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de-Skript 652 - Allgemeine Muskellehre

Allgemeine Muskellehre

Unser Körper besitzt circa 400 Einzelmuskeln aus quergestreifter Muskulatur!

Aufgaben der Muskulatur (5):


1. Bewegung von Skelettelementen
2. Wärmebildung zur Erhaltung der Körperkerntemperatur
3. Pumpfunktion: Muskelkontraktionen fördern den venösen Blutrückfluss
4. Statische Funktion: Biegungsbelastung des Knochens wird herabgesetzt, Knochenmasse
eingespart.
5. Sinnesfunktion: Nervenenden melden Lage der Gelenke und Spannungszustand der
Muskulatur

Aufbau eines Einzelmuskels:


Die beiden Befestigungsstellen des Muskels am Skelett heißen Ursprung und Ansatz. Das geformte
Muskelgewebe heißt Muskelbauch. Die Hülle aus straffem Bindegewebe um einzelne Muskeln oder
Muskelgruppen heißt Muskelbinde oder Faszie. Ein Verbindungsstück aus straffem Bindegewebe
befestigt den Muskelbauch am Skelett, die Sehne. Breite, flächige Sehnen heißen Aponeurosen.

Muskelformen:
einköpfig (M. fusiformis) zweiköpfig zweibäuchig (M.
biventer)
(M. brachialis) (M. biceps brachii / femoris) (M. digastricus,
Mandibula↓)

mit Zwischensehnen mit Einzelsehnen Sägemuskel


(M. rectus abdominis) (M. extensor digitorum) (M. serratus anterior)

einfach gefiedert (M. unipennatus) doppelt gefiedert (M. bipennatus)


(M. semimembranosus) (M. tibialis anterior)

Muskelgruppen:
Muskeln überspringen mindestens ein Gelenk und setzen so am Skelett an, dass eine Gruppe die
Bewegung erzielt (Agonist, Synergisten), eine andere Gruppe die Bewegung wieder aufhebt
(Antagonist). Die Muskelgruppe, die dabei mit der Schwerkraft arbeitet, ist weniger stark ausgebildet,
während die stärkeren Antagonisten bei Lähmungen oder Bettlägerigkeit zu Verkürzungen
(Kontrakturen) neigen.

Muskeltraining:
1. Ein Muskelbauch entwickelt nur dann seine größtmögliche / maximale Kraft, wenn er sich nur
wenig oder gar nicht verkürzt. Dies ist bei der isometrischen oder statischen Kontraktion der
Fall (Haltearbeit). Hier greifen alle Myosinköpfchen.
2. Bei der isotonischen oder dynamischen Kontraktion verkürzt sich der Muskel ohne seine
Spannung zu verändern. Hier greift nur ein Teil der Myosinköpfchen.

MERKE:
Isometrisches Krafttraining gegen Widerstand kann auch von immobilisierten Patienten durchgeführt
werden und führt zu einem schnelleren Muskelaufbau.
Muskelkontraktion:
Voraussetzung für eine Verkürzung einer Muskelfaser ist der Impuls (Aktionspotential) durch die
zuständige Nervenfaser. An den Synapsen wird der Neurotransmitter Acetylcholin freigesetzt. Die
führt zu einer Erregung der Muskelzelle und zu einer Freisetzung von Ca2++ - Ionen. Dadurch gleiten
die Aktin- und Myosinfäden ineinander und führen zu einer Muskelverkürzung von maximal 50%. Die
Energie für diese Kontraktion liefert das Adenosintriphosphat (ATP). Der Energieausgleich und das
Zurückpumpen der Ca-Ionen führt auch zur Erschlaffung des Muskels. Das Acetylcholin wird durch
das Enzym Cholinesterase in Cholin und Essigsäure aufgespaltet und in den synaptischen Bläschen

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wieder neu synthetisiert. Dieser Mechanismus beendigt auch die Muskelerregung. Die Aktin- und
Myosinfilamente werden durch das Muskelprotein Titin wieder in ihre Ausgangposition
zurückgezogen.
Wird der Muskel kürzer und erzielt einen Weg, ist die Kontraktion isoton oder dynamisch. Steigt nur
die Spannung des Muskels ohne eine Verkürzung ist die Kontraktion isometrisch oder statisch.

Aufbau und Funktion von Muskelzelle und Muskelbauch:


Eine quergestreifte Muskelzelle ist bis zu 1/10 mm dick und bis zu 10cm lang. Sie heißt auch
Muskelfaser und besitzt randständige Kerne, und zwar 100 pro mm, also bis zu 10000 pro Faser. In
der Nähe der Kerne befinden sich zahlreiche Mitochondrien zur Energiegewinnung und ATP-
Bereitstellung.
Die verkürzbaren Einheiten innerhalb der Faser heißen Myofibrillen: Sie bestehen aus zwei
kontraktilen (verkürzbaren) Eiweißkämmen, dem Aktin und Myosin. Damit bei einem Aktionspotential
aus der versorgenden Nervenzelle die Erregungsübertragung möglichst schnell in das Innere der
Faser gelangt, gibt es eingestülpte Schläuche des endoplasmatischen (glatten) Retikulums mit
großen Ca++ - Speichern. Werden diese ins Zellinnere entleert, haften die Myosinköpfchen an den
Aktinkomplexen und bewegen sie auf sich zu, so dass eine messbare Faserverkürzung erfolgt. Die
maximale Verkürzung beträgt 50%. Die ATP-Zufuhr löst den Aktin- Myosinkomplex und ermöglicht so
wieder die Erschlaffung der Faser.
Die Zeit, in der die Muskelfaser nicht durch ein weiteres Aktionspotential zur Kontraktion gebracht
werden kann, heißt Refraktärzeit.
Mehrere hundert Muskelfasern sind in einem Primärbündel zusammengefasst, das bereits eine feine
bindegewebige Hülle besitzt. Gruppen solcher Bündel heißen Sekundärbündel oder Fleischfaser.
Diese bilden den Muskelbauch, der von einer festeren Hülle auch kollagenen, scherengitterartig
verwobenen Bindegewebsfasern umgeben ist, die Einzelfaszie. Diese ermöglicht das Gleiten bei
Kontakt mit Nachbarmuskeln.
Wenn benachbarte Gruppenfaszien in der Tiefe in einen Knochen einstrahlen, entstehen zwischen
ihnen Spalten (Septen), die der Körper für Leitungsbahnen (Arterien, Venen, Nerven) verwendet.

