch veranlaßten Krankheiten geheilt und
Gegenliebe (Verbrüderung) erweckt werden;
so sollte auch der Genuß eines rohen Herzens
eines lebenden Hechtes (Fastenfisch) gegen
Fieberdämonen helfen (Jühling, 25); diese_
volksmedizinische Omophagie steht in Ana—
logie zu der Omophagie eines lebenden
Grundlings (Fisch) auf dem Gerhardsberge
im Vlämischen am großen Fastelabendstage Fig_ 30~
(V. K., XVIII, 144), wo eine Art Verbrüderungs- Knlsbnder Fastnachtsros»: mit rotem um
fest gefeiert wurde. Es drängt sich hierbei “Schmlzg°bäck)'
folgende Anschauung auf: In der Mönchsküche und der davon beeinflußten
besseren Küche trat in der Fastenzeit an Stelle des Genusses des rohen
Herzens der römischen Bacchanalien vielleicht das Herz des Hauptfasten—
fisches der Mönche, des Hechtes. Der Omophagie bei den römischen
Bacchanalien als einer noch bestehenden Kultsitte gedenken (nach Rohde,
ll, 46) Clemens von Alexandrien (1- 220 p. Chr), Arnobius (‘I- 295 p. Chr.)
und Firminus Maternus (-l- 347 p. Chr.) Den Eindruck einer bacchantischen
Omophagie macht auch das Verschlingen und Einschlürfen eines lebenden
Grundlings in einem Becher Wein durch den Bürgermeister und Pfarr
dechant, ein Volksbrauch, der schon im 14. Jahrh. im Vlämischen bezeugt
ist. (V. K., XVIII, 144.) Die alltägliche Bedeutung des Herzbildes als Symbol
der Liebe, die dasselbe namentlich im christlichen späteren Mittelalter
angenommen hat, entspricht nur ein e r Seite des Volksglaubens, der sich
an den Genuß des menschlichen oder tierischen Herzens knüpfte und die
eben im Christentum besonders stark sich ausprägte.
14. Ein Fastnachtsgebäck ist ferner der sogenannte Hornaffe
(auch in »Hornachter« entstellt), der wegen seiner polymorphen Bildung
schwer sich deuten läßt. Wir wollen nach berechtigter Gepflogenheit auch
hier die etymologischen Momente vorausschicken.
Das Wort: Horn-, Hor—, Haar—, Harn-Affe, —Ap, —Äpgen, -Äffchen ist
bezeugt für Schwaben (Krailsheim i. W.), Thüringen, Franken, Hessen,
Schlesien, Naumburg, Erfurt, Schmalkalden, Meißen.
411
52

Nach dem »Schwäbischen Merkur«, 21. Februar 1900, erscheint in


Krailsheim i. W. schon 1357 der Familienname Hornaffe; daß dieser
(lokale?) Familienname dem weitverbreiteten Gebäcke den Namen gegeben
haben soll, ist schon deswegen nicht glaubhaft, weil die Familien eher
vom Gebäcke, das von der betreffenden Sippe hergestellt wurde, ihren
Berufsnamen erhalten haben, zum Beispiel Mutzenbäcker, Weckbäcker,
Meichelbäck, Gutbrod etc, und weil das Gebäck nicht auf Krailsheim allein
beschränkt war und Krailsheim gewiß nicht der ausschließliche Ausgangs
punkt sein konnte für ein so weit verbreitetes deutsches Gebäck. Daß
Hornaffe = hornavva (Hornau, sumpfige Au, als Besitz des Geschlechtes
der Hornaffen) sei, ist nicht denkbar, abgesehen davon, daß es horavva
heißen müßte. Die Hornäffer hatten eben ihre Namen vom einträglichen
Verschleiße des Hornaffengebäckes. 1369 (also schon vor 1380): hornaff
= Brotgebäck, Spitzwecken, Weizenbrot (Schmeller, I, 41, 1164); 1397:
hornaffin (Weinhold, W. B., 5); 1468: harnaff = pretzen artocapus
(= käufliches Brot, panis pistus labore in oleo) (D.‚ l, 51, Schmeller, I, 41);
15. Jahrh.: hornaffen, harnof. =. artocopus (D., I, 51); hornaffe : colifium
(zwligczov), striezelartiges Kipfelgebäck (D., I, 131); hornaff = artocoper;
hornof vel krapffer (Birlinger, W. B., 236); Losprot, pretzen, harnaffen
(Ortolph) (Schmeller, I, 1164); 1517: hornaffe = spira (D., I, 547); 1592:
hornaff=triangulum (D., I, 594); 1637: hornaffen = triangles (dreieckiger
Fensterscheibenzwickel zwischen den runden Butzenscheiben ‚_\) (E. W.,
I, 16; Schw. Id., I, 101); 1801: hornaffen (Roeßig, 222 ff.) Nach Grimm,
D. W. B., IV, 2, 1822, führt Stieler, 776, an: »hornab sive hornaff, species
spirarum mense Februarii Erfurti coctarum«; demnach fallen sie in
Erfurt noch in die Faschingszeit und nicht in die christliche Fastenzeit
(März).
Nach diesen literarischen Quellen wäre also der Hornaffe ein in Öl
oder Butter gebackenes, verschieden geformtes Fastnachtsgebäck: a) Spitz—
wecken; b) Brezel (spira); c) Striezel oder Kipfel (colifium); (I) Krapfen;
e) zwickelartig, dreieckig; f) hornartig gewunden wie eine Mondsichel. Nork
(Scheible, VII, 136) und R. D.‚ 47, meinten, daß man in Thüringen auch
die Brezeln »Hornaffen« nenne, weil sie im Hornung gebacken werden,
denn »die Fastnacht macht Narren oder Affen wohlfeil«. Eine Seite weiter
(p. 137) sagt Nork: »Das Backwerk Hornaffen, in wendischen Gegenden
Hörnl, Hörnchen genannt, war ein Bild des Füllhornes.« Füllhorn und
Brezell? ist doch ganz unmöglich in einem Gebilde zu erblicken. Roch
holz (Illustr. Ztg. 1868, S. 383) führt an, daß der Hornaffe aus zwei mit
ihrer dicken Seite aneinandergebackenen Kipflein bestehe, also eine Art
Knaufgebäck sei; vermutlich aber sind es zwei aneinanderstoßende
Hörnchen gewesen, die Rochholz vor sich hatte. In Krailsheim werden die
Hornaffen zum sogenannten Stadtfeiertag oder Horaffenfeste hergestellt,
das am Mittwoch vor Esto mihi (siebenten Sonntag vor Ostern), also
noch im Hornung gefeiert wird, angeblich zum Andenken an die Auf
hebung der Belagerung von Krailsheim am 2. Februar 1380.
53

Nach Berlepsch, VI, 175, sind die Thüringer Hornaffen runde Weizen
mehlkringel der Faschingszeit, ähnlich den Königsberger Fastenkringeln,
deren 6 oder 12 aneinander zu einer Gebäckreihe zusammengesetzt
werden, so daß zwischen je drei ein dreieckiger Zwickel überbleibt, wie
zwischen drei Butzenscheiben. Man hört das Gebäck auch manchmal
»Hornachter« nennen. (Wenig, Handwörterbuch d. d. Sprachei 277.) Solche
Hornachter, in Erfurt (Fig. 31)‘ ein Fastnachtsgebäck, sind runde Ringe
mit Kümmel und Salz bestreut. (W. Hartmann, 828.) Am meisten Ähnlich
keit mit einem Doppelhorn (s. Fig. 32) haben die Krailsheimer Hornaffen.
(s. Fig. 34). Im Hessenlande, in der Gegend von Hofgeismar, Grabenstein
etc. backt man (zu Silvester?) auch Hornaffen aus einem gewöhnlichen
Kuchenteige, der aufgerollt und kranzförmig geformt wird; die Kranzenden

Fig. zu. Fm~ 32.


Hornncl1ter oder Hornaffe l\lartinihörnl (Niederösterreich).
aus Erfurt.

werden mit einer Teigschleife zusammengefügt. (Zeitschr. Niedersachsen


1902, VIII, Nr. 6, S. 94.) »Auch in Naumburg (Thüringen) hat sich wie in
mehreren anderen Städten die lächerliche Benennung »Hornaffe« und die
alte Sitte erhalten, dergleichen zu Fastnacht zu backen. Sie haben (dort)
die Gestalt eines doppelten Hörnchens, kommen jedoch, so viel ich weiß,
nur am Tage, da das Brezelbacken (in der Fastenzeit) anfängt, zum Vor—
schein und werden (auch) mit einer Anzahl Bretzeln unter die Mitglieder
des hohen Rates verteilt.« (Lepsius, Kleinere Schriften, I, 253.)
Am häufigsten erscheint demnach der »Hornaffe« als Doppelhorn—
gebäck, dann als Kringelgebäck, auch als Brezel; der Form nach hat er
also mit dem Affen, das heißt mit einem menschenähnlichen Wesen, gar
keinen Zusammenhang. Es dürfte dann die Meinung geäußert werden,
daß Hornaffe das lenzliche Fastenzeitgebäck sein könnte, welches horn
artig oder doppelhörnig gebogen erscheint oder das den gehörnten, affen—
artigen Fastnachtsputzen gegeben wird? (Vergl. Osterwolf in Ostergebäcken,
S. 58.) An der Bezeichnung Affe ist nichts zu ändern; umsoweniger als
auch noch ein Fastnachtsgebäck »Affenmund« vorkommt, der nur als
54

»Affenmond« zu verstehen ist, der mit dem »Hornaffen« dann in irgend


einer Beziehung stehen könnte.
Der Umstand nun, daß man auch die dreieckigen Fensterscheiben
zwickel als Hornaffen bezeichnete, macht es sehr wahrscheinlich, daß
die Mondsichelform oder Hornform die ursprünglichere und typischere
Form des Gebäckes sein dürfte. Dann läge der Hornung-Monat als Zeit
des Gebäckes*) auch ganz nahe. Daß die brezelförmigen und krapfen
artigen Hornaffen nur lokale Ausartungen der Fasten- oder fastnachtzeit—
lichen Gebäcke sind, ist ohnehin das Wahrscheinlichere.
Die Beziehungen des Hornaffen zum Monde sind noch mehr befestigt,
da in der Fastnachtszeit auch mondsichelförmiges Hörnchengebäck (Hörnle)
zum Beispiel in Waischenfeld(Oberfranken) nur in der eigentlichen Fast
nachtszeit üblich ist, das heißt bis zur Fastenzeit hin; vom Fastnachts
dienstag ab gibt es dort keine Hörnle mehr, »dann haben sie die Bäcker

Fig. 33. Fig. 34.


.\lartinsh9rn, Mohnlcipfel Krailsheimer Hornnl‘fe.
(lmkchischcs Mondfonngebiick). ‘ '

ins Wasser geschüttet«; damit ist der Zusammenhang des Hörnchen


gebäckes der Fastnacht mit dem Heidnischen und den Bacchanalien (und
Hornung?), also dann auch des Hornaffen mit letzteren sehr wahrschein
lich und die lokale Verwandlung der Hornaffen in Fastenbrezeln
erklärlich. Vergleiche auch die hornartig gebackenen Würzburger Fasten
brezel, die sogar Weckhörnchen heißen (Fig. 39).
Am nächsten läge es nun, an ein Symbol des doppeltgehörnten
Bacchus—Dionysos zu denken, dessen Frühlingsfest in dem Hornung und
dessen Winterfest um Martini fortlebte, das heißt als Faschings- und
Martinshörner namentlich in fränkischen Gegenden, umsomehr, als noch
mehrere andere Beziehungen der deutschen Faschingszeit zum Dionysos—
Bacchus—Kult bestehen. (Ausgelassene Lebenslust, Tänze, Mummenschanz,
Orgien, Phalluskult, Weiberfeste, Omophagie, Herzgebäcke, Genitalgebäcke,
Schiffskarren, Seelenfeier etc.)
Schmeller, l, 41, führt die Belegstellen auf für den Affenmund:
(1519) »man pacht die affenmund ain wenig groeßer als die Küechel«;
»zu fasnacht 16 affenmund mit honig überstrichen.« (Manual des Münchner

*) Im schwedischen Runenkalender werden in diesem Monate Hornzeichen


angegeben. (Scheible, VII, 136).
55

Heil. Geist—Spitals.) Pfeifers Germania, IX, 200, gibt aus dem Kloster
Tegernsee 1534 an: »äffenmmdt, äffenmnd, effmdt.« Das Salzburger Koch
buch (1719) hat bereits affelmund. (IV, 92.) Da »Mund« in Oberbayern
nicht volksüblich ist, so kann es nur ein entstellter »Affenmond« (Horn
affe) sein, das heißt ein mondsichelförmiges Horngebäck; allerdings ver—
gleicht das Salzburger Kochbuch das Schmalzgebäck mit einem falten—
reichen Bauerngekrös, was weder zu Mund (Maul) noch zu Mond stimmt.
Nach Anton (Gesch. d. t. Landwirtsch.‚ II, 270) erhielten die Klosterbrüder
in der Fastenzeit Mondbrote. Halbmond- oder sichelförmig gebogenes Brot
war schon im 8. Jahrh. ein St. Gallener Klosterbrot (»panis lunatus, in
lunae modum factus«, Heyne, II, 278); (1090: panis novus in modum lunae
factus, Kindlinger, II, 56, Anton, II,"_270.) In Bayern-Oesterreich macht der
Mond ein Kipfel (zu Iat. cippus, hornartig gekrümmt; mhd. kipfe);
13. Jahrh.: »do brachten im de pecken chipfen und weize flecken«
(Perger, VI); 1432: chiphf = colifa (Fromm, IV, 295); 1685: kurze, krumpe
und gerade Kipffel. (Abraham a St. Clara, I, 10.) Aus diesen Belegstellen
erhellt, daß die österreichisch-bayrischen Kipfel oder Hörnl auch als
Mondsichel, Mondhornform gedeutet werden könnten. Auch in der Schweiz
gibt es auf Fastnacht hornartige Kipfel. Das Doppelkipfel ist der Hornaffe
und dieser ist also wahrscheinlich ein Mondsichelgebäck für den doppelt
gehörnten Dionysos-Bacchus, der vielleicht als menschenähnlicher (Affen—)
Götze verspottet wurde. Weshalb Dionysos ein solches Doppelhorn trug,
diese Frage zu beantworten würde zu weit abführen; nach aller Wahr
scheinlichkeit, ja fast gewiß, darf man dasselbe als Mondhorn deuten.
Wie sehr auch diese mondsichelförmigen Hörnchen in ihrem mittleren
Teile ausarten können, lehren die neapolitanischen Formen, bei welchen
dieser blasenartig vergrößerte mittlere Teil die Hauptsache wurde, während
die beiden Gipfel fast geradegestreckt verlaufen (s. Fig. 35).

Fig. 35.
Nenpolimnisches Kipfnlbml, 44 cm lang.

15. Wir finden auf Fastnacht sowohl das ganze Hirschtier als das
Hirschhorn. (In Analogie zum Hasen und Hasenlöffel.)
In Soest in Westfalen gibt es (nach Woeste, 100) den sogenannten
»Hietsebock«‚ »Hertebock« = Hirschbock als Fastnachtsgebäck (Z. f. rh.
u. westf. V. K., II, 161), das nur noch den Namen, nicht aber die Form
desselben trägt.
In Zell a. S. (Tirol) haben die sogenannten »Faschingflecken« die
ganz deutliche Gestalt eines Hirsches; auch manche Klostergebäcke tragen
auf dem rautenförmigen (s. oben S. 44) Lebkuchen einen Hirsch (s. Fig. 23).
In der Schweiz gibt es auch auf Fastnacht
sogenannte Hirschhörnli, (Pars prototo), (siehe
Fig. 36,). ‚ '
Wie schon in früheren Abhandlungen,
so möchte Verfasser auch hier das Gebild
brot als Stellvertretung des Hirschopfers
auffassen; wenn letzteres auch nicht gerade
für die Fastnachtszeit nachgewiesen ist, so
kann das Gebäck doch an manchen Orten
auf diese Zeit übertragen worden sein. Da
wir in den Ausdrücken für Bäckertechnik
Fig. 36. und Gebäcke vielfache Überbleibsel aus der
Antike übernommen haben, wäre das heutige
d:uBadeuer Kräweli ist die Hälfte, <i..w„‚ Hirschgebäck auch als ein solches annehm
bar. Die Dionysien wurden in Griechenland
im Hirschmonate Elaphebolion*) (März) abgehalten. (Schneider, l, 384.) »Es
wurden der Artemis Elaphebolos Hirsche geopfert, die als Kuchen in
Form eines Hirsches zu verstehen sind.« (Nilsson, 224.)
16. In der alten Salzhandelstadt Lüneburg, woselbst noch zeitweilig
am Fastnachtsdonnerstag das altherkömmliche, schon seit 1273 bezeugte
Köpe- (= Kufe-) Fahren stattfindet, gibt es eine Kollation der patrizischen
Sülzmeisterfamilien (unter anderem Nürnberger Lebkuchen auf Kosten
des jüngsten Sülzmeisters). Die Schüler zogen dabei mit grünen Buchs
baumzweigen in die Wohnung der Patrizier, wo sie Geschenke erhielten.
Die Sülzknechte holten sich in der Abtei St. Michaelis als
ihr Gesinderecht Kreuzbrote aus Semmelteig, welche dort
Fastnachtskubel hießen (s. Fig. 37). (Gefällige Mit
teilung von FräuJustizrat Gravenhorst; vergl. dazu Scheible,
VII, 817.) (15. Jahrh.: cupa est vas in quo reponitur sal
apud salinas, ein chuffe.) Vielleicht erinnert dieses Kufe
fahren auch an das Schiffahren (carro navale) der Faschings Fig. 37.
zeit und an den Salzsegen der Erdengöttin; die Form der F:i.<inachiskubeloder
l\lnttlers- (4 Pfennlg-)
Fastnachtskuben aber weist auf die kommenden Oster— Kube,(mmburg)_
gebäcke (Kreuzbrote) hin.
17. Daß die Faschingsbrezeln eigentlich nur Fastenbrezeln
sind, haben wir in unserer Abhandlung über das Brezelgebäck schon
dargelegt. Da die Fastenzeit in das Frühjahr fällt, so ist die Fastenbrezel
auch ein Zeitsymbol des Lenzes, wie das Osterei in der Osterzeit. Das
Erscheinen dieses Gebäckes der Buß- und Trauerzeit nach den Orgien
des Faschings war fast ein Volksereignis. Wurden doch die Frankfurter

*) Ende März, am achten Tage des Monates Elaphebolion, wurden die dem
Arztgotte Aeskulap zugewandten Asklepiaja gefeiert, wobei diesem Arztgotte Götter
speisen auf Opfertischen aufgetragen wurden. 'Janus 1904, IX, 610.) Der Hirsch als
langlebiges Tier wurde auf Kuchen gleichsam ein Wunschsymbol, ein Symbol des
ewigen Lebens.
57

Reiter, die den Kaufleuten mit den Waren der Ostermesse das Geleite
gaben, mit den ihnen unterdessen entgangenen Fastenbrezeln, das heißt
durch eigene Geleitsbrezen entschädigt. »Der Brezenbäcker ist in Preß—
burg noch ein letzter volkstümlicher Rest mittelalterlicher (P) Faschings
Iust. Noch 1845 ging der hausierende Brezenbäcker herum mit einem
Gurt über und über mit gemachten Blumen und flatternden Bändern ge
schmückt. Sein Krätzenkorb war lustig mit (bayrischen) Farben weiß und
blau bemalt und mit Bändern geschmückt; ebenso bemalt war seine
Stange, auf der er seine Brezen so wie in der Krätzen trug; er lief, lustige
Possen reißend, von der Straßenjugend bewundert und geneckt, mit
hurtigen Sprüngen nach ihr aussehlagend, mit einer kleinen Trompete
sich ankündigend (wie der Verkäufer der Hetwecken im Vlämischen), in
der ganzen Stadt herum, eine phantastische, erfreuliche Erscheinung;
gegenwärtig ist er bereits langweilig geworden und widerstehend; an—
ziehend war ehedem aber die fröhliche Erscheinung des Bäckers (mit den
neuen Brezen), auch die Brezen schmeckten zehnmal besser.« (Schröer,
39 ff.) Der Krätzenkorb erscheint hier als Gabenkorb, wie bei anderen
winterlichen Volksfesten und auch bei den Figuren der Gebildbrote der
betreffenden Zeit. In der weniger bemittelten sogenannten Steinpfalz
(Schwarzachtal) holt am Fastnachtssonntag der Bursche sein Mädchen
»zu den Brezen«; da »hackeln« sie dann Berge von solchen Gebäcken
aus, um zu erfahren, wer das Kreuz (die kreuzweise geschlungenen
Spiralenden) und damit die Herrschaft im Hause bekommt. (Bronner, 96.)
18. Sonstige Lokalgebäcke der Faschingszeit sind:
a) Die Schweizer Mumpfer- und Zigerkügeli, apfelgroße, kugelige
Kücheln mit süßer Quarkfüllung (Ziger : Quark : Topfen) (Schw. Id.,
III, 190); die aus dem Dorfe Mumpf (Aargau) waren besonders beliebt
(l. eod), es scheinen Krapfen (s. oben S. 34) zu sein.
b) Die Schweizer tröllte Chüechli, gerollte Schneckennudeln; es
ist etwas Ähnliches wie die Bremer (1339) Krullekocken; sie heißen auch
KroIl—, RoII-, geröllte Küchlein (Schw. Id., I, 414, III, 131; SchilIer—Lübben,
II, 582, 399); mit dem rollenden Wellholze anstatt des Krulleisens*)
wurden solche Gebäcke aufgewickelt; der Hamburger Krullkuchen
war 1650 ein Hochzeitskuchen, ein Festgericht, das zum hochzeitlichen
Abendtische erlaubt war. Der Ratskuchenbäcker stellte sie her; es war
ein zylinderförmig aufgerolltes Waffelgebäck, mit dem Hamburger Stadt
wappen versehen. (Geschichte der Familie Lorentz-Mayer, 1902, S. 29 ff.)
c) Die schlesischen Knudel (Simrock, 549) : Nudeln (s. oben 12).
Wenngleich nach Kluge “, 285, für Nudel ein eigentliches Etymon fehlt, so
dürfte doch ein solches in vorgerman. gnet : kneten liegend vermutet
werden; nodus = Knoten; isländ. knoda = rhombus glomus; schwed.
knoda an, hnudla; dän. nudler; ndl. knuideln; ahd. neodel (neodes) crustula
orientales vocant genus panis, quod nos vocamus neodes (Steinmayer, IV,

*) 14. Jahrh. Krüll—isen = calamistrum, ags. feax-noe‘äel, Haarnadel aus Eisen.


