Sie sind auf Seite 1von 3

Konstruktionsprojekt

Konstruktion 1
WS 22/23

Start eines Satelliten durch eine Zentrifuge


Prof. Dr.-Ing. H. Schreiber

Start eines Satelliten durch eine Zentrifuge

Wird ein Gegenstand nach oben geworfen, steigt er auf und fällt wieder zurück: größere Startgeschwindigkeit
 größere Steighöhe. Es ist denkbar, dass bei einer ausreichend
großen Startgeschwindigkeit der Körper so hoch steigt, dass er das
Schwerefeld der Erde verlässt und in den Weltraum driftet. Die zum Mond
hierzu erforderliche Startgeschwindigkeit ist die Flucht-
zurück zur
geschwindigkeit, auf der Erde ca. 11,4 km/s (Luftreibung, Erde
atmosphärische Strömungen etc. nicht berücksichtigt). Bspw.
müssen Mondraketen auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen,
danach können die Triebwerke abschalten, die Rakete fliegt als
„Segelflieger“ zum Mond.
Die Beschleunigung auf Fluchtgeschwindigkeit benötigt enorme
Mengen Treibstoff, bspw. war die Saturn-V-Mondrakete i.W. ein
fliegender Tank (3000 t Gesamtmasse, davon 2550 t Treibstoff –
bei einem Verbrauch von anfangs 13 t pro Sekunde!). Der danach
verbleibende Treibstoff diente nur noch zu Kurskorrekturen, bspw.
zum Einschwenken in / Verlassen der Mondumlaufbahn. Größere
Kursänderungen, z.B. eine Wende und erneutes Anfliegen des
Mondes, wären nicht mehr möglich gewesen.
Nach der Explosion einer Atombombe erzeugte der Start einer
Saturn V das lauteste je menschengemachte Geräusch. Noch in einer Bild 1: Start einer Saturn V
Entfernung von 20 km zerbarsten Fensterscheiben.
Nach Erreichen der Fluchtgeschwindigkeit (12 min nach dem Start) flog lediglich der in Bild 1 markierte Teil
weiter zum Mond – alles andere wurde in mehreren Stufen über dem Atlantik abgeworfen, sobald es
ausgebrannt war (und kürzlich durch Jeff Bezos wieder geborgen …).
Eine solche Startgeschwindigkeit erscheint zunächst enorm groß,
wird aber in technischen Systemen, z.B. in schnelllaufenden
Gasturbinen, durchaus erreicht. Gelingt es, eine Raumkapsel in
einer Art Zentrifuge durch immer schnellere Rotation auf
Fluchtgeschwindigkeit zu beschleunigen, dann auszukuppeln und
so in den Weltraum zu katapultieren, könnte vollständig auf
Treibstoff und Antrieb gelenkige Verbindung von
verzichtet werden, es Antriebswelle und Arm
müsste nur das mit
„zum Mond“ (Bild 1)
bezeichnete System
e-Motor Antriebswelle
katapultiert werden.
Nicht zuletzt wäre ein solches System mit Lagerung
wiederholt nutzbar, also bei weitem effizienter
als die Beschleunigung der Saturn V.
Arm, l = 50 m
Selbst wenn die Fluchtgeschwindigkeit nicht erreicht werden
sollte, könnte ein entsprechend kleineres System den
Raketenstart zumindest unterstützen. Arretiermechanismus, kuppelt bei
In der vorliegenden Konstruktionsaufgabe soll ein kleiner Erreichen der Fluchtgeschwindigkeit
automatisch aus
10-kg-Satellit mittels einer Zentrifuge auf Fluchtgeschwindigkeit
beschleunigt und dann ausgekuppelt werden. Satellit, 10 kg
Bild 2: Schema der Satelliten-Zentrifuge
Prof. Dr.-Ing. H. Schreiber Konstruktion I, Konstruktionsprojekt, WS 22/23

