Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Komplexe Reh
Komplexe Reh
Manuelle Therapie
und komplexe
Rehabilitation
2. Auflage
Manuelle Therapie und komplexe Rehabilitation
Uwe Streeck
Jürgen Focke
Claus Melzer
Jesko Streeck
Manuelle Therapie
und komplexe
Rehabilitation
2., überarbeitete Auflage
123
Uwe Streeck
Bobenheim-Roxheim, Deutschland
Jürgen Focke
Nordhorn, Deutschland
Claus Melzer
Hamburg, Deutschland
Jesko Streeck
Ludwigshafen, Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte biblio-
grafische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Springer
© Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2006, 2017
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom
Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Verviel-
fältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro-
nischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch
ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken-
schutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk
zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Heraus-
geber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Vorwort
Das Praxishandbuch beinhaltet sowohl klassische So ergibt sich für jeden beschriebenen Körper-
als auch neue manualtherapeutische Techniken. abschnitt ein umfassender, übersichtlicher und
Darüber hinaus kann es Ihnen neue Sichtweisen leicht zugänglicher Therapieleitfaden.
der arthrokinematischen/osteokinematischen
Diagnostik und Behandlung, der Möglichkeiten Die Richtigkeit der hier gezeigten neuen manual-
der neurogenen Mobilisation und der komplexen therapeutischen Verfahren hat sich durch jahrelan-
Rehabilitation vermitteln. Die Behandlungssche- ges Arbeiten mit der lebenden Anatomie, Physio-
men begleiten Sie in Ihrer therapeutischen Arbeit logie und Biomechanik, im Erfahrungsaustausch
vom ersten Tag des Auftretens der Beschwerden mit Kollegen und durch wissenschaftliche For-
bzw. der Läsion des Patienten bis zum Abschluss schungsergebnisse über die Kollagensynthese
der Rehabilitation. Die Behandlungsvorschläge (Proliferation und Remodulierung) bestätigt. Das
werden Ihnen anhand vieler Therapiebeispiele Hauptziel der Behandlungsmaßnahmen besteht
verdeutlicht und durch jeweils geeignete Hausauf- darin, die Regenerationszeitabschnitte medika-
gabenübungen für den Patienten ergänzt. mentös und physiotherapeutisch zu begleiten und
den Patienten dreidimensional alltagsstabil zu trai-
Im einleitenden Kapitel 1 informiert Sie der Ab- nieren. Erst wenn der Patient in seinem pathologi-
schnitt »Praktische Schmerztherapie und Physio- schen Muster bzw. in den physiologischen Bewe-
therapie« über alle wesentlichen Aspekte der gungsabläufen belasten kann, ist die Rehabilitation
pharmakologischen Schmerztherapie im Zusam- abgeschlossen.
menspiel mit physio- bzw. manualtherapeu-
tischer Behandlungen. Hier werden u. a. die Die Manualtherapeuten Uwe Streeck und Jürgen
Wirkungsweisen von Medikamenten auf Ver- Focke sowie Jesko Streeck und Claus Melzer haben
letzungsmuster beschrieben und damit wichtige es sich zur Aufgabe gemacht, dieses komplexe
Orientierungshilfen angeboten, wenn es zu ver- Behandlungskonzept zu erarbeiten. In diesem
meiden gilt, dass bestimmte Arzneien kontrapro- Buch werden die spezifischen Möglichkeiten der
duktiv auf ein Regenerationsstadium einwirken. Manuellen Therapie in Diagnose und Befundung
mit Rehabilitationsmaßnahmen und ärztlichen
Ein weiterer Abschnitt im Kapitel 1 stellt Ihnen mit Behandlungsverfahren verknüpft und dem Leser
einer Einführung in die Medizinische Trainings- so praxisnah wie möglich vermittelt, mit dem Ziel,
lehre (Physical Rehabilitation Training, PRT) ein Überholtes durch neue Behandlungsgesichts-
Zeit- und Belastungsschema vor, das veranschau- punkte zu ersetzen. Dabei sind die Autoren für
licht, ab wann, mit welchen Parametern und mit konstruktive weiterführende Kritik stets offen.
welchen Mitteln Sie als Therapeut ein Training
durchführen können. Das Buch soll Ihnen als Therapeuten darüber hin-
aus einen übergreifenden Gesamtüberblick vermit-
Alle Kapitel sind nach einem identischen Schema teln: Der jedem Kapitel vorausgehende ausführli-
gegliedert: che Theorieteil mit Anatomie/Physiologie und
5 Anatomische Gesetzmäßigkeiten Pathophysiologie wird jeweils mit einem ausführli-
5 Biomechanik chen Praxisteil mit Befunderhebung und -interpre-
5 Weichteilstrukturen tation und der daraus folgenden praktischen Pla-
5 Pathologie nung und Durchführung von Behandlungsmaß-
5 Oberflächenanatomie nahmen verbunden.
5 Befunderhebung
5 Behandlung
5 Rehabilitation
VI Vorwort
Die Autoren
Nordhorn/Bobenheim-Roxheim
Mai 2016
VII
Uwe Streeck
geb. 1953
5 Ausbildung zum Physiotherapeuten
5 Fort- und Weiterbildungen:
5 Fachlehrer für Manuelle Therapie, OM/MT Extremitäten, OM/MT Wirbelsäule,
IAS Sportphysiotherapeut, Viszerale Osteopathie, Craniosakral-Therapie, PNF
5 Weitere Aktivitäten:
5 Autor mehrerer Bücher
5 Von 1982–1992 Lehrtätigkeit an der Physiotherapieschule Worms, davon 3 Jahre als
Schulleiter, seit mehreren Jahren Tätigkeit in eigener Praxis mit Behandlungsschwerpunkt
Manuelle Therapie und Rehabilitation, seit 1996 Mitglied der Schmerzkonferenz
Ludwigshafen-Speyer, Kooperationspraxis für Schmerztherapie
Jürgen Focke
geb. 1958 in Nordhorn
5 Ausbildung zum Physiotherapeuten
5 Ausbildung zum Fachlehrer, Ernährungsberater
5 Buchautor
5 Freier Autor für med. Fachzeitschriften
5 Nach mehrjähriger Tätigkeit in Nordhorner Kliniken seit 1986 in eigener Praxis nieder-
gelassen
5 Fort- und Weiterbildungen:
5 Manuelle Therapie, Osteopathie (College für Angewandte Osteopathie, C.A.O.),
Medizinische Trainingstherapie, Sportphysiotherapie, Komplexe physikalische
Entstauungstherapie, Bobath für Erwachsene, PNF, Metabolic Testing.
5 Lehrtätigkeiten:
– Von 1996 bis 2001 Assistenz-Lehrer für Manuelle Therapie,
– In Deutschland und Österreich:
– Dozent für Craniomandibuläre Dysfunktion
– Dozent für Manipulation und Mobilisation des Nervensystems
– Dozent für Ernährung und Medikamente in der Physiotherapie
– Seit 2009: Referententätigkeit für die Leipziger Therapie Messe.
Claus Melzer
5 Physiotherapeut
5 HP
– seit 1988 selbständig in Hamburg
– seit 1993 selbständig als alleiniger Inhaber
5 Fachlehrer für Manuelle Therapie
5 Fachlehrer für KG am Gerät
5 Fachlehrer für medizinische Trainingstherapie
5 Dozent für Biomechanik, Trainingslehre und Sportmedizin
5 Dozent für Sportphysiotherapie- , Arthrose- und Kopfschmerzen/Tinnitus/Schwindel-
Kurse
5 Mitglied der Schmerzkonferenz Hamburg
5 Assistent für muskuloskelettalen Ultraschall (MSU) bei Marc Schmitz
5 Kursorte:
– Wedel www.physiotrain.org
– Hannover www.mfz-hannover.de
– Schwerin/Rostock/Neubrandenburg www.vpt-mv.de
VIII Über die Autoren
– Rottweil www.fw-heine.de
– Hamburg www.top-physio-online.com
– Eindhoven www.sonoskills.com
5 Fortbildungen v. a.:
– Manuelle Therapie (inkl. aller Spezialisierungskurse)
– Osteopathie
– KG am Gerät
– MAT/MTT
– Sportphysiotherapie (IAS und DOSB)
– Manipulationskurs
– Medikamente in der Rehabilitation
– Muskukoskelettaler Ultraschall
– Alle neurologischen Fortbildungen
5 Ferner Betreuung diverser Sportler u. a. aus dem Bereich Profifußball (national und inter-
national), Tennis (ATP), American Football, Rudern-, Schwimm- und Segelnationalmann-
schaft (präolympisch), Basketball (1. Liga), Eishockey und Leichtathletik.
Jesko Streeck
5 2001 Ausbildung zum Physiotherapeuten
5 Seit 2004: Dozent für Kopfschmerztherapie (Köln, Rottweil, Ludwighafen, Ludwigsburg,
Bremen, Osnabrück, Bayreuth, Köln, Rostock, Kiel, Bad Rothenfelde, Bad Orb)
5 Assistenzlehrer für MT seit 2003 (Bad Orb, Barnstorf, Leer, Rottweil, Schwerin)
5 Assistenzlehrer für KG-Geräte 2004
5 Mitglied in der Schmerzkonferenz Ludwigshafen, Mannheim, Speyer (Interdisziplinäre
Zusammenarbeit mit Schmerztherapeuten)
5 Lehrtätigkeit: 2003–2004 Krankenhauseinrichtung/Schule
5 2008 Mitglied der WASFiSAP Speyer
5 Seit Februar 2008 Untersuchungstechniken auf YouTube
5 Seit 2010 in Versuchsstudie Rehabilitation/Beruf in Rheinland-Pfalz,
erste schmerztherapeutische Gruppe
5 Seit 2010 interdisziplinäre Kreis Kinder mit HWS-Fehlstatiken, Kopfschmerz und
Kieferbeschwerden
5 2012 Diplomphysiotherapeut
5 Aktuelle Kurse bei
– www.fw-heine.de
– www.fobize.de
– www.mfz-ludwigsburg.de
– www.orbtalschule.de
– www.acadia-darmstadt.de
5 Fortbildungen:
– Manuelle Therapie
– KG-Geräte
– Reha obere und untere Extremitäten
– Reha Wirbelsäule
– Craniosacrale Therapie
– Behandlung temporomandibulärer Dysfunktionen
– MT Manipulationskurs
– Diverse Fortbildungen über Wirkungsweisen von Medikamenten
– Diverse Fortbildungen Schmerztherapie bei Kinderkopfschmerz, Migräne, Neurogene
Mobilisation
– Krankenhausinterne Fortbildungen von OPs
Ferner Betreuung diverser Sportler aus dem Bereich Profitennis, Leichtathletik, Kunsttur-
nen (Olympiaauswahl), Fußball (1. und 2. Bundesliga), Hockey (1. Bundesliga), Kegeln
(1. Bundesliga), Taekwondo, Boxen, Baseball, Handball.
IX
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.1 Die Manuelle Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.2 Gesetzmäßigkeiten der Manuellen Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Gelenklehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.1 Aufbau eines Gelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.2 Die Gelenkstellung und ihre Bedeutung für Mechanik und Kapselspannung . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.3 Osteokinematik und Arthrokinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.4 Konvex-Konkav-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.5 Rollen und Gleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.6 Traktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.7 Traktions- und Translationsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.8 Das Gelenkspiel (Joint play) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2.9 Kapselmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2.10 Kapselmusterstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2.11 Endgefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2.12 Gelenkbeweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2.13 Gelenkblockierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.14 Mechanismus der Wirbelsäulenbewegung durch Belastungsachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.15 Gekoppelte Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.16 Kombinierte Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.17 Konvergenz und Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.18 Spondylolisthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.2.19 Verriegelungsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.2.20 Ruheposition und aktuelle Ruheposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.2.21 Nullstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3 Weichteiltechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.1 Weichteilstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.2 Querfriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.3 Dehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.4 Rotatorenintervall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.5 Spurt- und Shunt-Muskeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.6 Direkte Insertion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.7 Indirekte Insertionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.8 Rhythmisches Arbeiten (Dynamisches Arbeiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.3.9 Haltend Arbeiten (Statisches Arbeiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.3.10 Neurogene Mobilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4 Indikationen/Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4.1 Indikationen (Anzeigen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4.2 Kontraindikationen (Gegenanzeigen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4.3 Sicherheit (Safe signs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.5 Basisuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.5.1 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.5.2 Inspektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.5.3 Palpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.5.4 Painful arc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.6 Gelenkspezifische Untersuchung (Joint play) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.6.1 Approximations-Joint play . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
X Inhaltsverzeichnis
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588
1 1
Einführung
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
1.1 Grundlagen –3
1.1.1 Die Manuelle Therapie – 3
1.1.2 Gesetzmäßigkeiten der Manuellen Therapie –3
1.2 Gelenklehre –3
1.2.1 Aufbau eines Gelenks – 3
1.2.2 Die Gelenkstellung und ihre Bedeutung für Mechanik
und Kapselspannung – 4
1.2.3 Osteokinematik und Arthrokinematik – 4
1.2.4 Konvex-Konkav-Regel – 4
1.2.5 Rollen und Gleiten – 4
1.2.6 Traktionen – 5
1.2.7 Traktions- und Translationsstufen – 6
1.2.8 Das Gelenkspiel (Joint play) – 7
1.2.9 Kapselmuster – 7
1.2.10 Kapselmusterstadien – 7
1.2.11 Endgefühl – 7
1.2.12 Gelenkbeweglichkeit – 7
1.2.13 Gelenkblockierung – 8
1.2.14 Mechanismus der Wirbelsäulenbewegung durch Belastungsachsen –8
1.2.15 Gekoppelte Bewegungen – 8
1.2.16 Kombinierte Bewegungen – 8
1.2.17 Konvergenz und Divergenz – 8
1.2.18 Spondylolisthese – 9
1.2.19 Verriegelungsstellung – 9
1.2.20 Ruheposition und aktuelle Ruheposition – 9
1.2.21 Nullstellung – 9
1.3 Weichteiltechniken –9
1.3.1 Weichteilstadien – 9
1.3.2 Querfriktion – 10
1.3.3 Dehnung – 10
1.3.4 Rotatorenintervall – 11
1.3.5 Spurt- und Shunt-Muskeln – 11
1.4 Indikationen/Kontraindikationen – 12
1.4.1 Indikationen (Anzeigen) – 12
1.4.2 Kontraindikationen (Gegenanzeigen) – 13
1.4.3 Sicherheit (Safe signs) – 13
1.5 Basisuntersuchung – 13
1.5.1 Anamnese – 13
1.5.2 Inspektion – 13
1.5.3 Palpation – 14
1.5.4 Painful arc – 14
Die Manuelle Therapie (»Handheilbehandlung«) bietet die In der Behandlung wird der konvexe Partner stets subma-
aussagekräftigste konservative, nicht apparative Diagnose- ximal vorpositioniert, um durch den physiologisch er-
möglichkeit zur Befundung von Weichteilproblemen und zeugten Rollweg den physiologischen Gleitweg nah an die
kapsuläre Einschränkung zu bringen. Beim konvexen Part-
Gelenkfunktionsstörungen.
ner entsteht aufgrund einer relativ fixierten Achse wenig
Für die Behandlung von arthrokinematischen reversib-
Raumgewinn, so dass das Gelenk maximal an die Ein-
len Gelenkkontrakturen setzt der Manualtherapeut Trak-
schränkung herangebracht werden muss.
tions- und Gleitmobilisationen ein. Mit diesen Techniken
Im Joint play beginnen wir ebenfalls aus einer sub-
stresst er restriktives Kapselkollagen, um das Bewegungsaus-
maximalen Vorposition, da es nur dann möglich ist, den
maß zu erweitern, oder er nutzt sie zur endokrinen Stimula-
vorgegebenen Rollweg ins Zentrum des Gelenks zurück-
tion bzw. Konsistenzverbesserung der Gleitkomponente.
zugleiten. Nur so können wir uns ein symmetrisches, arth-
Bei der Behandlung osteokinematischer Störungen
rokinematisch quantitatives und qualitatives Bild der Be-
(7 Abschn. 1.2.3, Osteokinematik und Arthrokinematik )
schaffenheit der Synovia und des Gelenks machen.
nutzt der Manualtherapeut:
Handelt es sich um einen bewegten konkaven Gelenk-
4 Kollagendehnungen (7 Abschn. 1.3.3, Dehnung),
partner, so ist der Raumgewinn groß. Eine Mobilisation
4 die strukturaufgabenbezogene, dreidimensionale
der Kapselresektion könnte aus einer Ruheposition er-
Ansprache kontraktiler Gewebestrukturen und folgen; eine Vorposition ist jedoch auch hier effizienter.
4 die nachfolgende dreidimensionale rehabilitative Die Pathomechanik eines Gelenks wird durch restrik-
Stabilisation. tives Kapselkollagen, dem sich die gelenknahe Muskulatur
> Die Manuelle Therapie wird im Allgemeinen passiv anpasst, hervorgerufen. Dem Gelenk wird die Möglichkeit
ausgeführt, da jegliche Form von Aktivität ein Ge- eines harmonischen Rollens/Gleitens oder Rollgleitens ge-
lenk schließt. Somit ist für die Manuelle Therapie die nommen, bedingt durch begleitende massive Quantitäts-
physiologische Funktionalität unwichtig. und Qualitätsveränderungen der Synovia.
Ist beim Rollgleiten eines konvexen Partners die
Das vom Körper asymmetrisch organisierte Kapselmuster Gleitbewegung behindert, erhöht sich der Rollweg und der
ist eine spezifische Schrumpfung, die der Bewegungsachse daraus resultierende Druck auf nichttragenden Knorpel.
des jeweiligen Gelenks entspricht. Eine asymmetrische Re- Der subchondrale Schmerz verursacht eine Schutz-
organisation der Kapsel kann für das Gelenk eine Achsen- spannung der arthrokinematischen Muskulatur. Diese wie-
verschiebung und damit eine pathologische Angulation derum verursacht eine unphysiologische Angulation und
bedeuten. behindert bzw. hebt das translatorische Gleiten auf. Die
Die Autoren sind der Meinung, dass eine mehrachsige Rotationsachse, die im konvexen Partner fixiert ist, wandert
dreidimensionale Bewegung nicht zu reorganisieren ist, aufgrund des Raumverbrauchs in Richtung Rollbewegung.
ohne dass eine Achse betont oder verschoben wird. Die Es kann zu Schäden an Kapsel- und Bandapparat mit nozi-
daraus entstehende Folge wäre eine iatrogen angulative zeptiver Afferenz und muskulärer Reaktion kommen.
Bewegung. Ist beim Rollgleiten eines konkaven Partners die
Deshalb ist es das oberste Ziel des Manualtherapeuten, Gleitbewegung behindert, reduziert sich der Rollweg. Die
die maximale Mobilität des Gelenks, die vom Schweregrad durch Hebelung entstehende Druckbelastung auf den
der Erkrankung abhängt, zu erzielen. Knorpel steigt dadurch an. Arthrokinematische Verände-
rungen, die zu erhöhtem Knorpeldruck führen, beschleu-
nigen damit auch die Degeneration des Gelenks.
1.1.2 Gesetzmäßigkeiten der Manuellen
Therapie
1.2 Gelenklehre
Die Traktion findet immer senkrecht zur Behandlungsebe-
ne statt, das translatorische Gleiten parallel zur Behand- 1.2.1 Aufbau eines Gelenks
lungsebene.
Das Gelenk (lat.: arthron) wird als funktionelle Einheit ge-
> Die Behandlungsebene, auch Tangentialebene sehen, bestehend aus
genannt, liegt immer auf dem konkaven Gelenk- 4 ossären Gelenkpartnern,
partner. Die Bewegungsachse des Gelenks liegt 4 Synovia,
4 Kapitel 1 · Einführung
Einrisse bedeuten Ausstülpungen der schwächeren Mem- 1.2.3 Osteokinematik und Arthrokinematik
brana synovialis mit der Folge von Ganglien (Überbeinen).
Die Innenhaut (Membrana synovialis bzw. Stratum Als Osteokinematik bezeichnet der Manualtherapeut die
synoviale) ist mit Synovialzotten, Falten, auch meniskoi- aktiven und passiven Bewegungen im Raum wie Flexion,
den Falten besetzt sowie mit Zellen unterschiedlichster Extension, Abduktion, Adduktion, Innenrotation, Außen-
Funktionen: rotation.
4 Synovia produzierende Zellen, Unter Arthrokinematik versteht man die Umsetzung
4 mononukleär-phagozytierende Zellen mit ihrer Anti- der osteokinematischen Bewegungen im Gelenk, in dem
gen-HLA-DR-Funktion und ein Rollen, Rotieren und Gleiten, Zug oder Druck statt-
4 Fibroblasten produzierende Zellen. finden.
jSynovia
Ein weiterer Bestandteil des Gelenks ist die Synovia, von 1.2.4 Konvex-Konkav-Regel
der je nach Volumen 0,2–5 ml in einem Gelenk enthalten
sind. Synovia entsteht aus dem Blutplasma. Sie ist alkalisch Bei Bewegungen des konkaven Gelenkpartners findet das
mit einem pH-Wert von 7,7 und besteht u. a. aus Gleiten in gleicher Richtung zur Rollbewegung statt. Bei
4 Glykosaminoglykanen, Bewegungen des konvexen Partners findet das Gleiten in
4 Hyaluronsäure und entgegengesetzter Richtung zur Rollbewegung statt.
4 Eiweiß.
1.2.6 Traktionen
Das Gelenkspiel ist das passive Bewegen zweier Gelenk- Endgefühl wird als der Überdruck am Ende einer passiven
partner senkrecht oder parallel zur Behandlungsebene. Bewegung definiert. Das Endgefühl gibt uns einen Hinweis
Die Beschaffenheit des Gelenkspiels ist abhängig von den auf den Kapsel- bzw. Kapselbandzustand (7 Übersicht:
intra- und extraartikulären Strukturen und gibt den signi- Allgemeine »Richtwerte« zur Orientierung).
fikanten Zustand des Gelenks wider. Nur ein veränderter Es wird in zwei Formen unterteilt:
Joint play ist der Indikator für den Beginn und das Ende 4 Form 1 beschreibt das Endgefühl als norm-, hypo-
einer Manuellen Therapie. oder hypermobil.
4 Form 2 beschreibt das Endgefühl als
5 physiologisch, z. B. weich elastisch bei Knieflexion
1.2.9 Kapselmuster durch die Muskelstruktur oder
5 pathologisch, z. B. durch einen intraartikulären
Ein Kapselmuster ist eine artikulär bedingte Schrumpfung Erguss bei Knieextension.
der Gelenkkapsel in einem gelenkspezifischen Muster und
> Bei Testung des Endgefühls innerhalb von
ist in allen Kapselstadien gleich. Eine Kapselrestriktion
300–500 Tagen nach einer alten, vorausgegangenen
entwickelt sich in minimal 42 Tagen. In der Praxis vollzieht
Läsion kann noch ein Remodulierungsschmerz
sich die Kapselrestriktion jedoch adaptiv über Jahre.
(7 Abschn. 1.7.17, Bindegewebe) bestehen, durch
> Stimmt die gelenkcharakteristische Restriktion mit den das Endgefühl »zu fest« befundet wird.
dem Cyriax-Kapselmusterzeichen nicht überein,
weist das Gelenk kein Kapselmuster und auch keine
Arthrose auf. Es handelt sich dann um eine partielle Übersicht: Endgefühl: Allgemeine »Richtwerte«
Kapselrestriktion aufgrund eines Traumas (z. B. Rup- zur Orientierung:
tur eines Kapselbands bzw. Immobilisation). 5 Ein physiologischer Kapselstopp ist fest elastisch.
5 Ein physiologischer Band-/Kapselstopp ist hart
elastisch.
5 Ein physiologischer Muskelstopp ist weich
1.2.10 Kapselmusterstadien
elastisch.
5 Bei leerem Endgefühl (pathologisch) kommt es
Kapselmusterstadium 1. Der Schmerz entsteht nach Be-
durch eine antagonistische muskuläre Gegen-
wegungsende, also im Überdruck. Die endgradige Bewe-
reaktion zur Aufhebung der Endgradigkeit, z. B. bei
gung wird vom Patienten noch toleriert. Die Muskulatur
Arthritis.
zeigt keine nennenswerte Tonuserhöhung.
5 Ein zu weiches Endgefühl ist pathologisch und
Dieser Befund zeigt sich bei beginnender Arthrose
Zeichen eines ödematösen Zustands oder eines
(Rigidität der Gelenkkapsel).
intraartikulären Ergusses.
5 Ein federndes Endgefühl ist pathologisch und
Kapselmusterstadium 2. Der Schmerz liegt in der Endgra-
Zeichen einer Meniskusläsion oder eines Korpus
digkeit. Ein Überdruck wird vom Patienten nicht mehr
librum.
toleriert. Die Muskulatur reagiert mit einem limitierenden
5 Ein knöchernes Endgefühl ist pathologisch. Hier
Hypertonus.
sind passiv limitierende Weichteilstrukturen auf-
Dieser Befund zeigt sich bei Arthrose und bei begin-
gehoben.
nender aktivierter Arthrose (Entzündungszeichen der Ge-
lenkkapsel).
Stadium 2. Kennzeichen des Stadiums: > Bei Verletzungen mit Einblutungen zeigt die
1 4 Der Widerstandstest ist positiv. Querfriktion ihre Wirksamkeit in einer gesteigerten
4 Erste Schäden an der Kollagenstruktur treten auf. Enzymaktivität, so dass es zur Fibrinolyse und zur
4 Je nach Schwellung besteht ein Painful arc Freisetzung vasoaktiver Stoffe (Histamin) kommen
(7 Abschn. 1.5.4, Painful arc). kann.
4 Schmerzen treten zu Beginn und nach der Belastung Da nicht die Querfriktion an sich diese Verletzung
auf. auslöst, ist es in der praktischen Arbeit nicht
4 Manualtherapeutische Ziele sind Unterstützung der zwingend erforderlich, die Friktion quer zur Faser
Reparaturmechanismen und Förderung der lokalen durchzuführen. Sie kann vom Therapeuten auch
Mehrdurchblutung. nicht quer durchgeführt werden (je nachdem, wie
4 Manualtherapeutische Maßnahmen sind: es für den Therapeuten für ihn praktikabel scheint).
5 Belastung nach dem Reha-Prinzip (7 Abschn. 1.7.3,
Reha-Pyramide), Bei degenerativ begründeten Sehnenläsionen entsteht
5 Weichteilbehandlung (7 Abschn. 1.3.2, Querfriktion die Adhäsion aufgrund fehlender interstitieller Flüssigkeit
und 7 Abschn. 1.3.3, Dehnung). zwischen den einzelnen Kollagenfasern mit einer evtl.
exsudativ hämorrhagisch ablaufenden Entzündung (Gra-
Stadium 3. Kennzeichen des Stadiums: nulationsgewebe). Der andauernde Schmerz unterhält sich
4 Der Widerstandstest ist positiv mit Abzeichnung aufgrund einer unterschwellig manifestierten Entzündung
eines Painful arc. mit gestörtem Steady state (Fließgleichgewicht, 7 Glossar).
4 Massive Kollagenstrukturschäden mit deutlicher
> Aus unserer Sicht besteht der primäre Wirkungs-
Schwellung (Flüssigkeit nicht begrenzbar) sind
mechanismus der Querfriktion im »Aufpuschen«
vorhanden.
unterschwellig manifestierter Entzündungen. Die
4 Schmerzen treten zu Beginn, während und nach der
Querfriktion soll einen physiologischen Regene-
Belastung auf.
rationsprozess neu einleiten.
4 Manualtherapeutische Maßnahmen sind:
5 Unspezifische Belastung ab dem 6. Tag. Um morphologisch adaptiertes Kollagen zu verändern,
5 Kryokinetik, um den Entzündungsgrad auf einer sollte die Behandlungswahl Laktat (7 Abschn. 1.3.3, Deh-
physiologischen Basis halten. nung und 7 Abschn. 1.3.9, Haltend Arbeiten) und Zugkraft
5 Therapeutisches Dehnen, um eine Längeninfor- an der betroffen Struktur beinhalten, d. h., auf Dehnung
mation für die Makrophagenaktivität zu erreichen. und Eisbehandlung sollte nach der Querfriktion verzichtet
5 Mehrdimensionale Belastungssteigerung ab dem werden (passiver Vorgang an aktiven Strukturen). Viel-
16. Tag. Sport je nach Regeneration möglich. mehr sollte eine aktiv begleitende Maßnahme im Sinne des
Physical Rehabilitation Trainings (PRT) erfolgen (7 Ab-
Stadium 4. Kennzeichen des Stadiums: schn. 1.7, Einführung in die Medizinische Trainingslehre).
4 Ruheschmerz mit hochgradiger Entzündung
(Myositis des Weichteils) ist vorhanden.
4 Manualtherapeutische Maßnahme ist die Schmerz- 1.3.3 Dehnung
therapie.
Voraussetzung für das Dehnen ist die Erwärmung des
Muskels, um
1.3.2 Querfriktion 4 den Stoffwechsel anzuregen,
4 die Elastizität zu erhöhen und
Entzündungen sowie Verletzungen mit Einblutungen in 4 die neuromuskuläre Kontraktionsbereitschaft zu
das Sehnengewebe haben meist zur Folge, dass es in der erhöhen.
postentzündlichen/traumatischen Phase zu Adhäsionen
kommt. Es entstehen ein Missverhältnis in der Stoffwech- Die Durchführung des therapeutischen Dehnens hat Ein-
selversorgung und ein Sauerstoffmangel, der die Erregbar- fluss auf die Tonusregulierung. Sie kann eine Tonisierung
keit der Nozizeptoren steigert. Weiterhin kommt es zu oder Detonisierung bewirken:
Einschränkungen der Verschieblichkeit der Sehnenfasern 4 Rhythmisches Dehnen setzt der Therapeut zur
untereinander und zum Elastizitätsverlust. Aus lang anhal- Tonisierung der Muskulatur ein, um eine adäquate
tenden Adhäsionen können nachfolgend Verwachsungen Grundspannung zu erreichen, die die Voraussetzung
(Narben) entstehen. für jede Muskeltätigkeit ist. Des Weiteren wird diese
Dehntechnik zum Ausschwemmen von Wasserstoff-
1.3 · Weichteiltechniken
11 1
brücken und zur Rehydrierung dehydrierter diesem Zeitpunkt beendet werden. Die Pause zwischen
Strukturen angewandt. den 4–5 Wiederholungen sollte 30 sec dauern.
4 Kollagen, das sich morphologisch unphysiologisch in Treten Schmerzen nach dem Dehnen auf (z. B. am
Annäherung verkürzt hat, wird passiv gestresst, um folgendem Tag), besteht der Verdacht, dass der Patient
eine Vergrößerung des Bewegungsausmaßes zu er- während des Dehnvorgangs mit einer exzentrischen Mus-
reichen. kelkontraktion gegengehalten hat.
1.3.8 Rhythmisches Arbeiten Wir nehmen an, dass diese »Aufhängebänder« der Nerven,
1 (Dynamisches Arbeiten) wie auch bei anderen Fixationen von Gekröse im mensch-
lichen Körper, elastische Eigenschaften haben, dass sie
Rhythmisches Arbeiten soll die Trophik der Weichteil- Fettgewebe zur Isolation und Abdämpfung mechanischer
strukturen verändern. Es bewirkt eine Ausschwemmung Belastungen einlagern und dass Blut- und Lymphgefäße
von H-Brücken aus der Matrix, da Wasserstoffionen posi- durchführen.
tiv und Matrix negativ geladen sind. Rhythmische Techni- Mittels einer Nervenmobilisation soll die optimale
ken können auch zur Vorbereitung manualtherapeutischer Flexibilität beim Durchtritt durch die verschiedenen
Techniken angewandt werden. Kollagenschichten und Engräume erreicht werden. Auf-
grund dessen ist bei den meisten sensiblen Ästen wie auch
Indikationen. Post-operativ/traumatisch. bei den Rami articulares eine maximale Vorposition
Gewebe, welches nicht lange ruhig gestellt wurde (un- notwendig, da diese nur wenige Kollagenschichten durch-
ter 3 Wochen) profitiert am meisten. Wenn durch diese ziehen. Zudem sind die dermatogenen und kapsulär-
Technik keine Zunahme an range of motion mehr zu er- neuralen Verbindungen geringer als die des dichten
langen ist, ist auf haltende Techniken zu wechseln. Myoneuralverbindungsnetzes der motorischen Nerven,
die Kollagenschichten multipel durchstoßen.
Weiterhin soll die neurogene Mobilisation einer intra-
1.3.9 Haltend Arbeiten neuralen Flüssigkeitsstauung und der damit verbundenen
(Statisches Arbeiten) Nervendruckerhöhung entgegenwirken.
Die neurogene Dehnung erfolgt nach der neurogenen
Mobilisation. Sie richtet sich nach den Dehnkriterien des
> Haltend Arbeiten wird als manualtherapeutische
Kollagen-Typs 1 und wird bei V.a. extra- und intraneuro-
Technik angewandt und ist die einzige Möglichkeit,
gene Fibrosen eingesetzt:
um morphologisch adaptiertes Kollagen zu be-
4 Bei extraneurogenen Fibrosen kann der Schmerz
handeln.
über dritte Strukturen ausgelöst werden und wird
Die Technik wird minimal 30 sec bis maximal 2 min schon bei Bewegung erzeugt, so dass die Vorposi-
ausgeführt. Durch die Technik entsteht Laktat im Gewebe tionierung sehr gering sein kann.
und zwingt damit pathologische Registrierpeptide sich 4 Bei intraneurogenen Fibrosen treten Nervenschmer-
in Richtung physiologischer Registrierpeptide zu ver- zen erst bei Dehnung des Nervs auf, so dass meist
ändern. eine submaximale Vorpositionierung eingenommen
werden muss.
Indikationen. Hypomobilie Gelenke, die länger als
3–6 Wochen ruhig gestellt wurden, profitieren nicht mehr Begonnen wird mit einem Warming up des neuralen
von überwiegend rhythmischen, sondern von haltenden Systems, mit dem Ziel epineurale Ödeme anzusprechen
Techniken. sowie den Axonplasmafluss zu mobilisieren.
Wie auch das Bindegewebe können die nervenfixierenden 1.4.1 Indikationen (Anzeigen)
Bänder bei Immobilisation adaptieren. Zudem kommt
eine hohe Mobilitätsanforderung auf die Nerven zu, die Die Indikation für eine manualtherapeutische Mobilisa-
Gelenke oder Hindernisse passieren müssen. Der Körper tion ist vorwiegend die Behandlung einer gelenkbedingten
meistert diese Anforderung durch die geschickte Anlage Störung, die intra- oder extraartikuläre Ursachen haben
spiralförmiger Eigenschaften der Nerven. kann.
Immobilisation bedeutet, dass Ursachen sind
4 die Verschieblichkeit der Faszikel untereinander 4 alle Formen degenerativer und traumatischer Kapsel-
eingeschränkt wird und und Bandveränderungen,
4 das Kollagen (Typ 1) zwischen dem Epineurium und 4 Blockierungen,
Mesoneurium und umliegenden Fixationstellen 4 neurale Störungen,
(Aufhängebänder) an Knochen, Muskeln und Faszien 4 morphologisch adaptiertes Kollagen,
bevorzugt an beweglichen Abschnitten, Bifurkationen 4 dynamisch artikuläre Instabilitäten.
und Engpässen adaptiert.
1.5 · Basisuntersuchung
13 1
1.4.2 Kontraindikationen (Gegenanzeigen) Nach der Sozial- und Selbstanamnese des Patienten
folgen weitere Befragungsaspekte:
Kontraindikationen sind 4 Seit wann bestehen die Beschwerden?
4 akute Entzündungen, 4 Treten sie eher tagsüber, eher nachts auf?
4 Tumoren, 4 In welcher Lokalisation und mit welcher Qualität
4 Arteriosklerose, zeigt sich das Beschwerdebild?
4 Osteoporose, 4 Was reduziert oder forciert die Beschwerden?
4 Immobilisation unter 42 Tagen (nicht effektiv). 4 Wie verhält sich das Beschwerdebild in einer
24-Stunden-Analyse?
4 Weiterhin sollte die Anamnese die Beurteilung der
1.4.3 Sicherheit (Safe signs) ADL (»Activities of Daily Living«, Aktivitäten des
täglichen Lebens) beinhalten sowie Außerge-
Ist anhand der Anamnese, Inspektion und Palpation sowie wöhnlichkeiten bzw. Veränderungen des täglichen
eventuellen aktiven und passiven Testungen keine klare Lebens wie new-, up-, over-, misuse (neuer, erhöhter,
Indikationsstellung möglich, sind Zusatztestungen aus der immer wiederkehrender Fehlgebrauch einer Bewe-
Basisprüfung bzw. aus den gelenkspezifischen Testungen gung).
notwendig oder es ist eine Rücksprache mit dem Arzt er-
forderlich. Der Behandler gewinnt einen Eindruck von Vitalität und
Bereitwilligkeit des Patienten. Nach dem subjektiven Ein-
druck folgt die objektive Inspektion.
1.5 Basisuntersuchung
1.5.3 Palpation Würde man den Joint play aus Ruheposition aus-
1 führen, ginge der Gleitweg aus dem Zentrum der Pfanne
Bei der Palpation steht die Beschaffenheit des Gewebes im hinaus, was für einen konvexen Partner unphysiologisch,
Vordergrund; sie wird im Seitenvergleich beurteilt. ja pathologisch wäre.
Asymmetrien können durch Knochenveränderun- Sind osteokinematische Störungen für eine Gelenk-
gen, Muskelverspannungen, Hernien, Lipome, Hornhaut- kopfbehinderung verantwortlich, sind nicht manual-
bildung, Behaarung und Schwellung verursacht werden. therapeutische, sondern osteokinematische Techniken
Bei der Palpation werden registriert und dokumen- adäquat. Ein sicheres Zeichen einer osteokinematischen
tiert: Einflussnahme ist die Veränderung der Ruheposition, die
4 palpatorisch ausgelöste Schmerzen, kapsulär geprägt ist, zu einer aktuellen Ruheposition hin,
4 Schweißbildung, die muskulär geprägt ist.
4 Temperaturveränderungen.
Der Therapeut zieht nach Abschluss der Anamnese, Ins- 1.6.1 Approximations-Joint play
pektion und Palpation ein Resümee, in dem differenzial-
diagnostische Verdachtsmomente, Kontraindikationen Das Approximations-Joint play ist das Annähern der
sowie die eventuell notwendige Kommunikation mit dem Gelenkflächen ohne Knorpelimpression, um eine zusätz-
verordnenden Arzt berücksichtigt werden. liche Beurteilung der synovialen Gleitkomponente zu be-
kommen. Gegenüber dem Norm-Joint play dürfte keine
Bewegungs- und Endgefühlveränderung bestehen.
1.5.4 Painful arc
Der Begriff »painful arc« (schmerzhafter Bogen) wird 1.6.2 Kompressions-Joint play
primär im Zusammenhang mit dem Schulterbereich
verwendet. Er beschreibt die Kompressionsmöglichkeit Das Kompressions-Joint play ist eine zusätzliche Testung
zwischen Humerus und den zum Schulterdach gehören- der Verformbarkeit der obersten Knorpelschicht. Bei
den Strukturen. Wir unterscheiden: Degeneration sind diese Schichten geschädigt, und damit
4 den subakrominalen Painful arc zwischen 60° und zeigt sich ein verändertes Gleitverhalten.
120°,
4 den akromioklavikularen Painful arc zwischen 160°
und 180°. 1.7 Einführung in die Medizinische
Trainingslehre
1.6 Gelenkspezifische Untersuchung MAT und MTT. MAT (Medizinisches Aufbautraining) und
(Joint play) MTT (Medizinische Trainingstherapie) sollen in der
Krankengymnastik keineswegs einen Ersatz einer täglich
mehrere Stunden lang durchgeführten EAP (Erweiterten
> Im Joint play wird immer am konvexen Partner
Ambulanten Physiotherapie) darstellen, sondern ein kom-
vorpositioniert, um den pathologischen Gleitweg
plexes Therapiekonzept, das sich in den Krankengymnas-
bei physiologisch eingestellter Bewegung zu er-
tikpraxisablauf integrieren lässt. Die im Folgenden be-
fahren. Der Joint play erfolgt unter Abnahme der
schriebenen Übungen und zusätzlichen Hausaufgaben
Eigenschwere.
stellen nur beispielhaft die Möglichkeiten mit Steigerun-
Um unterscheiden zu können, gen vor.
4 ob ein synoviales Konsistenzdefizit Ursache für ein
mangelndes Gleiten ist und zu einem betonten Rollen PRT-Konzept Zur Orientierung bezüglich Trainingsum-
führt oder fang und Trainingsintensität dient uns das von Bert von
4 ob es eine Kapselresistenz ist, die ein weiteres Gleiten Wingerden entwickelte PRT-Konzept (Physical Rehabilita-
verhindert, tion Training, 7 Abschn. 1.7.3, Reha-Pyramide).
ist es erforderlich, aus der Ruheposition ein Warming up PPR I und II Für das propriozeptive Training verwenden
durchzuführen und den darauf folgenden submaximalen wir die PPR I- und PPR II-Methoden:
vorpositionierten Joint play zusätzlich unter Approxima- 4 PPR I bedeutet Progressive Propriozeptive Reorgani-
tion und Kompression durchzuführen. sation über Funktionsbrettchen bis Airex-Balance-
1.7 · Einführung in die Medizinische Trainingslehre
15 1
matte (7 Abschn. 1.7.8, PPR-Training, 7 Abschn. 1.7.10, Eindimensional exzentrisches Training. Hierbei handelt es
PPR I). sich um das sog. Bremskrafttraining, das für den Rumpf
4 PPR II bedeutet Progressive Propriozeptive Reorgani- beim Bücken, für die unteren Extremitäten beim Treppab-
sation über »Sprung-ABC« (7 Abschn. 1.7.13, PPR II, gehen unablässig ist.
. Abb. 1.8 bis 1.10) und »Lauf-ABC«. Diese Methode
ist erst gegen Ende des Therapiekonzepts einsetzbar, Mehrdimensional exzentrisches Training. Dieses ist das
wenn notwendig und ist überwiegend für Stand- anspruchsvollste Training, da jetzt zusätzlich in Rotation
beinprobleme gedacht. »Lauf-ABC« dagegen eignet gebremst werden muss.
sich für Spielbeinbeschwerden. Jede Trainingsart ist sowohl im Bewegungsausmaß als
auch in der Bewegungsgeschwindigkeit variabel zu ge-
stalten, wenn es der Therapiereiz erfordert.
1.7.1 Einführung in die verwendete
Nomenklatur
1.7.2 Leitfaden der physiotherapeutischen
Knorpelbelastungstraining. Das Knorpelbelastungstrai- Rehabilitation
ning soll die Flexibilität der obersten Knorpelschichten
durch verbesserte Wassereinlagerung normalisieren. Da- Patienten können entweder aufgrund ihrer fehlenden
bei ist zu berücksichtigen, dass man von belastungsfähig in intra- und intermuskulären Fähigkeit oder aufgrund der
vermindert belastungsfähig trainiert. Bewegungslimitierung (Punctum fixum und mobile) nicht
in die sog. Reha-Pyramide (7 Abschn. 1.7.3) eingegliedert
Knorpelmassage/ Knorpelverformbarkeit. Eine Knorpel- werden.
massage ist erst dann erlaubt, wenn beim Belastungs- Bei Patienten, bei denen die Reha-Pyramide nicht
training keine Schmerzen mehr auftreten. Sie wird im Ge- angewendet werden kann, sollten einige grundsätzliche
gensatz zum Belastungstraining dynamisch durchgeführt. Regeln beachtet werden (7 Übersicht).
1
PRT G 1–2 Wdh. 95–100% Maximale Testmethode
PRT F 3–6 Wdh. 80–90% Submaximale Methode. Schmale Pyramide
PRT E 5–7 Wdh. 75% Intensive Wiederholungsmethode
Rehaphasen Sportler
PRT D 8–12 Wdh. 60–70% Extensive Wiederholungsmethode und
Body Building. Breite Pyramide
PRT C 13–20 Wdh. 40–50% Intensive Kraftausdauer
PRT B 21–30 Wdh. 30% Extensive/intensive Kraftdauer
PRT A 31–40 Wdh. 20% Extensive Kraftausdauer
Rehaphasen Nicht-Sportler
Wdh. A B C D E F G
1
1–2 –30% –25% –20% –15% –10% –5%
3–4 –25% –20% –15% –10% –5% +5%
7 –20% –15% –10% –5% +5% +10%
8–12 –15% –10% –5% +5% +10% +15%
13–20 –10% –5% +5% +10% +15% +20%
21–30 –5% +5% +10% +15% +20% +25%
31–40 +5% +10% +15%
41–45 +5% +10% +15%
>45 +10% +15% +20%
Übung
Tag 1 Tag 2 Tag 3 Tag 4 Tag 5 Tag 6
G W G W G W G W G W G W
Set 1 Set 1 Set 1 Set 1 Set 1 Set 1
Set 2 Set 2 Set 2 Set 2 Set 2 Set 2
Set 3 Set 3 Set 3 Set 3 Set 3 Set 3
Set 4 Set 4 Set 4 Set 4 Set 4 Set 4
Übung
Tag 1 Tag 2 Tag 3 Tag 4 Tag 5 Tag 6
G W G W G W G W G W G W
Set 1 Set 1 Set 1 Set 1 Set 1 Set 1
Set 2 Set 2 Set 2 Set 2 Set 2 Set 2
Set 3 Set 3 Set 3 Set 3 Set 3 Set 3
Set 4 Set 4 Set 4 Set 4 Set 4 Set 4
1 2 3
1
4 5 6
1.7.13 PPR II – Das »Sprung-ABC« Die . Abb. 1.8 zeigt die Ausgangsstellung zum azyklischen
als Erweiterung »Sprung-ABC«. Aus einer Kniebeuge von 45°, 90° oder
120° springt der Patient, mit vorgehaltenen Händen und
Das »Sprung-ABC« sollte erst im fortgeschrittenen Stadi- ohne Ausholbewegung, über eine explosive Knieextension
um trainiert werden, da es nach mehreren Sprüngen zu ca. 1 m weit nach vorn. Er landet auf beiden Beinen, in der
einer neuromuskulären Ermüdung mit Koordinations- gleichen Winkelstellung wie beim Absprung oder, er landet
störungen kommt. Das »Sprung-ABC« erfordert: auf einem Bein (. Abb. 1.9). Zur Steigerung landet der Pa-
4 hohe Reaktionskräfte der passiven Strukturen, tient in unterschiedlichen Drehstellungen (. Abb. 1.10).
4 eine hohe technische Koordination sowie Die Übungen können unterschiedlich variiert werden.
4 konzentrische und exzentrische Muskelkraft. Ein hoher Absprung erfordert eine höhere neuromuskulä-
re dynamisch-exzentrische Ansprechbarkeit als ein flacher
Vor dem »Sprung-ABC«-Training ist es unerlässlich, ein Sprung. Dieser sollte eine hohe isometrisch-exzentrische
Warming up durchzuführen, um die Elastizität des Ge- Ansprechbarkeit aufweisen und zeigt eher einen Prestretch-
lenkknorpels zu gewährleisten. Charakter.
Die . Abb. 1.8, . Abb. 1.9 und . Abb. 1.10 zeigen die Die Dosierung sollte bei 3 × 10 Sprüngen liegen.
Basissprünge des »Sprung-ABC«, die sich auch in kleine-
ren Praxisräumen durchführen lassen.
Das »Sprung-ABC« kann in den Übungen mit dem 1.7.14 Reha-Analyse
»Lauf-ABC« kombiniert werden, indem Stand- und Spiel-
beinphase in unterschiedlichen Übungsverbindungen (wie Um Schwerpunkte in der Therapie setzen zu können, ist
Kniehebelauf, Anfersen) beübt werden. die Erstellung einer sog. Reha-Analyse hilfreich. In
. Abb. 1.11 wird ein dafür geeignetes Formular gezeigt.
> Das »Lauf-ABC« trainiert eher die Spielbeinphase,
Die Trainingsbedingungen sollten sportspezifische,
das »Sprung-ABC« eher die Standbeinphase.
berufsspezifische und mehrfachzielgerichtete Kriterien er-
füllen.
22 Kapitel 1 · Einführung
Tage 2 6 10 16 21
1 Koordination
Propriozeption
Flexibilität/ROM
Ausdauer
Kraft
Geschwindigkeit
Koordination
Propriozeption Flexibilität/ROM Ausdauer Kraft Geschwindigkeit
In . Tab. 1.1 sind Trainingskomponenten und Trainings- Zur Basis einer manualtherapeutischen Behandlung ge-
formen in einer Rehabilitationsplanung zusammengefasst. hört die Kenntnis über die Kollagensynthese der betroffe-
nen Strukturen und ihrer spezifischen Aufgaben.
Wir behandeln mit einer klassischen MT nur morpho-
logisch adaptiertes Kollagen, das frühestens nach 42 Tagen
1.7 · Einführung in die Medizinische Trainingslehre
23 1
vorliegt. Es ist wichtig, dann mit Behandlungsreizen zu
. Tab. 1.1 Rehabilitationsplanung
beginnen, wenn die betroffene Struktur fähig ist, diese
Trainings- Trainingsformen auch zu beantworten. In der erweiterten MT behandeln
komponenten wir Gewebe, welches sich nach einem Trauma oder post-
operativ verändert zeigt. Die Behandlungsrichtlinien
2.–6. Tag werden nur in Bezug auf Zeit und Durchführung (rhyth-
Koordination Kokontraktionstraining misch betont) geändert. Die Richtung der Mobilisation
Flexibilität Dehnungen, max. 30 sec, zur Informa-
bleibt dagegen identisch.
tion für die Makrophagenaktivität Wir unterteilen die Heilung und Regeneration von
Gewebe in 3 Phasen (7 Abschn. 1.7.18, Verlauf der Kollagen-
Ausdauer Training nach PRT A für die obere und
untere Extremität regeneration):
4 Entzündungsphase,
Kraft Aktive Ruhe
4 Proliferationsphase und
Geschwindigkeit Kein Training 4 Remodulierungsphase.
6.–14. Tag
> Die Einnahme von Medikamenten ist für die
Koordination Funktionsbrettchentraining 1 und 2 Regeneration von elementarer Wichtigkeit:
Flexibilität Dehnungen über 30 sec bis max. 2 min, 5 Antibiotika heben den Eiweißstoffwechsel auf.
rhythmisches Dehnen für den Tonus/ 5 Antiphlogistika hemmen in unterschiedlicher
Warming up Form die Entzündungsphase und die Eiweiß-
Ausdauer Kein Training für die obere Extremität; Kollagensynthese.
für die untere Extremität Steigerung 5 Kortikoide heben jegliche Form der Regenera-
der aeroben Kapazität, Dauerlauf 1 km tion auf.
in 3–4 min
jBindegewebe (Kollagen) xan dichtet über Thromboblasten die Wunde ab. Es beginnt
1 Bindegewebe befindet sich überall im menschlichen Kör- eine Organisation der benötigten Zellorganellen, wie z. B.
per. Eine der wesentlichen Eigenschaften des Bindege- der Makrophagen für den Abbau beschädigter Zellen und
webes (Kollagen) ist es, sich wechselnden Reizen (Anfor- auch gesunder Zellen, da sie zur »Blaupause« für den
derungen) anpassen zu können. Diese Eigenschaft machen Neuaufbau benötigt werden. Es kommt dadurch zur einer
wir uns sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie physiologischen »Wundvergrößerung«, indem die Makro-
zunutze. Kollagenfasern bestehen aus Proteinen und un- phagen gesundes Wundgewebe zur Strukturanalyse ab-
terteilen sich in ca. 27 verschiedene Untergruppen. bauen, um verantwortlichen Zellkernen Informationen
Die für die Therapie wichtigen Typen von Kollagen- über den genetisch molekularen Aufbau des betroffenen
fasern sind in der 7 Übersicht zusammengefasst. Gewebes zu liefern.
In dieser Phase ist Bewegung bis an die Bewegungs-
grenze (Schmerz limitiert die Bewegung) notwendig, da
Übersicht: Die für die Therapie wichtigen Typen
die Makrophagen nur auf diese Weise Informationen über
von Kollagenfasern
Abbaumenge und neu zu bildende Gefäßbahnlänge er-
Typ 1. Dicke Faserbündel, sie finden sich überall im
halten (piezoelektrischer Effekt).
Bindegewebe, z. B. in:
Mit Abnahme des Sympathikotonus steigt die An-
5 Sehnen,
wesenheit von Acetylcholin. Es kommt zur Deaktivierung
5 Bändern,
von Serotonin und Kortison. Jetzt beginnt das Histamin,
5 Gelenkkapsel.
bzw. je nach Ausmaß und Zeitdauer, Prostaglandin E2 zu
wirken. Es kommt zur Leukotoxinzunahme mit Emigra-
Sehnen und Bänder werden als geordnetes Kollagen
tion der Leukozyten, Granulozyten und Lymphozyten und
bezeichnet, die Gelenkkapsel als ungeordnetes Kolla-
zum Abbau der Nekrose und Bakterien im Gewebe.
gen; es wird nach der Faserausrichtung bestimmt.
Typ 2. Keine Faserbündel, sie sind aber gleichwohl kProliferationsphase (6.–16. Tag)
ausgerichtet, z. B. in:
In dieser Zeit wird über eine elektrostatische H-Brücken-
5 hyalinem Knorpel,
Bindung ein reißfestes, eindimensionales Kollagen aufge-
5 Teilen des Anulus fibrosus der Bandscheibe.
baut (lockeres BG), über FGF (»fibroblast grow factor«),
Typ 3. Lockeres Bindegewebe (netzartig), ist erst das sich bis zum 16. Tag zu einem eindimensional reißfes-
Reparaturgewebe nach Verletzungen, wird häufig ten Gewebe verfestigt hat.
anaerob gebildet wie z. B.: Außerdem erhöht sich in dieser Zeit die Menge extra-
5 FGF (»fibroblast grow factor«), zellulärer und interstitieller Flüssigkeit (Matrix genannt),
5 Z-Streifen, die für den physiologischen Abstand der Kollagene unter-
5 intermediäres Filament. einander (ist auch für die Länge des Kollagens wichtig) eine
Je nach Typ sind die Regenerationszeiten des Binde- entscheidende Bedeutung hat.
gewebes (turn-over) unterschiedlich: Mit beginnender Zufuhr von Sauerstoff durch ein-
5 Typ 1 beansprucht eine Dauer von 300–500 Tagen, sprießende Gefäße steigt der ph-Wert langsam an. Die
5 Typ 2 bis zu 150 Tage und Makrophagen ziehen sich zurück, weil im Gewebe der
5 Typ 3 bis zu 16 Tage. Hypoxia inducible factor 1 (7 Glossar) nicht mehr vorhan-
den ist. Fibro- und Myofibroblasten werden stimuliert. Die
Aufgabe der Myofibroblasten ist es, den Abstand zwischen
jVerlauf der Kollagenregeneration nach den Wundrändern zu verringern.
Traumatisierung Das Läsionsgebiet zieht sich immer mehr zusammen,
kEntzündungsphase (Tag 0–Tag 6 [10]) es inhibiert. Fibroblasten kitten jetzt mit Wasserstoffionen
In der ersten Phase einer Verletzung/Läsion kommt es (H-Brücken) das Verletzungsgebiet zu einem eindimen-
über eine sympathische Hyperaktivität zur Kortikosteroid- sional reißfesten Kollagen zusammen.
und Serotoninaktivierung. Im Läsionsgebiet finden auf-
> Eine ausreichende Sauerstoffversorgung ist erst
grund der Gewebezerstörung Zelltod und Hämatom-
ab dem 16. Tag gegeben.
bildung statt.
Die Kortisonausschüttung hat das Ziel einer vorläufi-
gen Inhibierung des Histamins, das aus den Mastzellen kRemodulierungsphase (ab dem 16. Tag)
ausgeschüttet wurde sowie eine antiallergische Wirkung. Mit dem Beginn der Remodulierungsphase formt die
Über das freiwerdende Serotonin kommt es zur Gefäßkon- Funktion die Struktur, wobei die Turn-over-Zeit für die
striktion sowie zur Thromboxan-Stimulierung. Thrombo- vollständige Regeneration der Kollagene maßgebend ist.
1.7 · Einführung in die Medizinische Trainingslehre
25 1
Fibroblasten durchziehen das Läsionsgebiet mit Schwefel- Wasserstoffmoleküle positiv geladen sind und
brücken und festigen die Struktur zu einer dreidimensio- dadurch in der negativ geladenen Matrix wieder
nalen Reißfestigkeit. Der physiologische Wiederaufbau der resorbiert werden können.
Schwefelverbindungen geschieht über Reorganisation der 4 Morphologisch adaptiertes Kollagen. Es adaptiert
Tripelhelix mit Disulfaten als Bindeglied (s. Exkurs). durch die Einlagerung von S-Schwefelbrücken. Diese
Die Qualität des Gewebes ist vom Reiz, der auf die sind nicht ohne weiteres reversibel, da Schwefel-
Struktur des Kollagens (Band, Kapsel oder Sehne) einwirkt brücken mit ihren fixierenden Registrierpeptiden
und vom Maß der Anforderung an das Gewebe abhängig. einen Dauerstress bis zu 2 min benötigen, um sich
über chemische Reaktionen (die Anwesenheit von
Exkurs
Dermatansulfat/Keratansulfat und Chondroitinsulfat Laktat zerstört die Anheftfähigkeit der Eiweiße) zu
Disulfate fungieren als Bindeglieder, die in der Remodulierungsphase verlängern.
der Kollagenregeneration am physiologischen Wiederaufbau der
Schwefelbrücken beteiligt sind. Dermatansulfat/Keratansulfat und Diesen Prozess nennt man Plastikdeformation. Er hat nur
Chondroitinsulfat gehören zu den Seitenketten der Glykosaminogly-
eine begrenzte Wirkungsdauer von maximal 8 Stunden, so
kane. Verbindet sich einer der genannten Stoffe mit Hyaluronsäure,
nennt man sie Proteoglykane. Abhängig von der Länge der Molekül- dass der Patient Hausaufgaben machen sollte, um das
kette können sie unterschiedlich viel Wasser binden. Dermatansulfat Ergebnis halten zu können.
und Keratansulfat verbinden sich häufig mit Hyaluronsäure, bei Als Folge der Bewegungsabnahme kommt es zur
Chondroitinsulfat geschieht dies seltener. Adaption der Sarkomere (Myofibrillenabschnitt zwischen
5 Dermatansulfat befindet sich im Bereich der Sehne.
2 Z-Streifen). Diese betrifft sowohl die Anzahl, vor allem
5 Keratansulfat befindet sich im insertionsnahen Bereich.
5 Chondroitinsulfat wird als mineralisierter Bestandteil im Bereich der parallelen Sarkomere durch Querschnittabnahme, als
der Insertion und am Übergang der Insertion zum Knochen an- auch die Länge, abhängig von der Ausgangsstellung der
gelagert. Immobilisation.
> Die Turn-over-Zeit der Sarkomere beträgt ca.
jTurn-over der Synovia
14 Tage. Das bedeutet, dass der immobilisierte
Auch die Turn-over-Zeit (Erneuerung) der Synovia ist für
Bereich an Kraft verliert.
die Diagnostik und Therapie entscheidend.
Nach vollständiger oder fast vollständiger Entfernung Aufgrund der Immobilisierung ist eine weitere Kompo-
der Synovia, z. B. nente, die fehlende propriozeptive Information bedeut-
4 bei Arthroskopien oder sam. Diese hat einen Stabilitäts- und Koordinationsverlust
4 intraartikulären Spülungen, zur Folge. Als letzte Auswirkung, aber nicht weniger be-
deutsam, ist die fehlende funktionelle Belastung des
braucht der Körper 9–21 Tage, um den ursprünglichen Gelenkknorpels zu nennen, die je nach Länge der Immo-
Zustand der Synovia bzgl. Quantität und Qualität, unter bilisation von geringen Belastungsdefiziten bis zum voll-
Berücksichtigung einer normalen Durchblutung der ständigen Belastungsverlust variieren kann.
Membrana synovialis, wiederherzustellen. Ernährung und Die Belastungsveränderung resultiert unter anderem
Gleitverhalten sind in dieser Zeit deutlich gestört. aus der Konsistenzveränderung der Synovia, aus der sich
sowohl Stickstoffmoleküle (Denitrogenisation) als auch
Fettmoleküle lösen können. Folglich sind eine optimale
1.7.18 Immobilisation Flüssigkeitsbindung der oberen Knorpelschichten sowie
eine notwendige Druckverteilung nicht mehr gewähr-
Durch Immobilisation entsteht zuallererst eine Verände- leistet.
rung der Trophik. Davon ist die intra-, sowie die extra- Die Folgen einer Immobilisation haben somit nicht
zelluläre Matrix betroffen. Es kommt zu einer Verminde- nur periartikuläre Folgen, sondern können auch die Arth-
rung der Abstände der Kollagene zueinander, wodurch rokinematik eines Gelenks massiv beeinflussen sowie die
sich die Möglichkeit pathologischer Crosslinks erhöht. Regenerationsfähigkeit verschiedener Gewebe deutlich
Außerdem hat es zur Folge, dass die Kollagene ein schlech- verlängern.
teres Gleitverhalten zueinander entwickeln, was auch die
neurogene Mobilität einbezieht. Insgesamt bedeutet dies
einen deutlichen Flexibilitätsverlust des Kollagens. 1.7.19 Muskelkater
Wir unterscheiden bei der Adaption von Kollagen:
4 Nicht morphologisch adaptiertes Kollagen. Es Muskelkater ist eine gewollte Läsion von u. a. Nebulin,
adaptiert durch die Einlagerung von H-Wasserstoff- Desmin und der Z-Streifen über Titin (Titin ist ein Protein,
brücken. Diese sind problemlos reversibel, da das für die passive Stabilisierung und Zentralisierung der
26 Kapitel 1 · Einführung
Myosinfilamente zwischen den Z-Streifen verantwortlich 4 Die gesunde Seite wird weiterhin sportspezifisch
1 ist und den passiven Muskeltonus reguliert). Er entsteht als trainiert.
Folge eines Hypertrophietrainings, mit dem Ziel der 4 Eisanwendungen sind kontraindiziert, da die
Querschnittzunahme des Muskels. Lymphgefäße nach einer 3-minütigen Dauereisan-
Es zeigen sich folgende Befunde: wendung geschädigt werden.
4 Es besteht keine Milchsäureüberlastung, da der 4 Die Ernährung sollte für ca.10 Tage umgestellt wer-
mmol-Gehalt nach 15 min unter 4 mmol fällt. den: Verzicht auf Fleisch, da Fleisch Purine enthält
4 Die Muskelenzyme steigen, ähnlich einem mittel- (Harn) und PG E2 (Prostaglandine E2) stimuliert und
schweren Herzinfarkt, auf 600 800 pro ml an. damit den Schmerz verstärkt. Fisch, Gemüse und
4 Der CRP-Wert (C-reaktives Protein) ist nicht erhöht, Obst sind erlaubt, zusätzliche Gabe von Vitamin C
da keine Entzündung vorhanden ist. und Kupfer.
4 OH-Proline (7 Glossar) können im Urin vermehrt
nachgewiesen werden.
1.7.22 Muskelhernie
In der Rehatherapie wird bei Muskelkater in PRT-Stufe A
trainiert. Bei einer Muskelhernie ist der Harnsäurewert aufgrund
des Abbaus von Kollagen Typ 1 erhöht. Es kommt zu einer
massiven Stickstofffreisetzung, wodurch Harnsäure ent-
1.7.20 Muskelzerrung steht. Eine Muskelhernie ist im Ultraschall sichtbar. Als
Therapie ist nur eine Operation möglich.
Bei einer Muskelzerrung handelt es sich um eine lokale
Ischämie und nicht um eine Verletzung des Muskels.
Durch die Ischämie entsteht an mehreren Myoneuralver-
bindungen eine Membraninstabilität, die krampfartige
Schmerzen auslöst. Die Muskelzerrungen werden in
2 Typen eingeteilt:
4 Bei Typ 1 handelt es sich um eine lokale Ischämie. Der
Patient gibt einen zuziehenden Schmerz an.
4 Bei Typ 2 handelt es sich um ein Versagen der
Natrium-Kalium-Pumpe durch verstärkte Natrium-
ausschüttung (z. B. starkes Schwitzen). Der Patient
gibt einen spitzen, kurzen, »kloßartigen«, punkt-
förmigen Schmerz an. Die Reorganisation dauert
5–6 Tage. Rehatherapie:
4 Die obere Extremität wird in PRT-Stufe A beübt.
4 Die untere Extremität wird über Joggen mit 80 % der
maximalen Tempodauergeschwindigkeit trainiert.
1.7.21 Muskelfaserriss
2.2 Skapula – 32
2.3 Klavikula – 32
2.4 Sternum – 33
M. trapezius pars descendens. Dies ist ein kräftiger Mus- M. subclavius. Der M. subclavius ist ein kräftiger kurzer
kel, der die Muskeln M. levator scapulae und M. semispi- Muskel mit einem flächigen Ansatz. Er zentriert das
nalis capitis überdeckt. Er entspringt von der Linea nuchae Sternoklavikulargelenk (SCG) zur Stabilisation an das
und der Protuberantia occipitalis und setzt am lateralen Sternum und spannt die Fascia clavipectoralis vor, um die
Drittel des Schlüsselbeins an. Er hebt die Schulter nach V. subclavia offenzuhalten. Außerdem dient er dem
kranial und dient der Arretierung des dorsalen Schulter- Zwerchfell als eine Art informative Pleurakuppelspindel.
gürtelrings. Pars transversa entspringt vom 7. Halswirbel
bis zum 3. Brustwirbel und zieht zum Akromion und der M. serratus anterior. Dieser Muskel ist 12 mm dick und
Spina scapulae. Er hat die Aufgabe, den Schultergürtel an zackenförmig. Er zieht von der 1. bis zur 9. Rippe zur
den Thorax zu fixieren. Pars ascendens hat seinen Ur- Margo medialis der Skapula. Er eleviert das Akromion und
sprung vom 3. bis zum 12. Brustwirbel und zieht zur Spina positioniert damit die Cavitas glenoidalis in eine kraniale
scapulae. Seine Aufgabe ist die Kaudalisierung und Arre- Neigung von 65°, die eine Bewegung des Armes über die
tierung des Schulterblattes. Horizontale ermöglicht.
M. levator scapulae. Dieser Muskel zieht die Schulterblät- M. sternocleidomastoideus. An derventralen Seite des
ter nach kranial-medial und wirkt somit druckentlastend Halses liegt der M. sternocleidomastoideus. Er prägt das
auf das Akromioklavikulargelenk (ACG). Oberflächenrelief des Halses. Der Muskel besteht aus zwei
Ursprungsköpfen (Pars sternalis und Pars clavicularis). Die
M. pectoralis minor. Der ventral liegende M. pectoralis beiden Köpfe bilden die Fossa supraclavicularis minor, wo
minor senkt den Schultergürtel und gibt dabei Druck in in der Tiefe der Puls der A. carotis communis palpiert
das ACG. Er protrahiert die Schulter und ist ein Atemhilfs- werden kann. Der Ansatz des Muskels ist der Processus
muskel. mastoideus.
2.1 · Anatomie des Schultergürtels
31 2
M. omohyoideus. Ein infrahyoidaler Muskel, der jedoch traktion eher in Innenrotation steht, das ACG die Gleitfä-
trotzdem zur Schultergürtelmuskulatur gehört, ist der higkeit nach ventral. Das SCG hebelt sich über die 1. Rippe
M. omohyoideus. Er besteht aus zwei Muskelbäuchen nach ventral. Dies kann verschiedene Folgen haben:
(Venter inferior und Venter superior). Sein Ansatz ist das 4 eine ventrale Instabilität des GHG,
Zungenbein, sein Ursprung ist die Margo superior scapu- 4 das ACG verändert sich durch die Zunahme des
lae mit dem Lig. transversum scapulae superius. Irrita- Drucks arthrotisch, womit eine Positionierung der
tionen dieses Muskels verursachen Dysbalancen des Zun- Cavitas glenoidalis behindert wird, was wiederum ein
genbeins und Reizungen am Lig. transversum scapulae Impingement begünstigen kann,
superius, unter dem der N. suprascapularis läuft. 4 über einen nozizeptiven Reiz wird der M. levator
scapulae zur Entlastung des ACG angeregt, wodurch
die Extensionsfähigkeit des zervikothorakalen Über-
2.1.2 Biomechanik ganges erschwert wird, und
4 das SCG neigt durch das Hebeln auf der 1. Rippe zur
Die Biomechanik des Schultergürtels beruht auf »Arbeits- Hypermobilität bzw. Instabilität.
teilung« der einzelnen Strukturen. Für eine Elevations-
bewegung von 180° finden bei normaler Konstitution die jBiomechanik der Elevationsbewegung
ersten 60° primär durch eine Rollbewegung im Gleno- Die Bewegung in die Elevation kann in vier Phasen einge-
humeralgelenk (GHG) statt. teilt werden.
Die Bewegung wird durch das Anschlagen des Hume- 4 1. Phase: In der ersten Phase wirkt der M. coracobra-
ruskopfes an das Lig. coracoacromiale limitiert. Daher ent- chialis durch seine Lage als Zentrierer des Humerus-
steht ab hier eine Begleitbewegung durch eine Rotation kopfes. Die Skapula unterstützt die Anteversion ca. ab
des Schulterblattes ab ca. 45° bis 60° Anteversion im 45°/60°. Ab 60° Elevation entsteht für den Humerus-
GHG. Insgesamt begleitet das Schulterblatt die Elevations- kopf ein Widerlager durch das Lig. coracoacromiale.
bewegung um 60°, so dass je nach Beginn der Begleitbewe- In der Startphase findet primär eine Rollbewegung
gung die Skapularotation im thorakoskapulären Gleitlager mit Raumbenötigung statt, die der Recessus axillaris
bis 120° beendet ist. Sie findet in Verbindung mit Rotation zulässt. Erst im zweiten Abschnitt der ersten Phase
und Translation im ACG und SCG statt. Wenn die Begleit- wird betont der dorsale Kapselanteil zum Dorsal-
bewegung der Skapula einsetzt, wird gleichzeitig das gleiten gefordert.
mediale Punctum fixum an der Wirbelsäule und damit 4 2. Phase: Von 60° bis 120° wird über M. serratus an-
auch Stabilität aufgegeben. Ab ca. 120° bis ca. 170° wird die terior und M. trapezius pars descendens die Skapula
weitere Elevation durch bis zu 2 cm Kaudalgleiten in den 60° rotiert, wobei das ACG und das SCG eine Axial-
Recessus axillaris geprägt. Hinzu kommen kompensatori- rotation von 30° vollziehen.
sche weiterlaufende Bewegungen durch Extension und 4 3. Phase: Ab 120° Grad Elevation entsteht eine mus-
Lateralflexion des zervikothorakalen und des lumbalen kuläre Widerlagerung durch den M. latissimus dorsi.
Wirbelsäulenabschnittes. Die letzten 10° entstehen auf Der Gleitweg verändert sich aufgrund der Verlage-
dem Weg (90°–180°) durch die osteokinematische unwill- rung des Punctum fixum der Skapula ab 90° immer
kürliche Schlussaußenrotation, bei der der Humeruskopf mehr von dorsal nach lateral. Um den Arm weiter in
in den Recessus subscapularis gleitet. Elevation zu bringen, muss die Bewegung im GHG
maximal ausgeschöpft werden (angulative Be-
> Schon die geringste Störung oder konstitutions-
wegung), ebenso die der thorakalen Gleitlager und
bedingte Veränderung einer der bewegungsbe-
der Nebengelenke (ACG/SCG). Es folgt eine kompen-
gleitenden Strukturen führt zu Pathomechanismen.
satorische Bewegung der Wirbelsäule mit Lateral-
flexion/Rotation zur gleichen Seite, Hyperlordosie-
jMögliche Pathomechanismen im Bereich rung der LWS und Extension der BWS. Der Gleitweg
des Schultergürtels orientiert sich dabei weiterlaufend nach lateral-dorsal.
Weil die ventralen Muskeln des Menschen stärker als seine 4 4. Phase: Die letzten 10° entstehen durch osteokine-
dorsalen sind, werden die Schultern eher in Protraktion als matische unwillkürliche Schlussaußenrotation, wobei
in Retraktion gezogen. Im bikonvexen ACG kommt es zu sich der betroffene Kapselanteil und das Gleiten nach
einem Gleiten der Klavikula nach dorsal, im konkaven ventral richtet.
SCG zu einem Rollgleiten nach ventral. Die Kapsel des
ACG schrumpft ventral, die Kapsel des SCG dorsal. Das > Die letzten 10° entstehen durch osteokinematische
GHG verliert die Gleitfähigkeit für Außenrotation nach unwillkürliche Schlussaußenrotation mit einem
ventral-medial, da der Humeruskopf aufgrund der Pro- Gleiten nach ventral-kaudal.
32 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
Die Skapula liegt ca. in Höhe Th2-7. Sie ist eine dreieckige
Knochenplatte, die auf Vorder- und Rückseite mit Muskeln
bedeckt ist. Dorsal zeigt sich die Skapula leicht konvex,
ventral konkav. Im dorsalen oberen Drittel der Skapula
zieht sich die Spina scapulae, die medial als Trigonum 9
spinae beginnt. Sie teilt die Skapula in eine Fossa supraspi-
nata und infraspinata. Am lateralen Ende bildet sie das
Akromion. Das Akromion überlagert dorsal-kranial den
Oberarmkopf und bildet eine nach innen geneigte gelen- . Abb. 2.2 Anatomische schematische Orientierung der linken
kige Verbindung (Facies articularis acromialis) mit der Skapula von dorsal
1 Processus coracoideus, 2 Akromion, 3 Collum scapulae, 4 Spina
Klavikula. Die drei Seiten der Skapula bestehen aus: scapulae, 5 Incisura scapulae, 6 Tuberculum infraglenoidale, 7 Margo
4 der äußeren Margo lateralis oder axillaris, die kranial lateralis, 8 Margo medialis, 9 Angulus inferior, 10 Angulus superior,
mit dem Ursprungsgebiet des M. triceps brachii, dem 11 Fossa infraspinata, 12 Fossa supraspinata, 13 Cavitas glenoidalis,
Tuberculum infraglenoidale, endet, 14 Labrum glenoidale
4 der zur Wirbelsäule liegenden Margo medialis oder
vertebralis und
4 der Margo superior, dem sogenannten oberen kurzen perior scapulae bezeichnet wird. Der Angulus inferior sca-
Schulterblattrand mit der Incisura scapulae. pulae liegt in Höhe der 7. Rippe. Die Cavitas glenoidalis
steht ca. 30° nach ventrolateral und 15° nach kranial ge-
Die Incisura scapulae ist eine Einkerbung, die vom Lig. neigt (. Abb. 2.2).
transversum scapulae superius überspannt wird. Sie wird
> Die ventrale konkave Skapulafläche hat Kontakt mit:
gebildet aus der medialen Basis des Processus coracoideus
5 dem an ihr inserierenden M. subscapularis,
und der Margo superior der Skapula und dient als
5 der konvexen hinteren Seite des Thorax,
Durchtritt für den N. suprascapularis. Der Processus
5 dem M. serratus anterior
coracoideus (Rabenschnabelfortsatz) entspringt kranial-
5 der Interkostalmuskulatur und
medial-ventral der Cavitas glenoidalis aus dem Collum
5 Bursen.
scapulae. Er zeigt einen 90° Winkel nach ventrolateral und
dient Muskeln und Bändern als Insertion.
> Gemeinsam mit dem Akromion und dem
2.3 Klavikula
Lig. coracoacromiale bildet der Processus coracoideus
die Fornix humeri, das Schulterdach.
Die Klavikula ist ein »S«-förmiger schlüsselförmiger
Die laterale Basis des Processus coracoideus ist das Knochen, der sich der Kurvatur des Thorax anpasst. Sie ist
Ursprungsgebiet des M. biceps brachii caput breve, das Tu- ca. 12–15 cm lang und über die korako-klavikulären Bän-
berculum supraglenoidale. In Höhe der 2. Rippe befindet der 30° rotationsbeweglich. Der mediale Abschnitt der
sich der mediale obere Skapulawinkel, der als Angulus su- Klavikula wird als Extremitas sternalis bezeichnet. Sie
2.4 · Sternum
33 2
sagittal und verläuft nach innen als »Intable«. Das Corpus
clavicularis, das den mittleren Abschnitt bildet, besteht aus
der lateral liegenden Linea trapezoidea mit dem lateral
kaudalen Tuberculum conoideum (. Abb. 2.3).
1 > Die Klavikula dient als Ringschluss und als Ansatz
7
für Muskeln.
3 4
5 2
6
2.4 Sternum
4 5
Corpus sterni
6
Corpus Processus
8
xiphoideus
11
9
10
34 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
2 Das Glenohumeralgelenk ist mit folgenden Gelenken im Der dorsale Bereich des Caput humeri ist ebenfalls von
Zusammenhang zu sehen: einer dünnen Knorpelschicht überzogen. Überdeckt wird
4 Junctura fibrosa coraco-claviculare, er durch:
4 Fornix humeri (subakromiales Nebengelenk), 4 M. infraspinatus,
4 thorakoskapuläres Gleitlager (TSG), 4 M. teres minor und
4 Akromioklavikulargelenk (ACG) und 4 M. deltoideus pars spinalis.
4 Sternoklavikulargelenk (SCG).
Kaudal gibt es keine Überknorpelung. Der Humeruskopf
steht in Kontakt mit:
2.5.1 Glenohumeralgelenk 4 dem inferioren Teil des Labrum glenoidale,
4 dem Recessus axillaris mit dem N. axillaris,
Das Schultergelenk setzt sich aus dem Humeruskopf 4 dem M triceps brachii mit einer muskulären
(Caput humeri) und der Gelenkpfanne (Cavitas glenoida- Verbindung zum M. latissimus dorsi und
lis scapulae) zusammen. Es ist das Gelenk des menschli- 4 der A. circumflexa posterior humeri.
chen Körpers, das am freiesten beweglich ist, weil es keine
ossäre Führung besitzt. Seine Bänder sind limitierend, je- jLabrum glenoidale
doch nicht führend. Das GHG wird rein von Muskulatur Die Cavitas glenoidalis hat einen äußeren Ring, das Lab-
geführt und zum größten Teil gesichert. rum glenoidale.
> Im Gegensatz zu anderen Autoren sehen wir das
jHumeruskopf
Labrum glenoidale nicht als Gelenkpfannener-
> Der Humeruskopf steht zur Schultergelenkspfanne weiterung an, sondern ordnen es eher als einen
in einem Größenverhältnis von 4:1. »Synovialabstreifer« ein.
Das Caput humeri ist kranial und medial überknorpelt. Ab dem ca. 40. Lebensjahr verliert das Labrum glenoidale
Kranial steht es in Verbindung mit: durch Dehydrierung an Elastizität und wird hart. Ab
4 der Kapsel, ca. dem 50. Lebensjahr entstehen Fissuren/Rupturen des
4 dem superioren Teil des Labrum glenoidale, Faserknorpels, die einen Synovialaustritt verursachen und
4 der Bursa subacromialis, damit lokale Entzündungsreaktionen einleiten können.
4 interstitialem Fettgewebe,
> Der Körper reagiert bei Verlust von Labrumelastizität
4 M. supraspinatus und
mit:
4 dem Akromion.
5 einer Vermehrung von Plicasynovialfalten, um
den Abstreifverlust der Synovia zu kompensieren
Ventral zeigt sich das Caput humeri ebenfalls überknorpelt
und Adhäsionen aufrecht zu halten, und
und hat Kontakt mit der Cavitas glenoidalis. Es wird über-
5 einer Kapselschrumpfung zur Limitierung der zu
deckt vom:
versorgenden Fläche des Caput humeri.
4 M. subscapularis und
4 M. deltoideus pars clavicularis. Während der ersten degenerativen Phase geht zuerst die
ca. 9 kg Adhäsionskraft verloren (»Luschka-Vakuum-
Lateral steht das Caput humeri ca. 10 % seitlich vor dem Phänomen«) und es kommt zu einer Instabilität des GHG.
Akromion und wird vom M. deltoideus pars acromialis Ein physiologisches Rollgleiten findet nicht mehr statt. Das
überdeckt. Gleiten erfolgt durch ein Springen des Humeruskopfes, das
Von medial nach lateral zeigt sich unterhalb des Caput sich durch Schnappgeräusche zeigt. In der zweiten Phase
humeri das Tuberculum minus mit der nach inferior ver- limitiert sich das Gelenk durch Kapselschrumpfung.
laufenden Crista tuberculi minoris. Mittig verläuft der Folgen des immer weiter fortschreitenden Elastizitäts-
Sulcus intertubercularis und lateral das Tuberculum majus verlustes sind:
mit der nach inferior verlaufenden Crista tuberculi majoris. 4 weitere Labrumschädigung durch Zugreize des M.