58

595); engl. neodles; 1590 nudel (Fischart), franz. noulet; nouille ist
deutschen Ursprunges. Die Nudel ist ein aus geknetetem Teig hergestelltes
Gebäck ohne besondere Form.
d) Die dänischen »Faste I av n sbo l l e n« sind ballenförmige heiße
Wecken.
e) Die Schweizer Ch ru chtele (Schw. A. f. V. K., I, 183; Schw. Id.,
III, 786); verschieden geformtes, geknicktes, gekrümmtes, auch hutartiges,
dünnes, zerbrechliches Weizenmehlgebäck, welches mit etwas Branntwein
(zur Erhöhung der Knusperigkeit) in heißer Butter gebacken wird.
f) In Oberkirch im badischen Renchtal gibt es Strau b e n, »Strüblen«
genannt, ein struppig sich aufrollendes Gebäck. (Alemannia, IX, 1881, 41.)
g) Die Glarner Torte, ein Frühlingsgebäck in Pastetenform, das
am Fridolins-Tage (6. März) und am Fastnachtstage in Glarus üblich ist.
Die alten Leute begrüßen an diesem Tage die hinter dem
Glärnisch zuerst hervortretende Sonne durch Aufstehen und
Hutabziehen. (Schw. A. f. V. K., III, 63.)
11) In Rosenheim (Oberbayern) werden am Fasel-Met
Abend beim Schön— und Stärktrunk sogenannte Schifferl
Fig. 38‚ (rautenförmige, sehr kleine Lebkuchenfleckchen [s. Fig. 38]) aus
geworfen (= Konfettiwerfen der Italiener, nuces projicere der
in Rwenlorm Römer), ein Frühlingsbrauch zu Fruchtbarkeitszwecken (s. oben
“”’°“‘“""“" Raute, S. 43).
z‘) Wenn in Mainz um Fastnacht der Rhein zugefroren ist, gibt es
dort B u b e n s c h e n kel (s. Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 432), welche dann in
Kastel geholt werden; sonst haben die Bubenschenkel mit der Fastnacht
keine Beziehung, sondern mit dem winterlichen Neujahr; die lange Dauer
des Winters erklärt dann auch das längere Bestehen dieses Knauf
gebäckes, über welches wir schon früher in Z. d. V. f. V. K. 1902, S. 430,
gesprochen haben.
E Fastnachtsmontag. Faschingmontag. Luzern: Güdismäntig,
Güdelmuntig, Gügelmantig (Scheible, VII, 801); Schweiz: Blockmontag,
wegen des Appenzeller Blockfestes mit Blockumzug (Schw. A. f. V. K.,
XI, 253); Hirsenmäntig, wegen des Hirsebreies und der Hlrsenribli; Böggen
mäntig (s. oben S. 29); Sprengmäntig, Gigermäntig (Geigen- oder Tanztag);
chliner Heumüeterlitag (Heupuppe) (Schw. A. f. V. K. 1907, XI, 242); im
Elsaß: Eglesenmäntig (ecclesia?), an diesem Tage herrschten die Weiber
und gingen allein ins Wirtshaus (E. W., ll, 661); Hirztag (wegen des
Hirsebreies); in Baden: Schurtag, Hirsemontag,Weiberfastnacht; in Öster—
reich: feister Montag; in Bayern: guter Montag, blauer Montag, Fraß
montag, unsinniger, schmalziger, feister, damischer, 'I‘orkeI—, Fliegen-,
Geilmontag, Narrenkirchweih (Metzgerbrunnensprung in München‘; in
Nordd.: Fraßmändag.
In England hieß 1790 der Fastnachtsmontag auch Collop-Monday,
angeblich wegen der an diesem Tage üblichen Fleischschnitten (= collop?
zu lat. colponere = schneiden?) (Hazlitt, I, 141), auch Handsel-Monday.
59

Meist sind die älteren Volksbräuche, welche mit der Würde eines
heiligen Sonntages sich nicht vereinen, auf die folgenden Wochentage verlegt.
Daß auch an diesem Tage der Hirsebrei üblich war, ergibt sich schon
aus den Bezeichnungen desselben. Der Entlebucher »Hirsenribli«, der von
den Mägden zerriebene, mit Mehl abgeknetete, geröstete Hirsebrei war
1454 der Name für ein ländliches Fest dieses Tages (Schw. A. f. V. K.,
III, 36, 1902, 30); er läßt sich vergleichen mit dem altgr. «Evr‚aorov rö Acovöoou
ä’p,’:pm(i~oi, ein Frühstücksgericht (Breizerreibsel mit aromatischen Gewürzen
vermengt), welches die Schauspieler beim Dionysos—Feste erhielten. (Lobeck,
Aglaophamos 1070.) Schauspiel und Tänze hatten sich aus den religiösen
Festen entwickelt; die Kultspeise durfte dabei nach alter Tradition nicht
fehlen.
Bei der Gildenwahl in Göttingen am blauen Montage gab es S p e c k
küchlein zum Frühstücke (Hess. Bl. f. V. K., III, 90), eine Abartung des
älteren Festgerichtes.
Bei Rastatt in Baden wird ein großer verzierter Kuchen auf einer
Wiese an diesem Tage ausgetanzt (Meyer, B. V. L., 187), welcher Fast
nachtstanz vermutlich aus dem Kultreigen der Frühlingsfeier sich ableiten
dürfte; so holen sich auch in Birsek (Schweiz) die Tänzer vom Fastnachts
montag ihre Küchlein bei ihren Tänzerinnen am Sonntag nach Ascher
mittwoch, nachdem das lenzliche Fastnachtsfeuer niedergebrannt ist.
(Schw. A. f. V. K., III, 229.) In Conches (Valle de Conches, Schweiz) holen
sich am Karnevalsmontag, »Geigermontag«, die jungen Leute, die getanzt
haben, ihre Philippinchen in Gestalt eines Kuchens (l. eod. V, 286.)
Am Montag vor dem Fastelabend zogen die Jungen von
Heidenheim von Haus zu Haus und erbaten sich singend Stroh für das
Hagelfeuer, in welchem eine Mannsfigur mit einer lebenden Katze (Vege
tationsdämon) verbrannt wurde; ähnlich im Elsaß. (Sloät, 8 ff.) In Stralsund
hieß derjenige, der den Winterdämon (Katze) tötete, durchwegs der »Katzen
ritter« (vergl. den Drachentöter Ritter Georg); dazu hatten die Steiermärker
den sogenannten Radtanz, der in Oberbayern das Mühlrad heißt; bei
letzterem drehen sich—die Burschen, die ihre Fußabsätze gegen das Zentrum
gegenseitig anstemmen, in einem rasch wie ein Mühlrad sich drehenden
Reigen, wobei sie sich gegenseitig exzentrisch mit den Händen fest—
halten. Mit diesem sicher das Sonnenrad symbolisierenden Radtanze hängen
wohl auch manche Rädergebäcke zusammen, welche wir schon bei
den alten Römern finden können. »Summanalia liba farinacia in modum
rotae ficta.« (Festus, 348.) Der auf einem Donnerwagen fahrende Blitz
und Gewittergott Summanus (= sub mane, vor dem Morgen) wurde aber
erst am 20. Juni mit Opfern von schwarzen Widdern gefeiert. (Friedreich‚
93.) Auch die Griechen hatten «piloiq rpoy_iaz, einen der chthonischen Ceres
dargebrachten radrunden Opferkuchen, der gleich unserem Opferschmaus
communaliter verzehrt wurde. (Lobeck, Aglaophamos, 1074.)
Radgebäcke fehlen aber in der deutschen Fastnachtszeit ganz;
sie treten erst auf Pfingsten deutlicher auf.
60

Am Güdimantig holte man bis 1508 auch das Fastnachtsküchli in


der Schweiz; dann wurde es an verschiedenen Orten verboten: »nachts
uff der gassen verbutzelt (als Fastnachtsputz) umherlauffen und das ein
ander in brunnen werfen verboten.« (Schw. A. f. V. K., l, 36.) In Baden
erhielten früher die Lehrer am Hirsemontag unter dem Namen »Faßn e t
küchle« eine Geldspende. (Meyer, B. V. L., 216.)
In Schwaben, im Egerland und in der Oberpfalz wird am Fastnachts
montag das Pflugb rot, das beim Pflugumführen oder beim sogenannten
Schiffziehen (carro navale) verwendet wird, bereitet. (C. v. Schmidt, 74;
Egerland 1899, 3; Jahn, 74, 75, 117; Bavaria, II, 1, 298, III, 343.)
Am Fastnachtsmontag, der in der griechisch-katholischen Kirche der
»reine Montag« (7.0.3’1p'1 €auts'pa) heißt, werden Kringel (Ringgebäck)
(zooloüpz) am Dreiwege als Fastenorakel gebacken. (Z. d. V. f. V. K. 1892,
S. 291.)
Die von den schweizerischen Hirsebreifahrern am Hirsemontag an
Stelle der Nüsse ausgeworfenen Semmelringe (sonst ein Gebäck der
Fastenzeit) wurden 1576 als eine Art Segenbrot des Tages und Heiltum
von einigen angesehen. (Schw. Id., II, 1153.) Am Güdelmäntig »nüßeln«
die Masken in der Schweiz, das heißt sie werfen Nüsse und anderes Ge
bäck (an die Fruchtbarkeitsgeister) aus; auch die Erdmännchen erhielten
an diesem Tage ihre Opfergaben.
F. Fastnachtsdienstag, Fastelabend; engl: Fasten—Even—
Tuesday; Shrove-Tuesday, Shrove Tid (vorgeschriebene Zeit der Fasten),
Confessio (Hazlitt, I, 545); Dough—Nut-Day (Teignußtag); Sharp-Tuesday;
Pancake—Tuesday; franz.: Mardi gras; schwed.: Fettis dag; Flandern:
Vastenavond; de gekke en de vette dinstag; nordd.: Fastel—‚ Faßelabend,
blauer Dienstag, freßiger Tag, Quarkdienstag; Schweiz: Junge, letzte,
rechte, kleine, gemeine Fastnacht, Fastenzistig, Hirschzistig, Schübling
zistig (s. unten) (Ziustag: Erchtag), schmutziger, fetter Zistig, Schnitzzistig;
Österreich: Vorfasten, heiliger Abend, rechter Fastelabend, rechte Fast—
nacht, Fastnacht-Mag; Tirol: Speib-Erchtig; Bayern: Torkeltag, Knötel
Irtag, narrischer lrtag, faister lrtag (Erchtag), Narrenkirchweih; Elsaß:
Unsinniger Zinstag.
Fastnachtsmontag und —Dienstag gehörten zur fettreichen »Freß—
woche«, in der die niederd. Fastelabendgilden ihre Schlemmereien aus
übten. (V. K., XI, 175.) Diese Tage der Völlerei, die mit Orgien toller
Sinneslust einhergingen, sind die dies spurci der alten Homilia de sacri—
legiis, welche verbieten: »Qui in mense Februario hibernum credit ex
pellere vel qui in ipso (= eodem) mense dies spurcos ostendit
(= feiert).«
Nur kurz seien außer den allbekannten heutigen Fastnachtsgebräuchen
dieses Tages hier angegeben aus früherer Zeit: Das Eiersammeln im
Odenwald; das Pflugziehen durch die Mädchen in Leipzig (1688); das
Schembartlaufen in Nürnberg; der Hahnentanz in Wien; das böhmische
Hahnenschlagen; der Aufzug der Fischer in Köpenick, welche Bier sammelten
61

und einen aufgenagelten Marder als Vegetationsdämon herumtrugen; das


Strandreiten auf Schouwen; das Stäupen der Weiber durch die Burschen
in der Altmark. In manchen Gegenden war mit dem Umtragen eines Schiffes
oder eines Schiffswagens (carrus navalis) das Zeichen der wiederöffneten
Fluß— oder Meerfahrt gegeben. Der Aufzug dieses carro navale gab in
Italien ursprünglich nur diesem Tage den ital. Namen Karneval, welcher
sich später auf die ganze Faschingszeit von der Epiphania bis zum
Aschermittwoch erstreckte.
Die Reformation, welche in der Fastnacht wegen ihres Zusammen—
hanges mit den Fasten eine spezifisch katholische Einrichtung erblickte,
und dann der dreißigjährige Krieg verdrängten im Norden Deutschlands
den Fasching fast vollständig; dem 18. Jahrhundert ist der sogenannte
»Karneval« so ziemlich fremd. Auf Goethe machte der »Karneval in Rom«
den Eindruck von etwas ganz Neuem; erst seit etwa hundert Jahren ist der
»Karneval« wieder eingeführt, und zwar durch die Franzosen, welche ihn
von Italien übernommen hatten. Aber Mummenschanz, Tanz, Maskerade,
Wagenziehen, Blockziehen etc. waren eine längst übliche Frühjahrssitte
in Deutschland.
Die animalischen Speisen dieses Tages sind:
a) (Schwein Bockfleisch beim sogenannten Dreschermahl, das aber
das Ende der Dreschzeit bezeichnete.
b) Schüblingwürste und das Wurstmahl im Kloster Muri für die beim
Metzgern der Schweine tätigen Leute. Auch in den holländischen
Fastelabendliedern ist unter anderem von Speck und Metwurst die Rede.
V. K., XI, 175.) In Friedingen (Schwaben) und in der Oberpfalz gibt es
ein Schweineschlachten, am Harz Blutwurst.
c) In Baden gibt es Dörrfleisch. (Rind?i
Andeutungen an das Pferdeopfer fehlen ganz in dieser Periode.
Von vegetabilischen Speisen diesesTages sind anzuführen:
1. Der urgermanische Hirsebrei, der namentlich in der Schweiz,
im Elsaß und in Baden üblich ist und dem Tage den Namen Hirsmontag
gab; er vertreibt wie das Fieberbrötchen nach altern Volksglauben die
fieberhaften Seuchen (Dämonenversöhnung, Rest der Seelenfütterung),
wenngleich dieselbe nicht so deutlich ist wie an den Neujahrsvorabenden.
Die Volksseuchenvorsorge durch Opfergaben tritt in dieser Frühlingszeit
ebenso hervor, wie in dem Zyklus des Neujahrsfestes.
2. Hauptsächlich üblich sind die schmalzreichen Fastnachtskü ch el
oder »Schmalzküchel« (1788). (Legende für den gemeinen Mann, I, 138.)
Im Elsaß »holt« man sich warme Küchlein bei den geistlichen
Herren oder in den Klöstern (E. W., I, 421) als eine scheinbare Art von
Gesinderecht vor der Pflugzeit; das Gesinde des Klosters Muri in der
Schweiz holte sich selbst im Gotteshaus Weißbrot, eine Platte mit Küchli
und Fastnachtskrapfen. iArgovia 1861, S. 100.) Am Güdismontag hielten
im 17. Jahrh. in der Schweiz die Gerichtsleute Gericht; man gab ihnen
neben dem 'I‘runke Weißbrot, eine Platte mit Küchli und Krapfen; sie
62

mußten aber es selbst beim Pfarrer abholen (Schw. Id., III, 140); die Kult
stellung des Gode ist hierbei getrennt. »Zu Zeiten des 1833 verstorbenen
Pfarrers W. in Fulgenstedt in Baden bekam jedes Kind der Pfarrei bis zu
seinem 14. Lebensjahre am Fastnachtsdienstag das obligate große Küchle.
Alles, was lebte, ging ins Pfarrhaus oder wurde getragen. Andere gewisse
Leute bekamens nach Hause.« (Birlinger, S., II, 39.) Geiler von Kaisers
berg (1510) schreibt: »Und am zinstag so lauffen sie (in Straßburg) zu
der burger hüsser, die selbigen begossenen hunigküchle zu essen. Sich
aber zu, du hussmann, der sein weib und töchteren Iat also das Küchle
holen, das inen nit der buch davon geschwelle, das sie mitt dem kindle
werden gön.« Fischart (1582) schreibt: Die Magd zeucht des Knechts
hosen an, suchen Küchlen (s. oben Mutzen) inn der Mägdkammer, ja suchen
Küchlein über dem Tisch, da man die Schuh unter das Bett stellt, da
gibts dann über ein Jar Mal— und Milchschreiling. (A. f. Schw. V. K, I,
132.) In der Grafschaft Mark werden am Fastnachtsmontag die Manns
leute, am Dienstag die Frauleute in die nackte Zehe gebissen, worauf die
Gebissenen Wein und warmes Gebäck spenden. (Simrock, D. M., 526;
Straßburger Post 1900, Nr. 166.) In Pottschach (Semmeringgebiet) ziehen
die kostümierten Knaben von Haus zu Haus und sammeln Gaben, die
zum »Burschenmahlerl« verwendet werden. (Z. f. Ö. V. K. 1896, S. 197.)
In der Roßlauer Gegend (Anhalt) zieht ein Zug von Haus zu Haus, wo
selbst in den Häusern der ärmeren Leute ein Tisch mit Eiserkuchen
etc. besetzt ist; die gesammelten Gaben werden auf die Schüttegabel ge
steckt. (Z. d. V. f. V. K. 1896, S. 435.)
Die an diesem Tage im Vlämischen üblichen Pankoecken (Pfann
kuchen) sind ein krapfenartiges Schmalzgebäck. Die Kinder singen an
diesem Tage:
»Gheeft my den panckkoeck uyt de pan, ho man, ho
De Vastelavondt die komt an, so myne Heer, also.« (V. K.,Xl,175.)

Der Fastnachtspfannkuchen spielte eine Hauptrolle und war die Krone


von allen Tafelgenüssen. Auch in England werden Pfannkuchen (pan—
cake), Rahmkuchen und ähnliches Backwerk gegessen (R. D. 43 ff.;
Hazlitt, l, 147); außerdem gibt es auch dort hautes coquilles oder hot
cokles : h e i ße K ü c h el (nicht conchilles, coquilles, wie Hazlitt, I, 331 ff.,
meint); es sind dies schmale Korinthenlaibchen; die in Nordengland
üblichen Dough-Nut dieses Tages sind auf Kupferpfannen in Schweine
schmalz überm Herdfeuer geröstete nußförmige Teigklümpchen (Hazlitt,
l, 187), weshalb der Fastnachtsdienstag dort Dough-Nut-Day heißt; außer
dem gibt es in England an diesem Tage Fritters (Pfannkuchen). (Hazlitt,
II, 475.)
Als Ergänzung zu den oben (S. 34) erwähnten Knieplätz oder flecken
förmigen Kniekücheln und den Liebeskrapfen sei hier angeführt, was
Hazlitt, I, 331, berichtet:
»Aubrey says, that at funerals in parts of Yorkshire one of the
pastimes was Hot Cokles and what follows illustrates this observation
63

to a certain extent although Aubrey does not notice the connection.«


Young wenches, says he, have a wanton sport, which they call »moul—
ding of cockle-bread«, viz-they gett upon a table-bord and then gather
up their knees and their coates with their hands as high as they can
and then they wabble to and fro (: »subigere panem clunibus, ut in
majorem modum exardesceret amor« bei Burchardus, Methodus confi—
tendi, VII) and say these words viz:
My dame is sick and gonne to bed
And I ’ll go mould my cockle bread.

In Oxfordshire the maids, when they have put themselves into the
fit posture, say thus:
My granny is sick and now is dead
And wee’l goe mould some cockle-bread
Up wth my heels and down with my head
And this is the way to mould cockIe-bread.