Am Oberarmknochen (Humerus) liegen der M. brachialis und der M. biceps brachii in der
Gruppenfaszie der Armbeuger, auf der Dorsalseite des Humerus alle drei Köpfe des M. triceps brachii
in der Gruppenfaszie der Strecker. Letztendlich werden alle Oberarmmuskeln von einer gemeinsamen
Oberarmfaszie eingehüllt, die in das Bindegewebe der Unterhaut (Subcutis) einstrahlt.

Die motorische Einheit:


Es ist die Gesamtheit aller von einer verzweigten motorischen Nervenfaser innervierten Muskelfasern.
Bei Muskeln mit fein abgestuften Bewegungsmöglichkeiten wie Finger- und Augenmuskeln versorgt
eine Nervenzelle etwa 10-20 Muskelfasern. Bei Muskeln für grobe Bewegungen wie dem M. gluteus
maximus versorgt sie mehrere 100 Muskelfasern.

Muskelsehnen (Tendines):
Die Sehnen, mit denen die Muskeln am Knochen befestigt sind, bestehen aus zugfesten, kollagenen
Faserbündeln und übertragen die Kraft der Muskelkontraktion auf das Skelett. Sind die Sehnen kurz
und mit dem bloßen Auge nicht sichtbar, nennt man den Muskelursprung fleischig (z.B. Ursprung des
M. pectoralis maior von Schlüsselbein und Brustbein). Dagegen sind Finger- und Fußmuskelsehnen
wie Kabel dünn und lang. Sehnenplatten wie an den Bauchmuskeln heißen Aponeurosen.
Die Kollagenfasern der Sehnen sind leicht gewellt und parellelfaserig angeordnet. Eine elastische
Verkürzung um etwa 5% führt zu einer weichen Kraftübertragung zwischen Sehne und Muskeln bzw.
Knochen.
Verlaufen Sehnen in Hauptrichtung des Muskels und werden hauptsächlich auf Zug beansprucht,
heißen sie Zugsehnen. Ändern sie ihre Verlaufsrichtung um einen Knochen herum und werden auf
der dem Knochen zugewandten Seite auf Druck beansprucht, heißen Druck- oder Gleitsehnen. Der
Knochen dient in diesem Fall als Drehpunkt eines Hebels (Hypomochlion).

Muskel-Sehnen-Übergang:
Die Verbindungstelle zwischen Sehnenfasern und der quergestreiften Muskulatur wird durch
fingerförmige Membraneinstülpungen etwa um den Faktor 10 vergrößert. Zusätzliche Mikrofibrillen
durchflechten Sehnenfasern und Muskelzellmembran.

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Sehnen-Knochen-Übergang:
Hier müssen die Sehneneigenschaften den Knocheneigenschaften angepasst werden. Die
Sehnenfasern, die bis in den Knochen einstrahlen sind entweder durch Faserknorpel oder durch
elastische Fasern an der Übergangszone abgepuffert.

Hilfseinrichtungen von Muskeln und Sehnen:


1. Faszien
Die kollagenfaserigen Faszien sichern Form und Lage des Muskelbauches und verbessern die
Gleitfähigkeit bei Kontakt mit Nachbarmuskeln.
2. Retinakula
Diese breiten Verstärkungsbänder fixieren Sehnen und Sehnenscheiden.
3. Sehnenscheiden (Vagina tendinis / synovialis)
Verlaufen Sehnen unmittelbar auf Knochen oder um einen Knochenvorsprung, werden sie von einem
Führungskanal vollständig umhüllt. Diese Sehnenscheide entspricht in ihrem Aufbau der Gelenkkapsel
mit Außenhaut, Innenhaut, und Synovia. Sie verhindert Reibungsverluste und besitzt
Ernährungsfunktion.
4. Schleimbeutel (Bursa synovialis)
Es sind abgeplattete Hohlkissen, die ebenfalls Aufbau einer Gelenkkapsel zeigen und mit Synovia
gefüllt sind. In Gelenknähe können sie mit Gelenkhöhle kommunizieren. Sie schützen Muskeln,
Sehnen, Faszien und Hautregionen gegen zu hohen Druck benachbarter Knochen.
5. Sesambeine (Ossa sesamoidea)
Dies sind verknöcherte Sehnenabschnitte mit zwei Funktionen. Sie schützen Sehnen vor zu großer
Reibung bei Knochenkontakt und verlängern den Hebelarm eines Muskels (Kraftersparnis).

Aktive Muskelinsuffizienz:
Überspringen Muskeln mit ihren Sehnen mehrere Gelenke, reicht ihre Verkürzung oft nicht aus, um
alle Gelenke gleichzeitig in maximale Endstellung zu bringen.
z.B. bei Palmarflexion der Hand ist kein vollständiger, kräftiger Faustschluss möglich

Passive Muskelinsuffizienz:
Bei gestrecktem Kniegelenk sind die Mm. ischiocrurales zu kurz um eine maximale Beugung um
Hüftgelenk zuzulassen.

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