Überdeckt wird der ventrale Bereich des Humeruskopfes biceps caput longum und
durch: 4 partielle oder totale Kalzifizierung des Labrum
4 den M. deltoideus pars clavicularis, glenoidale und der angrenzenden Strukturen des
4 das Caput longum des M. biceps brachii, M. supraspinatus.
2.5 · Anatomische Gesetzmäßigkeiten des Glenohumeralgelenkes (GHG)
35 2
2.5.2 Bänder/Bursen/Gelenkkapsel jLigg. coracoclavicularia
Zur Absicherung der Klavikula unterhält der Körper zwei
jLig. coracoacromiale Bänder, die Ligg. coracoclavicularia:
Kranial wird das Schultergelenk durch das Lig. coracoac- 4 Das vordere Lig. trapezoideum limitiert die
romiale als Schulterdachteil abgesichert und zusätzlich Bewegung (Rotation) der Klavikula nach dorsal,
durch die Bursa subacromialis gefedert. Das Band spannt 4 das hintere Lig. conoideum grenzt die Bewegung
sich wie ein Segel vom Processus coracoideus zum Akro- (Rotation) der Klavikula nach vorne ein.
mion und bildet mit dem Akromion zusammen ein
kraniales Widerlager, das u. a. ein Aufstützen der Arme Zwischen den Bändern liegt die Bursa ligamenti coracocla-
ermöglicht. Ab einer Flexionsbewegung von 120° be- vicularis.
kommt der Humerus am Tuberculum majus Kontakt mit
dem Lig. transversum humeri. jGelenkkapsel
Die Gelenkkapsel des GHG entspringt am Labrum gleno-
jLigg. glenohumeralia idale und zieht zum Collum anatomicum. Sie bildet kaudal
Die ventrale Absicherung erfolgt über die Ligg. glenohu- eine große kapsuläre Aussackung, den Recessus axillaris,
meralia. Diese Bänder liegen auf der Gelenkkapsel wie ein die bei Elevation dem Humeruskopf bis zu 2 cm Kaudal-
»Z« und bilden einen Flächenkontakt. Zwischen dem gleiten auf den Gesamtweg der Elevation ermöglicht. Me-
obersten Band, dem Lig. glenohumerale superior, das dial liegt eine weitere kleinere Aussackung, der Recessus
vom Labrum glenoidale zum proximalen Anteil des Tuber- subscapularis, um der Außenrotation/Extension gerecht
culum minus zieht, und dem mittleren Band, dem Lig. zu werden. Der Recessus axillaris liegt in einem muskel-
glenohumerale mediale, liegt das Foramen nach »Weit- freien Raum zwischen dem M. subscapularis und dem
brecht« mit der Bursa subtendinea und dem Gelenkspalt M. teres minor. Bei herabhängendem Arm wirft die Kapsel
des GHG. Aufgabe des obersten Bandes ist die Widerlage- Falten und bringt den der Kapsel anliegenden N. axillaris
rung der Retroversion, das mittlere Band widerlagert die und die V. circumflexa unter Kompression. Kommt jetzt
Außenrotation aus der Nullstellung. Zwischen dem Lig. noch eine zusätzliche kraniale Instabilität hinzu, z. B.
glenohumerale mediale und dem Lig. glenohumerale statische oder/und dynamische Insuffizienz, gleitet der
inferior, das vom Labrum glenoidale zum Collum anato- Humeruskopf bis zu 2 cm nach kaudal und erhöht den
micum zieht, liegt das Foramen nach »Rouviere«. Die Druck auf die neuralen vasalen Strukturen.
Aufgabe des untersten Bandes ist es, die Außenrotation/
> Die folgenden Symptome sind oft aus der
Abduktion von 20°–90° zu widerlagern.
Anamnese bekannt:
> 4 Eine Verletzung, 5 Schmerz,
5 eine Ruptur, 5 Einschlafen des Armes, der Hand, der Finger, oder
5 degenerative Veränderungen oder 5 Zyanose oder Ischämie.
5 das Fehlen eines der drei glenohumeralen Bänder
haben eine anteriore Instabilität zur Folge. jBursen
Als größte Bursa liegt die Bursa subacromialis unterhalb
jLig. coracohumerale des Akromions. Sie ist fast immer mit der lateral liegenden
Das Lig. coracohumerale besitzt zwei Schenkel: Bursa subdeltoidea verbunden. Aufgrund der starken Mus-
4 den Pars ventralis, der vom Tuberculum minus zum kelsicherung gibt es viele intramuskuläre Bursen wie z. B.:
Processus coracoideus zieht, und 4 Bursa subtendinea musculi latissimi dorsi,
4 den Pars dorsalis, der vom Tuberculum majus zum 4 Bursa subtendinea musculi pectoralis major oder
Processus coracoideus zieht. 4 Bursa subtendinea musculi coracobrachialis, um
Muskelbäuche vor Sehnengewebe zu schützen.
Die Aufgabe des Bandes ist es, als passiver Stabilitätssyner-
gist für den dynamischen M. supraspinatus zu wirken. Der jAdhäsionskraft
pars dorsalis sichert den Sulcus intertubercularis am Tuber- Die Adhäsionskraft spielt im GHG eine wesentliche Rolle.
culum majus ab, der pars ventralis am Tuberculum minus.
> Bei einer Gelenkpfannengröße von 9 cm2 und 2 ml
> Elastizitätsverlust bedeutet kraniale Instabilität mit
Synovialflüssigkeit bildet sich ein 4 mm Gelenkspalt
Tonuserhöhung des M. supraspinatus.
mit einer Adhäsionskraft von ca. 9 kg. Diese Ad-
In Innenrotation und Anteversion zeigt sich das Band häsionskraft, das »Luschka-Vakuum-Phänomen«,
maximal entspannt. bezeichnet man auch als transsynovialen Sog.
36 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
Die Adhäsionskraft ist die primäre statische Stabilität des Longitudinale Muskelkette. Sie weist einen sehr hohen
GHG. Die Adhäsionskraft von ca. 9 kg ist ausreichend, um Ruhetonus auf, um eine stabilisierende/fixierende Aufgabe
den 5–6 kg schweren Arm ohne Mitwirkung von aktiven zu gewähren und um Luxationen zu verhindern. Gebremst
2 Strukturen zu tragen. Erst bei zusätzlicher Gewichtsbe- wird die longitudinale Kette durch das kranial wider-
lastung antwortet der Körper mit Kokontraktion. Ein lagernde Akromion. Die longitudinale Kette wird gebildet
ausgeklügeltes Nervensystem (Rami articulares) sorgt von:
dafür, das je nach Kapseldehnung die verantwortlichen 4 M. biceps brachii,
Muskeln den Gelenkkopf in der Pfanne zentriert halten 4 M. coracobrachialis,
und so eine sichere passive und aktive Führung ermöglicht 4 M. triceps,
wird. 4 M. deltoideus und
4 M. pectoralis major pars clavicularis.
2.5.3 Bewegungen der Schulter Traktionskette. Der Humeruskopf wird kaudalisiert von:
4 M. subscapularis,
Die Muskulatur der Schulter kann in drei verschieden 4 M. infraspinatus und
Gruppen eingeteilt werden: 4 M. teres minor.
4 Schultergürtelmuskeln,
> Alle drei Muskelketten stehen miteinander in einem
4 Schultergelenksmuskulatur und
engen koordinativen Verhältnis. Dies wird sensibel
4 Rotatorenmanschette.
durch die Rami articulares der Kapsel des GHG
gesteuert.
Die Schultergürtelmuskeln haben die Aufgabe, den
Schultergürtel, und damit indirekt das GHG, in einer
bewegungskoordinativen Harmonie zu halten, die von
Muskelschlingen betont wird. 2.5.4 Biomechanik des GHG
Die Schultergelenksmuskulatur besteht aus osteo-
und arthrokinematischen Muskeln mit direktem Einfluss Das GHG ist das beweglichste Gelenk des menschlichen
auf das GHG. Sie haben ihren Ansatz am Humerus und Körpers. Es besitzt drei Bewegungsachsen:
gliedern sich in eine ventrale und eine dorsale Muskel- 4 die Transversalachse für Flexion und Extension,
gruppe auf. 4 die Sagittalachse für Abduktion und Adduktion und
Eine Unterbezeichnung der Schultergelenksmuskula- 4 die Longitudinalachse für Außenrotation und Innen-
tur ist die Rotatorenmanschette. Sie hat direkten Ansatz- rotation.
kontakt mit der Gelenkkapsel des GHG und sorgt durch
ihre kuppelförmigen Ansätze an der Gelenkkapsel für eine Um die Handinnenfläche in eine optimale Arbeits- oder
Dynamisierung/Straffung der Kapsel, um Kompressionen Gebrauchsposition zu bringen, ist das GHG so konstruiert,
der Kapsel im erschlafften Zustand zu vermeiden. dass es Funktionsbewegungen durch zusätzliche Zwangs-
bewegungen gerecht werden kann. Es gibt unwillkürliche
jMuskelketten und willkürliche Zusatzbewegungen. Die unwillkür-
Um den anatomischen Gegebenheiten (Verhältnis von lichen Funktionsbewegungen unterliegen einer arthroki-
Kopfgröße und Pfanne) ein optimales muskuläres Gleich- nematischen Vorgabe der Stellung der Cavitas glenoidalis
gewicht zu gewährleisten, arbeitet die Schultermuskulatur und der muskulären Spannung, die sich an den Rami
in drei Muskelketten: articulares entwickelt.
4 Transversale Muskelkette,
4 Longitudinale Muskelkette und Beispiel
4 Traktionskette. Spreizt der Mensch aus einer physiologischen Nullstellung
seinen Arm um die Sagittalachse seitlich 180° ab, und führt
Transversale Muskelkette. Sie verläuft transversal zum Ge- ihn dann um die Transversalachse wieder in die Nullstellung
lenk und hat die Aufgabe, den Humeruskopf in die Pfanne zurück, steht die Hand um 180° um die Longitudinalachse
zu pressen. Zu ihr gehören: innenrotiert. Dieses Phänomen wird auch als »paradoxer
4 M. supraspinatus, Goodmann« bezeichnet.
4 M. infraspinatus,
4 M. teres minor, Es entsteht eine zweiachsige Bewegung mit einer da-
4 M. subscapularis und zukommenden unwillkürlichen dritten Achse. Sie ist funk-
4 M. biceps brachii.caput brevis. tionsgebunden und kann willkürlich für viele andere
2.5 · Anatomische Gesetzmäßigkeiten des Glenohumeralgelenkes (GHG)
37 2
sekundäre Alltagsoder Sportbewegungen eingesetzt zum Schluss nach ventral (anterokaudaler
werden. Kapselabschnitt) aufgrund einer Schlussaußen-
rotation von 10°. Bewegt sich der Arm in Abduk-
jOsteo- und arthrokinematische tion/Elevation, geht die Gleitkomponente primär
Begleitbewegungen nach kaudal-lateral (kaudolateraler Kapselab-
Osteokinematisch sind folgende Begleitbewegungen mit- schnitt).
einander verbunden:
4 Die Flexions-Elevations-Bewegung ist mit jGelenkstellungen
Abduktion und Außenrotation gekoppelt. Der Kapselabschnitt, der in der Bewegung eingeschränkt
4 Die Extension geht einher mit Adduktion und ist, befindet sich immer diametral zur Rollbewegung.
Innenrotation. 4 Das Kapselmuster nach Cyriax beträgt im GHG 3:2:1
im Verhältnis von Außenrotation zu Abduktion zu
Arthrokinematisch jedoch ist die Innenrotation.
4 Flexions-Elevations-Bewegung mit Abduktion und 4 Die Ruheposition befindet sich bei 55° ABD,
Innenrotation und 30° Flexion und 15° Innenrotation.
4 die Extension mit Adduktion und Außenrotation im 4 Die verriegelte Stellung liegt bei 90° Abduktion und
Sinne einer Gleitbewegung gekoppelt. maximaler Außenrotation.
> Für die manualtherapeutische Praxis ist die Be-
Sinn dieser entgegengesetzten Kopplung ist es, ein hohes
wegungseinschränkung bei über 90° die signifi-
osteokinematsches Bewegungsausmaß zu ermöglichen,
kante Indikation, da sie mit einer Gleitkomponente
bei gleichzeitiger arthrokinematischer Absicherung durch
im GHG dominiert. Von 0°–90° dominiert im GHG
kombiniertes Gegendrehen.
die Rollkomponente. Sie findet manualtherapeu-
tisch ein geringeres Interesse. Dies ändert sich ab
> Bedeutung für die Behandlung:
90°, da unterhalb von 90° ein primäres Rollen und
5 Eine Kapseldehnung kann nicht nach den Kopp-
ein sekundäres Gleiten stattfinden, und über 90°
lungsrichtlinien der Osteokinematik erfolgen
ein primäres Gleiten und sekundäres Rollen.
und auch nicht über mehr als eine eingestellte
arthrokinematische Achse, da sie in der Begleit-
bewegung jeweils eine andere aufweist. Die jEinfluss durch Stellung der Cavitas glenoidalis
manualtherapeutische Behandlung des GHG Ausschlaggebend für eine biomechanische Beurteilung ist
erfolgt über eine Achse, die Hauptbewegungs- die Bewertung der Gelenkpfannenstellung (Cavitas gle-
achse. Nur in der Endgradigkeit erfolgt eine noidalis). Ca. 80 % der Patienten haben eine Protraktions-
isolierte, in Vorposition eingestellte Nebenbe- stellung der Schulter, da die Innenrotatoren einen hohen
wegungsachse (maximal zwei Achsen). Tonus aufweisen. Bei ihnen ist eine Ventrolateralneigung
5 Die osteokinematisch muskuläre Eingliederung der Cavitas glenoidalis von 30° nicht gegeben, die eigent-
der arthrokinematisch freigemachten Bewegung lich für die Zentrierung und Mittelstellung des GHG
(Range of motion) erfolgt erst einmal im Sinne verantwortlich ist. Der Humeruskopf liegt am ventralen
der Kopplungsrichtlinien der Osteokinematik. Kapselanteil an, was einen falsch positives Joint play
5 Erst in der zweiten Phase werden willkürliche vermittelt. Jegliche Form einer Extension bzw. Außenrota-
Bewegungsmuster mit einbezogen, um der tionsbewegung ist durch fehlendes Gleiten limitiert und
Gesamtheit von Drehpunkt und Bewegungs- erzeugt ein anguläres Hebeln der ventralen Kapselstruktur.
spielraum Rechnung zu tragen. Hier bieten sich Dies führt zu Instabilitäten.
Bewegungstechniken nach dem PNF-Muster
> Bei Irritation des N. suprascapularis entsteht häufig
(Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation) an,
5 ein tiefliegender Gelenk-oder oberer Schulter-
die manuell oder am Rehagerät ausgeführt
blattschmerz bzw.
werden können.
5 eine Kraftlosigkeit, die anfänglich ohne
5 Um sich einen Überblick über das Roll-Gleit-Ver-
Schmerzen ist.
halten des GHG zu verschaffen, müssen man sich
eine diametrale Bewegungslinie vorstellen. N. dorsalis scapulae (C3–5). Der Nerv durchbohrt bzw.
Wenn sich der Arm in die Anteversion/Elevation läuft über den M. scalenus medius, zieht weiter kaudal
bewegt, richtet sich die Gleitkomponente beim parallel zur Margo medialis scapulae, bis ca. Höhe Th6.
konvexen Humeruspartner primär nach dorsal-
kaudal (posterokaudaler Kapselabschnitt) und
38 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
> Aufgrund des direkt aus der Wurzel hervorgehen- 2.7 Thorakoskapuläres Gleitlager
den und nicht über den Plexus laufenden Weg des
N. dorsalis scapulae und des N. suprascapularis Das thorakoskapuläre Gleitlager befindet sich zwischen
2 kann es bei einer radikulären Läsion im gemein- Schulterblatt und Thorax. Es besteht aus zwei Gleitkam-
samen Segment C5 zu folgenden Symptomen mern:
kommen: 4 die erste liegt zwischen dem M. subscapularis und
5 einer Muskelschwäche (M. supraspinatus, dem M. serratus anterior,
M. rhomboideus majus et minus), 4 die zweite zwischen dem M. serratus anterior und der
5 Schmerzen zwischen den Schulterblättern und, Interkostalmuskulatur.
5 tiefliegendem GHG-/Schulterschmerz.
Zwischen den Muskeln sind die Gleitkammern mit Bursen
N. axillaris (C5/6). Mit seinen motorischen und sensiblen und mit Faszien ausgestattet, die einer Membrana synovia-
Fasern zieht er mit den Axillargefäßen unter den M. subs- lis ähnlich sind und ein synoviaähnliches Sekret absondern.
capularis und entlässt dort einen Ast, der zur Gelenkkapsel Je nach Konstitution des Thorax erfährt das Schulterblatt
und zum Sulcus intertubercularis zieht. seine Hauptbewegung ab 90° Elevation/Abduktion im
GHG, um dem Tuberculum majus die Möglichkeit zu ge-
> Eine typische Irritation des N. axillaris tritt im Be-
ben, unter das Akromion und unter das Lig. coracoacromi-
reich des M. deltoideus auf, durch den sensiblen Ast
ale abzutauchen, und um die Cavitas glenoidalis in eine
des N. cutaneus brachii lateralis inferior und die
Position einzustellen, die dem Humerus entspricht.
Durchtrittsregion durch den Hiatus axillaris lateralis.
> Störungen dieses Gleitverhaltens entstehen durch
5 Rippenhypomobilitäten,
N. radialis (C5-TH1). Der Nerv verläuft ventral des M. subs-
5 Luxationen in Inspirationsstellungen,
capularis, des M. latissimus dorsi und des M. teres major.
5 Konstitutionsveränderungen der BWS und
Er durchzieht den Hiatus axillaris inferior, entlässt jedoch
5 muskuläre Disharmonien, z. B. Tonusänderungen
vorher den N. cutaneus brachii posterior und danach den
des M. levator scapulae.
N. cutaneus brachii lateralis inferior.
> Typische Irritationen sind
5 Taubheit der medialen/hinteren Oberarmseite
2.8 Akromioklavikulargelenk (ACG)
und
5 ein punktförmiger Schmerz an der Insertion des
Das ACG ist eine bikonvexe Amphiarthrose mit weniger
M. deltoideus durch den N. cutaneus brachii
als 5° Bewegungsfreiheit. Das scheinbar geringe Bewe-
lateralis inferior.
gungsausmaß erlaubt jedoch ca. 60° der insgesamt 180°
Der Nerv hat vegetative Fasern, die zu Gefäßen, der Elevationsfähigkeit des Armes. Das ACG besitzt zu 40 %
Gelenkkapsel des Ellenbogens, und zur Haut ziehen. einen intraartikulären Diskus. Es hat fast immer einen
sagittalen Gelenkverlauf und eine nach medial gerichtete
Neigung (Intable), wodurch die Klavikula auf dem Akro-
2.6 Fornix (Schulterdach), mion aufliegt (. Abb. 2.5).
subakromiales Nebengelenk Sensibel versorgt wird das ACG vom:
4 N. axillaris,
Als »subakromiales Nebengelenk« oder »akromiohumera- 4 N. suprascapularis und
le Gleitschicht« wird der Raum zwischen Schulterdach und 4 den Nn. supraclaviculares.
Humeruskopf bezeichnet. Innen liegen die Bursa subacro-
mialis und die Rotatorenmanschette. Der Raum ist auf- Kranial wird das Gelenk durch eine subkutane Bursa
grund seiner eingeschränkten Versorgungslage anfällig für geschützt. Die Kapsel des ACG wird durch das Lig. acro-
Degenerationen. mioclaviculare verstärkt.
> Je enger der Raum ist (Impingement), desto größer > Das Akromioklavikulargelenk ist das anfälligste der
sind die Reibungspunkte. Schultergürtelgelenke.
kinematischen Muskulatur, die den Humeruskopf kauda- Das innere Schlüsselbeingelenk ist mit seinem 3 mm
lisiert, verursacht wird (funktionelles Impingement). dicken Knorpel ein Sattelgelenk, das durch einen Discus
Das Gelenk liegt in einer kinematischen Kette für Fle- articularis in zwei Gelenkkammern getrennt wird und
xions- und Abduktions-Elevationsbewegungen des GHG, dadurch zu einem funktionellen Kugelgelenk wird:
sowie für die Skapula- und Klavikularotation. Das ACG 4 In der lateralen Kammer findet die Elevations-/
tendiert zu einer: Depressionsbewegung statt,
4 Hypomobilität mit Folge eines Impingement des 4 in der medialen Kammer die Protraktion und
Subakromialraumes, Retraktion.
4 einem thorakalen oberen Kompressionssyndrom
und Topographisch liegt der SCG-Gelenkspalt lateral der gut
4 subchondralen Schmerzen. sichtbaren Pars sternalis des M. sternocleidomastoideus.
Das SCG hat einen großen Gelenkinnenraum mit einem
Eine Hypomobilität verhindert zudem die Retraktions- raumfordernden Discus articularis. In Elevation und
fähigkeit der Skapula durch fehlendes Ventralgleiten der Depression folgt der Discus diesen Bewegungen und ver-
Klavikula. Sie kann wegen ventraler Kapselrestriktion ursacht so am konvexen Anteil des klavikulären Gelenk-
nicht nach ventral gleiten bzw. rotieren, dies ist aber erfor- partners die Konvexität in einer Vertikalebene. Bei Retrak-
derlich, um den Plexus brachialis durch die Klavikula- tion und Protraktion ist der Diskus fixiert und bildet den
Rippenpforte freizuhalten. konvexen Gelenkpartner des konkaven Klavikulagelenk-
anteiles in einer Horizontalebene.
> Irritationen der neurovaskulären Passage zwischen
der 1. Rippe und der Klavikula beugt der Körper jBewegungsstörungen des SCG
durch eine in den ersten 30° Anteversion entstehen-
> Das SCG neigt eher zur Hypermobilität als zur
de Ventralbewegung und, bei bis zu 90° Anteflexion,
Hypomobilität.
Kranialbewegung der Klavikula vor. Eine Störung
der Passage ist häufig eine klavikuläre Bewegungs- Eine Hypermobilität im SCG kann entstehen durch:
störung, die aus einer Hypomobilität des ACG 4 ein anguläres Hebeln bei der Außenrotation des GHG
entsteht. Der M. trapezius pars descendens reagiert und
mit Verkürzung darauf, um irritierte Ursprungs- 4 eine Retraktion der Schulter durch eine in Inspiration
wurzeln zu entlasten. stehende 1. Rippe.
40 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
jAnatomie/Biomechanik
2
Der Gelenkverlauf des SCG liegt bei Elevation/Depression
von kranial-medial nach kaudal-lateral und für Protrak- 6
tion und Retraktion von anterior-medial nach dorsal-
8
lateral in einem Winkel von 45°. Den höchsten Druck er- 1
fährt das Gelenk in einer horizontalen (der transversalen)
Adduktion und Abduktion.
Das SCG wird ligamentär fixiert durch die folgenden 4
Bänder:
4 Lig. interclaviculare, . Abb. 2.6 Schulterkapselanteil von dorsal. (Aus v. Lanz u.
Wachsmuth 1959, 2003)
4 Ligg. sternoclavicularia und 1 Skapula, 2 N. axillaris mit Ramus intertubercularis, 3 N. suprasca-
4 Lig. costoclaviculare. pularis, motorischer Ast, 4 N. axillaris, motorischer Ast, 5 N. supras-
capularis, kranialer Gelenkast, 6 N. suprascapularis, kaudaler Gelenk-
Für die Kapselinnervation ist der N. supraclavicularis ver- ast, 7 Incisura scapulae mit Lig. transversum, 8 Humerus
antwortlich.
> Beispiele für Irritationen des SCG:
5 Der M. sternohyoideus kann durch seinen Ansatz
an der Membrana fibrosa des SCG und dem 1
Zungenbein Spannungsänderungen des 3 4
Zungenbeines mit einem »Globusgefühl« ver-
ursachen. Dies kommt häufig bei Rednern vor. 2
5 Der retrosternoklavikulär verlaufende N. vagus
kann durch eine Gefügestörung oder Reizung 5
des SCG irritiert werden und vegetative
Störungen auslösen. 4
5 Das Ganglion stellatum liegt vor dem ersten 6
Rippenköpfchen und betrifft die sympathische 7
Innervation des Kopfes. Symptome wie Zephal-
gien, Vasokonstriktionen der Extremitäten,
Koronalspasmen oder Hypertonie können
Reizantworten sein.
> Die Rollbewegung nimmt kontinuierlich ab, das > Eine partielle Tendinitis kommt genauso wie eine
Gleitverhalten wird betont. Der dorsale kaudale partielle Arthritis eines Gelenkes nur selten vor. Bei
Kapselanteil wird gestresst. den oft in der Literatur beschriebenen oberfläch-
2 lichen und tiefliegenden tendoossären Affektionen
jFlexion – Elevation (M. supraspinatus) handelt es sich um partielle,
Eine Elevationsbewegung von 120° Flexion zeigt ein: degenerative, morphologische Veränderungen und
Dorsal-Kaudalgleiten im GHG, nicht um eine Entzündung.
4 Kaudalgleiten im ACG, Bei Insertionstendopathien direkter Insertionen
4 Kaudalgleiten im SCG, handelt es sich um partielle Lamellenausdübe-
4 ca. 30° Rotation der Skapula und lungen einzelner Keratansulfat-gebundener
4 ca. 15° Rotation der Klavikula. Knochensehneninsertionen. Partielle entzündliche
Reizzustände im tendoossären Übergang sind im
M. serratus anterior und M. trapezius pars descendens Dermatansulfat-gebundenen insertionsnahen
positionieren über das thorakoskapuläre Gleitlager die Abschnitt zu finden, wo auch die Injektionen und
Cavitas glenoidalis in horizontale Richtung vor, und sorgen Querfriktionen angelegt werden sollten.
so für die aktive Elevation des Humerus. Indirekte Insertionen zeigen keinen direkten pain-
ful arc, sondern haben ihren Schmerzhöhepunkt,
> Die Rollbewegung ist am kranialen Aspekt der
wenn ihre Aufgabe der Flächenverbreiterung beim
Cavitas glenoidalis widerlagert. Das Gleiten bzw.
exzentrischen Bedarf angesprochen wird.
Rutschen verläuft bis zu 2 cm in den Recessus
axillaris nach dorsal-kaudal.
jVarianten des painful arc
Ab ca. 180° Elevation in Flexion können folgende Gelenk- ACG. Das ACG zeigt einen painful arc, je nach Mobilität
bewegungen festgestellt werden: des GHG, zwischen 60°–120° Abduktion und Flexionsbe-
4 Kaudal-Ventralgleiten im GHG, wegung. Meist liegt der Entstehungsmechanismus in ossär
4 Verriegelung des ACG, degenerativen Veränderungen mit angulärer Hebelung bei
4 Dorsalgleiten im SCG, vorpositionierter Protraktion der Schulter.
4 60° Rotation der Skapula und
4 30° Rotation der Klavikula. M. supraspinatus. Der M. supraspinatus zeigt in Abduk-
tion je nach Grad des Weichteilstadiums 2 oder 3 unter-
Ca. ab 150° Elevation endet die Mobilität der Schulterge- schiedliche Formen eines painful arc, die entweder
lenke GHG/ACG/SCG und Nebengelenke wie Fornix und oberflächlich tendoossär oder tiefliegend tendoossär lie-
thorakoskapuläres Gleitlager. Weitere 20° werden aus der gen können, je nach Grad des Weichteilstadiums 2 oder 3.
Mobilität der Wirbelsäule gewonnen und 10° aus der an- Der tendomuskuläre Übergang hat keinen painful arc,
gulären Schlussaußenrotation. zeigt sich aber beim Widerstandstest gegen die Abduktion
positiv schmerzhaft. Fast immer liegen die Gründe in einer
> Das Gleiten und Rutschen verläuft in den Recessus
degenerativen Veränderung der Sehne.
subscapularis nach ventral.
Der Patient hat aufgrund des Längseinrisses im Wider- Das Ganglion entsteht durch Traumen bzw. einen Sturz auf
standstest wenig Krafteinbuße. Traumatische Rupturen den ausgestreckten Arm, was häufig bei Turnern, Boxern
zeigen sich je nach Größe der Ruptur von einem Abduk- oder Judokas vorkommt. Es kommt zum Anriss des Tuber-
tionsschmerz bis hin zur kompletten Unbeweglichkeit des culum supraglenoidale mit Bildung eines Ganglion (Zyste),
Armes. mit Druck auf den N. suprascapularis. Der Patient gibt
einen lateral-dorsalen Schmerz an. Das ACG zeigt sich
> Eine Ruptur zeigt sich durch einen heftigen
nach kranial höher als die Klavikula. Die passive trans-
Schmerz und ein hörbares Knacken der Manschette.
versale Adduktion ist schmerzhaft.
Durch den Verlust der Aktivität des M. supraspinatus, der
primär bei einer Rotatorenmanschettenruptur betroffen
44 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
Die Bursitis subacromialis entsteht akut, durch z. B. einen . Abb. 2.8 Rechter Schultergürtel von ventral 1 M. deltoideus pars
Kalkdepoteinbruch, oder chronisch durch eine mechani- acromialis, 2 Mohrenheim-Grube, 3 M. deltoideus pars clavicularis,
sche Irritation. Die Bursitis ist gezeichnet von: 4 M. pectoralis major pars clavicularis, 5 M. biceps brachii, 6 M. pecto-
4 einer fluktuierenden Schwellung und ralis major pars sternocostalis, 7 M. pectoralis major pars abdomina-
lis, 8 M. triceps brachii, 9 M. latissimus dorsi, 10 M. serratus anterior
4 einer Bewegungsunfähigkeit in alle Richtungen. Der
M. supraspinatus ist fast immer mitbetroffen.
2.12.12 Impingement
1
2
Impingement ist die Zustandsbeschreibung einer subakro- 3 11
mialen Raumenge, die aus unterschiedlichen Gründen
4
entstehen kann: 9 10
4 Als erstes kann eine Raumenge anatomisch durch ein 5 6
»Hook Acromion« vorgegeben sein. Bei einem 7
Akromion, das die Form eines »hook« (Haken) hat,
8
zeigt sich die Beschwerdesymptomatik mit einem
frühzeitigen painful arc.
4 Ein tonisch funktionelles Impingement kann aus-
gelöst werden durch die muskuläre Veränderung der . Abb. 2.9 Rechter Schultergürtel von dorsal
Rotatorenmanschette über den Verlust des physiolo- 1 M. trapezius pars descendens, 2 M. deltoideus pars acromialis,
gischen Rotatorenintervalls. 3 M. trapezius pars transversa, 4 M. deltoideus pars spinalis,
4 Ein pathologisches Impingement entsteht durch 5 M. infraspinatus, 6 M. teres major, 7 M. trapezius pars ascendens,
8 M. latissimus dorsi, 9 M. triceps brachii caput longum, 10 M. triceps
Aufquellungen der Sehnen (Tendinitis) oder Bursa- brachii caput laterale, 11 M. biceps brachii
affektionen und führt bei Abduktion des Armes zu
Beschwerden.
4 Als konstitutionsbedingt kann man ein Impinge- der Achselregion (. Abb. 2.8, . Abb. 2.9, . Abb. 2.10,
ment durch eine protrahierte Schulter bezeichnen. . Abb. 2.11, . Abb. 2.12).
Schmerzhaft zeigt sich hier das ACG.
Ein Impingement gerät am meisten bei 60°–120° Abduk- 2.14 Anamnese, Inspektion, Palpation
tion unter Kompression mit Hauptbeschwerden im ven- der Schulter
trolateralen GHG-Bereich.
2.14.1 Anamnese
2
4
6 2
2 1
1
3
3
5
8 6
4 5
7
8
2
. Abb. 2.12 Rechte Skelettschulter, kraniale Ansicht
1 1 Klavikula, 2 Extremitas sternalis, 3 Extremitas acromialis, 4 SCG, 5
8 ACG, 6 Akromion, 7 Tuberculum majus, 8 Spina scapulae, 9 Humerus
9
4
3
4 Bestanden in der Vergangenheit Probleme?
4 Wurde eine außergewöhnliche Belastung in der
7 5 letzten Zeit ausgeübt (New-, Mis-, Up-, Over-use)?
6
Mögliche anamnestische Angaben eines Patienten, der
10 Schmerzen in der Schulter oder im Arm hat, sind in der
11 folgenden Tabelle aufgelistet (. Tabelle 2.1).
2.14.2 Inspektion
. Abb. 2.11 Kraniale Ansicht der Schulter
1 Klavikula, 2 Extremitas sternalis, 3 Extremitas acromialis, 4 Mohren- Der Therapeut sollte schon die Anamnese mit einem Ins-
heimGrube, 5 M. deltoideus pars clavicularis, 6 M. deltoideus pars pektionsbefund des Patienten verbinden.
acromialis, 7 M. deltoideus pars spinalis, 8 M. trapezius pars descen-
dens, 9 Spina scapulae,10 Akromion, 11 Tuberculum majus jInspektion des zervikothorakalen Überganges
> Ein Morbus Farfan (»Turtle sign«, hochzervikaler
Gibbus) mit damit verbundener Brustkyphose führt
4 Seit wann hat der Patient Beschwerden? zur Protraktionsstellung der Schulter. Konstitutions-
4 Wo sind die Beschwerden? bedingt müssen sich der M. trapezius und M. levator
4 Wie zeigt sich das Beschwerdebild? scapulae verkürzen. Das Ganglion stellatum kann
4 Welche Therapie/Medikamenteneinnahme erfolgte unter Stress geraten mit den Zeichen einer Ge-
bisher? fäßengstellung und hoher Schweißdrüsensekretion.
4 Gibt es Röntgenbilder? Aufgrund des Extensionsdefizits beim Morbus
2.14 · Anamnese, Inspektion, Palpation der Schulter
47 2
. Tabelle 2.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundinterpretation einer schmerzenden Schulter/Arm
Patient gibt bei elevierten Armen oder Schultern (z. B. Maler/ Arterielles Kompressionssyndrom
Tischler/Ellenbogen auf dem Schreibtisch abstützen) Taubheits- TOKS/TIKS
oder Einschlafgefühl an
Farfan können ischämische Irritationen mit einem Hervorstehender Humeruskopf. Wenn der Humeruskopf
Einschlafgefühl der Hände auftreten. Patienten mit nach ventral vorsteht, ist dies ein Zeichen für eine ventrale
einem Morbus Farfan haben keine endgradige Instabilität des Schultergelenks.
Bewegungsfreiheit des Schultergelenks bis 180°,
können ihre Arme nur schlecht in den Nacken legen Extensorische Brustwirbelsäule. Verbunden mit einer
und müssen mit einem Kissen unter dem Kopf kräftigen paravertebralen Muskulatur (in-line-hollow)
schlafen, da sie ein Extensionsdefizit des zerviko- besteht aufgrund fehlender exzentrischer Muskelkontrak-
thorakalen Übergangs haben. tionsfähigkeit die Gefahr von Anterolisthesen, die durch
Armelevation forciert werden können, da keine physiolo-
gische Anspannung der Facettengelenkkapsel besteht.
Bei der Inspektion des zervikothorakalen Übergangs sollte
auf folgende Auffälligkeiten geachtet werden: Muskelatrophien. Sie sind ein Zeichen von Minderversor-
gung, Denervation oder Inhibierung.
Protraktionsstellung der Schultern. Ohne konstitutions-
bedingte Ursache liegt eine Protraktionsstellung primär an Schwellungen. Subakromiale Schwellungen im Bereich
einem verkürzten M. pectoralis minor. Die Folge sind isch- des M. deltoideus und M. subscapularis legen den Verdacht
ämische Irritationen. auf eine Bursitis nahe.
48 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
jAktive Flexion der HWS Ausführung. Der Patient zieht beide Schultern maximal
In Flexion zeigen sich neurogene Zugreize und Zugreize an hoch. Gemessen durch eine gedachte Transversallinie in
der Dura mater. Jedoch nur dann möglich wenn keine Höhe von Th2 beträgt der Normwert ca. 30°.
Divergenzdefizite Th1-Th4 bzw. Exspirationshypomobili-
täten der zweiten und dritten Rippe vorliegen. Interpretation. Eine Bewegungsstörung kann durch fol-
gende Gelenke verursacht werden:
jAktive Extension der HWS 4 Thorakoskapuläres Gleitlager,
In Extension zeigen sich am deutlichsten: 4 Akromioklavikulargelenk,
4 Forameneinengungen, 4 Sternoklavikulargelenk.
4 Bandscheibenläsionen,
4 Konvergenzdefizite Th1-Th 4, bzw. Inspirations- Eine Limitierung der Kraft kann geprägt werden durch
hypomobilität der zweiten und dritten Rippe können eine asymmetrische Skapula- bzw. Schulterbewegung.
die Extension der HWS einschränken.
> Ausgeschlossen werden sollte eine Läsion:
4 eine Kompensationslisthese C4.
5 des N. thoracicus longus,
jAktive Lateralflexion der HWS
5 des N. dorsalis scapulae und
5 des N. accessorius.
Bei Schmerzauslösung an der Schulter kann es sich um
eine Bandscheibenproblematik oder eine Forameneinen-
gung der rechten Seite handeln. Konvergenznormomobili- jDepression der Schultern, beidseitig
tät rechts und Divergenznormomobilität links lassen eine (. Abb. 2.14)
exakte Beurteilung der Lateroflexion der HWS zu. ASTE. Der Patient steht.
jAktive Rotation der HWS Ausführung. Der Patient zieht beide Schultern maximal
Bei Schmerzauslösung im Bereich der Schulter kann es nach innen unten. Gemessen durch eine gedachte Trans-
sich um eine Bandscheibenproblematik oder eine Fora- versallinie in Höhe von Th2 beträgt der Normwert ca.
meneinengung der rechten Seite handeln. Konvergenz- 5–10°.
normomobilität rechts und Divergenznormomobilität
links lassen eine exakte Beurteilung der Lateroflexion der Interpretation. Folgende Gelenke können Ursache einer
HWS zu. Bewegungsstörung sein:
50 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
jSchulterretraktion, beidseitig (. Abb. 2.15) Ausführung. Der Patient hebt beide Arme in Flexion und
ASTE. Der Patient steht. Elevation.
> Durch die beidseitige Elevation ist die Wirbelsäule
Ausführung. Der Patient zieht beide Schultern maximal
in der Sagittalebene fixiert. Dadurch wird die
nach hinten. Elevationsmöglichkeit auf ca. 160° limitiert. Eine
einseitige weiterlaufende Seitneigung oder Rota-
Interpretation. Eine Störung der Bewegung kann verur-
tion wird aufgehoben.
sacht werden durch:
4 das thorakoskapuläre Gleitlager, > Dieser Test ist eine wichtige Differenzierung zum
4 die Extensionsfähigkeit der BWS, Ausschluss des GHG und einer Wirbelsäulen-
4 das Akromioklavikulargelenk oder problematik.
2.15 · Basisuntersuchung der Schulter
51 2
jAktive Elevation einseitig (. Abb. 2.17)
ASTE. Der Patient steht.
. Abb. 2.21 Aktive Extension rechts jAktive Innenrotation einseitig (. Abb. 2.23)
. Abb. 2.28 Mobilitätstest für den Recessus axillaris . Abb. 2.29 Passive Abduktion in Elevation aus der Nullstellung
. Abb. 2.30 Passive Abduktion in Elevation aus Außenrotation . Abb. 2.31 Passive Abduktion in Elevation aus Innenrotation
Hand bringt er den Arm des Patienten in maximale Exten- Ausführung. Der Therapeut umgreift im Zangengriff die
sion. kaudale Spitze der Skapula und führt den Arm des Patien-
ten in Abduktion. Ab ca. 60° Abduktion im GHG zeigt die
> Der Therapeut verschafft sich beim Testen der
Skapula eine steigende Tendenz zur Mitbewegung. Bis 90°
Extension lediglich ein Bild des Bewegungsaus-
Abduktion sollte mit dem Daumen noch eine Widerlage-
maßes im Vergleich zum aktiven Test, einer eventu-
rung der Skapula möglich sein. Es wird kein Endgefühl
ellen Schmerzhaftigkeit und der Bereitwilligkeit
getestet.
zur Bewegung.
. Abb. 2.33 Alternativer Test der passiven Außenrotation, rechts . Abb. 2.34 Passive Innenrotation, rechts
Ausführung. Der Therapeut steht an der zu untersuchen- Ausführung. Der Therapeut steht an der zu untersuchen-
den Seite neben dem Patienten. Der rechte Arm des Pa- den Seite seitlich hinter dem Patienten. Der rechte Arm des
tienten wird in 90° Abduktion und 90° Ellenbogenflexion Patienten wird in 90° Elevation und 90° Ellenbogenflexion
vorpositioniert. Der Therapeut umfasst bzw. fixiert mit vorpositioniert. Der Therapeut umfasst und fixiert mit sei-
seiner linken Hand das Akromion und mit seiner rechten ner linken Hand den Oberarm und mit seiner rechten
Hand den distalen Unterarm des Patienten. Er führt den Hand von kranial kommend den distalen Unterarm des
2.15 · Basisuntersuchung der Schulter
59 2
2.15.8 Zusatztest: Provokations-
und Mobilitätstestung passiv
. Abb. 2.38a–d
ROWE-Test zum Untersuchen einer anterioren Instabilität
a Test 030°, b Handling, c Test 30–60°, d Test 60–90°
a b
c d
jROWE-Test (. Abb. 2.38) liegenden Daumen. Die Provokation endet in der Verrie-
gelungsstellung bei ca. 90°.
> Der ROWE-Test dient der Untersuchung einer
anterioren Instabilität.
Interpretation. Je nach Abduktionsstellung der Provoka-
ASTE. Der Patient sitzt. tion werden die Ligg. glenohumeralia getestet.
> Je kürzer der ventrale Weg ist, umso massiver ist die
Ausführung. Der Therapeut steht an der zu untersuchen-
anteriore Instabilität, da der Humeruskopf ventral
den Seite hinter dem Patienten, widerlagert mit dem linken
steht.
Mittelfinger den Processus coracoideus und platziert sei-
nen linken Daumen von dorsal auf den Humeruskopf. Mit Differenzialdiagnostisch können bei Schmerzauslösung
der rechten Hand umfasst er den angewinkelten distalen folgende Ursachen in Betracht gezogen werden:
Unterarm. Aus vorher eingestellter Außenrotation gibt der 4 eine Tendopathie des M. subscapularis,
Therapeut aus verschiedenen Abduktionsstellungen einen 4 eine Reizung der Bursa subtendinea,
kurzen Impuls nach ventral mit seinem am Humerus an- 4 eine Läsion des Labrum glenoidale.
2.15 · Basisuntersuchung der Schulter
61 2
> Schmerzlokalisation:
5 0° bis ca. 30° Abduktion: Lig. glenohumerale
superior,
5 30° bis ca. 60° Abduktion: Lig. glenohumerale
medius,
5 60° bis ca. 90° Abduktion: Lig. glenohumerale
inferior.
. Abb. 2.44 Innenrotation gegen Widerstand, rechts . Abb. 2.45 Ellenbogenflexion gegen Widerstand, rechts
Schwäche lässt auf eine Läsion des: Schwäche kann ein Hinweis sein auf eine Läsion des
4 N. axillaris oder N. subscapularis.
4 N. suprascapularis schließen.
> Differenzialdiagnostisch kann über longitudinale
> Differenzialdiagnostisch kann eine Reizung der Separation eine Reizung der Bursa subtendinea
Bursa subacromialis gegenüber einer Läsion des subscapularis oder der Bursa subacromialis gegen-
M. infraspinatus über eine longitudinale Separation über Affektionen des M. subscapularis ausgeschlos-
abgegrenzt werden. sen werden.
jInnenrotation gegen Widerstand (. Abb. 2.44) jEllenbogenflexion gegen Widerstand (. Abb. 2.45)
ASTE. Der Patient sitzt oder steht, der Arm wird in Null- ASTE. Der Patient sitzt oder steht, er legt seinen Oberarm
stellung gehalten, der Ellenbogen ist 90° gebeugt. fest an seinen Thorax an, beugt seinen Ellenbogen auf 90°,
und dreht seinen Unterarm in Supination.
Ausführung. Der Therapeut steht an der zu untersuchen-
den Seite und fixiert mit seiner linken Hand den in 0° am Ausführung. Der Therapeut steht an der zu untersuchen-
Körper anliegenden distalen Oberarm des Patienten von den Seite und fixiert mit seiner linken Hand das Ellen-
ventral. Die rechte Hand umgreift den distalen Unterarm. bogengelenk von dorsal. Die widerlagernde rechte Hand
Der Patient drückt 1–2 sec (30 sec bis zu einer Minute) umgreift von ventral den distalen Unterarm des Patienten.
maximal gegen die widerlagernde rechte Hand des Thera- Der Patient drückt 1–2 sec (30 sec bis zu einer Minute)
peuten in Innenrotation. maximal gegen die widerlagernde rechte Hand des Thera-
peuten in Ellenbogenflexion.
Interpretation. Bei Schmerz kann geschlossen werden auf
eine: Interpretation. Bei Schmerz besteht der Verdacht auf eine:
4 Läsion im tendomuskulären Übergang und/oder, 4 Läsion im tendomuskulären Übergang,
4 Tendopathie des M. subscapularis und/oder, 4 Tendopathie oder Insertionstendopathien des
4 Tendopathie des M. biceps brachii caput breve. M. biceps brachii caput longum.
2.16 · Weichteiltechniken an der Schulter
65 2
> Differenzialdiagnostisch kann ein Kompressions-
schmerz der Bursa subacromialis durch erhöhten
subakromialen Druck abgegrenzt werden.
a b
c d
. Abb. 2.49a–d a, b Querfriktion proximal an der Sehne des M. subscapularis links (a ASTE, b ESTE). c, d Anatomische Orientierung (c ASTE,
d ESTE). Grüner Pfeil: Faserverlauf des betroffenen Muskels, Roter Pfeil: Bewegungsrichtung der Querfriktion
2.16.3 Behandlung des M. subscapularis Beginn. Ab dem 42. Tag therapieresistenten Schmerzes
kann mit der Querfriktion begonnen werden.
jQuerfriktion proximal an der Sehne
des M. subscapularis (. Abb. 2.49) Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses.
a b
c d
. Abb. 2.50a–d a, b Behandlung einer Läsion an der distalen Insertion des M. subscapularis (a ASTE, b ESTE). c, d Anatomische Orientierung
(c ASTE, d ESTE).
Grüner Pfeil: Faserverlauf des betroffenen Muskels, Roter Pfeil: Bewegungsrichtung der Querfriktion
Ausführung. Der Therapeut steht an der zu behandelnden jBehandlung einer Läsion an der distalen Insertion
Seite und legt seinen rechten Daumen unter Hautvorgabe des M. subscapularis (. Abb. 2.50)
auf den höchsten Punkt des Tuberculum minus. Mit seiner
linken Hand umfasst er das distale Ende des Unterarmes > Die Anwendung erfolgt bei chronischer distaler in-
des Patienten, führt eine ca. 45° Ellenbogenflexion durch sertionsnaher Tendopathie des M. subscapularis.
und positioniert durch Außenrotation das Tuberculum Der Widerstandstest in Innenrotation und ein pain-
minus nach ventral. Unter Druck auf das Tuberculum mi- ful arc zwischen 160° und 180° sind positiv.
nus und einer Bewegung bis zur kranialen Insertionsgren-
ze wird die Querfriktion ausgeführt. Sie endet, wenn die > Behandlungskriterien und Ausführung sind der der
Kontur der Sehne durch Aufquellung verstreicht. proximalen Insertion gleichzusetzen.
70 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
b c
ESTE
Mittelstellung
aus ASTE
d e
. Abb. 2.51a–e a–c Behandlung einer Läsion an der medialen Insertion des M. subscapularis links: a ASTE, b Mittelstellung, c ESTE,
d anatomische Orientierung ASTE, e anatomische Orientierung ESTE.
Grüner Pfeil: Faserverlauf des betroffenen Muskels, Roter Pfeil: Bewegungsrichtung der Querfriktion
2.16 · Weichteiltechniken an der Schulter
71 2
jDehnung des M. subscapularis (. Abb. 2.52)
Beginn. Nach dem 2. Tag der Aktualisierung kann die
Dehnung für den M. subscapularis durchgeführt werden.
a ASTE. Der Patient sitzt. Er legt seine linke Hand auf seine
rechte Schulter, um die Sehne des M. infraspinatus und
M. teres minor durch Flexion und Adduktion im GHG
nach lateral hervorzuheben, und um die Sehne vorzuspan-
nen.
a b c
. Abb. 2.57a–c Trophiktraining für den M. biceps brachii caput longum am Zuggerät, rechts. a ASTE, b Mittelstellung, c ESTE
2.16.5 Neurogene Dehnung des und der N. cutaneus brachii lateralis superior durch den
N. suprascapularis und N. axillaris; Hiatus axillaris lateralis hindurch.
Anatomische Voraussetzungen für
die Entstehung von Engpässen
2.16.6 Grundeinstellung bei einer Nerven-
mobilisation am Schultergürtel
> Beide Nerven spielen im Bereich der Schulter in der
Schmerzsymptomatik eine große Rolle.
Als Grundeinstellung werden die Ursprungssegmente des
N. suprascapularis. Er gehört zu den supraklavikulären Nervs und die Dura mater in Vordehnung gebracht. Die
Nerven und steht in enger Verbindung zum N. dorsalis Schulter des Patienten liegt im Überhang.
scapulae, so dass durch wurzelnahe Irritationen oder einen 4 Der Therapeut drückt entweder von kranial mit
mechanischen Reiz in der Loge der Mm. scaleni gemeinsa- seinem Oberschenkel die Schulter des Patienten in
me Beschwerden interskapulär und kranial-lateral des Depression,
GHG auftreten können. 4 er steht kaudal neben dem Patienten und zieht die
Isolierte Beschwerden zeigen sich in der Region des Schulter mit seiner Hand in Depression oder
Sulcus intertubercularis, der über den N. axillaris versorgt 4 er positioniert mit seinem Oberschenkel oder mit der
wird, und im Bereich des Hiatus axillaris lateralis, der als schulterfixierenden Hand die Protraktion (für den
dorsal-lateraler Schmerz interpretiert wird und oft durch N. suprascapularis) oder die Retraktion (für den
Läsionen am tendomuskulären Übergang mit einem N. axillaris) der Schulter vor.
Muskelbauchödem des M. teres minor verursacht wird.
Der zu mobilisierende Nervenabschnitt im Schulterbe-
N. axillaris. Er hat eine enge Verbindung zum N. radialis, reich wird aus der submaximalen Einstellung mobilisiert,
aber auch zum N. thoracodorsalis und N. subscapularis alle anderen Gelenke werden maximal eingestellt. Soll der
durch den gemeinsamen infraklavikulären Verlauf im ursprungsnahe Nervenabschnitt betont werden, wird über
Fasciculus posterior. Nicht selten treten bei einer mechani- die Halswirbelsäule gearbeitet. Soll der ansatznahe Nerven-
schen Reizung in der kostoklavikulären Pforte oder im abschnitt mobilisiert werden, wird über den Schultergürtel
Bereich des M. pectoralis minor gemeinsame Irritationen oder den Arm gearbeitet. Begonnen wird mit einem
auf. Ein weiterer Engpass des N. axillaris ist der Hiatus »Warming up« des neuralen Systems, mit dem Ziel, epi-
axillaris lateralis, der eine quadratische Muskellücke ist, die neurale Ödeme anzusprechen sowie den Axonplasmafluss
gebildet wird durch den M. teres minor, den M. triceps zu mobilisieren.
brachii caput longum und den M. teres major. Zusätzlich
zum N. axillaris, zieht die A. circumflexa humeri posterior
2.17 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des SCG
75 2
2.17 Gelenkspezifische Untersuchung
und Behandlung des SCG
. Abb. 2.61a–d Joint play für die Abduktion/Elevation im ACG ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
nach kaudal-medial aus Elevationsposition des Schultergürtels,
rechts. a Joint play, b Handling, c anatomische Orientierung, Ausführung. Der Therapeut steht hinter dem Patienten
d Handling
und palpiert mit dem linken Zeigefinger den ACG-
Gelenkspalt. Unter Elevation des rechten Schultergürtels
des Patienten testet er weiterlaufende Bewegungen der
Klavikula nach dorsal und nimmt diese submaximal als
Vorposition für den Joint play. Der linke Daumen des The-
2.18 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des ACG
79 2
rapeuten wird gelenknah auf die Klavikula gelegt, der rech-
te Daumen überlagert die linke Daumenkuppe und gibt die
Bewegungsrichtung entsprechend der Vorgabe des Ge-
lenkspalts leicht nach medial unter Translationsstufe 2 vor.
Zum Schluss gibt der Behandler einen Überdruck zur
Erfassung der Kapselqualität.
> Kompressionsgleiten: Die rechte Hand des Thera-
peuten gibt über den Humeruskopf einen medialen
Druck in das Gelenk. Der rechte Daumen wird über
den linken Daumen gedoppelt. Getestet werden a
degenerative Veränderungen der obersten Knorpel-
schicht und ein damit verbundenes schlechteres
Gleiten.
Approximationsgleiten: Die rechte Hand des Thera-
peuten umgreift im Zangengriff das Akromion und
gibt eine nach medial dezente Kompression. Der
rechte Daumen doppelt den linken. Getestet wer-
den synoviale Veränderungen gegenüber dem phy-
siologischen Joint play.
2 Dosierung
4 Zur Trophikverbesserung des ACG: 31–40 Wieder-
holungen, bei 20 % Maximalgewicht, mit einer
Minute Pause, davon 3–4 Serien.
4 Um die Synovia einzupressen: Knorpelgleiten/-mas-
sage mit 21–30 Wiederholungen bei 40 % Maximalge-
wicht, eine Minute Pause, davon 3–4 Serien.
ASTE. Der Patient sitzt oder steht. Der rechte Arm des kVerriegelte Stellung
Patienten befindet sich in 90° Abduktion, 90° Ellenbogen- (»maximally close packed position«)
flexion und transversaler Unterarmhaltung. 90° Armabduktion und maximale Außenrotation.
Ausführung kKapselmuster
4 Am Butterflygerät drückt der Patient in vorgegebe- Die Relation von Außenrotation zu Abduktion zu Innen-
ner Stellung den Hebelarm in horizontale Abduktion. rotation entspricht 3:2:1.
2.19 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des GHG
81 2
kBiomechanik des GHG bei Schulterbewegung > Die Innenrotation wird nur bei endgradigen Innen-
Beschrieben wird hier die Humerusbewegung: rotationseinschränkungen isoliert aus Vorposition
4 Elevation (erzeugt Adduktion im GHG ): kranial/ und Nullstellung mobilisiert und aufgrund der
ventromedial unterschiedlichen Achsen nie zusammen mit der
4 Depression (erzeugt Abduktion im GHG ): kaudal/ Flexionsmobilisation eingestellt.
ventromedial
4 Protraktion (erzeugt Außenrotation im GHG): Bis 90° Flexionseinschränkung werden primär Techniken
ventromedial nach dorsal-lateral angewandt. Ab 90° bis ca. 160°, wird
4 Retraktion (erzeugt Innenrotation im GHG ): zusätzlich der kaudo-laterale Aspekt mobilisiert. Es besteht
dorsolateral die Gefahr einer zu hohen Kompression im Subakromial-
raum, so dass eine schonende Mobilisation über den
kBiomechanik des GHG bei Armbewegungen konkaven Partner in der geschlossenen Kette erfolgt. Tech-
Beschrieben wird die Humerusbewegung. niken in Bauchlage und Rückenlage über eine Mobilisation
4 Flexion/Elevation: dorsal/kaudal/lateral der Skapula stehen dazu zur Verfügung.
4 Abduktion/Elevation: kaudal/lateral In der Endgradigkeit wird wieder über den Humerus
4 Extension: ventral/kaudal/medial gearbeitet, entsprechend der Drehpunkverschiebung in
4 Innenrotation: dorsal/lateral lateral-dorsaler-kaudaler Richtung.
4 Außenrotation: ventral/medial
kExtension
kÜbersicht: Testreihenfolge für das GHG Die Extension ist mit der Innenrotation arthrokinematisch
4 Check-up der HWS gekoppelt Dabei stellt die Außenrotation bei Bewegungs-
4 Check-up des Schultergürtel limitierung die größere Problematik in Gebrauchs- und
4 Passive Testung Arbeitsbewegungen dar. Aufgrund der Spinbewegung
4 Zusatztestung wird bei der Extension der ventrokaudale Kapselanteil ge-
4 Widerstandstestung stresst, und in Außenrotation mehr der ventromediale
4 Gelenkspezifische Testung des GHG Kapselanteil. Um festzustellen, welcher Kapselanteil ein-
geschränkt ist, muss das Joint play unter Vorposition
kMechanik des Schultergelenks Extension nach ventro-kaudal getestet werden, das in
Im Schultergelenk sind die folgenden drei Hauptbewe- Außenrotation nach ventromedial.
gungen im alltäglichen Gebrauch besonders wichtig:
> Die Außenrotation wird nur isoliert aus der Null-
4 Flexion,
stellung mobilisiert und aufgrund der unterschied-
4 Extension und
lichen Achsen nie zusammen mit der Extensions-
4 Abduktion.
mobilisation eingestellt.
kFlexion
Die Flexion ist die komplizierteste Bewegung. Sie ist arth- kAbduktion
rokinematisch gekoppelt mit der Außenrotation und Bei der Abduktion und Elevation wandert der Kapselanteil
erzeugt zwischen 0 und 90° bei fixierter Skapula eine ohne Spinbewegung durch die Skapularotation von kaudal
Spinbewegung, die den dorsolateralen und kaudolateralen nach kaudal-lateral bis zur Endgradigkeit nach ventral-
Kapselanteil beansprucht. Um festzustellen, welcher kaudal-lateral. Hier wird das Joint play anfänglich unter
Kapselanteil eingeschränkt ist, bedarf es eines Joint play der Vorposition Abduktion im Seitenvergleich nach kau-
unter Vorpositionierung in Flexion nach dorsolateral und dal ausgeführt, ab 90° immer mehr kaudal-lateral und in
kaudolateral im Seitenvergleich. der Endgradigkeit nach ventrokaudal-lateral.
Ab 90° Flexion rotiert die Skapula mit und positioniert
die Kapselanteile des GHG von zuerst dorsal über dorso- > 5 Tritt in der Endgradigkeit der Schmerz dorsal
kaudal entsprechend der Drehpunktveränderung. In der auf, handelt es sich um ein Gleitdefizit nach ven-
endgradigen Elevation wird betont der dorsal-lateral- tral-lateral-kaudal (Angulationsschmerz).
kaudale Kapselanteil beansprucht. 5 Tritt in der Endgradigkeit der Schmerz ventral
Um den Kapselanteil herauszufinden, der ein- auf, so besteht ein Mobilitätsdefizit des Recessus
geschränkt ist, muss das Joint play unter der Vorposition axillaris, der sich in Endgradigkeit durch Positio-
Elevation nach dorsallateral (kaudal) getestet werden. nierung der Skapula ventral-lateral-kaudal be-
findet. Hier folgt dann eine Dehnmobilisation für
den Recessus axillaris.
82 Kapitel 2 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Schultergürtel
Das translatorische Gleiten ist im GHG das Mittel der jTLG-Mobilisation für Abduktion/Elevation im GHG
Wahl in der Manualtherapie. Bei der translatorischen nach kaudolateral
Technik ist es möglich, selektiv das eingeschränkte Gebiet Ziel. Translation in die behinderte Gleitrichtung unter VP
zu lokalisieren und zu behandeln, und sie ist nicht von der und Traktionsstufe 3.
Adhäsionskraft abhängig.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
> Wichtig ist es, zuerst die Mobilität in ACG und SCG
auszuschöpfen, bevor im GHG ein translatorischer
Dosierung
Test oder eine Behandlung durchgeführt wird.
4 Rhythmisch 20-mal ausführen. 5 Statisch 30 sec bis
2 min.
4 Zum Schluss den Patienten in Abduktion anspannen
2.19.2 TLG nach kaudolateral
lassen, um einen Release pain zu verhindern,
4 Anschließend sollten passive und aktive Übungen
jTLG-Joint play für Abduktion/Elevation im GHG
stattfinden, bei denen betont die Osteokinematik und
nach kaudolateral, ab Vorposition 70° Abduktion
Arthrokinematik über Range of Motion-Training
(. Abb. 2.64)
koordiniert werden.
> Anwendung bei einer Bewegungseinschränkung
der Abduktion bzw. Elevation.
2.19 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des GHG
83 2
2.19.3 TLG nach dorsolateral
2 30°
30°
. Abb. 2.66 Flexion unter 90°: ASTE RL. Der Oberarm ist in der indi-
viduellen Flexionseinschränkung und 30° Adduktionsstellung. Der
Schub geht nach dorsolateral. Die proximale Hand fixiert die Schul-
ter und die distale Hand gibt Schub.
Dosierung
4 Rhythmisch 20-mal ausführen.
4 Statisch 30 sec bis 2 min.
4 Zum Schluss den Patienten in Retraktion anspannen
lassen, um einen Release pain zu verhindern.
4 Anschließend sollten passive und aktive Übungen
stattfinden, bei denen betont die Osteokinematik und c
Arthrokinematik über Range of Motion-Training 15°
koordiniert werden.
160°
90° a b
90° – 160°
a b
jAlternative Technik für Flexion/Abduktion/ Flexion, Abduktion und Elevation vorpositioniert, wobei
Elevation bei Vorposition ab 110° bis ca. 160° die Vorposition durch Schienung des Patientenarmes mit
Flexion/Abduktion/Elevation über den konkaven dem kranialen Arm des Therapeuten gehalten wird. Es
Gelenkpartner (. Abb. 2.69) sollte kein Zug am Arm ausgeübt werden, sondern nur die
Eigenschwere abgenommen werden. Mit der kaudalen
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage Hand modelliert sich der Therapeut mit der Basis des
Thenar und Hypothenar an die Margo lateralis, nimmt den
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich neben dem Pa- Weichteilslack heraus und bewegt die Skapula bei fixier-
tienten an der zu behandelnden Seite. Der Arm wird in tem GHG bogenförmig nach kraniomedial.
2.19 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des GHG
87 2
. Abb. 2.70a,b a Dehnung des Recessus axillaris bei ventrolateralem Elevations-/
Abduktionsschmerz unter Vorposition 90° bis ca. 180° Abduktion/Elevation nach
ventrolateral, rechts. b Anatomische Orientierung
90° – 180°
a b
jDehnung des Recessus axillaris bei ventrolateraler Arthrokinematik über Range of Motion-Training
Elevations-/Abduktionshypomobilität unter koordiniert werden.
Vorposition 90° bis ca. 180° Abduktion/Elevation
nach ventrolateral (. Abb. 2.70)
2.19.6 Endgradige Techniken zwischen 160°
> Anwendung bei einer Bewegungseinschränkung
und 180° über den konvexen Partner
der Abduktion und Elevation ab 90° bis 180° bei
für das GHG
dorsokaudaler Hypomobilität.
Ziel. Dehnung des Recessus axillaris bei Vorposition Bei den endgradigen Techniken stehen drei Ausgangsstel-
Abduktion und Elevation. lungen zur Verfügung, um individuell auf die Konstitution
des Patienten einzugehen:
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. 4 Bauchlage,
4 Rückenlage und
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich neben dem 4 Sitz.
Patienten an der zu behandelnden Seite. Der Arm wird in
> Aus allen drei Ausgangsstellungen kann der
Abduktion und Elevation vorpositioniert, wobei die
Therapeut eine ventrolaterale oder dorsolaterale
Vorposition durch Schienung des Patientenarms mit dem
Kapselrestriktion betonen.
kranialen Arm des Therapeuten gehalten wird. Mit der
kaudalen Hand modelliert sich der Therapeut mit der
Basis des Thenar und Hypothenar an die Margo lateralis, jEndgradige Mobilisation in Rückenlage
nimmt den Weichteil-Slack heraus und bewegt die Skapula (. Abb. 2.71)
nach dorsal-kaudal-medial. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
ventrolateraler
Kapselanteil
b
dorsolateraler
Kapselanteil
a c
. Abb. 2.71a–c Für Flexion/Abduktion/Elevation. a Endgradige Mobilisation in Rückenlage, rechts. b Anatomische Orientierung ventral
lateral. c Anatomische Orientierung dorsal lateral
scapulae möglichst proximal an den Humerus an und führt seine linke Hand im Gabelgriff medialseitig distal des
unter Abnahme des Weichteilslack eine Art »Löffelbe- Akromions an und gibt die Bewegungsrichtung unter
wegung« in die vorgegebene Bewegungsrichtung unter Translationsstufe 2 bzw. 3 mit der linken Hand vor. Am
Translationsstufe 2 bzw.3. aus. Am Ende der vorgegebenen Ende der vorgegebenen Schubrichtung gibt der Therapeut
Schubrichtung gibt der Therapeut beim Joint play einen einen Überdruck.
Überdruck.
> Bei V.a. Abduktions-Elevationseinschränkung wird
> Bei V.a. Abduktions-Elevationseinschränkung wird ein TLG nach ventrolateral-kaudal ausgeführt.
ein TLG nach ventrolateral-kaudal ausgeführt. Bei Bei V.a. Flexions-Elevationseinschränkung wird ein
V.a. Flexions-Elevationseinschränkung wird ein TLG TLG nach dorsolateral-kaudal ausgeführt.
nach dorsolateral-kaudal ausgeführt.
a c
. Abb. 2.72a–c a Alternative der endgradigen Mobilisation im Sitz, rechts. b Anatomische Orientierung ventral-lateraler Kapselabschnitt.
c Anatomische Orientierung dorsal-lateraler Kapselabschnitt
jSymptome der Instabilität 4 alle Widerstandstests bis auf Adduktion und Exten-
Durch die Verkleinerung des ventralen Aspektes kommt es sion können positiv sein.
zu
2 4 Protraktion der Schulter mit antagonistischer jSchwere Instabilität
Gegensteuerung des M. trapezius, Eine schwere Instabilität zeigt sich an folgenden Kriterien:
4 Überbelastung mit Schmerzen der ventralen aktiven 4 bei der aktiven Bewegung ist die Extension schmerz-
und passiven Strukturen, haft, die Außenrotation ist eingeschränkt,
4 einem gestörten Rotatorenintervall, 4 bei der passiven Bewegung ist die Außenrotation
4 fehlender Zentrierung des Humeruskopfes (der Kopf schon vor Bewegungsende schmerzhaft, die Bizeps-
steht ventral), sehne ist schon am Bewegungsende schmerzhaft,
4 einer Qualitätsabnahme der Synovia, 4 beim ROWE-Test ist der Weg nach ventral aufge-
4 Druck des Humeruskopfes auf den Plexus brachialis, hoben, eine Positionierung wird kaum vom Patienten
4 einer Außenrotationseinschränkung, da der akzeptiert,
Humeruskopf schon ventral steht, 4 beim abgewandelten ROWE-Test ist das Synovial-
4 Schnappgeräuschen aufgrund schlechter Synovia, gleiten aufgehoben, es findet nur noch ein Rollen
4 meist Ausweichbewegung bei aktivem Test beim statt; in Innenrotation ist das Synovialgleiten massiv
Rückweg aus Elevationsbewegung (Exzentrikverlust), verändert,
4 Kraftverlust beim Widerstandstest. 4 es ist eine longitudinale Separation von über 2 cm
möglich,
Druckdolent sind oft die Bursa subtendinea und der 4 alle Widerstandstests bis auf Adduktion und
M. subscapularis durch Raumenge. Wechselnde Schmer- Extension sind positiv.
zen nach der Bewegung zeugen von vorhandenen Labrum-
schäden. Bei der passiven Außenrotationstestung bremst
der Patient selbst die Bewegung ab, da er keine anatomische 2.20.3 Differenzierung zwischen passiver
ventrale Tonuserhöhung durch die Rami articulares hat. und aktiver Instabilität
> Die Schultergelenkkapsel weist zur Wahrung der
jPassive Instabilität
dynamischen Stabilität eine hohe neurale Ver-
Die passive Instabilität resultiert aus einer Konsistenzver-
sorgung auf, die in einer engen Verbindung zu den
schlechterung der Synovia und einem damit verbundenem
umliegenden gelenknahen Muskeln steht. Dies ist
Adhäsionsverlust.
notwendig, um eine optimale dynamische Stabilität
zu gewährleisten, und gilt in der Manualtherapie als
Ziele der Behandlung
ein Ansatzpunkt für eine artikuläre dynamische
4 Über Synovialgleiten und Wärme eine Verbesserung
Stabilisation.
der Synovia erreichen.
4 Über Knorpelbelastungstraining und Knorpelmas-
sage die Knorpelbelastbarkeit und belastete Verfor-
2.20.2 Differenzierung zwischen leichter mung verbessern.
Instabilität und schwerer Instabilität
jAktive Instabilität
jLeichte Instabilität Die aktive Instabilität resultiert aus einem gestörten Rota-
Eine leichte Instabilität weist folgende Kriterien auf: torenintervall.
4 Bei der aktiven Bewegung sind Extension und
Außenrotation schmerzhaft, Ziel der Behandlung. Es ist das Ziel, über eine Anregung
4 bei der passiven Bewegung zeigt sich der Außen- der Rami articulares eine Muskelkräftigung und Normali-
rotationsüberdruck sehr schmerzhaft, die Bizeps- sierung des Rotatorenintervalls zu erreichen.
sehne schmerzt in der Enddehnung,
4 beim ROWE-Test ist der Weg nach ventral vergrößert
und im Überdruck schmerzhaft, 2.20.4 Behandlungsaufbau Stabilisation
4 der abgewandelte ROWE-Test weist ein verändertes
Gleiten mit Swoopings (Schnappen) in Innen- und Für die Stabilisation sind folgende Behandlungsaspekte
Außenrotation auf, wichtig:
4 es ist eine longitudinale Separation von über 1 cm 4 Die Belastungsfähigkeit des Knorpels soll aufgebaut
möglich, werden,
2.20 · Stabilisation des Schultergelenkes
91 2
4 die Synoviaproduktion soll optimiert werden (Ver-
besserung der Adhäsion), 5 die Knorpelernährung
kann optimiert werden,
4 die Ansprechbarkeit der neuromuskulären Ver-
bindungen soll eingeleitet werden,
4 die propriorezeptive Reorganisation soll ange-
sprochen werden,
4 es sollte eine Harmonisierung des Rotatorenintervalls
erfolgen,
4 die transversale Muskelkette (zentrierende Muskeln)
soll aufgebaut werden,
4 die interskapulären Muskeln sollen zur Positionie-
rung der Cavitas glenoidalis aufgebaut werden. a
Tempo 1 – 0 – 1.
. Abb. 2.75a,b Knorpelgleiten oder Knorpelmassage für das GHG, Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, eine
hier manuell rechtsseitig. a ASTE, b ESTE Pause von 90 sec. Tempo 1 – 0 – 1.
2.20 · Stabilisation des Schultergelenkes
93 2
a b a b
. Abb. 2.76a,b Knorpelgleiten oder Knorpelmassage für das GHG . Abb. 2.77a,b Knorpelgleiten oder Knorpelmassage für das GHG
über transversale Extension durch den Zugapparat, rechts. a ASTE, über transversale Extension als Hausaufgabe, rechts. a ASTE, b ESTE
b ESTE
jKnorpelgleiten oder Knorpelmassage für das GHG jNeurogenes Training für die Rami articulares
über transversale Extension als Hausaufgabe dorsales des N. axillaris, GHG (. Abb. 2.78)
(. Abb. 2.77)
> Voraussetzung für das Training ist die Belastungs-
ASTE. Der Patient steht.
fähigkeit und belastete Verformbarkeit des
Knorpels. Limitiert werden die Intensität und das
Ausführung. Ein Theraband wird in Höhe von Hand –
Bewegungsausmaß durch den Schmerz.
Ellenbogen – Schulter fixiert. Der vordere Fuß wird be-
lastet. Der Patient führt eine transversale Extension aus, Ziel. Verbesserung der dynamischen, antagonistischen,
wobei die Belastung vom vorderen zum hinteren Fuß neuralen Reaktion über ein exzentrisches Training des
verschoben wird. Die Bewegung wird begleitet durch eine M. teres minor.
Rumpfrotation von 30°.
. Abb. 2.79 Neurogenes Training für die Rami articulares des . Abb. 2.80 Neurogenes Training der Rami articulares des
N. suprascapularis für das GHG, rechts N. subscapularis für das GHG, links
ASTE. Der Patient sitzt seitlich zum Kabelzug. bleibender Spannung den Arm vom Therapeuten in In-
nenrotation bewegen.
Ausführung. Der Therapeut steht hinter dem Patienten,
umfasst mit seiner rechten Hand distal den Oberarm und Anzahl und Dosierung. 10 Wiederholungen und 30 sec
mit seiner linken Hand distal den Unterarm des Patienten. Pause. Exzentrikrichtlinien, d. h. 12 Wiederholungen,
Der Therapeut führt den Arm des Patienten in ca. 30° 3 sec Ablassen – 10 Wiederholungen, 4 sec Ablassen –
Flexion. Der Ellenbogen des Patienten wird 90° gebeugt. 8 Wiederholung, 5 sec Ablassen und 2 min Pause.
Der Patient spannt in Außenrotationsbewegung an und
lässt bei gleich bleibender Spannung den Arm vom Thera- jNeurogenes Training der Rami articulares
peuten in Innenrotation bewegen. des N. subscapularis für das GHG (. Abb. 2.80)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Anzahl und Dosierung. 10 Wiederholungen und 30 sec
Pause. Exzentrikrichtlinien, d. h. 12 Wiederholungen,
Ausführung. Der Ellenbogen des Patienten liegt im Über- 3 sec Ablassen – 10 Wiederholungen, 4 sec Ablassen –
hang. Der Therapeut fixiert mit seiner linken Hand den 8 Wiederholung, 5 sec Ablassen und 2 min Pause.
Oberarm proximal, mit seiner rechten Hand umfasst er
distal den in Pronation liegenden Unterarm. Der Patient
spannt in Außenrotationsbewegung an und lässt bei gleich
2.20 · Stabilisation des Schultergelenkes
95 2
a b a b
. Abb. 2.81a,b Allgemeines neurogenes Training der Rami articu- . Abb. 2.82a,b Allgemeines neurogenes Training der Rami articu-
lares des GHG, links. a ASTE, b ESTE lares des GHG, rechts. a ASTE, b ESTE
jAllgemeines neurogenes Training Ziel. Das neurogene Ansprechverhalten aller Rami articu-
der Rami articulares des GHG (. Abb. 2.81) lares soll verbessert werden.
> Voraussetzung für das Training ist die Belastungs-
ASTE. Der Patient steht.
fähigkeit und belastete Verformbarkeit des
Knorpels. Limitiert werden die Intensität und das
Ausführung. Der Patient steht in Rumpfflexion, die durch
Bewegungsausmaß durch den Schmerz.
die nicht trainierende Seite fixiert wird. In seiner rechten
Ziel. Das neurogene Ansprechverhalten aller Rami articu- Hand hält der Patient eine mindestens 3 kg schwere Hantel.
lares soll verbessert werden. Ohne die Armhaltung oder die Flexionsstellung des Rump-
fes zu verändern retrahiert der Patient seine Skapula. Der
ASTE. Der Patient steht. Traktionsreiz auf die Rami articulares wird durch unter-
schiedliche Rumpfflexionsstellungen immer wieder ver-
Ausführung. Der Patient hält sich seitlich an der Sprossen- ändert.
wand fest und hebt das von der Sprossenwand entfernte
Bein (hier rechts) vom Boden ab. Dadurch entsteht ein Anzahl und Dosierung. 10 Wiederholungen, 60 sec Pause,
Trainingsreiz im GHG. Der Traktionsreiz auf die Rami davon 4–6 Serien. In der Pause kann der Patient allgemeine
articulares wird durch unterschiedliche Fixierungen an aktive Bewegungen der Schulter durchführen.
den Sprossen variiert.
a b a b
. Abb. 2.83a,b Muskelaufbautraining unspezifisch, hier Frontpress. . Abb. 2.84a,b Muskelaufbautraining unspezifisch, hier Hausauf-
a ASTE, b ESTE gabe mit dem Theraband. a ASTE, b ESTE
ASTE. Der Patient sitzt. Ausführung. Die Griffhaltung sollte für den Patienten
deutlich mehr als schulterbreit sein. Das Theraband wird
Ausführung. Die Griffhaltung sollte für den Patienten in Schulterhöhe hinter dem Patienten fixiert. Die Arme
deutlich mehr als schulterbreit sein. Die ventrale Muskula- befinden sich in 90° Abduktion und 90° Ellenbogenflexion.
tur muss noch unter Spannung stehen. Der Patient drückt Das Gewicht des Rumpfes ist auf dem hinteren Fuß. Die
die Hebearme nach oben, wobei die Belastung stets in der ventrale Muskulatur muss unter Spannung stehen. Der Pa-
ventralen Schultermuskulatur zu spüren sein soll. Die tient drückt den Stab nach vorne, so dass 90° Flexion und
Ellenbogen werden nicht vollständig gestreckt. 30° Abduktion im Schultergelenk entstehen. Die Ellen-
bogen werden nicht vollständig gestreckt.
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, eine
Pause von 60–90 sec, bei 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, eine
Pause von 90 sec, davon 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
> Eine Steigerungsmöglichkeit der ventralen
Belastung stellt die steilere Rückenstellung dar.
jMuskelaufbautraining mehrfachzielgerichtet,
»Kurzhantel drücken« (. Abb. 2.85)
Muskelaufbautraining unspezifisch, Hausaufgabe
mit dem Theraband (. Abb. 2.84) > Anwendung bei ventraler Instabilität.
Ziel. Ansprache der ventralen Schultermuskulatur durch
> Anwendung bei ventraler Instabilität, Zustand nach
dreidimensionales, mehrfachzielgerichtetes, koordinatives
Ansprache der Rami articulares.
anspruchsvolles Beüben.
Ziel. Schonende Ansprache der ventralen Schultermusku-
latur durch unspezifisches Beüben. ASTE. Der Patient sitzt.
ASTE. Der Patient steht. Er umfasst mit beiden Händen Ausführung. Das Rückenteil der Bank ist in 50–60° Nei-
einen Stab, an dem das Theraband festgebunden ist. gung eingestellt. Die Arme sind 80° abduziert und maxi-
2.20 · Stabilisation des Schultergelenkes
97 2
a b a b
mal im Ellenbogengelenk gebeugt. Die Unterarme befin- Ausführung. Das Rückenteil der Bank ist 70–80° geneigt.
den sich in Pronationsstellung. Die ventrale Muskulatur Die Arme sind 90° abduziert und 90° im Ellenbogengelenk
muss unter Spannung stehen. Der Patient drückt mit bei- gebeugt. Die Hände umfassen die Polster. Schulter, Ellen-
den Armen gleichmäßig die Hanteln nach oben, wobei die bogen und Hand befinden sich auf einer horizontalen
Belastung stets in der ventralen Schultermuskulatur zu Linie. Die ventrale Muskulatur muss unter Spannung
spüren sein muss. Die Ellenbogen werden nicht vollständig stehen. Der Patient drückt mit beiden Armen gleichmäßig
gestreckt. die Hebelarme bis zur Annäherung der Polster nach vorne,
wobei die Linie von Schulter, Ellenbogen und Hand gehal-
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, eine ten wird, und die Belastung stets in der ventralen Schulter-
Pause von 60–90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. muskulatur zu spüren sein muss.
> Eine Steigerung der ventralen Belastung kann durch
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, eine
eine steilere Rückenstellung Richtung 90° in Schrit-
Pause von 60–90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
ten von je 10° erfolgen.
> Eine Steigerung der ventralen Belastung kann durch
eine steilere Einstellung des Rückenteils Richtung
jMuskelaufbautraining mehrfachzielgerichtet,
90° und durch die Betonung des Weges von der
an der »Butterflymaschine« (. Abb. 2.86)
ESTE in die ASTE erfolgen.
> Anwendung bei ventraler Instabilität.
Ziel. Ansprache der ventralen Schultermuskulatur durch
eindimensionales, mehrfachzielgerichtetes und koordina-
tives Beüben.