Vordimensionierung:
Die wesentlichen formelmäßigen Zusammenhänge für die Wahl der Wälzlager sind:
Drehzahl n (i.d.R. in Umdrehungen pro Minute)
Winkelgeschwindigkeit  = 2  n
Bahngeschwindigkeit v = r 
Zentrifugalkraft FZent = mr 2
Berechnen Sie zunächst, welche Drehzahl die Zentrifuge erreichen muss, um den Satelliten auf die
Bahngeschwindigkeit = Fluchtgeschwindigkeit zu beschleunigen.
Berechnen Sie die bei dieser Drehzahl auftretende Zentrifugalkraft. Berücksichtigen Sie hierbei nur die Masse
des Satelliten (10 kg), nicht die Masse des Arms.
Schätzen Sie in einer Vordimensionierung die Position der Lager der Antriebswelle ab und berechnen Sie auf
Basis dieser Schätzung die auftretenden Lagerkräfte. Der Elektromotor selbst nimmt keine Kräfte auf.
Die Wälzlager müssen diesen berechneten Lagerkräften standhalten. Maßgeblich hierfür ist die „statische
Tragzahl C0“ in kN. Sie entspricht der maximal zulässigen Belastung des Wälzlagers, muss also größer als die
berechnete Lagerkraft sein. Wählen Sie entsprechend tragfähige Wälzlager. Falls die auftretenden Kräfte zu
groß sind bzw. keine geeigneten Lager ermittelt werden können, skalieren Sie die vorliegende Aufgabe
herunter, d.h. wählen Sie ein ähnliches System mit geringerer Drehzahl und Masse, das die
Fluchtgeschwindigkeit zwar nicht erreicht, aber zumindest den Startvorgang unterstützt.
Hinweis: Wälzlager werden auch durch die „dynamische Tragzahl C“ charakterisiert. Aufgrund der äußerst
selten und nur kurzzeitig auftretenden Belastung ist im vorliegenden System jedoch die statische Tragzahl C0
anzuwenden.
Konstruieren Sie auf der Basis dieser Vordimensionierung:
• die Antriebswelle mit einer geeigneten Lagerung
• das Gelenk zwischen Antriebswelle und Arm
• den Arm mit einer Halterung für den Satelliten, die beim Erreichen der Fluchtgeschwindigkeit (bzw.
der von Ihnen gewählten geringeren Geschwindigkeit) selbständig mechanisch auslöst. Dieses ist der
anspruchsvollste Teil der vorliegenden Konstruktionsaufgabe.
Anmerkung: Reale Zentrifugen arbeiten mit Gegengewichten, die die Fliehkraft weitestgehend ausgleichen und
damit die Lagerbelastungen minimieren. Dagegen würde beim Satellitenstart im Moment des Auskuppelns die
berechnete Fliehkraft durchaus wirken, daher soll mit der statischen Tragzahl C0 ohne Gegengewicht gerechnet
werden.

Randbedingungen der Konstruktion:


a) Antrieb
• Antriebswelle und Arm sind gelenkig verbunden  der Arm kann sich durch die Zentrifugalkraft selbst
ausrichten. Natürlich muss das Antriebsmoment übertragen werden können, diesen DoF darf das
Gelenk nicht freigeben.
• Der Elektromotor selbst versetzt die Antriebswelle in Drehung, kann sie aber nicht lagern. Die durch
die Zentrifugalkraft erzeugten Querkräfte sind durch eine geeignete Wälzlagerung (keine Gleitlagerung)
aufzunehmen.
• Die Tragfähigkeit der Wälzlager ist anhand der o.g. Formeln nachzuweisen. Können für die
auftretenden enormen Belastungen keine geeigneten Wälzlager gefunden werden, kann das System
herunterskaliert werden. Die grundsätzliche Funktionsweise muss jedoch erhalten bleiben.
• Für eine geeignete Schmierung der Wälzlager ist zu sorgen.
• An der Antriebswelle ist ein geeigneter Anschluss für einen Elektromotor vorzusehen, der Motor selbst
und ein evtl. notwendiges Getriebe sind nicht Teil der Konstruktionsaufgabe, müssen z.B. nicht aus
Herstellerkatalogen herausgesucht werden.
Prof. Dr.-Ing. H. Schreiber Konstruktion I, Konstruktionsprojekt, WS 22/23