Heiße oder warme Wecken (warme wei), möglichst große, heiß


aus dem Ofen kommende Weißbrotlaibchen, die eigentlich den Seelen—
geistern gehörten (Allerseelentagsgebäcke, S. 9), ißt in Helmond (Flandern)
jedermann; sobald eine neue Bachete fertig ist, wird diese durch Tüten
(Horngebläse), in England durch die Pfannenkuchenglocke (Pancake-Bell)
ausgerufen; an sonstigen Tagen ist der warme Weggen (Heetwecken) dort
nicht zu haben. Auch in Frankfurt wurden »heiße Wecken« an diesem
Tage herumgetragen und dazu gesungen: »Hable, bable, lone —- Die Fast
nacht geht one — Droben in dem Hinkelhaus -— Hängt a Korb mit Aar
(Eiern) heraus — Droben in d‘er Fürste — Hange die Bratwürste etc.«
(Scheible, VII, 816.) Diese warmen oder heißen Wecken sind identisch
mit den flämischen Heete-Koeken. (V. K., XI, 176.) Überhaupt werden
dort alle möglichen Sorten Kuchen und Kücheln aus der mit heißem
Fett gefüllten Pfanne herausgebacken, so daß in Flandern das Sprichwort
gilt: »Zy vliegen meer als de heeten Koek pan op Vastenavond«, hastig
fliegen und kreisen die Kuchenpfannen am Herde. In Schottland wird eine
Art Schmarren oder Sterz (crowdie genannt) mit Milch und Butter an
diesem Tage gegessen. (Hazlitt, I, 157.) Im Niederdeutschen (Kiel,
Pommern, Mecklenburg, Braunschweig) ißt man ebenfalls an diesem Tage
die H&twecken. (Urquell, l, 130.) In Meldorf wecken die Kinder (an Stelle
der Burschen) mit einer geschmückten Rute ihre Bekannten aus dem
Bette auf und erhalten dafür die Hätwecken. (Urquell, ll, 113.) Diese ndd.
Hätwecken haben keine eigentliche Wecken- oder Keilform mehr; sie be—
hielten den Namen »Wecken«‚ weil dieser ehemals wegen seiner Häufig—
keit so viel wie Festbrot bedeutete.
3. In Raudnitz (Böhmen) hebt man das Krapfenfett, worin am
Faschingdienstag die Krapfen gebacken wurden, sorgfältig auf und be
streicht damit in der Erntezeit den ersten Wagen, der das Getreide ein—
führt. Sobald nun der Wagen vor die Scheuer kommt, fragt der Knecht:
»Was führst du ?« Der Wagenführer antwortet: »Eine Katze für die Mäuse.«
64

(Dann kommen keine Mäuse in die Scheuer, weil die Speiseordnung, das
heißt der Tribut an die Fruchtbarkeitsgeister, eingehalten wurde.) (Groh
mann, Apollo Smintheus, 38.) An anderen Orten Deutschlands beschmiert
man mit dem Krapfenfett die Ackerpflugkeile. In Nieder-01m (Rheinhessen)
gehen am Fastnachtsdienstag die Kinder (an Stelle der Burschen) von
Haus zu Haus und heischen Kräppel, wobei sie singen: »Die Pfanne
kracht, die Kräppel sein geback’, heraus damit, heraus damit, ich steck’
sie in den Sackl« (Hessische Blätter f. V. K., V, 158.) Im sächsischen
Erzgebirge sammeln am Fastnachtsdienstag besonders in Bockau und Um
gebung die drei— bis zehnjährigen Kinder in kleinen Abteilungen Kräppel
(und Brezen) ein, die sie an einem langen hölzernen Spieße aufstecken,
bis der ganze Spieß bis zur Spitze besteckt ist (Abbildung s. Garterilaube
1905, S. 160), man heißt es »Spießrecken«, in Treuenbrietzen »Karrideln«
(zu karine = caräme, Fastenzeit?)
4. Im Böhmerwald werden die schon oben (S. 33) erwähnten
Faschingszelten und -Flecken als Zeitgebäck dieses Tages her—
gestellt. (Schmeller, II, 845.) Talkenförmige Nudeln, eine fette, zähe Mehl-.
speise (sogenannte Wacker) aus Semmelschnitten, Eiern, Milchquark
(Wakke) und Gewürz gibt es dort ebenfalls an diesem Tage. (Z. f. Ö. V. K.
1904, 218; Schmeller, II, 845.)
In England buk man nach dem sogenannten Fastelabende auch
Kreuzbrote (cross—buns*), runde Brotlaibe mit einem Kreuze darauf,
ein christliches Totenbrot, welches wie die Brezel an die christliche Buß
und Trauerzeit in der Fasten (III) erinnern dürfte. .
Zu erwähnen wäre noch, daß am Fästnachtsdienstag in Rapperswyl
(St. Gallen) das Rathausessen stattfindet, wobei auf Kosten der Gemeinde
Brödli und N ü s s e durch die Fenster ausgeworfen werden (St. Gallen, 627),
wie man auch in Oberbayern in den Methäusern sich mit Schifferln
(rautenförmigen kleinen Plätzchen, s. Fig. 38) gegenseitig bewarf. (Frucht—
barkeitsopfer an die Windgeister.)
Wenn wir nun die Gebildbrote der eigentlichen Fastnacht (II) über
blicken, so muß uns (abgesehen von dem indogermanischen Hirsebrei)
auffallen für diese Zeit:
1. Das Bevorzugen der heißen und fettreichen
Pfa n n e n ge b ä c ke, die namentlich früh n üc hte rn verzehrt zu werden
pflegen, nachdem ein Signal wie bei einer Kulthandlung gegeben
worden war. .
2. DasZurücktreten derHoniggebäcke, der süßen Gebäcke
überhaupt, welche mehr in der voraufgegangenen Neujahrszeit zu treffen
sind, in der allein auch der Glückstisch mit Bescherung aller Sippen—
genossen üblich ist.
3. Das Fehlen der Eier— (Safran-)Gebäcke,die derfolgenden
Osterzeit eignen, und der Hakenkreuzgebäcke (Glückssymbole‘,
die mehr zum Neujahr sich häufen.
* “) *Gefallige Mitteilung von Herrn Dr. Feilberg.
65

4. Das starke Vorwiegen der menschlichen Frucht


b a r k e i t s s y m b o l e, mit denen sich die geschlechtsreife Jugend be—
schenkt. Auch im römischen Bacchuskult finden sich solche Symbole;
Augustinus (Civit. Dei, VI, 9) bezeugt, daß in dem Tempel des Liber—
Bacchus männliche, in dem der Libera weibliche Genitalien als Gebäcke
niedergelegt wurden.
5. Die Häufung der Herzformen (Herz und Krapfen);
6. desgleichen der H 0 r n g e b ä c k e (Mondbrote) und
7. der Hirschgebäcke.
Diese letzteren drei Gebildbrotformen sind höchst wahrscheinlich
durch römischen Bacchanalieneinfluß vermittelt, der sich aber auch bei
4 und 8 bemerkbar macht. '
8. Die Substitution des römischen M ä r z h a s e n s durch Teiggebilde,
die diesen zum Teil vorstellen.
9. Das vollständige F e h l e n d e r Z 0 p fg e b ä c k e (Trauersymbole)
und der sogenannten T e i l b r 0 t e (Seelenbrote).
10. Das Herstellen und Abholen der Fastnachts
gebäck e beim Pfarrherrn, der dem Zeitgebäcke eine Art Weihe
des Hauses zu verleihen schien. Hierbei ist daran zu erinnern, daß dem
Pfarrherrn früher die Stierwiese gehörte; ebenso erhielt er den sogenannten
Blutzehent als Entschädigung für das Halten des Gemeindestieres und des
Schweinsbären, die für die Nachzucht des lebenden Viehes notwendig waren.
Die Erhaltung des Fruchtbarkeitssegens war also sozusagen am Hause.
11. Das Heischen und Holen derselben durch die
ju nge Männerwelt bei den Weibern. Männerbündnisse und
Weiberbündnisse scheinen früher dem Lenzfeste vorangegangen zu sein,
welches dann auf einige Tage den jungen Männern und Mädchen volle
Geschlechtsfreiheit gewährte, die früher, das heißt in heidnischen Zeiten,
vermutlich die ganze Lenzzeit hindurch dauerte, in der vegetabilische
und animalische Fruchtbarkeit erzielt werden sollte.

III. Fastenzeit.*)
Aschermittwoch, Fastnachtsmittwoch, Quatembertag,
Tempertag, Caput jejunii; altnord.: oska-Odinsdagr, aske—onsdag; mhd.:
aschtac; 1448: aschedach; 16. Jahrh.: an der aescherigen Mittwochen,
estrichte mittewochen, heschichte mittwochen, eischtag, eistag; Schweiz:
Bschuri-Mittwoch, Schurtage, AschIi-Mikte; Elsaß: Schurtig (Scheuertag);
Allgäu: Küchletag; Rheinland: Machertag (reinemachen); Pfalz: Alte Weiber
fastnacht; Antwerpen: Kreuzchentag; England: Ash-Wednes—Day, Ember-,
Imber-, Ymbre-Day : Quatembertag; die Volksetymologie stellt das Wort
zu embers : heiße Asche und meint (»bycause that our elder fathers

*) Als Zeitperiode verkörpert in der Frau Faste, Fronfasten (Südwestdeutschland‘l.


Die vierzigtägige Fastenzeit sprengte die lange altgermanische. Lenzfeier in zwei
Feiern weit auseinander; die eine fiel in den Februar, die andere auf Ostern, ersten
Mai oder gar erst auf Pfingsten.
Zeitschrift Für österr. Volkskunde. XIV. Suppl.-H. V. 5
66

wolde on these dayes ett no brede but cakes made under ashes«‘, daß
man nur Aschkuchen an diesem Tage zu verzehren pflegte; die Quatember
tage (dänisch: Tamperdage; altnord.: imbrudagr; Liebrecht, z. V. K., 312)
hießen früher auch Temperfasten, Wichfasten. Die Laxatio carnis und
Carnisprivia war eine sogenannte gebundene, verbundene, geschlossene,
das heißt für Heiraten verbotene Zeit. Über das Bestreuen mit Asche an
diesem Tage (Unkenntlichmachen vor den Totengeistern) s. Liebrecht, 512,
408. Sebastian Frank (1534) schrieb in seinem Weltbuche, Fol. 131 a. l.:
»Auff disen Tag der aescherigen Mitwoch leyten sy die fasten ein mit
großer mummerei, halten bancket und verkleyden sich in ein sunder
munier. Etlich klagen und suchen die fassnacht mit fackeln unnd latern
bei hellem tag, schreien kläglich, wo die Fassnacht hinkummen sey . . . .«
Diese Züge im Volksbrauche erinnern an die Totenklage.
Es ist hier zu betonen, daß trotz Einführung der vierzigtägigen
Fasten vor Ostern die Volksgebräuche immer noch eine, wenn auch ab
blassende, so doch sichtbare lenz-, beziehungsweise fastnachtszeitliche
Färbung trugen und noch tragen. Die heiligen vierzig Tage (1275) waren
wohl die Tage des Fleischabbruches und der Enthaltung beim Essen,
aber nicht die des Hungerns. Mit dem Aschermittwochtage trat man in
dieselben ein: intrans quadragesima, caräm entrannus (careme entrant),
1278: kerrine (carena, karina, D., I, 475; dazu vielleicht das oben, S. 64,
erwähnte karrideln); engt: Ient (Lenz) == Fastenzeit und Frühling. Nach
der Reformation war aber besonders in der Schweiz der Aschermittwoch
ein antirömischer Hauptbelustigungstag, an dem auch die Weiber teil
nahmen (Weiberfastnacht; Schw. A. f. V. K. 1898, 229) am Aschermittwoch
mahl. (Schw. Id., IV, 165.) Sonstige Faselnachtgebräuche des Volkes am
Aschermittwoch waren: Das Verbrennen, Erschlagen, Begraben, Vernichten
der abgelaufenen Zeitverkörperung; Katzenverbrennen in Westfalen, Tod—
verbrennen in Hessen, segare la vecchia, oder il resgiar la veglia in roma
nischen Gegenden, wobei vielleicht auch Spuren eines alten Menschenopfers
wenigstens in symbolischer Form sich fortfristeten. (Z. d. V. f. V. K. 1893,
371; Schw. Id., l, 765; Nilsson, 467.) In Wien fehlte es in der seit 1748
dort abgehaltenen Faschingsdienstagredoute nicht an Anspielungen auf
den Tod; es erschienen vier Damen mit Totenmasken, von denen jede
eine Fahne in der Hand hielt, auf der ein an den Tod erinnernder Spruch
geschrieben war, auch humoristisch gefaßte Partezettel mit Trauerrand
wurden ausgegeben. In der Nacht zum Aschermittwoch bildet sich auf
der Riva zu Venedig ein grotesker Trauerzug, in dem alle Klassen und
Typen in Karikaturen vertreten sind. Von einer mit Röhren, Scherben
undStöcken ausgeführten Schauermusik begleitet, umschreitet er den
Markusplatz und zieht nach der Piazetta, wo der Karneval zwischen den
berühmten beiden Säulen feierlich verbrannt wird.
Der Fleischgenuß an diesem Tage kann nur als eine Opposition
gegen das Papsttum genommen werden. Dann wurden Fastnachtsgebräuche
absichtlich fortgesetzt, zum Beispiel das Augsburger Ochsenschlachten,
67

das österr.-schles. Hahnenschlagen (Vernaleken, 304). Schweinefleisch mit


Sauerkraut und Erbsensuppe mit geräucherten Schweinsrippen waren
solche absichtliche Gerichte, deren Überreste für die Leinsaat auf die
Äcker gelegt wurden (Sloet, 179) wie bei einem Neujahrsgerichte; auch
dingte man 1700 im Allgäu an diesem Tage wie an einem wirtschaft—
lichen Neujahrstage die Hirten beim sogenannten Hirtenmahle. (Gefällige
Mitteilung des Herrn Kurat Frank.) Sonst waren hauptsächlich Hanföl,
Leinöl, ölreiche Hanfsuppen, Linsen, Bohnen, Hirse, Erbsen etc. die häufigsten
Fastenspeisen, beziehungsweise Fette der Bauern im Mittelalter. Butterfett
wurde erst später päpstlich erlaubt durch die sogenannten Butterbriefe.
Eine Reihe von Fastnachtsgerichten setzen sich auf den Aschermitt—
wochtag fort, so zum Beispiel:
n) Das Fastn a c hts k ü c h I ei n, mit dessen Holung oder Reichung
ehemals so viele Exzesse verbunden waren, daß dieser Brauch an
vielen Orten in der Reformationszeit direkt verboten worden war. Zum
sogenannten »Fastnachtsküchlein« wurden die Weiber im Allgäu einge—
laden und abgeholt wie zu einem Hochzeitstanze. Vor dem 18. Jahrh.
mußte der Pfarrer bei St. Peter (Schweiz) am Aschermittwoch den
Metzgern als ein Gegengeschenk 101 Fastnachtsküechli in einer Schüssel
verehren. (Schw. Id., III, 140; Scheible, VII, 867.) In Zürich warf man den
Kindern, welche den auf der Widderzunft seit 1728 am Aschermittwoch
unter den Fenstern ausgestellten lsengrint von der Straße her angafften,
Fastnachtsküchlein zu (I. eod.). In Erfurt war 1470 das Fett, welches am
Aschermittwoch von den Fastnachtsküchlein (pastilli) übrig blieb, ein
Mittel gegen allerlei Gebrechen, namentlich gegen den sogenannten Nagel
tritt. (Z. d. V. f. V. K. 1901, 273 ff.) Im Schwäbischen gehen die Burschen
mit Heukörben an diesem Tage herum, um noch Fastnachtsküchle ein
zutragen. (D. Gaue, 63/64, S. 5.)
In der Niederlausitz ist am Aschermittwoch der sogenannte K I e m m
kuchen, das heißt der bekannte, oben (S. 39) schon besprochene Eiser
kuchen, dessen Zangen den Teig einklemmend abdrücken; volksetymolo
gisch heißt es, man klemmt damit dem unterirdisch wählenden Vege
tationsgeiste Maulwurf das Maul zu, so daß er nicht mehr brüten und
auf den Wiesen keine Mullhaufen aufwerfen kann.*) Oder man geht, den
Klemmkuchen unter der Achsel einklemmend, stillschweigend (wie beim
Opfer) über die Wiesen und teilt ihn so den Fruchtbarkeitsgeistern mit;
nachher verzehrt man denselben selbst; die vegetative Fruchtbarkeit soll
so gefördert werden, wie die animalische durch den Genuß der Kultzeit—
speise, die sich nicht abschaffen ließ. Am Konventstische zu Benedikt
beuren aß man nach altem Faschingsbrauche 1714 auch am Aschermitt
woch die oben (S. 46 ff.) besprochenen H ase n ö h rl (Noö, Bayr. Voralpen,
117) als fastenzeitliches Substitut des Fastnachtshasen.

*) Sein Mullhaufenwerfen deutet an, daß jemand stirbt (Kreis Minden). (Z. d.
V. f. rh. u. w. V. K. 1907, S. 270.)
5*
68

In Thüringen gibt es an diesem Tage sogenannte Schmalzkräpflein.


(S. Krapfengebäck in Z. d. V. f. V. K. 1907, S. 65.) Im Schwarzwalder
Kinzigtal (Wolfach) war am Aschermittwoch die Schauerfeier mit Gastereien,
darunter Fastenfische mit Strauben. In Westfalen gibt es sogenannte
Stuten. (S. Weihnachtsgebäcke, S. 47, und Gebildbrote bei Sterbefällen
im Archiv für Anthropologie, VI, 1907, S. 108.)
Auch die heißen Wecken, ein typisches Gericht der Faselnachts
zeit, treten an diesem Tage auf, so im Bergischen und in Westfalen.
(Z. d. V. f. rh. V. K. 1904, 214.) Mit Tüchern bedeckt und so heiß er—
halten, wie sie vom Bäcker kommen, werden sie von der Köchin des
Hauses sogleich in den Kochofen geschoben, damit sie noch recht warm
zum ersten Frühstücke gereicht werden können. Jeder im Hause bis zum
einfachsten Dienstboten erhält seinen Hüwecken, nicht als Symbol des
Glückes, sondern des Fruchtbarkeitssegens, der allen jungen Hausgenossen
zuteil werden soll in der Zeit des Lenzes.
Als Fasten- oder Bußgebäck sind aufzufassen die am Antwerpener
sogenannten Kreuzchentage üblichen kleinen Brötchen (pain de peinitence),
längliche Wecken mit Aufstichelung von reihenförmigen Vertiefungen
(Antwerpener Museumskatalog 1907, Nr. 562), die früher wahrscheinlich
kreuzförmig gestippt waren. Die Wecken- oder Keilform der H6twecken
siehe hier Fig.11—13. Im Anhaltischen wird an diesem Tage »ge
äschert«, das heißt aufgestäupt wie beim Hüwecken-Peitschen oder
Schmackostern etc.; an Stelle der fastnächtlichen Hätwecken gibt es dabei
Fastenbrezeln; dazu singen die Kinder in der Zerbster Gegend
das sogenannte Brezellied: »Ascher-, Aschermittwoch — Eine Brezel gib
mir doch! — Tust Du mich ’ne Brezel geben — Wünsch’ ich Dich ’n langes
Leben«. (Z. d. V. f. V. K., 1897, 75.) Mit dem Aschermittwoch beginnen erst
die (meist gesalzenen) Fastenbrezen im Volksbrauche aufzutreten; das
Brezellied ist jedenfalls ein aus der Frühlingsfeier übernommener Brauch.
Es erübrigt nunmehr, hier noch auf das Fasten als Volksbrauch
näher einzugehen. Das Fasten war ursprünglich ein Trauerakt, veranlaßt
durch die Rücksicht auf den Anspruch der Verstorbenen, denen man durch
das Essen von bestimmten Speisen oder während bestimmter Fristen zu
nahe zu treten fürchtete. Diese durch den Volksbrauch »fest«gesetzte
Enthaltung von Speisen war das »Fasten«, wodurch man sich festliche
Fesseln in bezug auf die Speiseordnung anlegen und sich rituell fest
binden wollte, hauptsächlich um sich vor der Rache der nach neuem
Leben (Blut als Seelensitz) lechzenden Seelengeister zu sichern, welche
mit vegetativer und animalischer Unfruchtbarkeit, mit Krankheiten,Volks—
seuchen (Fieber) etc. die Überlebenden quälen und plagen konnten. Das
»Fasten« kannten also auch die Germanen schon. Zu hohen Zeiten,
Sonntagen, am Ostertage, am Weihnachtstage zu fasten, war bei den
Nordgermanen, weil heidnischer und damit sträflicher Aberglaube, ver
boten. (Maurer, ll, 422.) Bei den Angelsachsen galt das Fasten an heiligen
Tagen (dwgfwsten) als Mittel gegen Bauchweh (Cockayne, ll, 216); damit
69