2.21 Sportspezifisches
Rehabilitationstraining
jMuskelaufbautraining mehrfachzielgerichtet,
»Flys am Kabelzug« (. Abb. 2.87)
Literatur – 161
3.2 · Anatomie des Ellenbogengelenks
103 3
3.1 Einleitung (d. h., bandinserierende aktive Strukturen versuchen stän-
dig, die Bänder zu dynamisieren, um die Bewegungsachse
Der Ellenbogen muss im Zusammenhang mit dem proxi- zentrisch zu halten), und schließlich zu einer rein aktiven
malen Glenohumeralgelenk und der HWS einerseits und Stabilität, die die Aufgabe der Erhaltung der zentrischen
den distalen Gelenken, der Articulatio radiocarpalis und Bewegungsachse nur unvollständig erfüllen kann. Durch
intercarpalis andererseits beurteilt werden, da er mittig die fehlende passive Stabilität kommt es zu einer exzen-
liegt und aus beiden Richtungen beeinflusst werden kann. trisch dynamischen Stabilitätsüberforderung mit der Ge-
Das Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) setzt sich fahr von Mikrotraumen an Insertionen und tendomusku-
zusammen aus: lären Übergängen.
4 dem Humeroulnargelenk (HUG),
4 dem Humeroradialgelenk (HRG) und
4 dem proximalen Radioulnargelenk (PRUG). 3.2 Anatomie des Ellenbogengelenks
. Abb. 3.1 Anatomische Orientierung der Trochlea humeri von . Abb. 3.2 Anatomische Orientierung der Trochlea humeri von
dorsal ventral
104 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
Der flache Schenkel ist immer der breitere und dient bei Fovea articularis capitis radii zusammen. Die ulnar ge-
der Flexion dem Rollen der ventralen Druckbelastungsauf- legene sichelförmige Gelenkfacette des Radiusköpfchens
nahme und bei der Extension der dorsalen Druckbelas- wird als Lunula obliqua bezeichnet und ist eine artikulie-
tungsaufnahme. Der steile Teil dient dem Gleiten, es kann rende Verbindung zum Sulcus capitulotrochlearis, der
jedoch eher als ein ständiges Zurückrutschen in die Füh- Scheidewand zwischen Trochlea humeri und Capitulum
rungsrinne bezeichnet werden. humeri. Seitlich der Fovea articularis capitis radii befindet
Bei Flexion und Extension ergeben sich aus der sich die Circumferentia articularis radii, die die konvexe
Zwangsbiomechanik folgende Bewegungungen: Drehfläche zur Incisura radialis ulnae darstellt. Das
4 Bei der Flexion entsteht durch die Gradzunahme des Humeroradialgelenk ist ein Kugelgelenk. Es wird durch
flachen Schenkels und Gradabnahme des steilen das Lig. anulare radii, das an der Ulna fixiert ist, zu einem
Schenkels der Trochlea humeri eine biomechanische Drehscharniergelenk limitiert. Das Humeroradialgelenk
Zwangssupination, zusätzlich durch die radialwärts besitzt keine ossäre Absicherung. Das Gelenk lässt zwei
laufende Kehlung (Führungsrinne) eine Translation Freiheitsgrade der Bewegung zu, die Flexion/Extension
nach lateral (Varusbewegung). Die Kapselrestriktion und die Pronation/Supination des Radiusköpfchens auf
befindet sich ventromedial, da hier für die Zwangs- dem Humerus.
nebenbewegung am meisten Kapsel benötigt wird. Die Pronations-/Supinationsrotationsachse zieht
4 Bei Extension entsteht durch die Gradabnahme des vom Capitulum humeri über das Caput radii durch die
flachen Schenkels und Gradzunahme des steilen Membrana interossea zum Capitulum ulnae. Die Membra-
Schenkels der Trochlea humeri eine biomechanische na interossea lenkt bei Krafteinwirkung von proximal das
Zwangspronation, zusätzlich durch die ulnarwärts Gewicht von der Ulna zum Radius und bei distaler Kraft-
laufende Kehlung (Führungsrinne) eine Translation einwirkung vom Radius zur Ulna. Bei der Pronation findet
nach medial (Valgusbewegung). Die Kapselrestrik- ein Überkreuzen des Radius über der Ulna statt, was
tion befindet sich dorsolateral, da hier für die Zwangs- besonders für den M. flexor pollicis longus und M. flexor
nebenbewegung am meisten Kapsel benötigt wird. digitorum profundus erhöhte Kompression bedeutet.
> Ein Streckdefizit im Ellenbogengelenk hat zur
Folge, dass es bei Druckaufnahme durch Abstützen
3.2.2 Humeroradialgelenk (HRG)
des Arms zu einer Ulnarverschiebung dieser Achse
(Biomechanik und Anatomie)
kommt, wodurch die Gefahr radialer Läsionen
(. Abb. 3.7)
deutlich erhöht wird.
kN. medianus
Der N. medianus verläuft mit motorischen und sensiblen
Fasern medialseitig des M. biceps brachii und tritt ventral
in Höhe der Trochlea-humeri-Führungsrinne in die Ellen-
. Abb. 3.9 Anatomische Orientierung des distalen Radioulnar- beuge ein. In seinem weiteren Verlauf zieht der Nerv
gelenks von dorsal unterhalb des Lacertus fibrosus zwischen die beiden
M.-pronator-teres-Köpfe und entlässt auf diesem Weg
Nerven zur Muskulatur und Gelenkkapsel. Distal der
3.2.3 Proximales Radioulnargelenk (PRUG) Pronator-teres-Loge zieht der Nerv palmarseitig durch den
(. Abb. 3.8) Karpaltunnel zur Hand.
Sensibel versorgt der Ramus palmaris nervi mediani
Die Articulatio radioulnaris proximalis ist ein Zapfenge- folgende Bereiche:
lenk, da der konvexe Partner, die Circumferentia articula- 4 den ventralen Karpaltunnelbereich,
ris radii sich im konkaven Partner, der Incisura radialis 4 den Daumen,
ulnae dreht. Das Gelenk wird durch das gleitschienen- 4 den Zeige-/Mittelfinger,
artige Ringband, das Lig. anulare radii, stabilisiert. Es ist 4 den radialseitigen Ringfinger, einschließlich der
mit der Gelenkkapsel verbunden und fixiert sich an der Fingerkuppen.
Ulna. Der Radiusschaft ist proximal ellipsenförmig, so dass
er sich bei Supination nach außen bewegt, um der Bizeps- kN. radialis
sehne Platz zu machen. Die primäre Bewegung des Ge- Der N. radialis erreicht die Ellenbeuge von dorsal proxi-
lenks ist die Supination und Pronation. Die Chorda ob- mal, durchbohrt das Septum intermusculare brachii
liqua limitiert die Supination und bewegt dabei den Radius laterale und tritt ventroradialseitig in die Ellenbeuge
nach proximal ulnar. ein.
3.2 · Anatomie des Ellenbogengelenks
107 3
Im oberen Drittel der Ellenbeuge teilt sich der N. radi- 11
alis in einen sensiblen (Ramus superficialis) und einen
motorischen (Ramus profundus) Nervenast auf: 1
4 Der Ramus superficialis verläuft unterhalb des 10
M. brachioradialis zur Hand und versorgt sensibel 2
dorsalseitig Daumengrund- und mittelgelenk, Zeige-/
Mittelfinger, radialseitig den Ringfinger. Sein Derma-
tom erstreckt sich bis zu den Phalanges mediae. 9
4 Der Ramus profundus zieht als motorischer Nerv 3
8
proximal um das Radiusköpfchen herum, durch die 7
Supinatorloge (Frohse-Sehnenarkade) in die mittig
tiefe Extensorenmuskulatur, wo er sich in mehrere
Muskeläste verzweigt.
4 6
kN. musculocutaneus
Der N. musculocutaneus entlässt seine letzten motori- 5
schen Nervenfasern proximal des Ellenbogengelenks für
den M. biceps brachii und M. brachialis. Die Ellenbeuge
passiert der Nerv radialseitig als N. cutaneus antebrachii
lateralis.
. Abb. 3.10 Rami articulares capsulares des Ellenbogengelenks
aus ventraler Sicht (aus Lanz u. Wachsmuth [1982, 2003]) 1 N. radialis,
kN. ulnaris 2 R. muscularis brachialis, 3 R. muscularis extensoris carpi radialis,
Der N. ulnaris verläuft ulnarseitig, durchstößt das Septum 4 R. muscularis supinatoris, 5 R. muscularis distalis mi. pronatoris
intermusculare mediale, schlingt sich durch Bindegewebs- teretis, 6 R. muscularis proximalis mi. flexoris, 7 N. medianus, 8 R. arti-
cularis intramuscularis ni. musculocutanei, 9 R. articularis extramus-
sehnenzüge des Caput mediale des M. triceps und verläuft
cularis ni. musculocutanei, 10 R. muscularis brachialis, 11 N. musculo-
durch den Sulcus nervi ulnaris ulnarwärts durch die cutaneus
Guyon-Loge zur Hand. In der Ellenbeuge gibt der Nerv
motorische Äste zu den Mm. flexor carpi ulnaris und flexor
digitorum profundus ab sowie propriozeptive Fasern zur
Gelenkkapsel. 1 10
Sensibel versorgt der N. ulnaris über die Rami dorsales
und digitales folgende Bereiche: 2
4 die dorsale und ventrale ulnarseitige Kleinfingerseite, 3
4 den ulnarseitigen Ringfinger.
3.4 Oberflächenanatomie
3.3.5 Chondromatosis cubiti
(Judoellenbogen) Kenntnisse der Oberflächenanatomie sind die Vorausset-
zung für Inspektion und Therapie.
Chondromatosis cubiti ist eine metaplastische Umwand- Die . Abb. 3.12 und . Abb. 3.13 zeigen wichtige topo-
lung der Synovia mit Bildung von freien Gelenkkörpern graphische Orientierungspunkte, die für den Therapeuten
durch rezidivierende Traumen im Bereich des Ellenbogen- gut palpierbar sind.
gelenks.
112 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
jEllenbogen aus dorsolateraler Sicht (. Abb. 3.12) etwaige damit verbundene Belastungs-muster für sein
Ellenbogengelenk sind äußerst wichtig, wie die folgenden
Beispiele zeigen.
Beispiel
Charakteristische Pathomechanismen bei sitzenden Tätig-
3 keiten als mögliche Ursachen für Ellenbogenbeschwerden:
4. 4 Eine ständige 90° Ellenbogenflexionshaltung kann ein
1. 8. »M.-brachialis-Syndrom« verursachen. Dabei kommt es
5. 3. zum Verlust spezifischer Eigenschaften des Bindege-
7.
webes mit der Veränderung zu einem degenerativen
Bindegewebe mit Einrissen und fibrinogenen Nekrosen.
6.
4 Bei häufiger Auflage des Ellenbogengelenks auf eine
2. harte Unterlage (Schreibtisch) kann es zu Reizungen der
Bursa olecrani kommen.
. Abb. 3.12 Ellenbogen aus dorsolateraler Sicht 1 M. biceps brachii, 4 Schreibtischtätigkeit verursacht ein muskuläres ventra-
2 Olecranon, 3 M. extensor carpi ulnaris (rote Pfeile), 4 M. extensor les Übergewicht der Schultern (Protraktion). Es kommt
digitorum (gelber Pfeil), 5 M. brachioradialis, 6 M. extensor carpi ra- durch die gedehnte dorsale Schulterblattregion zu Zu-
dialis longus, 7 M. extensor carpi radialis brevis (grüner Pfeil), 8 N. ra-
greizen auf muskuläre und neurologische Strukturen.
dialis (weiß-blaue Linie), 9 Common extensor origin (grünes Oval)
3.5.2 Inspektion
2.
Zur standardisierten Inspektion des Ellbogengelenks
8. (7 Abschn. 1.5.2, Inspektion) kommt eine spezifische In-
1. spektion für das Ellenbogengelenk hinzu:
7. 5. 6. 4 Symmetrie der Unterarme,
4 Konturen der Muskeln/Knochen,
10. 4.
3. 4 Varus-/Valgusstellung.
9.
3.5.3 Palpation
. Abb. 3.13 Ellenbogen aus ventromedialer Sicht 1 M. biceps brachii,
2 M. Deltoideus, 3 M. biceps brachii, 4 Lacertus fibrosus, 5 M. brachio-
Die standardisierte Palpation (7 Abschn. 1.5.3, Palpation)
radialis, 6 M. brachialis, 7 N. Ulnaris (weiß-grüne Linie), 8 N. Medianus
(weiß-rote Linie), 9 Common flexor origin (gelbes Oval), 10 Verlauf
umfasst:
d. Mm. Flexoris (gelbe Pfeile) 4 Tonus der Muskulatur,
4 Hautverschieblichkeit,
4 Ödeme im Bereich der Ansatzsehnen.
3.5 Anamnese, Inspektion, Palpation
des Ellenbogens
3.5.4 Sicherheit/Kontraindikationen
3.5.1 Anamnese
Nach der Anamnese, Inspektion und Palpation erfolgt ein
Zu einer standardisierten Anamnese des Ellenbogenge- Resümee mit Einschätzung von Sicherheit und Kontrain-
lenks gehören die Einbeziehung der Hand, der Unter- und dikationen.
Oberarme, der oberen Apertur und Schulter; auch die Ausgeschlossen werden müssen:
HWS sollte in einer weiteren spezifischen Anamnese 4 Systemerkrankungen (Rheuma, Psoriasis),
mitberücksichtigt werden. Der Beruf des Patienten und 4 Fissuren,
3.5 · Anamnese, Inspektion, Palpation des Ellenbogens
113 3
. Tab. 3.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation
Patient gibt diffuse Schmerzen im Arm V.a. Irritation des Sympathikus bei Mobilitätsveränderung der HWS
an. In der Inspektion zeigen sich am Arm 1. Rippe
dermatogene Hautveränderungen BWS Th 1–8
Patient gibt bds. Ellenbogenbeschwer- V.a. Double crush bei medialem Bandscheibenvorfall, segmentale Gefügelockerung
den an (Listhese) der HWS-Segmente C5/6
Patient gibt Beschwerden im Bereich des V.a. Pronator-teres-Läsion caput humerale mechanische Reizung des N. ulnaris im
Epicondylus medialis an, ohne dass Durchtrittsbereich des »Cooper-Streifens« mit neuraler (motorischer) Irritation des
dieser direkt betroffen ist M. flexor carpi ulnaris
Patient gibt dorsalseitige Beschwerden V. a. Irritation des N. radialis superficialis in Höhe des PRUG, im Bereich der
des Unterarms bis zum Daumen/Zeige- Extensorenmuskulatur.
finger an Eine mechanische Reizung des N. radialis profundus in der Supinatorloge führt
erfahrungsgemäß eher zu einem lokal begrenzten nozizeptiven Schmerz.
Radikuläre Irritation
Patient gibt ventralradialseitige Be- V.a. Irritation des N. cutaneus antebrachii laterales
schwerden des Unterarms bis zum Fast immer liegt eine Störung des Segments C 5/6 vor.
Daumengrundgelenk an Pronator-teres-Syndrom
Patient gibt an, dass ihm beim Fassen V.a. Läsion der Mm. extensor carpi radialis brevis und extensor digitorum communis
einer Tasse diese aufgrund eines hefti- 4 und 5
gen einschießenden Schmerzes im Um eine Tasse zu fixieren, muss der M. extensor carpi radialis brevis in eine vorpositionierte
Ellenbogenbereich aus der Hand fällt Griffhaltung »Dorsalextension« gebracht werden, was noch relativ ohne Beschwerden mög-
lich ist. Fixiert man die Tasse, kontrahiert man primär den M. flexor digitorum 1,2 und 3 sowie
die Daumenflexoren. Der Mittelfinger wird als Widerlager am Henkel genutzt, so dass er in
Extension kontrahiert wird. Der Kleinfinger stabilisiert den TFC-Komplex und führt ebenfalls
eine Extension aus. Mit der Gewichtsaufnahme der Tasse kommt es für die Insertionen der
Mm. extensor carpi radialis brevis et digitorum 4 und 5 zum einschießenden Schmerz.
Patient gibt an, dass das Einschenken V.a. Läsion der Mm. extensor carpi radialis brevis et longus.
aus einer Tee-/Kaffeekanne zu heftigen Um eine Tee-/Kaffeekanne anzuheben, umgreift der Patient diese im Faustschluss, so dass die
einschießenden Schmerzen im Ellen- Fingerextensoren dabei inhibiert sind. Das Anheben der Kanne ist über Dorsalextension des
bogenbereich führt Karpus durch die Mm. extensor carpi radialis brevis et longus isometrisch konzentrisch noch
möglich. Jedoch erfordert das »Einschenken« von den o.g. Muskeln Exzentrik, die diese nicht
mehr leisten können. Um Schaden an passiven Strukturen zu verhindern, kommt es zu einem
einschießenden Schmerz.
Patient demonstriert seine Beschwer- V.a. Dislokation/Subluxation des N. ulnaris im Sulcus nervi ulnaris
den, die sich ventralseitig ulnar
befinden, indem er seinen Arm maximal
überstreckt
114 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
4 Bandrupturen,
4 entzündliche Prozesse.
> Vorgehensweise bei der Interpretation des Befundes:
5 Kontraindikationen einschätzen.
5 Diagnosemöglichkeiten einengen.
3 5 Strategie entwickeln: Weiter mit Basisunter-
suchung oder erneute Kommunikation mit dem
Arzt.
a b
> Eine Mobilität unter 0° ist immer verbunden mit jAktive Supinationsbewegung beider
einer verstärkten Valgusstellung des Ellenbogen- Ellenbogengelenke (. Abb. 3.17)
gelenks und der Gefahr einer verstärkten Angulation. ASTE. Der Patient sitzt bzw. steht.
116 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
Ausführung. Der Patient dreht aus 90° Ellenbogenflexion jPassive Flexionsbewegung der Ellenbogengelenke
beide Unterarme/Hände mit dem Handteller deckenwärts im Seitenvergleich (. Abb. 3.20)
in maximale Supination. ASTE. Der Patient sitzt bzw. steht.
Bewegungseinschränkungen zeigen sich häufig aufgrund Befund. Beurteilt werden Qualität und Quantität des Be-
von wegungsausmaßes und des Endgefühls.
4 Immobilisationen nach Frakturen und Das normale Endgefühl ist verändert: Je nach Umfang
4 verminderter medialer Gleitfähigkeit der Ulna. des Oberarms ist es weich bis hart.
3.6 · Basisuntersuchung des Ellenbogens
117 3
a b
. Abb. 3.20 Passive Ellenbogenflexion rechts . Abb. 3.21a,b a Passive Ellenbogenextension rechts, b Handling
Befund. Beurteilt werden Quantität der Bewegung und jPassive Pronationsbewegung des Ellenbogen-
Qualität des Endgefühls. gelenks im Seitenvergleich (. Abb. 3.22)
ASTE. Der Patient sitzt bzw. steht.
> Das Endgefühl der Ellenbogenextension ist das härtes-
te Endgefühl am menschlichen Körper. Es wird durch Ausführung. Der Therapeut führt den linken Unterarm
den dorsalen Gelenkschluss des Humeroulnargelenks des Patienten in 90° Ellenbogenflexion und fixiert mit sei-
bei maximaler Spannung des anterioren ligamentären ner linken Hand den Patientenoberarm am Patientenober-
Schenkels des Lig. collaterale ulnare verursacht. körper. Mit der rechten Hand stellt der Therapeut beim
118 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
jPassive Supinationsbewegung des Ellenbogen- Ausführung. Der Therapeut führt den in anatomischer
gelenks im Seitenvergleich (. Abb. 3.23) Nullposition stehenden linken Unterarm des Patienten in
ASTE. Der Patient sitzt bzw. steht. 20° Ellenbogenflexion und fixiert den Patientenunterarm
mit seiner rechten Hand. Seinen linksseitigen interthena-
Ausführung. Der Therapeut führt den linken Unterarm ren Raum legt der Therapeut mittig auf den medialen Ge-
des Patienten in 90° Ellenbogenflexion und fixiert mit sei- lenkspalt des Ellenbogengelenks. Der Therapeut gibt jetzt
ner linken Hand den Patientenoberarm am Patientenober- einen Schub nach lateral bis zur gänzlichen Aufnahme der
körper. Mit der rechten Hand stellt der Therapeut beim Gewebevorspannung und überprüft das seitliche Auf-
3.6 · Basisuntersuchung des Ellenbogens
119 3
jMobilitätstest passiv bds. im HRG (. Abb. 3.26)
ASTE. Der Patient steht.
a b
c d
3.6.6 Widerstandstests
(Muskelweichteiltest 2, 3)
jEllenbogenwiderstandstest Flexion im Seiten- Befund. Auftretende Schmerzen deuten auf eine Läsion
vergleich (. Abb. 3.28a) des
ASTE. Der Patient sitzt bzw. steht. Das Ellenbogengelenk 4 M. biceps brachii,
des Patienten befindet sich in anatomischer Nullstellung 4 M. brachialis,
und 90° Beugung, sein Handgelenk ist locker und ent- 4 M. brachioradialis,
spannt. 4 M. pronator teres.
3.6 · Basisuntersuchung des Ellenbogens
121 3
. Abb. 3.29 Widerstandstest für Pronation (links) . Abb. 3.30 Widerstandstest für Supination (links)
jEllenbogenwiderstandstest Pronation im Seiten- Befund. Auftretende Schmerzen deuten auf eine Läsion
vergleich (. Abb. 3.29) des
ASTE. Der Patient sitzt oder steht. Das Ellenbogengelenk 4 M. biceps brachii,
des Patienten befindet sich in einer physiologischen Stel- 4 M. supinator.
lung und 90° Beugung, sein Handgelenk ist locker und
entspannt. jWiderstandstest Handextension für M. extensor
carpi radialis brevis, M. extensor carpi radialis
Ausführung. Der Therapeut widerlagert mit seinem lin- longus und M. extensor digitorum communis 2–5
ken MCP-Gelenk 1 und Thenar den Radius von ventral (. Abb. 3.31)
und fixiert mit seinem rechten MCP-Gelenk 1 und Thenar ASTE. Der Patient sitzt. Sein Oberarm ist an seinem
den Radius von dorsal, wobei er eine horizontale Wider- Thorax fixiert. Das Ellenbogengelenk ist in Pronations-
stand gebende Armstellung einnimmt. Der Patient wird stellung und 90° gebeugt.
aufgefordert seinen Oberarm an seinem Oberkörper zu
halten und gegen den Widerstand des Therapeuten in Ausführung. Der Therapeut schient mit seinem rechten
Pronation zu drehen. Arm den linken Arm des Patienten von medioventral. Mit
seiner linken Hand gibt der Therapeut Widerstand im Be-
Befund. Auftretende Schmerzen deuten auf eine Läsion reich der Ossa metacarpalia/Ossa carpalia. Der Patient
des wird aufgefordert seine Hand gegen den Widerstand des
4 M. pronator teres, Therapeuten in Dorsalextension und Radialduktion zu
4 M. pronator quadratus. drücken.
122 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
Befund. Chronische insertionsnahe Tendopathie des ASTE. Der Patient sitzt. Sein Arm wird in ca. 45° Flexion/
M. extensor carpi radialis brevis vertikaler Typ 2a. Abduktion und leichter Ellenbogenflexion auf der Be-
Der Widerstandstest der Handextension ist dabei handlungsbank positioniert. Der Unterarm befindet sich
positiv und es besteht eine Druckdolenz am vertikalen Epi- in aktueller Ruheposition.
condylus lateralis.
Ausführung. Der Therapeut sucht die Insertion auf und legt
Nachbehandlung. Dehnen, Hausaufgabe und Thermoki- seinen Daumen unter Hautvorgabe an den horizontalen
netiktraining Aspekt des Epicondylus lateralis quer zum Faserverlauf an.
Der Therapeut arbeitet in einer Art Spangengriff, in-
dem er seine gleichseitigen Finger 2–5 diametral wider-
3.8.3 Tennisellenbogen Typ 2b lagert. Die Bewegungsrichtung erfolgt nach außen. Die
Querfriktion wird solange durchgeführt bis die Kontur der
jQuerfriktion des M. extensor carpi radialis brevis Sehne durch Aufquellung verstreicht.
horizontaler Typ 2b, insertionsnah (. Abb. 3.35)
Beginn. Die Querfriktion sollte ab dem 42. Tag therapie- Befund. Chronische insertionsnahe Tendopathie des
resistenter Beschwerden (Problem Belastbarkeit oder M. extensor carpi radialis brevis horizontaler Typ 2b.
Schmerz) erfolgen. Der Widerstandstest der Handextension ist dabei
positiv und es besteht eine Druckdolenz des horizontalen
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. Epicondylus lateralis.
3.8 · Behandlung des Tennisellenbogens
125 3
45° Flexion
45° ABD
a a
horizontaler Aspekt
b b
. Abb. 3.35a,b Tennisellenbogen Typ 2b (rechts). a Daumenpositi- . Abb. 3.36a,b Tennisellenbogen Typ 3 (rechts). a Daumenposition,
on, Bewegungsrichtung, b anatomische Orientierung Bewegungsrichtung, b anatomische Orientierung (gelb horizontaler
Ansatz, rot vertikaler Ansatz)
Nachbehandlung. Dehnen, Hausaufgabe und Thermo- ASTE. Der Patient sitzt. Sein Arm wird in ca. 45° Flexion/
kinetiktraining Abduktion und leichter Ellenbogenflexion auf der Be-
handlungsbank positioniert. Der Unterarm befindet sich
in aktueller Ruheposition.
3.8.4 Tennisellenbogen Typ 3
Ausführung. Der Therapeut sucht die Sehne auf, indem er
jQuerfriktion des M. extensor carpi radialis brevis den Ellenbogen strecken lässt, so dass die Sehne einen Ver-
Typ 3 am Sehnenverlauf (. Abb. 3.36) lauf über das Radiusköpfchen nimmt. Unter Ellenbogen-
Beginn. Die Querfriktion sollte ab dem 42. Tag therapie- flexion verlagert sich die Sehne leicht ulnarwärts. Sind
resistenter Beschwerden (Problem Belastbarkeit oder weitere Sehnen zu palpieren, ist die radialste die des
Schmerz) erfolgen. M. extensor carpi radialis brevis. Der Therapeut legt seinen
Daumen unter Hautvorgabe ulnarseitig der Sehne quer
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. zum Faserverlauf an.
Zur Kontrolle der richtigen Anlage drückt der Thera-
> Die Sehne des M. extensor carpi radialis brevis
peut auf die Sehne des M. extensor carpi radialis brevis,
kann mit den Sehnen 2 und 3 des M. extensor
wodurch eine leichte Radialabduktion der Hand sowie eine
digitorum communis verwachsen sein. Sie liegt in
Dorsalextension der MCP-Gelenke 2 und 3 erzeugt wird.
Höhe des Caput radii, und damit ist sie von Dislo-
Der Therapeut arbeitet in einer Art Spangengriff, in-
kationen besonders betroffen.
dem er seine gleichseitigen Finger 2–5 diametral widerla-
gert. Die Bewegungsrichtung erfolgt nach außen. Die
126 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
Querfriktion wird solange durchgeführt bis die Kontur der handlungsbank positioniert. Der Unterarm befindet sich
Sehne durch Aufquellung verstreicht. in aktueller Ruheposition.
Befund. Tendopathie des M. extensor carpi radialis Ausführung. Der Therapeut sucht die Insertion auf, indem
brevis. er proximal lateral des HR-Gelenkspalts des Capitulum
Die Widerstandstests der Handextension/Radialab- humeri palpiert und legt seinen Daumen unter Hautvorga-
3 duktion sowie der Fingerextension der MCP-Gelenke 2, 3 be quer zum Faserverlauf des M. extensor digitorum com-
sind positiv. Es besteht eine Druckdolenz an der Sehne des munis an.
M. extensor carpi radialis brevis. Zur Kontrolle der richtigen Anlage lässt der Therapeut
den Patienten seine Finger in Dorsalextension »spielen«.
Nachbehandlung. Dehnen, Hausaufgabe und Thermoki- Der Therapeut arbeitet in einer Art Spangengriff, in-
netiktraining dem er seine gleichseitigen Finger 2–5 diametral widerla-
gert. Die Bewegungsrichtung folgt zuerst mit Druck in den
Gelenkspalt, dann Druck an das Capitulum humeri und
3.8.5 Tennisellenbogen Typ 4 folgend die Querfriktion mit Druck nach innen. Die Quer-
friktion wird solange durchgeführt bis die Kontur der Seh-
jQuerfriktion des M. extensor carpi radialis brevis ne durch Aufquellung verstreicht.
Typ 4 am tendomuskulären Übergang
Befund. Tendomyositis des M. extensor carpi radialis Befund. Chronische insertionsnahe Tendopathie des M. ex-
brevis. tensor digitorum communis Typ 5.
Der Widerstandstest der Handextension/Radialabduk- Der Widerstandstest der Fingerextension, primär der
tion ist positiv. Die Dehnung der Extensorenmuskulatur ist MCPGelenke 4–5 ist positiv. Es besteht eine Druckdolenz
positiv. Es besteht eine Druckdolenz am tendomuskulären lateral des Capitulum humeri.
Übergang.
Nachbehandlung. Dehnen, Hausaufgabe und Thermoki-
Nachbehandlung. Dehnen, Hausaufgabe und Thermoki- netiktraining
netiktraining
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. ASTE. Der Patient sitzt. Der Therapeut stellt den Patiente-
narm in horizontaler Abduktion ein, Ellenbogen in 90°
> Die Sehne des M. extensor digitorum communis ist
Flexion, den Unterarm in max. Pronation und die Hand in
häufig mit dem M. extensor carpi radialis brevis ver-
max. Palmarflexion/Ulnarabduktion.
wachsen. Nur wenn sie sich auch im Widerstandstest
der MCP-Gelenke 4 und 5 schmerzhaft zeigt, han-
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
delt es sich um eine insertionsnahe Tendopathie des
Hand die Patientenhand und hält diese in max. Palmar-
M. digitorum communis. Verantwortlich für den
flexion/Ulnarabduktion fixiert. Seine rechte Hand limitiert
Tennisellenbogen Typ 5, ohne Beteiligung des
Ausweichbewegungen.
M. extensor carpi radialis brevis, sind häufig betonte
Bei fixierten distalen und proximalen Gelenken wird
Fingertätigkeiten bei statischer und damit hypovas-
das Ellenbogengelenk langsam in Extension gebracht bis
kulärer Haltung des Ellenbogens. (Nachweis: Dorsal-
der Patient ein deutliches Dehngefühl im Bereich der In-
extension mit aktiver Fingerflexion reduziert den
sertion verspürt.
Schmerz deutlich.)
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Arm wird in ca. 45° Flexion/
Abduktion und leichter Ellenbogenflexion auf der Be-
3.8 · Behandlung des Tennisellenbogens
127 3
a a
b b
. Abb. 3.37a,b Dehnung (primär) der Mm. Extensor carpi radialis . Abb. 3.38a,b Dehnung (primär) des M. extensor digitorum
brevis et longus (links). a ASTE, b ESTE communis (links). a ASTE, b ESTE
jDehnung (primär) des M. extensor digitorum . Abb. 3.39 Hausaufgabe: Dehnung (primär) für die Mm. extensor
communis Typ 5 (. Abb. 3.38b) carpi radialis longus et brevis (links)
Beginn. Die Dehnung sollte ab dem 1. Tag der Aktualisie-
rung erfolgen.
ASTE. Der Patient sitzt.
Ziel. Makrophagenlängeninformation vermitteln.
Ausführung. Er umfasst bei gebeugtem Ellenbogen seinen
ASTE, Ausführung und Dosierung. Wie in . Abb. 3.37 a, b, Handrücken und führt seine Hand in max. Palmarflexion/
mit zusätzlichem Faustschluss. Ulnarabduktion, den Unterarm in Pronation. Unter Beibe-
haltung dieser Position wird der Ellenbogen bis zum
jHausaufgabe: Dehnung (primär) für die Mm. exten- Dehngefühl der betroffenen Insertion bzw. des tendomus-
sor carpi radialis longus und brevis (. Abb. 3.39) kulären Übergangs gestreckt.
Beginn. Die Hausaufgabe sollte ab dem 1. Tag der Aktua-
lisierung gemacht werden. Anzahl und Dosierung. 20 Wiederholungen, 1 sec max. bis
an die Schmerzgrenze, alle 6–7 Stunden, bis zum 6. Tag der
Ziel. Makrophagenlängeninformation vermitteln. Aktualisierung.
128 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
. Abb. 3.42a,b Kabelzug, »Einarmiges gestrecktes Heben«. a ASTE, ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt vor der Behand-
b ESTE lungsliege. Der ausführende Arm ist gestreckt, die Hand
liegt pronatorisch im Überhang und wird durch das sich in
der Hand befindliche Hantelgewicht (1 kg) in Beugung ge-
zogen.
a b a b
. Abb. 3.44a,b »Handgelenkrollen«. a ASTE, b ESTE . Abb. 3.45a,b Rehahausaufgabe: Spezifisches Training mit
Theraband (rechts). a ASTE, b ESTE
ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt oder steht. Er hält 3.9 Behandlung des Golferellenbogens
mit gestreckten Armen eine ca. mindestens 40 cm lange (Epicondylitis medialis)
Stange mit einem 40 cm langen Seil, an dessen Ende eine
anfänglich leichte Gewichtsscheibe befestigt ist. Das Seil ist Bei der Epicondylitis medialis besteht die Grundlage der
vollständig abgewickelt. Pathologie
4 in der Instabilität des Lig. collaterale ulnare
ESTE. Die Bewegung erfolgt durch wechselnde Dorsalex- 4 in der Palmarflexionshypomobilität des carpus
tension mit Aufdrehen des Seils. Die Aufrollbewegung 4 Distalisierungshypomobilität des Radius.
sollte in langen Drehbewegungen durchgeführt werden.
Der Arm bleibt in unveränderter Stellung. Ist das Gewicht Die fehlende limitierende passive Stabilität durch das Lig.
aufgerollt, wird es langsam wieder in die ASTE abgelassen. collaterale ulnare muss durch die Muskulatur kompensiert
werden. Dies kann zu Mikrotraumen der insertionsnahen
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec Sehne (Typ 1) bzw. zu Mikrotraumen am tendomuskulä-
Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. ren Übergang (Typ 2) führen. Eine dynamisch artikuläre
Instabilität führt ebenfalls zur Überlastung der Flexoren
jRehahausaufgabe für den Tennisellenbogen: (erhöhte Stabilitätsanforderung).
Spezifisches Training mit dem Theraband
> Typ 1 und Typ 2 werden durch Palpation unter-
(. Abb. 3.45)
schieden.
Ziel. Spezifische Ansprache der verletzten muskulären
Faserstrukturen. Eine wichtige Differenzialdiagnose ist die Affektion
4 des Ramus articularis nervi mediani sowie
ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt vor der Behand- 4 des Ramus articularis nervi ulnaris mit seiner starken
lungsliege. Der ausführende Arm ist gestreckt, die Hand sympathischen Anbindung, die nur durch Infiltration
liegt pronatorisch im Überhang und wird durch ein um das mit einem Lokalanästhetikum ausgeschlossen werden
Handgelenk gebundenes Theraband in Palmarflexion ge- kann.
zogen.
ESTE. Die Bewegung erfolgt nur aus dem Handgelenk. Der 3.9.1 Golferellenbogen Typ 1
Arm bleibt in unveränderter Stellung. Das Theraband wird
so weit wie möglich in Dorsalextension mit Radialab- jQuerfriktion entlang des Epikondylus auf der
duktion gezogen, dort 1 sec gehalten und in die ASTE zu- insertionsnahen Sehnenplatte der Mm. flexor carpi
rückgebracht. ulnaris/flexor carpi radialis, M.pronator teres und
M. palmaris longus Typ 1 (. Abb. 3.46)
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec Beginn. Die Querfriktion sollte ab dem 42. Tag therapie-
Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. resistenter Schmerzen erfolgen.
3.9 · Behandlung des Golferellenbogens (Epicondylitis medialis)
131 3
. Abb. 3.46 Golferellenbogen Typ 1 (rechts). Armposition, . Abb. 3.47 Dehnung der Flexorenmuskulatur Typ1 und Typ 2
Grifftechnik (rechts). ESTE
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. Der Therapeut arbeitet in einer Art Spangengriff, in-
dem er seinen Daumen proximal des lateralen Epikondylus
> Bei der Querfriktion des Golferellenbogens Typ 1 ist
widerlagert. Die Bewegungsrichtung folgt mit Druck nach
es nicht möglich zwischen den einzelnen Muskel-
außen zum Therapeuten hin. Die Querfriktion wird so-
insertionen zu unterscheiden. Behandelt wird die
lange durchgeführt bis die Kontur der Sehne durch Auf-
gesamte Sehnenplatte. Die Fingerflexoren werden
quellung verstreicht.
nicht erreicht, da sie distal in die Sehnenplatte ein-
strahlen. Die Sehnenvorspannung kann je nach
Befund. Chronische insertionsnahe Tendopathie der
Weichteilmanteldicke individuell vorpositioniert
Flexorenmuskulatur Typ 1.
werden.Typ 1 und Typ 2 werden durch Palpation
Der Widerstandstest der Handflexion ist positiv. Es be-
unterschieden.
steht eine Druckdolenz der lateral distal insertionsnahen
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Arm wird in ca. 45° Flexion/ Sehnenplatte.
Abduktion und leichter Ellbogenflexion auf der Behand-
lungsbank positioniert. Der Unterarm befindet sich in Su- Nachbehandlung. Dehnen, Hausaufgabe und Thermo-
pination, die Hand wird entsprechend der Sehnenspan- kinetiktraining (. Abb. 3.47)
nung in Dorsalextension vorpositioniert.
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner rechten . Abb. 3.48 Hausaufgabe: Dehnung der Flexorenmuskulatur
Hand die Patientenhand und hält diese in maximaler Dor- (rechts). ESTE
salextension fixiert. Seine linke Hand fixiert den distalen
Oberarmbereich.
Bei fixierten distalen und proximalen Gelenken wird Ziel, den Makrophagen Längeninformation über das Ge-
das Ellenbogengelenk langsam in Extension gebracht bis webe und die versorgenden Gefäße zu vermitteln.
der Patient ein deutliches Dehngefühl im Bereich der In-
sertion bzw. im Bereich des tendomuskulären Übergangs Anzahl und Dosierung. 20 Wiederholungen, max. 1 sec bis
verspürt. an die Schmerzgrenze, alle 6–7 Stunden.
> Entsteht während der Dehnung ein Handgelenk-
ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt. Er legt seinen
schmerz durch Kompression des Karpaltunnels,
Arm außenrotiert auf die Behandlungsliege, so dass die
wird die Dehnung abgebrochen.
Hand im Überhang liegt und der Ellenbogen gestreckt ist.
Entsteht während der Dehnung ein Muskelbauch-
Um das Ellenbogengelenk und um den Unterarm wird
schmerz, wird eine neurogene Mobilisation des
eine Wärmepackung (hier mit warmem Wasser durch-
N. medianus/ulnaris vorgezogen.
tränkte Frotteehandtücher) gewickelt.
Dehnungen werden als Hausaufgabe vom 1. Tag der Aktu- Für den M. flexor digitorum superficialis werden die
alisierung an bis zum 6. Tag durchgeführt, mit dem Ziel, Finger mit einem Theraband umwickelt, so dass der Pa-
den Makrophagen Längeninformation über die versorgen- tient die Finger gegen leichten Widerstand des Therabands
den Gefäße zu vermitteln. 31- bis 40-mal in Palmarflexion ziehen muss.
Anzahl und Dosierung. 20 Wiederholungen, max. 1 sec bis Anzahl und Dosierung. 31–40 Wiederholungen, 30–60 sec
an die Schmerzgrenze, alle 6–7 Stunden. Pause, 3–4 Serien.
a b a b
. Abb. 3.49a,b Unspezifisches Training mit »Z-Stange«, »Z-Stan- . Abb. 3.50a,b Unspezifisches Training, »Pull down«. a ASTE,
gen-Curls«. a ASTE, b ESTE b ESTE
ESTE. Der Patient zieht die Hebelarme so weit wie möglich ESTE. Die Bewegung erfolgt ohne Mitbewegung des
nach unten bis die maximale Flexion bei voller Flexoren- Rumpfes mit extendiertem Arm nach kaudal. Die Hand-
spannung erreicht wird. position des ausführenden Arms wird nicht verändert.
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec
Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
a
a b
ESTE. Die Bewegung erfolgt ohne Mitbewegung des ESTE. Der Patient bewegt das gespannte Theraband in
Rumpfes nur aus dem Handgelenk. Der Arm bleibt in un- maximale Palmarflexion mit Ulnarabduktion und 90°
veränderter Stellung. Die Hantel wird so weit wie möglich Ellenbogenflexion. Der Arm selbst bleibt in unveränderter
in Palmarflexion mit Ulnarabduktion gezogen, dort 1 sec Stellung. Die ESTE wird dort 1 sec gehalten und in die
gehalten und in die ASTE zurückgebracht. ASTE zurückgebracht.
3.10 · Sportspezifisches Rehabilitations- und Prophylaxetraining (Kraftimitation und Traumaimitation)
135 3
a b
. Abb. 3.54a,b Rehahausaufgabe: Spezifisches Training mit dem Theraband. a ASTE, b ESTE
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec sportspezifische Schwerpunkte und betonte Kontraktions-
Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. formen haben kann.
Unter- und Oberarme verfügen primär über spindel-
Steigerung. Möglich sind: förmige Muskeln:
4 Steigerung der Kollagenbelastung über das Tempo 4 Sie haben einen punktuellen tendomuskulären
1 – 0 – 2 bis 1 – 0 – 3, max. bis 1 – 0 – 6. Übergang.
4 Steigerung der Exzentrikbelastung bei Reduktion der 4 Ihre Kraft rekrutiert sich aus den Wechselwirkungen
Wiederholungszahl auf 10–12 Wiederholungen. der Gelenke und damit verbundenen Hebel-
gesetzen.
4 Ihre Kraft wird durch die parallel laufenden Fasern
3.10 Sportspezifisches Rehabilitations- limitiert (Antagonisten Bewegungskontrolle).
und Prophylaxetraining
(Kraftimitation und Traumaimitation) Ein sportspezifisches Training kann ebenso auf be-
lastungsbetonte Berufe umgesetzt werden, wobei ent-
Das sportspezifische Rehabilitationstraining bezeichnet sprechende Vorpositionen beim arbeitsspezifischen
das präzise Nachempfinden eines Verletzungsmusters, das Rehabilitationstraining eingenommen werden müssen.
in einer komplexen muskulären Synergieschlingenbe- Ein sportspezifisches Prophylaxetraining wird von
wegung integriert ist. den Autoren als Traumaimitation (TIMI) bezeichnet. Bei
Dieses Training setzt ein volles Bewegungsausmaß der TIMI werden schwerpunktmäßig typische sportspezi-
voraus, auf der Basis von: fische Verletzungsanfälligkeiten simuliert mit dem Ziel,
4 Koordination, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken.
4 Flexibilität,
4 Ausdauer und
4 spezifischer Kraft. 3.10.1 Beispiel: Tennisspieler
Das Ziel ist es, eine funktionell konditionelle Wechsel- jKraftimitation (KIMI) für einen Tennisspieler
wirkung zwischen mehreren Gelenken zu erreichen. Dabei (. Abb. 3.55)
wird die Verletzungsstruktur besonders betont, d. h., nach Das Beispiel zeigt den Weg von konzentrisch schneller
Rekrutierung in Kilogramm (Kraft) folgt die Rekrutierung Bewegung mit Integration exzentrischer Bremskraft der
in Geschwindigkeit. Das Gleichgewicht zwischen den Extensorenmuskulatur bei einem Tennisspieler anhand
Muskeln ist die Vorraussetzung einer Kräfteaufteilung, die eines tertiären Steigerungsaufbaus:
136 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
b c d e
. Abb. 3.55a–e Kraftimitation (KIMI) für einen Tennisspieler. a ASTE, b 1. Phase, c 2. Phase, d 3. Phase, e 4. Phase
4 1. Phase: am Zugapparat 2-kg-Gewicht (Rollenzug passierenden Nerven zu, die der Körper durch geschickte
unten). Anlage und spiralförmige Eigenschaften der Nerven be-
4 2. Phase: mit 1-kg-Hantel. antwortet hat.
4 3. Phase: mit Schlägerumhüllung. Immobilisation bedeutet zum einen,
4 4. Phase: ohne Schlägerumhüllung. 4 dass die Verschieblichkeit der Faszikel untereinander
eingeschränkt wird und zum anderen,
4 dass das Kollagen (Typ 1) zwischen dem Epineurium
3.11 Neurogene Mobilisation und Mesoneurium sowie zwischen Mesoneurium und
des Ellenbogengelenks umliegenden Fixationstellen (Knochen, Muskeln und
Faszien in und um die Ellenbeuge) aufgrund zahl-
3.11.1 Grundlagen der neurogenen reicher neuraler Bifurkationen und Engpässe im
Mechanik am Ellenbogengelenk Ellenbogengelenk, häufig adaptiert.
> Eine neurogene Mobilisation wird grundsätzlich
Wie das Bindegewebe verkürzt sich auch das Nervenbin-
mit einem Warming up des neuralen Systems be-
degewebe bei Immobilisationen in Ruheposition. Gerade
gonnen.
das Ellenbogengelenk unterliegt aufgrund von Alltags-/
Gebrauchsläsionen häufig Ruhigstellungen durch Schon- Die Ziele einer neurogenen Mobilisation sind:
haltungen oder iatrogenen Immobilisationsmaßnahmen. 4 Reduktion epineuraler Ödeme sowie
Zudem kommt eine hohe Mobilitätsanforderung auf die 4 Mobilisierung des Axonplasmaflusses.
3.11 · Neurogene Mobilisation des Ellenbogengelenks
137 3
3.11.2 Grundeinstellung einer
Nervenmobilisation, bezogen
auf das Ellenbogengelenk
. Abb. 3.57 Neurogene Mobilisation des N. radialis, links . Abb. 3.58 Neurogene Mobilisation des N. medianus, links
Befund. Die neurogene Mobilisation ist angezeigt bei: über den rechten Oberschenkel des kopfseitig stehenden
4 Kubitaltunnelneuropathie, Therapeuten, 7 Kap. 4, 7 Abb. 4.75). Mit der rechten Hand
4 Restriktion des N. ulnaris durch das Septum mus- umfasst der er die Hand des Patienten und führt eine
culare mediale, submaximale Ellenbogenextension und eine maximale In-
4 Restriktion des N. ulnaris in der Guyon-Loge, nenrotation im GHG aus. Nachfolgend wird die Hand in
4 Restriktion des N. ulnaris in der Achselbeuge, Palmarflexion positioniert.
4 segmentaler Wurzelrestriktion.
> Mobilisation der Ellenbogennervenabschnitte des
Abschluss. Nach der Nervenmobilisation folgen physiolo- N. radialis:
gisches Bewegen und die Anwendung milder Wärme. 5 Um spezifisch das Ellenbogengelenk zu er-
reichen, sollte die Nervendehnspannung über
jNeurogene Mobilisation des N. radialis (. Abb. 3.57) die Extension im Ellenbogengelenk ausgeführt
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. werden, wobei die distalen und proximalen Ge-
lenke in maximaler Dehnungsspannung für den
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich links neben dem N. radialis vorpositioniert werden.
Patiententhorax (alternativ kopfseitig, 7 Abschn. 4.14.5, 5 Soll der distale Nervenabschnitt des Ramus
7 Abb. 4.75). Der Patient wird so gelagert, dass die Beine und profundus nervi radialis vom Ellenbogen mobili-
der Kopf zur heterolateralen Bankseite positioniert sind, so siert werden (Supinatorloge/Passage durch die
dass eine neurogene Dehnung des Plexus brachialis und der Extensorenloge), wird die Palmarflexion der
Dura mater vorpositioniert wird. Die linke Patientenschulter Hand submaximal, die restlichen Gelenke
befindet sich im Überhang und liegt anfänglich je nach Be- maximal eingestellt und über die Palmarflexion
tonung des Nervenabschnitts noch adduziert. mobilisiert.
Der Therapeut zieht mit seiner linken Hand die linke 5 Soll die Betonung auf dem Ramus superficialis
Schulter des Patienten in Depression, so dass eine Eleva- nervi radialis liegen, wird zusätzlich zur Palmar-
tion der Schulter unterbunden wird (alternativ Depression flexion eine Ulnarduktion positioniert.
3.11 · Neurogene Mobilisation des Ellenbogengelenks
139 3
5 Bei Betonung des proximalen Ellenbogen- 5 Soll der distale Nervenabschnitt des N. medialis
nervenabschnitts des N. radialis (Passage durch vom Ellenbogen mobilisiert werden (neurale
das Septum intermusculare laterale) wird die Fixierung an der Unterseite der oberflächlichen
Abduktion im GHG submaximal, die restlichen Beugerpassage durch den Karpaltunnel), wird
Gelenke maximal eingestellt und über Abduk- die Dorsalextension der Hand submaximal, die
tion mobilisiert. restlichen Gelenke maximal eingestellt und über
die Dorsalextension mobilisiert.
! Cave 5 Die zusätzliche Betonung des Ramus palmaris
Eine horizontale Abduktion erzeugt ein zusätzliches nervi mediani wird über eine betonte Finger-
Kompartment in der Pectoralis-minor-Loge. extension ausgelöst.
5 Soll die Ellenbeuge direkt neurogen mobilisiert
Befund. Die neurogene Mobilisation ist angezeigt bei: werden, werden die distalen und proximalen
4 Supinator-Logenneuropathie, Gelenke maximal und das Ellenbogengelenk
4 Restriktion des N. radialis durch das Septum muscu- submaximal eingestellt und über die Ellen-
lare mediale, bogenextension mobilisiert.
4 Restriktion des N. radialis im dorsolateralen Faszien- 5 Bei Betonung des proximalen Ellenbogennerven-
durchbruch, abschnitts des N. medianus (Passage durch das
4 Restriktion des N. radialis in der Achselbeuge, Septum intermusculare mediale – obere Apertur)
4 segmentaler Wurzelrestriktion. wird die Abduktion im GHG submaximal, die
restlichen Gelenke maximal eingestellt und über
Abschluss. Nach der Nervenmobilisation folgen physiolo- die Abduktion mobilisiert.
gisches Bewegen und die Anwendung milder Wärme.
! Cave
jNeurogene Mobilisation des N. medianus Eine horizontale Abduktion erzeugt ein zusätz-
(. Abb. 3.58) liches Kompartment in der Pectoralis-minor-Loge.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Befund. Die neurogene Mobilisation ist angezeigt bei:
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich links neben dem 4 M.-pronator-teres-Logen-Neuropathie,
Patiententhorax (alternativ kopfseitig, 7 Kap. 4, 7 Ab- 4 Restriktion des N. medianus durch das Septum
schn. 4.14.5, 7 Abb. 4.73). Der Patient wird so gelagert, dass musculare mediale,
die Beine und der Kopf zur heterolateralen Bankseite posi- 4 Restriktion des N. medianus in der Achselbeuge,
tioniert sind, so dass eine neurogene Dehnung des Plexus 4 segmentaler Wurzelrestriktion.
brachialis und der Dura mater vorpositioniert wird. Die
linke Patientenschulter befindet sich im Überhang und Abschluss. Nach der Nervenmobilisation folgen physiolo-
liegt anfänglich noch adduziert. gisches Bewegen und die Anwendung milder Wärme.
Der Therapeut zieht mit seiner linken Hand die linke
Schulter des Patienten in Depression, so dass eine Elevation
der Schulter unterbunden wird (alternativ Depression über 3.11.4 Neurogene Stimulation der Rami
rechten Oberschenkel des kopfseitig stehenden Therapeu- articulares nach Streeck
ten, 7 Kap. 4, 7 Abb. 4.73). Mit der rechten Hand umfasst
der er die Hand des Patienten und führt eine submaximale Die neurogene Stimulation der Rami articulares des Ellen-
Ellenbogenextension und eine maximale Außenrotation im bogens steht für:
GHG aus. Nachfolgend wird die Hand in Dorsalextension 4 Verbesserung der exzentrisch dynamischen Stabilität
positioniert und das Schultergelenk abduziert. und
4 Sicherung des Ellenbogengelenks bei Zugbelastungen.
> Mobilisation der Ellenbogennervenabschnitte
> Das Exzentriktraining beginnt mit kleinen
des N. medianus
Amplituden, die fortlaufend zum Ende hin immer
5 Um spezifisch das Ellenbogengelenk zu er-
größer werden.
reichen, sollte die Nervendehnspannung über
die Extension im Ellenbogengelenk ausgeführt
werden, wobei die distalen und proximalen Ge-
lenke in maximaler Dehnungsspannung für den
N. medianus vorpositioniert werden.
140 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
. Abb. 3.59 Stimulation der Rami articulares laterales, rechts . Abb. 3.60 Stimulation der Rami articulares proximales medialis
et ulnaris
jStimulation der Rami articulares laterales und jStimulation der Rami articulares proximales
Rami articulares anconeus mit reagierenden medialis et ulnaris mit reagierendem M. flexor carpi
Mm. extensor carpi radialis longus et brevis et ulnaris und M. flexor digitorum profundus
anconeus (. Abb. 3.59) (. Abb. 3.60)
Ziel. Die Ziele sind:
> Voraussetzungen für das Training sind die Be-
4 Verbesserung der exzentrischen Muskelspannung
lastungsfähigkeit und Verformbarkeit des Knorpels
des M. flexor carpi ulnaris und M. flexor digitorum
unter Belastung. Limitiert werden Intensität und
profundus,
Bewegungsausmaß durch den Schmerz.
4 Absicherung der Valgusbewegung im Ellenbogen-
Ziel. Die Ziele sind: gelenk und
4 Verbesserung der exzentrischen Muskelspannung 4 Absicherung von Zugbelastungen.
der Mm. extensor carpi radialis longus et brevis und
> Der exzentrische Einsatz der Flexorenmuskulatur ist
des M. anconeus und
auch sinnvoll, um den medial ventral liegenden
4 Absicherung der Varus- und Extensionsbewegung
Ramus articularis nervi mediani mit anzusprechen.
im Ellenbogengelenk.
ASTE. Der Patient sitzt. Er legt seinen rechten Arm, der
ASTE. Der Patient sitzt. Er legt seinen rechten Arm, der proximal des Olekranon mit einem Sandsack unterlagert
proximal des Olekranon mit einem Sandsack unterlagert wird, in 70° Ellenbogenflexion auf die Behandlungsliege.
wird, in 70° Ellenbogenflexion und Supination auf die Be-
handlungsliege. Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten, er
fixiert mit seiner rechten Hand im Spangengriff die proxi-
Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten und male Handwurzelreihe des Patienten. Mit seiner linken
gibt mit seiner rechten Hand am Patientenoberarm einen Hand gibt der Therapeut von lateral einen Valgusstress.
Varusstress. Mit der linken Hand umfasst er von dorsal das Der Patient spannt in Ulnarduktion der Hand an und lässt
distale Ende des Unterarms. Der Patient spannt in Ellen- bei gleichbleibender Spannung den Arm vom Therapeuten
bogenextension an und lässt bei gleichbleibender Span- in Radialduktion bewegen.
nung den Arm vom Therapeuten in Ellenbogenflexion
bewegen. Anzahl und Dosierung. 10–12 Wiederholungen, 60 sec
Pause, 4–5 Serien.
Anzahl und Dosierung. 10–12 Wiederholungen, 60 sec
Pause, 4–5 Serien.
3.12 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des HUG
141 3
. Abb. 3.61 Stimulation der Rami articulares nervi partis prona- . Abb. 3.62 Stimulation der Rami articulares nervi radialis partis
toriae, links supinatoriae, links
ASTE. Der Patient sitzt. Er legt seinen rechten Arm, der jTraktionsmobilisation aus Vorposition Extension im
mit einen Sandsack proximal des Olekranon unterlagert HUG (. Abb. 3.64)
ist, in 70° Ellenbogenflexion auf die Behandlungsliege und Basisbefundung. Befundet wurden:
lehnt den supinierten Unterarm auf die linke Schulter des 4 Positiver Joint play,
Therapeuten. 4 Kapselrestriktion.
Ausführung. Der Therapeut sitzt vor dem Patienten, er Ziel. Dehnung der Kapselrestriktion mit Traktionsstufe 3.
fixiert mit seiner rechten Hand den Patientenoberarm und
> Die Mobilisierungsstufe 3 ist nur ab Arthrosegrad
umgreift im Zangengriff gelenknah die Ulna.
2/3 möglich. Traktionsmobilisationen können aus
Unter Hautvorgabe und Aufnahme der Weichteil-
unterschiedlichen Vorpositionen ausgeführt werden.
konsistenz gibt der Therapeut die Separationsrichtung ent-
sprechend der 45°-Gelenkstellung aus der Tangentialebene ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage oder sitzt. Der zu be-
unter Traktionsstufe 2 in 45° weniger als Unterarm- handelnde Patientenarm wird am Oberarm mit einem Gurt
verlaufsrichtung vor. auf der Bank fixiert und mit einem Sandsack unterlagert.
Interpretation. Das Traktions-Joint play gibt einen Hin- Ausführung. Der Therapeut steht neben dem Patienten.
weis auf die Resistenz der Kapsel bei der Flexions- bzw. Die distale Therapeutenhand hält den Unterarm in Vorpo-
Extensionsbewegung. sition Extension und abnehmender Supination. Die proxi-
Das Bewegungsausmaß kann norm-, hyper- oder male Hand legt sich mit dem Hypothenar gelenknah an die
hypomobil sein. Ulna des Patienten.
3.12 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des HUG
143 3
45° 45°
ASTE. Der Patient sitzt. Der zu behandelnde Arm des Befund. Kapsulär- und kollagenbedingte Extensionsein-
Patienten wird am Unterarm mit einem Gurt auf der Bank schränkung.
so fixiert, dass die konkave Gelenkfläche der Ulna im
Raum fixiert bleibt und die Extensionseinschränkung
submaximal eingestellt ist. 3.12.4 Gebogenes Gleiten/Mobilisation
im HUG: Bei Synovialresistenz,
Ausführung. Der Therapeut steht neben dem Patienten. bei H-Brücken-Einlagerungen,
Die distale Hand des Therapeuten umgreift von medial bei Extensionseinschränkung und
den distalen Oberarm, die proximale Hand liegt ventral- als Warming up geeignet
seitig gelenknah am GHG.
Unter Hautvorgabe und Aufnahme der Weichteil- jGebogenes Gleiten/Mobilisation der Synovia des
konsistenz gibt der Therapeut die Rollgleitrichtung HUG, in der offenen Kette (. Abb. 3.67)
entsprechend der 45°-Gelenkstellung mit gleichmäßig Basisbefundung. Befundet wurden:
dosiertem Zug am distalen Partner und Druck am 4 aktive Extensionseinschränkung,
proximalen Partner vor, um den restriktiven dorsalen 4 positiver Traktions-Joint play,
Kapselanteil zu stressen. Die Mobilisation wird rhythmisch 4 positiver Synovialtest nach medial.
ausgeführt.
Ziel. Die Ziele sind:
Anzahl und Dosierung. 20 rhythmische Wiederholungen, 4 Konsistenzverbesserung der Synovia,
danach 30 sec–2 min halten, 60 sec Pause, 3–4 Serien. 4 Ausschwemmen von Wasserstoffionen,
3.12 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des HUG
145 3
60° – 85°
Epic. ulnare
90°
Epic. radiale c
a
restriktierte Kapsel
60° – 85°
Ziel. Differenzierung zwischen adaptiertem Kollagen der 3.12.7 Translations-Joint play im HUG:
Kapsel und Synovialresistenz mit Translationsstufe 2. Bei Synovialresistenz mit Extensions-
einschränkung
ASTE. Der Patient sitzt. Er legt seinen linken Arm, der
durch einen Sandsack unterhalb des Epicondylus medialis jTranslations-Joint play nach medial im HUG
unterlagert ist, so auf die Behandlungsliege, dass die Epi- für Synovialtestung (. Abb. 3.69)
3 kondylen senkrecht übereinander stehen. Die proximale Basisbefundung. Befundet wurden eine Einschränkung
Ulna wird ebenfalls mit einem Sandsack oder Handtuch der Extensions- und Valgusbewegung im Ellenbogen.
unterlagert, so dass sie frei liegt. Der Unterarm liegt in
Nullstellung. Ziel. Differenzierung zwischen adaptiertem Kollagen der
Kapsel und Synovialresistenz unter Translationsstufe 2.
Ausführung. Der Therapeut steht medial vor dem Patien-
ASTE. Der Patient sitzt. Er legt seinen linken Arm, der
ten und stellt die submaximale Extensionseinschränkung
durch einen Sandsack unterhalb des Epicondylus medialis
ein. Er fixiert mit seiner rechten Hand den Unterarm des
unterlagert ist, so auf die Behandlungsliege, dass die Epi-
Patienten und umgreift im Zangengriff in einem 90°-Win-
kel zum Unterarm des Patienten die Extensorenmuskula-
tur gelenknah, wobei die Phalanges mediae des Zeige-
fingers die Ulna anhaken.
Unter Hautvorgabe und Aufnahme der Weichteil-
konsistenz gibt der Therapeut die Translationsrichtung 45°– 60°
entsprechend der 60–85°-Schenkelneigung vor. Je end-
gradiger getestet wird, desto steiler wird die Translations-
richtung ausgeführt.
Ausführung. Der Therapeut steht lateral vor dem Patien- Anzahl und Dosierung. 31–40 Wiederholungen, 30 sec
ten und stellt die submaximale Extensionseinschränkung Pause, 4 Serien.
ein. Er legt seinen linken Daumen auf die Ulna, wobei sein
Unterarm im 90°-Winkel zum Unterarm des Patienten
steht. Mit seinem rechten Hypothenar überlagert er seinen 3.12.9 Gebogenes Gleiten/Mobilisation
linken Daumen und gibt rhythmisch 20 translatorische im HUG: Bei Synovialresistenz mit
Schübe in 45–60° seines Unterarmverlaufs. Flexionsseinschränkung
Die Translationsrichtung entspricht der Schenkel-
neigung von 45–60°. Je endgradiger getestet wird, desto jGebogenes Gleiten/Mobilisation der Synovia des
flacher wird die Translationsrichtung ausgeführt. HUG, Vorposition Flexion in der offenen Kette
(. Abb. 3.70)
Interpretation. Mit dem Translations-Joint play lässt sich Basisbefundung. Befundet wurden:
ein Qualitätsdefizit der Synovia beurteilen. 4 aktive Flexionseinschränkung,
4 positiver Traktions-Joint play,
4 positiver Synovialtest nach lateral.
3.12.8 Translationsmobilisation im HUG:
Bei Synovialresistenz mit Extensions- Ziel. Die Ziele sind:
einschränkung 4 Konsistenzverbesserung der Synovia,
4 Ausschwemmen von Wasserstoffionen,
jTranslationsmobilisation nach medial bei Synovial- 4 Warming up unter Translationsstufe/Traktionsstufe 2.
resistenz
Befundung. Befundet wurden: > Eine statische Kollagentechnik ist aufgrund des
4 positiver Joint play, Handlings nur bis 90° Flexion möglich.
4 Synovialresistenz bei Extensions- und Valgusein-
schränkung im Ellenbogen.
a b
. Abb. 3.70a,b Gebogenes Gleiten/Mobilisation der Synovia des HUG (links). a 1. Phase: Schutztraktion – Approximation. b 2. Phase: Unter
Schutztraktion – Approximation Flexion und Begleitung der Zwangssupination
148 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
45°–60°
3.12.10 Translations-Joint play im HUG:
Bei Synovialresistenz mit Flexions-
einschränkung b
60°–85°
3.13 Gelenkspezifische Untersuchung
und Behandlung des HRG
ASTE. Der Patient sitzt seitlich zur Behandlungsliege. Der Ziel. Die Ziele sind:
rechte Arm wird in 60° Abduktion und 90° Ellenbogen- 4 Konsistenzverbesserung der Synovia,
flexion auf der Bank abgelegt, so dass der Gelenkspalt des 4 Ausschwemmen von Wasserstoffionen,
PRUG horizontal steht. Der Unterarm wir in 5–10° Prona- 4 Warming up unter Translationsstufe 2 für nach-
tion eingestellt, um eine Entspannung der Membrana inte- folgende Rehamaßnahmen.
rossea und Chorda obliqua zu erreichen.
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 3.76, jedoch als
Ausführung. Der Therapeut sitzt lateral vom Patienten an Behandlungsmaßnahme.
der zu behandelnden Seite und umgreift mit seiner rechten
Hand den Radius des Patienten. Seinen rechten Daumen Anzahl und Dosierung. 31–40 Wiederholungen, 30 sec
legt der Therapeut auf das Radiusköpfchen und doppelt Pause, 4 Serien.
diesen mit seinem linken Daumen, der durch die gleich-
seitigen Finger am Epicondylus medialis widerlagert wird.
Die rechte Hand gibt dabei Approximationsdruck. 3.14.5 Translations-Joint play nach dorsal
Unter Berücksichtigung der Weichteilkonsistenz führt im PRUG: Bei Kollagenresistenz mit
der Therapeut rhythmisch 20 translatorische Testungen Pronationseinschränkung
für die Synoviaqualität durch:
4 Unter horizontaler Translation nach ventral prüft der jTranslations-Joint play nach dorsal im PRUG für
Therapeut rhythmisch die rotatorische Synoviaqualität. die Kollagentestung aus Vorposition Pronation
4 Mit der über die rechte Hand eingeleiteten Pronation (. Abb. 3.77)
überprüft der Therapeut die sagittal translatorische Basisbefundung. Befundet wurde eine Bewegungsein-
Synoviaqualität. schränkung der Pronation.
154 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
4 Unter horizontaler Translation nach dorsal prüft Befundet wird das DRUG unter Testreihenfolge aller
der Therapeut rhythmisch die rotatorische Synovia- Ellenbogengelenke.
qualität. Ruhestellung (»maximally loose-packed position«).
4 Mit der über die rechte Hand des Therapeuten ein- Die Gelenkpartner haben in 10° Supination den geringst-
geleiteten passiven Pronation, die das PRUG noch möglichen Kontakt zueinander.
weiter öffnet, überprüft er die sagittal translatorische Verriegelte Stellung (»maximally close-packed posi-
Synoviaqualität. tion«). Die Gelenkpartner haben in 0–5° Supination den
größtmöglichen Kontakt zueinander.
Befund. Synovialbedingte Störung der Pronationsbe- Kapselmuster. Dem DRUG ist kein Kapselmuster
wegung im PRUG. (Supination und Pronation zeigen sich endgradig schmerz-
haft) zuordenbar.
Biomechanik des PRUG. Im Folgenden wird die
3.14.8 Translations-Joint play nach dorsal Radiusbewegung beschrieben:
im PRUG: Bei Synovialresistenz mit 4 Pronation: palmar.
Pronationseinschränkung 4 Supination: dorsal.
4 DE Hand: proximal.
jTranslationsmobilisation nach dorsal im PRUG 4 PF Hand: distal.
für minderwertige Synoviakonsistenz
Befundung. Befundet wurde ein positiver synovialer Joint
play nach dorsal. 3.14.10 Translations-Joint play palmar
im DRUG: Bei Kollagenresistenz
Ziel. Die Ziele sind: mit Pronationseinschränkung
4 Konsistenzverbesserung der Synovia,
4 Ausschwemmen von Wasserstoffionen, jTranslations-Joint play nach palmar im DRUG die
4 Warming up unter Translationsstufe 2 für folgende für Kollagentestung (. Abb. 3.79)
Rehamaßnahmen. Basisbefundung. Befundet wurde eine Bewegungsein-
schränkung der Pronation.
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 3.78, jedoch als
Behandlungsmaßnahme. Ziel. Differenzierung zwischen adaptiertem Kollagen der
Kapsel und Synovialresistenz unter Translationsstufe 2.
Anzahl und Dosierung. 31–40 Wiederholungen, 30 sec
Pause, 4 Serien. ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt seitlich zur Behand-
lungsliege. Der linke Arm wird in 60° Abduktion und 90°
Ellenbogenflexion auf der Bank abgelegt, so dass der Ge-
lenkspalt des DRUG horizontal steht. Der Unterarm wird in
156 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
. Abb. 3.81 Translations-Joint play nach palmar im DRUG für die . Abb. 3.82 Translations-Joint play nach dorsal im DRUG für die
Synoviatestung, links Kollagentestung, rechts
Ausführung. Der Therapeut sitzt medial vom Patienten an 3.14.14 Translations-Joint play nach dorsal
der zu behandelnden Seite und umgreift mit seiner rechten im DRUG: Bei Kollagenresistenz
Hand flächig im Zangengriff die Ulna des Patienten. Mit mit Supinationseinschränkung
seinem linken Daumen und Zeigefinger umfasst der
Therapeut gelenknah den Radius. jTranslations-Joint play nach dorsal im DRUG für die
Unter Aufnahme der Weichteilkonsistenz gibt der The- Kollagentestung (. Abb. 3.82)
rapeut die Translationsrichtung in einem rechten Winkel Basisbefundung. Befundet wurde eine Bewegungsein-
zum Radius nach palmar vor und prüft bei gleichzeitigem schränkung der Supination.
Approximationsdruck rhythmisch mit 20 translatorischen
Bewegungen die rotatorische Synoviaqualität. Ziel. Differenzierung zwischen adaptiertem Kollagen der
Kapsel und Synovialresistenz unter Translationsstufe 2.
Befund. Synovialbedingte Störung der Pronationsbewe-
gung im DRUG. ASTE. Der Patient sitzt seitlich zur Behandlungsliege. Der
Arm wird in 60° Abduktion und 90° Ellenbogenflexion auf
der Bank abgelegt, so dass der Gelenkspalt des DRUG ho-
3.14.13 Translations-Joint play nach rizontal steht. Der Unterarm wir in 5–10° Pronation einge-
palmar im DRUG: stellt, um eine Entspannung der Membrana interossea und
Bei Synovialresistenz mit Chorda obliqua zu erreichen.
Pronationseinschränkung
Ausführung. Der Therapeut sitzt vor dem Patienten,
jTranslationsmobilisation nach palmar im DRUG
medial des zu behandelnden Arms und umgreift mit seiner
für minderwertige Synoviakonsistenz
rechten Hand flächig im Zangengriff die Ulna des Patien-
Befundung. Befundet wurde ein positiver synovialer Joint
ten. Mit seinem linken Daumen und Zeigefinger umfasst
play nach palmar.
der Therapeut gelenknah den Radius.
Unter Aufnahme der Weichteilkonsistenz gibt der The-
Ziel. Die Ziele sind:
rapeut die Translationsrichtung in einem rechten Winkel
4 Konsistenzverbesserung der Synovia,
zum Radius nach dorsal vor.
4 Ausschwemmen von Wasserstoffionen,
4 Warming up unter Translationsstufe 2 für
Interpretation. Anhand des Translations-Joint play lässt
nachfolgende Rehamaßnahmen.
sich die dorsale Resistenz der Kapsel für die Supinations-
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 3.81, jedoch als Be- bewegung beurteilen.
handlungsmaßnahme.
> Limitierend ist der Schmerz. > Limitierend ist der Schmerz.
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 3.85, jedoch bewegt ASTE. Der Patient setzt sich seitlich zur Behandlungsliege.
der Patient langsam, mit immer größer werdenden Amp- Der Oberarm wird horizontal auf der Bank abgelegt und
lituden, den Arm gegen leichten Führungswiderstand des mit einem Sandsack am distalen Oberarmende unter-
Therapeuten in Extension. lagert. Der Ellenbogen wird 90° gebeugt, der Unterarm
steht in anatomischer Nullstellung.
160 Kapitel 3 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Ellenbogen
90° 100°
110°
120°
130°
3
140°
. Abb. 3.87 Knorpelbelastungstraining für das HUG über flexori- . Abb. 3.88 Knorpelgleiten/Massage für das HUG über flexorische
sche Isometrie, links Kompressionsdynamik, links
Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten, jKnorpelbelastungstraining für das PRUG/DRUG
medial des zu behandelnden Arms und umgreift mit seiner über supinatorische Isometrie (. Abb. 3.89)
rechten Hand flächig im Zangengriff die Ulna. Er gibt Anamnese. Der Knorpel ist aufgrund einer Immobilisa-
einen longitudinalen Kompressionsdruck auf die Ulna, um tion oder Instabilität nicht belastungsstabil.
die adäquaten Gelenkanteile der Ulna zu betonen. Mit der
linken Hand fixiert der Therapeut den Oberarm des Pa- Ziel. Verbesserung der Tragfähigkeit des Knorpels.
tienten auf der Bank.
> Limitierend ist der Schmerz.
Der Patient spannt gegen die fixierende Therapeuten-
hand in Flexion. Die Isometrie wird 1 sec gehalten und ASTE. Der Patient setzt sich seitlich zur Behandlungsliege.
dann in extensorischen 10°-Abschnitten jeweils neu beübt Der Oberarm ist 60° abduziert, der Unterarm in 70° Ellen-
bis die extensorische Bewegungseinschränkung erreicht bogenflexion ulnarseitig auf der Bank abgelegt.
ist.
Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten, me-
Anzahl und Dosierung. 1 sec halten, 90 sec Pause, 21–30 dial des zu behandelnden Arms und umgreift mit seiner
Wiederholungen. Die Anzahl der Serien richtet sich nach rechten Hand flächig im Zangengriff die Extensorenmus-
der Anzahl der neuen Positionen. kulatur, wobei sich das MCP-Gelenk 2 an das Radiusköpf-
chen anmoduliert und einen zur Ulna ausgerichteten
jKnorpelgleiten/Massage für das HUG über Kompressionsdruck gibt. Die linke distale Hand des
flexorische Kompressionsdynamik (. Abb. 3.88) Therapeuten umgreift den distalen gelenknahen Aspekt
Anamnese. Der Knorpel ist belastungsstabil, zeigt jedoch des Radius, widerlagert diesen und gibt ebenfalls Kom-
Defizite bei der Verformungsbelastung. pressionsdruck in Richtung Ulna.
Der Patient spannt isometrisch gegen die fixierende
Ziel. Verbesserung der Verformungsbelastung des Knor- distale Therapeutenhand in Supination. Die Isometrie
pels. wird 1 sec gehalten und dann in supinatorischen 10°-Ab-
schnitten jeweils neu beübt bis die supinatorische Be-
> Limitierend ist der Schmerz. wegungseinschränkung erreicht ist.
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 3.87, jedoch bewegt
der Patient langsam, mit immer größer werdenden Am- Anzahl und Dosierung. 1 sec halten, 90 sec Pause, 21–30
plituden, den Arm gegen leichten Führungswiderstand Wiederholungen. Die Anzahl der Serien richtet sich nach
des Therapeuten in Extension. der Anzahl der neuen Positionen.
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec jKnorpelgleiten/Massage für das PRUG DRUG über
Pause, 3 Serien. supinatorische Kompressionsdynamik
Anamnese. Der Knorpel ist belastungsstabil, zeigt jedoch
Defizite bei der Verformungsbelastung.
Literatur
161 3
45°
90°
0°
0°
45°
90°
. Abb. 3.89 Knorpelbelastungstraining für das PRUG/DRUG über . Abb. 3.90 Knorpelbelastungstraining für das PRUG/DRUG über
supinatorische Isometrie, rechts pronatorische Isometrie, rechts
Ziel. Verbesserung der Verformungsbelastung des Knor- widerlagert diesen und gibt ebenfalls Kompressionsdruck
pels. in Richtung Ulna.
Der Patient spannt isometrisch gegen die fixierende
> Limitierend ist der Schmerz. distale Therapeutenhand in Pronation. Die Isometrie wird
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 3.89, jedoch bewegt 1 sec gehalten und dann in pronatorischen 10°-Abschnit-
der Patient langsam, mit immer größer werdenden Amp- ten jeweils neu beübt bis die pronatorische Bewegungsein-
lituden, den Arm gegen leichten Führungswiderstand des schränkung erreicht ist.
Therapeuten in Supination.
Anzahl und Dosierung. 1 sec halten, 90 sec Pause, 21–30
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 90 sec Wiederholungen. Die Anzahl der Serien richtet sich nach
Pause, 3 Serien. der Anzahl der neuen Positionen.
Manuelle Therapie
und Rehabilitation der Hand
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Literatur – 210
166 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
4.1 Anatomie der Hand Am Os hamatum befindet sich ein Knochenvorsprung, der
Hamulus ossis hamati, der mit dem Os pisiforme die Emi-
Die Hand (Manus) ist ein Gebilde aus 27 einzelnen Kno- nen tia carpi ulnaris bildet. Die Eminentia carpi radialis
chen mit 36 gelenkigen Verbindungen. Insgesamt bewegen wird ebenfalls von Knochenvorsprüngen gebildet und
fast 40 Muskeln die hochbewegliche koordinative Hand. zwar vom Tuberculum ossis scaphoidei und vom Tubercu-
Ihre Beweglichkeit und die damit verbundene komplizier- lum ossis trapezii. Beide Eminentiae sind durch das Lig.
te Biomechanik erfordern eine optimal abgestimmte carpi transversum verbunden, das den Karpaltunnel für
Mobilität und Stabilität. die Flexorensehnen und den N. medianus bildet.
4 Die Behandlung der Hand erfordert aufgrund ihrer Die Mittelhand (Metakarpus) besteht aus 5 Röhren-
multiplen gelenkigen Verbindungen und ihrer Vielzahl an knochen. Sie bildet durch die Anordnung ihrer 2–5 Strah-
Erkrankungsmöglichkeiten eine präzise Befundung und len einen aus palmarer Sicht konkaven Längsbogen.
eine spezifische lokale Behandlung. Die Finger (Digiti) besitzen jeweils 3 Einzelknochen-
Die Bewegungsfreiheit der Hand beträgt ca. glieder:
4 60° Dorsalextension, 4 Phalanx distalis,
4 65° Palmarflexion, 4 Phalanx medialis und
4 30° Radialabduktion und 4 Phalanx proximalis.
4 40° Ulnarabduktion.
Die Fingergrundgelenke (Articulatio metacarpophalan-
Der Radius ist gegenüber der Ulna um ca. 15° geneigt und gea) sind anatomisch gesehen Kugelgelenke, funktionell
gegenüber den Handwurzelknochen um 12° dorsopalmar sind jedoch nur zwei Grade der Freiheit möglich: Flexion/
geneigt. Zwischen Ulna, dem Os lunatum und Os triquet- Extension sowie Abduktion/Adduktion. Das Spreizen der
rum liegt der Discus articularis. Er überträgt Druckkräfte Finger ist in Extensionsstellung besser durchführbar als in
zwischen Ulna und Handwurzel. Beugung, da in Streckung der kollaterale, ligamentäre
Der Diskus gehört zu einem sog. TFC-Komplex (trian- Bandapparat erschlafft ist. Die Interphalangealgelenke
gulären fibrokartilaginösen Komplex), einem dreieckigen sind Scharniergelenke mit einem Freiheitsgrad: Flexion/
Faserknorpelkomplex, der sich zusammensetzt aus Extension.
4 dem Discus articularis, Der Daumen besitzt 2 Einzelknochenglieder:
4 dem Lig. collaterale ulnare, 4 Phalanx distalis und
4 einer meniskoiden Falte der Gelenkkapsel und 4 Phalanx proximalis.
4 der Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris.
Er hat in der Articulatio carpometacarpea pollicis ein frei
Dynamisiert wird der TFC-Komplex über den M. abduc- bewegliches Sattelgelenk mit zwei Freiheitsgraden, wobei
tor digiti minimi. Die meisten stabilisierenden Bänder der endgradig ein dritter Freiheitsgrad für die Rotation hin-
Hand haben Kontakt mit diesem Faserknorpelkomplex. zukommt.
Kommt es zu einer Instabilität in diesem Komplex, besteht Nerven und Gefäße passieren die Hand durch engste
die Gefahr, dass sich die Belastungssäule verändert oder ossäre Führungen und Logen zwischen Bändern und
dass das Os lunatum durch eine ligamentäre Schwachstelle Muskeln und sind anfällig für Kompressionsneuropathien.
luxiert (subluxiert). Der gesamte Handwurzelapparat ist mit einem dich-
Die eigentliche Kraftübertragung findet statt zwi- ten straffen Bandapparat abgedeckt.
schen Die meisten langen Handmuskeln kommen von den
4 Radius, beiden Epikondylen des Ellenbogengelenks und strahlen
4 Os scaphoideum und als Sehnen in die Hand ein. Kurze Muskeln haben ihren
4 Os lunatum. Ursprung am Unterarm oder an der Hand selbst. Der
Daumen besitzt eine »eigene« Muskulatur« (Thenar), um
Die Hand besteht aus 8 Handwurzelknochen (Karpus), die seiner Bewegungsfähigkeit gerecht zu werden.
so angeordnet sind, dass in der Palmarseite der Hand eine Die . Abb. 4.1, . Abb. 4.2 und . Abb. 4.3 zeigen die
konkave Hohlhand entsteht. Die Handwurzelknochen anatomischen Strukturen der Hand aus verschiedenen
setzen sich zusammen aus: Ansichten.