b) Auslösevorrichtung des Satelliten


• Die Auslösevorrichtung für den Satelliten muss rein mechanisch erfolgen, bspw. ist ein
elektromagnetisch betätigter Arretierhebel nicht zulässig. Denkbar ist z.B. ein fliehkraftbetätigter
Bolzen bzw. Greifer.
• Die Auslösung muss schlagartig erfolgen, bspw. ist eine sich durch die Fliehkraft kontinuierlich
spannende Feder alleine nicht geeignet.
• Satellitenseitig ist die Arretierung beliebig anpassbar. Nur die Auslösevorrichtung am Arm ist zu
konstruieren, der Satellit ist nicht Teil der Konstruktionsaufgabe.
c) gesamtes System:
• Kaufteile können verwendet werden (z.B. für Lagerungen), es ist jedoch eine vollständig eigene
Konstruktion anzufertigen. Die Verwendung eines evtl. bereits existierenden Systems (z.B. einer
Zentrifuge) ist nicht zulässig  Absprache mit dem Betreuer erforderlich!

Konstruieren Sie auf dieser Basis ein System, das in der Lage ist, einen Satelliten in große Höhen zu
katapultieren.
Gehen Sie hierbei gemäß der VDI 2221 vor. Klären Sie zunächst die Aufgabenstellung, formulieren Sie die
Gesamtfunktion des Systems, erstellen Sie anschließend eine Teilfunktionsstruktur, z.B. mit Hilfe eines
MindMaps. Teilfunktionen können sein:
• Auslösedrehzahl erkennen
• Drehzahl in Kraft/Bewegung/… wandeln
• Arretierung lösen
• …
Erstellen Sie auf dieser Basis den morphologischen Kasten. In der Regel existieren mehrere geeignete Pfade
durch den morphologischen Kasten, jeder führt zu einem Konzept. Ihre Entscheidung für das zielführendste
Konzept ist zu begründen, bspw. durch eine Argumentenbilanz oder eine Punktebewertung.
Vorgehen:
In den Richtlinien für die vorliegende Konstruktionsübung ist detailliert beschrieben, wie diese Aufgabe zu
bearbeiten und was zu den Vorlageterminen zu präsentieren ist. Die Richtlinien sind aus OLAT
herunterzuladen.
Im OLAT steht eine Mustermappe zur Verfügung, aus der die nacheinander zu erfüllenden Arbeitsschritte
hervorgehen. Die abschließend abzugebende Mappe hat sich inhaltlich an der Mustermappe zu orientieren, das
Layout ist frei gestaltbar.
Zusammengefasst sind gemäß VDI 2221 die folgenden Schritte abzuleisten:
• Planen/Aufgabe klären: Erstellen einer Anforderungsliste mit Hilfe der Hauptmerkmalliste nach
Pahl/Beitz und der Szenariotechnik.
• Konzipieren: Erstellen einer Funktionsliste/-gliederung/-struktur, z.B. als MindMap. Erstellen eines
morphologischen Kastens für alle Teilfunktionen. Markieren der geeigneten Wege durch den
morphologischen Kasten, Begründung der Entscheidung für den letztlich gewählten Weg. Erstellen
mindestens einer Prinziplösung: dreidimensionale Handskizze Ihrer geplanten Konstruktion.
• Entwerfen: Überschlägiges Dimensionieren der wesentlichen Bauelemente, Erstellen einer
maßstabsgerechten Zusammenbauzeichnung, Festlegen der Werkstoffe und Fertigungsverfahren. Die
Zeichnung muss alle notwendigen Ansichten, Schnitte, Vergrößerungen, Details, … enthalten, um jedes
einzelne Bauteil und die Funktion eindeutig und zweifelsfrei darzustellen (nicht zwingend
Vorderansicht, Seitenansicht, Draufsicht).
• Ausarbeiten: Vervollständigen der Zusammenbauzeichnung, Erstellen von min. 2
Einzelteilzeichnungen. Erstellen einer Montageanleitung und der Stückliste nach DIN 6771.
Dokumentation aller notwendigen Berechnungen.
Abgabe in einer Mappe, DIN-gefaltet, ohne Klarsichthüllen.
Die Vorlagetermine werden gesondert bekanntgegeben.
Spätester Abgabetermin: 31. Mai 2023

Das könnte Ihnen auch gefallen