war schon die Einleitung zu einem volksmedizinischen Regimen sanitatis


gegeben, das bei gewissen Krankheiten empirisch immer strenger sich
gestalten mußte.
Der römische Kirchenbrauch hatte ehemals drei große vierzig—
tägige Fasten: a) vor Ostern die eigentliche Quadragesima, quadragena,
carena, franz. carsäme; 11) vor der Winterweihnacht, im sogenannten Advent;
c) vor der Sommerweihnacht (Johannes). Der ältere Ritus war in der
orthodox-griechischen Kirche, welche den vier Jahreszeiten entsprechend
auch vier Fastenzeiten (quatuor tempora, Quatember) hatte, mit gleich
zeitiger Verbindung mit vier Seelenkulttagen. Sartoris’ lehrreiche Ab
handlung über die Speisung der Toten bezeugt auch bei anderen Völkern
und Religionen den Zusammenhang des Fastenbrauches mit dem Toten
und Seelenkult. Solche Gebräuche der Römer, Griechen und Juden
übernahm auch die christliche Kirche; sie verwandelte sie aber in einen
Buße- und Sühnritus, der namentlich ein Gegengewicht geben sollte
gegen die Orgien der großen Heidenfeste, die auf drei (oder vier?) im
Jahre bei den Germanen beschränkt waren; die längere Andauer der
großen vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern, die seit dem 4. Jahrh.
besteht, hatte wohl ihren Grund darin, daß man die stark sinnlich—
fleischlichen Volkssitten bei den Frühlingsfesten möglichst einschränken
wollte.
Frazer (The golden bough, II, c. 3, ä 8, S. 214 ff.) rechnet zu den
Fastengeboten auch die Abstinenz von fleischlicher Verbindung (= ge—
schlossene Zeit).
Wir müssen hier noch das Verhältnis der Faschings- oder Fasten
zeit zu einem nachweisbaren Totenkult berühren. Wenn auch sicher das
Fastnachtbegraben, das Verbrennen der Fastnachtspuppe und der Katzen,
Marder, das Baßbegraben, das Begräbnis des Halleluja, Todaustragen,
das ins Wasser Werfen des Todes etc. auch als Abschluß, Vernichtung einer
verkörperten Zeitperiode (Usener: Italische Mythen; Rhein. Merkur, XXX,
1875, S. 182 ff.) aufzufassen ist, so müssen wir andererseits doch auch
hervorheben das Bestreuen mit Asche, das Anstreichen mit weißem Kalk
(Kreide), den Lüneburger Aschenklos, die St. Gallener Aschengrunggel,
die alle an einen Totenkult erinnern dürften.
Wir wollen uns zuerst noch mit einigen Parallelen aus einem süd
europäischen Volke befassen.
Mitten in den Lärm des südlichen Karnevals hinein hat die griechische
Kirche, jedenfalls einem gebieterischen Volksbrauche mehr entsprechend
als dem inneren Drange, zwei Seelen— oder Totensabbate mit Gräberkult
eingelegt. Les extremes se touchent. Während die übrige Welt im Faschings
jubel schwelgt, begehen die Griechen auf der größten Ionischen Insel
Kephalonia die zwei letzten Samstage des Karnevals als Allerseelentage,
an denen sie Geld, Weihrauch und einen Kuchen in Kleeblattform (als
Vegetationssymbol), auf dessen drei Teilen Totenkreuze sind, an die
Popen zu Messen für die Verstorbenen schicken. In Livorno gibt es in
70

dieser Zeit ein Knochengebäck, gli ossi; dazu kommen die englischen und
niederländischen Kreuzbrote (s. oben S. 56,64), die Trauerringe, Trauer
handschuhe etc; ist es da nicht ganz erklärlich, wenn auch gesalzene
Teigringe (Brezeln) als Trauer— und Bußsymbole erscheinen? Wenn die
Fastnacht »begraben« wird, so erscheint auch keine ansteckende Krankheit
(Vernaleken 197). Die verschiedenen Sitten im Allgäu und Baden in
dieser Zeit zeigen, daß der auch dort verbreitete Brauch des Fastnacht
begrabens ein symbolisches Menschenopfer darstellt. (Z. d.V. f. V. K. 1903,
371.) »Es würde mich nicht wundernehmen, wenn der Ritus des Begrabens
der Fastnacht die Ablösung eines ehemaligen Menschenopfers wäre«
(Nilsson, 467); dann wäre das betreffende Opfer gleichsam ein Sünden—
bock (empuotzög), mit dessen Tod von den Sippen Seuchenfreiheit erhofft
wurde. (Frazer, The golden bough, III, 3, ä 15). Einen ausgesprochenen
Totenkult haben auch einige Bauerndörfer in Deutschböhmen (nach John:
Sitten, 40 ff.; Egerland, 1., 39) bei der sogenannten schönen oder goldenen*)
Stunde, in der die sogenannte »Preß« am Fastnachtsdienstag üblich ist,
das heißt ein Totentanz der Sippe mit Lichtern, gewiß ‚ein sehr alter—
tümlicher Zug.
Dazu kommt noch der von Saupe (Ind. superst., S. 9) mit Recht in den
Vordergrund dieser Frage gestellte Nr. 3 des Indiculus (9. Jahrh.) »De spur
calibus in Februario«, der einen solch öffentlichen Totenkult ausdrücklich
zu verbieten scheint, nachdem in Nr.1 und 2 desselben Indiculus unmittelbar
vorher von den Gebräuchen des privaten Totenkultus gehandelt wird.
Dieser Totenkult in der Frühlingszeit würde aber dann in erster Linie
nicht auf christlichen Ursprung gehen, sondern auf einen heidnisch
germanischen; er wäre eine uralte Beigabe zur heidnisch—germanischen
Vegetationsfeier, die mit Kultreigen, Totenpflege, Tagfasten etc. verbunden
war zum Zwecke eines sympathischen Zaubers auf die dem Boden an—
vertraute Saatbestellung der Felder; denn diese und die Kindererzeugung
wurden von primitiven Völkern stets als gleiche Werdegänge angenommen
und die Herstellung des Brotes, der Backprozeß, mit der Menschen—
erzeugung verglichen. (S. Verf. Krankheitsnamenbuch, S. 24, 423, 452.)
Durch den Zauber der Sympathie oder Analogie wollte man den einen
wie den anderen Vorgang beeinflussen; man ergab sich zeitweilig dem
freien Geschlechtsverkehre und enthielt sich zeitweilig desselben; man
fastete geschlechtlich, um auch die Ackersaat zu begünstigen, das heißt
zu sichern, und man trug das sy_*i,p.ov. Öwöpüw durch die Felder, um so diese
zu befruchten, man enthielt sich der leckeren Speisen zugunsten der
Totengelster, um sich vor Seuchen zu sichern und um Fruchtbarkeit zu
erlangen. Der Vergleich der Bodensaat und Menschenerzeugung und der
Analogiezauber, der dabei betätigt wird, sind sicher ein relativ jüngerer
Völkergedanke; weit älter noch war das Fasten zum Zwecke der Seelen
pflege; von der Huld der Seelengeister hing ebensowohl die vegetative
wie die animalische Fruchtbarkeit ab; mit dem Ackerbau erst drangen
*) V;g~ den Ausdruck »Goldfasten« für die kirchlichen Fasten nach Fastnacht.
71

mildere, gesittetere Volksanschauungen durch, mit dem Ackerbau erst


gab es Kultzeiten und Kultgebäcke. Welche der Ernährungsarten. die
animalische oder die vegetative, die ältere gewesen sein dürfte, ist noch
nicht ganz sicher; der Volksbrauch spricht für letztere; es erhielten auch
die Totengeister vorzugsweise Vegetabilien zur Nahrung, und die Andauer
des Hirsebreies bei den Indogermanen als Toten—, beziehungsweise Seelen
kultgericht weist wenigstens auf dieses ehemalige Vorherrschen der vege
tabilischen Kost hin; auch die Bohnen werden ein solches Seelengericht
gewesen sein; sie gehörten lange Zeit bei den Griechen und Römern den
Toten; damit, das heißt mit dieser Beziehung der Bohnen zum Toten
kult erklärt sich auch das Verbot des Bohnengenusses durch die Pytha
goräer und Orphiker (Rohde, Psyche“, I, 126), »putantur ad mortuos
pertinere«. Der Begriff des Reinigens oder der Entsühnung von allem,
was mit den Totengeistern zusammenhängt, mußte zu diätetischen Reini
gungs- und Sühneriten führen, die auf dem Wege der Empirie zu priester—
ärztlichen diätetischen Vorschriften bei gewissen Krankheiten hinüberleiteten.
Die »Reinheit« forderte vor allem das Abschneiden jedes Verbindungs
bandes mit dem Reiche der Toten und der Seelengötter; alles, was nach
dem Toten roch, war sozusagen »tabu« = sacer.
So war bei manchen magischen Handlungen auch der Genuß von
Fischfleisch verboten, »äzsy_dp.svo; m'vrry; ‘t'/_tli)o',cot‘flu~:« (Dictionnaire d’antlq.‘
g. et r., III, 2, p. 1415); die Fische waren als Seelengestalten gleich
sam tabu; der Eintritt dieser Seelen in den Körper des Menschen mußte
abgehalten sein. Dieses Tabu bezog sich aber immer nur auf gewisse
Speisen, auf gewisse Tiere oder Fleischarten, während das ursprüngliche
»Fasten« beim Seelen- und Totenkult ein absolutes Enthalten von jeg
licher Speise zugunsten der Toten bedeutete, sowohl der vegetabilischen
wie der animalischen Speise, innerhalb einer bestimmten Zeit; das Tabu
aber erstreckte sich nicht auf beschränkte Zeitperioden, sondern war stets
gegeben; das Fasten war hauptsächlich in den durch den Ackerbau ge
schaffenen Kultzeiten vorgeschrieben, also in den Nächten vor den
großen Jahresfesten; identisch mit dem nächtlichen Fasten ist also auch
das volksmedizinische Nüchternbleiben, ein Ausdruck, der, aus altrömischer
volksmedizinischer Quelle (nocturnus) stammend, die Erinnerung an die
nächtliche Toten— und Heroenfeier auffrischt, die mit Speiseenthaltung
(Fasten) verbunden war; namentlich das Fasten in den Nächten vor
dem Beginne eines neuen Jahres oder vor den drei (oder vier) größeren
Jahresabschnitten bis zum Untergang der Sonne, bis zum Aufgang der
Sterne oder des Mondes wurde ein Opferritus namentlich im Totenkult,
im Kult der Heroen und chthonischen Gottheiten (Nilsson, 449); diese
Kultzeiten (die Dreiteilung des Jahres) schuf der Ackerbau, weil nur dieser
allein an Winter, Saat und Ernte, an diese drei Urphasen des Jahres ge
bunden war.
Die Scheu vor dem Einflusse der Totengeister auf das Naturleben
machte auch das Fasten zu einer religiösen agrarischen Handlung, die
72

man aber immer mit einer gewissen Ehrfurcht vornahm. Die Ehrfurcht
erstreckte sich auch auf das Althergebrachte, namentlich im Kult der
der Fruchtbarkeit und dem Ackerbau vorstehenden Gottheiten, die sich
aus den chthonischen Gottheiten entwickelt hatten. Mit der ehrfurchts
vollen Andauer des Totenkults (Trauerfasten) erklärt sich auch der Fort
bestand mancher Totenopfer in der christlichen Fastenzeit, welche aus
älteren Zeiten symbolische Totengebäcke als Trauerbrote, Buß- und
Sühnebrote, die zu Heilbroten wurden, forterhielt, so vor allem das Opfer
der Schmuckringe*) (Brasselett) in abgelöster Teigform (Brezel), worüber
wir in unserer Abhandlung »Das Brezelgebäck« (Archiv f. Anthropologie,
III, 1904, S. 94) eingehend uns ausgesprochen haben und worauf wir hiermit
verweisen müssen.
Als Fastenzeitgebäcke, Gebildbrote der Frühlings- oder Goldfasten
vor Ostern, treten sie im Volksbrauche der letzteren Zeit nur mit dem
Aschermittwoch auf. Mit dem Sonnenrade haben die Brezeln keine Be
ziehung.
Eine Besonderheit der christlich-germanischen Fastenzeit ist das
Fasten mus: (1290) legumina, quod vulgo sonat vastmüse; (1335) vaß
mues (Argovia, V, 62); (1446) vasmis, vaesmus (Schw. Id., IV, 491); (1459)
fastmüser. (Schmeller, I, 1675.) Für die Kost der Fastenzeit war der Legu
minosenbrei das Hauptmaterial; kirchlich waren auch die Früchte von
Ölpflanzen (Hanf) vorgeschrieben; man suchte um Dispens des erlaubten,
aber fremden und teuren Öles nach; der Dispens ward in den sogenannten
Butterbriefen gegeben (Lammert, 23), weil diese gegen Leistung des so
genannten Butterpfennigs (J. P. Schmidt, 35) die Erlaubnis gaben, Butter
an Stelle von Öl zu verwenden in der Fastenzeit. Das klösterliche
Fastenmus (Vastmues), wie gesagt, eine Speise für das strengere Bann—
fasten, bestand im Chiemseer Kloster bis in das 12. Jahrh. hinein aus
8 metrete papaveris (Magsamen, Mohn), 1 modius fabe (Bohnen) et pise
(Erbsen). Das Fastenbrot wurde auch mit Honig und Mohnsamen (eine
Trauerspeise) gegessen. (H. Peetz, 237.) Dieses Fastenmus konnte auch
aus Spelt bereitet sein; nüchtern genossen, wurde es sogar wie eine
Seelenspeise zum Heilmittel gegen Gicht: »mense martis (h)alicam coctam
cum absinthio aut cum caroeno (eingedickter süßer Wein) accipiat quasi
jejunus«. (Hess. BI. f. V. K., V, 163.)
Der Donnerstag nach Aschermittwoch heißt in der
Schweiz schmutziger, Schaf—, Klupperen-Donnerstag, schmutziger Zündel
tag, großer Heumütterlitag, auch Weiberfastnacht (Grotefend); im Elsaß
»Schnitz—Dunstig«, weil das Hauptgericht dieses Tages Birnen- oder Äpfel
schnitze mit Speck ist (E. W., II, 666).
Der Freitag nach Aschermittwoch heißt in der Schweiz
schmutziger, rußiger, Chriden—, Braem-, Ziger—Fritig.
*) Die englischen metallenen Trauerringe (mourning-ringes) erhielten noch
im 16. bis 17. Jahrhundert bei Sterbefällen die Angehörigen des Verstorbenen zum
Geschenke. (Hazlitt, I, 257.)
73

AmVorabend (Samstag) vor dem ersten Fastensonntag,


der in Böhmen auch der »Fuchssonntag« heißt, hängen die Eltern in die
Äste der Bäume Brezeln (Bäugeln) als Zeitgebäck der Fasten, an
Weidenruten aufgereiht. In der Frühe vor Sonnenaufgang wecken sie
dann die Kinder und sagen ihnen: »Der Fuchs ist vorbeigelaufen und hat
Euch die Brezeln auf die Bäume gehängtl« die Brezeln sind eben dann
eine Neuheit, die die Kinder gerne essen. Auch in Schwaben (Schwarz—
wald) legt man zu Fastnacht Gebäcksel unter eine Hecke, angeblich,
damit der Fuchs sich nicht an den Kindern (Hühnern?) vergreife (Groh
mann, Apollo Smintheus, 9; Jahn, 118); die Vegetationsdämonen erhalten
so ihre Opfergaben; der erste Brotanschnitt heißt auch in der Schweiz
Fux oder Fügschi; auch die letzte Garbe heißt so; bei bayrischen Hoch
zeiten heißt die letzte schlechte Suppe für die Armen »Füchselsuppe«
(wie sonst »für die Katz«, das heißt die Katze spielt dieselbe Rolle wie
der Fuchs) (Schmeller, I, 687.) Im Oberpfälzischen wird zur Fastnachtszeit
beim Mittagessen von allem, was auf den Tisch kommt, ein Stücklein in
eine Schüssel getan (Pancarpie, Panspermie); davon erhalten die Hühner
die eine Hälfte, die andere wird dem Fuchs aufs Feld gestellt mit den
Worten: »Fuchs, da hast du deinen Teil, laß mir den meinenl« Damit
hängt wohl auch der Salzburger »Klötzenfuchs« zusammen, eine Art Speise
aus Hutzeln (Birnklötzchen) (Schmeller, I, 687), die der Fuchs als Vege
tationsdämon erhielt; darum heißt wohl auch der folgende Sonntag im
Hessischen »Hutzelsonntag«, ebenso im Schwäbischen und in der Rhön.
Am Samstag vor dem weißen Sonntag (in der Fasten)
reichten die Klosterfrauen in Himmelskron (Bayern) ihrem Kaplan fünf
Krapfen (Fastnachtskrapfen) und drei h e i dn i sc h e Kuc h e n (s. oben)
mit Honig (Panzer, ll, 229); es waren dies vermutlich die sogenannten
Heidenhüllen oder Hasenöhrl, die wir oben schon besprochen haben und
die hier ein verspätetes Fastnachtsgericht vorstellen.
Bei den Russen gibt es am Samstag der ersten Fastenwoche (also
vor lnvocavit) sogenannte Blinis, die in den wendischen Gegenden
Plinzen heißen, mit Fastenöl.
Erster Fastensonntag. Quadragesimae Invocavit,*) Dominica
privilegiata, Dies foci (ignis), focorum, Dominica brandonum, Funken
sonntag, Funkentag, Scheibensonntag; Fofensonntig (Schweiz); an der Eifel
und am Rhein Hettesonnig (= Hitze, Feuersonntag) (s. unten Küchel),
Allermannsfasching, Allermannenfasten, Bauernfastnacht (Elsaß, Tirol);
Mannfastnacht, große und letzte Fastnacht, alte Karneval-, alte Fastnacht,
Nachfasching, Hollepfannentag (Tirol); Kornaufwecken (Tirol) (s.Z.d. V.f.V. K
1904, S. 144). An der Mosel und Eifel: Burgsonntag (Verbrennung des Mai
baumes, »Burg« genannt, mit einem Strohmanne und Samenausstreuung).
Mosel: Schofsonntag; (mhd.) schoup, Strohwisch für das Funkenfeuer;
Scheuffe-Fastnacht (Grotefend), Scheibensonntag. Flandern: Grootvasten
avond. Schon bei den Angelsachsen hießen diese Tage halga daeg = heilige
*) »Kässontag da man singet invocavit« (Grotefend).
74

Tage. Er hieß auch grüner Fastelabend, Freudensonntag, (vor dem 16. Jahrh.)
auch weißer Sonntag (Alemannisch); in Tirol Brot- und (1485) Käs—
sonntag; Käsfastnacht, in anderen Orten auch Erbsensonntag, Quark—
sonntag (Grotefend); Schweiz: Käs—Kilbi; Elsaß, Baden: Küchlesonntag,
Weiber-Küchelsonntag; Burgund: La fete, le jour des brandons = Domi
nica brandonum = engl. Firebrand-Sunday (Hazlitt, II, 363); Genf: La
d’m6se de fälle : Funkenmesse (Schw. A. f. V. K. 1907, XI, 267); nach
den Bezeichnungen des Tages war also auf dem ganzen germanischen
Boden ein Feuerkulttag, der auf dem Gebhardts—Berge mit dem Werfen
von Kräkeling (: Brezeln als Zeitgebäck) und dem (Pech-) Tönnchen
brand gefeiert wurde. (V. K., XVIII, 136.) In der Rhöngegend ziehen, wenn
es Abend geworden ist, die Schulknaben mit langen Fackelstangen (»Stroh
blähse«) auf den zunächst gelegenen Berg und zünden sie daselbst an,
laufen in Reihen oder Windungen mit den Fackeln ins Dorf hinab und
heischen Eier, Hutzeln und Fleisch (Würste) unter bestimmten Sprüchen.
(Höhl, 88.) In Vorarlberg heißt dieser Brauch das »Fackelschwingen« und
das »Küchleheischa«.
Namentlich im Alemannischen herrschten an diesem Funken- und Brand—
tage allerlei diesbezügliche alte Volksgebräuche; so schreibt die »Straßburger
Post« vom 24. Februar 1901, Nr. 176, aus Emmendingen (vom 21. Februar):
»Am nächsten Sonntag, nach Eintritt der Dunkelheit, findet vor unserer
Stadt beim Steighaus, altem Herkommen gemäß, die Feier des Funken—
tages, auch Scheibenschlagen genannt, statt. Ehemals begaben sich abends
die jungen Leute auf einen Hügel, zündeten mächtige Feuer an, stellten
hölzerne Scheiben, die im Mittelpunkt durchbohrt waren, auf lange Hasel
stecken, machten sie im Feuer glühend und schlugen dieselben in kräftigem
Schwunge auf ein schiefstehendes Brett, so daß sie funkens‘prühend in
feurigem Bogen durch die Luft sausten, dabei nannten sie den Namen
dessen, dem zu Ehren sie die Scheiben schlugen, mit den einleitenden
Worten: »Schibö, schibö, wem soll die Scheibe goh ?« Das ist der Funken—
tag, welcher alljährlich noch hier am ersten Sonntag nach Fastnacht unter
Beteiligung von jung und alt gefeiert wird; von nah und fern strömen
die Zuschauer zu diesem eigenartigen Schauspiele herbei. Das Brenn
material wird seitens der Jugend von Haus zu Haus gesammelt, auch
die Stadt gibt ihren Tribut aus den städtischen Forsten.«
Den »Münchner Neuesten Nachrichten«, 1905, schrieb man:
Vorn Ostallgäu, 16. März. (Funkensonntag) Einen herr
lichen Genuß boten letzten Sonntag die Bergfeuer, im Allgäu »Funken«
genannt, welche auf den meisten größeren Hügeln bei einbrechender Nacht
emporloderten. Im lllertale zählte man von der Schwarzenberger
H ö h e aus deren mehr als fünfzehn, noch mehr zeigten sich gegen Norden
und Osten, Markt Oberdorf, Seeg und Füssen zu. Das Funkenabbrennen
am sogenannten weißen Sonntag ist ein uralter Brauch, demzufolge auch
das Mädchen, bei uns »Föl« genannt, den Burschen, der es an der Fast
nacht zu Musik und Tanz geführt, mit feinen Küchlein zu bewirten
75

hat. Auch der Fremde, den an diesem Tage der Weg gerade ins Allgäu
führt, kann von den schmalzigen Leckerbissen profitieren.
Aus dem Weilertale im Elsaß, wo ein »Scheibenschlagfelsen« in
Ernolsheim bei Zabern besteht, schrieb man dem »Elsässer Volksboten«
unterm 24. Februar 1901 über das Scheibenfeuer des Funkensonntags: Trotz
des tiefen Schnees, der überall lagert, ließen es sich die Burschen im Tale,
wie die überall auf den Höhen aufflammenden Feuer heute abend ver
kündeten, nicht nehmen, die alljährlich wiederkehrende »Schiewafier« an
zuzünden und vom Hügel die brennenden »Schiewa« (Scheiben) in sausendem
Bogen hinunter ins Tal zu senden. Beim jedesmaligen Abwerfen einer
Scheibe wird laut der Name des— oder derjenigen gerufen, dem die
Scheibe gewidmet ist. Oft geschieht dies Nennen der Namen zur Ehre,
manchmal artet sie auch in Fopperei oder Ulkerei aus. Das Verbrennen
des unter Gesang und Musik, mit fliegender Fahne von den angehenden
Vaterlandsverteidigern gesammelte Holz wird unter allerlei Faxen und
Scherzen angezündet und verbrannt. Die auf den Hügeln aus allen
Himmelsrichtungen aufflackernden »Schiewafier« bieten einen malerisch
schönen Anblick.
In Tirol singt man beim Hinausschleudern der brennenden Harz
scheiben: »Hölepfann, H0lepfann, Korn in der Wann’, Schmalz in der
Pfann’! Pflug in der Erd’, Schau, wie die Scheib’ ’nausröhrt«. (Schoepf,
272; Jahn, 89 ff.; Z. d. V. f. V. K. 1904, S. 145.) Beim Einsammeln der
Kücheln am Küchelsonntag im Elsaß singen die Kinder:
»Maien, Rosen, Blümle (feuerrote Blümle),
Mir singen um das Küchle;
's Küchle ist gebache,
Mir hören die Pfanne krache;
Mir hören die Schlüssele klinge,
D’ Jungfrau wird bald Küchle bringe.
Küchle ’rüs, Küchle ’rüs,
Mir wünchen üch Glück in öeuer Hüs.«
(Erk-Böhme, II, 128; E. W., I, 421.)
Oder:
D0 steh'n mir auf dem kalten Stein,
Gebat üns a Küchel, no geh’n mir heim.«
Oder:
»Sidenfaden um das Hus,
’s stieht e schieni Fröu im Hus.
Küchler rus, Küchler rus,
Oder i schlag a Loch ins Husl« (E.\Xl., l, 422.)
»Der Seidenfaden um das Haus« ist wohl eine Andeutung an die
Spinnerin Perchta.
Bleibt diese Aufforderung ohne den gewünschten Erfolg, so heißt es
schon kräftiger:
»Feuerrote Dürrbire Gix.
D’riche Litt gebn Nieme nix,
For de Fenster helf Dir Gott,
Isch dies net e Schand unn e Spottl«
76