4 Proximale Handwurzelreihe: Os scaphoideum,
Os lunatum, Os triquetrum und Os pisiforme.
4 Distale Handwurzelreihe: Os trapezium,
Os trapezoideum, Os capitatum und Os hamatum.
4.1 · Anatomie der Hand
167 4
Anatomische schematische Orientierung der Hand aus Anatomische schematische Orientierung der Hand
dorsaler Sicht (. Abb. 4.1) (Manus) aus seitlicher Sicht (. Abb. 4.3)
2
12
11
7
4 8 3 4
1 5 1
9
5 10
2 6
. Abb. 4.1 Anatomische schematische Orientierung der Hand aus . Abb. 4.3 Anatomische schematische Orientierung der Hand
dorsaler Sicht. 1 Radius, 2 Ulna, 3 Discus articularis (rot), 4 Os scaph- Manus) aus seitlicher Sicht. 1 Os metacarpale 1, 2 Dorsal-Palmarnei-
oideum, 5 Os lunatum, 6 Os triquetrum, 7 Os trapezium, 9 Os capita- gung (gelb), 3 Styloideus radii, 4 Os trapezium, 5 Os scaphoideum
tum, 10 Os hamatum, 11 Os metacarpale 1, 12 Radius-Ulna-Neigung
(15°) (gelb)
1 jHandgelenkflexoren
7
Muskeln, die durch den Karpaltunnel ziehen, sind:
5 4 Mm. flexor digitorum superficialis, flexor digitorum
profundus (bildet die Basis des Karpaltunnels),
4 M. flexor pollicis longus,
4 M. palmaris longus.
. Abb. 4.2 Anatomische schematische Orientierung der Hand aus
palmarer Sicht. 1 Radius, 2 Ulna, 3 Hamulus ossis hamati, 4 Articula-
Der M. flexor carpi radialis durchstößt lediglich das Lig.
tio radioulnaris distalis (blau), 5 Articulatio radiocarpea (rot), 6 Os pi-
siforme, 7 Os sesamoideum (gelb), 8 Os phalanx distalis, 9 Os pha-
transversum carpi.
lanx media, 10 Os phalanx proximalis, 11 Os metacarpale 5
jHandgelenkextensoren
Im Folgenden werden die Muskeln genannt, die durch die
dorsalen Sehnenfächer ziehen:
Durch das 1. Sehnenfach ziehen:
4 M. abductor pollicis longus und
4 M. extensor pollicis brevis.
4 Affektion des Ramus articularis nervi radialis rat verläuft vom Radius zum TFC-Komplex und weiter zu
superficialis oder den einzelnen Handwurzelknochen.
4 Periostitis der indirekten Insertion des
M. brachioradialis (Styloiditis radii). jLigamenta intercarpalia
Ligamenta intercarpalia oder intrinsische Ligamente sind
Durch das 2. Sehnenfach ziehen: Bänder, die die Handwurzelknochen untereinander ver-
4 M. extensor carpi radialis longus und binden. Verletzungen oder Rupturen dieser Bänder be-
4 M. extensor carpi radialis brevis. deuten Instabilität und Verminderung der Mechanik.
4
Reizungen dieses Sehnenfachs können durch Dislokation jLig. collaterale carpi ulnare
des Os scaphoideum bei Ulnarabduktion entstehen. Das Lig. collaterale carpi ulnare zieht mit zwei Zügeln vom
Durch das 3. Sehnenfach zieht: Processus styloideus ulnae zum Discus articularis und
4 M. extensor pollicis longus. weiter zum Os triquetrum und Os pisiforme.
3 4
6 jNn. ulnaris, radialis und medianus
Motorisch wird die Hand über die Nn. ulnaris, radialis und
medianus innerviert, wobei der N. radialis über keine mo-
torische Innervation der kleinen Handmuskeln verfügt.
Die meisten motorischen Läsionen beruhen auf Verände-
rungen der Sehnen untereinander. Dies bedeutet, dass es
nach entzündlichen Sehnenscheidenprozessen zu Restrik-
tionen mit Kompressionen auf durchlaufende Nerven
. Abb. 4.5 Ligg. radiocarpalia profunda (rechtsseitig). 1 Lig. capi-
totriquetrum (Lig. deltoideum), 2 Lig. radiocapitatum (Lig. deltoide-
kommen kann, so dass es wiederum zu fokal dystonischen
um), 3 Lig. radiotriquetrum, 4 Lig. radioscaphoideum, 5 Lig. collate- motorischen, aber auch sensiblen und vegetativen Funk-
rale radiale, 6 Lig. collaterale ulnare tionsausfällen kommen kann.
170 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
> Gefährdete Regionen für ein Kompartment sind die 4.2 Anatomische Gesetzmäßigkeiten
Guyon-Loge, der Karpaltunnel und die Palmarfaszie. des Handgelenks
Im Handgelenk sind alle Nerven, die eine topographische Das proximale Handwurzelgelenk (. Abb. 4.8a) ist ein
Beziehung zu dem jeweiligen Gelenk haben, an der Inner- Eigelenk, das einerseits
4 vation der Gelenkkapseln beteiligt, so dass der Ausfall 4 von der Facies articularis carpalis radii und anderer-
eines Nervenastes die dynamische Stabilität nicht wesent- seits
lich beeinflusst: 4 vom Os scaphoideum,
4 Von der palmaren Seite kommen die Gelenkäste der 4 vom Os lunatum und Os triquetrum
Nn. ulnaris, interosseus palmaris und medianus.
4 Von der radialen Seite kommen die Gelenkäste des gebildet wird. Ulnarseitig wird der Kontakt zur proximalen
Ramus superficialis nervi radialis. Handwurzelreihe durch den Discus articularis (. Abb. 4.8b)
4 Von der ulnaren Seite kommen die Gelenkäste des hergestellt.
Ramus profundus nervi ulnaris. Das Gelenk hat 2 Freiheitsgrade:
4 Von der dorsalen Seite kommt der N. interosseus 4 Flexion/Extension und
dorsalis als Nervenast, der hauptsächlich die Gelenk- 4 Ulnarabduktion/Radialabduktion.
kapsel versorgt.
Der Radius ist gegenüber der gleichmäßig halbmondför-
Der N. interosseus dorsalis endet großflächig auf dem migen, konvexen proximalen Handwurzelreihe konkav
Handrücken in Form von Pseudoganglien, kleinen Ner- und zeigt eine 15°–25°-Ulnarneigung und eine 12°-Palmar-
venendknötchen, aus denen kleinste Nervenfäden zu den neigung.
Gelenken ziehen. Wie auch der N. interosseus palmaris Bei der Dorsalextensionsbewegung im proximalen
versorgt der N. interosseus dorsalis nicht nur die Gelenk- Handwurzelgelenk gleitet die proximale Handwurzelreihe
kapsel, sondern innerviert auch Blutgefäße und Bänder nach palmar. Die Bewegung ist gekoppelt mit einer biome-
sowie die Stabilität zugeordneter Muskeln. chanischen Radialabduktion und einer biomechanischen
Die . Abb. 4.6 und . Abb. 4.7 beschreiben die Vernet- Pronation.
zungen der Rami articulares der Hand. Bei der Palmarflexionsbewegung gleitet die proxima-
le Handwurzelreihe nach dorsal. Die Bewegung ist gekop-
jAnatomische schematische Orientierung pelt mit einer biomechanischen Ulnarabduktion und bio-
der Rami articulares palmares (. Abb. 4.6) mechanischen Supination.
17 1
1
16
2
3
2 . Abb. 4.6a,b Anatomische schematische Orientierung der Rami
15 articulares palmares (Aus v. Lanz u. Wachsmuth, 1982, 2003).
3 14 a 1 N. cutaneus antebrachii radialis, 2 Rr. articulares ni. cutanei
4 4 antebrachii radialis, 3 R. articulris ri. palmaris ni. mediani, 4 R. anas-
tomoticus cum no. interosseo volare, 5 Rr. articulares ni. mediani,
13
6 N. digitalis dorsalis propius radialis I, 7 Rr. perforantes, 8 N. digitalis
5 12 volaris proprius radialis I, 9 Rr. articulares ri. profundi ni. ulnaris für
6 11 die Fingergrundgelenke, 10 Rr. perforantes, 11 R. articularis ri
dorsalis manus ni. ulnaris, 12 Rr. articulares ri. profundi ni. ulnaris,
10
7 13 R. articularis ni. ulnaris, 14 R. articularis ni. cutanei antebrachii
8
ulnaris, 15 N. ulnaris, 16 N. interosseus volaris, 17 R. palmaris ni.
Mediani. b 1 R. profundus ni. ulnaris, 2 Rr. articulares für die Finger-
grundgelenke II und III, 3 Nn. digitales volares proprii II, 4 R. arti-
a 9 b cularis ni. digitalis volaris ulnaris III
4.2 · Anatomische Gesetzmäßigkeiten des Handgelenks
171 4
jAnatomische schematische Orientierung 4.2.2 Das distale Handwurzelgelenk
der Rami articulares dorsales (. Abb. 4.7) (Articulatio mediocarpalis)
a b
. Abb. 4.8a,b Anatomische schematische Orientierung der Articulatio radiocarpalis. a proximales Handwurzelgelenk, b Lage des
Discus articularis
172 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
. Abb. 4.9 Anatomische schematische Orientierung: Articulatio . Abb. 4.10 Anatomische schematische Orientierung:
mediacarpalis Articulationes intercarpales
In den . Abb. 4.11 und . Abb. 4.12 werden die Achsen und
Ebenen des Os trapezium zur Verdeutlichung dargestellt.
4.2 · Anatomische Gesetzmäßigkeiten des Handgelenks
173 4
jAnatomische schematische Orientierung:
das Daumensattelgelenk (. Abb. 4.11)
a b
c d
4.2.5 Guyon-Loge
ist fast immer die ulnare Seite, mit zunehmender Flexions- 4.4.10 Tendovaginosis crepitans
kontraktur.
Die Tendovaginosis ist eine Entzündung der Membrana
synovialis der Sehnenscheide und manchmal auch der
4.4.5 Styloiditis radii Sehne selbst, mit qualitativer und quantitativer Verände-
rung der Gleitflüssigkeit der Sehnenscheide.
Die Styloideus radii wird durch einen Bruch der Sharpey-
Fasern der indirekten Insertion des M. brachioradialis ver-
4 ursacht. 4.4.11 Karpaltunnel
Differenzialdiagnostisch sind auszuschließen:
4 Reizung des Ramus superficialis des N. radialis sowie Das Karpaltunnelsyndrom entsteht durch Raumforderung
4 Morbus de Quervain. im Karpalkanal. Dadurch können der Ramus palmaris
nervi mediani im Retinaculum flexorum (Sensibilitäts-
störungen) oder der N. medianus im Tunnel selbst be-
4.4.6 TFC-Komplexinstabilität troffen sein. Ursachen sind
4 Fehlstellungen des Radius nach Traumen,
Die Folgen einer Instabilität des TFC-Komplexes sind 4 Tendovaginitiden,
4 Veränderung der longitudinalen Belastungsachse 4 Diabetes mellitus oder
nach radial, 4 hormonelle Veränderungen.
4 Druckerhöhung im Gelenk zwischen Os scapho-
ideum und Os capitatum und
4 Entstehung einer Arthrose. 4.4.12 Skaphoidpseudarthrose
Der akute Karpaltunnel wird durch eine Tendovaginitis Kenntnisse der Oberflächenanatomie sind die Vorausset-
der Sehne des M. flexor digitorum profundus ausgelöst. zung für Inspektion und Therapie.
Die Ursachen finden sich vorwiegend in Die . Abb. 4.16 und . Abb. 4.17 zeigen wichtige topo-
4 lang andauernder Tipptätigkeit mit Schreibmaschine/ graphische Orientierungspunkte, die für den Therapeuten
Computer, gut palpierbar sind.
4 Handarbeiten oder bei
4 Radfahrern durch betontes Bremsen (Bergetappen).
jOberflächenanatomie der Hand von dorsal
Es entsteht eine Sehnenscheidenentzündung im Karpal- (. Abb. 4.16)
tunnel.
8
4.4.16 Ganglion
1 ⎫
Bei Ganglien handelt es sich um Ausstülpungen der ⎬ 4
⎭
Membrana synovialis.
2 3
Die Differenzierung erfolgt durch Widerstandstes- 6
tung: Ein Kapselganglion lässt sich trotz Widerstands noch 7 5
verschieben, ein Sehnenganglion ist nicht verschieblich.
4.4.17 Karpal Boss . Abb. 4.16 Oberflächenanatomie der Hand von dorsal
1 Caput ulnae, 2 Caput radii, 3 Sehne des M. extensor pollicis longus,
4 Sehnen des M. extensor digitorum communis, 5 Regio Daumen-
2 Karpal-Boss-Typen: grundgelenk, 6 Regio Mittelfingergelenk, 7 Tabatiere (gelb), 8 Tuber-
Karpal Boss tritt häufig bei handbetonten gewichttra- culum nach Lister (rot)
genden Sportarten wie Turnen, Gewichtheben, Stabhoch-
sprung, Boxen, Bodybuilding und Kampfsportarten auf.
jOberflächenanatomie der Hand von palmar
(. Abb. 4.17)
4.4.18 Skidaumen
. Tab. 4.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation bei Beschwerden der Hand
Patient gibt sensibles Handdermatom an V.a. Nervenläsion des Ramus palmaris n. mediani Nervenläsion des
Ramus dorsalis/ventralis, N. ulnaris
Patient gibt Greifschmerzen an, ohne dass ihm Gegenstände V.a. Instabilität der Handwurzelknochen
aus der Hand fallen
Patient gibt Schwellung der Finger an, vorwiegend bei V.a. venöse Problematik (Arcus venosus superficialis et profundus),
herabhängendem Arm Enge der Guyon-Loge
Patient gibt Schwäche und Schmerz bei Greiffunktionen an V.a. Karpaltunnelsyndrom, Fraktur eines Handwurzelknochens
Patient gibt lokale Schwellungsneigung auf dem Karpus an V.a. Subluxation eines Handwurzelknochens
4.6 Anamnese, Inspektion, Palpation In . Tab. 4.1 sind häufige anamnestische Angaben der
der Hand Patienten mit Handbeschwerden und mögliche grobe In-
terpretationen für den Befund zusammengefasst.
4.6.1 Anamnese
. Abb. 4.21 Aktive Radialabduktion der Hände 4.8.1 Aktiver Zusatztest: Sensible bzw.
motorische Provokationstestung
des Karpaltunnels
ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt oder steht. Er zieht
aus 90° Ellenbogenflexion beide Hände in Ulnarabduk- jPhalen-Test/Aktiver Karpaltunneltest, Provokation
tion. für den Ramus palmaris nervi mediani bzw.
N. medianus (. Abb. 4.22)
Befund. Es werden beurteilt: Ziel. Testen einer Parästhesie bzw. Schmerzauslösung.
4 Ausmaß der Bewegung (hypo-, hyper-, normmobil),
4 Schmerz, ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt oder steht. Er hält
4 Bereitwilligkeit. aktiv 1 min lang die maximale Palmarflexion der Hand.
Einschränkungen kommen zustande: Befund. Der Test ist positiv, wenn sich innerhalb 1 min
4 nach Frakturen, zunehmende Parästhesien bzw. Schmerzen zeigen. Außer-
4 durch Hypomobilität des Karpus, dem können sich die Fingergrundgelenke und das Dau-
4 durch rheumatische Fehlstellungen und mengrundgelenk aus der maximalen Flexion lösen. Dies
4 bei fehlendem Gleitverhalten nach radial. lässt auf eine Kompressionsneuropathie des Ramus palma-
ris nervi mediani bzw. N. medianus schließen.
Schmerzhafte Einschränkungen können vorliegen auf-
grund
4 einer Affektion des Ramus superficialis des
N. radialis,
4 bei Morbus de Quervain,
4 einer Läsion des TFC-Komplexes und
4 einer radialseitigen Affektion des Lig. collaterale
radiale.
. Abb. 4.23 Passive Pronationsbewegung (links) . Abb. 4.24 Passive Supinationsbewegung (links)
. Abb. 4.25 Passive Dorsalextension der Hand (rechts) . Abb. 4.26 Passive Palmarflexion der Hand (rechts)
Passive Dorsalextension des Handgelenks im Seiten- > Sportler zeigen häufig, aufgrund von Kapselverän-
vergleich (. Abb. 4.25) derungen, ein härteres schmerzfreies Endgefühl auf
der sportbetonten Seite.
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Unterarm liegt in Pronations-
stellung auf der Behandlungsliege. Der Ellenbogen des Weitere Befundung wie aktiver Test.
Patienten ist leicht gebeugt. Passive Ulnarabduktion des Handgelenks im Seiten-
vergleich, aus 3 Vorpositionen zur Selektion der Anteile
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken des Lig. collaterale carpi radiale (. Abb. 4.27)
Hand den distalen Unterarm so gelenknah wie möglich.
Mit seiner rechten Hand führt er die Patientenhand von Ziel. Testen des Endgefühls und des Lig. collaterale carpi
palmar in Dorsalextensionsstellung und gibt am Ende der radiale. Der Test wird in verschiedenen Positionen durch-
Bewegung einen leichten Überdruck. geführt:
4 Nullstellung: Testen des Endgefühls.
Befund. Beurteilt werden Quantität und Qualität des 4 Vorposition Dorsalextension: Testen der Pars palma-
Bewegungsausmaßes sowie des Endgefühls. ris.
Das normale Endgefühl ist festelastisch bis hart. 4 Vorposition Palmarflexion: Testen der Pars dorsalis.
> Sportler zeigen häufig, aufgrund von Kapselverän-
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Unterarm liegt in Pronations-
derungen, ein härteres schmerzfreies Endgefühl auf
stellung auf der Behandlungsliege. Seine Hand ist in Neu-
der sportbetonten Seite.
tralstellung, der Daumen ist locker.
Weitere Befundung wie aktiver Test.
Passive Palmarflexion des Handgelenks im Seiten- Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
vergleich (. Abb. 4.26) Hand den distalen Unterarm so gelenknah wie möglich.
Mit seiner rechten Hand führt er die Patientenhand ra-
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Unterarm liegt im Überhang dialseitig in Ulnarabduktion und gibt am Ende der Bewe-
in Supinationsstellung auf der Behandlungsliege. Der El- gung einen leichten Überdruck.
lenbogen des Patienten ist leicht gebeugt.
Befund. Beurteilt werden Quantität und Qualität des Be-
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken wegungsausmaßes sowie des Endgefühls.
Hand den distalen Unterarm so gelenknah wie möglich. Das normale Endgefühl ist festelastisch.
Mit seiner rechten Hand führt er die Patientenhand von
> 5 Schmerzen in Vorposition Dorsalextension
dorsal in Palmarflexionsstellung und gibt am Ende der Be-
deuten auf eine Läsion des Lig. collaterale carpi
wegung einen leichten Überdruck.
radiale pars palmaris.
5 Schmerzen in Vorposition Palmarflexion deuten
Befund. Beurteilt werden Quantität der Bewegung und
auf eine Läsion des Lig. collaterale carpi radiale
Qualität des Endgefühls.
pars dorsalis.
Das normale Endgefühl ist festelastisch.
Weitere Befundung wie aktiver Test.
184 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
a b
c d
ASTE. Der Patient sitzt. Der Unterarm des Patienten liegt 4.9.2 Passiver Zusatztest: Sensible
in Pronationsstellung auf der Behandlungsliege. Die Hand Provokationstestung
ist in Neutralstellung, der Daumen ist locker. des Karpaltunnels
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken jDurkan-Test/Passiver Karpaltunneltest für den
Hand den distalen Unterarm so gelenknah wie möglich, so Ramus palmaris nervi medianus und N. medianus
dass Radius und Ulna fixiert sind. Unter Hautvorgabe um- Ziel. Auslösen von Parästhesien der sensibel versorgten
greift der Therapeut im Gabelgriff mit seinem rechten Areale des N. medianus.
MCP-Gelenk 2 und 3 radialseitig die proximale Handwur-
zelreihe des Patienten. Bei fixiertem Unterarm dreht der ASTE. Der Patient sitzt. Seine betroffene Hand wird auf der
Therapeut die Patientenhand in maximale Supination. Es Behandlungsliege in Unterarmsupinationsstellung und
wird kein Überdruck gegeben. leichter Palmarflexion der Hand vorpositioniert.
jVerwringtest für den TFC-Komplex, über Pronation, Ausführung. Der Therapeut legt seinen linken Daumen
rechts lateral der Sehne des M. palmaris longus auf die Höhe des
Ziel. Provokation bei V.a. Instabilitätsanzeichen, mit Be- N. medianus. Mit seinem rechten Daumen doppelt er den
tonung der ulnaren TFC-Seite. linken Daumen und gibt einen ca. 1 cm tiefen Druck nach
dorsal in Richtung des N. medianus und des Ramus palma-
Anamnese. Der Patient gibt in der Anamnese an: ris nervi mediani. Der Druck wird bis zu 1 min gehalten.
4 Beschwerden beim Abstützen auf die Hand;
4 er meidet kräft iges »Handgeben« etc. Befund. Der Test ist positiv, wenn sich innerhalb 1 min
zunehmende Parästhesien zeigen. Dies deutet auf
ASTE und Ausführung. Siehe . Abb. 4.29, jedoch wird über eine Kompressionsneuropathie des Ramus palmaris des
Pronation verwrungen. N. medianus und sensiblen Karpaltunnel hin.
a b
. Abb. 4.31a,b a Diagnostische Diagonale: Dorsalextension und Radialabduktion, rechts b Diagnostische Diagonale: Dorsalextension mit
Ulnarabduktion, rechts
Palpation. Os lunatum unter dem 4.Sehnenscheidenfach > Kontraktile Strukturen werden aus Mittelposition
(. Abb. 4.30a). isometrisch konzentrisch getestet. Die Sehnen-
scheiden werden anschließend immer passiv
ASTE. Siehe oben. antagonistisch durch Dehnung und eventuell not-
wendigen Überdruck getestet. Der Therapeut geht
Palpation. Wieder an Os lunatum, jetzt Zug des Extensor anfänglich die Diagonale mit dem Patienten passiv
carpi radialis longus/brevis. Hand wird in palmar ulnar durch, um ihm die Bewegungsrichtung zu beschrei-
bewegt (. Abb. 4.30b) ben. Die Patientenhand befindet sich bei allen dia-
gnostischen Diagonalen im Überhang der Behand-
Palpation. Os lunatum. Hand wird nach palmar gedrückt. lungsbank.
Testung Extensor digitorum communis (. Abb. 4.30c).
> Der Widerstandstest bezieht sich auf kontraktile
Palpation. Os lunatum. Druck der Hand nach palmar- Strukturen:
radial. Testung des Extensor carpi ulnaris (. Abb. 4.30d). 5 Bei frischen Verletzungen treten die Schmerzen
Alle Tests werden grundsätzlich exzentrisch ausgeführt schon nach Erreichen der Submaximalkraft auf.
und das os Lunatum darf sich nicht bewegen. 5 Bei älteren Verletzungen hat der Körper gelernt,
diese zu kompensieren. Schmerzen treten auch
bei maximaler Kraft nicht immer gleich am An-
4.10 Widerstandstest fang des Widerstandstests auf, sondern erst nach
(Muskelweichteiltest 2, 3) ca. 10 sec.
5 Besteht der V.a. einen myogenen Trigger
Die Widerstandstestungen werden über die diagnos- (partielle Ischämie), zeigt sich dieser erst ab
tischen Diagonalen ausgeführt. Hierbei werden kontrak- ca. 30 sec Widerstandsgabe.
tile und nicht kontraktile Strukturen getestet. Nicht
kontraktil sind die Sehnenscheiden, kontraktil sind die jDiagnostische Diagonale: Dorsalextension
Muskelsehnen und der Muskelbauch. Getestet wird im mit Radialabduktion (. Abb. 4.31a)
Propellergriff, wobei der Therapeutenellenbogen der Ziel. Suche nach Läsionen von Muskeln oder Sehnen bzw.
Widerstand gebenden Hand die Bewegungsrichtung für tendovaginären Reizungen.
den Patienten vorgibt.
ASTE. Der Patient sitzt.
4.10 · Widerstandstest (Muskelweichteiltest 2, 3)
187 4
Ausführung. Der Therapeut umfasst im Propellergriff die
im Unterarm pronierte und in Handruheposition liegende
Hand des Patienten, wobei die Widerstand gebende Hand
die Patientenhand von dorsal radial im Gabelgriff umfasst.
Nach passiver Bewegungsrichtungserläuterung spannt
der Patient gegen die Widerstand gebende Hand des
Therapeuten in Dorsalextension und Radialabduktion.
Anschließend wird die Hand passiv in die antagonistische
Diagonale geführt, d. h. in Palmarflexion und Ulnar-
abduktion.
abduktion. Die Sehne verläuft in einer eigenen Loge radial Zur Bestätigung und Differenzierung von Weichteilläsio-
des Karpaltunnels. nen wird unter anderem der sog. Finkelstein-Test herange-
zogen.
jDiagnostische Diagonale: Palmarflexion Das Optimum einer komplexen Regenerationstherapie
mit Ulnarabduktion (. Abb. 4.33) besteht in der Zusammenarbeit zwischen Manualthera-
Ziel. Suche nach Läsionen von Muskeln oder Sehnen bzw. peut und Arzt. Nachfolgend wird ein Beispiel angeführt,
tendovaginären Reizungen. das für alle Weichteilbehandlungen der Hand gilt.
ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt oder steht. Er legt . Abb. 4.36 Behandlung für das 1. Sehnenfach der dorsalen
Sehnenscheiden, linksseitig
seinen Daumen in die Hohlhand und bildet eine Faust.
Unter maximaler Dorsalextension und zunehmender
Ulnarabduktion wird das Os scaphoideum nach palmar
und nach radial verschoben, wodurch eine Kompression Ausführung. Die Sehnenscheide wird vom Therapeuten in
auf die Sehnenscheide entsteht. leichte Vordehnung gebracht, indem der Patientendaumen
in eine Oppositionsstellung gebracht wird und die Hand in
Befund. Morbus de Quervain. leichte Dorsalextension. Der Therapeut fixiert diese Vor-
position durch radialseitigen Gabelgriff und legt seinen
jBehandlung für das 1. Sehnenfach der dorsalen Zeigefinger, gedoppelt vom Mittelfinger, palmarseitig an
Sehnenscheiden. Beginn: bei rezidivierenden die Sehnescheide des 1. Fachs
Beschwerden (. Abb. 4.36)
> Da es sich um eine Sehnenscheide handelt, konzen-
Befund. Tendovaginitis des 1. Fachs.
triert sich die Behandlung auf ein Verschieben der
Sehnenblätter durch Querrollen auf der Sehne. Die
Ziel. Mobilisation der Sehnenscheidenanteile der Lamina
Behandlung verläuft grundsätzlich schmerzfrei
viszeralis gegen die Lamina parietalis zur Anregung der
bis sich die Verschieblichkeit der Laminae verbessert
Synoviafunktion der gemeinsamen Sehnenscheide des
und man eine Vorposition in mehr Dehnung ein-
1. Fachs mit M. extensor pollicis brevis und M. abductor
nehmen kann.
pollicis longus.
Anzahl und Dosierung. 31–40 Wiederholungen, 30–60 sec
ASTE. Der Patient sitzt. Pause, 3–5 Serien.
190 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
. Abb. 4.38 Test nach Streeck mit Dehnung für das 3. Sehnenfach
(links)
. Abb. 4.40 Topographie 6. dorsales Sehnenfach (rechtsseitig) . Abb. 4.41a,b Provokationstest für das 6. Sehnenfach (rechts).
a ASTE, b ESTE
4.12.4 Kompressionsmöglichkeit des Ramus Basisbefundung. Anamnestisch gibt der Patient Schmer-
superficialis nervi radialis zen und Beschwerden an:
4 Schmerzen bzw. Parästhesien im Thenarbereich und
Dieser Nervenast versorgt sensibel auf der Zeigefingerseite, vorwiegend
4 den dorsalen radialen Handrücken, 5 beim Greifen und Fixieren von Gegenständen
4 den Daumen, sowie
4 die Finger 2, 3 und 5 bei Tätigkeiten wie Stricken, Häkeln und
4 die radiale Seite des 4. Fingers. Schreiben, bei denen Daumen und Zeigefinger in
Palmarflexion isometrisch angespannt sind.
Nur der radialste Ast des Ramus superficialis nervi radialis 4 Beschwerden beim Einfädeln eines Arms in eine
zeigt sich durch seine oberflächliche Lage auf dem Radius Jacke oder Mantel, die durch die Abduktions-Außen-
durch Armbanduhren und Traumen kompressionsge- rotations- und die am Ende ausgeführte Dorsalexten-
fährdet. Auch durch Hypermobilitäten/Instabilitäten des sionsbewegung der Hand entstehen.
Os scaphoideum und Os trapezium kann der direkt über
diese Handwurzelknochen verlaufende Nerv komprimiert Ziel. Die Ziele sind:
werden. 4 Mobilisation epineuraler Ödeme,
4 Verbesserung der Trophik und
4 Dehnung des neurogenen adaptierten Kollagens.
4.12.5 Grundeinstellung einer Nerven-
mobilisation, bezogen auf die Hand ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Oberkörper,
HWS und Kopf werden auf der heterolateralen Seite posi-
Als Grundeinstellung werden die Ursprungssegmente der tioniert, so dass eine neurogene Dehnung auf den Plexus
Nerven und die Dura mater in Vordehnung gebracht. brachialis und die Dura mater vorpositioniert wird.
> Unter Grundeinstellung verstehen wir die Lateral-
Ausführung. Der seitlich neben dem Patienten stehende
flexion heterolateral der Halswirbelsäule und die
Therapeut umfasst mit seiner rechten Hand Daumen,
Depression der Schulter.
Zeige- und Mittelfinger des Patienten und führt den Pa-
Grundsätzlich wird mit einem Warming up des neuralen tientenarm in Abduktion/Außenrotation bei gleichzeitiger
Systems begonnen. Die Ziele sind: Extension im Ellenbogen. Über seinen Oberschenkel
4.12 · Neurogene Mobilisation der Hand
193 4
a b a b
. Abb. 4.43 Neurogene Dehnung des N. ulnaris, a Armposition, . Abb. 4.44a,b Neurogene Dehnung des N. radialis, a Armposition,
b Handposition b Handposition
bringt er die Patientenschulter in Depression und führt mit das Ellenbogengelenk in maximale Flexion und den Unter-
seinem rechten Daumen und Zeigefinger, ähnlich einer arm in Supination. Mit seiner linken Hand umfasst er
Zange, die Patientenfinger in Extension. den Klein- und Ringfinger des Patienten und führt eine
Radialabduktion und Dorsalextension aus. Die rechte
> Die Hand wird bis zum Auftreten eines neurogenen
Patientenschulter wird über einen Gurt in Depression po-
Schmerzes in Dorsalextension geführt, dann sub-
sitioniert.
maximal eingestellt und rhythmisch 31- bis 40-mal
mobilisiert. Ist adaptiertes Kollagen vorhanden, > Die Patientenfinger werden bis zum Auftreten eines
wird nachfolgend die Position statisch 30 sec bis neurogenen Schmerzes geführt, dann submaximal
2 min gehalten und zum Schluss mit gleichzeitiger eingestellt und beginnend rhythmisch 31- bis
Anlage milder Wärme physiologisch bewegt. 40-mal mobilisiert. Ist adaptiertes Kollagen vor-
handen, wird nachfolgend die Position statisch
30 sec bis 2 min gehalten und zum Schluss mit
jNeurogene Dehnung des Ramus palmaris/Ramus
gleichzeitiger Anlage milder Wärme physiologisch
superficialis nervi ulnaris (. Abb. 4.43)
bewegt.
Basisbefundung. Anamnestisch bestehen Schmerzen und
Parästhesien im Hypothenarbereich und auf der Klein-
fingerseite. jNeurogene Dehnung des Ramus superfi cialis nervi
Beschwerdeauslösend zeigen sich im Alltag: radialis (. Abb. 4.44)
4 Eine in Seitlage ausgeführte Lesestellung, in der der Basisbefundung. Anamnestisch bestehen Schmerzen und
Patient mit der Hand den Kopf abstützt. Parästhesien im Bereich des Daumengrundgelenks und in
4 Das Aufstützen auf die dorsalextendierte Hand- der Region des 1. und 3. dorsalen Sehnenfachs. Der Patient
wurzel, z. B. bei längeren Fahrradtouren. hat Probleme bei:
4 Werkarbeiten wie Hämmern und Schraubendrehen,
Ziel. Die Ziele sind: 4 Auswringen von Wäsche.
4 Mobilisation epineuraler Ödeme,
4 Verbesserung der Trophik und Ziel. Die Ziele sind:
4 Dehnung des neurogenen adaptierten Kollagens. 4 Mobilisation epineuraler Ödeme,
4 Verbesserung der Trophik und
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Oberkörper 4 Dehnung des neurogenen, adaptierten Kollagens.
und die HWS werden auf der heterolateralen Seite posi-
tioniert, so dass eine neurogene Dehnung auf den Plexus ASTE. Der Patient sitzt. Sein Oberkörper und der Kopf
brachialis und die Dura mater vorpositioniert wird. werden auf der heterolateralen Seite positioniert, so dass
eine neurogene Dehnung auf den Plexus brachialis und die
Ausführung. Der seitlich neben dem Patienten stehende Dura mater vorpositioniert wird.
Therapeut führt den Oberarm in maximale Abduktion,
194 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
jTLG zur Mobilisation der Articulatio radiocarpalis . Abb. 4.46 TLG im Art. radiocarpalis nach palmar, rechts
nach dorsal
Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions-
stufe 3. Phase a. Translationsgleiten. Der Therapeut umfasst
gelenknah mit seiner linken Hand Radius und Ulna mit
> Die Vorpositionierung kann entsprechend der
Betonung seines Zeigefingers über dem Radius des Patien-
Palmarflexionshypomobilität eingestellt werden.
ten. Mit seiner rechten Hand umfasst er die proximale
ASTE und Ausführung. Ausführung wie bei . Abb. 4.45, Handwurzelreihe und gibt einen, senkrecht zur Bank, un-
jedoch unter Traktionsstufe 3. ter Translationsstufe 2, nach palmar gerichteten Transla-
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren. tionsschub vor. Hierbei befindet sich MCP 2 der rechten
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten. Hand zwischen dem 3. und 4. Sehnenfach der dorsalen
4 Abschließend den Patienten in die freigemachte karpalen Sehnenscheiden. Am Ende des Translationswegs
Richtung anspannen lassen. gibt der Therapeut einen Überdruck zur Erfassung der
Kapselqualität.
Phase b. Kompressionsgleiten. Die rechte Hand gibt
4.13.3 TLG nach palmar zusätzlich einen proximal ausgerichteten Druck in das
Gelenk, um degenerative Veränderungen der obersten
jTranslations-Joint play der Articulatio radiocarpalis Knorpelschicht zu testen.
aus Vorposition Dorsalextension in der offenen Phase c. Approximationsgleiten. Die rechte Hand gibt
Kette nach palmar (. Abb. 4.46) dezenten Druck in das Gelenk. Getestet werden synoviale
Basisuntersuchung. Befundet wurden eine aktiv und Veränderungen gegenüber dem physiologisch ausgeführ-
passiv eingeschränkte Dorsalextension. ten Joint play.
Interpretation. Die Resistenz der Kapsel kann norm-
Ziel. Verbesserung der interartikulären Qualität. Differen- oder hypomobil sein. Eine Hypomobilität gibt einen Hin-
zierung der Restriktion mittels osteokinematischer Be- weis auf eine palmare Kapselrestriktion mit der Folge einer
fundung unter Traktionsstufe 2. Dorsalextensionseinschränkung.
> In der Articulatio radiocarpalis wird beim TLG nach
jTLG zur Mobilisation der Articulatio radiocarpalis
palmar in der off nen Kette der konkave Partner
nach palmar
(Radius) fixiert.
Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions-
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Arm wird so gelagert, dass stufe 3.
eine Ulnarneigung des Radius von 15°–25° über den
Unterarm ausgeglichen wird. Ein Keil, der proximal > Die Vorpositionierung kann jeder kapsulären Ein-
der Articulatio radiocarpalis angelegt wird, gleicht die schränkung entsprechend vorpositioniert werden.
dorsal-palmare Neigung von ca. 12° aus. Unter Dorsal- Diese Technik eignet sich auch für die Behandlung
extension der rechten Patientenhand testet der Therapeut eines Karpaltunnelsyndroms.
weiterlaufende Bewegungen nach dorsal und nimmt
diese submaximal als Vorposition für den Joint play. Die
rechte Therapeutenhand variiert und fixiert die Vorposi-
tion.
196 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
105°–115°
a a
b b
. Abb. 4.48a,b a TLG im Art. radiocarpalis nach radial (rechts), . Abb. 4.49a,b Integration der Dorsalextension des RCG im
b anatomische Orientierung Hanteltraining. Beispiel: rechtsseitige palmare Kapselresistenz.
a ASTE, b ESTE
> Die Variierung der Vorposition wird durch den > Die Vorpositionierung kann jeder kapsulären Ein-
Schenkelgrad des Keils erreicht: schränkung entsprechend vorpositioniert werden.
5 durch unterschiedliche Keilwinkelgrade oder
5 durch zusätzliche Unterlagerungspads. ASTE und Ausführung. Ausführung wie bei . Abb. 4.48,
jedoch unter Traktionsstufe 3.
Der Therapeut umfasst gelenknah mit seiner linken Hand 4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
im Gabelgriff Radius und Ulna, so dass seine Basis des Zei- 4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
gefingers über dem Radius des Patienten anliegt. Mit seiner 4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
rechten Hand fixiert er die proximale und distale Handwur- Richtung anspannen lassen.
zelreihe. Mit seiner linken Hand gibt der Therapeut einen,
nach ulnar gerichteten Translationsschub unter Traktions-
stufe 2 vor. Am Ende des Translationswegs gibt der Thera- 4.14 Knorpelgleiten und Trophiktraining
peut einen Überdruck zur Erfassung der Kapselqualität. für das proximale Handwurzelgelenk
(RCG)
Interpretation. Die Resistenz der Kapsel kann norm- oder
hypomobil sein. Eine Hypomobilität gibt einen Hinweis Integration der Dorsalextension des RCG im Hantel-
auf eine ulnare Kapselrestriktion mit der Folge einer Ul- training zur Synoviaverbesserung und Knorpelgleiten
narabduktionseinschränkung. (. Abb. 4.49)
jTLG zur Mobilisation der Articulatio radiocarpalis Ziel. Integration der neu gewonnenen Bewegung.
nach ulnar
Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions- ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt vor der Behand-
stufe 3. lungsliege. Der ausführende Arm ist gestreckt, die Hand
198 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
Anzahl und Dosierung. Zur Verbesserung der Trophik im jKomplexintegration der Palmarflexion und Dorsal-
RCG: extension, »Handgelenkrollen« (. Abb. 4.53)
4 31–40 Wiederholungen, Ziel. Volles Ausschöpfen des Bewegungsumfangs.
4 1 min Pause, in der aktiv in Dorsalextension bewegt
wird, ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt oder steht. Er hält
4 3–4 Serien. mit gestreckten Armen eine ca. mind. 40 cm lange Stange
4.15 · Thermokinetiktraining nach FOST
199 4
a b a b
. Abb. 4.52a,b Hausaufgabe: Theraband für Palmarflexion (rechts- . Abb. 4.53a,b »Handgelenkrollen«. a ASTE, b ESTE
seitig). a ASTE, b ESTE
ASTE. Der Patient sitzt oder steht. Er legt seinen Unterarm jThermokinetiktraining nach FOST für die Dorsal-
supiniert auf die Behandlungsbank, so dass sich die Hand extensionsbewegung der Hand (. Abb. 4.55)
im Überhang befindet. Um das Handgelenk wird eine ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.54, jedoch wird
Wärmepackung (hier ein mit warmem Wasser durchtränk- der Unterarm proniert auf die Bank gelegt. Die Hand wird
tes Frotteehandtuch) gewickelt. in Dorsalextension bewegt.
200 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
4
a a
b b
. Abb. 4.56a,b Muskelaufbautraining der dorsalen Muskulatur mit . Abb. 4.57a,b Muskelaufbautraining der palmaren Muskulatur mit
»Z-Stange«. a ASTE, b ESTE »Z-Stange«. a ASTE, b ESTE
Ausführung. Der Patient zieht das Gewicht in Dorsal- Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, 90 sec
extension, ohne den Unterarm vom Oberschenkel abzu- Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
heben und kehrt in die ASTE zurück.
jSpezifisches Muskelaufbautraining
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, 90 sec Mittel der Wahl ist ein Hanteltraining, . Abb. 4.56 nur mit
Pause, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. entsprechend höherem Gewicht.
Dosierung und Anzahl. Wie bei . Abb. 4.56 und . Abb. 4.57.
4.18 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des distalen Handwurzelgelenks
201 4
4.17 Sportspezifisches Rehabilitations- Ruhestellung (»maximally loose-packed position«). Das
training (KIMI: Kraftimitation) Gelenk ist in ca. 10° Flexion und ca. 10° Ulnarabduktion
größtmöglich entspannt.
Das Sportspezifische Rehabilitationstraining ist das Verriegelte Stellung (»maximally close-packed posi-
präzise Nachempfinden der tertiären Ursache eines Ver- tion«). Das Gelenk ist in maximaler Extension größtmög-
letzungsmusters, das in einer komplexen muskulären lich gespannt. Kapselmuster. Flexion und Extension stehen
Synergieschlingenbewegung integriert ist. im Verhältnis 1:1 zueinander.
Voraussetzungen sind
4 volles Bewegungsausmaß,
4 Flexibilität, 4.18.1 Testung der Handwurzelknochen
4 Koordinationsbasis,
4 Ausdauer, Die Testung der Handwurzelknochen ist eine betont inter-
4 Kraft. karpale und karporadiale Testung, die rein translatorisch
ausgeführt wird. Einschränkungen der Beweglichkeit
Das Ziel ist es, ist eine funktionell konditionelle Wechsel- zeigen nicht nur Schmerz durch subchondralen Kompres-
wirkung zwischen mehreren Gelenken zu erreichen. Dabei sionsdruck, sondern haben erheblichen Einfluss auf die
gilt es, die Verletzungsstruktur besonders zu betonen. kinematische Kette der Hand. So kann z. B. ein fehlendes
Das Gleichgewicht zwischen den Muskeln ist die Vor- Palmargleiten des Os lunatum oder des Os capitatum die
aussetzung einer Kräfteaufteilung, die sportspezifische Dorsalextension limitieren. Exaktes Palpieren und Fixie-
Schwerpunkte und betonte Kontraktionsformen haben ren der Handwurzelknochen ist für eine Befundung un-
kann. erlässlich.
Ein sportspezifisches Training kann ebenso auf be- Wir konzentrieren uns bei der Handwurzeltestung auf
lastungsbetonte Berufe umgesetzt werden, indem entspre- die ossären Anteile der radialen Belastungssäule:
chende Vorpositionen beim arbeitsspezifischen Rehabili- 4 Radius,
tationstraining eingenommen werden. Die Rehabilitation 4 Os scaphoideum,
der Hand, in Form von Kraftimitation, ist besonders im 4 Os trapezium,
Turnsport außerordentlich wichtig. Gerade beim Auf- 4 Os trapezoideum,
rollen am Reck, beim Handstand oder Einschwingen am 4 Os lunatum und
Barren werden die Hände stark beansprucht. Arbeitsspezi- 4 Os capitatum.
fisch sind alle Berufe, bei denen die Hand mit Hebelkräften
> Vorgehensweise der Testung:
belastet wird (Hammerschläge, Axt etc.)
5 Zu Beginn wird ein Schnelltest des Karpus
Ein sportspezifisches Prophylaxetraining bezeich-
durchgeführt, unter Vorgabe der Bewegungs-
nen die Autoren als Traumaimitation (TIMI) bzw. als ter-
einschränkung der Hand und Kenntnissen über
tiäre Prävention. Bei der TIMI werden schwerpunktmäßig
Konvexitäts- und Konkavitätsverhalten der
typische sport- oder arbeitsspezifische Verletzungsan-
beteiligten Handwurzelknochen.
fälligkeiten simuliert, mit dem Ziel, sie in ihrer Wider-
5 In der spezifischen Untersuchung, die auch die
standsfähigkeit zu beüben.
Behandlungsstellung zeigt, wird nochmals ein
Joint play durchgeführt. Die Endgradigkeit der
Handwurzelknochen ist in Behandlungsstellung
4.18 Gelenkspezifische Untersuchung
weitaus besser ausführbar als im Schnelltest.
und Behandlung des distalen
Handwurzelgelenks Aufgrund der multiplen Möglichkeiten der spezifischen
Testung und Behandlung der Handwurzelknochen kön-
Gelenkmechanik der Articulatio intercarpalis. In der nen hier nur zwei Beispiele angeführt werden. Weitere
Articulatio intercarpalis sind in der proximalen Hand- Konstellationen können anhand der Beispiele vom Leser
wurzelreihe: abgeleitet werden.
4 Os scaphoideum zum Os trapezium und Os trapezoi-
deum konvex, zum Os capitatum konkav.
4 Os triquetrum und Os lunatum sind gegenüber 4.18.2 Joint play/Schnelltestung
Os capitatum und Os hamatum konkav. der radialen Säule des Karpus
In der distalen Handwurzelreihe sind:
4 Os trapezium und Os trapezoideum konkav, Als Vorgabe zum Schnelltest dient die Basisbefundung mit
4 Os capitatum und Os hamatum konvex. einem Hypomobilitätsverhalten in der aktiven und passi-
202 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
. Abb. 4.58 Joint play zwischen Radius und Os scaphoideum . Abb. 4.59 Joint play zwischen Radius und Os lunatum (rechts)
(rechts)
jJoint play zwischen Radius und Os lunatum nach ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.58.
palmar und dorsal (. Abb. 4.59)
jTLG zur Mobilisation der Articulatio intercarpalis:
> Das Os lunatum neigt am stärksten zur Dislokation
Os capitatum – Os lunatum nach palmar
nach dorsal und kann damit am ehesten eine
Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions-
Dorsalextensionshypomobilität der proximalen
Reihe verursachen.
stufe 3.
4.19 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung der Articulatio carpometacarpalis pollicis
203 4
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.61.
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
Richtung anspannen lassen.
4
a b
. Abb. 4.62a,b a Traktion der Art. carpometacarpea pollicis (rechts). Joint play und Mobilisationsstellung, b anatomische Orientierung
4.19.1 Testung der Articulatio > Zur Lokalisation der Basis von Os metacarpi 1 wird
carpometacarpalis pollicis bis zur proximalen Knochenkante des Os metacarpi
1 palpiert. Das Os scaphoideum befindet sich direkt
> Bei der Testung der Articulatio carpometacarpalis proximal der Kante in einer Vertiefung. Bewegt sich
pollicis wird nur für die Extensions- und Flexions- der Daumen in Flexion, verstreicht die Vertiefung
einschränkung traktioniert. Eine Traktion für die durch die Radialbewegung des Os trapezium.
Abduktions- und Adduktionseinschränkung ist
aufgrund der konkaven Neigungsfläche des ASTE und Ausführung. Der Patient sitzt. Sein Arm wird
Os trapezium nicht möglich. zur Transversalstellung der Gelenkfl äche in 15° Supina-
tion vorpositioniert. Der Daumen befindet sich in Ruhe-
Einschränkungen des Daumensattelgelenks haben einen position.
hohen Einfluss auf Alltags- und Gebrauchsbewegungen
des Patienten. Ausführung. Rechter Daumen und Zeigefinger des Thera-
peuten umgreifen die Basis des Os metacarpi 1. Das
> Testreihenfolge der gelenkspezifischen
Os trapezium wird mit Zeigefinger und Daumen der lin-
Untersuchung:
ken Hand fixiert. Unter Aufnahme der Gewebespannung
5 Traktion.
führt der Therapeut eine longitudinale Traktion aus.
5 Gleiten nach ulnar.
5 Gleiten nach radial. > Die Traktion gibt Aufschluss über die Quantität der
5 Gleiten nach palmar. Kapsel durch die anfängliche Zugbewegung und
5 Gleiten nach dorsal. über die Qualität der Kapsel durch den submaxima-
len endgradigen Überdruck.
Befund. Extensions-/Flexionseinschränkung
4.19.2 Traktion der Articulatio
carpometacarpalis pollicis jTraktionsmobilisation der Articulatio carpometa-
carpalis pollicis bei Flexions- und Extensions-
jTraktions-Joint play der Articulatio carpometa- einschränkung
carpalis pollicis bei fixiertem Os trapezium > Die Vorpositionierung kann entsprechend der
(. Abb. 4.62) kapsulären Einschränkung in Flexion oder Extension
Basisuntersuchung. Befundet wurden eine aktive und pas- eingestellt werden. Diese Technik eignet sich gut
sive Bewegungseinschränkung in Flexion oder Extension bei Rhizarthrosen in Vorposition Extension.
ohne Hinweis auf eine Weichteilproblematik.
Ziel. Traktion der Kapselrestriktion unter Traktionsstufe 3.
Ziel. Unspezifische Aussage über die artikuläre Qualität/
Quantität und Differenzierung mittels arthrokinema- ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.62.
tischer Befundung unter Traktionsstufe 2. Es ist ein 4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
Warming up für die Kapsel. 4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
Richtung anspannen lassen.
4.19 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung der Articulatio carpometacarpalis pollicis
205 4
4.19.3 Translatorisches Gleiten der
Articulatio carpometacarpalis pollicis
Behandlungsebene
4.19.4 Flexionseinschränkung der
Articulatio carpometacarpalis pollicis
a
Ausführung. Die Kleinfingerseite des Therapeuten um- . Abb. 4.63a,b a TLG der Art. carpometacarpea pollicis (rechts).
greift die Basis des Os metacarpi 1. Das Trapezium wird Joint play und Mobilisationsstellung nach ulnar, b anatomische
Orientierung
mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand fixiert. Die
Widerlagerung konzentriert sich auf den ulnaren Anteil
des Os trapezium.
Unter Aufnahme der Gewebespannung führt der 4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
Therapeut ein Gleiten nach ulnar distal durch. Die Gleit- Richtung anspannen lassen.
richtung entspricht der konkaven Behandlungsebene des
Os metacarpi 1. Der Therapeut beurteilt zum einen die
Quantität und zum anderen, durch den submaximalen 4.19.5 Extensionseinschränkung der
endgradigen Überdruck, die Qualität der Kapsel. Articulatio carpometacarpalis pollicis
Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions- Ziel. Unspezifische Aussage über die artikuläre Qualität/
stufe 3. Quantität und Differenzierung mittels arthrokinema-
tischer Befundung unter Traktionsstufe 2.
ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.63.
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren. ASTE. Der Patient sitzt. Sein Daumen befindet sich in Vor-
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten. position Extension.
206 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
4 Behandlungsebene
a a
b b
. Abb. 4.64a,b a TLG der Art. carpometacarpea pollicis (rechts). . Abb. 4.65a,b a TLG der Art. carpometacarpea pollicis (rechts).
Joint play und Mobilisationsstellung nach radial, b anatomische Joint play und Mobilisationsstellung nach dorsal, b anatomische
Orientierung Orientierung
Ausführung. Die Kleinfingerseite des Therapeuten um- ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.64.
greift die Basis des Os metacarpi 1. Das Os trapezium wird 4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
mit Zeigefinger und Daumen der linken Hand fixiert. Die 4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
Widerlagerung konzentriert sich auf den radialen Anteil 4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
des Os trapezium. Richtung anspannen lassen.
Unter Aufnahme der Gewebespannung führt der The-
rapeut ein Gleiten nach radial proximal durch. Die Gleit-
richtung entspricht der konkaven Behandlungsebene des 4.19.6 Abduktionseinschränkung der
Os metacarpi 1. Der Therapeut beurteilt die Quantität und, Articulatio carpometacarpalis pollicis
durch den submaximalen endgradigen Überdruck, die
Qualität der Kapsel. jTranslations-Joint play der Articulatio carpometa-
carpalis pollicis bei fixiertem Os trapezium nach
Befund. Extensionseinschränkung. dorsal (. Abb. 4.65)
Basisuntersuchung. Befundet wurden eine aktive und
jTLG zur Mobilisation der Articulatio carpometa- passive Bewegungseinschränkung der Abduktion des
carpalis pollicis bei Extensionseinschränkung Daumens ohne Hinweis auf eine Weichteilproblematik.
> Die Vorpositionierung kann je nach Extensions-
Ziel. Unspezifische Aussage über die artikuläre Qualität/
einschränkung eingestellt werden. Diese Technik
Quantität und Differenzierung mittels arthrokinema-
eignet sich gut bei Rhizarthrosen in Vorposition
tischer Befundung unter Traktionsstufe 2.
Extension.
Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions- ASTE. Der Patient sitzt. Sein Unterarm wird zur Trans-
stufe 3. versalstellung der Gelenkfläche in 15° Supination vorposi-
tioniert, um der dorsopalmaren 15°-Neigung der konka-
ven Gelenkfläche des Os trapezium Rechnung zu tragen.
Der Daumen befindet sich in Vorposition Abduktion.
4.19 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung der Articulatio carpometacarpalis pollicis
207 4
Ausführung. Rechter Daumen und Zeigefinger des Thera-
peuten umgreifen die Basis des Os metacarpi 1. Das
Os trapezium wird mit Zeigefinger und Daumen der
linken Hand fixiert. Die Widerlagerung konzentriert sich
auf den dorsalen Anteil des Os trapezium.
Unter Aufnahme der Gewebespannung führt der
Therapeut ein Gleiten nach dorsal distal durch. Die Gleit-
richtung entspricht der konkaven Behandlungsebene des
Os trapezium. Der Therapeut beurteilt die Quantität und,
durch den submaximalen endgradigen Überdruck, die
Qualität der Kapsel.
a
Befund. Abduktionseinschränkung.
4.19.7 Adduktionseinschränkung Hand fixiert. Die Widerlagerung konzentriert sich auf den
der Articulatio carpometacarpalis palmaren Anteil des Os trapezium.
pollicis Unter Aufnahme der Gewebespannung führt der The-
rapeut ein Gleiten nach palmar durch. Die Gleitrichtung
jTranslations-Joint play der Articulatio carpometa- entspricht der konkaven Behandlungsebene des Os trape-
carpalis pollicis bei fixiertem Os trapezium nach zium. Der Therapeut beurteilt die Quantität und, durch
palmar (. Abb. 4.66) den submaximalen endgradigen Überdruck, die Qualität
Basisuntersuchung. Befundet wurden eine aktive und der Kapsel.
passive Bewegungseinschränkung der Adduktion des
Daumens ohne Hinweis auf eine Weichteilproblematik. Befund. Adduktionseinschränkung.
Ziel. Unspezifische Aussage über die artikuläre Qualität/ jTLG zur Mobilisation der Articulatio carpometa-
Quantität und Differenzierung mittels arthrokinema- carpalis pollicis bei Abduktionseinschränkung
tischer Befundung unter Traktionsstufe 2. > Die Vorpositionierung kann der Adduktions-
einschränkung entsprechend eingestellt werden.
ASTE. Der Patient sitzt. Sein Unterarm wird zur Trans-
versalstellung der Gelenkfläche in 15° Supination vorposi- Ziel. Translation in die Kapselrestriktion unter Traktions-
tioniert, um der dorsopalmaren 15°-Neigung des Os trape- stufe 3.
zium Rechnung zu tragen. Der Daumen befindet sich in
Vorposition Adduktion. ASTE und Ausführung. Wie bei . Abb. 4.66.
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
Ausführung. Rechter Daumen und Zeigefinger des Thera- 4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
peuten umgreifen die Basis des Os metacarpi 1. Das Os 4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
trapezium wird mit Zeigefinger und Daumen der linken Richtung anspannen lassen.
208 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
5°
10°
15°
20°
25°
30°
. Abb. 4.67 Knorpelbelastungstraining für Art. CMC pollicis, . Abb. 4.68 CMC-Knorpelgleiten/Massage über abduktorische
Abduktion (rechts) Kompressionsdynamik (links)
ASTE. Der Patient setzt sich seitlich zur Behandlungs- 4.22 Stabilisation des Handgelenks
liege. Der Patientenarm wird supiniert auf der Bank abge-
legt. 4.22.1 Pathomechanismus einer Instabilität
Ausführung. Der Therapeut fixiert mit seinem linken Bei den Handgelenksbehandlungen hält sich das Ver-
Daumen die Eminentia carpi radialis. Mit seinem rechten hältnis zwischen Hypomobilitäten und Instabilitäten un-
Daumen moduliert er sich distal radial an das Os pisifor- gefähr die Waage. Frauen tendieren eher zu Instabilitäten,
me. Unter Hautvorgabe drückt der Therapeut das Os pisi- Männer eher zu Hypomobilitäten.
forme nach proximal ulnarseitig. Am häufigsten ist der TFC-Komplex betroffen, gefolgt
von einem instabilen Os lunatum. Aus pathogenetischer
Anzahl und Dosierung. 10 sec Dehnung, nachfolgend Sicht der Autoren beruht die Dominanz des weiblichen
30 sec bis 2 min Dehnung, 60 sec Pause (aktive Dorsalex- Geschlechts bei Rhizarthrosen eher auf einer Chondroma-
tensions- und Palmarflexionsübungen), 3–4 Serien. lazie mit fehlender Kompression in der Articulatio carpo-
metacarpalis pollicis als auf einer typischen Arthrose.
jKarpaltunnelbehandlung durch Querdehnung mmi*
des Lig. transversum carpi (. Abb. 4.70)
> Handinstabilitäten finden ihren Pathomechanismus
Ziel. Kollagendehnung und Dehydrierung der restrikti-
in:
ven/proliferierten o.g. Bänder.
5 degenerativen Veränderungen/Verödungen der
Bursen,
ASTE. Der Patient setzt sich seitlich zur Behandlungsliege.
5 Bänderlaxizität,
Der Patientenarm wird ulnarseitig auf der Bank abgelegt.
5 verstärkter Angulation durch statische
Veränderungen,
Ausführung. Der Therapeut fixiert mit seinem linken
5 Fissuren,
Zeigefinger die Basis des Os metacarpi 1. Mit seinem rech-
5 Luxationen,
ten Mittel- und Zeigefinger widerlagert er von proximal
5 Kapseldehnungen, bedingt durch Wurfsportarten,
radial kommend das Os pisiforme des Patienten und gibt
5 Missverhältnissen zwischen osteokinematischer
zusätzlich einen von dorsal kommenden Druck mit seinem
und arthrokinematischer Muskulatur,
Daumen auf das Os triquetrum mit der Folge einer fixie-
5 verminderter muskulärer Aktivität der Unterarm-
renden Kompression. Seine rechte Hand umgreift den
flexoren und -extensoren sowie der kleinen
rechten Daumen an der Basis. Unter Hautvorgabe führt
Handmuskeln,
der Therapeut einen longitudinalen Zug aus.
5 Diskose des Discus articularis.
Anzahl und Dosierung. 10 sec Dehnung, nachfolgend Weiterhin fehlt den Handwurzelknochen die primäre dy-
30 sec bis 2 min Dehnung, 60 sec Pause (aktive Dorsalex- namische Stabilisierung durch das Fehlen kurzer Muskeln
tensions- und Palmarflexionsübungen), 3–4 Serien. im Karpusbereich, so dass diese auf Adhäsionsverluste an-
210 Kapitel 4 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hand
Literatur
Manuelle Therapie
und Rehabilitation
der Brustwirbelsäule
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Processus articularis
susperior
1
Dorsalansicht 7. BWK
3
Fovea costalis superior
Processus articularis
superior
Processus mamillaris
Processus transversis
. Abb. 5.1 Anatomisches Schema: BWS aus dorsaler Sicht. (Aus v. Lanz u. Wachsmuth 1982, 2003) 1 HWK C7, 2 BWK 1, 3 BWK 3
4 M. interspinalis thoracis, das Akromion und positioniert damit die Cavitas glenoi-
4 M. spinalis thoracis, dalis in einer 70°-Neigung, die eine Bewegung über die
4 Mm. rotatores breves et longi, Horizontale ermöglicht. Darüber hinaus ist er ein Atem-
4 Mm. multifidi. hilfsmuskel.
> In der Praxis sind insertionsnahe Reizungen häufig,
Der mediale Trakt wirkt als fixierende und bewegende
die unilaterale interkostalähnliche, oft atemab-
»Muskelschlinge«, er ist der wichtigste Bestandteil der
hängige Beschwerden verursachen. Charakteristisch
dynamischen monosegmentalen Stabilität. Allein die
sind schmerzhaftes Husten und Niesen. Oft zeigt
Mm. rotatores breves sind dynamische Kapselstraffer
sich eine ausgeprägte Hyperalgesie, so dass z. B. das
der Facettengelenke. Als passive Agonisten wirken die
Tragen eines BHs als unangenehm empfunden wird.
Ligg. flava.
Auslösegrund können Überlastungen bei Tätigkei-
ten mit langem Armhebel sein sowie ischämische
jM. serratus anterior
Myopathien. Myopathien finden sich vorwiegend in
Er ist ein 12 mm dicker zackenförmiger Muskel und zieht
den hypovaskulären Zonen der Sehnenübergänge.
von der 1. oder 2.–9. Rippe zum Margo medialis der
Skapula. Der M. serratus anterior rotiert die Skapula der
Kuvatur der Rippen folgend nach lateral-ventral, eleviert
216 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
4 in diesem Segment über den N. ulnaris und den Die Kyphose der BWS ist optimal entwickelt bei einer
N. medianus afferente und efferente vegetative Fasern Neigung der Deckplatte von 1,9° nach ventral. Durch zu
vom und zum Plexus brachialis und zu den obersten frühes passives Sitzen, ohne aktive Kontrolle, bei Anoma-
Interkostalnerven verlaufen, lien etc. wird diese physiologische Stellung nicht erreicht.
4 enge raumfordernde Anbindungen zum Ggl. stellatum Es entstehen statische Probleme, die sich in Flach- oder
mit multiplen Vernetzungen bestehen (N. vagus, Ansa Rundrücken oder in einer Skoliose zeigen. Die Folgen ei-
subclavia, N. phrenicus, N. laryngeus recurrens), nes Flachrückens sind z. B.
4 es sich um eine prädestinierte Zone für ein Exten- 4 dorsale Belastung der Bandscheiben,
sionsdefizit handelt, durch fehlende ventrodorsale 4 Kompression der Facettengelenke,
Raumvergrößerung mit Inspirationsdefizit der beiden 4 starke Anspannung des Lig. longitudinale anterior,
5 oberen Rippen (Inspiration ist mit Extension 4 Erschlaffung des Lig. longitudinale posterior und
gekoppelt). Lig. flavum,
4 kein adäquater Reiz für die Rami articularis.
5.1.5 Rami articulares der BWS Die Folgen eines Rundrückens sind dagegen:
4 punktueller kranialer Kontakt der Facettengelenke
Die Rami dorsales der Spinalnerven innervieren über (da sie auseinander gleiten müssen),
2–3 Segmente die Facettengelenke der BWS. Die Rami 4 Straffung der Ligg. flavum und longitudinale
articulares stehen wiederum in einer engen Verbindung posterior,
mit der autochthonen Rückenmuskulatur. Die Rami arti- 4 Erschlaffung des Lig. longitudinale anterior,
culares spielen für die Kapselspannung der Facettengelen- 4 exzentrische Belastung der dorsalen Rückenmuskula-
ke und Muskulatur der Wirbelsäule eine bedeutende Rolle. tur (mit Betonung der Mm. rotatores breves).
Durch folgende Ursachen kann es zur Irritation und damit
! Cave
verbunden zur vaskulären Unterversorgung der Gelenk-
In der Gesamtansicht weist die BWS eine ossäre
nerven kommen:
Krümmung von 46° auf, was 3,8° pro Segment und
4 Foramenstenosen,
1,9° pro Deckplatte entspricht. Trotz dieser physio-
4 Osteophyten,
logischen 46°-Krümmung ist keine optimal axiale
4 statisch bedingte Derotationen,
Belastung möglich. Die Folgen sind ein frühzeitiger
4 starke, sagittale Achsenabweichungen.
Verschleiß und ggf. Einbrüche der Deckplatten.
Sicherlich kann man diese schlechte axiale Belas-
Die Folge ist, dass die kleinen Rückenmuskeln nicht mehr
tung als Preis für den aufrechten Gang des Men-
adäquat auf physiologische Kapselreize reagieren können.
schen bezeichnen.
Es kommt zu funktionellen Derotationen und Unter-
versorgung der Kapsel. Aufgrund der Facettengelenke hat die BWS, im Vergleich
zu den anderen Abschnitten der Wirbelsäule, theoretisch
die größte Möglichkeit zur Rotation. Die Facettengelenke
5.2 Anatomische Gesetzmäßigkeiten sind im Bereich der BWS aus der Sagittalebene um 30°
der BWS nach ventral geneigt und um 15° aus der Transversalebene.
Die Gelenkflächen befinden sich im äußeren Rotations-
Die Kyphose der BWS entwickelt sich in der Entwicklung kreis der Rotationsachse (Zentrum bzw. ventral des Cor-
des Kindes kompensatorisch mit der zunehmenden Ver- pus vertebrae) und können somit am stärksten rotieren.
tikalisierung: Die Kyphosierung beginnt mit der aktiven Dennoch ist die BWS in ihrer Beweglichkeit limitierter als
Bereitschaft des Kindes zum Kriechen, Vierfüßlerstand, die LWS oder die HWS. Gründe dieser Bewegungslimitie-
Sitzen und Stehen. Die physiologische Prägung der BWS rung sind
kompensiert im Stehen die Flexion im Hüftgelenk und die 4 die jeweils mit zwei benachbarten Brustwirbeln
Lendenlordose. artikulierenden Rippengelenke,
4 der vorwiegend im mittleren Abschnitt der BWS
! Cave
breite Arcus vertebrae, der wie ein ossäres Widerlager
Die Brustkyphose entsteht im Rahmen einer
wirkt,
physiologischen Entwicklung und als Reaktion auf
4 der geringe Elastingehalt der Ligamente im mittleren
ein aktives Ausbalancieren der Wirbelsäulenachse.
Abschnitt der BWS,
4 die geringe Bandscheibenhöhe,
4 die dachziegelartige Anlage der Dornfortsätze.
5.2 · Anatomische Gesetzmäßigkeiten der BWS
219 5
! Cave Nerven und vegetative Ganglien bekommen aufgrund der
Die limitierte Beweglichkeit, besonders im Bereich doppelkonvex geprägten Apertur Raum und Platz.
der mittleren BWS, schützt die Organe und den
! Cave
engen Spinalkanal. Im Alter nimmt die Beweglich-
Muskeln, die der N. accessorius innerviert
keit durch Elastizitätsverlust des Rippenknorpels
(Mm. trapezius, sternocleidomastoideus), neigen
weiter ab.
bei emotioneller Dysregulation zu vermehrter
Muskelspannung. Grund ist die enge Verbindung
Die Bandscheibe der BWS ist ca. 5 mm dick und besteht
des N. accessorius zum N. vagus.
zu ca. 3/10 aus dem Nukleus. Es besteht eine physiologi-
sche ventrale Belastung der Bandscheibe. Das Verhältnis
> Sitz-, Kopf- und Armhaltung beeinflussen die Statik
zwischen Korpus und Bandscheibe der BWS beträgt 5:1.
des zervikothorakalen Übergangs, so dass sie be-
Die Procc. spinosi sind relativ groß und nach kaudal
rufsbedingt typische Probleme dieser Wirbelsäulen-
geneigt. Sie liegen fast dachziegelartig übereinander. Die
region mit verursachen.
Querfortsätze liegen lateral dorsal und nehmen ca. bis
Der zervikothorakale Übergang ist auch eine Region
zum 8. Brustwirbel in ihrer Länge zu.
für viszerosomatische neurogene Koppelungen
Die Brustwirbelkörper 2–9 haben pro Seite zwei
(Head-Zonen), die sich in der Praxis mit herkömm-
Gelenkflächen für die Rippengelenke:
lichen MT-Techniken als therapieresistent zeigen.
4 Fovea costalis inferior am kranialen Wirbelkörper,
Hier sollte zusätzlich eine internistische Abklärung
4 Fovea costalis superior am kaudalen Wirbelkörper.
erfolgen (Herz, Lunge etc).
. Abb. 5.2 Gekoppelte Bewegung der BWS in Flexion: gleichsin- . Abb. 5.3 Gekoppelte und gegensinnige Bewegungen der BWS in
nige Bewegungen der Lateralflexion und Rotation der gesamten Extension: Obere BWS (grün): Th1–4: HWS zugehörig (gleichsinnig);
BWS mittlere BWS (rot): Th4–8: rigide (keine direkte Zugehörigkeit, kann
sowohl zur HWS als auch LWS gehören); untere BWS (blau): Th8–12:
gegensinnig
Hernie bezeichnet wird. Es befindet sich zwischen dem > Aufgrund der oft beobachteten extensorischen in-
M. serratus posterior, M. obliquus internus, M. quadratus terskapulären Einziehung kann man die stumme
lumborum, im Bereich der 12. Rippe. Zone der BWS eher einer gegensinnigen Kopplung
zuordnen. Ein typisches visuelles Zeichen einer
gleichsinnigen Kopplung dieser Zone ist eine hohe
5.3 Biomechanische Kopplung von Rotationsfähigkeit des Kopfes.
Lateralflexion und Rotation der BWS
Aus physiologischer Stellung oder bei flektierter Wirbel- 5.4 Krankheitsbilder der BWS
säule ist die Lateralflexion gleichsinnig an die Rotation
gekoppelt (. Abb. 5.2). 5.4.1 Arthrose der Facettengelenke
Bei extendierter Wirbelsäule ist die Lateralflexion ge-
genüber der Rotation im oberen BWS-Abschnitt (Th1–4) Eine Arthrose der Facettengelenke entsteht, wenn die Be-
gleichsinnig gekoppelt, im Bereich Th8–12 gegensinnig wegungsenergie direkt auf den Knorpel übertragen wird
gekoppelt. Im mittleren thorakalen Abschnitt (Th4–8), und andere Strukturen sie nicht vorher absorbieren.
der so genannten »stummen Zone«, ist sie entweder be- Absorbierende Strukturen bzw. Faktoren sind z. B.
wegungsregide, gleich oder gegensinnig gekoppelt 4 Diskus,
(. Abb. 5.3). 4 Bänder,
4 Muskeln,
> Möglichkeiten der Zugehörigkeit der mittleren 4 Synovia,
BWS: 4 Gelenkmechanik (physiologisches Verhältnis des
5 Mittlere BWS: Th4–8: HWS zugehörig Rollgleitens der Gelenkpartner untereinander).
(gleichsinnig),
5 Mittlere BWS: Th4–8: LWS zugehörig (gegensinnig).
5.4 · Krankheitsbilder der BWS
221 5
Eine Arthrose im Facettengelenk basiert meist auf einer 4 Costae fluctuantes-Syndrom,
sekundären Arthrose als Folge eines Traumas, einer 4 Dislokationen von Rippenköpfchen,
Diskose, von Einblutungen etc. Eine primäre Arthrose 4 Interkostalzerrungen.
kommt so gut wie nicht vor, da die Gelenkflächen keinen
nennenswerten Druck kompensieren müssen (außer im
thorakolumbalen Übergang). 5.4.5 Reizung des Ramus dorsalis,
Notalgia paraesthetica
> Arthrose bedeutet Bildung eines morphologisch
adaptierten Kapselkollagens.
Notalgia paraesthetica (Dorsalgie) ist eine Reizung des
Damit verbunden ist, dass sich die Membrana fibrosa mit Ramus dorsalis durch degenerative Veränderungen der
ihren aufliegenden Rami articulares verändert. Der Arth- Facettengelenke, Fetthernien oder Traumen primär im
rosepatient leidet unter einer intraartikulären Bewegungs- Bereich Th2–6, aufgrund des dort vorhandenen engen
störung, d. h. das Gleitverhalten nimmt zugunsten des Raumes, und des negativen Drucks durch die Pleura
Rollverhaltens ab. Flexibilität und dynamische Stabilität parietalis. Epidurales Fett kann sich durch die schlitz-
gehen verloren. Die Folgen sind unphysiologische Be- förmigen Durchtrittstellen der neuralen Abzweigungen
wegungsabläufe mit unphysiologischen Gelenkstellun- pressen und gelangt so gegen den Ramus dorsalis bzw.
gen, die die Gefahr nicht zentrischer Stoßbelastungen des Ramus meningeus N. spinalis. Es entstehen je nach Schwe-
Gelenkes (Impact loading) mit sich bringen können. regrad oft unerträgliche therapieresistente Rückenschmer-
zen, die durch Husten, Niesen, Pressen drastisch verstärkt
werden.
5.4.2 Aktivierte Arthrose
> Die Beschwerden sind therapieresistent und kaum
der Facettengelenke
beeinflussbar. Kleinere Hernien, die sympathische
Äste komprimieren, lösen lokal gegrenzte paraver-
Eine aktivierte Arthrose kommt in den Gelenken der BWS
tebrale Schmerzen oder Juckreize aus (Juckreize
selten vor. Ursachen können sein:
werden als Vorstadium eines Schmerzempfindens
4 destruktive Verschleißprozesse,
interpretiert).
4 Kältereize, die ein gestörtes »Steady state« noch weiter
einschränken,
4 Gelenkkapsel reizende Abbauprodukte, Knorpel-
absprengungen 5.4.6 Thorakal-oberes Kompressions-
4 Osteophyten. syndrom, »outlet syndrome« (TOKS)
Als weitere auslösende Faktoren einer Arthritis vermutet 5.4.7 Thorakal-inneres Kompressions-
man bakterielle, rheumatische und hormonelle Prozesse. syndrom, »inlet syndrome«
. Tab. 5.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation einer schmerzenden BWS
Patient gibt an, ohne Kopfkissen sei eine Ruhelage nicht V.a. Hypomobilität zwischen Th1–Th3
möglich Eine Extension würde den Druck in das Segment zu stark erhöhen
Inspirationshypomobilität der oberen thorakalen Rippen
5
Patient gibt bei elevierten Armen Taubheits- bzw. V.a. arterielles Kompressionssyndrom TOKS TIKS
Einschlafgefühl an
Patient gibt an, seine Arme nicht über längere Zeit über 90° Instabilität Th4–8
halten zu können
Patient gibt vermehrte Schweißsekretion an Sympathische Hyperaktivität Läsion obere Extremität Th4–8 –
untere Extremität Th8–12
Patient gibt nicht dermatomgebundene Beschwerden des Sympathische Reizung (1. Rippe) mit Betonung N. ulnaris C8, Th1,
Armes an der dicht am Ganglion stellatum mit hoher sympathischer An-
bindung verläuft
Patient gibt Bewegungseinschränkung und Schmerzen in Flexionsblockade eines oder mehrer Wirbelkörper, Kapselmuster
Extension an mit Facettenarthropathie, Inspirationshypomobilität der Rippen
Patient gibt bei forcierter und/oder zeitlicher Extensionsumma- Antrolisthese, Claudicatio spinalis, Konvergenzhypomobilität
tion Beschwerden an
Patient gibt in Beugehaltung diffuse mantelartige Schmerzen Bandscheibenhernie mit Kompression auf die Dura mater bzw.
an intradurale Druckerhöhung
Patient zeigt sich in der Inspektion mit hängenden Schultern Gefahr einer Enge der kostoklavikulären Pforte
und schwachen M. trapezius
5.6.4 Sicherheit und Kontraindikationen > Vorgehensweise bei der Interpretation des Befundes:
5 Kontraindikationen einschätzen.
Nach der Anamnese, Inspektion und Palpation erfolgt ein 5 Die Diagnosemöglichkeit einengen.
Resümee mit einer Einschätzung von Sicherheit und Kon- 5 Strategie entwickeln: Weiter mit Basisunter-
traindikationen. suchung oder lokalsegmentale Testung bzw.
Ausgeschlossen werden müssen erneute Kommunikation mit dem Arzt.
4 Systemerkrankungen (Rheuma, Psoriasis, Morbus
Bechterew, Morbus Forestier),
4 Tumore, 5.7 Basisuntersuchung der BWS
4 Frakturen (Sportunfall),
4 Bandrupturen und In der Basisuntersuchung zeigen sich lokal segmentale
4 entzündliche Prozesse. oder mehrsegmentale kapsuläre Einschränkungen durch
so genannte Breakpoints. Breakpoints sind Bruchpunkte
innerhalb einer Kurvaturprägung und geben bei lokal
5.7 · Basisuntersuchung der BWS
225 5
segmentaler Darstellung Hinweise auf Blockierungen. Bei Befund. Der Test ist positiv, wenn Beschwerden auftreten
mehrsegmentaler Abkippung oberhalb des Breakpoints im Bereich der Achsel, des ulnarseitigen Ober- und Unter-
handelt es sich häufig um skoliotische rotierte Wirbelsäu- arms bis zur Kleinfingerseite.
lenabschnitte. Im Allgemeinen zeigen sich in der aktiven
! Cave
und passiven Basisuntersuchung Hinweise auf ein arthro-
Flexionsblockierung!
kinematisches Problem. In der Widerstandstestung testen
wir die Rotation, um Informationen über die dynamische
rotatorische Stabilität und über Bandscheibenläsionen jListheseschnelltest Th 4–8 nach ventral (. Abb. 5.4)
zu bekommen. Kapsuläre Einschränkungen können nur
aus dem Gleitverhalten bzw. der Resistenz aus einem
vorgegebenen Kapselmuster des Gelenkes interpretiert
werden.
Ausführung. Die Arme sind im Schultergelenk 80° ab- Die Beziehung zwischen BWS und HWS ist eng, beide
duziert und maximal außenrotiert, Ellenbogengelenk 90° Abschnitte sind eng miteinander verbunden. Die neurolo-
flektiert, Retraktion des Schultergürtels. gische Versorgung von Teilen der Brust- und Rücken-
226 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
5
a b a b
. Abb. 5.5a,b Aktive Flexion der BWS. a ASTE, b ESTE . Abb. 5.6a,b Aktive Extension der BWS. a ASTE, b ESTE
muskulatur rekrutiert sich aus HWS-Segmenten. Dies gilt gen) können sich durch Scheinrotationen zur hypermobi-
für die folgenden Muskeln: len Seite hervorheben. Bei der Prüfung der Seitenneigung
4 Mm. rhomboidei, der M. levator scapulae sowie das zeigen sich bei Hypomobilitäten bzw. Blockierungen so
thorakoskapuläre Gleitlager über den N. dorsalis genannte Breakpoints (Bruchpunkte), wobei die Hypomo-
scapulae (C4–5), bilität bzw. Blockierung unterhalb des Bruchpunktes zu
4 M. serratus anterior über den N. thoracicus longus finden ist.
(C5–7),
4 M. trapezius mit Pars descendens, Pars transversa jAktive Flexion der BWS (. Abb. 5.5)
und Pars ascendens über den N. accessorius (C2–4), ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz mit 70° Flexion in den
4 die Brustmuskulatur über die Nn. pectoralis (C5–Thi), Hüftgelenken.
4 M. latissimus dorsi über den N. thoracodorsalis
(C6–8). Ausführung. Der Patient sitzt im Tubersitz, um die LWS in
4 Um sicherzustellen, dass BWS-Beschwerden nicht auf Extension vorzupositionieren, überkreuzt seine Arme
Irritationen der HWS beruhen, ist ein Check-up der diagonal und legt sie auf den Schultern ab.
HWS notwendig. Dazu gehören alle aktiven Basis- Der Therapeut überprüft die korrekte Ausführung der
bewegungen der HWS. isolierten Flexionsfähigkeit der BWS, indem er anfänglich
die Dornfortsätze Th12–L1 palpiert und der Patient das
Becken soweit aufrichtet, bis sich der Interspinalraum zwi-
5.7.4 Aktive Bewegungen der BWS schen Th12–L1 spannt. Erst dann folgt die Aufforderung
zur aktiven Flexion. Der Patient zieht sein Sternum nach
Mit den aktiven Bewegungen der BWS beurteilt der unten hinten, das Kinn wird dabei an das Sternum heran-
Therapeut den Bewegungsumfang und -verlauf und das gezogen.
Schmerzverhalten. In der aktiven Basisuntersuchung testet
der Therapeut die BWS im Hinblick auf Befund. Folgende Befunde können sich zeigen:
4 Bereitwilligkeit, 4 Bewegungslimitierung durch Systemerkrankung,
4 Bewegungsausmaß, Bandscheibenläsionen, Divergenzhypomobilität und
4 Koordination des Bewegungsablaufs, Exspirationshypomobilität der Rippe.
4 Deviation bzw. Deflexion, 4 Bewegungslimitierung und Schmerzen durch
4 und Schmerzen. Blockade des BWK in Extension.
Die Ansage für den Patienten wird mit einer Zielorien- jAktive Extension der BWS (. Abb. 5.6)
tierung verbunden. ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz mit 70° Flexion in den
Die aktive Basisuntersuchung ergibt auch Hinweise auf Hüftgelenken.
Hypomobilitäten oder Blockierungen. So wird sich eine
Extensionshypomobilität bzw. Blockierung in der Flexion Ausführung. Durch den Tubersitz wird die LWS in Exten-
als extensionsfixiertes Segment zeigen in Form einer Del- sion vorpositioniert; der Patient überkreuzt seine Arme
lenbildung. Einseitige Hypomobilitäten (nicht Blockierun- diagonal und legt sie auf den Schultern ab. Der Therapeut
5.7 · Basisuntersuchung der BWS
227 5
a b a b
. Abb. 5.7a,b Aktive Lateralflexion der BWS nach rechts. a ASTE, . Abb. 5.8a,b Aktive Rotation der BWS nach rechts. a ASTE, b ESTE
b ESTE
überprüft die korrekte Ausführung der isolierten Exten- jAktive Rotation der BWS (. Abb. 5.8)
sionsfähigkeit der BWS, indem er anfänglich die Dornfort- ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz mit 70° Flexion in den
sätze Th12–L1 palpiert und das Becken soweit nach ventral Hüftgelenken.
kippen lässt, bis sich die beiden Dornfortsätze annähern.
Erst dann folgt die Aufforderung zur aktiven Extension. Ausführung. Der Patient sitzt im Tubersitz, um die LWS in
Der Patient zieht sein Sternum nach vorne oben. Extension vorzupositionieren, überkreuzt seine Arme
diagonal und legt sie auf den Schultern ab. Unter der rech-
Befund. Folgende Einschränkungen und Beschwerden ten Gesäßhälfte wird durch Anheben des Kopfteils ein Keil
können sich zeigen: appliziert, um die LWS bei Rotation der BWS in eine kom-
4 Bewegungslimitierung durch Systemerkrankung binierte Stellung zu bringen und somit einer Mitbewegung
(Morbus Bechterew, Forestier, Scheuermann), der LWS entgegenzuwirken. Der Therapeut überprüft die
4 Foramenstenose, Claudicatio spinalis, Bandscheiben- korrekte Ausführung der isolierten Rotationsbewegung
läsion, Konvergenz- und Inspirationshypomobilität der BWS, indem er die durch den Keil erzeugte rechts-
der Rippen, seitige Seitenneigung der LWS bis zu L1 biomechanisch
4 Bewegungslimitierung und Schmerzen durch gegensinnig zwangsrotatorisch kontrolliert. Durch die
V.a expiratorische Rippenblockade bzw. Blockade des aktive Rechtsrotation der BWS verriegelt der Patient die
BWK in Flexion. Beweglichkeit der LWS, so dass eine isolierte Rotation in
der BWS möglich ist. Zur Durchführung der Rotation wird
jAktive Lateralflexion der BWS (. Abb. 5.7) der Patient aufgefordert, seine rechte Schulter nach hinten
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz mit 70° Flexion in den zu drehen.
Hüftgelenken.
Befund. Die Rechtsrotation ist eine Provokation für das
Ausführung. Der Patient sitzt im Tubersitz, um die LWS in rechte Facettengelenk.
Extension vorzupositionieren, überkreuzt seine Arme
diagonal und legt sie auf den Schultern ab. Zu Beginn über-
prüft der Therapeut die korrekte Ausführung der isolierten 5.7.5 Passive Bewegungen der BWS
Lateralflexionsfähigkeit der BWS, indem er dem Patienten
demonstriert, die Seitenneigung über eine gedachte sagit- Bei der passiven Untersuchung ist es das primäre Ziel des
tale Achse in Höhe von Th6 auszuführen. Erst dann folgt Therapeuten, sich einen Eindruck über den Kapselzustand
die Aufforderung zur aktiven Lateralflexion. (Qualität) und den Bewegungsweg (Quantität) zu machen.
Unter »Qualität« versteht man hier die Beurteilung des ge-
Befund. Bei einer Lateralflexion nach rechts können fol- lenkcharakteristischen Endgefühls durch passive anguläre
gende Beschwerden auftreten: Provokation. Der Test gibt dem Therapeuten einen gelenk-
4 rechtsseitige Bewegungslimitierung bei V.a. Arthrose mechanischen Hinweis, ist jedoch keine Indikation für
des rechten Facettengelenks, eine manualtherapeutische Behandlung. Ein Kapselmuster
4 linksseitiger Schmerz durch Kapselstress links, evtl. zeigt sich lokal segmental in einer Rotationseinschränkung
auch Va. Arthritis. und durch die Kapselschrumpfung in einer heterolateralen
228 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
5
a b c d
. Abb. 5.9a–d a Passive Rotation, rechts; b Flexion bis Interspinale Spannung Th5/6, c Lateroflexion nach links , d Exzentriktestung Th5/Th6
5.7.6 Widerstandstest
(Muskelweichteiltest 2, 3)
Th1 1 Blau
Th2
Th4
Th6
Th7
Th8
Th10 Th3
Th12
a b
sätzen zu orientieren. Da diese in ihrer Länge zu- und . Abb. 5.13a,b Extension Schnelltest für die Segmente Th1–4,
wieder annehmen, muss man sich einer Fingerregel be- hier Th3 zu Th4
Ziel. Das gleichmäßige Schließen und Öffnen der Inter- . Abb. 5.14a,b Extensionstest für die Segmente Th5–12, hier Th4
spinalräume testen am Beispiel von Th4 zu Th5. zu Th5
232 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
C7
a a
C7
Th5
Th6
Th2
Th3
b b
. Abb. 5.15a,b Rotation, Schnelltest für die Segmente Th1–4, hier . Abb. 5.16a,b Rotationstest für die Segmente Th5–12, hier Th5 zu
Th2 zu Th3, Rechtsrotation Th6 in Rechtsrotation
> Ein vermindertes tiefthorakales Schließen kann zu 5.8.4 Schnelltest biomechanische Rotation
einem vermehrten hochthorakalen Öffnen führen.
Manualtherapeuten testen deshalb die BWS von jRotation Schnelltest für die Segmente Th1–4
Th1–Th12. (. Abb. 5.15)
Ziel. Die biomechanische Rotationsfähigkeit am Beispiel
ASTE. Der Patient sitzt. von Th2 zu Th3 bei Rechtsrotation testen.
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich zum Patienten ASTE. Der Patient sitzt.
und palpiert mit seinem Zeigefinger und Mittelfinger den
Interspinalraum zwischen den Dornfortsätzen Th3–4 und Ausführung. Der Therapeut steht seitlich zum Patienten
Th4–5. Der Patient kreuzt seine Arme und legt sie auf und palpiert mit seinem Zeigefinger und Mittelfinger die
seinen Schultern diagonal ab. Der Therapeut umgreift den Dornfortsätze Th2 und Th3. Der Patient flektiert seinen
Oberkörper des Patienten und unterlagert die verschränk- rechten Arm im Schultergelenk. Der Therapeut testet das
ten Patientenarme von ventral kommend. Über das An- segmentale Rotieren durch Palpation des Proc. Spinosus.
heben der Patientenarme wird der Patient in Extension
geführt. Getestet wird das interspinale Schließen der ge- Befund. Bei nicht Auslösen der biomechanischen Zwangs-
nannten Segmente. rotation besteht eine Konvergenzhypomobilität, in diesem
Fall rechts.
Befund. Eingeschränkte Extension.
jRotationstest für die Segmente Th5–12
(. Abb. 5.16)
Ziel. Die Rotationsfähigkeit testen am Beispiel von Th5 zu
Th6 in Rechtsrotation.
5.8 · Gelenkspezifische Untersuchung der BWS
233 5
. Abb. 5.17a–e Springing Provokationstest am Beispiel von
Th4–Th5. a Grifftechnik mit Zeige- und Mittelfinger an der
Patientin, b am Skelettmodell der Wirbelsäule, c ESTE, d Griff-
technik in der ESTE, e anatomische Orientierung
a b
c d e
ASTE. Der Patient sitzt. Im Bereich der BWS wird der Springing-Test unter Be-
rücksichtigung der Fingerregel mit gespreiztem Zeige- und
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich am Patienten Mittelfinger ausgeführt. Die folgenden Werte zeigen, wie
und legt seine Daumenbeere so auf den Dornfortsatz von groß die Bewegung ist, die der Therapeut beim Springing
Th6, dass seine Daumenspitze noch den Dornfortsatz Th5 Mobilitätstest ungefähr erfährt:
kaudal palpiert. 4 physiologisch 2–3 mm,
Der Patient kreuzt seine Arme und legt sie auf seinen 4 Hypermobilität 5–7 mm,
Schultern diagonal ab. Der Therapeut umgreift den Patien- 4 Hypomobilität 1–2 mm,
tenoberkörper von ventral kommend, führt diesen in 4 Instabilitäten bzw. Listhesen über 8 mm
Rechtsrotation und testet die segmentale Rotation. (der Rückhol-/Reboundeffekt ist deutlich
verschlechtert),
Befund. Bei Vorlauf des kaudalen Wirbelkörpers handelt 4 Blockierungen bzw. Ankylosen 0 mm.
es sich um eine Hypomobilität bzw. Blockade. Bei einem
Nachlauf des kaudalen Wirbelkörpers handelt es sich um Durch den Springing-Test zur Provokation kann der
eine Hypermobilität bzw. Instabilität. Therapeut unterscheiden zwischen
4 Athrose und aktivierter Arthrose,
4 Arthritis und Instabilität eines
5.8.5 Springing-Test Bewegungssegmentes.
jSpringing-Mobilitätstest
(. Abb. 5.18 und . Abb. 5.19)
Ziel. Interpretation eines Segmentspieles.
a b c
Interpretation. Entscheidend für die Interpretation des jRotatorischer Test für die kinematische Kette Th5–6
Rosettentests ist die Resistenz: (. Abb. 5.21)
4 Zeigt sich eine Seite fest und die andere elastisch, so Ziel. Die nacheinander rotierenden Wirbelkörper am Bei-
ist die feste Seite die rotierte. Die Elastizität der an- spiel von Th5–6 rechts überprüfen.
deren Seite ist als Antwort der verkürzten gleich-
seitigen Mm. rotatores zu sehen. ASTE. Der Patient liegt in Seitenlage.
4 Zeigt sich eine Seite fest, die andere festelastisch, so
> Der Test wird in einer entlastenden ASTE durch-
ist die feste Seite die rotierte und die festelastische
geführt, da das Handling für den Therapeuten
wahrscheinlich bindegewebig umgebaut.
besser und ein Nachlauf bei Instabilität durch ver-
4 Verbessert sich die anfängliche Resistenz nach mehre-
ringerten Facettendruck besser palpierbar ist.
ren Ausführungen des Rosettentests, so liegt der
Verdacht einer synovialen Problematik nahe. Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten und
legt seine Zeigefingerbeere so an den Dornfortsatz von
> Auch ein arthrotischer Wirbelkörper kann derotiert
Th6, dass seine Zeigefingerspitze den Dornfortsatz Th5
stehen, z. B. durch einseitige Kapselresektion. Der
kaudal palpiert. Der Patient kreuzt seine Arme ventral.
Rosettentest ist in diesem Fall jedoch nicht für die
Der Therapeut greift unter den oben liegenden Arm
Interpretation geeignet.
des Patienten von ventral und gibt eine Rechtsrotation der
Wirbelsäule vor, die der Patient leicht aktiv begleitet. Der
Befund. Derotationsseite rechts oder links. Therapeut überprüft die segmentweise ablaufende Rota-
236 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
5
a
Inspiration
Die hier gezeigten Techniken sind von der Konstitution
des Patienten unabhängig und überfordern den Therapeu-
ten nicht, da sie die Schwerkraft nutzen. Es treten keine den
Patienten gefährdenden Scherwirkungen auf.
Eine Traktion wird immer am Proc. transversus des kauda- Basisuntersuchung. In der ersten Untersuchung zeigt sich,
len Wirbelkörpers des zu behandelnden Segments in einem dass
60°-Winkel zur Kurvatur der BWS ausgeführt. Das Facet- 4 die Extension, Lateralflexion und Rotation rechts ein-
tengelenk steht 30° von der Kurvatur inkliniert, zusätzlich geschränkt sind,
60° für die Schubrichtung ergeben 90° aus der Tagentialebe- 4 Springing-Test rechts betont schmerzhaft,
ne. Eine Verrieglung ist nicht möglich, so dass andere Seg- 4 Rosettentest Th5 linksseitig resistent.
mente mit einbezogen werden können. Statt Anlage der
Daumen ist auch das Anlegen eines Keiles möglich. ASTE. Siehe oben.
5.10 · Gelenkspezifische Behandlung der BWS
239 5
30°
30°
. Abb. 5.27 Indirekte Konvergenzmobilisation am Beispiel von . Abb. 5.28 Direkte Divergenzmobilisation am Beispiel Th4–5, links
Th4–5, rechts
Ausführung. Siehe oben, der Therapeut betont jedoch nur der rechten Hand widerlagernd auf dem Querfortsatz
die rechte Seite der Facetten durch Armvorpositionierung Th5 und das Os pisiforme der linken Hand auf dem Quer-
rechts. fortsatz Th4 liegt. Der Schub erfolgt über den linken Arm
des Therapeuten. Sein linker Unterarm bildet einen
30°-Winkel zur Kurvatur der BWS. Nach Aufnahme der
5.10.3 Translatorische Technik zur indirekten Gewebespannung und Exspiration des Patienten gibt
Konvergenzmobilisation der Therapeut einen translatorischen Schub nach ventro-
kranial.
Eine indirekte Konvergenzmobilisation ist eine Divergenz-
mobilisation auf der nicht betroffenen Seite. Im folgenden Anzahl und Dosierung. Der Therapeut führt den Schub
Beispiel erzeugt der Therapeut eine Rechtsrotation rhythmisch und statisch aus:
mit einer Divergenz links und einer Konvergenz rechts. 4 rhythmisch 20 Wiederholungen, 1 Serie, 30 sec Pause,
Die vom Therapeuten erzeugte Rotation verursacht die 4 statisch 30 sec bis 2 min, 3–4 Serien, 30 sec Mobilisa-
Konvergenz rechts. tionspause,
4 abschließend den Patienten in die mobilisierte
jIndirekte Konvergenzmobilisation (. Abb. 5.27) Richtung anspannen lassen.
Ziel. Konvergenzmobilisation einer Kapselrestriktion bei
Konvergenzhypomobilität Th4–5 rechts.
5.10.4 Translatorische Technik zur direkten
Basisuntersuchung. Die erste und lokal segmentale Unter- Divergenzmobilisation
suchung ergaben ein einseitiges Konvergenzproblem. Im
Beispiel zeigt sich die Rechtsrotation rigide und einge- Eine direkte Divergenzmobilisation führt der Therapeut
schränkt bei gleichzeitig eingeschränkter Extension. auf der betroffenen Seite aus. Im folgenden Beispiel erzeugt
er eine Rechtsrotation mit einer Divergenz links.
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage.
jDirekte Divergenzmobilisation (. Abb. 5.28)
Ausführung. Der Therapeut steht lateral am Patienten in Ziel. Divergenzmobilisation einer restriktierten Kapsel bei
Rotationsrichtung und palpiert unter Berücksichtigung Divergenzhypomobilität Th4–5 links.
der Fingerregel den interspinalen Raum. Über die
Armposition des Patienten palpiert der Therapeut die Basisuntersuchung. Die erste Untersuchung zeigt, dass
Annäherung der Dornfortsätze Th4–5. Die Armposition 4 die aktive Flexion, Lateralflexion, Rotation zur Ge-
bzw. Anhebung des Kopfteiles fixiert die Segmente. Der genseite eingeschränkt sind,
Therapeut kreuzt seine Hände so, dass das Os pisiforme 4 das Segment Th4–5 im Flexionstest nicht öffnet,
240 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
. Abb. 5.29a,b Direkte Konvergenzmobilisation Th4–5 links. Die Basisuntersuchung. In der ersten Untersuchung sind beim
Hand des Therapeuten bildet einen 90°-Winkel zur Longitudina- aktiven Test
lachse des Patienten (einseitige Betonung) 4 die Extension eingeschränkt,
4 Lateralflexion links und Rotation links bewegungs-
eingeschränkt,
4 der Rotationstest einen Vorlauf von Th5 aufweist, 4 im Extensionstest schließt das Segment Th4–5 nicht,
4 der Springing-Test Th4 positiv ist. 4 der Rotationstest zeigt einen Vorlauf von Th5,
4 der Springing-Test Th4 ist positiv,
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. 4 der Rosettentest links ist rechts resistent an Th4.
Ausführung. Der Therapeut steht seitlich neben dem Pa- ASTE. Der Patient liegt in Seitenlage.
tienten und palpiert unter Berücksichtigung der Finger-
regel den interspinalen Raum. Über die Armposition des Ausführung. Der Therapeut steht vor (bzw. hinter) dem
Patienten wird die Entfernung der Dornfortsätze Th4–5 Patienten und palpiert unter Berücksichtigung der Finger-
zunächst palpiert und dann fixiert. Der Therapeut kann regel die betroffenen Segmente. Der Patient kreuzt seine
das Segment auch durch Absenken des Kopfteiles fixieren. Arme diagonal vor dem Körper, so dass bei einer linkssei-
Die Hände des Therapeuten sind so gekreuzt, dass das tigen Mobilisation der rechte Arm oben liegt. Er legt seine
Os pisiforme der rechten Hand den Querfortsatz Th5 Hände auf den Schultern ab, seine Beine sind angewinkelt.
widerlagert und das linke Os pisiforme den Querfortsatz Der Therapeut formt seine linke Hand zu einer Pistole
Th4 mobilisiert. Der Schub erfolgt über den linken Arm. (Daumen in Reposition, der Zeigefinger ist extendiert und
Dabei bildet der linke Unterarm einen 30°-Winkel mit der die Finger 3–5 sind flektiert) und legt seine Hand (90°) so
Kurvatur der BWS. Nach Aufnahme der Gewebespannung an das betroffene Segment, dass das Daumengrundgelenk
gibt der Therapeut einen Schub nach ventrokranial. auf dem rechten kranialen Querfortsatz von Th4 und der
flektierte Mittelfinger auf dem kaudalen linken Querfort-
Anzahl und Dosierung. Der Therapeut führt den Schub satz von Th5 trifft. Der Therapeut rollt den Patienten in
rhythmisch und statisch aus: Rückenlage auf seine Hand und beugt sich auf Höhe des
4 rhythmisch 20 Wiederholungen, 1 Serie, Sternums über ihn. Mit seinem rechten Arm übt der
30 sec Pause, Therapeut über das Armkreuz des Patienten während der
4 statisch 30 sec bis 2 min, 3–4 Serien, 30 sec Mobilisa- Exspiration einen dorsokranialen Druck aus. Da der Druck
tionspause, abschließend den Patienten in die mobili- am Mittelfinger am höchsten ist, dreht zuerst Th5 und
sierte Richtung anspannen lassen. verzögert Th4 nach rechts bis der Querfortsatz Th4 durch
5.10 · Gelenkspezifische Behandlung der BWS
241 5
5
. Abb. 5.32 Schema der bilateralen Handanlage
a a
b b
. Abb. 5.33a,b Technik 1. a ASTE, b ESTE . Abb. 5.34a,b Technik 2. a ASTE, b ESTE
jSchematische Darstellung der bilateralen > Bei unilateraler Technik gilt: Rechte Hand behandelt
Handanlage (. Abb. 5.32) rechte Seite, linke Hand behandelt linke Seite.
. Abb. 5.32 zeigt wie und wo die bilaterale Handanlage zur
Konvergenzmobilisation wirkt. Als Beispiel dient Th4–5 jTechnik 1 (. Abb. 5.33)
rechts. Der Therapeut steht heterolateral zur zu behandelnden Pa-
tientenseite und legt seine linke Hand im Pistolengriff über
den Rumpf des Patienten auf das zu behandelnde Segment.
5.10.7 Techniken zur direkten Der Zeigefinger zeigt im 90°- oder 45°-Winkel zur Bank.
Konvergenzmobilisation
(unilateral und bilateral) jTechnik 2 (. Abb. 5.34)
Der Therapeut steht hinter dem Patienten und legt seine
Zur direkten bi- und unilateralen Konvergenzmobilisation rechte Hand im Pistolengriff auf das zu behandelnde
können zwei verschiedene Techniken angewendet werden. Segment. Der Zeigefinger zeigt im 90°- oder 45°-Winkel
Als Beispiel dient Th4–5 links. zur Bank.
5.11 · Knorpelbelastungstraining und Knorpelgleiten für die BWS
243 5
60°
60°
15°
10°
5°
. Abb. 5.35 Knorpelbelastungstraining der BWS am Beispiel Th5–6 . Abb. 5.36 Knorpelgleiten am Beispiel von Th5–6
5.11 Knorpelbelastungstraining Anzahl und Dosierung. 1–2 sec halten, 21–30 Wieder-
und Knorpelgleiten für die BWS holungen, 90 sec Pause, Anzahl der Sätze richtet sich nach
Anzahl der neuen Positionen.
5.11.1 Knorpelbelastungstraining der BWS
(. Abb. 5.35)
5.11.2 Knorpelgleiten in der BWS
Befund. Nicht belastungsstabiler Knorpel durch Immobi- (. Abb. 5.36)
lisation oder Instabilität.
Befund. Der Knorpel ist belastungsstabil, zeigt aber
Ziel. Verbesserung der Tragfähigkeit des Knorpels Th5–6. Defizite in der belasteten Verformbarkeit.
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Ziele. Integration der neu gewonnenen Beweglichkeit,
»Einpressen« vorhandener Synovia in neue Belastungsbe-
Ausführung. Der Therapeut steht kranial am Patienten reiche des Knorpels.
und legt seine beiden Daumen, je nach Kurvatur der BWS
auf die 30° geneigten Facetten transversal der Querfortsät- ASTE. 7 Kap. 5.11.1.
ze Th5. Die Unterarme bilden dabei mit dem Thorax einen
Winkel von 60°. Der Therapeut gibt nun einen Schub nach Ausführung. Siehe weiter oben, 7 Kap. 5.11.1. Der Patient
kaudal ventral und fixiert diese Position. Der Patient bewegt sich hier jedoch dynamisch in Extension. Der
spannt gegen die fixierenden Daumen isometrisch in Therapeut hält während der dynamischen Bewegung
Extension und hält sie 1–2 sec. Über Anhebung des Kopf- kontinuierlich den Druck auf die Facetten.
teiles in 5°-Stufen wird jeweils eine neue extensorische
Position eingenommen. Es wird bis zur extensorischen > Schmerzen sind bei diesem Training limitierend.
Bewegungseinschränkung im gleichen Verfahren geübt.
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, 60 sec.
> Schmerzen sind bei diesem Training limitierend. Pause, 3 Serien.
244 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
a b
a b
a b
ASTE. Der Patient sitzt. Die Hebearme des Gerätes werden jNeck press am Pull-down-Gerät (. Abb. 5.42)
so eingestellt, dass sich die Hände des Patienten lateral auf Anamnese. Morbus Farfan bzw. dadurch sekundär ent-
Höhe des Kopfes befinden. Der Abstand zwischen den standene Beschwerden.
Griffen ist deutlich größer als schulterbreit.
Ziel. Maximale Extensionsvorgabe der BWS mit Anspra-
Ausführung. Die dorsale Muskulatur muss leicht unter che retrahierender Schulterblattmuskulatur bei widerla-
Spannung stehen. Patient stemmt die Hebearme des Gerä- gerter LWS.
tes aus 80°–90° Abduktion im Schultergelenk über den
Kopf senkrecht nach oben, wobei die Belastung stets in der ASTE. Der Patient sitzt. Die Hebearme des Gerätes werden
dorsalen Schulterblattmuskulatur zu spüren sein soll. so eingestellt, dass sich die Hände des Patienten dorsal auf
Höhe des Kopfes befinden. Der Abstand zwischen den
ESTE. Die Ellenbogengelenke werden nicht vollständig ge- Griffen ist deutlich größer als schulterbreit.
streckt.
Ausführung. Die dorsale Muskulatur muss leicht unter
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause Spannung stehen. Patient stemmt die Hebearme des Gerä-
90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. tes aus 80–90° Abduktion im Schultergelenk über den Kopf
5.13 · Rehaprogramm BWS
247 5
. Abb. 5.42a,b Neck press am Pull-down-
Gerät. a ASTE, b ESTE
a b
a b c
senkrecht nach oben, wobei die Belastung stets in der 4 Skoliosetherapie bei vorausgegangener lokal segmen-
dorsalen Schulterblattmuskulatur zu spüren sein soll. taler Behandlung,
4 nach Traumen der BWS,
ESTE. Die Ellenbogengelenke werden nicht vollständig 4 Systemerkrankungen wie Morbus Bechterew und
gestreckt. Morbus Scheuermann.
5
a b c
a b c
ESTE. Der Therapeut nimmt dem Patienten in der End- Ausführung. Der Patient flektiert synchron im Schulter-
stellung das Gewicht ab, damit keine exzentrische Muskel- gelenk.
beanspruchung entsteht, da der Patient die Wirbelsäule
noch nicht stabilisieren kann. ESTE. Der Therapeut nimmt dem Patienten in der End-
stellung das Gewicht ab, damit keine exzentrische Muskel-
> Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine
beanspruchung entsteht, da der Patient die Wirbelsäule
exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw.
nicht stabilisieren kann.
die Wirbelsäule stabilisiert bleibt.
> Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause
exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw.
90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
die Wirbelsäule stabilisiert bleibt.
jEindimensionales konzentrisches Muskelaufbau- Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause
training mit Kurzhantel (. Abb. 5.44) 90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
Ziel. Extensionstraining der BWS mit Ansprache der
retrahierenden Schulterblattmuskulatur. jEindimensionales konzentrisches Muskelaufbau-
training, »reverse« Butterfly am Gerät (. Abb. 5.45)
ASTE. Der Patient sitzt. Die Schultergelenke sind 90° flek- Ziel. Extensionstraining der BWS mit Ansprache der
tiert. Dabei ist der Abstand zwischen den Händen größer retrahierenden Schulterblattmuskulatur.
als schulterbreit.
5.13 · Rehaprogramm BWS
249 5
a b c
ASTE. Der Patient sitzt im Butterflygerät. Er flektiert und > Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine
innenrotiert 90° im Schultergelenk und flektiert 90° im El- exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw.
lenbogengelenk. Die Hebelarme des Gerätes sind sagittal die Wirbelsäule stabilisiert bleibt.
und der Oberarmlänge entsprechend eingestellt. Der Patient
legt seine Oberarme gegen die Polster der Hebelarme und Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause
bewegt sie synchron in eine 90° transversale Abduktion. 60–90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
> Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine
ESTE. Der Patient nimmt z. B. durch einen Fußhebel das
exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw.
Gewicht ab, damit keine exzentrische Muskelbeanspru-
die Wirbelsäule stabilisiert bleibt.
chung entsteht.
> Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause
exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw. 60–90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
die Wirbelsäule stabilisiert bleibt.
jMehrdimensionales konzentrisches Muskelauf-
Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause bautraining einseitig mit Theraband (. Abb. 5.47)
60–90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
Ziel. Extensionstraining der BWS mit Ansprache retrahie-
render Schulterblattmuskulatur.
5.13.2 Mehrdimensionales konzentrisches ASTE. Der Patient sitzt. Er hält das Theraband mit 90° Fle-
Muskelaufbautraining xion im Schultergelenk. Das Ellenbogengelenk ist gestreckt
und das Theraband hat Spannung.
jMehrdimensionales konzentrisches Muskelaufbau-
training einseitig am Zuggerät (. Abb. 5.46)
Ausführung. Der Patient zieht das Band und flektiert im
Ziel. Einseitiges Extensionstraining der BWS mit An-
Schultergelenk.
sprache retrahierender Schulterblattmuskulatur.
ESTE. Der Patient nimmt sich selbst durch die andere
ASTE. Der Patient sitzt. Er greift den Seilzug mit 90° Flexi-
Hand das Gewicht ab, damit keine exzentrische Muskelbe-
on im Schultergelenk. Das Ellenbogengelenk ist gestreckt
anspruchung entsteht.
und der Seilzug hat Spannung.
> Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine
Ausführung. Der Patient zieht den Griff des Seilzuges und exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw.
flektiert im Schultergelenk. die Wirbelsäule stabilisiert bleibt.
ESTE. Der Patient nimmt sich in der Endstellung das Ge- Dosierung und Anzahl. 21–30 Wiederholungen, Pause
wicht mit der anderen Hand ab, damit keine exzentrische 60–90 sec, 3–4 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
Muskelbeanspruchung entsteht.
250 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
5
a b c
a b c
ESTE. Der Patienten nimmt sich per Fußhebel das Gewicht Ausführung. Der Patient gibt langsam dem Zug des Seil-
ab, damit keine exzentrische Muskelbeanspruchung ent- zuges nach.
steht.
ESTE. 90° Flexion im Schultergelenk.
> Der Patient trainiert nur den Hinweg, damit keine
exzentrische Muskelbeanspruchung entsteht bzw. Dosierung und Anzahl. 12 Wiederholungen, 3 sec Ablas-
die Wirbelsäule stabilisiert bleibt. sen, 2 min Pause.
5.13 · Rehaprogramm BWS
251 5
a b a b
. Abb. 5.49a,b Muskelaufbautraining eindimensional exzentrisch . Abb. 5.50a,b Muskelaufbautraining eindimensional exzentrisch
am Zuggerät beidseitig. a ASTE, b ESTE mit Butterfly-Gerät. a ASTE, b ESTE
Dosierung und Anzahl. 12 Wiederholungen, 3 sec Ab- > Alternativ kann der Patient z. B. mit Hanteln trainieren.
lassen, 2 min Pause.
Dosierung und Anzahl. 12 Wiederholungen, 3 sec Ab-
lassen, 2 min Pause.
5.13.4 Mehrdimensionales exzentrisches
Muskelaufbautraining jMehrdimensionales exzentrisches Muskelaufbau-
training einseitig am Butterfly-Gerät (. Abb. 5.52)
jMehrdimensionales exzentrisches Ziel. Extensionstraining der BWS unter Einbezug der retra-
Muskelaufbautraining einseitig mit Zuggerät hierenden Schulterblattmuskulatur.
(. Abb. 5.51)
Ziel. Extensionstraining der BWS unter Einbezug der ASTE. Der Patient sitzt im Butterfly-Gerät mit 90 horizon-
retrahierenden Schulterblattmuskulatur. taler Abduktion im Schultergelenk.
ASTE. Der Patient sitzt. Er hält den Seilzug mit 180 Flexion Ausführung. Aus der horizontalen Abduktion gibt der
im Schultergelenk. Patient langsam dem Druck des senkrecht stehenden
Hebelarmes nach.
Ausführung. Der Patient gibt langsam dem Zug des Seil-
zuges nach. ESTE. Das Gerät gibt die Endstellung vor.
ESTE. Er beendet die Bewegung, wenn er 90 im Schulter- Dosierung und Anzahl. 12 Wiederholungen, 3 sec Ab-
gelenk erreicht hat: lassen, 2 min Pause.
252 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
a b
5.14 Stabilisation der BWS 4 Das Gewebe ist leicht ödematös und kreisförmig
aufgequollen.
5.14.1 Pathomechanismus, Anamnese 4 Der Kibler-Faltentest ist positiv.
und Inspektion bei Instabilitäten 4 Die Procc. spinosi sind druckdolent.
4 Die aktiven Tests sind meist negativ, da die Beschwer-
Verschiedene Pathomechanismen führen zu Instabilitä- den bei Bewegungssummationen oder plötzlich ab-
ten, z. B. bremsenden Bewegungen auftreten.
4 degenerative Veränderungen der Bandscheibe, 4 Der passiv durchgeführte Slump-Test ist positiv.
4 Bänderlaxizität (Bandinstabilitäten oder -lockerun- 4 Lokal segmental ist der Springing-Mobilisationstest
gen), positiv.
4 ungünstige Hebelverhältnisse, 4 Der Rosettentest ist ebenfalls positiv.
4 Frakturen und
4 Luxationen. Auch bei fehlender rotatorischer Fehlstellung bemerkt
man Laxizität in der Rechts- und Linksrotation gegenüber
Hinweise auf eine Instabilität finden sich in der anamnes- anderen Segmenten. In einer rotatorischen Fehlstellung ist
tischen Befragung des Patienten. Folgende Probleme die rotierte Seite resistent (festelastisch). Im Rotationstest
und Beschwerden deuten auf eine Instabilität hin: Der zeigt sich ein Nachlauf am kaudalen Wirbelkörper.
Patient
4 gibt ein »Faustgefühl« zwischen den Schulterblättern
an, 5.14.2 Behandlungsaufbau Stabilisation
4 meidet Wärme,
4 empfindet eine weiche Bettunterlage als Beim Aufbau der Behandlung mit dem Ziel, die Gelenke
unangenehm, der BWS zu stabilisieren, beachtet der Therapeut folgende
4 gibt an, dass schwere ungewohnte Tätigkeiten das Reihenfolge:
Problem aktualisieren, 4 Belastungsfähigkeit des Knorpels aufbauen.
4 gibt an, dass Medikamente seine Beschwerden nicht 4 Synoviaproduktion optimieren bzw. Adhäsion verbes-
bessern, sern und die Knorpelernährung optimieren.
4 erwähnt, dass statische Tätigkeiten bei Armflexions- 4 Propriorezeptive Reorganisation fördern.
bewegungen das Problem verstärken. 4 Arthrokinematische lokalsegmentale Muskeln auf-
bauen.
Bei der Inspektion kommt der Manualtherapeut durch 4 Osteokinematische Muskeln aufbauen.
Palpation und Tests bei Instabilitäten häufig zu folgenden
Ergebnissen:
4 Es bestehen leichte Einziehungen im Bereich der
Wirbelsäule (BWS).
5.14 · Stabilisation der BWS
253 5
Th6
Th6
Th7
Th7
. Abb. 5.53 Kombinierte Einstellung Th5–6 rechts Vorposition . Abb. 5.54 Kombinierte Einstellung Th5–6 rechts, Vorposition der
Divergenz (roter Pfeil) Lateralflexion rechts (roter Pfeil)
5.14.3 Stabilisationsbeispiel Th5–6 der Therapie baut der Therapeut die Verriegelung der
Segmente zunehmend ab. Es folgen ein
Im folgenden Beispiel gehen wir davon aus, dass sich der 4 konzentrisch eindimensionales Training,
Wirbelkörper Th5 in einer Fehlstellung befindet. Er ist 4 konzentrisch mehrdimensionales Training
nach rechts rotiert. In der BWS ist eine Verrieglung von (rotatorisches Training),
kaudal aufgrund der Rippen nicht möglich; das bedeutet, 4 exzentrisch eindimensionales Training und
dass bei kranialer Verrieglung immer bis ein Segment un- 4 zum Schluss ein exzentrisch mehrdimensionales
ter dem instabilen Segment verriegelt werden muss. Erst Training.
durch die Fähigkeit, drei Segmente muskulär zu schließen,
wird diese Verrieglung geöffnet. Die Kokontraktion muss nicht geübt werden, da kein
Kollagenschaden vorliegt und es deshalb nicht zur Inhibi-
jBefund und Interpretation tation der Rami articulares kommt.
In unserem Beispiel ist Th5 im Springing-Mobilisations-
test positiv. Der Rosetttest ist links festelastisch (resistent)
und rechts fest/hart. Dies interpretiert der Therapeut als 5.14.4 Vorgehensweise bei einer
links positiv. Der rechte M. rotator brevis ist insuffizient, kombinierten Einstellung
so dass die Linksrotation geübt werden muss.
jKombinierte Einstellung Th5–6, Vorposition
jTherapie Divergenz (. Abb. 5.53)
Der Patient wird in Flexion vorpositioniert, um eine liga- Ziel. Ligamentäre Spannung bis Th6–7 rechts bzw. die
mentäre Spannung bis in das Segment Th5–6 zu erzeugen. erste Bewegungsdimension für eine kombinierte Einstel-
Da der Therapeut den M. rotator brevis linksrotatorisch lung aufbauen.
aktivieren muss, ist die Linksrotation die Verrieglung.
Deshalb stellt der Therapeut eine Lateralflexion rechts ein, ASTE/Ausführung. Sitzend, der Therapeut bringt den Pa-
bis der Dornfortsatz Th5 sich nach links bewegt. Dann tienten soweit in Flexion bis eine palpierbare, interspinale
folgt die rotatorische Einstellung nach links, bis der Dorn- Spannung Th6–7 entsteht. Diese Position wird fixiert.
fortsatz Th6 nach rechts zieht. In dieser Grundeinstellung
beginnt der Therapeut, das Segment isometrisch zu akti- jKombinierte Einstellung Th5–6 rechts, Vorposition
vieren. Es folgt die monosegmentale und dann mehrseg- Lateralflexion rechts (. Abb. 5.54)
mentale konzentrische Aktivierung. Ziel. Es wird die zweite Bewegungsdimension vorgegeben,
Ist der Patient in der Lage, drei Segmente zu schließen, damit der Patient sich in seiner rotatorischen Übungsrich-
dürfen Übungen zum Eigentraining gegeben werden. In tung kombiniert verriegelt.
254 Kapitel 5 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Brustwirbelsäule
5
Th6
Th7 Th6
. Abb. 5.55 Kombinierte Einstellung Th5–6 rechts, Vorposition der . Abb. 5.56 Stabilisation lokal segmental Th5–6 rechts, Vorposition
Rotation links (roter Pfeil) kombinierte Einstellung (grüner Pfeil)
. Abb. 5.58 Kostoklavikuläres Syndrom links mit Test nach Eden . Abb. 5.59 Pektoralis minor-Syndrom links mit Test nach Wright
4 Hypertrophie der Muskeln, Test. Das Eden-Manöver wird ausgeführt über passive
4 adaptiertes Kollagen des Muskels durch Hochstand Schulterdepression durch Zug am Arm und einer Lateral-
der 1. Rippe, flexion der HWS zur Gegenseite.
4 Vorhandensein einer Halsrippe,
4 Variante eines M. scalenus minimus oder eines jPektoralis minor-Syndrom mit Test nach Wright
verlängerten Querfortsatzes C7. (. Abb. 5.59)
Ziel. Provokation des Pektoralis minor Syndroms links.
Die vordere Skalenuslücke wird gebildet vom M. scalenus
anterior und dem M. scalenus medius. Durch sie zieht die Bemerkung. Die Autoren sind der Meinung, dass das
V. subclavia. Pektoralis minor-Syndrom in der Praxis häufig vorkommt.
Proc. coracoideus und M. pectoralis minor wirken für
Test. Adson-Manöver für die vordere und hintere Skale- den neurovaskulären Strang wie ein Hypomochlion
nuslücke mit Provokation der V. subclavia, A. subclavia (Dreh- bzw. Unterstützungspunkt) bei einer Abduktion im
und des Plexus brachialis. Das Adson-Manöver wird aus- Schultergelenk über 90°. Bei Patienten mit protrahiertem
geführt über eine passive Extension des Kopfes, Rotation Schultergürtel und hypertonen M. pectoralis minor kann
zur gleichen Seite, Seitenneigung zur Gegenseite, bei es durch Seitenlagerung auf der betroffenen Seite zur
gleichzeitiger tiefer Inspiration und Widerlagerung der Komprimierung des neurovaskulären Stranges kommen.
1. und 2. Rippe durch den Therapeuten. Zeichen eines Pektoralis minor-Syndroms sind »einge-
schlafene« Hände, kalte Finger, Paraesthesien unterschied-
jKostoklavikuläres Syndrom mit Test nach Eden lichster Form.
(. Abb. 5.58)
Ziel. Provokation des kostoklavikulären Syndroms links. Test. Beim Wright-Manöver wird der betroffene Arm im
Schultergelenk passiv über 90° abduziert und innenrotiert,
Bemerkung. Beim kostoklavikulären Kompressions- um den M. pectoralis major auszuschalten. Anschließend
syndrom kommt es zur Einengung des Plexus brachialis führt der Therapeut den Arm weiter in eine horizontale
der A. und V subclavia. Erst im Alter, durch Inspirations- Abduktion.
stellung der ersten Rippe sowie extrem hängende Schul-
tern, kann es zu einer Einengung kommen bei zusätzlichen
Kopfdrehungen über den Skalenuszug an der ersten und
zweiten Rippe. Weitere Gründe können Traumen, Kallus-
beulen nach Klavikulafrakturen, Lungenemphysem und
starke Deformitäten durch Skoliosen sein.
5.15 · Thoracic Outlet-Kompressionssyndrom (TOKS)
257 5
jArcus tendinosus-Syndrom mit Test nach Cyriax
(. Abb. 5.60)
Ziel. Provokation des Arcus tendinosus-Syndroms rechts.
Manuelle Therapie
und Rehabilitation am Thorax
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Literatur – 274
6.1 Einleitung Rippen in diesem Fall sehr eng stehen. Hier ist eine Weich-
teiltechnik in Form einer Interkostalausstreichung als
Rippen, obere und untere Thoraxapertur prägen den Warming up für die lokale, kostale Inspirationsmobilisa-
Brustkorb. Seine Form variiert alters- und geschlechtsspe- tion für den Interkostalraum angezeigt.
zifisch sehr stark. So ist der weibliche Thorax schmaler als
der männliche. Der Brustkorb schützt die in der Brust-
höhle liegenden Organe wie Lunge, Herz, Milz, Leber und 6.2 Anatomie der Rippen
Galle. Bei Kindern ist der Brustkorb aufgrund des hohen
Knorpelanteils noch sehr elastisch, mit zunehmendem Die Rippen dienen primär dem Schutz der Organe. Die
Alter lässt diese Elastizität kontinuierlich nach. 12 Rippenpaare werden in drei Abschnitte eingeteilt:
4 Den Abschnitt 1 bilden die 2.–7. Rippe, Costae ster-
> Vor einer Rippenbehandlung prüft der Manual-
nales oder verae genannt, die mit dem Sternum über
therapeut daher stets die Elastizität des Brustkorbs
die Articulationes sternocostales verbunden sind.
6 mit dem Federungstest.
4 Den Abschnitt 2 bilden die 8.–10. Rippe, Costae
Die Apertura thoracis superior et inferior formen den Brust- arcuariae oder spuriae genannt, die durch Knorpel-
korb. So beeinflussen z. B. die Mm. scaleni die oberen Rip- spangen und Interchondralgelenke mit dem Sternum
penpaare. Zwerchfell, Bauchmuskulatur sowie M. quadratus verbunden sind.
lumborum beeinflussen dagegen die unteren Rippenpaare. 4 Den Abschnitt 3 bilden die 11. und 12. Rippe, als
Problematisch ist die manualtherapeutische Behand- Costae fluctuantes bezeichnet, die freie Rippen sind.
lung von Rippen und Brustkorb, da in der Brustwirbelsäule
(BWS) unterschiedlichste Achsenabweichungen auftreten. Die erste Rippe ist dorsal durch die Articulatio capitis cos-
Hinzu kommen Systemerkrankungen der BWS, die tae und Articulatio costotransversaria mit Th1 gelenkig
mechanische Veränderungen verursachen, wie z. B. verbunden. Ventral ist sie als Synchondrose mit dem Ster-
4 Morbus Bechterew, num verbunden und wird mechanisch sehr stark durch die
4 Morbus Forestier, Mm. scaleni beeinflusst.
4 Morbus Scheuermann, Alle Rippen, bis auf Costae 1, 11 und 12, artikulieren
4 Osteoporose. firstartig mit jeweils zwei Facetten über die Fovea costalis
inferior und superior (zusammen Articulatio capitis
Gekrümmtes Sitzen (Büro, Schulkinder, besonders beim costae oder auch Articulatio costovertebralis) mit zwei
Schreiben und Zeichnen) verursacht eine betonte Exspira- Wirbelkörpern. Die Rippen 1, 11 und 12 haben nur eine
tionsstellung der Rippen mit der Gefahr einer kollagenen Gelenkfläche und sind nur mit einem Wirbelkörper ge-
Adaptation. Bei verstärkter Brustatmung kommt es zu lenkig verbunden.
einer Inspirationsstellung der oberen Rippen mit Folge Eine weitere Fixation bildet das Kostotransversalge-
einer kollagenen Adaptation. Interessanterweise kommt lenk, das von den ersten 10 Rippenpaaren gebildet wird.
bei den Naturvölkern fast nur die Zwerchfellatmung vor, Eine weitere fixierende Eigenschaft hat das extrasynoviale
und auch Kinder neigen bis zum Schulalter zur Zwerchfell- Lig. capitis costae intraarticulare, das den Rippenfirst mit
atmung. Die Brustatmung wird normalerweise nur bei der Bandscheibe verbindet. Es zentriert die Rippenköpfe
erhöhtem Sauerstoffbedarf eingesetzt. Gekrümmtes Sitzen und stimuliert die Membrana synovialis.
nimmt uns die Möglichkeit einer physiologischen ruhigen Die kostotransversale Gelenkfläche Fovea costalis
Zwerchfellatmung. Die Zwerchfellatmung ist unerlässlich processus transversi ist bis ca. zur 5. Rippe nach ventral
für die Durchblutung und Ventilation der Lungen, zur ausgerichtet und ermöglicht somit eine anlageabhängige
Zirkulationsverbesserung von Bauchorganen und Ge- Bewegung nach ventral und kranial. Ab der 6. Rippe ist
fäßen. Allgemein kann man sagen, dass Männer eher zur die Gelenkfläche nach kranial ausgerichtet. Sie ermöglicht
Brustatmung neigen als Frauen. somit eine anlageabhängige Bewegung nach lateral und
Die Beweglichkeit der 12 Rippenpaare steigert sich von kranial. Bei der 5. und 6. Rippe ist der ventrodorsale
kranial nach kaudal. Bei der Rippenbehandlung nutzen Durchmesser des Thorax am geringsten, wobei hier die
Manualtherapeuten die detonisierende Exspirationsphase Bewegung fast ausschließlich transversal stattfindet.
bzw. die tonisierende Inspirationsphase für ihre Techniken. Rippenprobleme entstehen zu 80 % aufgrund einer
Probleme der oberen Rippen haben häufig Einfluss auf die Diskose, d. h. einer Laxizität des Lig. capitis costae intra-
Schulter und das Schulterblatt. Mittlere Rippenprobleme articulare, das das Zentrieren der Rippe nicht mehr gewähr-
führen häufig zu Irritationen des Sympathikus. leisten kann. Durch Husten, Niesen oder ruckartige Bewe-
Weichteiltechniken wenden Manualtherapeuten bei gungen kommt es zur Dislokation des Rippenköpfchens
einer kyphotischen BWS im Bereich der Rippen an, da die und damit zur veränderten Mobilität der Rippe, wobei:
6.2 · Anatomie der Rippen
261 6
Muskeltyp Muskeln
Th XI M. scalenus medius
M. scalenus posterior
M. pectoralis major
M. pectoralis minor
M. serratus anterior
M. latissimus dorsi
Mm. subcostales
M. obliquus externus
Bei Kompression eines sympathischen Ganglions sind die M. serratus posterior inferior
sympathischen Anordnungen bezüglich der Organe zu
beachten und die thorakale Ankopplung. Es besteht die
Ankopplung von: Das Zwerchfell ist eine 3 mm dicke Muskelplatte, die
4 Th1–4 an den Plexus cervicalis, sich aus den Innenseiten der 7.–12. Rippe (Pars costalis)
4 Th4–8 an den Plexus brachialis, der Innenseite des Xiphoideus (Pars sternalis) und den
4 Th3–6 an Schweißdrüsen der oberen Extremität, LWK1–3 (Pars lumbalis) kleeblattartig zu einer Sehnen-
4 Th8–10 an den Plexus lumbalis, platte (Centrum tendineum) vereint. Der Pars lumbalis ist
4 Th11–L2 an den Plexus sacralis. der kräftigste und besteht aus einem medialen und latera-
len Schenkel (Crus mediale und Crus laterale dextrum und
Bei Rippenproblemen verhalten sich die Rippen bei Be- sinistrum).
wegungen der BWS wie folgt: Bei Rotation rechts bewegen Das Crus mediale entspringt von den ventralen Seiten
sich die rechten Rippen in Inspiration und die linken der ersten 3 LWK und bildet die Aortenarkade (Hiatus aor-
Rippen in Exspiration und umgekehrt (. Abb. 6.1). ticus) für den Durchtritt der Aorta und die Ösophagus-
arkade (Hiatus oesophageus) für den Durchtritt der Spei-
seröhre. Crus laterale dextrum und sinistrum bilden als
6.2.1 Atemmuskulatur Ursprung ihrer Fasern die mediale Psoasarkade, die vom
1. LWK zum Proc. transversus des LWK1 zieht und die
. Tab. 6.1 zeigt die inspiratorischen und exspiratorischen laterale Quadratusarkade, die vom Querfortsatz L1 zur
Atem- und Atemhilfsmuskeln. Während der Ruheatmung 12. Rippe zieht. Beide zusammen bezeichnen wir als
sind keine exspiratorischen Atemhilfsmuskeln erforder- Haller-Bogen.
lich, die Retraktionskraft der Lunge und die Entspannung Das Zwerchfell bildet im Ruhezustand eine Kuppel-
des Zwerchfells sind für die Ausatmung ausreichend. form, die sich bei Inspiration 2–4 cm abflacht und so die
262 Kapitel 6 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Thorax
6.2.6 Exspirationshypomobilität
. Abb. 6.3 Anatomische Orientierung: Rippenmechanik in Null-
Exspirationshypomobilität heißt, dass die Beweglichkeit stellung. Firstartige Gelenkkammern der Rippen 2–10 artikulieren
mit dem kranialen und kaudalen Wirbelkörper. Zentriert wird
der Rippe in Exspiration vermindert ist, in Inspiration ist
6 die Rippe dagegen beweglich. Die Hypomobilitäten zeigen
der Rippenkopf durch das Lig. capitis costae intraarticulare am
Diskus
sich im Reservevolumen der Rippenbewegung am deut-
lichsten. Gründe für eine Exspirationshypomobilität sind
4 Immobilisationen nach Rippen- oder Brustwirbel-
säulentraumen,
4 Facettenarthrose des segmental zugehörigen BWK.
Die . Abb. 6.3, . Abb. 6.4, . Abb. 6.5, . Abb. 6.6, . Abb. 6.7
. Abb. 6.5 Anatomische Orientierung: rechte Rippe bei Lateralfle-
und . Abb. 6.8 zeigen die Rippenmechanik schematisch
xion links. Hierbei bewegt sich der Rippenkopf nach kranial und die
vereinfacht. Rippe nach kaudal in eine Exspirationsstellung
1 Lateralflexion links, 2 translatorisches Gleiten nach kranial, 3 Rip-
penbewegung nach kaudal
6.3 · Pathologie der Rippen
265 6
. Abb. 6.6a,b Anatomische Orientie-
rung: Atemmechanik einer hypomobilen
Th 5 Th 5 Rippenstellung. a Hypomobilität Inspira-
tion hypomobil, b bei Exspiration
Diskus Diskus
Th 6 Th 6
a b
Th 6 Th 6
a b
a b
6.3.1 Herpes Zoster (Gürtelrose) Skapulaknacken entsteht aus einer gestörten thorakoska-
pulären Beweglichkeit, durch Bursaverödung oder durch
Reaktivierung oder Infizierung über Varicella-Zoster Vi- inspiratorisch stehende hochthorakale Rippen.
rus durch verminderte Immunität. Oft einseitig aber auch
als Duplex Zoster bds. möglich. Ausbreitungsgebiet ist zu
50 % das Versorgungsgebiet eines sensiblen interkostalen 6.3.3 Arthrose der Rippengelenke
Spinalnervs. Prodromalzeichen ist das Brennen am Ort des
späteren Auftretens. Eine Rippengelenkarthrose zeigt sich vorwiegend mit
Flexionseinschränkung und Extensionsschmerzen (7 Ab-
schn. 5.4.1 »Arthrose der Facettengelenke«).
266 Kapitel 6 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Thorax
6.3.6 Slipping rip dip Die Rippentestung erfolgt nach der Basisuntersuchung
und Anamnese zur BWS. Hinweise auf eine Rippenpatho-
Subluxation der Art. interchondralis der 8., 9. und 10. Rip- logie bzw. Mitbeteiligung von Rippengelenken an einer
pe durch von ventral verursachte Traumen mit deutlich BWS-Pathologie machen die Differenzierung und Lokali-
sichtbarer lokaler Schwellung und Druckdolenz. sierung durch selektive Rippentestungen notwendig. Zu-
sätzlich zur standardbezogenen Anamnese bei Patienten
mit BWS-Beschwerden kommt eine spezifische Befragung
6.3.7 Synchondrosis sternalis, zur Atemabhängigkeit der Beschwerden hinzu. Bei der In-
Luduvici-Winkel spektion wird auf sichtbare Kurvaturveränderungen der
Rippen geachtet.
Absinken des Corpus sterni gegenüber dem Manubrium
mit der Entstehung eines Brustbeinwinkels (Luduvici-
Winkel) auf Höhe der 2. Rippe. Die Synchondrosis sterna- 6.5.1 Anamnese und Inspektion
lis dient als Brustbeinsymphyse zur Hebung der obersten
Rippenpaare für das max. inspiratorische bzw. exspiratori- jAnamnese (. Tab. 6.2)
sche Reservevolumen. Bei einer Inspirationshypomobilität bzw. Luxation weist
der Patient auf eine schmerzhafte Ausatmung hin. Das
Differenzialdiagnostik. Bei Schwellung V.a. Prodromalzei- Sprechen bereitet dem Patienten Schwierigkeiten, und das
chen Morbus Bechterew. Liegen auf dem Rücken wird als unangenehm empfunden.
Bei Exspirationshypomobilität bzw. Luxation ist oft die
Einatmung schmerzhaft, da der Interkostalnerv kranial
6.3.8 Rippenfrakturen liegt und der Rippenkopf Druck auf den Nerven ausüben
kann.
Solitäre Rippenfrakturen können bereits durch einen spit-
zen Schlag oder Stoß ausgelöst werden. Bei scheinbaren
6.5 · Anamnese, Inspektion, Palpation der Rippen
267 6
. Abb. 6.9 Ventralansicht: Topographie anatomischer Strukturen
Fossa
infraclavicularis
»Mohrenheim
Grube«
1. Fossa jugularis
2. Sternoklavikulargelenk
3. Manubrium
4. Angulus sterni
5. Corpus sterni
6. Rippenbogen
7. 11. Rippe
Th3
Th7 M. rhomboideus major
M. teres major
Th12
268 Kapitel 6 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Thorax
. Tab. 6.2 Befragung und Inspektion des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation bei einer Rippenproblematik
Patient gibt sensibles Dermatom an V.a. Nervenläsion des N. intercostalis, Head-Zone, Herpes Zoster
Patient gibt motorische Schwäche an V.a. Nervenläsion des N. intercostalis, zentrale Läsion
Patient gibt Einatmungsschmerz an V.a. Exspirationsluxation
Patient gibt Ausatmungsschmerzen an V.a. Inspirationsluxation
Patient gibt Schmerz bei der Seitneigung rechts an V.a. Exspirationsluxation (beginnendes Kapselmuster)
Patient gibt betont hitzeempfindlichen einseitigen V.a. Herpes Zoster
wischenrippenschmerz an
Patient weist hypertone Mm. scaleni auf sowie kostoklavikuläre V.a. Inspirationsverhakung 1. Rippe, Asthmatiker
6 Raumenge
Patient gibt an, nicht mehr auf einer harten Unterlage liegen zu V.a. Inspirationsluxation
können
Patient gibt Beschwerden ventral der Rippenbögen an V.a. Arthritis articulatio interchondralis, Insertionstendopathie der
Bauchmuskeln
Patient zeigt ausgeprägten M. sternocleidomastoideus Veränderung im Sternoklavikulargelenk durch Hypomobilität der
1. Rippe
Patient zeigt Abflachung der Fossa supraclavicularis minor V.a. Hypertonus der Skalenus-Muskulatur
Patient zeigt Vertiefung der Fossa supraclavicularis major V.a. Exspirationsstellung der oberen Rippen
. Abb. 6.11 Kurvaturtest der linken Rippen . Abb. 6.12 Springing-Test der linken Rippen
6.6.1 Allgemeine Tests den Daumen der dorsalen Hand an den Arcus costae der
Rippe des Patienten, nimmt die Gewebespannung auf und
jKurvaturtest der Rippen (. Abb. 6.11) gibt am Ende der Bewegung einen Druck von hinten innen
Ziel. Kostale Vertiefungen oder Erhöhungen links fest- nach vorne außen.
stellen.
Befund. Fehlender Federungsweg der Rippe mit oder
ASTE. Der Patient sitzt. ohne Schmerz. Der Test kann auch zur Ausschlussdiagnos-
tik einer Facettenproblematik genutzt werden.
Ausführung. Der Therapeut stellt den Patienten in eine
Flexion, Lateralflexion rechts und Rotation rechts ein. Er jMobilitätstest (Vorlauftest):Rippe 1–3 (. Abb. 6.13)
streicht mit seinem linken Thenar und Hypothenar mit ASTE. Der Patient sitzt.
mäßigem Druck über die Rippenkurvatur von kranial me-
dial nach kaudolateral und zurück. Ausführung. Der Therapeut steht hinter dem Patienten. Er
palpiert lateral die Interkostalräume der 1.–3. Rippe, in-
Befund. Test ist nur positiv bei Rippenblockaden bzw. dem er beidseitig Zeige- und Mittelfinger in den oberen
massiv adaptiertem Kollagen. Der Therapeut kann eine und unteren Interkostalraum legt. Der Patient wird aufge-
Vertiefung (Exspirationsverhakung) oder eine Erhöhung fordert maximal einzuatmen und wieder auszuatmen, wo-
(Inspirationsverhakung) feststellen. bei der Therapeut den Vorlauf bzw. Nachlauf beim Heben
und Senken der Rippen beurteilt, sowie die Vergrößerung
bzw. Verkleinerung der Interkostalräume interpretiert.
6.6.2 Spezifische Tests
Befund. Vorlauf: Inspirationshypomobilität. Mobilitäts-
jSpringing-Test der Rippen (. Abb. 6.12) test, wobei während der maximalen Einatmung der obere
Ziel. Provokation einer bewegungsrigiden Rippe. Raum vergrößert wird und der untere sich verkleinert.
Nachlauf. Exspirationshypomobilität. Mobilitätstest,
ASTE. Der Patient sitzt. wobei während der maximalen Ausatmung sich der obere
Raum verkleinert und der untere sich vergrößert.
Ausführung. Der Therapeut stellt die Wirbelsäule des Pa-
tienten in eine leichte Flexion, Lateralflexion links und
Rotation rechts ein. Er moduliert sein Os pisiforme oder
270 Kapitel 6 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Thorax
6
. Abb. 6.15 Osteoporose Federungstest
6.7 Mobilisation der Rippen Ausführung. Der Therapeut palpiert den Interkostalraum
2–3, nimmt den rechten Arm des Patienten so weit in Ele-
Die hier gezeigten Mobilisationstechniken dienen gleich- vation, bis sich die betroffene 2. Rippe nach kranial bewegt.
zeitig als Tests, um die beiden möglichen Grundprobleme Der Therapeut flektiert den Arm im Schultergelenk sub-
zu differenzieren: maximal und widerlagert die kaudale 3. Rippe mit seinem
4 synoviales Problem und/oder H-Brücken (Wasser- MCP 2 oder Daumen. Über Zug und Widerlagerung wird
stoffionen), die betroffene Rippe in Inspiration mobilisiert.
4 adaptiertes Kollagenproblem, das sich durch Schwe-
felbrücken (S-Brücken) manifestiert. Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 20-mal, statisch
30 sec bis 2 min, 30 sec Pause, 4–5 Serien.
Ein rhythmisches Bewegen an der Endgradigkeit des Be-
> Zum Schluss atmet der Patient bewusst tief ein.
wegungsumfanges wird anfänglich auch als Warming up
Die Inspiration verhindert einen Release pain.
bzw. Zwischentestung ausgeführt. Ändert sich die Mobili-
tätsstörung in der rhythmischen Bewegung, handelt es sich
um ein synoviales Problem. jInspirationsmobilisation des Interkostal-
Bleibt das Problem der Mobilitätsstörung bestehen, raums, Costae 7–8 (. Abb. 6.18)
handelt es sich um adaptiertes Kollagen, das wir durch sta- Entspricht der Inspirationsmobilisation des Interkostal-
tische 2-Stufendehnung mobilisieren bzw. dehnen: raums Costae 2–3 (siehe oben). Die ASTE ist Seitenlage.
4 Stufe 1: Der Therapeut dehnt ca. 10 sec, um den mus- Über Zug und Widerlagerung der 8. Rippe werden die be-
kulären Tonus zu überwinden. troffenen 7 Rippen über den Muskelkollagenzug mobili-
4 Stufe2: Sie dauert 30 sec bis 2 min (bis ein Nachlassen siert. Vorposition des Facettengelenkes in Extension (hier
des Kollagens spürbar wird). Th6–Th7).
Klassische Rippentechniken sind Techniken bei Hypomo- jExspirationsmobilisation der Rippen 2–5,
bilitäten in der Bewegungsrichtung. Wir unterscheiden Interkostalraum Costae 3 (. Abb. 6.19)
folgende Arten: Befund. Exspirationshypomobilität 3. Rippe.
4 synoviale Hypomobilitäten,
4 Hypomobilitäten durch H-Brücken und S-Brücken. Ziel. Bei fixiertem heterolateralem Proc. transversus die
betroffene, in Inspiration stehende 3. Rippe nach kaudola-
Es wird immer rhythmisch begonnen und bis zur Endgra- teral, in Exspiration mobilisieren.
digkeit der Bewegung mobilisiert. Anfänglich arbeitet der
Therapeut mit rhythmischen Bewegungen im submaxima- ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Seine Arme hängen
len Bereich als Warming up: ca. 20 Wiederholungen, 4–5 seitlich an der Bank herunter, um den interskapulären
6.7 · Mobilisation der Rippen
273 6
. Abb. 6.18 Inspirationsmobilisation rechter Interkostalraum . Abb. 6.19 Exspirationsmobilisation rechter Interkostalraum
Costae 7–8 Costae 3
Bei einer Inspirationsstellung der ersten rechten Rippe legt ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz.
sich die Rippe direkt vor den Proc. transversus des ersten
Brustwirbels, so dass dieser nicht mehr nach links rotieren Ausführung. Der Therapeut steht hinter dem Patienten
kann. Das bedeutet primär ein linksseitiges Konvergenz- und stellt bei ihm eine rechtsseitige Rotation und Lateral-
274 Kapitel 6 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Thorax
flexion links ein zur Annäherung der Mm. scaleni. Mit der
rechten Hand bzw. dem Arm stabilisiert und schient der
Therapeut die linke HWS des Patienten. Mit der mobilisie-
renden, linken Hand moduliert er seine MCP 2, von ven-
tral kommend, an die erste Rippe. Dabei schiebt der Thera-
peut den M. trapezius pars descendens nach dorsal, um die
mobilisierende Hand an der ersten Rippe optimal positio-
nieren zu können. Während der Exspiration des Patienten
gibt der Therapeut einen Schub für die Kostovertebralge-
lenke nach kaudal medial ventral bzw. nach kaudal ventral
für das Kostotransversalgelenk.
Literatur – 325
278 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
b c
einer Kompression leitet der Nucleus den Druck seitlich wiederum durch das Lig. transversum atlantis an die Fovea
weiter und die 35° steilen Fasern des Anulus fibrosus dentis gepresst bzw. dort gehalten wird. Statt einem
werden unter Spannung gesetzt. Gleichzeitig dehydriert Dornfortsatz weist der Atlas ein Tuberculum anterior und
der Nucleus pulposus. posterior auf. Der Kontakt zum Axis wird über die Fovea
Schmerz, Deviation und muskuläre Deformation kön- articularis inferior geschlossen, eine kreisrunde plane Ge-
nen als Prodromalzeichen für eine Protusion bzw. einen lenkfläche.
Prolaps gesehen werden. Einrisse entstehen fast immer in Charakteristisch für den Axis ist der zahnförmige Dens
der Kombinationsbewegung Flexion mit Rotation. axis mit seiner Facies articularis anterior für den Partner
Fovea dentis des Atlas und Facies articularis posterior, die
> Besonderheiten der HWS:
mit dem Lig. transversum atlantis in Kontakt steht. Seitlich
5 eigenwillige Mechanik,
neben dem Dens liegen die Procc. articularis superiores
5 statisches Abenteuer,
axis. Sie sind konvex. Weiter lateral liegen die Procc. trans-
5 starke Gefäßkorrespondenz,
versi mit dem mittigen Foramen transversum. Dorsokau-
5 sympathische Ankopplung für Arme, Hals
dal liegen die 45° in der Horizontalen geneigten Facies
und Kopf.
articularis inferioris, die mit den Facies articularis superior
des C3 artikulieren. Das dorsale Ende bildet der kräftige
Dornfortsatz der am Ende gespalten ist. Es bestehen meh-
7.2 Anatomie der HWS rere gelenkige Verbindungen.
7.2.1 Atlas und Axis (. Abb. 7.1) jArticulatio atlantooccipitalis (oberes Kopfgelenk)
dexter und sinister
Der Atlas hat keinen Wirbelkörper. Durch seinen vorderen Die Articulatio atlantooccipitalis ist das Gelenk zwischen
und hinteren Wirbelbogen bildet er an der lateralen Atlas (C1) und Os occipitale. Das Gelenk besteht aus der
Verbindung die Massa lateralis, die auch gleichzeitig die konkaven Fovea articularis superior des Atlasses, die wie
Träger der Facies artic. superior sind. Seitlich der Massa eine Schuhsohle geformt ist und der konvexen Facies arti-
lateralis grenzen die Querfortsätze, die mittig das Foramen cularis des Condylus occipitalis. Das obere Kopfgelenk ist
processus transversum bilden. Am vorderen inneren Arcus ein Ellipsoidgelenk. Die okzipitalen Gelenkpartner sind
anterior befindet sich die Gelenkfläche zum Dens axis, der die konvexen Kondylen des Os occipitale.
280 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
der parallel laufenden A. vertebralis zur A. basilaris. Die Auch ein Mobilitätsverlust im zervikothorakalen Über-
A. vertebralis ist zuständig für die Versorgung von gang mit langsamer Manifestierung einer Flexionsstellung
4 Medulla oblongata bzw. Interspinalraum, (Morbus Farfan) führt zu Beschwerden, da die HWS in
4 Dura mater, Knochen des Wirbelkanals, tiefe Hals- eine Antepositionsstellung gerät. Um die Augen weiterhin
muskeln, horizontal halten zu können kompensiert die obere HWS
4 Kleinhirn, durch Reklination.
4 4. Ventrikel, Die unterschiedliche Druckverteilung, die dadurch
4 Verstibularsystem. vorwiegend in den Segmenten C5–7 entsteht, verursacht
zunächst, um dem Druck entgegenzuwirken, eine Hydrie-
Das Gefäß hat folgende Abzweigungen: rung der Bandscheibe. Diese Hydrierung bewirkt, dass
4 Ramus spinalis mit segmentalen Kollateralen durch sich das Bewegungssegment aufrichtet, d. h. es entsteht
das Foramen intervertebrale zum Rückenmark bzw. eine segmentale Steilstellung, wobei der Nucleus pulposus
zur Dura und zum Knochen, aus der anfänglichen ventralen Position mittig positioniert
4 Ramus muscularis mit Kollateralen zu den tiefen wird.
Halsmuskeln (z. B. autochthone Muskulatur), Lässt der Druck nicht nach, kommt es zur Dehydrie-
7 4 Ramus nervomedullaris mit Kollateralen zur hinteren rung der Bandscheibe mit Lockerung des Segmentes und
und vorderen Wurzel, einer Verlagerung des insuffizienten Nukleus nach dorsal,
4 Ramus meningeus zur hochzervikalen Dura und zur so dass der kraniale Wirbelkörper nach ventral in eine
hinteren Schädelgrube. Anterolisthese »gezwungen« wird. Der immer weiter nach
dorsal wandernde Nukleus verursacht das Abkippen des
kranialen Wirbelkörpers auf den kaudalen Wirbelkörper,
7.3 Pathomechanik der HWS den »kyphotischen Knick«. Achsenbedingt erfährt die
Bandscheibe, die bereits stark degeneriert ist, Druck,
> Pathomechanisch wird die HWS immer im wodurch der Nucleus pulposus weiter dehydriert, bis zum
Zusammenhang mit der oberen BWS und dem Vakuum-Phänomen. Die HWS zeigt sich in diesem Zeit-
Kopf gesehen. raum tendenziell steilgestellt.
In jedem dieser degenerativen Stadien kann schlei-
Die mechanische Belastung der HWS ist abhängig von der chend oder akut der Ramus meningeus N. spinalis irritiert
Stellung des Kopfes. Bei einer Normstellung der HWS, oder gereizt werden, der wiederum aufgrund seiner Inner-
also einer Lordose, liegt der Schwerpunkt ventral. Die vation (Bandscheibe, Dura mater, Periost, Lig. longitudi-
subokzipitale Muskulatur hält mit geringem Aufwand das nale posterior) Schmerzen und einen hypertonen Deforme
Gleichgewicht (Waageprinzip). Je mehr der Kopf nach ven- musculair des M. trapezius pars descendens auslöst. Durch
tral translatiert, desto mehr müssen die Nackenmuskeln den M. trapezius pars descendens verlaufen Gefäße und
halten. Eine kyphotische Haltung, die z. B. bei Bürotätig- die Nn. occipitales major, minor, tertius, die bei Kompres-
keiten entsteht, führt zu einer betonten ventralen Verlage- sion Kopfschmerz verursachen können.
rung des Gewichtes. Die Folgen sind Die Empfindlichkeit einer Lageveränderung in der
4 erhöhter Muskeltonus der subokzipitalen Muskulatur, Bandscheibendegeneration bemerkt man vorwiegend bei
4 erhöhter intradiskaler Druck, der nächtlichen Ruhe. Je älter der Mensch wird, desto
4 Zugreize, die auf die Hirnnerven und den 4. Ventrikel sensibler reagiert er auf Alkohol. Unter Alkoholeinfluss
wirken. wechselt man nachts zu wenig die Position, da man zu tief
schläft. Aber auch bei starker Ermüdung, z. B. nach einer
Am deutlichsten ist die Pathologie der HWS an den Ver- langen Autoreise, kommt es zur Wirbelkörperverschie-
änderungen der Bandscheiben zu sehen. Die Folgen einer bung und möglicherweise einer Reizung des Ramus
Degeneration der Bandscheiben treten ca. ab dem 30. Le- meningeus N. spinalis.
bensjahr in Erscheinung. Meist liegt die Ursache für die Auffällig ist eine typische Schonhaltung der Patienten.
Beschwerden im zervikothorakalen Übergang, die durch mit Seitenneigung und Flexion zur nichtbetroffenen Seite,
arbeitsbedingte Haltungen hervorgerufen werden, wie um den Druck vom Spinalnerv bzw. Ramus meningeus
4 hängende Schultern, N. spinalis zu nehmen. Es handelt sich um einen diskogen
4 ständiges Vorhalten der Arme, bedingten Schiefhals.
4 Haltungsschwäche des M. trapezius pars descendens, Um die Schmerzsymptomatik bei HWS-Problemen
der den Schultergürtel nicht mehr über die Klavikula zu verstehen, ist es wichtig, die Weite des Spinalkanals zu
nach kranial zieht und dadurch eine Enge der kennen:Eine kleine Protusion und ein enger Spinalkanal
kostoklavikulären Pforte verursacht. können starke Schmerzen bedeuten. Eine große Protusion
7.4 · Krankheitsbilder
283 7
gung der A. vertebralis, die durch seitliche Spangenbil-
dung verursacht werden kann, aber auch durch Instabilitä-
ten oder entzündliche Prozesse.
Eine Arthrose der HWS beginnt bei einer physiologi-
schen statischen Prägung zuerst auf Höhe von C6–7. Sie ist
meist Folge einer sekundären Bandscheibenproblematik
(Diskose). Ein Kapselmuster führt zur Einengung des Fo-
ramen intervertebrale mit Irritation des jeweiligen Spinal-
nervs, Stenosierung der A. vertebralis, Bildung einer Un-
kovertebralarthrose, Facettengelenkarthrose.
> Die Folgen einer Diskose sind zuerst Lockerung des
Bewegungssegmentes, die vom Körper mit Schutz-
. Abb. 7.2 Anatomische Orientierung: HWK in physiologischer blockaden beantwortet werden. Eine Blockade
Stellung
eines Gelenkes dient z. B. dazu, ein Segment ruhig
zu stellen und dort ablaufende Reizprozesse nicht
zu forcieren.
Die A. vertebralis, die aus der A. subclavia stammt, schlän- Dabei handelt es sich um eine chronische Pharyngitis mit
gelt sich ab dem Segment C6 durch die Foramina der Lockerung des Lig. transversum atlantis, die angeboren
Querfortsätze nach kranial. In Höhe von C1 bildet sie oder erworben ist.
eine große Schlinge und zieht dann durch die Membrana
atlantooccipitalis posterior zum Foramen magnum. Dort
bilden die rechte und linke A. vertebralis die A. basilaris, 7.4.9 Morbus Down (Trisomie 21)
die in den Hirnring bzw. Anastomosenkranz nach Willis
führt (syn.: Circulus arteriosus cerebri), wo auch die Morbus down ist eine geistige Behinderung unterschied-
beiden Aa. carotis externa und interna münden. Segmen- lichsten Ausmaß mit körperlichen Merkmalen. Allgemein
tal verlaufen aus der A. vertebralis kleine versorgende leiden Down-Patienten unter Bandschwäche.
Äste:
4 für die Facettengelenke die A. radicularis,
4 für das Rückenmark die A. spinalis. 7.4.10 Schwindel
Der N. sympathicus begleitet die A. vertebralis, versorgt Schwindel kann durch die folgenden Ursachen ausgelöst
die Gefäßwand und das Vestibularsystem. werden:
4 orthopädische (vergrößerte atlantoaxiale
Translation),
7.4.5 Vertebrobasilare Insuffizienz 4 neurologische (zerebrale Durchblutungsstörung),
4 Reizung des zervikalen Grenzstranges,
Diese Form der Insuffizienz entsteht durch Druck des 4 Instabilität unterhalb von C2 (Überschreitung der
Dens auf das Bifurcatum basilaris oder durch folgende Dehnfähigkeit der A. vertebralis).
zwei Impressionsarten:
4 primär: Anatomisch bedingt durch die Länge des jDrehschwindel (rotatory vertigo),
Dens axis oder Hypoplasie der Okzipitalkondylen, Otolithenschwindel
4 sekundär: Morbus Bell, Morbus Down, Morbus Labyrinthärer Schwindel mit einem inneren oder äußeren
Grisell oder Arthrose der Articulatio atlantooccipitalis Drehgefühl, Nystagmus, mit vegetativen Symptomen.
dexter und sinister. Morbus Minière ist eine Sonderform des Drehschwindels
und charakterisiert durch Liftgefühl, einseitige Fallneigung
und Tinnitus.
7.4.6 Os odontoideum
jVertebragener Schwindel
Als Os odontoideum bezeichnet man das Nichtschließen Ein von der Wirbelsäule verursachter Schwindel (Betrun-
der Wachstumsfuge des Dens zum Corpus vertebrae. kenheitsgefühl, Flimmern, Unsicherheit).
Morbus Grisel ist eine Schwäche des Lig. transversum at- Haltungsbedingtes Beschwerdebild ausgelöst z. B. durch
lantis bzw. Hyperplasie eines Condylus occipitalis und Facettensyndrom mit Irritation des Ramus dorsalis.
gleichzeitiger Hypoplasie der gleichseitigen Massae latera-
les des Atlasses. Ursache kann eine Entzündung des Nasen-
Rachen-Raums oder eine rheumatoide Arthritis sein. 7.4.12 Zervikobrachial-Syndrom
Durch die Lockerung oder »Erweichung« des Lig. trans- (Brachialgie)
versum kommt es zum Torticollis atlantoepistrophealis
(seitliche schraubenartige Luxation des Atlas im Atlanto- Armneuralgie bezogen auf Irritation des Plexus brachialis
axialgelenk). Zeichen sind durch TOKS, Bandscheibe (7 Kap. 5).
4 Kopfschmerzen C1–2,
4 Schulterschmerz C3,
4 Wackenheimabstand vergrößert,
4 Spontanschwindel.
286 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
4
7.4.14 Schleudertrauma (whiplash injury)
5
Bei einem Schleudertrauma (z. B. nach Auffahrunfall, Auf-
prall von hinten) sind primär die Wurzeln C5–8 betroffen 6
(C7 häufiger als C6, C8 häufiger als C7). Bei Zugkräften von ⎫
mehr als 35–40 kg wird die Wurzel aus dem Rückenmark ⎬ 7
⎭
gerissen (Zeichen: abgeschwächte Außenrotation). Bei einer
8
7 Belastung ab 1500 Nm zerreißen ligamentäre Strukturen.
Bei einem Schleudertrauma kommt es zuerst zur Hy-
9
perextension (Masseträgkeit des Kopfes), dann zur Hyper-
traktion und in der Folge zur Hyperflexion. Die vorderen
Anteile kommen unter Zug (Grenzstrang, vordere Musku-
latur, Bandscheiben und das Lig. longitudinale anterior),
die dorsalen Anteile werden komprimiert (Muskeln, Band- . Abb. 7.4 HWS aus dorsaler Sicht.
scheiben, Facetten). 1 Protuberantia occipitalis externa, entsteht durch Zug des Lig.
nuchae (Lig. supraspinale), 2 N. occipitalis major/C1, verläuft ca.
> Bei einem Aufprall bei einer Geschwindigkeit 2–3 cm lateral der Protuberantia occipitalis, 3 N. occipitalis minor/
von 20 km/h dehnt sich das Rückenmark (Medulla C2–C1, verläuft in Höhe der Linea nuchae und dorsal in Verlänge-
rung des M. sternocleidomastoideus, 4 Versorgungsgebiet des
oblongata) um 5 cm).
N. tertius/C2–3, liegt unterhalb der Protuberantia occipitalis, 5 C2
mit prominenten Dornfortsätzen (DFS), 6 C3, noch ossär tastbar,
ohne zu kyphosieren; seitlich befindet sich die Regio puncti nervosi,
7 C4 und C5 mit kleineren Dornfortsätzen, durch die Lordose ventra-
7.4.15 Meningitis lisiert stehend, 8 C6: Dornfortsätze von dorsal wieder palpierbar,
ohne zu kyphosieren, 9 C7, größter/prominentester Dornfortsatz
Meningitis kann durch Virusinfektion von Mensch zu der HWS, wird häufig mit Th1 verwechselt
Mensch (Picorna-Viren) oder bakteriell durch Meningo-
kokken (Tröpfcheninfektion) übertragen werden. Symp-
tome sind 7.6 Anamnese, Inspektion, Palpation
4 Nackensteife bis Opisthotonus, der HWS
4 Fieber,
4 Kopfschmerzen, 7.6.1 Anamnese
4 Übelkeit.
Für den HWS-Bereich ist die anamnestische Einordnung
besonders schwierig und komplex, da ihre Irritationsge-
7.5 Oberflächenanatomie der HWS biete folgende Bereiche beeinflussen:
4 Arme,
Die . Abb. 7.4, . Abb. 7.5 und . Abb. 7.6 zeigen anatomi- 4 Kopf,
sche Strukturen, die im Bereich der HWS gut palpierbar 4 Wirbelsäule bis in den interskapulären Bereich.
sind.
Im Eingangsbefund schildert der Patient seine Problema-
tik, wobei der Therapeut ihn beobachtet und ergänzende
Fragen stellt (. Tab. 7.1). Wichtig sind Grundfragen (seit
wann, wo und wie zeigt sich das Beschwerdebild?), um
genaue Informationen über Zeitraum, Ort und Art der Be-
schwerden zu erhalten. Weiterhin sind folgende Grund-
fragen wichtig:
7.6 · Anamnese, Inspektion, Palpation der HWS
287 7
3 3
4 4
5 6
2 2
6 7 8 1
1 5
. Abb. 7.5 HWS aus ventraler Sicht. . Abb. 7.6 HWS aus seitlicher Sicht.