Bleibt auch dieses ohne Erfolg, was allerdings nur selten vorkommt,
so ertönt ein kräftiger, aber schwer wiederzugebender Reim. Das so Ge—
sammelte wird zu gleichen Teilen verteilt und verzehrt.
Dieses Liedersingen bei der Zemede (Zusammentragung) muß ein
schon altgermanischer Brauch gewesen sein; das Sammeln der Opferspeisen
geschah damals im Namen der eben festlich gefeierten Gottheit. Im
Wiesentale (Schwaben) ziehen die Burschen nach dem Scheibenschlagen
herum und sammeln F u n k e n k ü c h l e i n, namentlich bei denjenigen
Mädchen, denen zu Ehren sie eine Scheibe geschlagen; dabei singen sie:
»l ha euer Tochter Schibe geschlage;
Ihr were mer ’s Küchli nit versage;
D’ Schibe fahre hin und her.
Mer esse d’ Küchle alli gern.
D’ Küchle ’raus, d’ Küchle ’raus,
’s is a schöni Tochter im Haus.« (Panzer, ll, 540.)

In der Schweiz singen die Kinder beim Funkenschlagen: »Der Chuchi—


pfannen is ’s Bein ab; dem Ankenhafen der Boden us; jetzt is die alt
Fasnacht us. Hüte is die Fasenacht, Wo die Mueter Chüechi bacht, Und
der Vater ummerspringt, Und der Mueter d’ Chüechli nimmt«. (Schw. Id.,
III, 140; IV, 646.)
Im schweizerischen Prättigau lautet der Fruchtbarkeitssegen:
»Flack us, flack us!
Über alle Spitz und Berg us.
Schmalz in der Pfanne,
Chore in der Wanne,
Gott all’s g’rota lot
Zwüschet alle Steg und Wege.«
(Schw. A. f. v. K., XI, s. 247.)
Je mehr solche Höhenfeuer brennen, desto fruchtbarer wird das Jahr
werden nach dem Luzerner Volksglauben. Es ist dieses Funkenfeuer
sicher der Rest einer altheidnischen Kulthandlung; je höher man darüber
springt, um so höher gedeiht der Flachs. Im Neuenburgischen Val de Ruz
wurden ehedem kränkliche Kinder durch den Rauch solcher Höhenfeuer
gezogen; der Rauch sollte die Krankheiten wie die Winternebel wegfegen,
vernichten. Die Fastnachtsfeuer werden nur von Jungvermählten ange
zündet, um die Fruchtbarkeit derselben durch den Analogiezauber zu er
wecken. »Schon 1090 ist dieses Feuer- oder Funkenbrennen erwähnt.
Dieses Frühlingsfeuer befruchtet Feld, Wiese und Menschen. Man ruft
beim Scheibenschlag den Namen der Geliebten aus und die jüngste Ehe
frau springt durch das Feuer.« (Meyer, M. D. G., 330.) Mit dem Genusse
der Fu nke nküchel wollte man der Fruchtbarkeitsgottheit zeigen, daß
man von ihr Nahrung und Fruchtbarkeit erhoffe.
Im Elsaß bekam jeder Wirtshausgast früher etwas von dem
Funkenküchlei n, auch die Hirten wurden (wie mit dem Fastnachts—
küchel) damit beschenkt. (E. W., l, 421.) Nach Beda Weber (Das Tal
77

Passeier, 162) lodern in diesem Tiroler Tal am ersten Fastensonntag


auf allen Bergen die Hollepfannfeuer, so genannt von gewissen Kücheln,
die, in tiefen (Krapfen-) Pfannen geschmort, an diesem Tage auf den
Tisch kommen. Auf allen Hügeln wird es licht, die Feuer wandeln nach
der Anzahl der Höfe auf dem Berg umher. Durch das Hollepfannfeuer
wollen die Leute (nach Beda) den Winter aus dem Tale jagen und mit
Peitschenknallen (vermeintlich) den Sommer herbeilocken. (Sonst ist es
wohl so umgekehrt gemeint; man vertreibt die Dämonen mit Peitschen
und lockt die Sonnenwärme durch den Analogiezauber des Feuers an.)
Durch dieses Feuerentzünden suchte man den Aufgang der großen
Himmelsscheibe (Sonnenwärme) zu erleichtern. Über diese Fastnachtsfeuer
in der Schweiz s. Schw. A. f. V. K., XI, 1907, S. 245 ff. Mit diesem Früh
lingsfeste war aber auch ein Seelenkult verbunden. »Lorichius tadelte
noch im 16. Jahrh. den heidnischen Unfug in Schwaben, Fleischspeisen
am ersten Fastensonntage durch die ganze Nacht für die Seelen bereit zu
halten; dann kochte man auch im Odenwald und am Niederrhein leckere
Speisen ‚für die lieben Englein‘ (das heißt Seelen) und ließ sie bei offenem
Fenster über Nacht auf dem Tische stehen.« (Meyer, Mythol. d. Germ.,
121.) Mit dem Seelenkult hängt auch der an diesem Tage übliche
Hirsebrei, das indogermanische Seelenfutter, zusammen, über welchen
der »Straßburger Post« vom 1. März 1906 aus dem elsässischen Sund
gau geschrieben wird: »Bei uns wird bloß die sogenannte Bauern
fastnacht gehalten. Am ersten Fastensonntag werden die sogenannten
Fastnachtsfeuer in allen Dörfern abgebrannt, die auch auf den Anhöhen
der nächsten schweizerischen Dörfer weithin emporflammen. Die Kinder
schwingen dabei ihre ‚Fackeln‘, weißgeschälte Pfähle, die im Backofen
vorher gedörrt werden, und vertreiben den Winter. Jung und alt begibt
sich nachher ins Wirtshaus. Der Tag nach Herrenfastnacht heißt ‚Hi rs e n
montäg‘, genannt Hirschmontag, an welchem die Weiber Meister
sind. In Überstraß wurde an diesem Montag noch vor sechzig Jahren
der schönste Eichbaum aus dem Gemeindewald versteigert und der Erlös
desselben den Weibern zum Trinken überlassen. Über dem Wetteifer beim
Trunk gerieten sich manche in die Haare, wobei einmal zwei der Kampf
Iustigen die sehr steile Anhöhe des Kapellenberges herabstürzten. — Am
»Schnitzzistig« wird in allen Familien abends Schweinefleisch und Schnitz
gegessen, als am Vorabend der Fastenzeit.«
Am Sonntag nach Aschermittwoch gingen die Kinder im Kanton
Schwyz die Küchli und beim Götti die sogenannten Helsete holen (Schw.
Id., II, 144); letzteres waren die sogenannten Helsweggen (zu ahd
heilisön = augurari, Heil wünschen), ein aus der Neujahrszeit auf die
Fastenzeit übertragener Brauch; die Kinder holen in der Frühlingszeit oft
ein, was im schneereichen Winter »nicht erreichbar, und der Küchlisonntag
war dazu die beste Gelegenheit; an ihm dauerten die Fastnachtslustbar
keiten‘ noch mehrfach an. Sebastian Frank (1534) in seinem Weltbuche
(Folf131) schrieb: »Den nechsten Suntag (nach Aschermittwoch) darnach
78

gibt man der fassnacht urlaub, verbutzt und verhüllt sich aber, trincken
sich voll, spilen und rasslen (toben) zuletzt.«
Der Brauch, recht heiße und fette Küchlein zu verzehren, setzte
sich auch auf diesen ersten Fastensonntag fort. Du Ganges Glossarium, VI,
135, III, 539,540, führt bereits aus dem frühen Mittelalter an: Panis
quadragesimae ad collationem usus (das heißt als Klosterkollation) foliatae
placentulae, quae in omnibus diebus quadragesimae (sed istae) calidae
debent esse; an dieses Blätterteiggebäck der Fastnachtszeit erinnern
vielleicht die Karlsbader Fa stn ac htsro s e n (Fig. 30) oder Rosenküchel,
ein zierliches Gebäck aus mehreren Lagen feiner, rosenartig zugeschnittener
übereinanderliegender Teigblätter, die in der Mitte der Krause ein rotes
(Fastnachts-) Herz (s. oben S. 34, 51) tragen und, in heißem Fette gekocht,
sich wie Blumenblätter aufblähen; andere solche Rosenküchel werden aus
Eisenmodeln oder Büchsen in Rosenform nach Art der Schmalzwaffeln
gebacken. (Modelküchli, gwallete Küechli, Schw. Id., III, 138.)
Zum »grünen Fastelabend« zogen in Rostock auf dem Lande die
Kinder mit einem grünen Busche, »um den grünen Fastelabend zu bringen«,
von Haus zu Haus; die jungen Burschen suchten dabei die Mädchen im
Bette zu überraschen. Der Altfastnachtssonntag, auch »Küchlisonntag«, ist
im alemannischen Gebiete ein Festtag für alle Welt. Schon am Vorabend
werden ganze Berge von ausgetröllten Kücheln zubereitet; zuerst
kommen die Buben daran, von denen sich ein jeder bei seiner Mutter,
Paten oder guten Nachbarn einen sogenannten »Küchlimaien« bestellt
hat, ein Strauß von Kuchen oder Backwerk, Haselnußzweige in Herz
form (s. oben S. 34) zusammengebogen und mit Küchelteig spiralig um
wunden, in Butter gebacken und schließlich mit Gold- und Silberpapier
reichlich geschmückt. (Schw. A. f. V. K. 1903, 154.) Im Badischen ist
dieser (Tamintaler) »Küchlimaien« oder »Küchlistruß« außer Mode ge
kommen; letzterer wurde hergestellt als ein Strauß von Blüten und
Blättern vom Dirliz- oder Derlitzkirschbaum (Cornus mas, Cornus san
guinea, Fürwitzel), der (wie ein Holunderstrauch auf Johannes) in Teig
getaucht und aus kochendem Fette herausgebacken wurde (Meyer, B. V.
L., 210 ff); es ist also ein antizipiertes Maifestküchel und erinnert an
die römischen strenae (franz.: etrennes), die man als glückbringenden
Zweig aus dem heiligen Haine der Göttin Strenia entnahm; solch gold
strotzende Kuchensträuße oder geküchelte Maien wurden von den Buben
in der Schweiz triumphierend durch die Gassen getragen und dann in
der Stubenecke oder hinter einem Heiligenbilde ein ganzes Jahr unver
sehrt (als unberührtes Opfer an die Hausgeister) wie ein Hausglück auf
bewahrt. (Schw. A. f. V. K. 1903, 154.) In Schmerikon (St. Gallen, 635)
erhielt der sogenannte Olgötze (ein in Tannenreis gekleideter Strohmann,
Vegetationsdämon) allerlei Küchli, Apfel- oder Biberlküchli, gefüllte
Krapfen, Eieröhrli etc.
An anderen alemannischen Orten heißen die Fastnachtsktichlein an
diesem Tage »Funkenküchle« wegen des Funkentages, die aber allerhand
. — ——-a=vr-«;‚- -r ß»

79

Formen (zum Beispiel Ringe, Brezeln, wegen der Fastenzeit) annehmen


(R. D., 71); außerdem gibt es Hefe—, Käse- und Äpfelküchel, gezackte,
geräderte, gewalzte, runde, durchlöcherte Küchel, »Öhrli« in der Schweiz
genannt wegen der durchlochten Form; das Mädchen schenkt sie ihrem
Burschen auf Fastnacht daselbst als Zeitspende.
An der Eifel gibt es heiße Pfannkuchen »Kräppel« an diesem Burg
sonntag. (Mannhardt, Waldk., 463.)
An der sogenannten Bauernfastnacht erhielt in der Schweiz (Elgg)
jeder Teilnehmer an dem militärischen Fastnachtszuge vom Wirte als
Gratisgabe Kaffee und Küchli; nachher wurde der sogenannte Funken
gemacht. (Schw. A. f. V. K. 1898, S. 233.) Am badischen Küchlesonntag
liegen im Wirtshause die Kücheln frei auf dem Tische; der Lehrer erhält
seinen Anteil als Geld unter dem Namen Fastnachtsküchle. (Meyer,
B. V. L., 77.)
Nach der Sonntagsbeilage zur »Allgem. Schweizerzeitung« 1902, Nr. 2,
S. 5, schrieb der Pfarrer Josua Maler: »Nach gethaner erster Predigt
(4. März 1552 zu Wytikon) im wieder heim gon der Stadt zu ward mir
an der Eierbracht in des ehrbaren Vogt Meyers Hus der Busen und die
Ermel am Kilchenrock‚ glich als mit G(e)walt, mit Küchlinen gefüllt und
usgeschoppet (denn es war der järlich Küechlitag), daß ich mit Proviant
wol geladen heim kam; darüber min lieber und alter Vater selig, als ich
ihm minen Kram zeiget und usgeleget, herzlich gelachet, Gott gelobet
und im selbst ein Gemerk gemacht, es werde mich der lieb Gott bi
minem Kirchendienst wol und väterlich erhalten.« Das Küchelgeschenk
gab also eine gute Prognose. Wenn in Paznaun in Tirol ein Mädchen am
ersten Sonntag in der Fasten mit einem heißen Kuchen dreimal um das
Haus geht, dann erscheint ihm der zukünftige Bräutigam (weil die elbischen
Hausgeister durch die Kuchenspende versöhnt wurden). (Zingerle, S. 91;
Wuttke, 236; Z. f. d. Myth., l, 237.) »In Illereichen und Umgegend werden
uraltem Herkommen gemäß auch die obligaten Küechlen gebacken. Wer
dies unterläßt — das ist so sicher als der Tod — den trifft im folgenden
Jahre Blitz, Hagel und Brand. Die Weiber sprechen: Bachist moara on
Küechlen? Was bachist für oine? Käsküchle und verzogene. Was häst au
Schmalz derzue? Noi, i hau nu a Löinsel. (Birlinger, Sitten, II, 63.) (Lein
samenöl.)
Eine Reihe von anderen Fastnachtsgebäcken setzen sich auf diesen
Sonntag lnvocavit (auch Mannen- oder Bauernfastnacht) fort; er hieß in der
Schweiz auch »crapflince suntig«; in sämtlichen Gemeinden des Kantons
Zug holen sich an diesem Krapfensonntag die Tänzer bei ihren Tänzerinnen
die Fastnachtskrapfen. (Schw. A. f. V. K., I, 68.) In Thüringen gibt es
ebenfalls am Funkensonntage Schmalzkrapfen, ebenso in Schwaben, Hessen,
Unterfranken (zum Teil mit Kartoffelmehl). In Tirol werden an diesem
Allermannsfasching für alle Hausleute und das ganze Gesinde Krapfen
(= Nudeln) gebacken (Höfer, I, 21); auch da, wo die Dimanche de bran
dons gefeiert wird, gibt es Krapfengebäck. (Hess. Bl. f. V. K., l, 241.)
80

Der Sonntag Invocavit heißt in der Schweiz auch »Öhrlisuntig«


wegen der schon besprochenen »Hasenöhrl«. (S.oben S. 46 ff.) Die Mädchen
beschenken in der Schweiz die jungen Burschen mit Gebäcken in der
Form eines Hasen, wenn diese vor ihrem Hause den Täuberichruf »gru
grul« ertönen lassen. (Schw. Id., II, 1667.) In jedem elsässischen Hause
werden außer den schon erwähnten Fastnachtskücheln und Funkenkücheln
auch diese dreieckigen Öhrle gebacken.
Eine Fortsetzung der Fastnachtsgebäcke sind auch die mond
förmigen Horngebäcke. Nach Nik. Kindlingers Münsterische Bei
träge z. Gesch. Deutschl., II, 56 (Urkunden) wurde 1090 schon geschrieben:
»ut semper in Quadragesima VIIII modios tritici pro eis reddat, unde
Omnibus in communi a quinta feria post caput jejunii tertia et sexta et
Sabbatho usque in tertiam feriam ante Pascha panis novus in modum
Lunae formatus detur«; dieses täglich neugebackene Mondbrot war
jedenfalls eine klösterliche Gesindespende der Fastnachtszeit, im Kloster
Freckenhorst ausgedehnt auf die Fastenzeit.
Ringförmige Gebäcke (Kringel und Brezeln) sind hierbei nur
fastenzeitliche Gebildbrote ohne allen Zusammenhang mit dem Sonnen
kult. Der F u n k e n ri n g*) ist ein zu diesem Tage in Schmalz gebackener,
aus feinerem Teig geflochtener Kranz oder eine sogenannte Laugenbrezel
der Fastenzeit, die nach dem Sieden in Lauge noch einmal mit frischem
Teige überschüttet und dann erst in Schmalz (der Fastnachtszeit) gebacken
wird; durch die Hitze des Fettes wird der Brezelring noch größer, zer
rissener, zackiger, flammender, ein echter Funkenring. Der Biberacher
Funkenring*) ist ein Kranzgebäck, welches aber zum Zeichen der Zeit
eine Fastenbrezel auf seiner Oberfläche trägt (wie der Osterzopf das
Osterei). Im Allgäu ist der Funkenring oft armdick und sehr groß. (Z. f.
d. M., l, 442.) Manche Funkenküchel werden durch die Durchlochung zu
ringförmigen Gebäcken. (Rochholz, Illustr. Ztg. 1868, 228; R. D., 71.) Auch
mit solchen Funkenringen (Zeitgebäck) regalieren sich die Liebespaare,
wobei an der Mosel dieselben die Brezeln brechen. (Mannhardt,
Waldk., 453,539.) (Fractio panis.) Solche Kringel oder Brezeln werden für
den sogenannten Fastenmarkt an manchen Orten wie eine kettenförmige
Doppelreihe von 2 >< 10 kleinster Brezeln (Fastnachts- oder Fastenkringel,
Königsberg i. Pr.) hergestellt; sie heißen auf dänisch fastekringle, sonst
auch Fastelabendkringel (Westpreußen); sie werden groß aus rundgerolltem
Teige, in Dänemark aus ungesäuertem Teige hergestellt; im Braun
schweigischen heißen sie »Knappekrengel«; sie setzen sich bis zur Oster—
zeit fort; sie sind aus magerem Pfennigbrotteig für die magere, knappe
Fastenzeit gebacken, während sie anderwärts in der voraufgehenden
Fastnachtszeit mehr fettreich sind. (Butterkringel, Schmalz-, Schmant-,
Schmeerkringel; Schwed‚ smörkringla; dän. smcfrekringle; ital. ciambella;
zu mlat. camella = Butterfaß, Milchnapf, D., II, 69.) Wir haben schon
in unserer Abhandlung über das Brezelgebäck (Arch. f. Anthropol. 1904,
’ ;)YAbgbildung s. Brezelgebäck, Fig. 80—82.
81

94) betont, daß die Brezel eigentlich nur ein Fastenzeitgebäck ist, was
auch die schriftkundigen Pastoren in Mecklenburg stets betonten. (1733)
»Hae nostris in oris nullo nisi tempore quadragesimali regulariter for—
mantur«; »Tempus quadragesimae, quo apud pontificios carnis usus inter—
dictus est, est tempus, quo spiras in his oris coquere et parare solenne
est.« (Koch, Conject de spir., 23,20.) Von da ab beginnen besonders die
gesalzenen Fastenbrezeln aufzutreten als Zeitgebäck der Fasten
bis Ostern. Wir haben auch auf dieses
Moment in jener Abhandlung aufmerksam
gemacht und verweisen hier noch auf
andere Stellen der Literatur, aus welchen
die Bedeutung des Salzes als Apotropäon
und volksmedizinisches Mittel hervorgeht.
(U.a. Z. d.V.f. V.K.1905,137;A. f. R.W.,Vlll,
Beiheft 33; de Vreese, 137; Beilage z.
Allgem. Ztg., 27. August 1905, Nr. 197,)
Das göttliche Salz erwähnt schon Homer
bei den Griechen als Opferbeigabe. Als
Opfer an die Dii Manes kommt die parva
mica salis auch bei den Römern vor; in F‘ß-39- ‚~
Ausgezogen: Brezel (Wurzburg)
Northumberland war es früher gebräch— „„,~‚ ,.-„„„k„„gel‚ auch w„„,.„„j „‚c„„„m~
lich, auf die Leiche eine kleine Salz—
scheibe zu setzen. (Hazlit, ll, 533.) Es würde den Umfang der Abhandlung
übermäßig ausdehnen, wollten wir diese Bedeutung des gesalzenen Brezel—
gebäckes hier noch weiter besprechen. Die Würzburger Fastenkringel oder
gezogenen Brezel (s. Fig. 39, aus zwei
übereinanderliegenden Brezeln bestehend)
sind streng an die Fastenzeit gebunden.
Der Erfurter Hornaffe (s. oben S. 53) nach
dem Volksbrauche ein deutliches Fast
nachtsgebäck, ist nach seiner Form (aus
zwölf Kringeln, die zu vier aneinander—
gereiht sind) ein Bretzelgebäck (s. Fig. 31)
und gleicht so dem tolf-häla kringlar der
Schweden, die nur an Begräbnisfesten
üblich, also ein Trauergebäck ist wie
eigentlich die Brezel und der Kringel auch.
Es kann uns gewiß nicht wundern,
Fig. 40. Stabriusbrelel (Pfalz).
wenn wir die Fastenbrezel als Zeitgebäck
auch auf dem niederländischen Palmpaasch und auf dem rheinischen
Frühlingsstabe (Stabausbrezel, Sommertagbrezel, s. Fig. 40, 41‘), später an—
treffen; es sind eben nur Zeitgebäcke, welche als Frühlingsfastengebäcke
ebenso fungieren wie das Osterei als Osterzeitsymbol. Frühling und Saat
fallen in die Fastenzeit, daher gibt es auch eine Saatkringel in dieser Zeit,
nicht aber wegen des Sonnenrades. Auch am St. Gebhardsberge im
Zeitschrift für österr. Volkskunde. XIV. Suppl.-H. V. 6
82

Vlämischen werden am großen Fastelabend (erster Sonntag in der Fasten)


Krackeling (gesalzene Fastenbrezel) in den Fischweiher geworfen als
Zeitsymbol des betreffenden Opfers an die Flußgeister. (V. K., XVIII.)

Fig. 4l. Fig. 42.


Sommertaglrrezel (Heidelberg). Stnupausbrezel (Neckar); .\Innnheimer Brezel.

Am Sonntag nach Aschermittwoch wird in den Dörfern


des Landes von Aalst sogenanntes gebonden oder gewonnen brood ge
gessen (V. K., XI, 176); vermutlich soll es ein nach alter Gewohnheit und
Tradition übliches Spendebrot an das Gesinde sein. Auch im Schweizer
Kloster Muri gab man alle Sonntage in der Fasten den Knechten und
Gesindeleuten ein Extrabrot. (Argovia 1861, S. 100 ff.)
In Appenzell (Schweiz) gibt es »gebackene Schnitten«‚ im Elsaß
Torten und Pasteten.
Der Brauch der geschlechtsreifen (tanzlustigen) Jugend, sich mit
männlichen oder weiblichen Figuren (Hänsel) zu beschenken oder zu
»hänseln«, den wir oben (S. 50) in Antwerpen, Zürich, im Bergischen als
eigentlichen Fastnachtsbrauch kennen gelernt hatten, ist in Schwaben auf
diesen »alten Fastnachtstag« verlegt. »Hänselmann« und »Hänselweible«
werden als Teigfiguren (mit Weinbeeren durchsetzt), dann von den be
treffenden Paaren verzehrt; besonders aber werden sie den »bekanntschafts—
losen« Burschen oder Mädchen zum hänselnden Spotte geschenkt. (Bir
linger, S.‚ II, 63; Birlinger, W. B., 63.) In Schmerikon (St. Gallen, 638)
schenkt das Mädchen ihrem Geliebten die sogenannte Küchlifrau aus
Lebkuchenteig; dies sind die gemilderten Formen jener Gebäcke, die
sonst die Geschlechtssymbole sehr deutlich aufweisen, wie ja auch die
rautenförmigen Mutzen und die Mändelchen eigentlich nur der geschlechts
reifen Jugend gehören als Fruchtbarkeitssymbole (vergl. auch oben
11. Februar), die in heidnischen Zeiten in viel natürlicherer Form an den
Kultstätten niedergelegt und von der Jugend kommunaliter verzehrt
werden sein mögen, während die übrigen Sippenmitglieder am Hirsebrei
sich guttaten.
Der Montag nach Aschermittwoch oder nach dem Sonntag
lnvocavit heißt in Baden wegen des Hirsebreies auch Hirschmäntig,
ebenso in der Schweiz; es fand ehemals ein großes Zechen und ein Um
zug der sogenannten Hirsenarren (»Hirsefahrer«) statt (Lütolf, 381, 563);
er hieß auch blinder Montag, Boggenmäntig, Böggentag (wegen des Bock
fleisches; s. oben Fastnachtssonntag), Blochmäntig, Blöchlitag, Blochfest
83

(wegen des Blockziehens), Prügelmontag, beschissener Montag (Schw. Id.,


IV, 646); in Mecklenburg hieß er 1488 kopslag, kopseliger, koppsaliger
Mandach, kopschillig Mandach. (Grotefend) In Oberkirch (Renchtal, Baden)
hielt man an diesem Tage »die Jahrzeit« mit Opferung durch die zwölf
Gemeinderäte und mit einem allgemeinen Imbiß (Alemannia 1881, IX, 41),
vielleicht eine abgeblaßte Erinnerung an das altrömische Neujahr am
1. März.
In Basel-Stadt sind die Tage Montag bis Mittwoch nach
Invocavit, also bereits in der Fastenzeit der Katholiken, die eigent
lichen Fastnachtstage, wohl aus Antagonismus gegen letztere.
Der Dienstag nach Invocavit ist in der Schweizder Hirsch
(Hirsebrei) Fastnachtszistig; man sieht, wie hartnäckig das Volk am
Hirsebreiessen festhält.
Der Mittwoch nach Invocavit »bricht der Fasten— oder Fast
nacht den Rücken entzwei« (Grotefend), womit vermutlich die Vernichtung
der Zeitperiode gemeint sein sollte.
Wir müssen hier wegen des vollständigen zeitlichen Überblickes
über die Fastenzeit (III) auch noch die festen Kalendertage derselben
berücksichtigen.
13. bis 20. Februar waren die altrömischen Dies parentales, ein
familiäres Haupttotenfest, das am 21. Februar mit dem öffentlichen
Feste der Feralia zur Versöhnung der Manes abschloß, wobei die Römer
allerhand Speisen auf die Gräber brachten; dieser festgesetzten Toten
speisung folgte dann am
22. Februar das allgemeine Familienfest der Caristia s. cara
cognatio mit Neujahrsgeschenken und fröhlichen Mahlzeiten; eine Art
kommunales Liebesmahl der Hinterbliebenen zu Ehren der Familienahnen
und Schutzgeister. (Sartori, 1; Daremberg, I, 1 C., 121.)
Julius Cäsar ließ das Jahr mit dem 1. März auf dem Campus
Martis und an dem Geburtstage des Frühlingsgottes Mars beginnen; an
diesem Tage fanden auch die Matronalia statt, wobei das ganze Haus
der Hausfrau Glück wünschte und Geschenke (wie heute auf Neujahr) dar
brachte (Marquardt, Römisches Privatleben, l, 57); man erneuerte (wie
heute am Karsamstag des jüdischen Mondneujahrs) das Herdfeuer (novus
ignis) durch Reiben des Holzes, womit gleichsam das Urfeuer frisch ge—
liefert wurde. (Friedreich, SO.) Nach uralter Sitte verteilten an diesem
altrömischen Neujahrstage die fratres arvales (s. Mommsen, Römische
Gesch., I) oder die Ackerbrüdergenossenschaft den panis Martis (marci
panis), das alte, abgelebte Jahr des Mamurius (Mamors : Mars) veturius
wurde ausgepeitscht. (Liebrecht, 411.) Man feierte dabei im alten Rom
das Fest der alten Kuchenfrau Anna Perenna, die bei Bovillae als Nähr—
mutter dem Volke warme Kuchen brachte. (Ovid. Fast, III, 522, 660,
667; —_ Sil., VIII, 50 ff.) Noch heute beginnt auch für den russischen Bauer
mit dem 1. März das landwirtschaftliche Neujahr; er war ein wichtiger
Wetterlostag. (Yermoloff, 128, 131.)
‘u
84

Bei den Nordgermanen hatte der Monat März den Namen Tors—
mänad, vielleicht als Übersetzung des Martis mensis. (Hammarstedt, 251.)
Bei den Sachsen am Niederrhein hieß er Kalf-maand (Weinhold, M. N., 47);
jedenfalls wegen des Opfers eines Kalbes; an dieses erinnert noch heute
das elsässische Märzenkalb (E. W., l, 432) und das oberbayrische
»Märzenkalbl«; dies tut die alten Leute und Kinder abstechen; das Kalbs
kopfessen am Sonntag Lätare (Totensonntag, s. unten) hatte sich in Spitälern
noch lange als Tagesgericht (Gesundheit bringendes Frühlingsopfer) er
halten. Im Mittelalter war der 1. März auch noch ein Hexenversammlungs—
tag (1668): »Dann man lieset von den Teuffeln und Gespensten ingemein,
daß sie vor allen andern Zeiten heuffig verspüret werden am Tage . . ~.
seu Martis Mense. Im Mertzen.« (Prätorius, Blocksberg, 513.) Die Meißner,
Lausitzer, Böhmen, Schlesier und Polen zogen am 1. März frühmorgens
mit Fackeln aus jedem Dorfe nach dem Begräbnisplatze und opferten
ihren Vorfahren Speisen (Sartori, 52), anscheinend ein slawischer Neujahrs
brauch, der vielleicht aus Griechenland stammt; denn auch bei den alten
Griechen wurde ehemals Ende Februar, Anfang März am dritten Tage
der dionysischen Anthesterien (von den neu aufsprießenden Frühlings
blumen so benannt) ein den römischen lnferiae ähnliches Totenfest be—
gangen; man stellte dem Seelenführer Hermes »für die Toten« in
Töpfen gekochte Erdfrüchte und Sämereien hin; im Hause wurden dann
die zum Feste einkehrenden Totengeister am letzten Tage mit dem
Rufe ausgetrieben: »Hinaus, Ihr Keren, die Anthesterien sind zu Ende.«
(Sartori, 52.)
Als rhätoromanische Sitte ist auch zu erwähnen die »Chalanda d’Marz«
(Calendae Martis, Neujahr am 1. März), wobei der Winter ausgeschellt
wird »per far crescer l’herba« (Grasausläuten in Tirol) (Schw. A. f. V. K.,
XI, 1907, S. 244) und wobei die zusammentragenden Kinder »Grasini«,
eine aus geröstetem Weizenmehl und Zucker gefertigte Mehlspeise, erhalten.
(Deutsche Alpenzeitung, VI, 300.) ‚
Ein charakteristisches Opfertier der Märzzeit war der Hase, der
als Märzhase in der Volksmedizin eine große Rolle spielt, die er wohl
den Bacchanalien oder Dionysien der Römer, beziehungsweise Griechen
verdankt; der Märzhase war auch der Hase vom ersten Satz, wie das
Märzenkalb, das im Monate März geborene Kalb; beide hatten im Früh
Iingsopferbrauche besondere Wertschätzung.
Am 1. März wurden bei den römischen Griechen den Kindern als
Mittel gegen den sommerlichen Sonnenstich um die Handgelenke kleine
rote Schnüre umgelegt, welche .\Iatprt; hießen (A. f. R. W., VIII, Beiheft,
S. 15); die ersten Schwalben, welche in dieser Zeit erschienen, nahmen
für ein ganzes Jahr Augen- und Zahnschmerzen weg nach altrömischem,
von Marcellus Empiricus bezeugtem Volksglauben (l. eod. 171). Dieser
Vegetationsgeist und glückbringende Frühlingsvogel erscheint auch beim
Sommerfeste am Rhein und Neckar als hölzerner, drehbarer Vogel, der
im Zuge herumgeführt wird (l. eod. 104).
85

3. März: St. Kunigund (gund* = pus Iiquidum); unter diesem


Namen tritt auch eine der drei Schicksalsschwestern auf (s. Heilige Drei
königstag—Gebäcke in Z.d. V. f. V. K. 1904; Simrock, D. M., 348). In Salzburg,
einem der frühesten christianisierten Orte Deutschlands, wo, wie auch am
Rhein, die Bräuche des altrömischen Neujahres am längsten haften
konnten, fand an diesem Tage der Fastenzeit eine Spende von Fasten
brezen statt (s. auch Totensonntag) an die Armen (= armen Seelen).
Am ersten Sonntag im März wirft bei Genf ein kinderloses
junges Ehepaar Konfekt als Dank unter die Sänger, die vor dem Hause
versammelte Dorfjugend, welche ruft: »Failles, failles,faillaisonsl Lafenna
ä Dian va fara on grou gargonl« »Lohe, Lohe, die Frau von St. Johann
wird Euch einen großen Jungen bringen.« (Schw. A. f. V. K. 1907, XI, 267.)
Am ersten Donnerstag im März erhieltjeder Droste (Truch—
seß) in Westfalen zwei Schönbrote, zwei Roggenbrote und vier Quart
Bier (SchiIler-Lübben, IV, 115), ein Überbleibsel vielleicht aus einer
älteren Spende an den Gode, der Richter und Priester zugleich war.
Wenn auf einem Flugblatte des 16. Jahrh. mit sogenannten Bauern
regeln (s. A. Bartels, Der Bauer, 46) am 4. März (St. Adrians-Tag)
steht: »Hoc non dico tibi vni, sed iss pfanzelten Adriani«, so bezieht
sich dieses Speisegebot auf einen übernommenen Volksbrauch, beim Um
zuge der Erdgöttin diese mit heißen und fetten Speisen zu feiern.
6. M ärz: St. F ridolin mit den jungen Ochsen, Fridlistag, Fritschi—
tag (Schweiz), der Schutzpatron und Wappenheilige des Glarnerlandes,
der mit Fritschiumzügen und Fridlifeuer gefeiert wurde; an diesem Tage
wurde im Elsaß (Sundgau) das Jungvieh zum erstenmal ans Joch ge—
spannt. An diesem Frühlingstage begrüßten alte Leute die ‘hinter dem
Glärnisch abends hervortretende Sonne, welche bis dahin nach 2 Uhr
während sechs Monate nicht mehr sichtbar ist, durch Aufstehen und Hutab
ziehen. Das Tagesmahl heißt Fridlimahl, das Tagesgericht ist die Glärner
Pastete. (Schw. Id., I, 942, 945; Schw. A. f. V. K., IV, 266, III, 63.)
9. März (nach dem römisch—katholischen Kalender),
10. März (nach dem griechisch-katholischen Kalender):
Vierzig Ritter, Heilige oder Märtyrer; an diesem Tage kehren
nach russisch-griechischem Volksglauben die Frühlingslerchen aus dem
Wunderlande Wyrai zurück und deshalb backen die Weißrussen im
Gouvernement Smolensk kleine Brotvögel in Gestalt von Lerchen
(Z. f. Ethnol. 1903, 659; Yermoloff, 135.) Bei den Römern war die erste
Schwalbe ein Glücksbote (bei Marcellinus Empiricus, s. A. f. R. W., VIII,
Beiheft, S. 17), der alle Augen— und Zahnschmerzen des ganzen Jahres
wegnahm; wie der Schwan als Brotvogel auf dem Palmpaasch, so figuriert
beim Sommerfest am Rhein und Neckar die Schwalbe als drehbarer Zeit
vogel im Zuge, (A. f. R. W., VIII, I. e0d.104.) Vielleicht hängt mit diesem
*) In Kunigunden—Kapellen finden auf Ostern (s. Ostergebäcke, S. 49) Eier—
spenden an den Pfarrherrn statt zur Heilung von Eiterschwären. (Z. f. O. V. K.
1902, S. 236.)
86

Vogelgebäcke der slawisch-Wendischen Gegenden auch die Leipziger


Lerche, eine Art Frühjahrspastete, zusammen. Auch die Kölner »Göb
belche mit Flötches« (Fig. 43) stellen nach aller Wahrscheinlichkeit

Fig. 43. Fig. 44.


Kölner Göbhelche mit Fleuiche Zwei Brotrögel aus dem runden Braunschweiger
nneinaurlcrgcreiht. \"ogelkrnnz.

aneinandergepreßte und aus Teigschlingen hergestellte Vögel dar, deren


jedes ein Frühlings— (Ton—) Pfeifchen am oberen Kopfende trägt; sie
bilden zusammen eine Reihe, die eine leichte Ahnlichkeit mit dem Vogel
kranz aus Braunschweig hat,
aus dem hier zwei Vögel
(Fig. 44) abgebildet sind. Die
Bildung von Teigvögeln durch
Teigschlingen ist oft zu finden.
Auch Kinderkränze, ähnlich den
‚Ä Vogelkränzen, gibt es. (Fig. 45.)v
Was nun die eben er—
wähnten Kölner Göbbelches
oder (Dialekt) Jöppelches be
trifft, so sind diese allerdings
heute mehr ein Weihnachts
gebildbrot aus Weizenmehl,
mit einer Eisalbe durch den
Salvschwiddel (Salbenwedel)
bestrichen, wodurch sie eine
Fig. 45.
glänzendbraune Farbe erhalten;
Kirixlerkrnnz, die Teigkimler nneinanrlergereiht wie die alszierat oder als
Vögel im Braunschweiger Vogelkrunz. hatjedes Einzelstück dieser aus

gewundenen Teigflechten bestehenden Reihe ein »Fleutche« (Pfeifchen aus


Erde in der roten Kölner Stadtfarbe) eingebacken, welches in der Fasten—
zeit (Frühjahr) durch ein Marienbildchen ersetzt wird; demgemäß sind
87

diese Gebildbrote auch (und wahrscheinlich ursprünglich nur) in der


Fastenzeit üblich; sie werden (nach Weinsberg: Kölner Denkwürdig
keiten) schon 1643 erwähnt und auch im Kölner Kinderlied mit der
Fastenzeit in Verbindung gebracht (»Wer de Jobbelcher nit gn mag, dä
mag fasten den ganzen Dag«). Die Etymologie betreffend, möchte Ver
fasser in Vorschlag bringen: 1420 gobeleyn = exenia (= Gabe); 1420
gobelin : collibium (colliphium = Gebäck) D. l, 215; II, 100, 160; zu
Goeb (Gabe), Göble = Kind »quasi donum Dei«. Weihnachtsgöble: Christ
kind. (Schmeller, l, 862.) Es ist »Göbbelche« vermutlich als Geschenk in
Gestalt eines Kindes oder Vogels (?) in Form einer gedrehten Teig
schlinge zu verstehen, das man im Frühjahre zur Zeit der Fasten und
der Bastlösereime mit dem Frühlingspfeifchen versah. Auch beim Schweizer
Pfeifenschäfli kehrt dieses auf Ostern wieder. Doch möchte Verfasser
diese Deutung nur salvo meliori hier vorbringen; (vergl. auch die elbischen
Pfeifchen in J. Wolf: Märchen und Sagen, 181); auffällig ist es, daß gerade
in der Lenz— oder Fastenzeit die Marienbilder an Stelle der Pfeifchen
treten. was auf absichtlichen kirchlichen Einfluß hinweist.
12. März, St. Gregorius im Märzen, in der Fasten; englisch
St. Gregorys-Day (Hazlitt, I, 287), Schulpatron; im jüdisch—christlichen
Mondjahre schloß an diesem Tage das Wintersemester der Schulen. Bei
den Germanen fand in jedem Frühjahre eine Knaben— oder Jünglings—
weihe statt, die zugleich ein größerer Festtag für die Altersklassen der
mannbaren Junggesellen und Mädchen war. Aus diesen Jugendbünden
entwickelten sich einerseits die Schülerspiele und andererseits die kirchlich
beeinflußten Rottbruderschaften; so erklärt sich auch das Schülerfrühlings
fest, Rutenfest mit »Gregori-Singen«, »in die Gregori gehen«. Auch das
Koburger Jugendfest (am dritten Pfingsttage) heißt Gregorius— oder
Bischofsfest. (Rochholz, Alem. Kinderlieder, 502.) Mit diesem Feste war an
sehr vielen Orten die Verteilung von Brotgebäcken verbunden. Im schweize
rischen Fricktale heißt dieses Fest »Das Gregörlen«, wobei die Schul—
kinder die mitgebrachten Eßwaren verteilen und verspeisen (l. eod. 505).
Die Schüler von St. Gallen erhielten an diesem Tage vom Konstanzer
Bischof dreierlei Speisen aus des Abtes Küche; dieser episcopatus pne—
rorum des Gregori-Schülerfestes soll schon 917 bezeugt sein (l. eod. 501).
In Tirol, Schweiz und Schwaben erhielten die Schulkinder und die Schul
meister das sogenannte Schulbrot, Schweiz (Staub, 102), oder das
Meisterbrot (J. P. Schmidt, 104), Butterröggele, ein mit Butter
bestrichenes Roggenbrötchen oder auch Mundsemmel. (Birlinger,W. B., 375.)
Gregori-Zucker oder Gregori-Kügelchen aus Zucker, welche
der Schulrektor im Hennebergischen an die Knaben der unteren Schul
klassen am Gregorius—Tage oder am Montag nach Jubilate verteilte
(Spieß, I, 213, 214), sind eine andere Form des honigsüßen Frühlings
gebäckes (Honigspeisen sind aber dabei sehr selten). In Bristol erhielten
die Armen an diesem Tage nach einer besonderen Stiftung Brotlaibe,
Erbsen und Fastenheringe. (Hazlitt, II, 363.) Das häufigere Gebildbrot dieses
'88