1 Fossa supraclavicularis minor: Lücke zwischen den Pars clavicularis 1 Fossa supraclavicularis minor, 2 Fossa supraclavicularis major,
und sternalis des M. sternocleidomastoideus In der Tiefe liegt der 3 Angulus mandibularis, 4 C3, Zungenbein, 5 C7, 6 Ventraler Muskel-
N. vagus, die A. suprascapularis und Anteile des N. supraclavicularis rand des M. trapezius pars descendens
treten dort aus, 2 Fossa supraclavicularis major: Lücke zwischen
M. sternocleidomastoideus und M. scalenus anterior. In der Tiefe
liegen V. subclavia und Ganglion cervicale inferior, N. phrenicus
läuft über M. scalenus anterior an dieser Lücke vorbei, Austritt des
N. supraclavicularis. Der untere Fossa major-Abschnitt wird als Trigo- der Kurvatur der HWS selbst (Breakpoint-Suche) und des
num omoclaviculare bezeichnet, 3 C3: Zungenbeinhöhe, 4 C4: In funktionellen Zusammenspieles.
Kehlkopfhöhe die V-förmige Incisura thyroidea superior, 5 C5: In Ver- Weiterhin inspiziert der Therapeut
längerung der Incisura thyroidea superior tastet man einen »Haken«, 4 Narben,
der den unteren Abschnitt des Schildknorpels angibt, 6 C7: Fossa
4 Haltung (Translation des Kopfes, Lordose, Kyphose),
jugularis, 7 M. sternocleidomastoideus Pars sternalis, 8 M. sternoclei-
domastoideus Pars clavicularis 4 Muskelzustand,
4 Schultern in Elevation, Pro- oder Retraktion, Haut-
farbe, Schweißbildung, Asymmetrien und Deviation.
4 Welche Therapie bzw. Medikamenteneinnahme er-
folgte bisher?
4 Wurden Röntgenbilder angefertigt? 7.6.3 Palpation
4 Bestanden in der Vergangenheit ähnliche Probleme?
4 Wurden in der letzten Zeit außergewöhnliche Belas- Bei der Palpation achtet der Manualtherapeut auf
tung ausgeübt (New-, Mis-, Up-, Overuse). 4 Konsistenzunterschiede bei Schwellungen,
4 Hauttemperatur,
4 Orientierung abnormaler ossärer Strukturen,
7.6.2 Inspektion 4 Lipome,
4 Ventralisation des Humeruskopfes (Seitenvergleich),
Schon während der Inspektion sollte der Therapeut die 4 Tonus der Muskulatur.
Ergebnisse der Anamnese mit der Befundung der Inspek-
tion »abgleichen«. Daraus ergeben sich schon erste Inter-
pretationen für den exzentrisch bzw. konzentrisch ge- 7.6.4 Sicherheit und Kontraindikationen
stressten Muskelzustand sowie eine Kompression oder
einen Zugreiz auf Nervenstrukturen. Nach Anamnese, Inspektion und Palpation erfolgt ein Re-
Bei der Beurteilung von Gebrauchsbewegungen (Kopf- sümee, das eine Einschätzung der Sicherheit und mögli-
beugung, -streckung, Drehung, Seitenneigung) richtet sich cher Kontraindikationen beinhaltet. Dabei berücksichtigt
das Interesse des Manualtherapeuten auf die Beobachtung der Therapeut folgende Faktoren:
288 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
. Tab. 7.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher Befundungsinterpretation der HWS
Patient zeigt akutes En-block Bewegen der HWS an V.a. Neuropathie multiplex
Patient gibt Schulter-/Armschmerzen beidseitig an. Medika- V.a. Gefügestörung C6–7 mit Irritation ihrer Lungenspitzenaufhän-
7 mentöse und physikalische Schulterbehandlungen zeigen sich gung
resistent
Patient mit entlordosierter HWS gibt Schulter-/Armschmerzen V.a. eine entlordosierte HWS (forciert die Spannung des Plexus
beidseitig an. Inklination forciert das Beschwerdebild brachialis, die Gefäße und Nerven geraten unter Zugreiz)
Patient gibt bei Reklination Benommenheit an V.a. Kompression auf die A. vertebralis. (gestörtes Rollgleiten CO/1
mit Zugreiz auf die A. vertebralis bzw. Einengung des Foramen
magnum)
Patient gibt Entspannungsbeschwerden, und Beschwerden bei V.a. Instabilität der HWS
schnellen Bewegungen der HWS an
Patient gibt nicht dermatomgebundene Beschwerden des V.a. sympathische Reizung des zervikalen Grenzstranges
Armes an
Patient gibt Bewegungseinschränkung bzw. Schmerzen in V.a. Extensionsblockade eines oder mehrer Wirbelkörper Kapsel-
Extension an muster mit Facettenarthropathie
Patient gibt Schmerzen in Extension mit Ausstrahlungen in den V.a. Bandscheibenvorfall der HWS Foramenstenose
Arm an
Patient gibt Knirsch-/Reibegeräusche der HWS an V.a. hohen muskulären Anpressdruck bei Unkovertebralarthrose
Junger Patient mit Psoriasis gibt Bewegungsschmerzen der V.a. Psoriasis arthropathica
HWS an.
Beim Patienten entwickelte sich in kürzester Zeit ein echtes V.a. rheumatische Arthritis
Kapselmuster mehrerer Segmente
7.7.2 Differenzialdiagnostischer Befund. Normal ist ein elastisches Federn der Rippen. Bei
Check-up Osteoporose-Patienten tritt kein oder nur ein limitiertes
Federn auf.
Der differenzialdiagnostische Check-up klärt zu Beginn
der gezielten Untersuchung, ob umliegende Strukturen be- Differenzialdiagnose. Rippensubluxation oder System-
teiligt sind. Das sind für die HWS: erkrankungen.
4 Schultergelenk,
! Cave
4 Skapula,
Wenn der Test positiv ist, muss äußerst behutsam im
4 Klavikula.
HWS- und Kopfbereich gearbeitet werden.
Die Untersuchung gliedert sich in zwei Phasen. . Abb. 7.10a,b Aktive Lateralflexion Interpretation A
jPhase 1
4 Der Therapeut vergleicht Flexion, Extension, > Die biomechanische Rippenmobilität für die
Rotation und Lateralflexion der HWS. Exspiration ist in Flexion notwendig.
4 Er beurteilt, ob sich das Beschwerdebild des Patienten
durch eine der Bewegungen provozieren lässt. jAktive Extension (. Abb. 7.9)
4 Interpretiert er eine eingeschränkte Rotation unter- ASTE und Ausführung. Tubersitz mit neutraler Kopfstel-
halb von C2, muss die Lateralflexion zur gleichen lung. Der Patient legt seinen Kopf in den Nacken und öff-
Seite eingeschränkt sein. net den Mund, um Mm. platysma, sternohyoideus, sterno-
thyroideus zu entlasten.
jPhase 2
Vergleiche zweidimensionale HWS-Bewegungen: Rota- Interpretation. In Extension zeigt sich am stärksten ein
tion in Vorposition Nullstellung, Flexion und Extension. Konvergenzproblem bzw. eine Einschränkung oder Band-
scheibenläsionen.
> Die biomechanische Rippenmobilität für die Inspira-
7.8.2 Durchführung der aktiven
tion ist in Extension notwendig. . Abb. 7.9. Aktive
Basisuntersuchung
Extension
jAktive Flexion (. Abb. 7.8)
ASTE und Ausführung. Tubersitz mit neutraler Kopf- jAktive Lateralflexion, Interpretation A (. Abb. 7.10)
stellung. Der Patient zieht sein Kinn an das Brustbein. ASTE. Der Patient sitzt.
Interpretation. In Flexion zeigt sich am stärksten ein Ausführung. Der Patient legt sein rechtes Ohr auf die rech-
Divergenzproblem. Bei Schmerz (Kopfschmerz) V.a. Li- te Schulter, ohne den Kopf zu rotieren. Kann der Patient
quordruckveränderung durch Stenosierung des 4. Ventri- dabei seine Nase nicht vorn halten, sondern rotiert er diese
kel sowie Medullalängenveränderung (bis zu 2 cm). zur gleichen Seite nach unten, folgende Interpretation:
a b c d
. Abb. 7.11a–d Aktive Lateralflexion rechts. a Aus Nullstellung, b mit zusätzlicher Muskelzugentlastung, c in lexionsvorposition, d Extensi-
onsvorposition
a b c
. Abb. 7.12a–c Verschiedene Vorpositionen für die Rotation rechts. a Nullstellung, b Flexionsvorposition, c Extensionsvorposition
Erklärung. Bei einer Lateralflexion der gesamten HWS, Ausführung. Der Patient dreht seinen Kopf nach rechts,
muss der Patient, um die Nase frontal zu halten, hochzer- ohne dass eine Seitenneigung entsteht. Nullstellung heißt,
vikal gegenläufig rotieren. dass sich das Kinn in der horizontalen Ebene bewegt. Hat
der Patient eine schmerzhafte oder schmerzfreie Ein-
Beispiel. Bei einer Lateralflexion rechts, ausgelöst durch schränkung?
das Lig. alarium pars occipitale links, wäre die Norm eine
hochzervikale Rotation links. Wenn die Nase nicht frontal Befund und Interpretation. Bei Schmerzauslösung kön-
gehalten werden kann, handelt es sich um eine Hypomobi- nen zwei Probleme zugrunde liegen. Entweder myogene
lität oder Blockade des Segmentes C2–1. Das Absinken der Reaktionenbzw. Limitierungen aufgrund einer Neuro-
Nase liegt daran, dass die HWS biomechanisch (im Sinne pathie bzw. Bandscheibenproblematik mit sensiblen, vege-
einer gleichsinnigen Kopplung) nach rechts unten dreht. tativen Reaktionen(Osteokinematik). Ohne Schmerz V.a.
arthrokinematische Problematik.
jAktive Lateralflexion, Interpretation B (. Abb. 7.11)
ASTE. Tubersitz mit neutraler Kopfstellung. Differenzierung. Verbesserung nach Wiederholung deutet
auf eine verbesserte Synoviakonsistenz hin. Ändert sich
Ausführung. Patient legt sein rechtes Ohr auf die Schulter, nichts, handelt es sich um eine adaptierte Kapsel. Beides
ohne den Kopf zu rotieren. verursacht keinen Schmerz.
Bei Hypomobilität während der Lateralflexion diffe-
renziert der Therapeut wie folgt: kPhase 2: Rotation aus Flexion beidseits
4 Der Patient zieht die Schulter hoch, die Hypomobili- Befund und Interpretation. Wenn in Flexion die Rotation
tät, evtl. Schmerz bleibt bestehen: V.a. arthrokinema- signifikant schlechter ist als in der Nullstellung (Phase 1),
tische Problematik, Konvergenz rechts. dann ist das Gleiten auf der heterolateralen Seite nach
4 Der Patient zieht die Schulter ohne Einschränkung kranial ventral durch eine adaptierte, dorsale laterale
und schmerzfrei hoch: V.a. neuralgische Problematik, Kapsel das Problem.
Divergenz links.
4 Unkovertebralarthrose rechts. > Es besteht ein Divergenz-/Öffnungsproblem.
Differenzierung. Verbesserung nach Wiederholung deutet
jAktive Rotation, Interpretation A (. Abb. 7.12) auf eine verbesserte Synoviakonsistenz hin. Ändert sich
kPhase 1: Rotation aus Nullstellung im nichts, handelt es sich um eine adaptierte Kapsel.
Seitenvergleich und Messung des Abstandes
vom Kinn zur Schulter.
ASTE. Tubersitz mit Nullstellung in den Kopfgelenken.
292 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
. Abb. 7.14 Grenzstrangtest nach FOST Extension ohne Rotation . Abb. 7.15 Test A. vertebralis aus Flexion mit Lateralflexion rechts
und Rotation links
7
. Abb. 7.17 Passive Flexion . Abb. 7.18 Passive Extension
. Abb. 7.20 Passive Rotation aus Nullstellung . Abb. 7.21 Spurling-Test (Foramentest)
jPassive Rotation aus Nullstellung (. Abb. 7.20) Kopf des Patienten in eine gekoppelte Einstellung in Exten-
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz. sion, Lateralflexion und Rotation rechts vor. Anfänglich
nimmt er die Gewebespannung auf und gibt während der
Ausführung. Für die passive Rotation nach rechst steht der Ausatmung einen leicht einstauchenden, axialen Impuls.
Therapeut hinter dem Patienten und legt seine rechte
Hand an das linke Os temporale und seine linke Hand am Befund. Ist der Test positiv handelt es sich um eine Fora-
rechten Os occipitale an. Mit seiner rechten Thoraxseite menstenose oder Unkovertebralarthrose mit pseudoradi-
widerlagert er die rechte Rumpfseite des Patienten. Der kulärer Nervenirritation.
Therapeut führt den Kopf bis zum Bewegungsende und
erhöht kurz den Druck.
7.9.3 Passiver Zusatztest, Bandtest
Norm. Endgefühl festelastisch. Lig. apicis dentis
Befund. Bei festem Endgefühl besteht der V.a. Divergenz- Der Bandtest Lig. apicis dentis ist ein Test zur Feststellung
hypomobilität (hier links) oder Konvergenzhypomobilität einer Hypomobilität C0–1: Wird die Mechanik ausgelöst
(hier rechts). (ja oder nein)? Der Test erklärt nicht die betroffene Seite,
diese wird im Ligg.-Alaria-Test festgestellt. Patienten mit
der Unfähigkeit zur Inklination stehen rekliniert und er-
7.9.2 Passiver Zusatztest: Foramentest zeugen eine Druckerhöhung (Einkeilung) im Gelenk mit
daraus folgendem hochzervikalen muskulären Hyperto-
Der Spurling-Test ist ein Test für das Foramen interverte- nus, was zu einem Zervikozephalsyndrom führen kann.
brale, ist aber auch provokativ bei Unkovertebralarthrose
und Band- scheibenläsionen einsetzbar. Aus einer gekop- jPassiver Bändertest Lig. apicis C0–1 (. Abb. 7.22)
pelten Vorposition der HWS, die oft schon für eine Provo- ASTE. Tubersitz. Die benötigte Inklination wird aus einer
kation einer Foramenenge ausreicht, wird ein nach kaudal individuellen Nullstellung ausgeführt. Eine weitere Posi-
gerichteter longitudinaler Einstauchimpuls gegeben. Die tionierung ist nicht erforderlich, da die aktuelle Position
Segmente C3–4, C4–5 und C5–6 geraten am meisten unter des Patienten gewünscht ist.
unilaterale Kompression.
Ausführung. Der Therapeut palpiert den Dornfortsatz C2
jSpurling-Test, Foramentest (. Abb. 7.21) kaudal. Mit der anderen Hand führt der Therapeut eine
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz. Inklinationsbewegung beim Patienten aus, indem er den
Kopf im horizontalen Gabelgriff umfasst (M. biceps auf
Ausführung. Der Therapeut steht hinter dem Patienten. der Stirn des Patienten). Während der Inklination (12°)
Um die rechten Foramen zu testen, positioniert er den achtet der Therapeut auf eine kurze Kaudalbewegung
296 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
Inklination
C1
Dens axis
C2
7
Discus
C2/C3
C3
. Abb. 7.22 Passiver Bändertest Lig. apicis C0–1 . Abb. 7.23 Antatomische Orientierung: Kaudalkick.
(Nach Tillmann 2005)
(Kaudalkick) des Dornfortsatzes C2, die durch das Lig. 4 Arthrose C0–1,
apicis dentis entsteht. 4 verminderte Konsistenz der Synovia,
4 Konstitutionsveränderungen der Wirbelsäule.
> Beim Kaudalkick nicht die dorsale Bewegung,
sondern nur die kaudale Bewegung des Dornfort-
Beispiele für Konstitutionsveränderungen der Wirbel-
satzes C2 beurteilen.
säule sind
Der Kaudalkick ermöglicht eine Aussage zur Inklinations- 4 Translation nach ventral,
fähigkeit. Beim fehlenden Kaudalkick entsteht eine weiter- 4 Brustkyphose,
laufende Bewegung. Er weist auf eine Hypomobilität C0–1 4 Extensionsdefizit zervikothorakaler Übergang,
und fehlendes translatorisches Gleiten (TLG) des Os occi- 4 haltungsadaptierte subokzipitale Muskulatur.
pitale nach dorsal.
Das Beschwerdebild zeigt sich primär mit einem Zervi-
jAnatomische Orientierung (. Abb. 7.23) kozephal-Syndrom, d. h. Kopfschmerzen und ähnliche
Das Lig. apicis dentis zieht vom Apex des Dens axis zum Symptome aufgrund hochzervikaler Problematik.
Vorderrand des Foramen magnum (pars basilaris). Der
Kaudalkick entsteht, weil das Band (Lig. apicis) am vor-
deren Rand des Foramen magnum ansetzt und sich bei 7.9.4 Passiver Zusatztest: Bändertest
Inklination spannt. Es zieht somit den Dens initial mit Ligg. alaria (pars occipitale)
seinem Wirbelkörper nach oben, der C2 kippt dabei über
seine, wie ein Hypomochlion wirkenden, bikonvexen Der Bändertest der Ligg. alaria ist ein Test zur Feststellung
Gelenke (Articulatio atlantoaxialis lateralis) C1–2 nach einer Hypo- oder Hypermobilität bei C0–1, C2–C1. Der
kaudal. Der Grund dafür ist, dass sich die unter dem C2 Therapeut stellt außerdem fest, welche Seite betroffen ist.
befindliche Bandscheibe C2–3 dorsal abflacht. Wird die Mechanik ausgelöst, ja oder nein? Der Test wird
Dieser Vorgang dient dem Gelenkschluss C0–1 mit verwendet, wenn der Therapeut nach dem Apicis-dentis-
dem Ziel einer Druckentlastung der neurogenen, subokzi- Test und fehlendem Kaudalkick die betroffene Seite be-
pitalen Strukturen. Es werden 12° Inklination im Segment stimmen will.
C0–1 im translatorischen, konvexen Sinne ermöglicht. Stö- Alaria-Test rechts. Kommt es beim Test vor 8° Lateral-
rende Mechanismen einer Aufhebung der Inklination sind flexion zu einer biomechanischen Zwangsbewegung, liegt
7.9 · Passive Basisuntersuchung der HWS
297 7
Lateralflexion
C2
biomechanische
Rotation links
C2
! Cave
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Kontraindikationen:
5 Morbus Down,
Ausführung. Der Therapeut sitzt hinter dem Patienten, legt
5 nicht röntgenologisch abgeklärtes
seinen rechten Daumen auf den rechten Proc. mastoideus
Schleudertrauma oder unklare Anamnese,
des Patienten und seinen rechten Zeigefinger auf die rechte
5 nicht lagerungsabhängiger Schwindel bzw.
Lamina posterior des C2. Seinen linken Daumen platziert
Schwindel bei Flexionshaltung der HWS aus
der Therapeut auf dem Querfortsatz C1. Mit der rechten
Rückenlage.
Hand widerlagert der Therapeut und mit der linken gibt er
7.9 · Passive Basisuntersuchung der HWS
299 7
. Abb. 7.28 Bandtest Lig. transversum atlantis, Seitenansicht . Abb. 7.29 Frontalansicht Verformungstest
Verformungstest
jTest Rezeptoren Bandscheibe auf den Anulus Interpretation. Physiologische Reaktion: Spannungsauf-
fibrosus (. Abb. 7.32) bau musc. rotatores brevis und Druck vom Spinosi an den
ASTE. Patient sitzt palpierenden Finger.
a b c
a b c
Ausführung. Patientenkopf wird in Neutralhaltung positi- . Abb. 7.35 Widerstand Plexus cervicalis C1: Inklination des Kopfes
oniert. Der Therapeut legt seinen Thenar und Hypothenar
auf die Stirn des Patienten, seine andere Hand legt er als
Kontakt auf die hintere HWS. Der Patient gibt einen
Widerstand gegen die Hand des Therapeuten, wobei er
gleichzeitig das Kinn einzieht.
. Abb. 7.37 Widerstand Plexus cervicalis C1–2: Lateralflexion, . Abb. 7.38 Widerstand Plexus cervicalis C1–2: Extension des
7 rechts Kopfes
Ausführung. Der Kopf des Patienten wird in Neutral- ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz. Er lässt seine Arme
haltung positioniert. Der Therapeut legt eine Hand subok- locker hängen.
zipital an den Kopf des Patienten an, mit der anderen Hand
schient er das Brustbein des Patienten. Diese Stellung wird
7.10 · Widerstandstests der Basisuntersuchung, Kennmuskeltests HWS
303 7
a b
. Abb. 7.40 Widerstand Plexus brachialis C5: Abduktion im . Abb. 7.41a,b Widerstand Plexus brachialis C5–6: Außenrotation
Schultergelenk im Schultergelenk, links
a b a b
. Abb. 7.43a,b Widerstand Plexus brachialis C7 . Abb. 7.44a,b Widerstand Plexus brachialis C5–6: Flexion im
7 Ellenbogengelenk,links
Ausführung. Der Therapeut umfasst von kaudal den dis- jWiderstand Plexus brachialis C5–6: Ellenbogen-
talen Unterarm des Patienten. Mit seinem Rumpf fixiert gelenk Flexion (. Abb. 7.44)
der Therapeut den Oberarm des Patienten am Körper. Die ASTE. Der Patient steht. Er flektiert seinen linken Arm 90°
rechte Hand des Therapeuten bildet eine Faust unter dem im Ellenbogengelenk und hält seinen Unterarm in Supina-
rechten Oberarm des Patienten. Der Patient drückt mit tion.
seinem linken Oberarm gegen die Faust des Therapeuten.
Der der Therapeut gibt am Unterarm einen außenrotato- Ausführung. Der Therapeut umfasst von kranial den dis-
rischen Widerstand für das Schultergelenk. talen, linken Unterarm. Die rechte Hand des Therapeuten
widerlagert von dorsal den linken Ellenbogen des Patien-
Befund. Kraftverlust der Innenrotatoren des Schulter- ten. Der Patient beugt seinen linken Unterarm gegen die
gelenks (M. deltoideus pars clavicularis, M. subscapularis, Fixierung der linken Hand des Therapeuten.
M. biceps brachii caput breve, M. latissimus dorsi, M. pec-
toralis major): V.a. Läsion Nn. subscapularis, musculocu- Befund. Kraftverlust der Flexoren des Ellenbogengelenks
taneus, thoracodorsalis, pectoralis, axillaris. (M. biceps brachii, M. brachialis): V.a. Läsion N. musculo-
cutaneus.
jWiderstand Plexus brachialis C7: Schultergelenk
Adduktion (. Abb. 7.43) jWiderstand Plexus brachialis C7: Ellenbogengelenk
ASTE. Der Patient steht. Extension (. Abb. 7.45)
ASTE. Der Patient steht. Er flektiert seinen linken Arm 90°
Ausführung. Um die linken Adduktoren zu testen, umfasst im Ellenbogengelenk und hält seinen Unterarm in Supina-
der Therapeut mit seiner linken Hand die mediale Seite des tion. Der Therapeut umfasst von kaudal den distalen
distalen linken Oberarms des Patienten in ca. 20° Abduk- Unterarm.
tion. Mit der rechten Hand widerlagert sich der Therapeut
an der homolateralen Crista iliaca. Der Patient zieht seinen Ausführung. Die linke Hand des Therapeuten widerlagert
Oberarm entgegen der Fixation des Therapeuten an den von dorsal den linken Ellenbogen des Patienten. Der Pa-
Rumpf. tient streckt seinen rechten Unterarm gegen die Fixierung
des Therapeuten.
Befund. Kraftverlust der Adduktoren des Schultergelenks
M. latissimus dorsi, M. pectoralis major, M. triceps brachii Befund. Kraftverlust der Extensoren des Ellenbogengelenks
caput longum, M. deltoideus pars spinale et pars clavi- (M. triceps brachii, M. anconeus): V.a. Läsion N. radialis.
culare, M. biceps brachii caput breve): V.a. Läsion Nn. tho-
racodorsalis, pectoralis, radialis, axillaris, musculocu- jWiderstand Plexus brachialis C6:
taneus. Handgelenk Extension (. Abb. 7.46)
ASTE. Der Patient steht. Er beugt 90° im linken Ellenbo-
gengelenk. Sein Unterarm befindet sich in pronatorischer
7.10 · Widerstandstests der Basisuntersuchung, Kennmuskeltests HWS
305 7
b a b
. Abb. 7.45a,b Widerstand Plexus brachialis C7: Extension im Ellen- . Abb. 7.46a,b Widerstand Plexus brachialis C6: Extension im
bogengelenk, links Handgelenk
a b
. Abb. 7.50a,b Anatomische Orientierung: autonome sensible Innervationsfelder. a Sensible Nerven der oberen Extremität (von dorsal),
b sensible Nerven der oberen Extremität (von ventral). (Aus Mumenthaler 1998)
> Die Konvergenzmobilisation empfiehlt sich bei > Die Divergenzmobilisation empfiehlt sich bei hyper-
hypertoner HWS-Muskulatur zwischen C2–7. toner HWS-Muskulatur zwischen C2–7.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
312 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
C3 C2
a b
. Abb. 7.57 Weichteiltechnik Inklinationsmobilisation C1–2 . Abb. 7.58a,b Konvergenz, Joint play C2–3. a Real C2–3, b anato-
7 misch C2–3
Ausführung. Ist z. B. das Segment C2–3 betroffen, stellt 7.14 Gelenkspezifische Untersuchung
der Therapeut den Kopf des Patienten in eine leichte Late-
ralflexion nach links ein, bis der Dornfortsatz C2 nach Das Divergenz- oder Konvergenz-Joint-play nach Streeck
rechts zieht. Die linke Hand des Therapeuten fixiert diese ist eine Etagenuntersuchung bei vorausgegangenem Hin-
Stellung. Seine rechte Hand hakt er in die Paravertebral- weis aus der Basisuntersuchung auf die primär betroffene
muskulatur ein und zieht die paravertebralen Weichteile Seite. Aus der Basisuntersuchung ergibt sich außerdem, ob
im Sinne einer Divergenz nach ventrokranial. es sich um eine Divergenz- oder Konvergenzproblematik
handelt. Die bisher in der Manualtherapie angewandten
Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 40 Wiederholungen, Tests sind in der Praxis zeitintensiv und kompliziert. Es ist
statisch 30 sec bis 2 min zur Dehnung des Muskelkolla- schwierig, differenzierte Testergebnisse zu erhalten.
gens. Das Prinzip ist, dass der Therapeut entweder die Lami-
na posterior und damit den kranialen Facettengelenkanteil
des zu testenden Segmentes entsprechend der Verlaufsrich-
7.13.3 Weichteiltechnik Inklinations- tung des Gelenkspalts bewegt. Es wird in der offenen Kette
mobilisation (. Abb. 7.57) getestet. Oder dass er die kaudale Lamina posterior und
damit den kaudalen Facettengelenkanteil des zu testenden
> Die Inklinationsmobilisation empfiehlt sich bei Segmentes entsprechend der Verlaufsrichtung des Gelenk-
hypertoner Subokzipitalmuskulatur zwischen C0–2. spalts bewegt. Es wird in der geschlossenen Kette getestet.
. Abb. 7.59 Schematische Darstellung: unilaterale Handanlage bei Konvergenztestung C2–3 rechts, aus dorsaler Ansicht
. Abb. 7.60 Schematische Darstellung: unilaterale Handanlage bei Divergenztestung C2–3 rechts, dorsale Ansicht
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Kopf befindet Rotation erzeugt, muss er die obere Verriegelung
sich in aktueller Ruheposition. so einstellen, dass die durch den Therapeuten ve-
rursachte Zwangsrotation die Verriegelung gewähr-
Ausgangsstellung. Der Therapeut sitzt am Kopfende des leistet.
Patienten. Soll z. B. das Unkovertebralgelenk C3–4 rechts
getestet werden, stellt der Therapeut eine Lateralflexion Die Traktion wird mit einem unilateralen Schub am kau-
rechts ein, bis sich der Dornfortsatz C3 nach links bewegt dalen Wirbelkörper 45 zur Fossa jugularis ausgeführt.
(biomechanische Zwangsrotation). Dann moduliert er sei- Handelt es sich um eine Traktion im Segment C2–3 wird
nen rechten MCP 2 parallel zum Gelenkspalt (45°-Winkel) hochzervikal das Segment C0–1 durch Inklination
auf die Lamina posterior C3. Mit dem linken MCP 2 wi- ligamentär arretiert. Das Segment C1–2 wird in der Seiten-
derlagert er die Lamina poste-rior C4 links. Der Therapeut neigung so eingestellt, dass die durch die Traktion verur-
gibt einen 45° Schub zur kontralateralen Seite, während sachte Zwangsrotation zur Verriegelungsstellung führt.
gleichzeitig eine minimale Lateralflexion nach rechts Der Therapeut orientiert sich an der biomechanischen
monosegmental ausgeführt wird, wodurch rechts das Zwangsbewegung des Proc. spinosi C2. Eine Rotation
Unkovertebralgelenk bewegt wird. Getestet wird immer braucht in diesem Segment nicht vorgegeben werden, da
7 erst eine Seite auf Schmerz, Krepitation und veränderte sie sofort über die hochzervikalen ligamentären Struktu-
Mobilität. ren in das Segment einlaufen würde.
Ein direkter Stress der Facettengelenkkapsel, ohne
Befund. Unkovertebralarthrose – lokal segmentale Resorption des Traktionsschubs durch die Bandscheibe, ist
Etagensuche. Sie wird nur ausgeführt, wenn die Lateral- nur möglich, wenn die oben beschriebene Vorgehensweise
flexion die primär eingeschränkte Bewegungsrichtung eingehalten wird.
ist bzw. eine gleichseitige Konvergenzhypomobilität vor-
liegt.
7.15.2 Traktion bei unilateraler
Konvergenzproblematik
7.15 Gelenkspezifische Behandlung
Es folgt eine Übersicht zur Durchführung einer unilatera-
7.15.1 Traktion – monosegmental unilateral len Traktion am Beispiel des Segmentes C5–6 links mit
folgenden Zielen:
Die monosegmentale unilaterale Traktion findet bei 4 Druckentlastung des Segmentes C5–6,
gleichzeitiger Verriegelung der kranialen Segmente statt. 4 Kapselmobilisation,
Die Traktion wird nur in der Vorposition Konvergenz 4 Warming up,
durchgeführt, da eine Divergenzvorposition die notwendi- 4 Verbessern der Synoviaproduktion.
gerweise gegensinnige Lateralflexion aufhebt. Die Traktion
würde im Bandscheibensegment stattfinden. Aufgrund Die Umsetzung der genannten Ziele ist die Voraussetzung
des getesteten Joint plays kennt der Therapeut das Segment für die Konvergenztranslation.
der Problematik. In der Basisuntersuchung wurde fest-
gestellt, ob es sich um ein Divergenz- oder ein Konvergenz- Basisuntersuchung. Rotationseinschränkung links, die
problem handelt. sich in Extensionsvorposition deutlich verstärkt.
Die Ziele einer monosegmentalen unilateralen Trak-
tion sind: Gelenkspezifische Untersuchung. Beim Konvergenz-
4 Druckentlastung des Gelenkes (Dekompression), schnelltest zeigt sich das Segment C5–6 links am deutlichs-
4 Mobilisation der Kapsel, ten bewegungseingeschränkt.
4 Schmerzlinderung durch Entlastung komprimierter
> Der kraniale Wirbelkörper des zu behandelnden
Strukturen,
Gelenkes wird immer kombiniert eingestellt.
4 Lageveränderungen kleinster freier Knorpelfragmente.
> Eine kraniale Verrieglung ist unbedingt notwendig, jExtensionseinstellung C5–6 (. Abb. 7.62)
um eine Translation im Bandscheibensegment zu Der Therapeut umfasst den Kopf des Patienten mit seinem
verhindern. Da der Therapeut während der Traktion rechten Arm und seiner rechten Hand und palpiert mit
bei der unilateralen Entfernung des Proc. articularis seinem linken Zeigefinger den Dornfortsatz C5. Er führt
superior des kaudalen Wirbelkörpers vom Proc. eine Extension aus, bis der Dornfortsatz C5 nach kaudal
articularis inferior des kranialen Wirbelkörpers eine zieht und fixiert diese.
7.15 · Gelenkspezifische Behandlung
315 7
C4 C4
C5 C5
C6
C4
C5
C6
. Abb. 7.64 Rotationseinstellung C5–6, rechts . Abb. 7.65 Traktion C5–6, links
jLateralflexionseinstellung links C5–6 (. Abb. 7.63) flexion und Rotation (kombinierte Einstellung Segment
Aus der fixierten Extensionseinstellung führt der Thera- C4–5) und nimmt die Eigenschwere des Kopfes ab. Der
peut eine Seitenneigung des Kopfes nach links aus, bis sich linke Arm und die Handgabelstellung des Therapeuten
der Dornfortsatz C4 nach rechts bewegt. Diese Position entsprechen am C6 einer Neigung von 450 aus der Hori-
wird fixiert. zontalen nach kranial. Unter Aufnahme des Weichteil-
Slacks wird der Schub betont mit der Basis des MCP 2 an
jRotationseinstellung C5–6 rechts (. Abb. 7.64) der linken Lamina posterior des Patienten ausgeführt.
Aus der fixierten Extensions- und Lateralflexionsein- Durch die erzeugte »Rechtsrotation« entsteht eine Facet-
stellung rotiert der Therapeut den Kopf des Patienten nach tengelenkverriegelung nach kranial.
rechts, bis sich der Dornfortsatz C5 nach links bewegt.
Diese Position wird fixiert. Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 20-mal, statisch
30 sec bis 2 min. Zum Schluss den Patienten in die freige-
jTraktion C5–6 links (. Abb. 7.65) machte Richtung anspannen lassen (Lateralflexion links).
Der Therapeut fixiert mit seiner rechten Hand und seinem
Arm die Einstellung des Kopfes in Extension, Lateral-
316 Kapitel 7 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Halswirbelsäule
C1 C1
C2 C2
7
. Abb. 7.66 Flexionseinstellung C2–3 . Abb. 7.67 Lateralflexionseinstellung C2–3, rechts
C1
C2 C1
C3 C2
C3
rechte MCP 5 an die linke Lamina posterior C2 des Patien- > Es wird immer eine Vorposition eingestellt. Im
ten. Der Therapeut führt einen nach ventrokranial gerich- Segment C2–3 wird keine Rotation eingestellt, da
teten Translationszug aus, der der Neigung der Gelenk- sonst keine Bewegungsrichtung zur Mobilisation
fläche entspricht (45°). frei wäre.
7.15.6 Mechanik C0–1 Bei der Mobilisation C0–1 wird nur aus Vorposition ge-
arbeitet. Der Therapeut orientiert sich an der Inklinations-
Die in der Gebrauchsbewegung des Menschen vorkom- fähigkeit, die sich durch den »Kaudalkick« zeigt. Ist nicht
mende Gelenkmechanik zwischen Schädel und Atlas ist genügend Inklination möglich, kranialisiert er den Spinosi
7.15 · Gelenkspezifische Behandlung
319 7
C2 und nutzt diese Position als submaximale Vorposition.
Für die Betonung einer Seite wird zusätzlich die Lateral-
flexion bis zur biomechanischen Reaktion (ca. bei 8°)
positioniert.
In der Manualtherapie gibt es zwei technische Behand-
lungsmöglichkeiten. Arbeiten in der
4 offenen Kette über den Schädel bzw. den konvexen
Partner,
4 geschlossenen Kette über den Atlas bzw. den
konkaven Partner.
. Abb. 7.73 Inklinationsmobilisation C0–C1, links, mit Vorposition . Abb. 7.74 Inklinationsmobilisation C0–C1, links, mit Vorposition
Lateralflexion, links Lateralflexion, links
jInklinationsmobilisation C0–1 mit Vorposition Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 20-mal, statisch
Lateralflexion links bei Kompensationshypo- 30 sec bis 2 min, zum Schluss den Patienten in die freige-
mobilität (. Abb. 7.73) machte Richtung anspannen lassen (Inklination).
> Der Patient weist einen hochzervikalen, hypertonen,
muskulären Abwehrtonus auf. jInklinationsmobilisation C0–1 mit Vorposition
Lateralflexion (Alternativtechnik) (. Abb. 7.74)
Basisuntersuchung. Bei Rotation rechts kann der Patient > Der Patient weist einen normalen, hochzervikalen,
die Blicklinie nicht horizontal halten. Im Apicis-dentis- muskulären Tonus auf.
Test ist kein Kaudalkick spürbar. Im Alaria-Test kommt es
bei Lateralflexion links biomechanisch zum Vorlauf. Technik. Geschlossene Kette bei maximaler Vorposition
des Schädels und Mobilisation des Atlas nach ventral.
Technik. Offene Kette, Schädelmobilisation nach dorsal.
ASTE. Der Patient sitzt.
ASTE. Der Patient sitzt.
Ausführung. Der Therapeut führt zuerst am Patienten
Ausführung. Der Therapeut führt zuerst am Patienten eine Inklination aus, bis der Dornfortsatz C2 nach kranial
eine Inklination aus, bis der Dornfortsatz C2 nach kranial Druck gibt. Es folgt eine Lateralflexion links, bis der Dorn-
Druck gibt. Es folgt eine Lateralflexion links, bis der Dorn- fortsatz C2 nach links Druck gibt (Einsetzen der biome-
fortsatz C2 nach links Druck gibt (Einsetzen der biome- chanischen Zwangsrotation). Um den linken Gelenkanteil
chanischen Zwangsrotation). Um den linken Gelenkanteil der Articulatio atlantooccipitale zu betonen, stellt der The-
der Articulatio atlantooccipitale zu betonen, stellt der The- rapeut eine Lateralflexion links ein. Der Therapeut umfasst
rapeut eine Lateralflexion links ein, bis die biomechanische den Kopf des Patienten im Ellenbogenhang, so dass der
Zwangsrotation einsetzt. Der Therapeut umfasst den Kopf Oberarm des Therapeuten am rechten Os frontale des Pa-
des Patienten im Ellenbogenhang, so dass der Oberarm des tienten liegt. Der Therapeuten positioniert seine linke
Therapeuten am rechten Os frontale des Patienten liegt. MCP 2 an der Lamina posterior Ci links. Er positioniert
Die linke Hand des Therapeuten widerlagert im Gabelgriff mit seinem rechten Arm den Kopf maximal nach dorsal
betont mit der MCP 2 den Wirbelkörper C1. Der Thera- vor. Am Atlas gibt er unter Betonung der linken Lamina
peut gibt mit seinem rechten Arm einen horizontalen posterior einen horizontalen Schub nach ventral. Limitiert
Schub nach dorsal. Spürt der Therapeut an der MCP 2 wird der Schub durch hochzervikale Tonuserhöhung bzw.
links einen Druck, ist die maximale Mobilisation erreicht. durch Druck am M. biceps brachii zum Os frontale.
7.15 · Gelenkspezifische Behandlung
321 7
C1
C2
C3
b
Anamnese. Der Patient berichtet von häufigen Kopf-
. Abb. 7.75a,b Symmetrische Inklinationsmobilisation C0–1 als Ei- schmerzen und Schwindel. Basisuntersuchung: Der Thera-
gentraining. a ASTE, b ESTE peut stellt eine sub okzipitale Druckdolenz fest. Der Kopf
des Patienten steht nicht derotiert, da der Patient die Fehl-
stellung kompensiert (Rotation mit Lateralflexion). In der
Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 20-mal, statisch aktiven Basistestung kann die Lateralflexion links nicht
30 sec bis 2 min, zum Schluss den Patienten in die freige- durch eine Rotation rechts ausgeglichen werden, die Na-
machte Richtung anspannen lassen (Inklination). senspitze zeigt in Richtung Lateralflexion. Der Alaria-Test
ergibt aufgrund der fehlenden biomechanischen Kompen-
> Diese Technik eignet sich auch zur Derotation des
sation einen weiterlaufenden Vorlauf links.
Atlas (bei C1 lateralshift rechts und Rotation links).
30°
a b a b
. Abb. 7.79a,b Kokontraktionstraining für die HWS mit Hantel. . Abb. 7.80a,b Eindimensionales konzentrisches Training für die
a ASTE, b ESTE HWS mit Hantel. a ASTE, b ESTE
a b a b
. Abb. 7.82a,b Eindimensionales Exzentriktraining fur die HWS mit . Abb. 7.83a,b Mehrdimensionales exzentrisches Training fur die
Hantel. a ASTE, b ESTE HWS mit verstarkter rotatorischer Komponente. a ASTE, b ESTE
7
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, Pause ASTE. Der Patient steht. Der rechte Arm wird zur Stabili-
60–90 sec, Tempo 1 – 0 – 1, 3–4 Serien. sation auf den Beckenkamm widerlagert. Der linke Arm
befindet sich in 160° Abduktion/Extension im Schulterge-
lenk. Der Patient hält eine 2-kg-Hantel.
7.16.3 Exzentrisches Training
> Training für die rechten Mm. rotatores. Die Rotation
kann gemindert werden, durch vermehrte Flexion
jEindimensionales exzentrisches Training für
im Schultergelenk.
die HWS mit Hantel (. Abb. 7.82)
Anamnese. Bandscheibenläsionen, Instabilitäten. ESTE. Der Patient senkt seinen linken gestreckten Arm bis
ca. 45° Abduktion und Flexion ab.
Ziele. Die rechten Mm. rotatores trainieren (ab 16. Tag).
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, Pause
ASTE. Der Patient steht. Er hält zwei z. B. 2-kg-Hanteln 60–90 sec, Tempo 1 – 0 – 1, 3–4 Serien.
mit gestreckten Armen bei Innenrotation, 160° Flexion,
45° Abduktion.
7.16.4 Konzentrisches Kokontraktions-
ESTE. Aus der oben beschriebenen Position senkt der training für die HWS am Pull-up-Gerät
Patient gleichzeitig seine gestreckten Arme bis in ca. 45° (. Abb. 7.84)
Flexion (muskuläre Spannungsgrenze). Die anderen Posi-
tionen (Innenrotation und Abduktion) werden beibe- > Ein Gerätetraining ist für die HWS ungeeignet, da es
halten. Der Weg zurück in die ASTE kann der Therapeut dem sehr differenzierten Reizverarbeitungssystem
unterstützen. der Propriozeptoren nicht entspricht. Das Geräte-
training ist nur sinnvoll, wenn der Patient massive
Anzahl und Dosierung. 21–30 Wiederholungen, Pause Koordinationsdefizite hat. Nur ein statisches Kokon-
60–90 sec, Tempo 1 – 0 – 1, 3–4 Serien traktionstraining kann in die Rehabilitation ein-
bezogen werden.
jMehrdimensionales exzentrisches Training für Beim Kokontraktionstraining achten Therapeut und
die HWS mit verstärkter rotatorischer Komponente Patient darauf, dass die Spannung nach der Elevation
(. Abb. 7.83) im Schultergürtel vollkommen nachlässt, damit der
Anamnese. Bandscheibenläsion und Instabilitäten. Patient jede Wiederholung mit einer neuen Kokon-
traktion beginnt.
Ziel. Physiologische Ansprache der verletzten Bandschei-
benstruktur, ab dem 21. Tag. Dritte Phase der Stabilisation Anamnese. Bandscheibenläsionen, Instabilitäten.
umsetzen können.
Literatur
325 7
Ziel. Physiologische Ansprache der verletzten Band-
scheibenstruktur ab dem 6.Tag bzw. der monosegmentalen
Mm. rotatores breves. Erste Phase der Stabilisation um-
setzen.
Literatur
Manuelle Therapie
und Rehabilitation
der Lendenwirbelsäule
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Die Lendenwirbelsäule (LWS) besteht aus 5 Lendenwirbel- jEntlastungshaltung für die LWS
körpern (LWK) und ist lordotisch geprägt. Die lordotische An der Sitzposition des Patienten ist dessen unwillkürliche
Prägung zeigt sich physiologisch vom 9. BWK bis zum Entlastungshaltung für den Lendenwirbelsäulenbereich
5. LWK. leicht erkennbar:
4 Beim Sitzen auf der Stuhlvorderkante versucht der
> In der biomechanischen Untersuchung ist
Patient, den auf der Bandscheibe lastenden axialen
folgendes zu berücksichtigen:
Druck zu reduzieren.
5 Der LWK 4 steht am Übergang zwischen Lordose
4 Eine gewollte Kyphosierung im Sitzen, durch das
und Kyphose in einer neutralen Stellung.
Abstützen der Unterarme auf die Oberschenkel, ist
5 Der LWK 5 steht ebenfalls neutral bzw. nicht
ein Zeichen, dass einer Überbelastung der Facetten-
selten kyphotisch.
gelenke entgegengewirkt wird.
4 Eine gewollte Lordosierung soll die gestressten, stark
jWirbelkörper der LWS gedehnten dorsalen Anteile der Facettengelenk-
Die Wirbelkörper wie auch die Processus costales nehmen kapseln entlasten.
von kranial nach kaudal an Größe zu. Die Lendenwirbel- 4 Eine axiale Aufrichtung soll ventral unter Stress
körper 1–4 sind nierenförmig, der LWK 5 ist eher keil- geratene Facettengelenkkapselanteile entlasten.
förmig. Sie besitzen rudimentäre Rippenfortsätze und nur 4 Das Überschlagen eines Beins über das andere kann
unterentwickelte Querfortsätze. Der Übergang zum Os eine passive Gegenrotation eines rotierten Lenden-
sacrum markiert gleichzeitig den starken Übergang von wirbels bedeuten.
der Lordose zur Sakralkyphose. Diese Abknickung wird 4 Sitzt der Patient mit abgeschrägten Beinen (Füße
am kranialen Aspekt des 1. Sakralwirbels als Promon- unter dem Stuhl) auf der vorderen Stuhlkante, kann
torium bezeichnet und ist ein Orientierungspunkt für dies ein Zeichen verkürzter Ischiokruralen sein. Der
Beckenmessungen. Patient versucht so eine Lordosierung zu erreichen.
Die Deck- und Endplatten der LWK sind mit hyalinem
Knorpel überzogen und stehen im Flüssigkeitsaustausch mit jStellung der Wirbelkörper
dem Nucleus pulposus. Kommt es zu einer Abnahme des Typisch für die LWK sind die prominenten horizontalen
Hyalinknorpels, verliert die Bandscheibe schneller und auch Processus spinosi und der hohe und breite Körperaufbau.
vermehrt Flüssigkeit. Infolgedessen können auftreten: Der LWK 3 ist der einzige Lendenwirbel, dessen Deck- und
4 Diskosen, Endplatten horizontal stehen. Die Facettengelenke sind in
4 Listhesen, Höhe des LWK 1 noch vertikal ausgerichtet und nehmen
4 Facettenarthrosen, kontinuierlich in Richtung Frontalebene zu. Mit Zunahme
4 sekundäre Bandscheibenschädigungen. der Gelenkstellung der LWS in die Frontalebene verändern
sich auch die Limitierung der Rotations- und Lateral-
> Im Laufe des Tages verliert die Bandscheibe durch flexionsbewegung und die Führung der Extensions- und
die Belastung so viel an Flüssigkeit, dass der Flexionsbewegung.
Mensch abends 1–2 cm kleiner ist als morgens,
wenn die Bandscheibe wieder hydriert ist.
332 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
⎫
these), die bei interartikulärer Spaltbildung durch den
fehlenden ossären Halt noch weiter forciert wird. Diese 11
2
relativ ungünstige Position des 5. LWK sichert der Körper
durch passive und aktive Stabilitätsstrukturen ab.
Passive Stabilitätsstrukturen sind
4 die Bänder (Ligg. iliolumbalia), die ein Gleiten des
3 ⎬
Wirbels nach ventral verhindern und
4 die Fascia thoracolumbalis, die über große und kleine
Muskeln dynamisiert wird und den lumbalen Bereich
4
5
⎭ 6
diagonal verzurrt.
9
8 Die aktive Absicherung des lumbosakralen Übergangs er-
folgt durch
4 die Mm. multifidi,
4 den M. iliocostalis lumborum und 8 10
4 das sakrospinale System.
2
7
3 1
2
4
6 3
5
4
9 5
8
6
8
. Abb. 8.2 Anatomische schematische Orientierung der LWS aus . Abb. 8.3 Anatomische schematische Orientierung der LWS aus
ventraler Sicht. 1 LWK 1, 2 LWK 2, 3 LWK 3, 4 LWK 4, 5 LWK 5, 6 Crista seitlicher Sicht. 1 LWK 1, 2 LWK 2, 3 LWK 3, 4 LWK 4, 5 LWK 5, 6 Crista
iliaca, 7 BWK 12, 8 ISG-Gelenkspalt, 9 S1 iliaca, 7 BWK 12, 8 S1
8.2.2 Nerven der LWS nenhaut und die Nn. clunium superiores mit Haut-
innervation des oberen Anteils des M. gluteus maxi-
Die Nerven der Lendenwirbelsäule setzen sich aus dem mus.
Plexus lumbalis (Thi2–L4) und Plexus sacralis (L4–S5) zu-
sammen. Der Plexus lumbalis innerviert kAus L2 entstammen:
4 sensibel betont die ventrale Beinseite, 4 der motorische N. femoralis mit Innervation des
4 motorisch die M. iliopsoas und der N. genitofemoralis mit Inner-
5 Hüftflexoren, vation der Bauchmuskeln, des M. cremaster und zur
5 Hüftadduktoren, Vorspannung der Linea alba über den M. pyramidalis;
5 Knieflexoren, 4 der sensible N. genitofemoralis mit Innervation der
5 Unterschenkel- und Fußmuskeln. Genitalien/After und die Nn. clunium superiores mit
Versorgung der Haut im Bereich des M. gluteus
jPlexus sacralis maximus.
Der Plexus sacralis wird in 7 Abschn. 10.2.5 (Nerven des
Beckens) eingehender beschrieben. kAus L3 entstammen:
4 der motorische N. femoralis mit Innervation des
jPlexus lumbalis M. quadriceps;
Der Plexus lumbalis teilt sich in den Ramus ventralis und 4 die sensiblen Nn. clunium superiores und N. saphenus.
8 Ramus dorsalis auf. Der Ramus ventralis von L4 ist mit
dem Ramus ventralis von L5 über den Truncus lumbo- kAus L4 entstammen:
sacralis superior verbunden. Aufgrund ihrer topographi- 4 der motorische N. obturatorius mit Innervation der
schen Anlage trennen die Mm. rotatores den Ramus vent- Adduktorenmuskulatur, M. Tibialis anterior.
ralis vom Ramus dorsalis. 4 der sensible N. obturatorius mit Innervation der
Eine unphysiologische Rotation, z. B. eine Derotation Kreuzbänder, des Lig. collaterale mediale und der
nach links, hat aufgrund der topographischen Lage der medialen Hüft- und Kniegelenkkapsel.
Rami ventralis et dorsalis zur Folge, dass der Ramus ven-
tralis der rechten Seite und der Ramus dorsalis der hetero- kAus L5 entstammen:
lateralen Seite unter Zug geraten. 4 der motorische N. gluteus superior mit Innervation
der Mm. gluteus medius et minimus, M. tensor
! Cave
fasciae latae, M. extensor hallucis longus.
Durch eine erzeugte Rotation beim Lasègue-Test
kann eine konsensuelle positive Reaktion auftreten. jSympathikus
Dies nennt man einen gekreuzten Lasègue.
In der Lumbalregion zeigt sich der Sympathikus über den
Der Plexus lumbalis zeigt Varianten: Truncus sympathicus mit 3–4 Lumbalganglien.
4 den präfixierten Plexus, der sich aus den Segmenten Seine Hauptaufgaben bestehen in
Th11–L3 rekrutiert, 4 der Schweißbildung,
4 den postfixierten Plexus, der sich aus den Segmenten 4 der Regulation des Temperaturhaushalts und der
Li–L5 rekrutiert. Durchblutung,
4 der Meldung über Dehnzustand und Verletzungen
jMotorische und sensible Nerven des Plexus lumbalis eines Organs.
kAus Th12 entstammen:
4 der motorische N. subcostalis mit Innervation des Die Schmerzfasern aus Organen und Gefäßen ziehen in die
M. quadratus lumborum und der Interkostalmuskula- Radix dorsalis des Hinterhorns und können über die Rami
tur sowie der N. iliohypogastricus mit Innervation intergangliorum mit anderen Segmenten korrespondieren.
der Bauchmuskeln;
4 der sensible N. iliohypogastrics mit Versorgung der
Hüft-Symphysen-Region. 8.2.3 Die Muskulatur
der Lendenwirbelsäule
kAus L1 entstammen:
4 der motorische N. femoralis mit Innervation der Die Fähigkeit des Therapeuten besteht darin, die autoch-
Mm. quadratus lumborum und sartorius; thonen kleinen Rückenmuskeln selektiv anzusprechen, sie
4 der sensible N. ilioinguinalis mit Innervation ventral- auf ihre Aufgabe vorzubereiten und ein tertiäres Training
lateral des Skrotums/der Labiae sowie der Darmin- einzuleiten.
8.3 · Anatomische Gesetzmäßigkeiten der LWS
335 8
Die selektive Ansprache richtet sich an die Muskeln (Anulus inguinalis profundus) und einer äußeren Pforte
4 Mm. rotatores, brevis longus und (Anulus inguinalis superficialis). Der Leistenkanal bildet
4 Mm. multifidi die Führungsrinne für den Samenstrang des Mannes und
das Lig. teres uteri der Frau.
jSchwerpunkte der Rehabilitation Durch den Leistenkanal ziehen
der autochthonen kleinen Rückenmuskeln 4 M. cremaster,
Lokalsegmentale Behandlung. Zu Beginn der Behandlung 4 Ramus genitalis n. genitofemoralis,
ist aufgrund etwaig bestehender monosegmentaler De- 4 Funiculus spermaticus bzw. Lig. teres uteri,
konditionierungen eine lokalsegmentale Ansprache die- 4 Gefäße und
ser Muskeln unausweichlich, um das betroffene Segment 4 Lig. teres uteri.
wieder in die kinematische Kette einzugliedern.
Die lokalsegmentale Behandlung kann für den Patien-
ten demoralisierend sein, da der Körper ständig versucht, 8.2.4 Gefäße der LWS
über seine großen Muskeln die Schwächen der autochtho-
nen kleinen Rückenmuskeln zu kompensieren und der jA. radicularis magna
Patient vom Therapeuten eine ständige Korrektur und Be- Der thorakolumbale Übergang bezieht seine arterielle
richtigung erfährt. Sie ist jedoch die Basis für jede weitere Versorgung primär aus der A. radicularis magna (Adam-
Rehabilitationsphase. kiewicz-Arterie), die wiederum aus der linksseitigen Inter-
kostalarterie versorgt wird.
Anregung der Rotation. Die Rotation wird entsprechend
der biomechanischen Koppelung mit freiem Gewicht
(Lang- und Kurzhantel) ausgeführt. 8.3 Anatomische Gesetzmäßigkeiten
der LWS
jDorsale Muskulatur
Die großen dorsalen Muskeln wie der Jede Form der Mobilitätsstörung in Hüft- und Iliosakral-
4 M. latissimus dorsi, gelenk wirkt sich auf die LWS aus: Sie reagiert mit einer
4 M. quadratus lumborum, Zu- bzw. Abnahme der Facettengelenkbeweglichkeit.
4 M. gluteus maximus Die gekoppelten und kombinierten Bewegungen der
LWS (siehe Übersicht) sind Kombinationsbewegungen aus
werden manualtherapeutisch bei einer Instabilität des Rotation und Lateralflexion, die jedoch den pathologi-
ISG berücksichtigt: Beim Down-/Up slip des Os ilium schen Einflüssen entsprechend in Ausmaß und Richtung
(Kap. 10.10.3, Abb. 10.23 und 10.24) zur Fixierung des verändert sein können.
Sakrums in Kontranutation. Das ISG wird nicht von
> Der bei einer gekoppelten LWS-Einstellung ent-
kleinen Muskeln fixiert und eine Anregung des M. pirifor-
stehende Bewegungsstopp ist kapsulär/ligamentär
mis ist oft mit Komplikationen verbunden.
bedingt. Gekoppelte Bewegungen sind
biomechanische Zwangsbewegungen.
jVentrale Muskulatur
Der bei einer kombinierten LWS-Einstellung
Die ventrale Muskulatur (Bauchmuskulatur) ist in 7 Ab-
entstehende Bewegungsstopp ist ossär bedingt.
schn. 5.1.1 (Muskulatur der BWS) beschrieben.
Ergänzend möchten wir auf muskelfreie Bereiche der
Bauchmuskulatur hinweisen, die Schwachstellen darstel- Übersicht: Gekoppelte und kombinierte
len. Diese Schwachstellen neigen bei intraabdominaler Bewegungen
Drucksteigerung zu Bruchpforten und zu Hernien. In Gekoppelte Bewegungen:
diesem Kapitel ist die Leistenhernie (Hernia inguinalis) 5 Extension – Lateralflexion rechts – Rotation links.
näher beschrieben (weitere Hernienarten 7 Abschn. 10.5, 5 Extension – Lateralflexion links – Rotation rechts.
Krankheitsbilder der Hüfte). 5 Flexion – Lateralflexion rechts – Rotation rechts.
5 Flexion – Lateralflexion links – Rotation links.
jLeistenkanal Kombinierte Bewegungen:
Medial und kranial des Leistenbands, in Höhe des Tuber- 5 Extension – Lateralflexion rechts – Rotation rechts.
culum pubicum, befindet sich der Leistenkanal (Canalis 5 Extension – Lateralflexion links – Rotation links.
inguinalis), eine Öffnung in der vorderen Bauchwand von 5 Flexion – Lateralflexion rechts – Rotation links.
4–5 cm Länge und einem Durchmesser von 2–3 cm beim 5 Flexion – Lateralflexion links – Rotation rechts.
Mann und 1 cm bei der Frau, mit einer inneren Pforte
336 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
8
. Abb. 8.4 Gekoppelte Bewegung der LWS in physiologischer Stel- . Abb. 8.5 Gekoppelte Bewegung der LWS in Flexion. Gleichsinnige
lung bzw. Extension. Roter Pfeil: Lateralflexion nach rechts. Blauer Lateralflexion und Rotation der gesamten Lendenwirbelsäule. Roter
Pfeil: Rotation nach links Pfeil: Lateralflexion nach rechts. Blauer Pfeil: Rotation nach rechts
Ruheposition (»maximally loose-packed position«). Die Veränderungen sind mit einer selektiven Aufhebung
Ruheposition für die LWS ist in 70° Hüftflexion erreicht. der physiologischen Stellung eines Wirbelkörpers (z. B.
Listhese) oder des gesamten Wirbelsäulenabschnitts (z. B.
Verriegelungsstellung (»maximally close-packed posi- Sitzkyphose, Gibbus) verbunden.
tion«). Verriegelungsstellungen sind alle kombinierten Die . Abb. 8.4 zeigt die gekoppelte Bewegung der LWS
Diagonalen. in physiologischer Stellung bzw. Extension: Gegensinnige
Lateralflexion und Rotation der gesamten Lendenwirbel-
säule.
8.4 Biomechanische Bewegungen
> Die gekoppelte Bewegung verläuft bis Th8, in
der LWS
seltenen Fällen bis Th4.
Typische visuelle Zeichen einer Koppelung der LWS
Palpationen am Patienten bestätigten den Autoren die
bis Th4 sind:
Regel der gekoppelten Bewegungen. Steht ein Wirbelsäu-
5 eine verminderte zervikothorakale Rotations-
lenabschnitt in physiologischer Stellung oder wird diese
fähigkeit und
betont, entstehen gekoppelte Bewegungsabläufe zwischen
5 eine extendierte BWS-Stellung.
axialer Rotation und translatorischer Lateralflexion.
8.5.4 Lumbalisation
⎫ 1. Lendenwirbel
⎬
2. Lendenwirbel
LWS
3. Lendenwirbel
⎭ 4. Lendenwirbel
Critsa iliaca
5. Lendenwirbel
1. Sakralwirbel
Listhesen entstehen aufgrund einer Diskose der Band- Im Eingangsbefund lässt der Therapeut den Patienten sei-
scheibe. Je nach Neigung von S1 entsteht ein Gleiten nach ne Problematik schildern und stellt ihm weitere ergänzen-
ventral (Anterolisthese) oder nach dorsal (Retrolisthese). de Fragen.
In der Praxis sind Anterolisthesen wesentlich häufiger. Darüber hinaus sind folgende Grundfragen wichtig:
4 Seit wann, wo und wie zeigt sich das Beschwerdebild?
Die Beschreibung des Patienten liefert Informationen
8.6 Oberflächenanatomie der LWS über Zeitraum, Ort und Art der Beschwerden.
4 Gab es außergewöhnliche Belastungen in vorpositio-
In der . Abb. 8.6 sind topographische Orientierungspunk- nierter Flexions- oder Extensionsposition?
te dargestellt. In der folgenden Übersicht sind die Papa- 4 Bestehen gynäkologische, urologische oder internis-
tionsausgangspunkte zur topographischen Orientierung tische Probleme? Eine internistische Abklärung ist
der LWS zusammengefasst. wichtig.
4 Welche Therapien sind bisher erfolgt? Und mit
welchem Erfolg?
Übersicht: Palpationsausgangspunkte zur 4 Welche Medikamente werden eingenommen?
topographischen Orientierung der LWS 4 Gab es eine radiologische Abklärung?
5 Brustwirbelkörper Th12. Um diesen Wirbel 4 Bestehen Empfindlichkeiten bei Wetterwechsel,
topographisch zu erfassen, palpiert man entweder Zugluft, Stress, vor oder während der Menstruation?
Rückenschmerzen können aufgrund dieser Empfind-
8.7 · Anamnese, Inspektion, Palpation
339 8
. Tab. 8.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglichen groben Befundungsinterpretationen einer LWS-Problematik
Patient gibt Beschwerden im Bereich der Genitalien an V.a. Irritation des Ramus genitalis n. genitofemoralis.
(Spermatikus- und Teres-uteri-Neuralgie), teilweise mit Die Irritation im Kniebereich wird durch eine Verbindung zwischen
Ausstrahlungen in die mediale Knieseite N. genitofemoralis und N. femoris cutaneus anterior verursacht; betroffen
sind 25 % der Bevölkerung
Ramus art. N. obturatorius
Patient zeigt sich entlordosiert und hat starke Schmerzen V.a. Bandscheibenvorfall
Patient gibt nach Autofahrten Beschwerden im Bereich des V.a. Irritation des N. cutaneus femoris posterior. Der Nerv gerät beim
Tuber ischiadicum an Autofahren betont im dorsalen Hüftbereich unter neurogene Dehnung.
Kompression des N. perforans am Lig. Sacrotuberale
Patient gibt morgendliche Rückenschmerzen an, die nach V.a. Nierenleiden, Instabilität
ca. 30 min langsam nachlassen, jedoch abends wieder
auftreten
Patient zeigt beim Lasègue-Test eine heterolaterale V.a. Irritation des Ramus ventralis bei rotiertem Wirbelkörper. Die
Reaktion Mm. rotatores trennen den Ramus ventralis vom Ramus dorsalis und
dieser kann bei Rotation aufgrund seines ventralen bzw. dorsalen Verlaufs
unter Zugreiz geraten.
Instabilität von L5 (gekreuzter Lasègue)
Patient gibt einseitigen Leistenschmerz an, der sich durch V.a. Hernia inguinalis (Leistenhernie) mit Bruchpforte/Inhalt im
Aktivität der Bauchmuskulatur oder der Adduktoren ver- Foramen inguinale superficialis. »weiche Leiste« (7 Abb. 10.27, Exkurs)
stärkt
Patient gibt beim Joggen auf naturgewachsenem Boden V.a. Asymmetrie der ISG-Bewegungen mit Auswirkung auf die
Beschwerden im hinteren Gesäßfaltenbereich an, die sich in Spannung des Lig. sacrotuberale und des dort inserierenden M. biceps
den hinteren Oberschenkelbereich fortsetzen können femoris c.l.
Patient klagt über kranial-dorsale Darmbeinkamm- V.a. Kompressionsneuropathie der Nn. clunium superiores, Läsion der
schmerzen indirekten Insertion der Aponeurosis fasciae glutea
Patient gibt bei abdominalem Druckaufbau durch z. B. V.a. pathologische Erweiterung der V. azygos mit versorgenden
Husten, Niesen, Pressen ischialgische Beschwerden an epiduralen Ästen und Einengung des Foramen intervertebrale,
Bandscheibenläsion
Patient gibt beim Lasègue-Test über 30° Hüftflexion V.a. viszerale Sensibilisierung (z. B. Nierenptose oder Irritation des
Beschwerden an, ohne signifikante Hinweise auf eine Dickdarms), Leistenhernie
Bandscheibenproblematik
Patient gibt auftretende Beschwerden bei Beugung der V.a. Kompressionsdruck der Bandscheibe auf das Lig. longitudinale
Wirbelsäule an posterius, aktivierte Arthrose bzw. Arthritis der Facettengelenke der
LWS, Instabilität mit Exzentrikverlust
Patient gibt auftretende Beschwerden bei Streckung der V.a. Claudicatio intermittens spinalis, Arthrose der
Wirbelsäule an LWS-Facettengelenke, Morbus Baastrup, Kissing spine
Patient zeigt eine Schonhaltung in Lateralflexion von der V.a. Bandscheibe übt kranialen Druck auf den Spinalnerven aus.
Seite der Beschwerden weg Entlastungsverhalten für das heterolaterale Foramen intervertebrale. Facet-
tengelenkarthrose heterolateral, Osteophyt im Foramen intervertebrale
Patient zeigt eine Schonhaltung in Lateralflexion zur Seite V.a. Bandscheibe übt kaudalen Druck auf den Spinalnerven aus.
der Beschwerden hin Entlastungsverhalten für das heterolaterale Foramen intervertebrale.
Facettengelenkarthritis homolateral
Patient gibt im Tagesablauf eine kontinuierliche Zunahme V.a. Überlastungsschmerz bei vorhandener Hypermobilität/Instabilität
von Rückenschmerzen an, die in Ruhe nachlassen. Wech-
selnde dynamische Tätigkeiten werden als angenehm
empfunden, statische als beschwerdeauslösend
340 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
. Tab. 8.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglichen groben Befundungsinterpretationen einer LWS-Problematik
Patient gibt Muskelschmerzen an, die in der Schulter bzw. V.a. Nozizeption sensibler Endigungen. Diese wird im Muskel mehr-
HWS beginnen und bis in die LWS ziehen segmental beantwortet, da der Körper nicht muskulär-selektiv, sondern
in Muskelketten antwortet.
Sympatikotonie, Irritation der Dura mater, Hypomobilität
Patient gibt Leistenschmerzen, Brenngefühl, Hüftheber- V.a. direkte Leistenhernie, »weiche Leiste«
schwäche an, die beim Heben des Beins und bei Ansprache
der Bauchmuskulatur forciert werden
8.7.3 Palpation
8.8 Basisuntersuchung
Bei der Palpation werden folgende Kriterien im Seitenver- der Lendenwirbelsäule
gleich geprüft:
4 Konsistenzunterschiede bei Schwellungen, In der Basisuntersuchung zeigen sich lokal- oder mehrseg-
4 Hauttemperatur, mentale kapsuläre Einschränkungen durch sog. »Break-
4 Tonus, points«.
8.8 · Basisuntersuchung der Lendenwirbelsäule
341 8
> »Breakpoints« sind Bruchpunkte innerhalb einer
Kurvaturprägung und geben bei lokalsegmentaler 5 Lang andauernde statische Tätigkeiten bereiten
Darstellung einen Hinweis auf Blockierungen. den Patienten Beschwerden.
Bei mehrsegmentaler Abkippung oberhalb des 5 Die Patienten reagieren empfindlich auf Liegeun-
»Breakpoints« handelt es sich häufig um skoliotisch terlagen.
rotierte Wirbelsäulenabschnitte. 5 In der Testung nach ventral wird den Patienten
jegliche Form der passiven ligamentären Stabilität
Im Allgemeinen zeigen sich in der aktiven und passiven genommen, so dass Anterolisthesen, aber auch
Basisuntersuchung Hinweise auf ein arthrokinemati- Retrolisthesen möglich sind. Anterolisthesen
sches Problem. In der Widerstandstestung testen wir die zeigen ein betonteres Beschwerdebild als Retrolis-
primäre Rotation bzw. die Kennmuskeln, um Informatio- thesen.
nen über die dynamisch-rotatorische Stabilität und über 5 Listhesen werden als Faustgefühl im listhetischen
Bandscheibenläsionen zu bekommen. Kapsuläre Ein- Bereich angegeben.
schränkungen können nur aus dem Gleitverhalten bzw. 5 Die umliegende Muskulatur verliert an exzentri-
aus der Resistenz eines vorgegebenen Kapselmusters des scher Bremskraft.
Gelenks interpretiert werden. 5 Längere statische Belastungen außerhalb der
Longitudinalachse erzeugen Schmerzen im
Listhesegebiet.
8.8.1 Differenzialdiagnostischer Check-up 5 Das Gewebe im Listhesegebiet ist meist aufge-
quollen.
Der einleitende differenzialdiagnostische Check-up soll zu 5 Langsames Gehen ist belastender als schnelles
Beginn einer zielgerichteten Untersuchung eine Mitbetei- Gehen.
ligung der umliegenden Strukturen abklären.
Folgende Check-ups sind für die Lendenwirbelsäule
relevant: jListheseschnelltest (Abfangtest) für die LWS
4 Schnelltestung für den Listhesen-Differenzierungstest (. Abb. 8.7)
LWS/ISG, ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Die Arme liegen
4 viszeraler Check-up, locker neben dem Körper, sie stützen sich nicht ab.
4 Osteoporose-Test,
4 aktive Testung für Becken und Hüfte. Ausführung. Der Therapeut hebt passiv die gestreckten
Beine deckenwärts (bei ca. 45° Hüftflexion). Er bewegt
! Cave
ruckartig seinen fixierenden Arm nach kaudal, so dass der
Patienten, die Kortisonpräparate einnehmen, geht
Patient für einen Augenblick das Gewicht seiner Beine
die Elastizität der Gefäße verloren. Es kann zur
selbst tragen muss. Der Therapeut sollte jederzeit in der
Lockerung der Bänder und zu Gefäßschädigungen-/
Lage sein, das Gewicht der Patientenbeine wieder aufzu-
rupturen kommen. Patienten, die Schmerzmittel
nehmen, um Verletzungen bzw. betonte Schmerzen zu
einnehmen, können keine präzisen Schmerzan-
vermeiden.
gaben machen.
! Cave
Die entstehende intraabdominale Drucksteigerung
bewirkt eine Provokation der Bandscheiben!
8.8.2 Check-up bei Listheseverdacht
Befund. Anterolisthese. Die Patienten zeigen aufgrund des
In der folgenden Übersicht sind die Befunde zusammen- Exzentrikverlusts Schmerzen bzw. sie können diese Posi-
gefasst, die den Verdacht auf eine Listhese ergeben. tion gar nicht erst einnehmen.
a a
b b
. Abb. 8.7a,b Listheseschnelltest (Abfangtest) für die LWS. a ASTE, . Abb. 8.8a,b Differenzierungstest LWS/ISG, links. a ASTE, b ESTE
b ESTE
> Im Unterschied zum Lasègue-Test (Straight leg antwortlich für das Beschwerdebild war. Es ist sinnvoll,
raising) werden die Symptome schon ab 10° Hüft- diesen Test mit den neurologischen Testungen bzw. Inter-
beugung bis 60° Hüftbeugung interpretiert. Der pretationen (Kap. 9.9.11) zu verbinden.
Bragard-Test wird in einer 10° abgesenkten Winkel-
stellung ausgeführt. jDifferenzierungstest LWS/ISG (. Abb. 8.8)
Ziel. Ausschlusstestung. Es wird geprüft, ob das ISG
Durch eine einseitige Hüftflexion mit gestrecktem Bein zwischen 10° und 60° Hüftflexion eine pseudoradikuläre
werden die Nerven der Segmente L4–S1 bis zu 1,2 cm und Irritation verursacht oder ob eine segmental-radikuläre
mit einer Zugkraft von ca. 3 kg unter Stress gebracht. Ein Symptomatik vorliegt.
physiologischer Nervenverlauf kann diesen Stress durchaus
kompensieren. Besteht jedoch ein Hypomochlion (Dis- ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
kusprolaps), eine Ischämie oder eine Nerveneinklemmung
im Foramen intervertebrale, reagiert der Nerv in seinem Ausführung. Das gestreckte Bein wird angehoben. Ent-
sensiblen Wurzelbereich auf diese Spannung mit Schmerz. steht zwischen 10–60° Hüftflexion ein Schmerz im
Ein positives Testergebnis wird durch den Bragard- Rücken/Gesäßbereich, senkt der Therapeut das Bein um
Test bestätigt, indem wir das Bein ungefähr 10° absenken ca. 10° und bringt den linken Fuß in Dorsalextension.
und eine Dorsalextension des Fußes ausführen. Handelt es sich um eine radikuläre Symptomatik, muss der
Handelt es sich um eine Wurzelreizung, sollte sich der Schmerz erneut auslösbar sein, mit Schmerzen, die bis in
Schmerz reproduzieren lassen. Verursacht der Bragard- die LWS strahlen. Entsteht kein Schmerz, liegt der Ver-
Test keine Beschwerden, besteht die Möglichkeit, dass das dacht nahe, dass es sich um eine ISG-Problematik handelt,
ISG im Sinne einer pseudoradikulären Symptomatik ver- die überhalb der Bragardtestung ausgelöst wird.
8.8 · Basisuntersuchung der Lendenwirbelsäule
343 8
> Bei bestehender Osteoporose nimmt der thora- Befund. Physiologisch ist ein elastisches Federn der
kolumbale Übergang Th12–L1 in der Häufigkeit der Rippen. Bei Patienten mit Osteoporose ist kein oder nur
Wirbelkörperfrakturen eine Spitzenstellung ein. ein limitiertes Federn möglich.
Generell ist die untere Extremität frakturanfälliger
als die obere Extremität. Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch können
Rippensubluxationen oder Systemerkrankungen in Be-
Die Autoren machen darauf aufmerksam, dass nicht nur tracht kommen.
Vererbung, Schwangerschaft, Inaktivität, Ernährungs-
defizite, Hormonveränderungen, Medikamente, die das ! Cave
Osteoporoserisiko fördern (z. B. Antibiotika, Antikonvul- Ist der Federungstest positiv, muss im LWS-Becken-
siva, Chemotherapeutika, Glukokortikosteroide, Heparin, Bereich äußerst behutsam gearbeitet werden.
344 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
. Abb. 8.14 Aktive Lateralflexion, rechts . Abb. 8.15 Aktive Rotation, rechts
Ausführung. Der Patient neigt den Oberkörper nach rechts. jAktive Rotation (. Abb. 8.15)
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz in 70° Hüftflexion.
Befund. Bei Schmerzauslösung rechts sind folgende
Diagnosen möglich: Ausführung. Der Patient dreht den Oberkörper nach
4 Bandscheibenproblematik mit kranial geneigtem rechts.
Prolaps,
346 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
. Abb. 8.16 Aktive diagnostische Diagonale: Extension – Lateral- . Abb. 8.17 Aktive diagnostische Diagonale: Extension – Lateral-
8 flexion rechts – Rotation links flexion rechts – Rotation rechts
Befund. Bei Schmerzauslösung besteht die Gefahr einer Ausführung. Der Patient führt eine kombinierte Be-
Bandscheibenläsion bzw. sie gibt einen Hinweis auf eine wegung aus: Extension – Lateralflexion rechts – Rotation
Mononeuropathie/multiplex. rechts.
. Abb. 8.18 Aktive diagnostische Diagonale: Extension – Lateral- . Abb. 8.19 Aktive diagnostische Diagonale: Extension – Lateral-
flexion links – Rotation rechts flexion links – Rotation links
. Abb. 8.20 Aktive diagnostische Diagonale: Flexion – Lateral- . Abb. 8.21 Aktive diagnostische Diagonale: Flexion – Lateral-
flexion rechts – Rotation links flexion rechts – Rotation rechts
Befund. Eine verstärkte Schmerzauslösung durch die Befund. Bei Schmerzauslösung besteht Verdacht auf:
vermehrte Konvergenz deutet auf folgende Diagnosemög- 4 Divergenzhypomobilität,
lichkeiten hin: 4 Bandscheibenläsion,
4 Facettenarthropathie, 4 Blockierung.
4 Osteophyt im Foramen intervertebrale links,
4 Blockierung, jAktive diagnostische Diagonale: Flexion –
4 Bandscheibenläsion. Lateralflexion rechts – Rotation rechts (. Abb. 8.21)
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz in 70° Hüftflexion.
jAktive diagnostische Diagonale: Flexion –
Lateralflexion rechts – Rotation links (. Abb. 8.20) Ausführung. Der Patient führt eine gekoppelte Bewegung
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz in 70° Hüftflexion. aus: Extension – Lateralflexion rechts – Rotation rechts.
Ausführung. Der Patient führt eine kombinierte Bewe- Befund. Eine verstärkte Schmerzauslösung durch die be-
gung aus: Flexion – Lateralflexion rechts – Rotation links. tonte Divergenz kann auftreten bei:
348 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
. Abb. 8.22 Aktive diagnostische Diagonale: Flexion – Lateral- . Abb. 8.23 Aktive diagnostische Diagonale: Flexion – Lateral-
8 flexion links – Rotation rechts flexion links – Rotation links
. Abb. 8.24 Passive gekoppelte diagnostische Diagonale: . Abb. 8.25 Passive kombinierte diagnostische Diagonale:
Extension – Lateralflexion links – Rotation rechts Extension – Lateralflexion rechts – Rotation rechts
. Abb. 8.27 Passive kombinierte diagnostische Diagonale: . Abb. 8.28 Kemp-Test für die LWS: Testung der rechten Foramina
Extension – Lateralflexion links – Rotation links intervertebralia
8
Lateralflexion nach rechts aus, indem er den Oberkörper vor Erreichen der rotatorischen Endstellung besteht der
des Patienten an sich heranzieht. Mit seinem rechten Arm Verdacht auf eine Systemerkrankung bzw. ein Kapsel-
dreht er den Oberkörper des Patienten in eine Links- musterstadium 2 oder 3.
rotation, bis ein rotatorischer Druck am Os sacrum fühl-
bar ist. An dessen Ende gibt er einen rotatorischen Über- jKemp-Test für die LWS: Testung der rechten
druck. Foramina intervertebralia (. Abb. 8.28)
Ziel. Einstauchtest für die Foramina intervertebralia bei
Norm. Elastisches Endgefühl. Angabe eines Lateralflexionsschmerzes unter Ausschluss
einer radikulären Läsion.
Interpretation. Siehe aktiver Test (. Abb. 8.16). Getestet
werden Kapsel und ligamentäre Strukturen und damit eine ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz. Er wird in der kom-
aktivierte Arthrose. binierten diagonale Extension – Lateralflexion rechts –
Rotation rechts eingestellt, um eine maximale Konvergenz
jPassive kombinierte diagnostische Diagonale: in den Facetten der LWS zu erreichen. Der Patient kreuzt
Extension – Lateralflexion links – Rotation links seine Arme vor der Brust.
(. Abb. 8.27)
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz in 70° Hüftflexion. Ausführung. Der Therapeut steht hinter dem Patienten
und legt seine Hände auf dessen Schultern. In der Aus-
Ausführung. Der Therapeut widerlagert mit seiner linken atmungsphase des Patienten gibt der Therapeut einen
Hand das Os sacrum und umfasst mit seiner rechten Hand axialen Stauchimpuls.
von ventral rechtsseitig des Patienten in Höhe Th11/12 den
Thorax. Der Therapeut bewegt den Oberkörper des Pa- Befund. Bei positivem Befund besteht Verdacht auf eine
tienten in Lateralflexion und Rotation nach links, bis ein Stenose/Osteophyt in einem rechten Foramen interver-
rotatorischer Druck am Sakrum fühlbar ist. An dessen tebrale der LWS.
Ende gibt er einen rotatorischen Überdruck.
jFersenfalltest für die LWS (. Abb. 8.29)
Norm. Elastisches Endgefühl. Ziel. Stauchtest für die Facetten der LWS zur groben Er-
kennung von Fissuren oder Frakturen.
Interpretation. Siehe aktiver Test (. Abb. 8.19). Getestet
werden primär die Facettengelenke ohne segmentale ASTE. Der Patient steht; er ist barfuß.
Zuordnung.
Ausführung. Der Patient stellt sich auf die rechte Zehen-
Befund. Bei auftretendem Schmerz im Überdruck besteht spitze, hält sich gegebenenfalls mit der rechten Hand fest
ein Kapselmusterstadium 1. Bei auftretendem Schmerz und lässt sich auf die rechte Ferse fallen.
8.8 · Basisuntersuchung der Lendenwirbelsäule
351 8
. Abb. 8.29 Kemp-Fersenfalltest rechts für die LWS: Testung der . Abb. 8.30 Lasègue-Test (Straight leg raising), rechts
rechten Foramina intervertebralia
Befund. Tritt ein Schmerz in der LWS auf, besteht Ver- Interpretation. Stellt sich zwischen 20–60° Hüftflexion ein
dacht auf eine Fissur oder Fraktur eines Facettengelenks. Schmerz ein, gilt der Test als neurogen positiv.
! Cave
Befund. Bei positivem Testergebnis besteht Verdacht auf:
Der Test ist auch bei einer unspezifischen
4 radikuläre Symptomatik,
Spondylitis positv!
4 Ischämie im Wurzelbereich,
4 mechanische Reizung, z. B. durch Osteophyten. In
diesem Falle kann die Lagerung das Ergebnis des
8.8.9 Neurogene Testungen Lasègue-Tests verändern.
4 ISG-Problematik (7 Kap. 9.9.3).
jLasègue-Test (Straight leg raising) (. Abb. 8.30)
! Cave
> Der Lasègue-Test (Straight leg raising) testet die Eine medikamentös behandelte Spinalwurzel kann
Mobilität der Dura mater und der Spinalnerven anästhesiert sein und einen Lasègue-Test ohne
L4–S1. Durch eine einseitige Flexion des gestreckten neurogene Zeichen zulassen.
Beines werden die Nerven der Segmente L4–S1 bis Ein ähnliches Phänomen konnte in der Praxis bei
zu 1,2 cm mit einer Zugkraft von ca. 3 kg unter frischen großen Bandscheibenvorfällen beobach-
Stress gebracht. tet werden, bei denen eine Endorphinausschüttung
Ein physiologischer Nervenverlauf kann diesen zur Anästhesie der Wurzel führte.
Stress durchaus kompensieren. Besteht jedoch
5 ein Hypomochlion (Diskusprolaps),
jLasègue-Test (Straight leg raising) mit Betonung
5 eine Ischämie oder
des N. peroneus communis (. Abb. 8.31)
5 eine Nerveneinklemmung im Foramen inter-
vertebrale, > Bei diesem Test liegt die Betonung in einer zusätz-
lichen Adduktion des Beins und DE/Supination des
reagiert der Nerv in seinem sensiblen Wurzelbereich
Fußes, um den N. peroneus communis unter Zugreiz
auf diese Spannung mit Schmerz.
zu bringen.
Ziel. Neurologische Provokation der Spinalwurzeln L4– Si. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Ausführung. Wie beim Lasègue-Test; das Bein wird je-
doch aus submaximaler Schmerzstellung in Hüftadduk-
Ausführung. Der Therapeut bringt das gestreckte rechte tion geführt.
Bein des Patienten in Hüftflexion.
352 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
. Abb. 8.31 Lasègue-Test (Straight leg raising) mit Betonung des N. . Abb. 8.32 Bragard-Test, rechts
8 peroneus communis, rechts
Ausführung. Durch eine einseitige Hüftflexion des ge- . Abb. 8.33 Neri- (Brudzinski-)Testung, rechts
streckten Beins werden die Nerven der Segmente L4–S1
unter Stress gebracht (Lasègue-Test).
Ausführung. Durch eine einseitige Hüftflexion des ge-
Interpretation. Der Bragard-Test löst in gleicher Position streckten Beins werden die Nerven der Segmente L4–S1
der Schmerzentstehung bei Dorsalextension des rechten unter Stress gebracht (Lasègue-Test).
Fußes eine Schmerzverstärkung aus.
Interpretation. Der Neri-Test löst in gleicher Position der
jNeri- (Brudzinski-)Testung (. Abb. 8.33) Schmerzentstehung bei Kopfflexionsbewegung eine
> Bei der Neri-Testung wird die neurogene Provoka- Schmerzverstärkung aus.
tion durch einen zum Lasègue-Test zusätzlichen
Zugreiz der Dura mater über eine Kopfflexionsbe- Befund. Ein positiver Befund gibt einen primären Hinweis
wegung erreicht. Der Kopf kann aktiv oder passiv auf eine mediale Diskushernie bzw. auf einen lateralen/la-
angehoben werden. teralmedialen kranialen Druck auf den Spinalnerven,
»Schulterprolaps« (vgl. Übersicht am Ende von 7 Abschn.
Ziel. Verstärkte neurologische Provokation der Spinal- 8.9.2).
wurzeln L4–S1 durch kranialen Zugreiz der Dura mater.
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Eine verstärkte Lor- ASTE. Der Patient steht.
dose des Patienten wird mit einem Handtuch unterlagert.
Ausführung. Der Patient wird aufgefordert, bei extendier-
Ausführung. Der Therapeut umfasst das rechte Bein des ten Beinen eine Rumpfflexion auszuführen.
Patienten und führt es in Extension. Er palpiert dabei den
DFS von L5 und prüft, ob es zu einer vorzeitigen (<15° Interpretation. Kommt es zur Knieflexion, kann das ein
Hüftextension) weiterlaufenden Bewegung der LWS Zeichen einer radikulären, aber auch pseudoradikulären
kommt. dorsalen Nervenläsion sein.
354 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
8.8.10 Slump-Testung
Im ventralen Bereich wird die Dura mater stärker nozizep- Ausführung. Der Patient streckt sein rechtes Bein und be-
tiv innerviert als dorsal. Dorsomedial besitzt sie keine No- wegt seinen rechten Fuß in Dorsalextension. Folgend be-
zizeptoren. Jede Spinalwurzel ist beim Verlassen der Dura wegt er Kopf und Rumpf in Flexion. Der Therapeut führt
mater an ihrer Austrittsstelle aus dem Rückenmark und im den Patienten und widerlagert die Endgradigkeit.
Foramen intervertebrale selbst fixiert. Durarestriktionen
oder Durazugveränderungen, z. B. durch betonte Abwin- Interpretation. Der Test gibt einen Hinweis darauf, ob die
kelungen der Nervenwurzeln, können die Spinalnerven an Dura mater am Beschwerdebild mit beteiligt ist. Schmerz-
ihrer Fixation am Durasack reizen und zu radikulären Irri- ausstrahlungen in das rechte Bein werden der LWS zuge-
tationen führen, die sich nicht selten beidseitig zeigen. ordnet. Der Manualtherapeut achtet auf den neurogenen
Dehnreiz, der betont den N. tibialis anspricht.
> Der modifizierte Slump-Test bietet die Möglichkeit,
eine Affektion der Dura mater zu testen und zu be- > Die Testung lässt sich als neurogene Mobilisation
handeln. durchführen.
jSlump-Test mit Betonung des N. tibialis (. Abb. 8.36) jSlump-Test mit Betonung des N. peroneus
ASTE. Der Patient sitzt im Langsitz auf der Behandlungs- (. Abb. 8.37)
liege. Beide Beine sind extendiert; die Hände sind im Na- Wie Testung in . Abb. 8.36; jedoch in vorpositionierter
cken verschränkt. Inversion.
8.8 · Basisuntersuchung der Lendenwirbelsäule
355 8
> Die Testung lässt sich als neurogene Mobilisation jWiderstandstest für die Rotation (. Abb. 8.38)
durchführen. ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz in 70° Hüftflexion.
Seine Arme liegen locker auf den Oberschenkeln.
8.8.11 Widerstandstest Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten und
legt seine linke Hand an die dorsale Schulterseite des Pa-
Da primär die Mm. rotatores die segmentale Stabilität tienten. Die rechte Therapeutenhand widerlagert die linke
gewährleisten, wird nur die Rotation getestet. Der Wider- Patientenschulter von ventral. Der Patient spannt 1 sec
standstest wird in 2 Stufen durchgeführt: maximal gegen die widerlagernde linke Hand des Thera-
peuten isometrisch-konzentrisch in Rotation an bzw.
Stufe 1. Der Patient hält für 1 sec einen maximalen iso- dynamisch-exzentrisch bei Testung auf Instabilität.
metrischkonzentrischen Widerstand. Zu beachten ist,
dass die rotierende Schulter den Widerstand von dorsal Befund. Bei auftretendem Schmerz besteht Verdacht auf
bekommt (ansonsten Bauchmuskelansprache). Dieser Test eine Läsion der Mm. rotatores oder eine partielle Ischämie.
gibt nur eine grobe Aussage über das Vorliegen einer Eine Schwäche deutet auf eine Instabilität hin.
Muskelläsion; eine klare selektive Differenzierung der
Muskelläsionen ist nicht möglich. Eine Differenzierung ist
356 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
. Abb. 8.39 Test für L2: Widerstand für den M. iliopsoas, links . Abb. 8.40 Test für L3: Widerstand für den M. rectus femoris, rechts
8 8.8.12 Kennmuskeltestungen
. Abb. 8.42 Alternativ-Test für L4: Widerstand für den M. tibialis an- . Abb. 8.43 Test für L5: Widerstand für den M. extensor hallucis
terior, links longus, rechts
. Abb. 8.45 Test für S1 und S2: Widerstand für die ischiokrurale . Abb. 8.46 Achillessehnenreflex (ASR), links
Muskulatur, rechts
distalen Oberschenkel auf der Bank. Der Patient wird auf- Reflexantwort. Plantarflexion des Fußes. Testung der
gefordert, sein Knie gegen die Widerstand gebende Hand Segmente L5–S2. Ein gesteigerter Reflex (Fußklonus) gilt
des Therapeuten anzubeugen. als Pyramidenbahnzeichen.
Befund. Bei Schwäche besteht der Verdacht auf eine jQuadrizepssehnenreflex (QSR) (. Abb. 8.47)
Nervenläsion S1/S2. ASTE. Der Patient liegt entspannt in Rückenlage.
Übersicht: Differenzialdiagnostische
Möglichkeiten bei Sensibilitätsstörungen
Monosegmentale Läsionen. Sie zeigen fast immer ein
relativ intaktes Berührungsempfinden. Erst bei Ausfall
mehrerer Segmente entsteht eine anästhetisches
Dermatom.
Beidseitige Sensilibitätsstörungen. Sie geben den
Verdacht auf eine polyneuropathische Erkrankung
oder Medulla-spinalis-Irritation.
Sporadisch auftretende Sensibilitätsstörungen. Sie
haben eher eine zerebrale Ursache (Multiple Sklerose).
. Abb. 8.49 Jendrassik-Handgriff Radikulärer Schmerz. Von Radix (lat.), Wurzel. Der
Schmerz ist dermatomgebunden und zwiebel-
schalenartig.
hammers vom Kalkaneus aus den lateralen Fußrand ent- Peripherer Schmerz. Der Schmerz tritt lokal scharf
lang zu den Metatarsalia bis zur Großzehe. begrenzt auf (z. B. ein von peripheren Nerven ausge-
hender Schmerz, Nozizeptorenschmerz, sympathische
Reflexantwort. Plantarflexion der Zehen/des Fußes. Bei Reflexdystrophie, Osteoporoseschmerz).
Kindern kommt es in der Regel zu einem Zurückziehen Sympathischer Schmerz. Der Schmerz wird von
des Fußes. Eine Dorsalextension der Großzehe mit Patienten meist als brennend und ziehend beschrie-
Spreizung der Zehen ist eine pathologische Antwort ben. Er ist nicht dermatomgebunden und wird auch
(Babinski). als Kausalgie bezeichnet. Der sympathische Schmerz
ist die sensible Reaktion auf eine sympathische
jJendrassik-Handgriff (. Abb. 8.49) Dysfunktion.
Alle Reflexe können bei schwacher Reflexantwort gebahnt
werden, indem der Patient seine Finger ineinander hakt
und kräftig daran zieht. Aufgrund der multiplen differenzialdiagnostischen Mög-
lichkeiten sollten die Sensibilitätsstörungen quantifiziert
untersucht und analysiert werden. Geprüft werden sollten
8.8.14 Dermatomtestungen/ 4 Schmerzempfinden,
Sensibilitätsprüfung 4 Temperaturempfinden,
4 Berührungsempfinden und
Einem Nervensegment sind die Versorgungsgebiete Der- 4 Lage-, Kraft- und Vibrationsempfinden der Dermato-
matom, Myotom und Viszerotom zugeordnet. me Li–S3 im Seitenvergleich.
Das Dermatom rekrutiert sich aus dem Hinterhorn,
das Myotom aus dem Vorderhorn und das Viszerotom aus In . Abb. 8.50 werden die Dermatome der einzelnen Seg-
den Seitenhörnern: mente der Lendenwirbelsäule dargestellt.
4 Das Viszerotom (Enterotom) rekrutiert sich aus meh-
reren Segmenten, so dass monosegmentale Störungen
kompensiert werden können. 8.9 Totaltechniken für
4 Myotome sind nur selten monosegmental innerviert, Bandscheibenpatienten
sie beziehen ihre Innervation aus 2 oder gar 3 Seg-
menten. 8.9.1 Aufbau der Bandscheibe
4 Einzig Dermatome haben einen monosegmentalen
Aufbau. Die Schmerzzonen sind schmal und überla- Die fünf aus Faserknorpel (Typ 2/3) bestehenden Band-
gern sich kaum. Die Zonen des Berührungs- und scheiben der LWS haben eine Dicke von ca. 9 mm. Das
Druckempfindens sind breiter und überlagern sich. Verhältnis zwischen Diskus und Korpus beträgt 1:3.
Rr. dorsales Rr. ventrales Rr. dorsales Rr. ventrales Rr. ventrales
L1
L1 Th12 und
L2 L2 cranialere Segmente
Th12 und Th12 und
L3 cranialere Segmente L3 cranialere
Segmente
L4 L4 L1
L5 L1 L5 L1 S5
S1
S1
S2 S4
S2 L1
L2 S3
S3 L2
S4 L2 S3
Rr. ventrales
Rr. ventrales L2
S4 S4
S3 L3 S3
L3
L3
L3
S2
S2
L4
S2
8
L4
S1
L4
L4
L5
S2
L5
S1
S1 L5
S1
L5
a b
. Abb. 8.50a,b Anatomische Orientierung der Dermatome der LWS. a Dermatome von dorsal und lateral, b Dermatome von ventral und
medial (v. Lanz, Wachsmuth 1982, 2003)
4 Die inneren steilen Fasern richten sich bei Kom- 4 einem inneren Kern, dem Nucleus pulposus, der zu
pression auf und setzen den Druck in Zug um, wo- 80 % aus Wasser besteht. Der Nucleus pulposus ist ein
durch es zu einer segmental-ligamentären Anspan- hydroelastischer Dämpfer aus Mucopolysacchariden
nung kommt. Diese bewegt die Mm. multifidi und und besitzt die Fähigkeit, Wasser zu binden. Die
Mm. rotatores, die mit den Ligamenten verbunden Konsistenz des Nukleus kommt einer »gel-/frisch-
sind, zu einer aktiven Kokontraktion. käseartigen« Zuckerschleimmasse gleich, die von
4 Die äußeren Fasern haben die Aufgabe, die Rotation ihrer Matrix, einem ungeordneten, dünnen, steilge-
zu bremsen. Sie sind an den Randleisten der Wirbel- stellten Kollagennetz umgeben ist. Im Alter verödet
körper über Sharpey-Fasern fixiert. der Nucleus pulposus und ist vom Anulus fibrosus
kaum noch zu unterscheiden.
Die Aufgabe der Bandscheiben ist es, Druck- und Zug-
kräfte aufzufangen und dem Körper die Möglichkeit zu > Der Nukleus hat Kontakt zu den Deck- und End-
geben, sich um die Körperlängsachse zu drehen. platten seiner Wirbelpartner; zusammen bilden sie
eine funktionelle Einheit, d. h., dass der Nukleus
jAnulus fibrosus und Nucleus pulposus 5 bei Kompression Wasser an die knorpelüber-
Die Bandscheibe besteht aus: zogenen Deck- und Endplatten abgibt und
4 einem zu 60 % wasserhaltigen äußeren Ring, dem 5 bei Entlastung Wasser aus den benachbarten
Anulus fibrosus. Er besteht aus festem Kollagen, des- Wirbelkörpern entzieht.
sen im 25°- und 35°-Winkel aufgestellte Fasern ein
Maschengittersystem bilden, um auf Rotation und Dieser Flüssigkeitsaustausch entspricht der Be- und
Kompression reagieren zu können. Entlastung des Menschen.
8.9 · Totaltechniken für Bandscheibenpatienten
361 8
8.9.2 Pathomechanismus und auch durch seine dynamisierenden muskulären An-
eines Bandscheibenvorfalls sätze selektiv desorientiert ist:
4 Die Mm. multifidi dynamisieren die Aponeurosis
In den meisten Fällen befindet sich ein Diskus, der kurz vor lumbodorsalis und das Lig. supraspinale.
dem Prolaps steht, in einem dehydrierten, unelastischen 4 Der M. rotatoris longus dynamisiert die Ligg.
Zustand, der Diskose. Diese verursacht ein Derangement, interspinalia.
wobei es zu inneren Einrissen des Anulus fibrosus kommt. 4 Nur der M. rotatoris brevis (monosegmental)
Die inneren Einrisse und die intradiskale Drucksteigerung dynamisiert die Kapselbänder und dadurch indirekt
auf den äußeren Ring verursachen lokalsegmentale lum- das Lig. flavum. Somit ist er unabhängig vom
balgische Beschwerden. Nur selten entsteht eine Diskus- ligamentären System; er reagiert auf das kapsuläre
hernie bei intakter Bandscheibe; meist entsteht sie durch System.
schwerste Belastungstraumen, wodurch es zu Einrissen
von außen nach innen kommt. jPhysiotherapie
In der Therapie werden Nah- und Fernziele festgelegt.
> Die Einrisse der Bandscheibe werden differenziert in
Nahziele sind die
5 Einriss von außen. Die Bandscheibe weist in den
4 neurale Druckentlastung,
äußeren Randgebieten zahlreiche Nozizeptoren
4 intradiskale Nukleuszentrierung,
auf.
4 Verbesserung der Trophik für die Bandscheiben, das
5 Einriss von innen. Die Bandscheibe wird im Innern
umliegende Weichteilgewebe und die Deck- und
nur gering nozizeptiv versorgt (Derangement).
Endplatten,
Äußerer Bandscheibenvorfall. Der äußere Band- 4 Erarbeitung der Voraussetzungen für die Bildung
scheibenvorfall passiert ohne Vorankündigung einer dreidimensionalen Festigkeit des Kollagens
durch eine rotatorische Überbelastung, die oft und für eine dreidimensionale Bewegungsfähigkeit
durch Konstitutionsbedingungen begünstigt wird, mittels piezoelektrischer Aktivität und Belastungs-
z. B. aktivität, entsprechend der Kollagensynthese der
5 hochlumbaler Gibbus, Bandscheibe.
5 Entlordosierung,
5 anguläre arthrokinematische Bewegungen durch Fernziel ist die
ungleiche Winkelgrade der Facettenstellungen 4 komplexe Belastungsfähigkeit des Diskus und seiner
mit daraus folgender Verlagerung der Belas- synergistischen Strukturen.
tungsachse für die Bandscheibe.
jProtrusion
Innere Bandscheibenverletzung. Die Zeichen einer Um den großen Bewegungsumfang der Divergenz in der
inneren Bandscheibenverletzung sind LWS zu gewährleisten, bestehen die dorsalen Kollagen-
5 kontinuierlich tiefer Rückenschmerz; fasern des Anulus fibrosus zum Teil aus dünnerem elastin-
5 negative neurologische Zeichen; haltigem Kollagen.
5 der Rückenschmerz verstärkt sich bei Bewegung Bei Rumpfflexion oder bei Entlordosierung ist die
(aufgrund der chemischen Nozizeption); Vorspannung des 4–6 % dehnbaren Kollagens früh auf-
5 der Schmerz lässt sich durch Provokation gebraucht, wodurch sich die Torsion der Bandscheibe
reproduzieren. gänzlich aufhebt. Zusätzlich liegen im mediolateralen/
lateralen Bandscheibenbereich die ehemaligen Gefäßein-
jTurgor der Bandscheiben trittskanäle, die einen Kollagenschwachpunkt der Band-
Der Turgor einer normalen Bandscheibe (interdiskale scheibe darstellen:
kohäsive Flüssigkeit) bewirkt eine optimale Spannung der 4 Protrusionen/Bandscheibenhernien (Beispiel L4) im
segmentalen ligamentären Strukturen (diskoligamentä- mediolateralen Bereich verursachen eher eine Irrita-
rer Spannungsausgleich). tion der im Recessus lateralis verlaufenden Spinal-
Ein fehlender Turgor bedeutet nerven des darunterliegenden Segments (L5).
4 eine Mehrbelastung der Muskulatur sowie 4 Protrusionen/Bandscheibenhernien (Beispiel L4) im
4 eine Nukleusbewegung im Diskuskern. lateralen Bereich verursachen eher eine Irritation
des Spinalnerven des gleichen Segments (L4) von
Durch die entstehende Gefügelockerung werden die pro- kranial her, einen sog. »Schulterprolaps« (siehe
priozeptiv versorgten ligamentären Strukturen insuffizi- Übersicht am Ende des Abschnitts).
ent, so dass das dynamische muskuläre System nerval
362 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
Der Patient reagiert mit einer Deviation zur kontralatera- körper, vorwiegend der Deck- und Endplatten. Die Kraft
len Seite, um die Protrusion vom Spinalnerven fern zu hal- des Nukleus, Wasser zu binden, lässt nach, und er wird den
ten. Das Schmerzempfinden ist je nach Herniengröße Druckanforderungen nicht mehr gerecht. Der Diskus
mehr- oder monosegmental: verliert an Höhe, wodurch die Facettengelenke vermehrt
4 mehrsegmental, wenn der Recessus lateralis spinalis belastet werden. Es kommt zu einer ligamentären Ent-
und die Nervenwurzel des gleichen Segments be- spannung und dadurch verursacht, zu einer passiven Insta-
troffen sind und bilität, einem veränderten Muskeltonus der segmentab-
4 monosegmental, wenn nur der Recessus lateralis sichernden Muskeln, einer Fehlstellung der Facettengelenke
spinalis betroffen ist. sowie zu reaktiven Veränderungen wie der Bildung von
Osteophyten an den Facettengelenken.
Ein langsam anwachsender Schmerz sagt aus, dass keine
> Bückende und sitzende Tätigkeiten bewirken die
Rotationsläsion, sondern eine Kompressionsläsion vor-
höchste Dehydrierung der Bandscheibe. Liegende
liegt. Ursache ist ein instabiler, dehydrierter Nukleus
oder halbliegende Positionen fördern die Hydration
(Derangement), bei dem die Rissbildung von innen nach
der Bandscheibe.
außen verläuft und der die außen verstärkt vorhandenen
Nozizeptoren langsam durch zunehmenden Druck reizt Die Dehydrierung entspricht der Belastung, die eine
(Lumbago). Bandscheibe erfährt:
4 im Liegen 25 kg,
8 jProlaps 4 im Stehen 100 kg,
Anders zeigt sich die schmerzhaftere Rotationsruptur, bei 4 im Sitzen 150 kg.
der der äußere Ring mit den umliegenden Nozizeptoren zer- 4 Husten, Niesen und Pressen machen durch die
rissen wird. In diesem Falle ist eine sofortige Entlastung an- Druckerhöhung im interdiskalen Bereich
gezeigt. Die Schonhaltung des Patienten ist zu respektieren, ca. 150–200 kg Mehrbelastung aus.
da sich die Fasern dadurch annähern und neu verbinden.
Das Rotationsrupturen zugrunde liegendende patho- Die Bewegungsachsen liegen in der Norm dorsal der
logische Muster erzeugt unterschiedliche Beschwerdebil- Bandscheibe. Die Bandscheibe wird zur Evolute, zu einer
der: beweglichen Achse:
4 Entsteht ein Rotations-Flexionstrauma, bei dem die 4 bei Flexion wandert sie nach ventral,
Rotation im Vordergrund steht, können die inneren 4 bei Rotation nach links verlagert sie sich in die rechte
Kollagenfasern unverletzt bleiben. Es kommt noch Mitte,
nicht zum Ausbruch der Nukleusmasse (hohe Bin- 4 bei Lateralflexion wandert sie zur homolateralen Seite
dungskraft des Nukleus) in den perimedullären der Bandscheibe.
Raum. Der Rotationseinriss kann je nach Trauma-
tisierung durch Aufquellung mit einem monoseg- Eine Nukleuswanderung kommt bei einer intakten Band-
mentalen mechanischen Spinalnervenreiz verbunden scheibe nicht vor. Für die Bandscheibe ist es physiologisch,
sein oder auch, bei Reizung des N. sinuvertebralis, Kompression zu kompensieren. Bei Druck verliert sie sehr
mit einer über 3 Segmente verlaufenden Lumbago. langsam Flüssigkeit. Bei Entlastung oder Traktion/Separa-
4 Entsteht ein Flexions-Rotationstrauma, bei dem die tion nimmt sie in einem sehr kurzen Zeitraum Flüssigkeit
Flexion im Vordergrund steht, besteht die Gefahr, auf.
dass trotz der hohen Bindungskraft des Nukleus In der folgenden Übersicht sind die fünf bekannten
Nukleusmaterial durch den Riss in den perimedullä- Pathomechanismen der Bandscheibenläsionen zusam-
ren Raum eindringt. Dieser raumfordernde Prozess mengefasst.
und die Entzündungsreaktion können erheblich
schwerwiegender sein, so dass sich das Beschwerde-
bild in einem entsprechend größeren Ausmaß zeigt. Übersicht: Pathomechanismen von
Bandscheibenläsionen
jUnterbelastung der Bandscheibe Derangement (innere Protrusion). Innere Nukleus-
Die größte Beeinträchtigung der Bandscheibe kommt verschiebung, wobei eine Protrusion noch nicht zu er-
jedoch durch die Unterbelastung zustande, die in unserer kennen ist. Es kommt zu einer inneren Instabilität des
Arbeitswelt und unserem Freizeitverhalten alltäglich ge- Nukleus durch Veränderung der Bindungskräfte im
worden ist. Nukleus selbst. Diese kann zu Einrissen im Anulus
Die Folge ist eine Syntheseinaktivität der regenerieren- fibrosus führen, die, wenn sie die Nozizeptoren im
den Zellen der Bandscheibe selbst und auch der Wirbel-
8.9 · Totaltechniken für Bandscheibenpatienten
363 8
1/4 1/4
3/4
3/4
. Abb. 8.54 Lateraler Schulterprolaps, links . Abb. 8.55 Mediolateraler Schulterprolaps, links
4 Totaltechnik zur Behandlung eines lateralen und > Der Behandlungserfolg zeigt sich durch eine
mediolateralen Bandscheibenvorfalls bei Bandschei-
8 benachselläsionen.
abnehmende Deviation und eine zunehmende
Extensionsfähigkeit in der Behandlung.
4 McKenzie-Technik bei medialen Bandscheiben-
läsionen. Zeichen. Der Patient zeigt eine Deviation zur heterolate-
ralen Seite.
8.9.7 Behandlung eines »Schulter- ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Die betroffene Seite
prolapspatienten« (Spinalnerv wird liegt oben. Der Rumpf wird in Lateralflexion rechts, ent-
von kranial komprimiert) sprechend der Deviationshaltung des Patienten eingestellt.
Beide Beine sind in 70° Hüftflexion angewinkelt.
Die Behandlung eines »Schulterprolapspatienten« bein-
haltet als ASTE die Entlordosierung, die häufig als Devia- Ausführung. Der Therapeut hakt seine linke Hand kranial
tionshaltung bei lateralen oder mediolateralen Bandschei- des Trochanter major an, seine rechte Hand liegt am Tho-
benvorfällen vorkommt. Über die Einstellung des Kopfteils rax unterhalb des Schulterblatts. Der Therapeut gibt für
bzw. eine Dachstellung der Behandlungsbank wird der 3–4 min einen Separationsschub: % der Schubkraft gehen
Deviation in der Frontalebene entsprochen: nach kranial und M nach kaudal. Am Ende der Distraktion
4 beim lateralen Bandscheibenvorfall eher frontal, soll durch Anspannen der heterolateralen Schulter nach
4 beim mediolateralen Bandscheibenvorfall eher 45° dorsal ein Segmentschluss erreicht werden. Danach wird
nach anterior gedreht. der Rumpf in der neuen Deviations-ASTE eingestellt.
Nach der Behandlung sollte der Patient beide Beine an-
Um optimal aus den Armen heraus arbeiten zu können, winkeln und sich »en bloc« aufrichten.
wird die Behandlungsbank in Kniehöhe des Therapeuten
eingestellt. > In den ersten Tagen sollte täglich behandelt werden.
Benötigt der Patient keine Entlordosierung (mehr),
oder ist diese sogar schmerzhaft, wechseln wir zu einer jTotaltechnik bei einem mediolateralen Band-
Extensionsmobilisationstechnik. Der Vorteil dieser Tech- scheibenvorfall (Schulterprolapstyp) (. Abb. 8.55)
nik besteht darin, in physiologisch lordotischer Stellung Bei einem mediolateralen Bandscheibenvorfall wird der
der LWS behandeln zu können. Patient so positioniert, dass die Distraktionskraft lateral-
medial wirken kann. Die Vorgehensweise entspricht der
jTotaltechnik bei einem lateralen Bandscheiben- beim lateralen Bandscheibenvorfall.
vorfall (Schultprolapstyp) (. Abb. 8.54)
> Die Behandlung dauert so lange an, bis der Patient
Ziel. Abnahme des Drucks und Zentrierung des interdis-
keine Deviation mehr zeigt und fähig ist, eine
kalen Nukleus.
Kokontraktion aufzubauen. Erst wenn diese
Kriterien erfüllt sind, ist das Kollagen eindimen-
sional belastbar.
8.9 · Totaltechniken für Bandscheibenpatienten
367 8
3/4 1/4
3/4 1/4
. Abb. 8.56 Lateraler Achselprolaps, links . Abb. 8.57 Mediolateraler Achselprolaps, links
8.9.8 Behandlung eines »Achselprolaps- ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Die betroffene Seite
patienten« (Spinalnerv wird von liegt oben. Beide Beine sind in 70° Hüftflexion angewin-
kaudal komprimiert) kelt. Die Deviationshaltung des Patienten, die linksseitige
Lateralflexion, wird durch Geradestellung der Behand-
Die Behandlung eines »Achselprolapspatienten« beginnt lungsbank oder Anheben des Beinteils eingestellt.
in der ASTE der Entlordosierung, die häufig als Deviations-
haltung bei lateralen oder mediolateralen Bandscheiben- Ausführung. Der Therapeut hakt seine linke Hand kranial
vorfällen vorkommt. Über die Einstellung des Beinteils des Trochanter major an, seine rechte Hand liegt am
bzw. einfache Geradestellung der Behandlungsbank wird Thorax unterhalb des Schulterblatts. Der Therapeut gibt
der Deviation in der Frontalebene entsprochen: für 3–4 min einen Separationsschub mit beiden Händen:
4 beim lateralen Bandscheibenvorfall eher frontal, ¾ der Schubkraft gehen nach kaudal und ¼ nach kranial.
4 beim mediolateralen Bandscheibenvorfall eher Anschließend wird durch das Anspannen der heterolate-
sagittofrontal. ralen Schulter nach dorsal ein Segmentschluss erreicht.
Danach wird der Patient in der neuen Deviations-ASTE
Um optimal aus den Armen heraus arbeiten zu können, eingestellt. Nach der Behandlung sollte der Patient beide
wird die Behandlungsbank in Kniehöhe des Therapeuten Beine anwinkeln und sich »en bloc« aufrichten.
eingestellt.
> In den ersten Tagen sollte täglich behandelt
Benötigt der Patient keine Entlordosierung (mehr),
werden.
oder ist diese sogar schmerzhaft, wird der Patient zuneh-
mend in der physiologisch lordotischen Stellung der LWS
vorpositioniert. Je mehr Extension der Patient zulassen jTotaltechnik bei einem mediolateralen Band-
kann, umso weiter kann die Wirbelsäule von kranial her bis scheibenvorfall (Achseltyp) (. Abb. 8.57)
auf 2 Segmente oberhalb des betroffenen Segments verrie- Bei einem mediolateralen Bandscheibenvorfall wird der
gelt werden und eine höhere Distraktionskraft entwickeln. Patient so positioniert, dass die Distraktionskraft lateral-
medial wirken kann. Die Vorgehensweise entspricht der
jTotaltechnik bei einem lateralen Bandscheiben- beim lateralen Bandscheibenvorfall.
vorfall (Achseltyp) (. Abb. 8.56)
> Die Behandlung dauert so lange an, bis der
Ziel. Abnahme des Drucks und Zentrierung des interdis-
Patient keine Deviation mehr zeigt und fähig ist,
kalen Nukleus.
eine Kokontraktion aufzubauen. Erst wenn
> Der Behandlungserfolg zeigt sich durch eine diese Kriterien erfüllt sind, ist das Kollagen
abnehmende Deviation und eine zunehmende eindimensional belastbar.
Extensionsfähigkeit in der Behandlung.
a b
. Abb. 8.58a,b Kokontraktionstestung von L5, mit anatomischer . Abb. 8.59 Alternative Kokontraktionstestung am »Pull down-
8 Orientierung Gerät«
8.9.9 Level-1-Rehabilitation der Band- Ab dem 10. Tag sollte die muskuläre eindimensionale
scheibe ab dem 6. Tag einer Konzentrik im Vordergrund stehen. Das Ziel ist es, die ge-
physiologischen Regeneration stresste, im Vorfeld oft untrainierte Muskulatur mit der
einfachsten Bewegungsform anzusprechen. Es handelt sich
jGrundvoraussetzungen hierbei nicht um eine Kräftigung im Sinne der Trainings-
Signifikante Zeichen einer physiologischen Regeneration lehre. Auch die Hausaufgabe ändert sich je nach Kokon-
sind: traktionsfähigkeit des Patienten.
4 eine aufgehobene Deviation,
4 die Druckbelastung verursacht keine Schmerzen jKokontraktionstestung von L5, mit anatomischer
und Orientierung (. Abb. 8.58)
4 eine ausreichende Konvergenzfähigkeit in beiden ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz. Er kreuzt seine Arme
Facettengelenken des betroffenen Gelenks, so dass die ventral und legt sie auf den Schultern ab.
Rami articulares den M. rotatoris brevis aktivieren
können. Ausführung. Der Therapeut palpiert mit seiner kaudalen
4 Das Zentrieren des Nukleus durch die »Sandsack- Hand paraspinal die Weichteile des betroffenen Segments
Hausaufgabe« ist nicht mehr erforderlich. und gibt über Ellenbogen und Hand einen Druck über
4 Ab dem 10. Tag sollte mit der Reduktion der beide Schultern nach kaudal.
zentralen Schmerzmittel begonnen werden.
4 Die ernährungsbedingte Unterstützung der Eiweiß- jAlternative Kokontraktionstestung am
synthese bleibt weiterhin bestehen. »Pull down-Gerät« (. Abb. 8.59)
4 Der Patient sollte sich normal bewegen, jedoch nicht ASTE. Der Patient sitzt. Die Griffhaltung des Patienten ist
bewusst in Flexion oder Extension belasten. mehr als schulterbreit und im Schulterverlauf. Die Hüfte
ist in 70° Hüftflexion eingestellt.
Dieser Zeitraum kann sich aus unterschiedlichsten Grün-
den verlängern, z. B. bei Rauchern, durch Einnahme von Ausführung. Der Therapeut sitzt hinter dem Patienten
Antiphlogistika, Alter etc. und palpiert paraspinal die Weichteile des betroffenen Seg-
ments. Der Patient drückt die Hebearme gegen das fixierte
jPhysiotherapeutische Behandlung Gewicht nach oben. Der Therapeut kontrolliert, ob der
Ab dem 6. Tag kann die physiotherapeutische Behandlung Druck im betroffenen Segment ankommt.
mit dem eigentlichen »Rehaprogramm Bandscheibe«
beginnen, wobei in Übergangsphasen weiterhin die Anzahl und Dosierung. 13–20 WH, 60–90 sec Pause,
Kokontraktionskraft mittels Steigerung von Druck und 3–5 Serien.
Amplitude gestärkt wird.
8.9 · Totaltechniken für Bandscheibenpatienten
369 8
a b
8.9.10 Statisches-/Kokontraktionstraining
. Abb. 8.61 Maintained-Approximation-Training am »Pull down-
j»FOST«-Maintained Approximation (. Abb. 8.60) Gerät« (Schulterfixator)
Ziel. Langanhaltende Aufrechthaltung mit Stimulierung
des Haltereflexes aus einer vorgegebenen Haltung.
a b c
. Abb. 8.63a–c Dynamisches Kokontraktionstraining der LWS am »Frontpress-Gerät«. a ASTE, b MSTE, c ESTE
Anzahl und Dosierung. 1 sec Druck, 13–20 WH, 60–90 sec Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause, 3–5
Pause mit völliger Druckentlastung, 3–5 Serien. Serien, Tempo 1 – 0 – 1. Serienpausen aktiv nutzen, z. B.
8 aktive Extension wie in der Übung, jedoch ohne Gewicht.
jDynamisches Kokontraktionstraining der LWS am
»Frontpress-Gerät« (. Abb. 8.63) jEindimensionale Konzentrik mit Langhantel
Zeitraum. Das Training kann ca. ab dem 10. Tag beginnen. (. Abb. 8.65)
Zeitraum. Das Training kann ca. ab dem 10. Tag beginnen,
ASTE. Der Patient sitzt. Die Griffhaltung des Patienten ist wenn eine dynamische Kokontraktion möglich ist.
mehr als schulterbreit und im Schulterverlauf. Die Hüfte
ist in 70° Hüftflexion eingestellt. ASTE. Der Patient steht.
Ausführung. Der Patient drückt die Hebearme gegen das Ausführung. Der Therapeut legt dem Patienten eine 16 kg
Gewicht nach oben. In der MSTE sollten die Ellenbogen schwere Langhantel auf die Schultern. Die Füße werden ge-
90° flektiert sein. In der ESTE lässt der Patient die gesamte rade gestellt, um die Wirbelsäule axial zu belasten. Bei leich-
Muskelspannung los, bevor er wiederholt startet. ter Knieflexion beginnt der Patient sein Becken zu kippen
und gleichzeitig sein Gesäß nach dorsal zu bewegen.
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 1, Gewichtsbelastung 30–40 %, Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
Tempo 1 – 0 – 1. Serienpausen aktiv nutzen. 3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. Serienpausen aktiv nutzen,
z. B. aktive Lordose der LWS, ohne Gewicht.
a b c
a b c
a b c
Ausführung. Der Patient wippt auf dem Ball auf und ab.
Zusätzlich rotiert er 50 % und 100 % den Oberkörper.
jMehrdimensional-konzentrisches Muskelaufbau-
training am Zuggerät (. Abb. 8.71)
b
Ziel. Rotatorische Ansprache der linksseitigen Mm. rota-
. Abb. 8.68a,b Chondromukoidtraining, anatomische Orientie- tores und multifidi, unter Kokontraktion.
rung. a Ruhephase, b Belastungsphase. Runder, blauer Smiley:
Hydrationszustand, nährstoffreiche Flüssigkeit. Ovaler, hellblauer > Trainiert wird nur der Hinweg.
Non-Smiley: Dehydrierungszustand, nährstoffarme Flüssigkeit
ASTE. Der Patient sitzt in 70° Hüftflexion.
innervieren. Der Flüssigkeitsverlust einer verletzten Ausführung. Um die Rami articulares zu stimulieren und
Bandscheibe ist ca. doppelt so hoch wie der einer gesun- damit die Kokontraktionsfähigkeit in der Dynamik zu ver-
den Bandscheibe. Ein Be- und Entlastungstraining dyna- bessern, wird ein 1 kg schwerer Sandsack auf den Kopf des
misiert das System und ist Wegbereiter für die passive Sta- Patienten gelegt. Der Arm des Patienten greift den Seilzug
bilität. aus einer 90°-Flexionshaltung im GHG. Der Ellenbogen ist
gestreckt, und der Seilzug zeigt Spannung. Der Patient
jBe-/Entlastung der Bandscheibe durch zieht den Griff/Gewicht unter Beugung des Ellenbogenge-
Chondromukoidtraining (. Abb. 8.69) lenks in Retroversion und rotiert dabei ca. 45° in die
ASTE. Der Patient sitzt mit aufgerichtetem Oberkörper auf Zugrichtung. In der Endstellung wird das Gewicht durch
dem Pezziball, Hüftflexion nicht <90°. den Therapeuten oder mit der freien Hand des Patienten
abgenommen, so dass keine Exzentrik entsteht.
Ausführung. Der Patient wippt auf dem Ball auf und ab.
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
Anzahl und Dosierung. Frequenz 30–60/min, Dauer 5 min. 3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
a b
a b c
a b c
a b c
. Abb. 8.73a–c Hausaufgabe: Mehrdimensional-konzentrisches Training mit Theraband. a ASTE, b MSTE, c ESTE
ASTE. Der Patient kniet mit seinem linken Bein auf der
Trainingsbank und stützt sich mit der linken Hand auf der-
selben ab. Das rechte Bein steht gestreckt neben der Bank
mit Bodenkontakt.
Ausführung. Der Patient umfasst mit der rechten Hand Ausführung. Beide Arme sind in 45° Flexion im GHG und
ein in Schulterhöhe fixiertes Theraband. Er zieht das ge- 90° Ellenbogenflexion eingestellt. Der Patient hält mit bei-
spannte Theraband in horizontale Extension und rotiert den Händen ein 2-kg-Gewicht vor der Brust. Die Knie sind
dabei um ca. 45° in die Zugrichtung. In der Endstellung leicht gebeugt, die LWS ist leicht lordosiert, das Gesäß ist
wird der Zug durch die freie Hand des Patienten abgenom- leicht nach dorsal geschoben. Aus dieser Vorposition geht
men, so dass keine Exzentrik entsteht. der Patient in eine 40°-Kniebeuge.
376 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
a a
b b
. Abb. 8.75a,b Eindimensionales Muskelaufbautraining: Exzentrik . Abb. 8.76a,b Eindimensionales Muskelaufbautraining: Exzentrik
mit »Good morning-Konvergenz«. a ASTE, b ESTE mit »Good morning-Divergenz«. a ASTE, b ESTE
Anzahl und Dosierung. 13–20 WH, 60–120 sec Pause, jEindimensionales Muskelaufbautraining: Exzentrik
3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. mit »Good morning-Divergenz«, »Stiffed legged
good morning« (. Abb. 8.76)
jEindimensionales Muskelaufbautraining: Exzentrik Ziel. Ansprache der Exzentrik bei provokativer Divergenz
mit »Good morning-Konvergenz« (. Abb. 8.75) der Facettengelenke.
Ziel. Ansprache der Exzentrik bei erhaltender Konvergenz
der Facettengelenke. ASTE. Der Patient steht.
ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit aus- Ausführung. Wie in .. Abb. 8.75; jedoch mit extendierten
einander; Knie und Hüfte sind leicht gebeugt. Kniegelenken. Dadurch wird eine Divergenz der LWS bei
Rumpfflexion ermöglicht.
Ausführung. Dem Patienten wird eine ca. 10 kg schwere
Langhantel ohne Gewichte auf die Schultern gelegt. Die jMehrdimensionales Muskelaufbautraining:
Knie werden ca. 10–20° gebeugt, um die Konvergenz in der Exzentrik mit »Langhantel-Konvergenz«
LWS zu erhalten. Der Patient kippt langsam, bei beibehal- (. Abb. 8.77)
tener Lordoseeinstellung der LWS, seinen Rumpf nach Ziel. Ansprache der Exzentrik bei erhaltender Konvergenz
vorne unten bis max. 90°. der Facettengelenke.
Steigerung. Beim schnellen Beüben werden Position und ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit aus-
Winkel der Rumpfbeugung sowie die Zeit vorgegeben. einander.
Anzahl und Dosierung. 13–20 WH, 90–120 sec Pause, Ausführung. Dem Patienten wird eine ca. 10 kg schwere
3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 1. Langhantel ohne Gewichte auf die Schulter gelegt. Die
Knie werden 10–20° gebeugt, um die Konvergenz in der
LWS zu erhalten. Der Patient beugt langsam, bei beibehal-
tener Lordoseeinstellung der LWS, seinen Rumpf nach
vorne unten bis max. 90° Hüftflexion.
8.9 · Totaltechniken für Bandscheibenpatienten
377 8
a a
b b
jMehrdimensionales Muskelaufbautraining:
Exzentrik mit »Langhantel-Divergenz« (. Abb. 8.78)
Ziel. Ansprache der Exzentik bei provokativer Divergenz
der Facettengelenke.
ASTE. Der Patient steht mit 10–20° gebeugten Kniegelen- Anzahl und Dosierung. 13–20 WH, 90–120 sec Pause,
ken und hält mit der rechten Hand in 110° Schulterabduk- 3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 1.
378 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
a b
jAlternative: Mehrdimensional-exzentrisches
. Abb. 8.81 Tertiäres exzentrisches Bandscheibentraining: Extenso-
Muskelaufbautraining, mit Hantel (. Abb. 8.80)
8 Ziel. Exzentrisch-rotatorische Ansprache der linksseitigen
rentraining der LWS mit Langhantel als »Basic Front«
jPhysiotherapeutische Behandlung Anzahl und Dosierung. 8–12 WH, 60–90 sec Pause, 3–5
Ab dem 42. Tag ist es das physiotherapeutische Ziel, den Serien, Tempo 1 – 0 – 2>3>4>5. Betonung der exzentri-
Patienten in seiner arbeits- und sportspezifischen Belas- schen Belastung.
tungsfähigkeit zu fördern. Diese wird durch ein gezieltes
Training erreicht, das die Komponenten beinhaltet:
8.9 · Totaltechniken für Bandscheibenpatienten
379 8
a b a b
. Abb. 8.82a,b Tertiäres exzentrisches Bandscheibentraining: . Abb. 8.83a,b Exzentrisches Belastungstraining mit Kurzhantel.
Extensorentraining der LWS mit Langhantel als »Jefferson Lift«. a ASTE, b ESTE
a ASTE, b ESTE
Anzahl und Dosierung. 8–12 WH, 60–90 sec Pause, Ausführung. Der Patient hält die Hantel mit der rechten
3–5 Serien, Tempo 1 – 0 – 2>3>4>5. Hand in Elevation/Abduktion.Er macht tiefe Ausfall-
schritte und hält die Hantel dabei in Position.
8.9.18 Dynamischer Ausfallschritt unter Anzahl und Dosierung. 8–12 WH, 60–90 sec Pause, 3–5
Berücksichtigung schneller Exzentrik Serien. Die Pausen werden durch Trophiktraining genutzt.
Die Geschwindigkeit wird unter Beibehaltung der rotato- jSteigerung des exzentrischen Belastungstrainings:
rischen Komponente erhöht, z. B. beim Treppab- und Beidbeiniger Sprung mit Kurzhantel für LWS links
Bergabgehen, »Beingreifer« beim Judo, Vorbereitung für (. Abb. 8.84)
Crosscountry, Skilauf und beim Spielen eines »tiefen Ziel. Wiedereingliederung und Harmonisierung von
Volley« im Tennis. Sportbewegungen wie z. B. Weitsprung, Judo (Tomoe
nage), Handball (Landung nach Sprungwurf).
jExzentrisches Belastungstraining mit Kurzhantel
für LWS links (. Abb. 8.83) ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit aus-
Ziel. Wiedereingliederung und Harmonisierung von einander.
Sport- und Arbeitsbewegungen.
Ausführung. Der Patient hält die Hantel mit der rechten
ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit aus- Hand in Elevation/Abduktion. Er macht aus einer tiefen
einander. Kniebeuge heraus einen Sprung mit beiden Beinen in die
380 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
8.10.1 Besonderheiten
der Lendenwirbelsäule a b
Kapselmuster. Ein Kapselmuster ist der LWS kaum zuzu- Ausführung. Der Therapeut steht seitlich neben dem Pati-
ordnen. Beschrieben wird das Verhältnis der Extension – enten und legt seine linke Daumenbeere so auf den DFS
Lateralflexion – Flexion – Rotation zueinander mit 2:1:1:1. von L1, dass seine Daumenspitze den kaudalen Aspekt des
Es findet sich nur bei Systemerkrankungen, z. B. bei DFS von Th12 noch palpiert. Der Patient kreuzt seine
Morbus Bechterew. Arme und legt sie diagonal auf seinen Schultern ab. Der
8.10 · Gelenkspezifische Untersuchung der LWS
381 8
Th 12
Th 12 L1 Th 12
L1 L1
Th 12
L1
a b a b
. Abb. 8.86a,b Belastete Rotation: Linksrotation. a ASTE, b Linksro- . Abb. 8.87a,b Belastete Rotation: Linksrotation in Konvergenz.
tation a ASTE, b Linksrotation
. Abb. 8.88 Unbelastete Divergenztestung . Abb. 8.89 Unbelastete Divergenztestung der Segmente L4/L5
und L3/L4
Therapeut umgreift den Patientenoberkörper von ventral jUnbelastete Divergenztestung (. Abb. 8.88)
und führt diesen in Linksrotation. Er testet die segmental > Die Testung beginnt bei S1/L5 und L5/L4.
ablaufende Rotation.
Ziel. Lokalsegmentales Öffnen.
Befund. Bei einem Vorlauf des kaudalen Wirbelkörpers
handelt es sich um eine Hypomobilität/Blockade. Bei ASTE. Der Patient liegt in Seitlage.
einem Nachlauf des kaudalen Wirbelkörpers handelt es
sich um eine Hypermobilität/Instabilität. Ausführung. Der Therapeut steht vor dem Patienten und
führt die Patientenbeine in 70° Hüftflexion. Er legt seinen
> In der LWS rotieren die Lendenwirbelkörper 1–4
rechten Zeigefinger an den Interspinalraum S1/L5 und den
unilateral 1°.
Mittelfinger an den Interspinalraum L5/L4. Der Patient
kreuzt seine Arme und legt sie diagonal auf seinen Schul-
jBelastete Rotation: Linksrotation in Konvergenz tern ab. Der Therapeut führt mit seiner kaudalen Hand die
(. Abb. 8.87) Patientenbeine weiter in Flexion und palpiert das Öffnen
ASTE. Der Patient sitzt im Tubersitz in 70° Hüftflexion. der Interspinalräume.
Ausführung. Wie in . Abb. 8.86; jedoch wird die LWS Befund. Eingeschränkte Flexion.
extendiert, um eine Konvergenz zu erzeugen. Die belastete
Rotation in Konvergenz gibt primär Hinweise auf die jUnbelastete Divergenztestung der Segmente L4/L5
Gelenkmechanik, da aufgrund der Druckerhöhung der und L3/L4 (. Abb. 8.89)
Facetten ein optimales Gleitverhalten notwendig wird. ASTE. Der Patient liegt in Seitenlage.
382 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. . Abb. 8.90 Unbelastete Rotation des Segments Th12/L1, rechts
a b c
a b c
Palpation L1/L2 rechts, jetzt an linker Schulter nach ant- Viszerale Störungen. Häufig entstehen funktionelle
erior, Spannung vom Rotatores Brevis monosegmental Störungen einer Segmenthöhe auch durch viszerale
(. Abb. 8.96c). Reizzustände, die die autochthone Rückenmuskulatur
irritieren können:
Interpretation. Physiologische Reaktion: Spannungs- 4 Eine Magenerkrankung kann Störungen in den
aufbau musc. rotatores brevis und Druck vom Spinosi an Segmenten Th5–Th9 auslösen.
den palpierenden Finger. 4 Eine Nierenerkrankung kann Störungen in den
Segmenten Th9–L2 verursachen.
4 Blase und distales Kolon können Störungen in den
8.11 Lokalsegmentale Behandlung einer Segmenten L3–S2 auslösen.
Hypomobilität
Viszerovertebrale Störungen zeigen sich in der Praxis
8.11.1 Hypomobilität immer wieder als medikamentös resistent. Osteopathi-
sche Techniken und die Beeinflussung über Head-Zonen
Die Indikation für eine lokalsegmentale Behandlung ergibt verbessern die Beschwerden der Patienten deutlich. Es wäre
sich aus den aus Anamnese, Basisuntersuchung und lokal- ein großer Fehler, diese Patientengruppe unter der Rubrik
segmentaler Untersuchung erhaltenen Informationen. »psychosoziale Probleme, psychischer Stress, depressive
Bei einer Hypomobilität lassen sich die Ursachen hin- Stimmung oder hypochondrischer Schmerz« einzuordnen
sichtlich ihres Ursprungs unterscheiden in: und abzustempeln. Das Zusammenkommen mehrerer Fak-
4 gelenkmechanische Störungen, toren, z. B. das Aktivieren der Afferenzen im Hinterhorn-
4 neurologische Erkrankungen komplex kann zu paradoxen Reaktionen führen wie
4 viszerale Reizzustände. 4 Schweißausbruch,
4 paroxysmale Dyspnoe (anfallsweise auftretende
Gelenkmechanische Störungen. Ein Hypertonus der Atemnot),
Muskulatur und die daraus folgende Bewegungslimitie- 4 Blutdruckabfall,
rung können ursächlich für die Hypomobilität der Kapsel 4 Extrasystolie,
verantwortlich sein. 4 gastrokoronare Reflexstörungen mit Herz-Kreislauf-
Muskeltonuserhöhungen entstehen aufgrund: Beschwerden (Römheld-Tecklenburg-Ceconi-
4 einer ablaufenden Gelenkproblematik, Syndrom).
4 einer Kompression des Facettengelenks wie z. B. bei
unilateralen Achsenabweichungen, Für den Manualtherapeuten ist es wichtig, exakt zu diag-
4 einer Reizung der sympathischen Nervenfasern und nostizieren, um gezielt therapeutisch reagieren zu können.
4 einer vasomotorischen Dysregulation. Auch eine »einfache Massage« kann einen vertebragenen
8.11 · Lokalsegmentale Behandlung einer Hypomobilität
387 8
Störfaktor, der eine vegetative Irritation verursacht, be- 4 Kapselmobilisation mittels TLG in Divergenz oder
seitigen. Konvergenz.
L4 L3
L4 L3
a b
L4 L3 L2
8
L2
c d
L4 L3 L2
e f
L4 L3
45°
g h
. Abb. 8.97a–h Traktion bei Hypomobilität von L3/4, linksseitig, mit anatomischer Orientierung. a 1. Phase: Extensionseinstellung (mit Ver-
größerung), b anatomische Orientierung, c 2. Phase: Lateralflexionseinstellung (mit Vergrößerung), d anatomische Orientierung, e 3. Phase:
Rotationseinstellung (mit Vergrößerung), f anatomische Orientierung, g 4. Phase: Behandlungsstellung (mit Vergrößerung), h anatomische
Orientierung
8.11 · Lokalsegmentale Behandlung einer Hypomobilität
389 8
Dann folgt ein Zug am QFS von L4 mit Zugrichtung 8.11.4 Aufbau einer translatorischen
45° nach ventrokaudal im 90°-Winkel zur Facette, bis Divergenzbehandlung von L3/L4
der Druck am Daumen bei L3 ankommt.
jTranslation bei Hypomobilität von L3/4,
Anzahl und Dosierung. in Divergenz (. Abb. 8.98)
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren. Ziel. Spezifische Erweiterung der adaptierten Kapsel,
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten. Verbesserung der Durchblutung, Anregung der Synovia-
4 Abschließend den Patienten in die freigemachte Rich- produktion.
tung anspannen lassen (Linksrotation).
Technik. TLG mit kurzem Hebel, d. h., die kranialen
Segmente werden gekoppelt eingestellt.
8.11.3 Translatorisches Gleiten
ASTE. Der Patient liegt in Seitlage, 70° Hüftflexion. Die
Das TLG ist eine spezifische manualtherapeutische Be- betroffene Seite liegt oben. Eine betonte Taillenbildung
handlung: wird durch Polsterung unterlagert.
4 In Divergenz wird sie eingesetzt, um eine Kapsel-
restriktion zu erweitern und zu mobilisieren. Ausführung.
4 In Konvergenz wird sie nur zur Konsistenzverbesse- 4 1. Phase: Einstellung der Flexion bis zum Öffnen des
rung der Synovia und zur Durchblutungsverbesse- Segments L3/4.
rung eingesetzt. 4 2. Phase: Einstellung der Lateralflexion rechts bis zur
biomechanischen Zwangsrotation von L3.
Konvergenz- und Divergenzmobilisation: 4 3. Phase: Behandlung. Der Daumen wird von oben
auf den DFS von L4 gelegt, der Zeigefinger wird mit
> Eine Konvergenzmobilisation, die am Bewegungs-
Dopplung durch den Mittelfinger auf den DFS von L3
ende einen Schmerz auslöst, wird durch eine Diver-
angelegt. Während über den rechten Daumen L4
genzmobilisation ersetzt. In der Divergenzmobilisa-
widerlagert wird, wird bankseitig ein Zug am DFS
tion arbeiten wir mit kurzem Hebel; die kranialen
von L3 mit Zugrichtung von 45° nach anterokranial
Segmente werden gekoppelt eingestellt.
ausgeführt.
In der Divergenzmobilisation nutzen wir lediglich
die offene Kette; in der Konvergenzmobilisation
Anzahl und Dosierung.
haben wir die Möglichkeit, diese Technik in der offe-
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
nen und in der geschlossenen Kette auszuführen.
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
jEinstellungen beim translatorischen Gleiten Richtung anspannen lassen (Rechtsrotation).
TLG in Konvergenz. Die Einstellung beim TLG in Konver-
genz ist identisch mit der der Traktion. Der Unterschied
liegt darin, dass der Therapeut parallel zum Gelenkspalt 8.11.5 Aufbau einer translatorischen
arbeiten muss. Die Zugrichtung ist Konvergenzbehandlung von L3/L4
4 in der geschlossenen Kette mit dem kaudalen WK
nach anterokranial, Die Konvergenztranslation wird in der Regel nur als spezi-
4 in der offenen Kette mit dem kranialen WK nach fische Ausschwemmtechnik für H-Brücken durchgeführt,
dorsokaudal. um eine optimale Vorposition für die Konvergenztraktion
zu bekommen.
TLG in Divergenz. Die Einstellung beim TLG in Divergenz
bedarf einer Einstellung, die einer Divergenz entspricht. jTranslation bei Hypomobilität von L3/4,
Ein langer Hebel, d. h., eine Verriegelung der kranialen in Konvergenz (. Abb. 8.99)
Segmente ist nicht möglich, da der Therapeut durch eine Ziel. Spezifische Erweiterung der adaptierten Kapsel (kein
Verriegelung die Divergenz wieder aufgeben müsste. morphologisch adaptiertes Kollagen), Verbesserung der
Bei einem kurzen Hebel widerlagert der Therapeut ent- Durchblutung, Anregung der Synoviaproduktion.
weder den kaudalen WK und bewegt den kranialen WK
oder er bewegt den kaudalen WK und widerlagert den Technik. TLG mit kurzem Hebel, d. h., die kranialen Seg-
kranialen WK. mente werden gekoppelt eingestellt.
390 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
L5 L4 L3 L2
L4 L3
L3
L4 L3
a b
L4 L3 1
2
11
7 8 9 10
8 45°
5 6
3 13
12
4
c d
. Abb. 8.98a–d Translation bei Hypomobilität von L3/4 linksseitig, in Divergenz. a Flexionseinstellung, b Lateralflexionseinstellung,
c Grifftechnik/TL-Mobilisation, d Topographie der Regio LWS 1 Crista iliaca, 2 SIPS – Spina iliaca posterior superior, 3 ISG-Gelenkspalt,
4 M. gluteus medius, 5 S2 – 2. Sakralwirbel, 6 S1 – 1. Sakralwirbel, 7 L5 – 5. Lendenwirbel, 8 L4 – 4. Lendenwirbel, 9 L3 – 3. Lendenwirbel,
10 L2 – 2. Lendenwirbel, 11 BWK 12 – 12. Brustwirbel, 12 Costa 12 – 12. Rippe, 13 Niere
ASTE. Der Patient liegt in Seitlage, Hüftflexion 70°. Die Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 20-mal mobilisieren,
betroffene Seite liegt oben. Eine betonte Taillenbildung 30 sec Pause (für neue Vorposition), 3–4 Serien.
wird durch Polsterung unterlagert.
L4 L3
L4 L3
L3
L4 L3
a b
L4 L3
L4 L3
L4 L3 L4 L3
c d
. Abb. 8.99a–d Translation bei Hypomobilität von L3/4 linksseitig, in Konvergenz. a Extensionseinstellung. b Lateralflexionseinstellung
über Kopfteileinstellung. c Grifftechnik in der offenen Kette mit Zugrichtung 45° dorsokaudal. d Grifftechnik in der geschlossene Kette mit
Zugrichtung anterokranial
a b a b
. Abb. 8.100a,b Trophiktraining für die LWS bei beidseitiger . Abb. 8.101a,b Trophiktraining für die LWS bei linksseitiger
Konvergenzhypomobilität am Zuggerät. a ASTE, b ESTE Konvergenzhypomobilität am Zuggerät. a ASTE, b ESTE
jTrophiktraining für die LWS bei linksseitiger Ausführung. Der Patient zieht aus maximaler Divergenz
Konvergenzhypomobilität am Zuggerät der LWS den Seilzug mit dem linken Arm nach dorsal in
(. Abb. 8.101) maximale linksrotatorische Konvergenz.
ASTE. Der Patient sitzt auf der Therapiebank, Hüftflexion
> Limitierend für die Konvergenz ist der Schmerz.
70°.
Anzahl und Dosierung. 31–40 WH, 30–60 sec Pause,
3–5 Serien.
392 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
L4 L3 L2 L4 L3 L2
L4 L3 L2
a b c
L5 L4 L3 L2 L5L4 L5L4L3 L2
L3L2
d e f
L4 L3L2
. Abb. 8.104a–g Instabilität von L3/L4 rechts aus Vorposition Flexion/Flexion. a 1. Phase:
Flexion von kaudal. b 2. Phase: Flexion von kranial. c 3. Phase: Lateralflexion von kranial.
d 4. Phase: Lateralflexion von kaudal. e 5. Phase: Rotation von kaudal. f 6. Phase: Rotation
g
von kranial. g 7. Phase: Behandlungsstellung
394 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
S1 L5L4 L3 L2
S1 L5L4L3L2
S1 L5 L4 L3L2
a b c
8 d e f
. Abb. 8.105a–f Instabilität von L3/L4 rechts aus Vorposition Flexion/Extension. a 1. Phase: Flexion von kranial. b 2. Phase: Lateralflexion
von kranial. c 3. Phase: Lateralflexion von kaudal. d 4. Phase: Rotation von kaudal. e 5. Phase: Rotation von kranial. f 6. Phase: Behandlungs-
stellung
a b c
d e f
. Abb. 8.106a–f Instabilität von L3/L4 rechts aus Vorposition Extension/Extension. a 1. Phase: Durchlaufende Extensionseinstellung.
b 2. Phase: Lateralflexion von kranial. c 3. Phase: Lateralflexion von kaudal. d 4. Phase: Rotation von kaudal. e 5. Phase: Rotation von kranial.
f 6. Phase: Behandlungsstellung
4 3. Phase: Der Therapeut stellt über das obenliegende jInstabilität von L3/L4 aus Vorposition Extension/
Bein eine Hüftextension ein, bis der DFS von L5 Extension (. Abb. 8.106)
bankseitig Druck gibt (eine gegensinnige Kopplung Vorposition. Extension kranial/Extension kaudal des be-
tritt ein). troffenen Segments.
4 4. Phase: Becken zum Behandler drehen, bis der
DFS von L5 nach oben Druck macht (kombinierte ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Die betroffene Seite liegt
Einstellung). unten. Das Taillendreieck wird nach Bedarf unterlagert.
4 5. Phase: Einstellung der Rotation links von kranial,
bis der DFS von L4 bankseitig Druck bekommt Ausführung.
(kombinierte Einstellung). 4 1. Phase: Der Therapeut stellt über den Oberkörper
4 6. Phase: Der Patient wird aufgefordert, das Becken die Konvergenz ein, bis zur Schließung von L5/S1.
gegen den Thorax des Therapeuten in Rechtsrotation 4 2. Phase: Einstellung der Lateralflexion von kranial
und folgend seine Schulter in Linksrotation nach durch Aufstellen des Kopfteils, hier links, bis sich der
hinten unten zu drücken. DFS von L3 nach links bewegt, d. h., bis eine bio-
mechanische Zwangsrotation rechts entsteht.
> Trainingsreihenfolge
4 3. Phase: Einstellung der Lateralflexion von kaudal,
5 Isometrisches Training.
hier rechts, indem der Therapeut das obere linke Bein
5 Monosegmental-konzentrisches Training
extendiert und absenkt, bis sich der DFS von L5 bio-
(kraniale Rotationsvorposition endet, wenn L3
mechanisch nach rechts bewegt, d. h., eine biomecha-
sich bankseitig bewegt).
nische Zwangsbewegung links entsteht.
5 Mehrsegmental-konzentrisches Training
4 4. Phase: Einstellung der kaudalen Rotation rechts,
(kraniale Rotationsvorposition endet, wenn L2
indem der Therapeut das Patientenbecken zu sich hin
bzw. L1 sich bankseitig bewegen).
zieht, bis der DFS von L5 nach oben geht, hier links.
Anzahl und Dosierung. Wiederholungsanzahl, Pausen Der Therapeut fixiert die Vorposition, indem er
und Serien richten sich nach den Möglichkeiten des Pa- mit seinem rechten Arm das Becken einklemmt
tienten. Im Grundsatz sollte mit 21–30 WH, 90 sec Pause (kombinierte Einstellung).
und 3–4 Serien trainiert werden. 4 5. Phase: Einstellung der kranialen Rotation links,
bis der DFS von L4 bankseitig Druck bekommt
(kombinierte Einstellung).
396 Kapitel 8 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Lendenwirbelsäule
Derotierte Instabilitäten in der LWS werden häufig durch . Abb. 8.107 Dehnung des M. iliopsoas, L3/L4 links
den M. iliopsoas verursacht: Bei einer rechtsseitigen
Fehlstellung eines LWK ist der linke M. iliopsoas verkürzt
und derotiert über die QFS den Wirbelkörper nach rechts. 4 2 Phase: Einstellung der Seitneigung links, um mit
Herkömmliche Dehntechniken (Thomas-Handgriff) der erzeugten Dehnrotation kombiniert die LWS zu
werden bei gekoppelter LWS ausgeführt und würden den verriegeln.
anterolisthetischen Wirbelkörper noch weiter in die Fehl- 4 3 Phase: Über die Dehnung des linken M. iliopsoas
stellung ziehen. Bei Instabilitäten aufgrund einer Diskose entsteht eine Rechtsrotation und damit eine kombi-
verstärkt sich die Rotationsfähigkeit unilateral um das nierte Verriegelung der LWS.
4-fache (um 4°).
Anzahl und Dosierung. 8–10 sec Titindehnung, 30 sec bis
> Bei einer Anterolisthese L3/L4 mit einer rotatori-
2 min Kollagendehnung 3–5 Serien.
schen Fehlstellung nach rechts ist zu beachten,
dass die durch die Dehnung erzeugte Rotation der > Titin ist ein Strukturprotein im Sarkomer und
kombinierten Einstellung entsprechen muss. verbindet die Myosinfilamente mit den Z-Streifen
des Muskels. Die Titinfilamente sind elastisch und
fungieren als eine Art »passive Rückholfeder«, d. h.,
jDehnung des M. iliopsoas, L3/4 (. Abb. 8.107)
bei restriktiertem Titin würde es bei passiver
Ziel. Kollagendehnung des linken M. iliopsoas.
Dehnung zur Zerreißung/Verletzung des Sarkomers
kommen.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das linke Bein
Mit der Dehnung werden zwei Zielsetzungen
hängt im Überhang. Das rechte Bein wird in maximale
verfolgt,
Hüfbeugung gebracht. Diese Stellung wird über den
5 das Titin selbst auf eine optimale Länge zu
Thorax des Therapeuten fixiert.
bringen und
5 über die endgradige Titindehnung die
Ausführung.
kontraktionsfähigen Strukturen therapeutisch zu
4 1 Phase: Einstellung der Flexion durch rechtsseitige
erreichen.
Hüftbeugung und Dachstellung der Bank, um den
Wirbelkörper in Korrektur zu positionieren.
8.15 · Rehabilitation bei Instabilität
397 8
8.15 Rehabilitation bei Instabilität
8.15.1 Muskelkräftigung
der Mm. rotatores, L4/5
Die Nerven des Beckens und der Beine setzen sich aus dem jBeckenbodenmuskulatur
Plexus lumbalis und Plexus sacralis zusammen: Die wichtigste Muskulatur des Beckenbereichs ist die vom
4 Der Plexus lumbalis innerviert tendenziell die Os sacrum bis zum Os pubis ziehende Beckenboden-
ventrale Beinseite. muskulatur mit der Fascia sacro-recto-genito-pubis. Die
4 Der Plexus sacralis innerviert die dorsale Bein- und Beckenbodenmuskulatur bildet den Weichteilverschluss
Fußseite sowie die laterale und plantare Fußseite. des Beckenausgangs. Der N. obturatorius zieht durch die
Faszie und die Muskulatur zum Foramen obturatum. Er
jPlexus sacralis durchstößt das Foramen obturatum und zieht mit sensib-
Der Plexus sacralis rekrutiert sich aus den Sakralnerven len Ästen zur Hüftgelenkkapsel, mit motorischen Ästen zu
und den aus L4 und L5 stammenden Nn. tibialis und den umliegenden Muskeln. Bestehen Restriktionen oder
peroneus communis (Truncus lumbosacralis), die in einer Ptosen, kann der Nerv unter Spannung bzw. Kompression
gemeinsamen Nervenscheide (Ischiadikus) verlaufen. geraten.
Die Nerven des Plexus sacralis bestehen aus den moto-
rischen Nerven jTriceps coxae
4 N. tibialis, Als Triceps coxae bezeichnet man eine Muskelgruppe,
4 N. peroneus communis, bestehend aus:
4 N. gluteus inferior und 4 M. obturatorius internus und
4 N. gluteus superior 4 Mm. gemellus inferior et gemellus superior,
und den sensiblen Nerven von der der M. obturatorius internus aufgrund seines
4 N. cutaneus femoris posterior, Ursprungs einen starken Einfluss auf den Tonus des
4 Nn. clunium inferiores und medii, Beckenbodens hat. Nicht selten werden Reizungen dieser
4 parasympathischen Nervenfasern des N. pudendus Muskelgruppe mit sog. Adduktorenzerrungen oder »wei-
und chen Leisten« (7 Abb. 10.27, Exkurs) verwechselt.
4 sympathischen Nervenfasern der Nn. splanchnici
pelvici. jM. gluteus maximus, M. latissimus dorsi,
M. piriformis
jPlexus lumbalis Weitere auf die Statik einwirkende Muskeln sind
Auch Nerven des Plexus lumbalis können die Becken- 4 M. gluteus maximus mit der Zugkraft für eine
region irritieren: homolaterale Kontranutation.
4 N. iliohypogastricus aus dem Segment TH12/L1 mit 4 M. latissimus dorsi mit der Zugkraft über die Fascia
motorischen und sensiblen Anteilen. thoracolumbalis für eine heterolaterale Kontranuta-
4 N. ilioinguinalis aus dem Segment L1 mit motori- tion.
schen und sensiblen Anteilen. 4 M. piriformis mit der Zugkraft für eine homolaterale
4 N. genitofemoralis aus dem Segment L1/L2 mit Nutation.
motorischen und sensiblen Anteilen.
4 Nn. clunium superiores als sensible Gesäßnerven.
9.2.4 Kapsel des ISG
Die Sakralnerven treten frei (ohne Dura), jedoch mit
Gefäßen, dorsal als Ramus dorsalis mit den Nn. clunium Die Gelenkkapsel des ISG wird von ligamentären Struktu-
und ventral als Plexus sacralis aus den Foramina sacralia ren verstärkt und ist sehr straff. Sie setzt sich in das
aus. Lig. sacrotuberal fort und verbindet die Facies auricularis
ossis ilii mit der Facies auricularis os sacri. Die Gelenk-
> Durch eine Arthrose des ISG werden die Sakralner-
kapselbänder haben einen wesentlichen Einfluss auf die
ven kaum irritiert. Der ISG-Schmerz entsteht meist
Mechanik des ISG. Hier sind vor allem die um die Nuta-
subchondral und ist abhängig von der Betonung
tions-Kontranutations-Achse gelegenen Bänder, das Lig.
des Formschlusses in Höhe von S1, S2 oder S3.
axile (mittlerer Faserzug der Ligg. sacroiliaca interossea in
Besteht jedoch eine Instabilität des ISG, kann es
Höhe S2; 7 Kap 10.3, Bewegungen des ISG) und die
zu einer Reizung der Gefäße und Spinalnerven
Ligg. conjunctives (Ligg. sacroiliaca dorsalia, auch als
kommen.
»die Verbindenden« oder die »ehelichen Bänder« bekannt)
zu nennen.
404 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
1 1
4 4
2
9
2 7 7
3 8
⎧
11
10
⎫ 12 5 3
5 ⎬6
⎭
11 6
⎨
8
10 ⎩
12 9
13
. Abb. 9.1 Anatomische schematische Orientierung des Becken- . Abb. 9.2 Anatomische schematische Orientierung des Becken-
gürtels (Cingulum extremitatis inferior) aus ventraler Sicht. 1 LWK 4, gürtels (Cingulum extremitatis inferior) aus dorsaler Sicht. 1 LWK 4,
2 LWK 5, 3 ISG-Gelenkspalt, 4 Crista iliaca, 5 Os sacrum, 6 Foramina 2 LWK 5, 3 ISG-Gelenkspalt, 4 Crista iliaca, 5 Os sacrum, 6 Foramina
sacralia dorsalia, 7 Os ilium, 8 Os ischii, 9 Tuberculum pubicum, sacralia dorsalia S3, 7 S1, 8 S2, 9 Os ilium, 10 Os ischii, 11 SIPS,
10 SIAS, 11 SIAI, 12 Symphyse 12 SIPI, 13 Tuber ischiadicum
9 In . Abb. 9.1 und . Abb. 9.2 sind die anatomischen Ankylose ist eine verfrüht einsetzende weiterlaufen-
Orientierungspunkte des Beckengürtels aus verschiedenen de LWS-Bewegung mit einer Mobilitätszunahme der
Ansichten dargestellt. Facettengelenke der LWS und der Hüftgelenkkapsel.
a b a b
Die hohe, schmale Form des männlichen Beckens verur- 9.5 Krankheitsbilder des Beckens
sacht eine senkrechte Stellung der Oberschenkelknochen, und der Iliosakralgelenke
wodurch die unteren Extremitäten eher zu einer Genu-
9 varum-Form (OBein) neigen. In der Trainingstherapie 9.5.1 Arthrose des ISG
sollte der Therapeut den individuellen Körperbau in der
Übungsausführung (Übersicht 10.1) berücksichtigen. Ein Degenerative Veränderungen des Gelenkknorpels. Die
hohes, schmales Becken verstärkt die Tendenz zu Schmerzsymptomatik einer Arthrose ist relativ gering. Be-
4 Genu varum, schwerden treten bei aktivierter Arthrose und Arthritis
4 Überbeanspruchung des inneren Kniebereichs, auf, durch Entzündung der Gelenkkapsel des ISG und
4 Überbeanspruchung des lateralen Knieseitenbands. Irritationen des umliegenden Gewebes. Bei Arthrose
4 Überbelastung des lateralen Fußrands. zeigen sich sekundäre Probleme wie
4 die verfrühte weiterlaufende Bewegung der LWS,
4 Osteophyten mit Reizung des umliegenden Gewebes,
9.4 Biomechanische Bewegungen 4 verminderte Mobilität der Hüftgelenke.
des ISG in der Sagittalebene
4
7
2
3
2
6
5 4
1
7 1
8 6
10
9
8 5
. Abb. 9.5 Dorsale Oberflächenanatomie. 1 M. gluteus maximus, . Abb. 9.6 Seitliche Oberflächenanatomie. 1 Verlauf des M. gluteus
2 SIPS – Spina ilica posterior superior, 3 Os sacrum, 4 Crista ilica, maximus, 2 Verlauf des M. gluteus medius, 3 Trochanter major,
5 M. tensor fasciae latae, 6 SIPI – Spina iliaca posterior inferior, 4 Verlauf des M. tensor fasciae latae, 5 Verlauf des M. rectus femoris,
7 M. piriformis, 8 Nn. peroneus et tibialis, 9 M. semitendinosus, 6 Verlauf des Tractus iliotibialis, 7 SIAS, 8 Tuberositas glutea, 9 Crista
10 M. biceps femoris caput longum iliaca
6
Die . Abb. 9.5, . Abb. 9.6 und . Abb. 9.7 stellen die topo-
graphische Lage wichtiger Orientierungspunkte und
Muskelverläufe aus unterschiedlichen Ansichten dar.
In . Tab. 9.1 sind häufige anamnestische Angaben der 3
Patienten mit einer Beckenproblematik und mögliche
grobe Interpretationsmöglichkeiten für den Befund zu- . Abb. 9.7 Ventrale Oberflächenanatomie. 1 Crista iliaca, 2 SIAS,
sammengefasst. 3 M. sartorius, 4 M. tensor fasciae latae, 5 Lig. inguinale, 6 M. gracilis,
7 M. adductor longus, 8 M. pectineus
408 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
. Tab. 9.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglichen groben Befundungsinterpretationen einer Beckenproblematik
Patient gibt kontinuierlichen, zunehmenden Knochenschmerz V.a. Osteopathie, Aktivierung der Nozizeptoren des Knochens nach
im Hüft-Becken-Bereich an Summationsbelastung, vor Ermüdungsbrüchen und bei Unter-
druck (evtl. bestehende Osteoporose)
Patient steht entlordosiert mit aufgerichtetem Becken V.a. akut entzündetes ISG
(Primatenstellung) und starken Schmerzen
Patient gibt im Einbeinstand Beschwerden auf der Standbein- V.a. Instabilität des ISG, entzündetes ISG oder Gelenkkapsel,
seite an Retrotorsionshypomobilität des Os coxae
Patient gibt punktuellen Sitzschmerz an V.a. Reizung der Bursa ischiadica, Arthritis, Kompression der Nn.
clunium inferiores mediales r. perforans ligamentum sacrotuberale
Patient gibt Probleme im ISG und parallel dazu Beschwerden V.a. Morbus Reiter
der Blase, Darm und Bindehaut der Augen an
Patient gibt Beschwerden im oberen Gesäßquadranten an V.a. Instabilität, Neuropathie, Irritation der Nn. clunium superiores
Patient gibt einseitigen Sitzschmerz an, der sich im Geldbörse, die in der Gesäßtasche getragen wird, drückt gegen
Ischiasverlauf fortsetzen kann den Ischiasnerven. Gefäßstenosierung der A. comitans n. ischiadici,
9 Down slip
Patient gibt beim Joggen auf naturgewachsenem Boden Be- V.a. Asymmetrie der ISG-Bewegungen mit Auswirkung auf die
schwerden im hinteren Gesäßfaltenbereich an, die sich in den ligamentäre Sakrotuberalspannung und dem dort inserierenden
hinteren Oberschenkelbereich fortsetzen können M. biceps femoris caput longum
Patient gibt Missempfindungen im Bereich des Leistenbands an V.a. Kompression des N. cutaneus femoris lateralis durch zu engen
Hosengürtel, zu hohen Muskeltonus bei Freizeitjoggern, Inser-
tionsläsionen des M. obliquus externus, »weiche Leiste«
Patient klagt über kraniodorsale Darmbeinkammschmerzen V.a. Kompressionsneuropathie der Nn. clunium superiores, Läsion
der indirekten Insertion der Aponeurosis fasciae glutea
Patient, Ende 30. Lj., klagt über therapieresistente Kreuzbein- V.a. Morbus Bechterew
beschwerden
Fußballspieler gibt Beschwerden im Leistenbereich mit Aus- V.a. Instabilität der Symphyse mit Verminderung der Spannung der
strahlung in die Adduktorenmuskulatur an. Das Beschwerde- Membrana obturatoria und mit Irritation des dort durchtretenden
bein ist sein Schussbein N. obturatorius. Auslösegrund ist das »Eingrätschen«
Patient gibt an, sich nur unter Schmerzen aufrichten zu können V.a. Instabilität, ein in Nutation verhaktes ISG
Patient gibt an, nicht lange sitzen zu können V.a. ein in Kontranutation verhaktes ISG mit S1-Kompression,
Ischämie durch Hüftflexion und Kyphosierung der Wirbelsäule,
Instabilität
Patient gibt an, nicht lange in Rückenlage liegen zu können V.a. ein in Nutation verhaktes ISG
Patient gibt an, nicht lange in Bauchlage liegen zu können V.a. Arthrose des ISG mit Gelenkkompression
Patient gibt beim Aufstehen und Hinsetzen Beschwerden an V.a. instabiles ISG mit Bewegungen in den pathophysiologischen
Raum und Überbelastung ligamentärer Strukturen
Patient gibt ISG-Schmerz mit Ausstrahlung in den dorsalen V.a. instabiles ISG mit Zugreiz auf die austretenden Sakralnerven
Oberschenkelbereich an
Patient gibt an, dass alle endgradigen Bewegungen V.a. Up slip/Down slip
schmerzhaft sind
9.7 · Anamnese, Inspektion, Palpation
409 9
9.7 Anamnese, Inspektion, Palpation
. Tab. 9.2 Stellungsdiagnostik des ISG
9.7.2 Inspektion
jStellung der SIPS
Bereits während des Gesprächs achtet der Therapeut auf Die Interpretation der Stellung der SIPS kann sehr auf-
die Bewegungsamplitude des Patienten mit etwaigen schlussreich sein (. Tab. 9.2). Asymmetrische Abstände
Deviationen/Deflektionen. Während der Inspektion sollte der SIPS zur Wirbelsäule können ein Zeichen sein für:
der Therapeut die Anamnese mit den Befundergebnissen 4 In-/Outflare bei einer Transversalverschiebung,
der Inspektion abgleichen. Daraus ergeben sich für ihn 4 Up-/Down slip bei einer Longitudinalverschiebung
schon erste Interpretationen über das Bestehen einer In- und
stabilität oder Hypomobilität. 4 Ante-/Retrotorsion bei einer Sagittalverschiebung.