Tages aber sind die aus der Fastenzeit, in die dieser Tag fällt, erklär
baren Brezeln, welche als »Gregorius-Brezeln« 1733 bei Koch, 41,
erwähnt sind: »Eo scholarum patroni pueris in diligentiae praemium
spiras (Brezeln) dabant.« Im Ulstergrund (Rhön) heißt wegen dieser
fastenzeitlichen Brezelspende an die Schulkinder dieser Tag auch
»Brezeltag«. (Höhl, 89, 90.) In der Schweiz ritt der von den Schülern
selbst gewählte Schülerbischof auf einem Schimmel und trug auf einer
Stange Bretzeln; dieses Fastenzeitgebäck (und auch Wecken) wurden
unter die Schuljugend verteilt; auch am Mittelrhein sind an diesem Tage
die später zu erwähnenden Stabausbrezeln üblich. Auch in der Erzdiözese
Bamberg bekam jedes Schulkind eine (Fasten—) Brezel und wurden die
beim Umsingen gesammelten Eier vom Schulmeister in des Pfarrers
Beisein unter die Kinder verteilt, 1708 (Globus, 81.Bd.‚1902, S. 237). Das
selbe war der Fall beim sogenannten Fähnleinstage (St. Gregori—Tag) in
Ansbach, an welchem die Schuljugend mit hölzernen Säbeln und mit
Fahnen herumlief, vom Lehrer Brezeln erhielt und der dazugehörige
Wein aus einer Stiftung abgegeben wurde (J. B. Fischler, Geschichte von
Ansbach, 1786); hier sind die Spuren der altgermanischen Jünglingsweihe
deutlicher erhalten. Auch die Rhön kennt diesen Tag als »Brezeltag«
(Bronner >l‘). -
Daß auch Weggen in der Schweiz an diesem Tage den Kindern
gegeben wurden, haben wir soeben erwähnt. Auch in den Baseler Jahr—
zeitbüchern kommen bestimmte Stiftungen für den Gregorius—Tag als
Servitut für das Baseler Schulhaus vor: »pro cuneis sive cuneolis«, also
Wecken für die umsingenden Knaben. (Argovia, III.)
Zweiter Sonntag in der Fasten, Reminiscere. Er heißt im
Elsaß »K ü c h e l fastnacht« wegen der noch immer gebackenen Fastnachts—
küchel, auch Käsesonntag; an ihm erhielten die Tegernseer Klosterbrüder
(1536) »für einen Fasching« Lebzeiten und Käse. (Germania, IX, 193.)
Die germanische Frühlingsfeier hatte einen langen Zeitverlauf, die durch
die später eingelegte christliche Goldfasten absichtlich auseinander
gesprengt wurde.
Am Mittwoch in der zweiten Fastenwoche ist das an
mehreren Orten übliche grausame Katzentöten erwähnenswert; so in
Böhmen (Reinsberg—D., 365,), auch in der Schweiz (Rapperswyl) (Lütolf)
und in Ypern: »a Ypres le mercredi de la seconde semalne du caröme
on jetait un chat chaque annee du haut du beffroi (Turm, Burgfried) et
ce mercredi etait appelä par Ie peuple »Katte woensdag« ou »Kattedag«
(Sloät, 5); es scheint sich nicht um die Tötung des Zeitsymbols, sondern
um die Substitution eines sühnenden Frühjahrsopfers**) oder um die

*) Leider steht auch hier wieder, S. 353, die ganz falsche Ableitung der Brezel
von pretiolum (= Preislein für die Kinder), welche Etymologie von den früheren
Schulmeistern stammt.
**) Vielleicht hängt damit auch die sogenannte Katzenmusik zusammen, welche
auf Fastnacht ebenso sich bemerkbar macht, (Philippi, Ursprung der Katzenmusikl
89

Tötung eines schädlichen, die Fruchtbarkeit hindernden Vegetationsgeistes


zu handeln. Hier wäre einzuschalten, daß man zu Lützkampen im Kreise
Brünn an den
drei ersten Märzdonnerstagen die drei in Holz geschnitzten
Fides, Spes und Charitas, das heißt die drei saligen Fräulein, verehrte,
vielleicht weil man dann die drei ersten Pfluggänge machte. (Meyer,
M. d. G., 258.)
Dritter Sonntag in der Fasten, Oculi; er heißt im Allgäu
»Brezensonntag«, jedenfalls wegen der üblichen Fastenbrezen.
Nach diesem dritten Fastensonntag (vor Mittfasten) kommen in der
Schweiz die sogenannten Zaelti- oder d’Saeldentage (1478 in den zalten
tagen), in denen Frau Salde (saligen Fräulein?) umzieht; in Tirol zieht
die Spinnerin um, in der Schweiz die Straggelen (Lütolf), in Baden erhält
der Winterdämon »G’heizgier« sein Küchlein als Opfer (Meyer, B. V. L., 83);
dieser G’heizgier wird auch im Oberelsaß als »Hirtsgiger« ausgesprochen,
in der Schweiz als Hutzgür. (Schw. A. f. V. K., XI, 252.)
Mittwoch nach Oculi ist die Halbfastenzeit, Mittfasten, ein
Vom Volke wie eine Mittwinterszeit begangener Tag, der nochmals den
Tod des Winters und den Beginn des neuen Frühlings in Erinnerung
bringen sollte. Der Winter als altes Weibsbild wird an diesem Tage in
effigie verbrannt. (Hess. Bl. f. V. K., III, 135.) 1366 erfolgte durch die
Prager Synode ein Gebot an den Klerus im tschechischen Böhmen: »Qui
in media quadragesime imagines in figura mortis cum rythmo et ludis
supersticiosis ad flumen deferunt; ibi quoque ipsas imagines cum impetu
submergens in eorum ignominiam asserentes, quod mors eis ultra nocere
non debeat, tamquam ab ipsorum terminis sit consumata et totaliter ex
terminata.« (Hess. Bl. f. V. K., III, 153.) Zu Flüen (Kanton Solothurn,
Schweiz) wurden an diesem Frühlingstermintage unter Absingen von
Kinderliedern Eierbrote eingesammelt, wobei die Mädchen Tannen
bäumchen mit Bändern etc. geschmückt trugen. (Schw. A. f. V. K. 1902,
S. 213.) Sebastian Frank (1499—1542) in seinem bekannten Weltbuche
schreibt: »Zu Mitterfasten ist der Rösensuntag. An disem Tag hat man
an etlichen Orten ein Spil, das die Buben an langen Rutten Brezeln
herumtragen in der Statt vnd zwen angethone Mann einer in Syngrün
oder Epheu, der heyst der Summer. Der ander mit Gemueß (Moos) an
gelegt, heyst der Winter; dise streiten mit einander; da liegt der Summer
ob vnd erschlecht den Winter; dann gehet man darauff zum Wein.« In
Schleswig gibt es an diesem Tage »Halbfastenheringe« (Globus 1899, 45),
welche nach Schleiden schon 1206 auch in einem englischen Kloster als
Mittfastenessen erwähnt sein sollen. In Oberbayern ruft man die heiligen
Ärzte Kosmas und Damian an, damit das Fasten gesundheitlich gut bekommt
ln England heißt der folgende vierteSonntag in der Fasten
(Rosensonntag, Lätare) Mid—Lent-Sunday, auch Mothering- (Mutterkirchen -
besuchstag) oder Furmety-Sunday (frumentum, Weizensonntag, Saatglücks
tag). In Yorkshire gibt es an diesem Tage ein Essen, »kneed wheat«
90

(gekneteter Weizen) genannt. Der Weizen wird in süßer Milch mit


Spezereien gekocht (als Brei an die Toten, die man in den Mutterkirchen
aufsucht) und den man als Mittel gegen Saatunglück verzehrt (communio);
daher auch »The Unlucky Firmentie« genannt. (Hazlitt, I, 261, II, 424.)
Der Tag heißt auch Wafering-Sunday wegen der an demselben üblichen
W aff e l n oder Eiserkuchen, die wir oben (S. 39) schon besprochen hatten.
(Hazlitt, II, 614.) Bei den Russen heißt dieser Mittfastensonntag auch
»Kreuzsonntag« und die folgende Woche auch »Christwoche«. Die K re uz
brote (christliche Totenbrote), die in der Christwoche gebacken werden,
dienen dann am St. Georgs-Tage (24. April) als gedeihsames Futter für
die Pferde (Yermoloff, 191, 87); diese Saatkuchen, welche am Chretzy
(Kreuztag) aus Weizenmehl in Form eines Kreuzes gebacken werden,
damit der Weizen gut gerate, verspeist man zur Hälfte am selben Tage,
die andere Hälfte bewahrt man bis zum Frühjahr auf und ißt sie erst
auf dem Weizensaatfelde (Yermoloff, 87), ein Brauch, der im Norden der
Julzeit eigen ist; zuerst erhalten im Winter die Hausgeister, dann die
Feldgeister ihren Speisetribut, hauptsächlich in Broten, die zum Apotropäon
werden. Das am Totensonntag, Totentag, so heißt dieser vierte Fasten—
sonntag, gebackene Brot, das in Bayern früher auch eigens geweiht
wurde, ergibt nach dem Volksglauben in einer Unze mehr Sättigung als
an anderen Tagen zwei Pfund. (Rochholz, l, 306; Rosenkranz, 244.) Man
hat es also an diesem Tage ganz sicher auch mit einem Seelenkult zu
tun, der aber nur in England den Seelenbrei, Weizenbrei, the Unlucky
Firmentie, aufweist, während sonst die Seelenbrote mehr sich bemerk
bar machen, weshalb der vierte Sonntag in der Fasten auch Dominica
refectionis, —panum, —de panibus, Dominica quinque panes (Evangel.) heißt,
engl. Sunday of Refreshment. Nach Büsching, I, 183, heißt er auch »Liebe
bestätt-Tag«. Ob damit der »paganus cursus, quem yrias nominant, scissis
pannis vel calciamentis« des Indiculus pag. CXXIV Zusammenhang hat? Mit
diesem Tage der Seelenbewirtung verbindet sich aber auch ein Todaus
treibebrauch, Todaustragen, Todausführen, weil der Winterdämon vertrieben
wird und der Sommer seinen Siegeseinzug feiert; daher Freudensonntag
(Lätare), Sommertag (Pfalz, Odenwald, Neckar), Sommergewinn (Erfurt,
Eisenach), Sommerbeginn mit frischem Grün schlagen, Kümmelklappen und
Pfefferreiben (Darmstadt), Mariensonntag, Rosentag, Mettag (Oberbayern,
Schwaben) wegen des echt germanischen Minnetrinkens zur »Schön’ und
Stärke« der Anteilnehmer in den Methäusern.*) In der ehemals deutschen
Franche Comtet heißt der Tag: La Dimanche des poits frits ou des piqueräs
(Rolland), das heißt der Sonntag mit den in Salzwasser gedünsteten Erbsen,
die die Neuvermählten den Kindern schenken. 1534: »In Mitterfasten machen
sie an etlichen Orten (Frankens) ein stroeinen mann oder butzen (Ver
körperung der Fastenzeit) angethan vnd zugerichtet wie ein todt, den
tragen die versamleten jungen in die nahend gelegenen doerffer, diese
werden von etlichen schoen empfangen vnd mit dürren hutzlen, milch
*) Brenner, 93 ff.
91

und erbiß gelabet vnd gespeiset, von den andern, die es für ein an
zeigen zukünfftigen tods halten, werden sie vbel empfangen vnd von ihren
hoffstaedten getrieben mit scheltworten vnd etwan mit streychen.« (Seb.
Frank, Weltbuch, Fol. 51.) Auch in England und Oberbayern ist das
Erbsenessen ein (durch das Christentum eingeführtes) Fastenzeitgericht
namentlich in der Lenzzeit.
An die animalischen Opfer dieses Tages erinnert das Märzen—
kalb- oder Kalbskopfessen (ehemals) in den oberbayrischen Spitälern,
der in Bürgershäusern unter dem Namen »Lätare-Kalbskopf«, aber unter
der fastenzeitlichen Form eines Napfkuchens oder Gugelhupfs aufgetragen
wurde. Die einzelnen Teile des März enkalbes sollten besondere heil—
same Wirkungen haben. (Schmeller, I, 1239.) An anderen Orten (Schwabens)
gibt es dafür (Fasten-) Schnecken und Stockfisch. (Birlinger, ll, 66.)
Man scheint früher diesen Tag als einen besonders für Krankheiten
(Pest, Fieber, Seuchen etc.) sehr wichtigen Vorbeugetermin angesehen zu
haben, vermutlich wegen der Fastenperiode. Die Enthaltung von gewissen
Speisen oder von Nahrung überhaupt war eines der ältesten volksmedi—
zinischen Regimina sanitatis, die von der Versöhnung der Seelengeister
durch Speisen sich ableiten; mit der Enthaltung von der den Plagegeistern
überlassenen Seelenspeise erhoffte man für sich Schönheit und Stärke,
Fruchtbarkeit und Gesundheit, Glück und ein langes Leben zu erlangen;
dann machen die versöhnten Totengeister auch das Brot der Überlebenden
besonders nahrhaft und heilsam (s. S. 72 Fastenmus). Es kann uns nur als
Bestätigung für unsere Anschauung, daß wir es auch mit einem Toten
kult an diesem Tage zu tun haben, dienen, wenn wir schon in dem
Namen dieses Tages einen Zusammenhang sowohl mit den Volksgebäcken
haben als mit dem Totenkult. Der Mittfastensonntag heißt in England
Mothering-Sunday, weil an diesem Tage die Sippen zur gemeinschaftlichen
Mutterkirche, das heißt zum gemeinsamen Sippentodesacker, zur gemein
samen Kultstätte ziehen, ein Brauch, den wir auch in der Saatzeit in
Oberbayern finden.
Eine Volkssitte der Engländer war auch das Handschuhgeschenk in
der Fastenzeit, jedenfalls ein Trauerritusüberbleibsel, da man in St. James
solche Handschuhe aus Papier auf Gräber legt (Hazlitt, I, 338, 277); die
Anteilnehmer an der Leichenfeier erhielten solche aus Leder, die Diener
aus Wolle, sogar Abwesende erhielten sie zugeschickt als eine Entsagungs
trauerspende; manchmal bis zu 150 solcher Handschuhpaare wurden 1640
bei einem Todesfalle verteilt. (Hazlitt, I, 277.) Obwohl es sich nur um
solche Geschenke handelt, so ist dieser Fastenbrauch hier als Parallele
zum B reze l ge b ä c k der Fastenzeit aufgeführt. Wir haben schon öfter in
dieser Abhandlung auf unsere Abhandlung »Das Brezelgebäck« (im Archiv
f. Anthropol. 1904, III, S. 94) hingewiesen, in welcher wir die Brezel als
das Substitut des Armringes (Brasselett) in Teigform erklärten, welches als
Trauergebäck, als Entsagungssymbol zum Buß— und Trauersymbol in der
Fastenzeit geworden war. Mit dieser fastenzeitlichen Rolle hängt das
92

Erscheinen der Brezel auch am Totensonntag Lätare zusammen, an dem


schon 1534, wie oben erwähnt, Sebastian Frank die Brezeln als Tages
gebäck anführt. Das sogenannte Papistenbuch (16.—17. Jahrh.) sagt, daß
an diesem »Bretzgen-Sonntage« die Buben solche Brezeln beim Sommer—
und Winterspiele an langen Stangen herumtragen. (Birlinger) In der Pfalz
gehen nach dem Gottesdienste an diesem Tage die Knaben und Mädchen
über die Straßen und singen die sogenannten Stabausreime, wobei die
Mädchen die sogenannten Stabausbrezeln an weißgeschälten, spitzen
Stäben oder Gabeln tragen, während die Knaben ihre Sommertagssäbel,
mit feuerroten Blumen oder Zeichnungen geschmückt, in der Rechten
tragen. So ausgerüstet helfen die Kleinen den Winter (Tod) vertreiben.
Wer da nicht mittut und wer am Sommertag keine Brezel erhält, der
bleibt ein trauriger Narr das ganze Jahr über. (Grünenwald, 26; Abbildung
des Heidelberger Sommertagszuges am Lätare-Sonntag, s. Gartenlaube
1903, S. 221.) Die Stabausbrezel ist nur ein Zeit—, kein Sonnenradsymbol,
ebenso wie der gebackene Schwan auf der niederländischen Palmpaasch—
stange. (Vergl. auch Hess. BI. f.V.K., VI,159.) An der Bergstraße und im Oden
walde singen die Kinder (nach Erk und Böhme, III, 133): »Brezel drein! Gille
Wein! Alle gute Sach’ nein! Stab aus! (= Staup ausl)« oder: »Rote Wein,
Brezel drein, Hutzel ’raus, der Tod ist ausl« (Meyer, B. V. L., 87.) 1660: »So
ist auch auff etlichen Dörffern noch gebräuchlich, wenn sie jährlich umb
Ostern den Todt außtreiben, das'sie theils von Stroh, theils von Lappen ein
Menschen-Bild machen, und mit sonderlichen Ceremonieen ins Waßerwerffen.«
(Prätorius,Weltbeschr., I, 246.) In Eisenach (Thüringen) wurde, wenn das so
genannte »Sommergewinn« gefeiert wurde, wobei ein aus Stroh geformter,
den toten Winter dartellender Mann unter ungeheurem Jubel durch die
Stadt getragen und dann (vielleicht als ein stellvertretendes Menschen
opfer,*) s. Hermann, D. M., 419) ins Wasser geworfen wurde, ebenfalls

rn,~ «s. Fig. 47.


Eisenacher Windbeutel. Fustt‘nring aus der Lnusitz;
Fasienhrezcl (Unterfranken).

ein kringelartiges Gebäck, der sogenannte Windbeutel (s. Fig. 46), gefertigt
(Berlepsch, VI, 175; Meyer, B. V. L., 140; Z. f. d. Myth., II, 103); diese
Eisenacher Kringel reiht sich ganz in die Brezelformen ein. Man hat auch
in diesem Windbeutel ohne allen formellen Grund ein Sonnenradsymbol
suchen wollen. Auch die mit den Kringeln und Brezeln identischen
Fastenbeugel werden in Schlesien an die Sommerkinder verschenkt

*) Nach Scheible, VII, 1012, glaubte man in Leipzig, daß diese Totensonntag
zeremonie (wie ein germanisches Opfer) Pest, Krankheit und Unfruchtbarkeit
fernhalte.
93

(Weinhold, W. B., 8; Lippert, Christent., 604); es sind Ringe, die wie Geld—
stücke an einer Weidenrute oder Schnur aneinandergereiht sind zum
leichteren Tragen. 1501: »Welcher Meister in der fasten will beugel backen.«
(Schlesische Frankensteiner Bäckerordnung; Frommann, IV, 164.) Koch
(de spir. pist. 12) schrieb 1733 von diesem Brauche in Polen, Schlesien,
Thüringen, Meißen und anderen Orten, die Knaben und Mädchen stellten
eine Totenfigur aus Stroh oder ähnlichem Material her, die sie unter
verschiedenen Gesängen durch die Stadtstraßen trugen, dann aber ver
brannten oder ins Wasser warfen, was man auch damals »den Tod aus
treiben« nannte. Den von dieser Exekution zurückkehrenden Kindern aber
schenkte man wie den Anteilnehmern an einem Totenmahle kleine Brezeln
oder Kringel oder einen süßen Brei. Über diese germanischen Dendro
phorien s. Beilage z. Allgem. Ztg.1900, Nr. 61, S. 5 ff., sowie A. f. R. W.,
VIII, Beiheft 102 ff., X, 153. Die »Sommertocke« stellt dabei den ein
ziehenden Vegetationsgeist dar, welcher den Segen der Fruchtbarkeit
bringt und dafür Gaben heischt, die der Zeit entsprechend sind. Was in
Griechenland die lenzliche Schwalbenlieder oder herbstliche Krähenlieder
singenden Kinder als Substitute dieser Vegetationstiere*) erhielten, bekommt
hier die die Opferbrote (der Fastenzeit) tragende und singende Jugend.
In Schlesien werden auch die mit weißem Mehl bestäubten »Mehlweißchen«
(Honigkuchen in verschiedenster Form) an die Sommerkinder verschenkt
(Weinhold, W. B., 61), die ebensowenig wie die Brezel, Kringel oder
Beugel etwas mit dem Sonnensymbol zu tun haben. In Antwerpen warf
ein mittelalterlich gekleideter Ritter als sogenannter »Graf von Halbfasten«
auf seinem Durchzuge durch die Stadt, ein antizipierter Maigraf, den
Kindern Spekulatie (Honigkuchen der Nikolauszeit, speculator = episcopus
puerorum) zu; sein Bild als »Greef« oder Pfefferkuchenreiter wird auch als
Liebessymbol an Damen verschenkt. (Hochzeitsbuch, 225; Mogk, D. M., 139.)
Im Sommer- und Winterspiel der Pfälzer spielt die sogenannte
Nudel—Gret eine große Rolle, außerdem das Festgebäck der Fastenzeit,
die Brezel und der Frühlingsvogel, Pfannenküchel (Nudel), Fastnachts
grieben, Eierkuchen mit Speck, geräucherte Saubeine und Bratwürste.
(Hess. Bl. f. V. K., VI, 163, 166, 178 ff.)
Am Sommertag Lätare gibt es Sommer-Wecken als Spende der
Gemeinde in Hessen. (Hess. BI. f. V. K., VI, 155, 196.)
In England heißt der Mittfastensonntag auch Simnel- oder Simbler
Sunday, wegen des an diesem Tage üblichen S e m m elm e h I ge bä c k e s,
das durch sein feineres Mehl ein Festgebäck ist, namentlich beim nahen
Osterfeste. (Hazlitt, II, 549.) Im Oberelsaß (Dessenheim am Hart zum Bei
spiel) wird in manchem Dorfe der Umzug des »Hirtsgigers« (= G’heiz
gier**) s. oben S. 89) am Mittfastensonntag veranstaltet. Der »Straßburger

"‘) Ein solcher Vegetationsgeist ist auch die Katze, der Marder oder Dachs,
oder das Eichhörnchen, welche Tiere beim Sommertagszuge da und dort mitgetragen
werden, vielleicht auch als Substitute früherer Opfertiere dieser Kultzeit.
**) Hirsegier ?
94

Post« 1905 schreibt man: Mittags 12 Uhr ziehen zwei bis drei ärmere,
schulpflichtige Knaben von einem Haus zum anderen; Kopf und Rumpf sind
fein säuberlich in langes Roggenstroh eingebunden, nur die Arme und
Beine sind frei. So führen sie, einer wandelnden, in Stroh gebundenen
Flasche täuschend ähnlich, in jedem Hofe einen Tanz auf, der von fol
genden Versen mit eigentümlicher, murmelnder Melodie begleitet wird:
»Hirtsgiger, Semmelemacher,
Eier un Anke mien mer ha.
Wann r’is wann ke Eier ga,
Müaß dr Marder d’Hiahner frassa.
Hett esch Mittelfascht,
Si trata uff di Gass’;
Mer höra d’ Schlessel klinga,
Sie wann is ebis bringa;
Mer hörad Tera giira (knirren, knarren),
Sie wann is ebis stira (steuern);
Mer höra d’ Pfanna kracha,
Sie wann is ebis bacha.
Wia dr Winter esch so kalt,
Schtehn drei Rößle (Röslein ?) vorm griana Wald.
Gan is ani e Ei;
Odder dr Marder freßt ejch zwei.«
In Schwaben gibt es an diesem Rosensonntage auch sogenannte
Rosenzelten mit künstlichen Rosenblumen (Birlinger, W. B., 438), im
Allgäu Rosennudeln mitZiger, Rosenküchel, die wir oben schon
(S. 51) besprochen haben und die rosenförmig gestaltet sind.
An manchen Orten setzen sich einige Fastnachtsgebildbrote auch
hierbei, wenn auch seltener fort, so die Jungfernküchel (Elsaß), das heißt
Herzformen (E. W., l, 422); in Bayern und in Schwaben die Hasen
öhrl oder Eieröhrli mit Luggmilch (= lockere Sauermilch). (Schweiz).
(Schw. Id., I, 414.) In Oberbayern bewarf man sich gegenseitig, wie schon
erwähnt, mit sogenannten Schifferln (s. oben S. 58), ein vegetabilisches
Zaubermittel, symbolischer Körner- oder Brotguß, m:aty_oap.a, nuces proji
cere, nuces spargere.
Die Annäherung an die Osterzeit macht sich auch bemerkbar durch
die mit Eier- oder Safranzusatz*) auffallend gelber gefärbten Kuchenformen;
so gibt es im Allgäu Eierweggen, in Böhmen Eierkuchen, Eier
brote (Reinsberg—D., 88, 104; Scheible, VII, 226); über diese Eierbrote
haben wir unter den Ostergebäcken, S. 37, schon gesprochen.
In Erfurt gibt es sogenannte Windbeutel, die wir oben schon
besprochen haben und unten beim Passionssonntage besprechen werden.
17. März, St. Gertraud, Gertrudir in der vasten, geerdendag
te half maerte, Ende der Spinnzeit, Beginn der Garten— und Bienenarbeit.

*) Der Safran (crocus) hatte Beziehung zur Göttin Eos, die im Frühjahr ihren
Einzug feiert mit den Krokusblüten; solche Krokusblumen hielten die jüdischen
Zauberweiber in der Hand und safranfärbige Blumen streuten die Alten auf ihre
Gräber. (Blau 78, Juvenal Satyres, VII, 308.)
95

In Pommern sagt man: »Gertrud, geit Egg und Ploog rut«; die Pflugzeit
beginnt. Nach der Tiroler Volkssage (Bechstein, 32) richtete man an
diesem Tage für die umziehenden Spinnerinnen (Perchta) ein großes
Frühlingsessen (Milch, Butter, Eier, Speck, Kuhkäse und Weißbrot)
her; denn St. Gertraud zieht als Spinnerin mit dem Rockenholz durchs
Land, wie Perchta am Neujahrstage. Im Dortmundischen gibt es am
Mittwoch vor St. Gertraud die sogenannte Eierschüssel am sogenannten
Schüppenmarkt (Z. f. rh. u. westf. V. K. 1906, S. 50), ein durch Eigelb
(= Osterzeit) gefärbtes Gebäck in der Form einer großen Untertasse
oder eines Schüsseltellers mit einem etwas höher gebogenen Rande, in
welchem die Frühlingseier der Osterzeit beim Schüppenmarkt liegen wie
in einem Eiernapf, eine ganz lokale Bäckerlaune.
19. März, St. Josef, Patron der Ehe— und Zimmerleute. Dies
amoris, sogenannter Habtag: »Gertrud, Josef, brave Leut’, sie machen
uns die Bienen frei«; nach Mitte März fliegen auch in der Schweiz
(Zürich) die Bienen aus. (Schw. Id., IV, 909.) Am St. Josefs—Tage soll im
Buchholz bei Freiburg i. B. der faulste Bauer schon seinen Pflug im Felde
haben.
Bemerkenswert ist ein italienischer Volksbrauch. In Rom werden
sogenannte »Fritelli« in siedendem Fette gekocht und in wunderbarer
Menge verzehrt (als Sonnenwendgebäck*). In Neapel werden in dem Atrium
der Kirche von St. Lucia auf Tischen große runde Brote mit einer
Stola bedeckt feilgehalten als gute Heil— und Präservativmittel gegen
Allerlei. (Brandenburgia1907, 398.) In Prag halten die Honigküchler
an diesem Tage (vor der Frühlingssonnenwende) in Buden auf dem
Josefsplatz ihre Waren feil. (Scheible. VII, 226.)
Die in Oberbayern üblichen Josefi—Kränze sind nur Symbole
der Jungfräulichkeit, geflochtene Teigkränze, die aus anderen Festtagen
übernommen sind.
21. März, St. Benedikt, der Brotheilige; dessen Festtag ist eine
importierte Feier der Frühlingstag- und Nachtgleiche (der
Kalendermacher) oder der Frühlingssonnenwende. Austag (Schweiz), Aus
warts (Oberbayern); früher der kalendarische Wiederbeginn der Weidezeit
nach der Winterstallung. Im germanischen Norden feierte man in Upsala
zur Frühlingstag- und Nachtgleiche ein großes Opferfest für alle Land—
schaften Schwedens. Hunde, Pferde und Menschen wurden dabei geopfert.
(Montelius, 322.) Die in den Äquinoktialstürmen dahinfliegenden Wind
geister erhielten ihre Seelenfütterung (Märzenkalb, Märzenschaf, Märzenhase,
Gebildbrote etc). »Kinder und alte Leute, tut das Märzenkalbl abstechen«
(Oberbayern). ‘Auch die Römer opferten dem Boreas und den Boreasmoi
außer Pferden, Fohlen, Lämmer, Opferkuchen und menschliches Blut aus

*) Vergl. hierzu die von Steinmayer ahd. GI., IV, 200, angeführten: »Duas
sorbiciunculas zuvi frid l i n d endi pannokokilin«, welche in der Anm. 13 (I. c.):
»zu vritele aus fritilla patronymisch wie andere (fremde) Gebäcksnamen gebildet«
erklärt werden.
96

der Fingerbeere. (Welcker, Kleinere Schriften, III, 58.) Der reichlicheMit—


genuß an der Götterspeise sicherte vor allerlei Ungemach. — Im Kloster
Chiemsee wurden an diesem Tage die sogenannten Benediktus
Zeltel (kleine süße Brötchen in flacher Pastillenform) gereicht (Bavaria,
I, 367 ff), eine Art Opferkuchensubstitut, durch dessen Genuß man sich
Segen erhoffte.
Fünfter Sonntag in der Fasten, Judica (ante palmas) Domi—
nica passionis, wie der vierte Fastensonntag auch Totensonntag, schwarzer
Sonntag, auch Passionssonntag genannt; engl. Passion-Sunday, Carling—
oder Carlle-Sunday. In Yorkshire spenden die Bauern an diesem Carlings-,
Care-Sunday für ein durch das Glück der lieben, holden Seelengeister
günstiges Jahr die Lieblingsgrütze (carIing-groat) aus gekochten
Erbsen mit Birnen, »they are called carlings probably as we call the
presents at fairs fairinas« (Hazlitt, I, 91; ll, 410), eine Bewirtung der
Seelengeister, die wir auch am vierten Fastensonntag schon kennen ge
lernt haben. Auf Isle of Ely (England) hieß dieser fünfte Fastensonntag
1789 auch Whirlin-Sunday wegen der Whirlin—Cakes oder Wirbelkuchen
(Windbeutel?) (whir = fendre I’air en sifflant [Hazlitt, ll, 629), die in jedem
Hause gebacken wurden (für die Windgeister?) Die nahende Osterzeit
machte sich auch in den englischen Gebäcken bemerkbar durch die ei
gelbe Farbe der Opferkuchen, so zum Beispiel 1783 Safrankuchen
(Hazlitt, ll, 549: saffron cake) und ferner durch die bessere Mehlart,
welche zu den Simnels (= Semmel) aus feinstem Mehle gewählt wurde
an diesem Passionssonntag schon zur Zeit König Heinrichs III. (Hazlitt, ll,
549.) Vierzehn Tage vor Ostern, also an diesem Tage, war in Erfurt die
Spitalkirmse (= Spitalkirchweihe) mit dem festlichen Tagesgebäck der
sogenannten Windbeutel, die aber sichtlich ganz vom Ostergebäck
ferngehalten wurden, im Volksbrauche. Es sind sehr lockere, windige,
aufgeblähte Ringgebäcke der Fastenzeit oder auch lockere Lochnudeln
in Ringform; am Sonntag Lätare beschenkt man sich damit gegen
seitig (Z. f. D. M., ll, 103); in Eisenach ist es ein Festgebäck beim so
genannten Sommergewinn des Lätare-Sonntags. In Benz (Schweiz) heißt
dieser Tag die Knöpfli—Kilbi (Kirchweih)mit Knöpflein, Noc ken oder
Spätzlein aus Teig, die mit Fastenschnecken verzehrt werden (Schw
A. f. V. K., ll, 124), »Schneggenknöpfli«, die ohne weitere Bedeutung sind.
Im schwäbischen Lauingen gab es in der Fastenzeit den sogenannten
Schneckenball, wobei es als Ieckerstes Gericht »die Rotzer« = schleimiges
Spätzlgebäck) gab. (Bronner, 81.) Im tschechischen Teile von Schlesien
ist am Sonntag Judica das sogenannte Oster- oder Frühlingsfest ge—
bräuchlich. Ärmere Kinder haben Tannenbäumchen mit bunten Bändern
und bemalten ganzen Eierschalen behängt; sie gehen von Haus zu Haus
singen Frühlingslieder und empfangen (Oster-) Eier und Z u c k e r ge b ä c k.
(Globus 1900, 340.)
Die Andauer der Fastenzeit macht sich auch durch den Brezel
markt (Baden) und das Brezeltragen (wie am Sonntag Lätare) an
diesem Sonntag Judica bemerkbar. (Meyer, B. V. L., 117.)
97

22. März. An diesem »Veilchentage« wurde im alten Rom ein


privates oder familiäres Totenfest gefeiert. (Vergl. oben 21. Februar.)
24. März. Im 14. Jahrh. fasteten einige an dem »äbent unserre
vrowen also si emphangen wart« wie an einem Neujahrsvorabend. (J. Pfeiffer,
Deutsche Mystiker, l, 19, 20.)
25. März, Maria Verkündigung, »Frauentag der Kleiben«,
der Cliben- oder Kliebeltag, Gleibeltag t: Leibgewinnung), Clibermesse,
Mariae conceptio. Maria Verkündigung war ursprünglich eine Vorfeier
vor Christi Geburtstag, welches weihnächtliche Vorfest im Kalender
bis zum 6. Jahrh. beibehalten wurde. Im Laufe des 6. bis 7. Jahrh.
wurde dann die Maria Verkündigung aus dem Zyklus des Weihnachts
festes herausgenommen und, entsprechend dem neunten Schwanger—
schaftsmonat, der Konzeptionstag derselben auf den 25. März verlegt
(mit Ausnahme von Spanien, wo es beim 18. Dezember verblieben war);
ohne alle Beziehung zum natürlichen Frühlingsfeste wurde es ein eigent
liches, spezielles Marienfest. (Luzius, 479.) In Ostpreußen heißt dieser Tag
PIoog-Marien—Dach, weil an ihm die erste Ackerfurche gezogen wurde.
(Wuttke, ä 99, S. 651.) Außer den Namen »unser Frawen clibeltag« oder
»unser Frawentag cliben« heißt dieser Marientag: »Frauentag ze mitter
fasten als sie Mutter Gottes worden«, »Frauentag in den Ostern, zer
pelzmesse, ze pflanze, der stillem, (1365) der verholnen; im Merz, Merz
messe, Mariae Gröning (Mecklenburg) (Grotefend); in der französischen
Schweiz: Jour de la Dame; _von Fischart wurde der ganze Monat März
»Klibelmonat« benannt. (Weinhold, M. N. 47.) Im germanischen Norden
begannen mit diesem Marientage die Ausfahrtstage*) (fardagr), an denen
das Gesinde wechselte und der landwirtschaftliche Pacht erneuert wurde;
im Elsaß waren dies die sogenannten »Ziehtage« für das Gesinde. Mit
diesem Tage, dem ersten Schwangerschaftstage Mariens, begann nach
dem sogenannten lnkarnations-, beziehungsweise Annunziations-Stil der
Kalendermacher, der sich im 11. und 12. Jahrh. ausbreitete und in
der Trierer Diözese sogar bis 1648 andauerte, ein kirchliches Neu—
jahr (das sind neun Monate vor Christi Geburt), das aber nur in Ge
lehrten- und Kanzleikreisen Geltung erlangte, weshalb es auch so viele
Beinamen erhielt, wenn sich auch da und dort im Volke Saat- und Pflug—
gebräuche an diesen Tag knüpften; in Thüringen sogar das Franken
häuser Bornfest (Salzbrunnenfeier) mit Geschenkspenden aus dem Born
beutel an Arme. (Witzschel, II, 309.) Ein an diesem Tage übliches Gebild—
brot ist das sogenannte »Brunnenflützel«, ein rautenförmiges
(s. Fig. 24), flaches, braunes, ordinäres Brötchen. Der Name Flietzel dürfte
aus Fützel (Focheze) entstellt sein. In Lausanne aß man an dem »Jour
de la Dame« besonders kleine Kuchen. (Prof. Hoffmann—Krayer.)
Auch in der griechisch-katholischen Bevölkerung Rußlands ist dieser
Tag ein hochheiliger Tag und (als Neujahrstag) für die landwirtschaftliche
*) Auf dem noch nördlicher gelegenen Island ist erst der Mai der fardaga
mänudhr = mensis migrationum Iegalis. (Weinhold, M. N. 37.)
Zeitschrift für österr. Volkskunde. XIV. Suppl.-H. V. 7
98

Bevölkerung sehr wichtig. Das an diesem Tage in der Kirche gesegnete


Brot bindet man während der Saat an das Gefäß, aus dem man sät,
um das Getreide vor jedem Feldgewürm zu sichern (s. oben St. Pauls
Brötchen, S. 14); als ein vorbeugendes Saatopfer legt man es in den
Kornkasten, damit es mehr Körnerfrucht gibt. (Yermoloff, 147.) Auch in
Schweden sparte man das hochheilige Neujahrs- (JuI-) Brot bis zu Unserer
Frauen-Tag auf, während der brot- und futterärmeren Monate, um in der
Saatzeit das Brotopfer den die Saat beeinflussenden Vegetationsgeistern
stets mitteilen zu können (Hammarstedt, 251); wäre das Julbrot ausge
gangen, so hätte dieser Vorrat immer als Ersatz genommen werden
können.
»Maria Verkündigung, kommen die Schwalben wiederum,« sagt das
Volk in Bayern. Die Zugvögel vor dem lenzlichen Neujahre wurden zum
Marienvogel. Wer zur Zeit von Goethes Kindheit die Ankunft der Schwalben
zuerst in Frankfurt verkündete, erhielt gemalte (Oster—) Eier mit Pfennigen
und Buttersemmeln geschenkt (Rochholz, Illustr. Ztg., 18. April 1868,
Nr. 1294); was die Kinder erhielten, war eigentlich ein Opfer an die
Seelengeister in Gestalt von Schwalben; eine Volkssitte, welche schon
die alten Griechen auf Rhodos hatten; dort erhielten die Schwalbensinger
(y_e).töovmai), welche bestimmte Schwalbenlieder sangen, für die Schwalben
bestimmte Opfergaben. (Keller, 309.) »Wenn die Zugvögel kommen und
gehen in den Frühlings- oder Herbstzeiten, dann stellen die wilden Jäger
ihre Jagden in den Laubwäldern ein« (Ostpreußen) (Knoop, 59), eine Er
innerung an den wilden Jäger des Neujahrs.
Die Zeit von Judica bis Palmarum war »Maria Ohnmachts
Feier« (Weinhold, M. N.‚ 50, Grotefend) = Beginn der Schwangerschaft
Mariens.
Über die Gebäcke des Palmsonntags muß später eigens be
richtet werden, ebenso über die in die Fastenzeit fallenden Saatkuchen
etc, das heißt Gebäcke der Saatzeit, die wir hier nur streifen konnten.
Die Gebäcke der Fastenzeit III unterscheiden sich also:
1. Durch das Vorwiegen der Milch— und Käsespeisen.
2. Durch das sehr viel stärkere Einsetzen der Brezel
(Kringel-, Beugel-) Gebäcke, namentlich der Salzbrezeln.
3. Durch das Auftreten von Vogelgebäcken, namentlich in der
Nachbarschaft von slawischen (beziehungsweise griechisch-katholischen)
Stämmen. Der Haushahn ist dabei nicht vertreten, sondern es sind mehr
die Frühlingszugvögel, die dabei symbolisiert werden.
4. Wie die Fastengebäcke (III) anfangs die Faschingszeit (il) noch
etwas fortsetzen, so greifen sie später im weiteren Verlaufe der Fasten—
zeit auf die Osterzeit über, die Ostergebäcke (feineres Mehl, gelbe Farbe,
Eier, Safran, Kreuzbrote) antizipierend.
5. Die Opfer an die Windgeister (Körner, Mehl, Erbsen etc.) treten
in der fastenzeitlichen Saatperiode ebenfalls hervor.
99

6. Spezifisch christliche Gebildbrote, wie sie der Osterzeit eignen,


fehlen ganz.
Der alte Wintergott verschwindet mit dem Weichen der winter
lichen Froststarre; das Sonnenlicht siegt über den gefürchteten Kälte—
drachen mit seinen Qualen, den Fieberdämonen und elbischen Dunst
träumen; er hielt die unter der Erde noch weilende jungfräuliche Wachs
tumskraft gefangen. Fruchtbarkeitssymbole und Funkenfeuer sollen die
Erdwärme und Befruchtung beschleunigen. Mit lautem Juhschrei begrüßten
der mit Sorge den Wintervorrat messende Ackerbauer, Hirte und Vieh
züchter das Erscheinen der zur Gottheit verkörperten Frühlings— und
Saatzeit, die neues Licht, neue Lebenskraft auch in die Siechenstube
fallen läßt, eine Vergöttlichung der Himmelsmächte, deren Verehrung die
Germanen schon aus ihrer indogermanischen Heimat mitgebracht hatten,
und deren Geschenke, vor allem die Gesundheit und Fruchtbarkeit, sie
als höchstes Menschenglück schätzten.
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