Die Inspektion von LWS und Hüfte gehört aufgrund des
funktionellen Zusammenspiels dazu. Die Befundung des Eine SIPS, die eher kranial steht, kann die Ursache für
Stand- und Gangbilds ist ebenfalls Bestandteil der Becken- verkürzte Außenrotatoren sein. Steht eine SIPS tiefer als
inspektion. Weitere wichtige Inspektionskriterien sind: die gegenüberliegende, kann das einen Down slip bzw.
4 Beckenasymmetrien (Antetorsion/Retrotorsion, eine Retrotorsion des Os coxae bedeuten oder auch eine
Beckenschiefstand), Verkürzung der ischiokruralen Muskulatur.
4 Muskeltonus (Atrophie, Hypertrophie),
410 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
Safe signs sind Sicherungszeichen, die schon frühzeitig Ein einzelner Test besitzt nur eine geringe Aussagefähig-
Kontraindikationen bzw. Vorsichtsmaßnahmen für eine keit. Erst die Summation mehrerer Testungen und die Ein-
evt. folgende Behandlung erkennen lassen. Die Zeichen beziehung von Anamnese, Inspektion, Palpation, der
werden vor der Untersuchung der Lendenwirbelsäule Check-ups und Basisuntersuchung ergeben eine funda-
geprüft. mentale Befundung und Diagnose.
Zu Beginn der ISG-Testungen und einer damit verbunde- Adaptiertes Kollagen, d. h., der Downing-Test war nega-
nen gezielten ISG-Provokation/-Behandlung steht die tiv, wird mit einer Kontranutations- oder Nutationsmobi-
Stellungsdiagnostik (. Tab. 9.2), in der lisation unter Berücksichtigung einer verriegelten LWS
4 beide SIPS und SIAS, behandelt.
4 das Lig. sacrotuberale und
4 beide Tubera ischiadica jGraphische Darstellung der Stellungsdiagnostik
4 miteinander verglichen werden. Der Therapeut ver- In . Tab. 9.2 sind die verschiedenen Fixierungsstellungen
gleicht und plant die Strategie unter Berücksichtigung des ISG und Palpationsbefunde zusammengefasst.
übergeordneter Auslösefaktoren einer Dysmetrie der
o. g. Referenzpunkte.
9.9.2 Beinlängendifferenz
Statische Veränderungen der Beckensymmetrie ent-
wickeln sich durch Wir unterscheiden zwischen funktioneller und struktu-
4 einseitige Absenkungen des Fußgewölbes, reller Beinlängendifferenz.
4 lumbale Skoliosen, Eine funktionelle Beinlängendifferenz entsteht se-
4 Dysplasien der Hüften, kundär durch
4 haltungsbedingte Achsenveränderungen, 4 Arthrose der Hüft- und Kniegelenke,
9 4 Absenkung des Fußgewölbes,
die durch eine dorsale Schwerkraftverlagerung entstanden 4 Torsionsveränderung des Beckens oder
sind. Sie sollten entsprechend der Auslösemechanismen 4 Translationsveränderung im ISG.
behandelt werden.
Eine strukturelle Beinlängendifferenz entsteht durch
jUntersuchung eine
Die Untersuchung findet im Stand und in Rückenlage 4 anatomische Verlängerung oder Verkürzung eines
statt. Der Therapeut überprüft das Vorliegen von Beins bzw. Beinabschnitts.
4 Antetorsionsfixierungen,
> Die meisten Beinlängendifferenzen entstehen durch
4 Retrotorsionsfixierungen,
Asymmetrien der Ossa ilium. Kleinere Längendiffe-
4 Inflarefixierungen,
renzen bis zu 1 cm gelten als physiologisch, solange
4 Outflarefixierungen,
sie variabel sind. Auswirkungen einer Beinlängen-
4 Up slip und
differenz:
4 Down slip.
5 Das längere Bein verursacht einen erhöhten
Druck in Hüfte und ISG.
Der Stellungsdiagnostik schließt sich die
5 Das längere Bein verursacht eher insertionsnahe
4 Messung der Beinlänge (7 Abschn. 9.9.2) und die
Tendopathien und Reizungen der Bursen.
4 Downing-Testung (7 Abschn. 9.11.1)
Direkte Messungen der Beinlänge erfolgen in Rückenlage.
an, die eine Aussage darüber gibt, ob das ISG in der je- Der Therapeut misst die Beinlänge von der SIAS bis zum
weiligen Fixierung kollagenadaptiert ist oder die synoviale lateralen Malleolus. Indirekte Messungen werden im
Gleitfähigkeit verändert ist. Stand durch Unterlegen von Ausgleichsbrettchen durch-
geführt. Für die Bewertung der Ossa ilium wird die Bein-
> Die Behandlungsbeschreibung des ISG geht vom
länge in Rückenlage anhand der Malleolusstellung ge-
Os sacrum aus. So bedeutet eine Nutationsmobilisa-
messen, um beim Downing-Test die Beweglichkeit der
tion, dass das Os sacrum in Kontranutation fixiert ist
Ossa ilium bewerten zu können.
und dass das Os ilium in Antetorsion steht.
jMessung der Beinlänge (. Abb. 9.9)
jPhysiotherapeutische Behandlung ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Besteht ein synoviales Problem, ist ein Trophiktraining
angezeigt, bei dem Anzahl und Dosierung der Übungen Ausführung. Der Therapeut umfasst beide Malleoli des
wie folgt festgelegt sind: Patienten und prüft den Höhenunterschied.
4 31–40 WH,
9.9 · Provokation des ISG
413 9
Exspiration
Befund. Bei Schmerz im obenliegenden ISG besteht Ver- Befund. Ein einschießender Schmerz ist ein Zeichen für
dacht auf eine Instabilität, bei Schmerz des bankseitig eine Instabilität (Translation S2). Ein hypomobiles ISG
liegenden ISG auf eine Hypomobilität. zeigt ein hartes Endgefühl.
414 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
. Abb. 9.12 Down-slip-Test für das ISG, rechts . Abb. 9.13 Up-slip-Test für das ISG, rechts
jDown-slip-Test für das ISG (. Abb. 9.12) ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage.
Ziel. Translation nach kaudal-medial zur Verschiebung
der Belastungsachse nach kaudal. Ausführung. Der Therapeut hakt sich mit seinem rechten
9 MCP 5 in einer 45°-Unterarmverlaufrichtung an das
> Ein Down slip beruht auf einer traumatischen
Sakrum des Patienten an und widerlagert dieses. Seine
Ursache mit manifestierter Dislokation. Wird über
linke Hand liegt von kaudal-medial am Tuber ischiadicum.
die Stellungsdiagnostik ein Down slip nicht erkenn-
Unter Aufnahme des »Weichteilslack« nimmt der Thera-
bar, sollte bei bestehendem Verdacht, wenn alle
peut unter Berücksichtigung des ca. 45°-Gelenkspalt-
endgradigen Bewegungen einen ISG-Schmerz aus-
verlaufs die Translationsspannung auf und gibt am Ende
lösen, der Provokationstest durchgeführt werden.
der Bewegung einen Überdruck nach kranial-lateral.
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage.
Befund. Ein schießender Schmerz ist ein Zeichen für eine
Ausführung. Der Therapeut hakt sich mit seinem rechten Up-slip-Verhakung.
MCP 5 in einer 45°-Unterarmverlaufsrichtung an das
> Diese Ausführung gilt als Behandlung bei Down-
Os ilium des Patienten an. Seine linke Hand widerlagert
slip-Läsionen, jedoch ohne Impuls!
von kaudal-medial das Sakrum. Unter Aufnahme des
»Weichteilslack« nimmt der Therapeut unter Berücksich-
tigung des ca. 45°-Gelenkspaltverlaufs die Translations- jVorlauftest für das ISG (. Abb. 9.14)
spannung auf und gibt am Ende der Bewegung einen > Vor- und Nachlauf der SIPS:
Überdruck nach kaudal-medial. 5 Ein Vorlauf ist ein einseitiges Vorschnellen einer
SIPS nach kranial bei Rumpfflexion und findet
Befund. Ein einschießender Schmerz ist ein Zeichen für nur bei einer Hypomobilität oder Blockade des
eine Down-slip-Verhakung. ISG statt.
> Diese Ausführung gilt als Behandlung bei Up-slip- 5 Ein Nachlauf beruht auf einer verzögerten
Läsionen, jedoch ohne Impuls! Bewegung einer SIPS bei Rumpfflexion wie z. B.
bei Instabilität.
jUp-slip-Test für das ISG (. Abb. 9.13) Der Therapeut sollte bei der Beurteilung Folgendes
Ziel. Translation nach kranial-lateral zur Verschiebung beachten:
der Belastungsachse nach kranial. 5 Der Vorlauf kann falsch positiv gedeutet werden,
> Ein Up slip beruht auf einer traumatischen Ursache z. B. bei einer instabilen heterolateralen Seite.
mit manifestierter Dislokation. Wird über die Stel- 5 Der Nachlauf kann ebenfalls falsch positiv ge-
lungsdiagnostik ein Up slip nicht erkennbar, sollte deutet werden, z. B. bei einer homolateralen
bei bestehendem Verdacht, wenn alle endgradigen Verkürzung der ischiokruralen Muskulatur bzw.
Bewegungen einen ISG Schmerz auslösen, dieser eine konvexe LWS-Seite kann das Ilium in Retro-
Provokationstest durchgeführt werden. torsion bringen.
9.9 · Provokation des ISG
415 9
a b
ASTE. Der Patient steht. Ausführung. Der Therapeut hakt sich unter leichter Haut-
vorgabe mit seinem rechten und linken Daumen an den
Ausführung. Der Therapeut hakt sich unter leichter Haut- kaudalen Aspekt der Patienten-SIPS an. Der Patient führt
vorgabe von kaudal mit seinem rechten und linken Dau- eine maximale Rumpfflexion aus, wobei der Therapeut
men an den kaudalen Aspekt der Patienten-SIPS an. Der konstanten Kontakt mit den SIPS hält.
locker stehende Patient bewegt seinen Rumpf langsam in
Flexion, wobei der Therapeut konstanten Kontakt mit den Befund. Zeigt sich auch unter Ausschluss der Bein-
SIPS hält. muskulatur und mit Stabilisierung der Ossa ilium eine
Instabilität, wird der Befund des Vorlauftests im Stand
Befund. Bei Vorlauf besteht der Verdacht auf eine Hypo- bestätigt.
mobilität/Blockade. Bei Nachlauf besteht ein Anfangsver-
dacht auf Instabilität (siehe Übersicht).
416 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
Befund. Ein auftretender Schmerz gibt einen Hinweis . Abb. 9.16 Abgewandeltes Patrik sign, links (Symphysenprovoka-
auf: tionstest)
4 Symphyseninstabilität,
4 neurogene Dehnung des N. obturatorius,
4 Hüftarthrose mit verkürzten Adduktoren, den die koordinativen Fähigkeiten der Rami articulares
4 Nutationshypomobilität gleichseitiges ISG. bezüglich der Bremskraftauslösung gefordert.
9
> Die dynamisch-artikuläre Instabilität wird in
Beschwerden im linken ISG könnten in diesem Beispiel
3 Instabilitätsgrade eingeteilt:
bei einer Nutationshypomobilität links vorkommen.
5 Grad 1: 20° Adduktionsstellung.
5 Grad 2: 0°-Normstellung.
5 Grad 3: 20° Abduktion.
9.9.4 Testung der Rami articulares des ISG
Zuerst wird das Bewegungsausmaß für die dynamisch- Befund. Der Test gibt einen Hinweis auf eine fehlende
artikuläre Testung erfasst: Das obere Bein wird soweit in artikuläre Stabilität der Rami articularis transversales.
Flexion geführt, bis eine interspinale Spannung zwischen
L5 und S1 palpierbar ist. Danach wird das Bein in Exten-
sion geführt, bis sich das Segment L5/S1 zu schließen be- 9.9.5 Mobilitätstestung des ISG
ginnt. Als Ergebnis wird die Gradzahl des Testumfangs
erfasst. jMobilitätstest: Palpation der Basis des Os sacrum
Die Adduktion macht eine Vorspannung der Membra- (. Abb. 9.18)
na fibrosa des ISG; in dieser Stellung ist die autonome neu- ASTE Der Patient liegt in Seitlage.
rogene Aktivität der Rami articulares am größten. Eine
fehlende dynamische Aktivität ist hier gravierend. Je weiter Ausführung. Der Therapeut palpiert die Basis des Os
der Therapeut das Bein von Adduktion in Abduktion sacrum.
führt, desto weniger Vorspannung erfährt die Membrana
fibrosa an der dorsalen ISG-Kapsel und umso stärker wer-
9.9 · Provokation des ISG
417 9
50°
70° 60°
Befund. Ermittlung der optimalen Provokationsstellung
bei Antetorsion des Os ilium.
d
. Abb. 9.17a–d Test der Rami articulares des ISG, links. a Test in 70°
Flexion/20° Abduktion. b Test in 70° Flexion/0°-neutrale Flexionsstel- 9.9.6 Testung der Knorpelbelastungsfähig-
lung. c Test in 70° Flexion/20° Adduktion. d Orientierung der 10°-Fle-
keit des ISG nach Streeck
xions-/Extensionssprünge, links. ASTE Flexion, ESTE Extension
0°
0°
10°
10°
70° 70°
. Abb. 9.20 Knorpelbelastungstest nach Streeck in Innenrotation, . Abb. 9.21 Knorpelbelastungstest nach Streeck in Außenrotation,
rechts rechts
bis zur biomechanischen Grenze der Flexion. Jede ASTE. Der Patient liegt in Seitlage.
Einstellung wird 1 sec unter maximaler Abduktions-
9 anspannung (konzentrische Anspannung) gehalten. Ausführung. Der Therapeut führt das obere angewinkelte
Bein in Außenrotation und lässt den Patienten 1 sec maxi-
Die Belastungsfähigkeit von mal in Abduktion anspannen. Beginnend an der individu-
4 S1 wird über eine 20°-Innenrotations-Vorposition ellen Extensionsgrenze wird in 10°-Flexionssprüngen bis
erreicht, zur individuellen Flexionsgrenze getestet.
4 S2 über Vorposition 0-Stellung und
> Der ermittelte minderbelastbare Bereich wird
4 S3 über eine 20°-Außenrotations-Vorposition.
im Knorpelbelastungstraining beübt, im Trophik-
training jedoch nicht mit einbezogen.
jKnorpelbelastungstest nach Streeck
in Innenrotation (. Abb. 9.20) Befund. Der Test gibt einen Hinweis auf belastungslimi-
Ziel. Getestet wird das obere Bein. Die Eigenschwere des tierte Knorpelregionen von S3 zwischen der individuellen
Beins wird abgenommen. Extensions- und Flexionsgrenze.
VP
0°
10°
9.10 Knorpelbelastungstraining
des ISG nach Streeck
VP
AR
10°
. Abb. 9.25 Knorpelbelastungstraining nach Streeck in Vorposition . Abb. 9.26 Knorpelbelastungstraining nach Streeck in 10° Flexions-
70° Flexion/20° Außenrotation endstellung/20° Innenrotation
Ausführung. Ausführung wie in . Abb. 9.23; jedoch wer- Unter Berücksichtigung der Stellungsdiagnostik folgt die
den die Füße in Außenrotation positioniert. Downing-Testung (7 Abschn. 9.11.1), die aussagt, ob das
ISG in der jeweiligen Fixierung kollagenadaptiert oder die
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause, synoviale Gleitfähigkeit verändert ist:
3–5 Serien. 4 Besteht ein synoviales Problem, wird ein Trophik-
training eingeleitet, bei dem die Übungen mit
jKnorpelbelastungstraining nach Streeck 31–40 WH, 30–60 sec Pause und 3–5 Serien durch-
in 10° Flexionsendstellung/20° Innenrotation geführt werden sollten.
(. Abb. 9.26) 4 Adaptiertes Kollagen, d. h., der Downing-Test war
> Der Therapeut sollte darauf achten, dass die Fuß- negativ, wird mit einer Kontranutations- oder Nuta-
sohlen festen Kontakt haben, der durch die Anlage tionsmobilisation unter Berücksichtigung einer ver-
eines Keils gewährleistet ist. riegelten LWS behandelt.
> Die Behandlungsbeschreibung des ISG geht vom
Befund. Der Knorpelbelastungstest ergab einen Hinweis
Os sacrum aus.
auf eine belastungslimitierte Knorpelregion von S1 bei 20°
Nutationsmobilisation bedeutet, dass
Hüftflexion und 20° Innenrotation.
5 das Os sacrum in Kontranutation fixiert ist und
5 das Os ilium in Antetorsion steht.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Die Indikationen für eine Nutations- oder Kontranuta-
Ausführung. Wie die in . Abb. 9.23 beschriebenen Ein- tionsmobilisation sind zwei Übersichten zusammenge-
stellungen aus 10° Hüftflexion und 0° Rotation, bzw. AR fasst.
und IR. Ermittelt aus dem Knorpelbelastungstest.
Übersicht: Nutationsmobilisation
Eine Nutationsmobilisation ist bei folgenden
Befundergebnissen indiziert: Stellungsdiagnose:
5 SIAS tief.
5 SIPS hoch.
5 Tubera ischiadica dorsal.
5 Spannung des Lig. sacrotuberale ist niedrig.
5 Provokationstest in Seitlage ist positiv (an der
individuellen Flexionsgrenze).
5 Vorlauftest homolateral ist positiv.
Beinlängentest:
5 Das Bein erscheint zu lang.
9.11.1 Downing-Test Ausführung. Der Therapeut fixiert den Fuß, legt seine
rechte Hand distal lateral auf den Oberschenkel und gibt
Der Downing-Test wird bei Hypomobilität durchgeführt, nach Aufnahme der Weichteilspannung einen bankwärts
die mittels Anamnese, Provokationstestung und positivem gerichteten Impuls in Extension.
Vorlauftest befundet wurde.
Befund. Ein positiver Downing-Test weist auf eine
> Prinzip des Downing-Tests ist es, das Bein zu
Synovialproblematik hin. Ein negativer Downing-Test
verlängern oder zu verkürzen, um die Bewegungs-
weist auf ein in Antetorsion fixiertes Os ilium hin.
möglichkeit des Iliums nach posterior oder anterior
feststellen zu können.
> Die Stellungsdiagnose einer Antetorsionsfixierung
Der Downing-Test wird durch ein manipulatives Angulie- ergibt folgenden Palpationsbefund:
ren im Hüftgelenk ausgeführt, um so das Ilium in Antetor- 5 SIAS tief,
sion oder Retrotorsion zu bewegen. Anschließend erfolgt 5 SIPS hoch,
eine erneute Stellungsdiagnostik in Rückenlage: 5 Tubera ischiadica dorsal.
422 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
9.11.2 Kontranutationsmobilisation
jKontranutationsmobilisation im Schlingentisch e
(. Abb. 9.29)
. Abb. 9.29a–e Kontranutationsmobilisation, rechts. a Extensions-
Ziel. Mobilisation des Os sacrum in Kontranutation bei einstellung, b Lateralflexionseinstellung, c Rotationseinstellung,
Nutationsfixierung. d Behandlungseinstellung, e Lagerungsposition
9.11 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung
423 9
Befund. Stellungsdiagnostik, Beinlängentest und negative Ausführung. Der Therapeut palpiert den DFS von L5 und
Downing-Testung weisen auf eine Nutationsfixierung hin. bringt den Patienten passiv in Extension, bis sich der DFS
nach kaudal bewegt. Danach wird der Patient über ein
ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Vor der Mobilisation Anheben des Bankkopfteils in eine Lateralflexion rechts
wird der Patient gelagert und fixiert. Die LWS wird ver- gebracht, bis sich der DFS L5 biomechanisch nach rechts
riegelt. Das rechte Bein des Patienten wird horizontal ge- dreht. Um die dritte Dimension einzustellen, wird der Pa-
halten. Das linke Bein wird mit einem Gurt so in Flexion tient in Rotation rechts gedreht, bis sich der DFS L5 nach
fixiert, dass die Extension in der LWS erhalten bleibt. links bewegt (kombinierte Einstellung).
Der Therapeut untergreift das obenliegende Bein des
Patienten mit seiner linken Hand und hakt sie in Höhe des
Tuber ischiadicum in die Weichteile. Seine rechte Hand
liegt dorsalseitig auf der Crista iliaca. Der Patient wird auf-
gefordert, sich über seinen rechten Arm in Rotation rechts
kombiniert zu verriegeln, bis der Therapeut einen dorsalen
Druck an der rechten Hand verspürt. Wie in einer Halb-
kreisbewegung wird über die rechte Hand nach anterior
bewegt und über die kaudale Hand nach kraniodorsal. Der
linke Arm des Therapeuten führt gleichzeitig das Bein
weiter in Extension.
a
Anzahl und Dosierung. Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
4 Abschließend den Patienten in die freigemachte
Richtung bewegen lassen (oberes Bein in Extension
spannen lassen).
b jAlternative Kontranutationsmobilisation
(. Abb. 9.30)
Ziel. Mobilisation des Os sacrum in Kontranutation bei
Nutationsfixierung.
d e
424 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
Befund. Stellungsdiagnostik, Beinlängentest und negative passiv in Extension, bis sich der DFS von L5 nach kaudal
Downing-Testung weisen auf eine Nutationsfixierung hin. bewegt. Danach wird der Patient in eine Lateralflexion
rechts gebracht, bis sich der DFS von L5 nach rechts dreht.
> Um eine weiterlaufende Bewegung des in Nutation
Um die dritte Dimension einzustellen, wird der Patient,
fixierten Sakrums über die Extension der Wirbel-
wie hier im Bildbeispiel, über ein einseitiges Anheben des
säule zu vermeiden, muss die LWS verriegelt werden.
rechten Bankteils in Rotation rechts gedreht, bis sich der
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Das zu behandelnde DFS von L5 nach links bewegt (kombinierte Einstellung).
Bein liegt auf der Bank, das heterolaterale Bein befindet Wenn die Bank diese Einzelfunktionen nicht zulässt,
sich seitlich der Bank mit Fußkontakt zum Boden. drückt sich der Patient alternativ mit seinem rechten Arm
in Rechtsrotation, bis sich der DFS L5 nach links bewegt.
Ausführung. Der Therapeut palpiert den DFS von L5 und Der Therapeut untergreift das oben liegende Bein des
bringt den Patienten über das Anheben des Bankteils Patienten mit seiner rechten Hand und hakt sich dorsalsei-
tig an der Crista iliaca ein. Der Patient wird aufgefordert,
sich über seinen rechten Arm in Rotation rechts kombi-
niert zu verriegeln. Wie in einer Halbkreisbewegung wird
über die linke Hand nach anterior bewegt und über die
kaudale Hand das Bein nach kraniodorsal.
9.11.4 Nutationsmobilisation
d e
9.11 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung
425 9
Befund. Stellungsdiagnostik, Beinlängentest und ein
negativer Downing-Test weisen auf eine Kontranutations-
fixierung hin.
a b
9.12.1 Sagittales Knorpelgleiten im ISG Ausführung. Der Patient macht mit seinem rechten Bein
einen Ausfallschritt nach vorn, so dass das linke Bein in
jSagittales Knorpelgleiten von S1 (. Abb. 9.33) Extension gebracht wird. Unter rechtsseitiger Knie-
Ziel. Verbesserung der Trophik von S1 nach Mobilitäts- beugung bewegt der Patient sein linkes Os coxae in Ante-
gewinn des ISG in Nutation bzw. Kontranutation und ver- torsion.
besserte Knorpelverformbarkeit unter Belastung.
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Er befindet sich an 3–5 Serien.
der biomechanischen Grenze, d. h., 70° Hüftflexion. Die
Füße werden zur Betonung von S1 leicht lateral der Bein- > Soll die Betonung bei S1 oder S3 liegen, wird das
achse aufgestellt. Bein entsprechend innen- oder außenrotiert.
9.12 · Knorpelgleiten im ISG
427 9
a b
9
b
a b
9.13 Trophiktraining mit wechselnder
. Abb. 9.39a,b Belastungstraining für das Os ilium in Retrotorsion
Belastung für das ISG
rechts, mit Langhantel. a ASTE, b ESTE
9.14.1 Belastungstraining für das Os ilium in jBelastungstraining für das Os ilium in Antetorsion,
Retrotorsion, rechts mit Langhantel (. Abb. 9.40)
> Das Mindestgewicht der Langhantel sollte 10 kg
jBelastungstraining für das Os ilium in Retrotorsion, betragen.
mit Langhantel (. Abb. 9.39)
> Das Mindestgewicht der Langhantel sollte 10 kg ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit ausei-
betragen. nander. Der Patient hält die Langhantel auf den Schultern.
ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit ausei- Ausführung. Der Patient macht mit dem linken Bein einen
nander. tiefen Ausfallschritt nach vorn.
9.15 · Stabilisation des ISG
429 9
a b a b
c d
9.14.3 Dynamisches Belastungstraining
für das ISG: »Walking lunches« . Abb. 9.41a–d Belastungstraining: »Walking lunches« mit Lang-
hantel. a–d Mehrere Ausfallschritte reihen sich aneinander
jBelastungstraining: »Walking lunches« mit Lang-
hantel, zur dynamischen Aneinanderreihung der
Antetorsion und Retrotorsion (. Abb. 9.41) Muskelkette eine Teilstabilität zu erreichen. Im Vor-
Ziel. Wiedereingliederung und Harmonisierung der ISG- dergrund steht die Ansprache der Rami articulares
Bewegung. und die damit verbundene Verbesserung der exzen-
Das Mindestgewicht der Langhantel sollte 10 kg trischen Stabilität.
betragen.
Der Pathomechanismus einer Instabilität entwickelt sich
ASTE. Der Patient steht. Die Beine stehen hüftbreit ausei- vorwiegend durch Kapsel-/Bandüberdehnungen, die meist
nander. Der Patient hält die Langhantel auf den Schultern. nach Schwangerschaften oder auch hormonell bedingt
auftreten, mit daraus entstehendem
Ausführung. Der Patient macht mehrere tiefe Ausfall- 4 Adhäsionsverlust,
schritte hintereinander. 4 Nervenzerrungen und
4 Aufhebung oder Reduzierung der Zentrierungs-
Anzahl und Dosierung. 8–12 WH/Bein, 90–120 sec Pause, eigenschaften.
3–5 Serien. Die Pausen werden durch ein Trophiktraining
genutzt. Die Zeichen einer Instabilität sind
4 extremer Exzentrikverlust,
4 Verlust an Matrix und
9.15 Stabilisation des ISG 4 Verlust an Flüssigkeit,
jPathomechanismus einer Instabilität wodurch die Umwandlung von Druck in Zug nicht
Die meisten ISG-Behandlungen beruhen auf Instabilitä- stattfinden kann. Die Kraft kann nicht mehr verteilt und
ten; besonders Frauen neigen zu Instabilitäten (vgl. folgen- widerlagert werden. Die Fasern können sich nicht mehr
de Übersicht). aufrichten und der Belastung entgegenwirken, da die
Matrix fehlt. Der Schmerz entsteht subchondral durch an-
> Eine Instabilität des ISG ist aus manualtherapeu- gulative Gelenkbewegungen und Zugbelastungen an der
tischer Sicht nicht zu stabilisieren. Es besteht Synovialmembran.
lediglich die Möglichkeit, über Verbesserungen der Der Exzentrikverlust eines Patienten mit instabilem
Adhäsion und Ansprache der kinematischen ISG verursacht z. B. am Spielbein eine verminderte
430 Kapitel 9 · Manuelle Therapie und Rehabilitation für das Becken und die Iliosakralgelenke
9.15.1 Behandlung eines instabilen ISG . Abb. 9.43 Becken aus dorsaler Sicht. Richtige Beckengurtanlage
jTrainingsaufbau:
Fehlt dem Patienten die Knorpelbelastungsfähigkeit,
wird diese zuerst trainiert. Trainiert wird der Weg aus der
Nullstellung in die Spielbeinphase mittels Kompressions-
druck sowie sagittalen und transversalen ISG-Bewegun- a
gen.
Nach vorherigem Knorpelbelastungstest (7 Abschn.
9.9.6) schließt sich das Knorpelbelastungstraining an. 10° ABD
9
b
9.16.2 2. Phase: Knorpelgleittraining
. Abb. 9.45a,b Transversales Rami-articulares-Training, rechts.
Beim Knorpelgleittraining (7 Abschn. 9.12) oder der a ASTE, b ESTE
Knorpelmassage ist in unserem Beispiel die ASTE in 80°
Hüftflexion und die ESTE in 40° Hüftflexion eingestellt.
Anzahl und Dosierung des Trainings betragen 9.16.4 4. Phase: Dynamisch-artikuläre
4 21–30 WH, Behandlung (transversales und
4 60–90 sec Pause, vertikales Rami-articulares-Training)
4 3–5 Serien.
Ziel ist die Aktivierung der Rami articulares dorsales, in-
Die Pause wird für aktive Flexions- und Extensionsbe- dem ein Stress auf die Membrana fibrosa ausgeübt wird,
wegungen genutzt, um das maximale Bewegungsausmaß um die PPR-Stimulation (Progressive Propriozeptive
zu erarbeiten. Reorganisation, 7 Glossar) der Mm. gluteus maximus und
latissimus dorsi zu verstärken.
a b a b
ASTE. Der Patient steht. Er hält sich mit seiner freien Hand
an der Therapiebank fest.
a b
Manuelle Therapie
und Rehabilitation der Hüfte
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Literatur – 471
10.2 · Anatomie der Hüfte
437 10
10.1 Einleitung > Im Normalfall vollzieht der Mensch beim Gang-
zyklus einen Winkelradius von 20° Flexion bis 15°
Das Hüftgelenk (Articulatio coxae) ist ein sog. Nussgelenk Extension.
und stellt eine Unterform des Kugelgelenks dar. Aufgrund
seiner Baueigentümlichkeit kann das Hüftgelenk in drei Bedeutung der Stellung der Ossa coxarum. Das Hüftge-
Raumebenen bewegt werden; es ist beim Menschen nach lenk ist stark von der Stellung der Ossa coxarum abhängig:
dem Schultergelenk das Gelenk mit der zweitgrößten Be- 4 Bei Antetorsion des Os coxae verschiebt sich das
weglichkeit. Das Hüftgelenk ist von einer dicken Muskel- Azetabulum nach distal, wodurch sich das Bein funk-
schicht umgeben, die nicht nur der Bewegung dient, son- tionell verlängert. Es kommt zu Zugreizen und einer
dern auch als Schutzschicht für die passierenden Nerven ventralen Muskelfaserbetonung der kleinen Glutäen,
und Gefäßen und für das Gelenk selbst. Beschwerden des die eine Innenrotation der Hüfte bewirken. Das
Hüftgelenks können durch das Hüftgelenk selbst bedingt gleichseitige Knie reagiert mit einer Valgusstellung,
sein, typisch dafür ist der tiefe Leistenschmerz; ferner verbunden mit einem Zugreiz an der medialen Ge-
durch Weichteilläsionen, organische Ausstrahlungs- lenkkapsel und Kompressionsdruck auf den lateralen
schmerzen oder durch Irritationen der LWS-Segmente mit Gelenkspalt. Der M. semitendinosus gerät unter
Dermatomprägungen. Hüftbewegungen finden meist Spannung und kann den Pes anserinus superficialis
kombiniert mit Bewegungen des Beckens und des Knie- in Form eines »Shin splint« (Schienbeinschmerz,
gelenks statt. 7 Glossar) irritieren. Der M. biceps femoris, gerät
Die ossären Strukturen, die im Hüftgelenk artikulie- ebenfalls unter Zugreiz und kann den N. peroneus
ren, sind: komprimieren, sogar schädigen und das Lig. sacro-
4 der Femurkopf, tuberale dynamisieren.
4 das Azetabulum, das sich aus dem Os ilium, Os pubis 4 Bei Retroversion des Os coxae verschiebt sich das
und Os ischii zusammensetzt. Azetabulum nach proximal. Über die hinteren Fasern
der kleinen Glutäen kommt es zu einer Außenrota-
> Typische Zeichen einer Hüftgelenkproblematik sind
tion und einer damit verbundenen funktionellen
5 der Leistenschmerz und
Beinverkürzung. Das gleichseitige Knie zeigt die
5 eine Deviation in Flexion/Außenrotation.
Tendenz zur Varusstellung. Zugreize des M. tensor
Der oft parallel auftretende Knieschmerz ist auf die fasciae latae machen sich bei Männern sehr häufig
gemeinsame nervale und segmentale Zuordnung mit Schmerzen ventral des Hüftkopfs bemerkbar.
zurückzuführen.
Reizungen. Differenzialdiagnostisch sind zu beachten: Das Azetabulum setzt sich aus dem
4 Leistenverletzungen, die sich in Form eines Leisten- 4 Os ilium,
bruchs bzw. einer »weichen Leiste« (. Abb. 10.27) 4 Os ischii und
zeigen können, 4 Os pubis
4 ISG-Hypomobilitäten.
zusammen und überdeckt den Hüftkopf zu 50%.
Arthrose Das Hüftgelenk ist das am stärksten belastete Ge- Die Facies lunata liegt als randständiger halbmond-
lenk mit der höchsten cm2-Belastung auf die Belastungszo- förmiger Knorpel in der Gelenkpfanne. Die Gelenk-
nen. Ein Problem des Hüftgelenks ist die Arthrosegefahr. fläche ist 45° nach dorsal-kaudal rekliniert. Diese Re-
Übergewicht, punktuelle Belastung durch Fehlstellungen klination benötigt der Körper, um den Femurkopf zu
der Beinachse forcieren eine Hüftgelenkarthrose. zentrieren.
Das Labrum acetabulare liegt am äußeren Pfannen-
Winkelgrad der Hüftbewegung. Je statischer Alltagsbe- rand auf und vervollständigt die Gelenkpfanne. Es fungiert
wegungen ablaufen, z. B. in stehenden Berufen, umso als Dichtring und »Synovia-Abstreifer« und deckt den
reduzierter ist der Winkelgrad der Hüftbewegung. Je Hüftkopf, zusätzlich zu der ossären Abdeckung, nochmals
dynamischer Alltagsbewegungen ablaufen, umso stärker um ca. 20 % ab. Am kaudalen Ende wird das Labrum vom
ist die Hüfte Wechselbelastungen ausgesetzt und umso Lig. transversum acetabuli überspannt. Die Region unter-
größer ist der Winkelgrad der Belastung des Hüftgelenks. halb des Lig. transversum acetabuli bildet ein Fenster, die
438 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
Incisura acetabuli bzw. das Fenistre acetabuli, durch das > Centrum-Collum-Diaphysen-Winkel (CCD-Winkel)
das Lig. capitis femoris zieht. Der CCD-Winkel wird von der Schenkelhalsachse
Darüber hinaus bietet das Fenster der Pulvina aceta- und der Achse der Femurdiaphyse gebildet
buli einen Ausweichraum bei hohen Belastungen. Die Pul- (7 Abschn. 10.4.1). Er verändert sich in Abhängig-
vina acetabuli ist mit einem schwamm artigen Fettkissen keit vom Alter:
vergleichbar und hat die Funktion, die Membrana syno- 5 Der Durchschnittswert beträgt 125°.
vialis zu stimulieren. Dehydriert die Pulvina acetabuli, 5 Beim Neugeborenen beträgt er 130°.
besteht die Gefahr einer frühzeitigen Arthrose, da die 5 Bis zum 3. Lebensjahr erreicht er mit 143° den
Synoviaproduktion teilweise ausfällt. steilsten Zustand.
Am kranioventralen knöchernen Rand der Hüft- 5 Im Erwachsenenalter erreicht er den Normwert
gelenkpfanne, dem Limbus acetabuli, entspringen das von 125°.
Lig. iliofemorale und Fasern des Teilansatzes des M. rectus 5 Im Greisenalter sinkt er auf 120° ab.
femoris. Am ventralen Azetabulumrand und Os pubis
entspringt das Lig. pubofemorale, am dorsokaudalen Aze- Erkrankungen des Knochens, z. B
tabulumrand das Lig. ischiofemorale. Unter dem Azetabu- 5 Rachitis,
lum befindet sich das Foramen obturatum. 5 Osteomalazie,
Das Pfannendach weist eine Knorpeldicke von bis zu 5 Osteoporose
1 cm auf. Der Knorpel ist aufgrund der Auftrittsbelastung
können den CCD-Winkel bis zu 90° absinken lassen.
dorsal-kranial am dicksten. Die Versorgung des Knorpels
teilt sich in drei Bereiche auf:
4 Im oberen Drittel des Hüftkopfs wird der Knorpel jErnährung des Hüftkopfs
von der Pulvina acetabuli und Synovialzotten ver- Die Vertikalisierung nach der Geburt bedeutet eine Elon-
10 sorgt. gation für die A. capitis femoris, die die Epiphyse während
4 Im mittleren Hüftkopfbereich wird der Knorpel vom der Schwangerschaft ernährte.
Labrum acetabuli über die Synoviaproduktion der Innerhalb der ersten 4 Monate nach der Geburt
Membrana synovialis ernährt. verschließt sich die A. capitis femoris, die aus der A. obtu-
4 Im unteren Hüftkopfbereich wird der Knorpel von ratoria gespeist wird, und sie wird durch Gefäße der
der Zona orbicularis (Faserring) durch die Druck- A. circumflexa femoris ersetzt.
und Zugbelastungen an der Membrana synovialis Nach dem 4. Lebensjahr wird das Gefäß erneut für die
versorgt. Versorgung des Hüftkopfs herangezogen. Die Autoren
nehmen an, dass die Epiphysenwanderung mit der Zent-
> Die Hüftpfanne ist physiologisch
rierung des Knochenkerns und die Pfannenbildung zu
5 45° aus der Transversalebene nach kaudal
diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind. Der Körper benötigt
geneigt; die Neigung steht im Verhältnis zum
die A. capitis femoris erneut (übernimmt ca. 1/5 der
CCD-Winkel (Centrum-Collum-Diaphysen-Winkel)
Blutversorgung), um den jetzt stark wachsenden und ossi-
von 125°.
fizierenden Hüftkopf ausreichend versorgen zu können.
5 45° aus der Sagittalebene nach lateral geneigt;
Vollzieht sich dieser Prozess nicht, kann im Zeitraum vom
die Neigung steht im Verhältnis zum AT-Winkel
4.–6. Lebensjahr ein Morbus Perthes entstehen.
(Antetorsionswinkel) von 12° Antetorsion.
10.2.3 Hüftgelenkkapsel
10.2.2 Caput femoris (Hüftkopf)
Die Gelenkkapsel der Hüfte (Capsula articularis coxae)
Das Caput femoris ist eine mit 0,5 cm Knorpel überzogene zieht vom Collum femoris zum Limbus acetabuli. Sie be-
Gelenkkugel, die bei normaler Gehbelastung bis zu 300 kg steht aus der Membrana fibrosa und Membrana synovialis.
trägt. Am kranio-medialen Punkt befindet sich die Fovea Die Gelenkkapsel wird von starken Bändern unterstützt,
capitis femoris, eine kleine knorpelfreie dreieckige Grube die eine Reißkraft bis zu 800 kg halten.
zum Einlass des Lig. capitis femoris. Die Hüftgelenkkapsel unterhält Kapselnerven, Rami
Unterhalb des Caput femoris schließt sich das Collum articulares (Terminalnerven), die bei Stimulierung oder
femoris an. Es liegt wie ein »Hals in einem Kragen«, der Dehnung inhibierend oder tonisierend auf die zugehörigen
von dem Trochantermassiv (Trochanter major und minor) Muskeln wirken. Die Rami articulares haben die Aufgabe
und der Crista intertrochanterica gebildet wird. Das einer reflektorischen Zentrierung des Hüftkopfs: Gleitet
Kollum hat eine Länge von ca. 4 cm. der Hüftkopf bei Abduktion nach medial, wird die media-
10.2 · Anatomie der Hüfte
439 10
le Kapsel gereizt. Diese Information wird über den N. obtu- des Gelenkschlusses. Die Zona orbicularis liegt der
ratorius an die Adduktorenmuskulatur weitergeleitet. Membrana synovialis an und stimuliert diese. Alle übrigen
Das Kapselkollagen ermöglicht eine schnellere An- Bänder der Hüfte liegen an der Membrana fibrosa an.
sprechbarkeit der Kapsel als die Muskelspindeln oder die
Sehnen-Golgiapparate. Ist die Ansprechbarkeit der Rami jLig. capitis femoris (Kopfband)
articulares aufgehoben, ist auch die Zentrierung des Ursprung und Ansatz. Das Lig. capitis femoris entspringt
Hüftkopfs in der Pfanne nicht mehr gewährleistet. Die in der Fossa acetabuli und inseriert in der Fovea capitis
Folgen davon sind: ossis femoris.
4 ein Verlassen der Pfannenmitte mit Überdehnung der
Gelenkstrukturen, Funktion. Das Band hat eine Zugkraft von 57 kg und
4 Bewegungseinschränkungen und erhöhter angula- begleitet aus der A. obturatoria kommende Gefäße, die
tiver Druck durch das veränderte Gleitverhalten. einen Teil des Hüftkopfs, die Membrana synovialis und das
Lig. transversum acetabuli ernähren. Das Ligament besitzt
Die Reaktionen über Muskelspindel und Golgiapparat viele Propriozeptoren, die in Verbindung mit den kleinen
kommen zu spät, wodurch ein subchondraler bzw. Glutäen stehen.
Membrana-synovialis-Schmerz entsteht. Das Lig. capitis femoris verläuft embryonal extra-
artikulär und muss sich durch die Bildung der ossären
Strukturen intraartikulär umorientieren. Für das Band be-
10.2.4 Bänder des Hüftgelenks steht bei einer Coxa valga die Gefahr der Abklemmung, bei
einer Coxa vara die Gefahr der Erschlaffung.
jLig. iliofemorale (Bertin-Band)
Ursprung und Ansatz. Das Lig. iliofemorale entspringt jLig. transversum acetabuli
an der Spina iliaca anterior inferior (SIAI) und an den Das Lig. transversum acetabuli verbindet im ventral-
Mm. rectus femoris bis gluteus minimus als muskuläre kaudalen Abschnitt das unterbrochene Labrum. Es über-
Dynamisatoren. Das Band verläuft gedreht zum Ansatz an brückt die Incisura acetabuli, was zur Bildung eines Fens-
der Linea intertrochanterica. ters (Fenestra acetabuli) führt. Das Fenster ermöglicht der
Pulvina acetabuli, bei hoher Kongruenz (Extension/Innen-
Funktion. Das Lig. iliofemorale hemmt die Außenrotation rotation) aus der Fossa acetabuli zu entweichen.
und Adduktion und limitiert die Extension auf 12°. Das Nur bei hohen Biegespannungen der Hüfte wie z. B.
Band ist ca. 1,5 cm dick und sehr reißfest. beim Weitsprung, bei dem der Hüftkopf das Zentrum der
Pfanne nicht halten kann, können Bandrupturen ent-
jLig. pubofemorale stehen.
Ursprung und Ansatz. Das Lig. pubofemorale entspringt
am ventralen Limbus acetabuli und Os pubis. Ansatz ist
der ventrokraniale Bereich der Membrana fibrosa. 10.2.5 Rami articulares des Hüftgelenks
Funktion. Das Band hemmt die Außenrotation und Ab- Die Rami articulares rekrutieren sich aus
duktion. Es ist das schwächste Band. 4 dem Plexus lumbalis über die Nn. femoralis und
obturatorius,
jLig. ischiofemorale 4 dem Plexus sacralis über die Nn. tibialis und
Ursprung und Ansatz. Das Lig. ischiofemorale entspringt peroneus communis.
am dorsalen Limbus acetabuli und Tuber ischiadicum. An-
satz ist das Collum femoris/Fossa trochanterica bis zum
Trochanter major. Das Band wird durch M. piriformis 10.2.6 Die Hüftmuskulatur
dynamisiert.
jHüftflexoren
Funktion. Es hemmt die Innenrotation und Abduktion. An der Flexion des Hüftgelenks sind hauptsächlich der
M. iliopsoas und M. rectus femoris beteiligt. Erst in der Beu-
jZona orbicularis (Knopflochringband) gebewegung wirkt der M. tensor fasciae latae betont mit.
Die Zona orbicularis ist ein geschlossener Faserring ohne
ossären Kontakt und wird aus Fasern der Ligg. ischio- und jHüftextensoren
pubofemorale gebildet. Das Band ist spiralförmig und Als Hüftstrecker wirkt vorwiegend der M. gluteus maxi-
schraubt sich um das Collum femoris. Es hat die Funktion mus.
440 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
Weitere Muskeln, die sich an der Hüftextension be- Begrenzung. Die Lacuna vasorum wird gebildet
teiligen, sind: 4 lateral: vom Arcus iliopectineus,
4 M. semimembranosus, 4 kranial: vom Lig. inguinale,
4 M. semitendinosus, 4 kaudal: vom Ramus ossis pubis superior,
4 M. adductor magnus, 4 medial: vom Cooper-Ligament.
4 Mm. gluteus medius und minimus.
Geschlechtsunterschiede. Frauen weisen eine größere
jHüftaußenrotatoren Lacuna vasorum auf.
Bei der Außenrotation wirkt der M. gluteus maximus als
Hauptmuskel. Die Mm. gluteus medius und minimus Durchtritt. Durch die Lacuna vasorum verlaufen
sowie der M. iliopsoas und M. piriformis wirken als 4 die A./V. femoralis,
Nebenmuskeln. 4 der N. genitofemoralis,
4 in Fettpfropfen eingelagerte Rosenmüller-Lymph-
jHüftinnenrotatoren knoten,
An der Innenrotation sind folgende Muskeln beteilgt: 4 der M. pectineus.
4 M. adductor magnus,
4 Mm. semimembranosus und semitendinosus, Problem. Oft gehen Hernien von dieser Stelle aus, mit
4 M. gracilis, Bruchweg in das subkutane Gewebe bis unter das Lig. in-
4 M. tensor fasciae latae, guinale (selten ins Bein als Hernia femoralis, auch Schen-
4 M. gluteus medius. kelhernie).
jHüftadduktoren
10 Der kräftigste Adduktor des Hüftgelenks ist der M. adduc- 10.2.8 Lacuna musculorum
tor magnus, gefolgt von M. gluteus maximus und den
Mm. adductor longus et brevis. Die Lacuna musculorum ist eine Gewebelücke und bietet
einen Durchtritt für den M. iliopsoas und N. femoralis.
jHüftabduktoren
Der stärkste Abduktor des Hüftgelenks ist der M. tensor Lage. Die Lacuna musculorum liegt interinguinal.
fasciae latae, gefolgt von den Mm. gluteus medius und
minimus. Begrenzung. Die Lacuna musculorum wird gebildet
Ausschlaggebend für die Funktion der abduktori- 4 lateral: von den SIAS und SIAI,
schen Muskeln ist der CCD-Winkel: 4 kranial: vom Lig. inguinale,
4 Besteht beim Patienten eine Coxa valga (Tiefstand 4 kaudal: vom kranialen Azetabulumrand,
des Trochanter major), verändert sich die Wirkungs- 4 medial: vom Arcus iliopectineus und der Eminentia
linie des Muskels und damit der zentrale Gelenk- iliopubica.
punkt. Trotz der hohen Kraftentfaltung der abdukto-
rischen Muskeln sind diese immer weniger in der Durchtritt. Durch die Lacuna musculorum treten
Lage, ihre Hauptfunktion, die Stabilisation in der 4 der N. femoralis,
Standbeinphase, zu erhalten. 4 der N. cutaneus femoris lateralis,
4 Besteht eine Coxa vara (Hochstand des Trochanter 4 der M. iliopsoas.
major), nähern sich Ursprung und Ansatz der Mm.
glutei so stark an, dass eine Verkürzung von mehr als Problem. Hier können Kompressionsneuropathien des
50% der Muskellänge entsteht, die eine Insuffizienz N. cutaneus femoris lateralis auftreten, z. B. das »Jogger-
mit sich zieht. phänomen« (auch Meralgia paraesthetica genannt) und
Absenkungsprozesse durch die Psoas-Loge.
6 6
3
3
4
4
1
1
5
6
5
2
2
10
. Abb. 10.2 Anatomische schematische Orientierung der Hüfte . Abb. 10.3 Anatomische schematische Orientierung der Hüfte
aus dorsaler Sicht. 1 Trochanter major, 2 Trochanter minor, 3 Caput aus lateraler Sicht. 1 Trochanter major, 2 Trochanter minor, 3 Caput
femoris, 4 Collum femoris, 5 Tuber ischiadicum (Ramus ossis ischii), femoris, 4 Collum femoris, 5 Tuber ischiadicum (Ramus ossis ischii),
6 Limbus acetabuli (Labrum acetabulare), Pfannenerker, 7 Crista 6 Limbus acetabuli (Labrum acetabulare), Pfannenerker
intertrochanterica
. Abb. 10.5 Anatomische schematische Orientierung der Lacuna vasorum et musculorum. (Aus v. Lanz u. Wachsmuth 1938, 1972, 2004)
> In der Norm beträgt der Wiberg-Winkel 4 Coxa antetorta: Je größer die Antetorsion, desto
5 im 4.–13. Lebensjahr: 20°, mehr Innenrotation.
5 beim Erwachsenen: > 26°. 4 Coxa retrotorta: Je größer die Retrotorsion, desto
Pathologisch ist ein Winkelgrad < 15°.
mehr Außenrotation (vgl. 7 Abschn. 10.10.7, Antetor-
sionswinkel-Test).
CCD-Winkel. Der CCD-Winkel ist ein Winkel zwischen
> Die Belastung der Hüfte ist ebenfalls abhängig vom
Hüftkopfzentrum, ausgehend vom Schenkelhals und
CCDWinkel:
Diaphysenachse.
5 Bei einer Coxa valga (vergrößerter Winkel) ist die
> Der CCD-Winkel beträgt Hüftkopfbelastung gross, der Kraftarm klein.
5 in der Norm: 122°–130°, 5 Bei einer Coxa vara (verkleinerter Winkel) ist die
5 bei einer Coxa valga: > 130°, Hüftkopfbelastung niedriger, da der Kraftarm
5 bei einer Coxa vara: < 120°. größer wird.
Antetorsionswinkel. Der Winkel wird von der Schenkel- Bei einem Kapselmuster ist die Innenrotation die am
halsachse und der Kondylenebene des Femurs gebildet. stärksten eingeschränkte Bewegung. Trotz dieser betonten
Einschränkung gegenüber den anderen Bewegungs-
> Der Antetorsionswinkel beträgt
richtungen spielt die Innenrotationsbehandlung manual-
5 beim Säugling ca. 30°,
therapeutisch nur eine untergeordnete Rolle. Grund ist
5 beim Erwachsenen ca. 12°.
eine relativ geringfügige Beteiligung am Gesamtbe-
Die Rotationsstellung des Beins wird durch den Antetor- wegungsbild: An 140° Hüftflexion ist die IR nur mit 2,5°
sionswinkel bestimmt: beteiligt.
444 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
jSpielbein-/Standbeinphase
Aus manualtherapeutischer Sicht ist es wichtig, die physio- Übersicht: Kriterien für die Beuteilung
logischen und biomechanischen Gegebenheiten der ein- des Gang- bzw. Laufbilds
zelnen Schrittphasen zu analysieren. Das Gang- bzw. Lauf- 5 Kann der Patient das Standbein mit Kraft nach
bild kann beeinflusst werden durch: hinten strecken? Wenn nein: Besteht eine physio-
4 Ausweichbewegungen, logische Hüftgelenkmobilität? Besteht eine opti-
4 einen veränderten Wirkungsbereich des Muskels auf- male Vordehnungsmöglichkeit der Hüftbeugemus-
grund der Muskellänge und eine damit veränderte kulatur und damit eine Antetorsionsfähigkeit des
Vortriebskraft, Os coxae?
4 die Abdruckkraft und 5 Entstehen bei zunehmendem Gehen und Laufen
4 die Hebellänge. Beschwerden, vor allem im lumbosakralen
Übergang? Wenn ja, besteht der Verdacht, dass
Der Manualtherapeut hat zu beachten, dass ein physiolo- die Rumpfmuskulatur den synergistischen An-
gisches, dynamisches Gangbild mit einem Tempo von 1 forderungen während des Übergangs von der
20 Schritten/min den biomechanischen Gegebenheiten Schwungin die Standbeinphase nicht mehr ge-
angepasst wird. recht wird.
Bei der Inspektion des Gang- bzw. Laufbilds (7 Über- 5 Setzt der Patient seine Muskeln beim Gehen bzw.
sicht) ist besonders in der Schwungbeinphase häufig zu Laufen ökonomisch ein oder kompensiert er
beobachten, dass sich das Becken zu früh aufrichtet, Defizite? Der Patient benötigt in der vorderen
wodurch die funktionelle Lendenlordose aufgehoben und Schwungbeinphase eine Dorsalextension der Fuß-
die Bandscheiben unnötigerweise belastet werden. zehen, um eine optimale hintere Standbeinphase
und, damit verbunden, einen optimalen Abdruck
10.5 · Krankheitsbilder der Hüfte
445 10
10.5.2 Hernia inguinalis (Leistenhernie)
zu erreichen. Eine permanente Vorspannung je-
doch, durch das Festhalten einer nur um den Der Leistenkanal (Canalis inguinalis) durchquert die
Vorfuß gebundenen Fußsandale, verursacht einen vordere Bauchwand. Er bildet die Führungsrinne für den
unökonomischen Abdruck und eine zusätzliche Samenstrang des Mannes und das Lig. teres uteri der Frau.
Logenproblematik der Wade. Darüber hinaus ziehen der Ramus genitalis n. genitofemo-
5 Hat der Patient die Mobilitätsfähigkeit für die ralis und Gefäße hindurch. Der Bruchinhalt besteht aus
Beckenkippung und -aufrichtung, da erst diese peritonealem Fett und Darm. Männer sind herniengefähr-
eine wechselhafte Vorspannung der ischiokrua- deter, da der Hoden durch diesen Kanal in das Skrotum
len Muskulatur bzw. des M. rectus femoris er- transportiert wird. Der Leistenkanal der Frau ist erheblich
möglicht? Wenn nein, besteht der Verdacht, dass kleiner, da das Lig. teres uteri wenig Raum benötigt und
der Patient z. B. eine betonte Lendenlordose hat damit eine geringere Bruchgefahr besteht.
und er folglich die hintere Schwungbeinphase
über die hintere Oberschenkel- und Gesäß-
muskulatur forciert. Die Kniehebephase wiederum 10.5.3 Coxitis fugax (Hüftschnupfen)
erfordert eine Beckenaufrichtung und damit eine
Kyphosierungsfähigkeit der LWS, um den M. rectus Die Coxitis fugax oder Hüftschnupfen ist eine Entzündung
femoris für die vordere Schwungbeinphase der Hüftgelenkkapsel, häufig nach grippalen Infekten
optimal vorzuspannen. (CRP-Wert erhöht). Reversibel nach 2 Wochen.
5 Welche Tätigkeiten übt der Patient/Sportler aus?
! Cave
Zweigelenkige Muskeln wirken anatomisch-funk-
Differenzialdiagnostisch an Morbus Perthes denken!
tionell unterschiedlich auf die Gelenke ein und
haben unterschiedliche muskuläre Optimalspan-
nungen. Diese können durch sitzende Tätigkeiten
und Sportarten wie z. B. Radfahren geprägt sein, 10.5.4 Epiphyseolysis capitis femoris
die die Hebel- und Muskellänge unterschiedlich
günstig bzw. ungünstig beeinflussen. Anforde- Abgleiten der proximalen Femurkopfepiphyse während
rungsbedingte berufs- oder sportspezifische Adap- der Pubertät. Je nach Verlauf der Krankheit werden zwei
tationen können pathologisch leistungsmindernd Typen unterschieden:
oder physiologisch leistungsfördernd sein. 4 Typ lenta: langsamer Verlauf
4 Typ akuta: schneller Verlauf mit Gefahr der Nekrose
durch Abscherung der Gefäße.
4 Der Nachweis wird durch verschiedene Untersu-
10.5 Krankheitsbilder der Hüfte chungen erbracht:
4 Röntgenuntersuchung: Lauenstein-Aufnahme in
10.5.1 Hernia obturatoria »Frogposition« (vgl 7 Abschn. 10.10.7, Provokations-
test für Epiphyseolysis capitis femoris).
Der Canalis obturatorius befindet sich im Foramen obtu- 4 MT-Test: Drehmann-Zeichen (Beugung im Hüft-
ratum und liegt sehr hüftnah. Er ist 2,5 cm lang und liegt gelenk ist nur bei gleichzeitiger Außenrotation des
zwischen Pecten ossis pubis und Azetabulum. Im Kanal Beins möglich, . Abb. 10.25).
verlaufen die A./V. obturatoria und der N. obturatorius.
Der Kanal ist von einer bindegewebigen Kapsel umschlos-
sen. Bruchinhalt der Hernie ist peritoneales Fett/Bauchfell. 10.5.5 Intrinsic snapping hip
Je nach Ausbreitungsform kann eine Hernia intermuralis
(im Kanal steckend) bzw. Hernia retropectinealis (unter Bei der Intrinsic snapping hip springt die Sehne des
dem M. pectineus) entstehen. bietet Die Zeichen sind: M. iliopsoas über die Eminentia iliopubica.
4 Hüftschmerzen, da der artikuläre Nervenast im Kanal
komprimiert wird.
4 Kraftverlust der Adduktoren. 10.5.6 Extrinsic snapping hip
4 Entlastungshaltung des Patienten ist Flex/ADD/AR.
4 Provokation des Schmerzes in Ext/ABD/IR. Coxa saltans oder Extrinsic snapping hip. Durch Vor-
wölbung des Trochanter major (durch vergößerten
Antetorsionswinkel, Ausladung des Beckens, Coxa vara/
446 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
10.7.2 Inspektion
. Tab. 10.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation einer Hüftproblematik
Patient gibt Beschwerden auf der Standbeinseite an. Bauchlage V.a. Coxarthrose
ist unangenehm. Initialbewegungen bereiten Beschwerden.
Patient gibt punktuellen Sitzschmerz an V.a. Kompression der Nn. clunium inferiores pars medialis
Patient gibt Beschwerden im Innervationsbereich des V.a. hypermobiles ISG mit Störung der Symphyse und Störung der
N. obturatorius an Spannung der Membrana obturatoria
Patient gibt beim Freizeitjoggen Beschwerden im proximal- V.a. Freizeitjogger weisen häufig einen hohen Grundmuskeltonus
lateralen Oberschenkelbereich an auf, dadurch kann es zur Kompression des N. cutaneus femoris
lateralis kommen
Patient gibt Schmerzen dorsokranial des Darmbeinkamms an V.a. Irritation der Nn. clunium superiores
Patient gibt nach Kniearthroskopie mit Teilresektion des V.a. Ein großer Anteil der medialen Knieschmerzsyndrome mit
medialen Meniskus Hüft- und Knieschmerz an Hüftschmerzen entstehen durch Arthroskopien mit Verletzung
des R. infrapatellaris n. saphenus (isolierter Knieschmerz) bzw.
Verletzung des N. saphenus.
448 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
Eine Beurteilung mit Inspektion der LWS und des 10.8 Basisuntersuchung der Hüfte
Kniegelenks sollte aufgrund des funktionellen Zusam-
menspiels dazugehören. Ein Gangbild ist ebenfalls Teil der Grundsätzlich beinhaltet die Basisuntersuchung der
Hüftinspektion: Hüfte (7 Übersicht 11.4)
4 Myogene Beschwerden zeigen sich am Spielbein, einen Check-up der Safe signs und
4 arthrogene Beschwerden am Standbein. einen differenzialdiagnostischen Check-up.
Zuerst werden die Safe signs überprüft. Anschließend
Bei der Fußstellung prüft der Therapeut, ob Senk-, Platt- folgt die differenzialdiagnostische Abklärung.
oder Knickfüße für eine Innenrotation der Patella ursäch-
lich sind und damit über Muskelzüge einen Hüft- und
Übersicht
Leistenschmerz auslösen können.
Übersicht 11.4. Safe signs und differenzialdiagnos-
Weitere wichtige Inspektionskriterien sind:
tischer Check-up
4 Hüftasymmetrien,
In der Basisuntersuchung werden die Testungen in
4 Muskeltonus (Atrophie, Hypertonie),
der folgenden Reihenfolge durchgeführt: Safe signs
4 Narben,
5 Check-up: Medikamentöse Behandlung.
4 Hautfärbung (bläulich, blass, rötlich),
5 Check-up einer Osteoporose: Osteoporose-Test.
4 Schwellungen,
Die Federung der Rippen-Atem-Breite (Höhe
4 gleichmäßige Standbeinphase oder wechselt der
Brustwarzen) beträgt von max. Inspiration zu max.
Patient die Standbeinseite,
Exspiration mindestens 8 cm.
4 Schonhaltung.
5 Check-up: Trendelenburg-Test.
Differenzialdiagnostischer Check-up
10 10.7.3 Palpation
5 Check-up des ISG.
5 Check-up der LWS.
Palpatorisch prüft der Therapeut im Seitenvergleich:
5 Check-up des Kniegelenks.
4 Konsistenzunterschiede bei Schwellungen,
4 Hauttemperatur,
4 abnormale ossäre Strukturen,
4 Lipome,
4 Prominenz der Hüftknochen, 10.8.1 Safe signs
4 Tonus der Muskulatur,
4 Lymphknoten. jCheck-up: Medikamentöse Behandlung
In der Anamnese wird erfragt, ob der Patient Medikamen-
> Eine Schmerzpalpation sollte erst nach der Basisun-
te einnimmt und um welche Medikamente es sich handelt.
tersuchung erfolgen. Bursen werden auf Schwellun-
gen (Fluktuation) und Temperatur geprüft. ! Cave
Eine Kortisonmedikation führt zum Verlust der
Elastizität der Gefäße und der Kollagene. Patienten,
die Schmerzmittel einnehmen, können keine
10.7.4 Sicherheit/Kontraindikationen
präzisen Schmerzangaben machen.
Befund. Normal ist ein elastisches Federn der Rippen. Zwischen Hüftgelenk und ISG besteht eine enge mech-
Osteoporosepatienten haben kein oder nur ein limitiertes anische Beziehung. Bei einer fehlenden Mitbeteiligung
Federn. des ISG verringert sich die Hüftflexionsbewegung bis
zu 6o°.
! Cave
Bei positivem Test muss im Hüftbereich äußerst
behutsam gearbeitet werden.
10.9 Aktive Untersuchung der Hüfte
Differenzialdiagnose. Rippensubluxationen/Systemer-
krankungen. In der aktiven Basisuntersuchung testet und beurteilt der
Therapeut:
jCheck-up: Trendelenburg-Test (. Abb. 10.9) 4 Bereitwilligkeit,
ASTE und Ausführung. Der Patient steht 1 min lang. 4 Bewegungsausmaß/Harmonie,
4 Deviationen/Deflexionen und
Befund. Normal ist ein 1-minütiges Stehen auf einem 4 Schmerz.
Bein, ohne dass das Becken zur heterolateralen Seite ab-
sinkt. Geprüft wird eine Schwäche der kleinen Glutäen. Das Kommando ist mit einer Zielorientierung verbunden.
450 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
. Abb. 10.10 Aktive Hüftflexion, rechts . Abb. 10.11 Aktive Hüftextension, links
. Abb. 10.13 Aktive Hüftabduktion, rechts . Abb. 10.14 Aktive Hüftaußenrotation, rechts
a b
10.10 Passive Untersuchung
des Hüftgelenks . Abb. 10.16a,b Passive Hüftextension, rechts. a Mit Knieexten-
sion, b mit Knieflexion
jPassive Hüftflexion (. Abb. 10.15)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
4 Läsionen der Nn. femoralis und cutaneus femoris
Ausführung. Der Therapeut führt eine Flexion im Hüft- lateralis, gluteus inferior, N. ischiadicus,
gelenk aus und gibt am Ende der Bewegung einen 4 Sign of the Buttocks,
Überdruck. Er umfasst von dorsal den distalen Ober- 4 Piriformis-Syndrom,
schenkel. 4 Gefäßschmerz der A. femoralis.
Befund. Eine Schmerzauslösung lässt schließen auf: Endgefühl. Das Endgefühl ist elastisch/fest-elastisch.
4 aktivierte Arthrose bzw. Arthritis,
4 Weichteilläsionen der Mm. tensor fasciae latae, rectus jPassive Hüftextension (. Abb. 10.16)
femoris, sartorius, ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage.
452 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
a
a
b b
. Abb. 10.17a,b Passive Hüftadduktion. a Test links, Handling mit . Abb. 10.18a,b Passive Hüftabduktion, links. a heterolaterales
10 gehaltenem Bein, b Test rechts, Handling mit abgestelltem Bein Bein in Mittelstellung, b Widerlagerung des heterolateralen Beins
Ausführung. Der Therapeut führt mit gestrecktem Endgefühl. Das Endgefühl ist elastisch.
(. Abb. 10.16a ) und mit gebeugtem Kniegelenk
(. Abb. 10.16b) eine Hüftextension aus. jPassive Hüftabduktion (. Abb. 10.18)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Befund. Eine Schmerzauslösung lässt schließen auf:
4 Arthrose, Ausführung. Der Therapeut führt eine Abduktion im
4 Weichteilläsionen der Mm. iliopsoas, tensor fasciae Hüftgelenk aus, indem er das heterolaterale Becken wider-
latae, rectus femoris, sartorius, lagert und das zu untersuchende Bein in Abduktion bewegt.
4 Läsionen der Nn. femoralis und cutaneus femoris
lateralis, Befund. Bei Schmerzauslösung besteht der Verdacht auf:
4 Gefäßschmerz der A. femoralis. 4 Weichteilläsionen der Adduktorenmuskulatur,
4 Arthrose,
Endgefühl. Das Endgefühl ist festelastisch. 4 neurogenen Zugreiz des N. obturatorius.
jPassive Hüftadduktion (. Abb. 10.17) Endgefühl. Das Endgefühl ist elastisch, da die Adduktoren
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. die Bewegung abbremsen.
Ausführung. Der Therapeut führt eine Adduktion im Ausschlusstestung. Zum Ausschluss des M. gracilis wird
Hüftgelenk aus. Das heterolaterale Bein wird angehoben bei gleicher ASTE das Kniegelenk 90° gebeugt.
und das zu untersuchende Bein in Adduktion geführt. Am
Ende der Bewegung wird ein Überdruck gegeben. jPassive Hüftaußenrotation (. Abb. 10.19)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Befund. Eine Schmerzauslösung lässt schließen auf:
4 Weichteilläsionen der Mm. tensor fasciae latae, glute- Ausführung Der Therapeut führt eine Außenrotation im
us medius et minimus, Hüftgelenk aus, indem er die Hüfte 90° beugt, das Kniege-
4 Irritation der Bursa trochanterica, lenk 90° anwinkelt und über den Unterschenkel die Hüfte
4 neurogenen Zugreiz des Ramus cutaneus lateralis in Außenrotation bewegt. Am Ende der Bewegung gibt der
n. iliohypogastricus. Therapeut einen Überdruck.
10.10 · Passive Untersuchung des Hüftgelenks
453 10
. Abb. 10.19 Passive Hüftaußenrotation, links . Abb. 10.20 Aktive Hüftinnenrotation, links
a
jPassive Hüftinnenrotation (. Abb. 10.20)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Bei Bewegungseinschränkung ohne Schmerz besteht der . Abb. 10.21a,b Painful arc der Hüfte/Zirkumduktionstest, links.
Verdacht auf eine Antetorsionshypomobilität des linken a ASTE, b ESTE
Os coxae.
Endgefühl. Das Endgefühl ist festelastisch. Befund. Es kann eine Weichteilirritation der ventralen
Strukturen vorliegen, die von lateral nach medial unter
jPassive Zusatztestungen Kompression geraten:
jPainful arc der Hüfte/Zirkumduktionstest 4 M. tensor fasciae latae,
(. Abb. 10.21) 4 M. rectus femoris,
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. 4 M. sartorius mit N. cutaneus femoris lateralis,
4 M. iliopsoas mit N. femoralis,
Ausführung. Der Therapeut bringt die ventral liegenden 4 A. femoralis,
Weichteilstrukturen von lateral nach medial unter 4 V. femoralis,
Stress. Er führt beim Patienten eine maximale Flexion 4 M. pectineus,
und Abduktion aus und führt das Bein langsam in Adduk- 4 M. adductor longus,
tion. 4 Ramus articularis n. obturatorius.
454 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
. Abb. 10.22 Provokationstest für die Bursa iliopectinea, links . Abb. 10.23 Provokationstest für das Labrum acetabulare, links
Befund. Labrumschaden bei Dehydrierung des Faser- Ausführung. Der Therapeut führt die zu untersuchende
knorpels mit partiellen Einrissen. Die Folge ist ein Austritt Hüfte in ca. 90° Flexion und führt eine maximale Innen-
von Synovia mit Entzündungsreaktionen und die Bildung rotation aus. Aus dieser Vorposition bringt der Therapeut
von Plicazotten mit Druckdolenz. Differenzialdiagnos- die Hüfte in Extension; die Innenrotation wird ge-
tisch sollten ausgeschlossen werden: halten.
10.10 · Passive Untersuchung des Hüftgelenks
455 10
Befund. Osteochondrosis dissecans. Differenzialdiagnos-
tisch sind auszuschließen:
4 Kapselmuster des Hüftgelenks,
4 Chondrokalzinose,
4 Hüftkopfnekrose.
Exkurs
Differenzierung zwischen Osteochondrosis dissecans, Chondro-
kalzinose und Hüftkopfnekrose Osteochondrosis dissecans (Mor-
bus König). Bei der Osteochondrosis dissecans kommt es zu einem
Herauslösen eines Wachstumskerns aus seinem Verbund. Der Grund
ist eine subchondrale Vaskularisationsstörung, die zur Demarkation a
– Sklerosierung – Herauslösen eines Dissekats aus dem Verbund
führt, das Einklemmungsphänomene verursacht.
Bei der Osteochondrosis dissecans entsteht der Schmerz meist zwi-
schen 20–40° Hüftflexion, da sich dorsal-kranial der dickste Knorpel
befindet. Die Dissekatgefahr ist hier am größten. Es entsteht ein pain-
ful arc mit den Symptomen kein Schmerz – Schmerz – kein Schmerz.
Chondrokalzinose. Die Chondrokalzinose wird auch als Pseudogicht
bezeichnet. Sie ist eine Erkrankung, bei der sich Kalziumphosphat-
kristalle lösen und eine Gelenkentzündung auslösen. Außerdem
führt sie zur Abnahme der Knorpelflexibilität. Die Symptomatik ist
identisch mit der einer aktivierten Arthrose.
Bei der Chondrokalzinose besteht der Schmerz auf der gesamten
Bewegungsbahn. b
Hüftkopfnekrose. Eine Hüftkopfnekrose reagiert ebenfalls auf die-
sen Test. Die Hüftkopfnekrose kann als Folge einer aktuell ablaufen-
den Morbus-Perthes-Erkrankung bestehen.
12°−15°
Hüftinnenrotation
. Abb. 10.26 Norminnenrotation 12–15° bei horizontaler Einstel- . Abb. 10.27 Test: »Weiche Leiste« nach Streeck, links
lung des Trochanter major
10
> Antetorsionsverhalten beim Kind ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Die Hände liegen
Antetorsion: Torsion des Femurkopfes nach ventral, auf dem Bauch. Der Patient hebt die rechte Schulter diago-
also nal zur linken Seite an. Das rechte Bein wird zur Inhibie-
zum vorderen Anteil der Pfanne hin. Beim Kind: rung des M. iliopsoas major nach dorsal gegen die Bank
5 Antetorsionswinkel ca. 30°, gedrückt, das linke Bein wird ca. 30° angehoben.
5 CCD-Winkel ca. 150°.
Ausführung. Unter Beibehaltung dieser Vorposition
Diese Winkelmaße bedeuten: drückt der Therapeut das linke Bein unter nachlassender
5 Das Bein steht gerade, wenn es nicht belastet Anspannung des Patienten bankwärts. Zur Verstärkung
wird. des Tests kann der Therapeut zusätzlich exzentrischen
5 Belastet das Kind das Bein, muss dieses in In- Druck an der rechten Schulter des Patienten geben.
nenrotation drehen, um den Femurkopf in der Exkurs
Mitte der Pfanne zu zentrieren. Das Kind stolpert »Weiche Leiste«
in dieser Entwicklungsphase regelrecht über die Der Canalis inguinalis durchläuft die Bauchwand diagonal vom Anu-
eigenen Füße. lus inguinalis profundus zum Anulus inguinalis superficialis. Eine
»weiche Leiste« beschreibt die dynamische Instabilität aktiv stabili-
sierender Strukturen im Canalis inguinalis:
Absinken des CCD-Winkels auf den Normwert von
5 M. obliquus externus,
125°: Die Normstellung des Beins von 15° Antetor- 5 M. obliquus internus,
sion minus 25° Retrotorsion der Tibia (statischer 5 M. transversus abdominis.
Ausgleich durch die Außenrotation der Tibia von
Kommt es aufgrund einer dynamischen Instabilität zu einer morpho-
25°) ergibt eine physiologische 10°-Außenrota-
logischen Schädigung, entsteht eine Hernie. Zeichen einer »weichen
tionsstellung des Beins. Leiste« sind Schmerzen im Leisten- und Adduktorenbereich bei ab-
dominaler Druckerhöhung und exzentrischer Muskelaktivität.
jTest: »Weiche Leiste« nach Streeck
(. Abb. 10.27)
Ziel. Testung einer dynamischen Instabilität im Über- 10.11 Widerstandstestung der Hüfte
gangsbereich des Canalis inguinalis (vom Bauchraum
zum Oberschenkel) durch exzentrische muskuläre An- Bei der Widerstandstestung wird die Hüftmuskulatur iso-
sprache. metrisch-konzentrisch getestet. Zur Beschreibung der Be-
10.11 · Widerstandstestung der Hüfte
457 10
. Abb. 10.30 Widerstandstest: Hüftadduktion, Hüftgelenk in . Abb. 10.31 Widerstandstest: Hüftadduktion, Hüftgelenk in
0°-Stellung 45°-Stellung
rum. Mit seiner linken Hand widerlagert er von dorsal den Befund. Folgende Befunde sind möglich:
distalen Oberschenkel des Patienten. Der Patient wird auf- 4 Läsionen des M. pectineus, M. adductor brevis,
gefordert, das Bein gegen die Widerstand gebende Hand M. adductor magnus, M. adductor longus und
des Therapeuten zu strecken. M. gracilis.
10 4 Weichteilstadien 2–4.
Befund. Befundmöglichkeiten sind:
4 Läsionen des M. gluteus maximus, M. adductor Eine Schwäche ohne Schmerz deutet auf eine Läsion von
magnus, der ischiokruralen Muskulatur, L2–L4 hin.
4 Weichteilstadien 2–4.
jWiderstandstest: Hüftadduktion (. Abb. 10.31)
Eine Schwäche ohne Schmerz deutet auf eine Plexus- ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das Hüftgelenk des
sacralis-Läsion hin. Patienten befindet sich in 45°-Stellung. Die Beine sind
angestellt.
Ausschlusstestung. Differenzierung der Hüftextensoren:
4 Der M. gluteus maximus ist mit 60% der Haup- Ausführung. Der Therapeut steht am Fußende des Pa-
textensor und wird selektiv (im Vergleich zum tienten und widerlagert von medial in Höhe beider Knie-
M. adductor magnus) durch eine zusätzliche gelenke. Der Patient wird aufgefordert, die Beine gegen die
Ansprache der Außenrotatoren getestet. Widerstand gebenden Hände des Therapeuten zu adduzie-
4 Der M. adductor magnus zeigt sich betonter durch ren. Der Therapeut testet im direkten Seitenvergleich.
Ansprache der Adduktoren und bei auswärts gedreh-
tem und gebeugtem Knie durch eine Innenrotation. Befund. Befundmöglichkeiten sind:
4 Die Ischiokruralen mit M. biceps femoris c.l. et c.b., 4 Läsionen des M. adductor longus, M. gracilis,
M. semitendinosus und M. semimembranosus sind M. adductor brevis, M. adductor magnus und
über aktive Kniestreckung zu inhibieren. M. pectineus.
4 Weichteilstadien 2–4.
jWiderstandstest: Hüftadduktion (. Abb. 10.30)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das Hüftgelenk des Eine Schwäche ohne Schmerz weist auf eine Läsion von
Patienten befindet sich in 0°-Stellung. Die Beine sind L2–L4 hin.
gestreckt.
jWiderstandstest: Hüftadduktion (. Abb. 10.32)
Ausführung. Der Therapeut steht am Fußende des Pa- ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das zu testende
tienten und widerlagert von medial in Höhe beider Knie- Hüftgelenk befindet sich in 90°-Stellung.
gelenke. Der Patient wird aufgefordert, die Beine gegen die
Widerstand gebenden Hände des Therapeuten zu adduzie- Ausführung. Der Therapeut steht seitlich des Patienten
ren. Es wird im direkten Seitenvergleich getestet. und widerlagert den Oberschenkel medial in Höhe des
10.11 · Widerstandstestung der Hüfte
459 10
4 Querdehnungen,
4 Funktionsmassagen und
4 Reflexinhibitionstechniken.
10.12.2 Differenzialdiagnostik
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Anzahl und Dosierung. 31–40 WH, 1 Serie, keine Pause.
10.14 · Gelenkspezifische Behandlung der Hüfte
463 10
. Abb. 10.39 Hüft-Joint play mittels Traktion: Direkte Technik aus . Abb. 10.40 Hüft-TLG-Joint play nach ventral aus Vorposition Ex-
Vorposition Flexion, rechts tension, rechts
jHüft-Joint play mittels Traktion: Direkte Technik aus Extension des zu untersuchenden Beins testet der Thera-
Vorposition Flexion (. Abb. 10.39) peut die weiterlaufende Bewegung nach dorsal und nimmt
Basisbefundung. Bewegungseinschränkung der Flexion. diese submaximal als Vorposition für den Joint play. Die
Fixierung und Variierung der Vorposition wird durch
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Anziehen des Gurts erreicht. Die gelenknah angelegten
Hände geben die Bewegungsrichtung entsprechend der
Ausführung. Der Therapeut legt das zu untersuchende Pa- Gelenkspaltvorgabe (es wird nur das Pfannendach berück-
tientenbein über seine rechte Schulter und umfasst mit sichtigt) unter Translationsstufe 2 vor. Abschließend gibt
beiden Händen den Oberschenkel möglichst gelenknah. der Therapeut einen Überdruck zur Erfassung der Kapsel-
Er nimmt die Weichteilspannung der Oberschenkelmus- qualität.
kulatur auf und gibt einen Traktionszug unter Traktions-
stufe 2 nach anterokaudal und lateral. Die Traktion wird im Kompressionsgleiten. Beim Kompressionsgleiten werden
Seitenvergleich ausgeführt. degenerative Veränderungen der obersten Knorpel-
schicht und ein damit verbundenes schlechteres Gleiten
Befund. Der Befund kann eine Hypo-, Hyper- oder Norm- getestet.
mobilität ergeben. Eine Hypomobilität gibt einen Hinweis
auf eine kapsuläre Einschränkung des Hüftgelenks in Approximationsgleiten. Beim Approximationsgleiten
Flexion. werden synoviale Veränderungen gegenüber dem physio-
logischen Joint play getestet.
jHüft-TLG-Joint play nach ventral aus Vorposition
> Kompressions- und Approximationsgleiten sind
Extension (. Abb. 10.40)
nur mit einem Assistenten möglich, der am Fußende
Basisbefundung. Bewegungseinschränkung der Extension.
das Bein nach kranial bzw. kaudal bewegt.
Ziel. Verbesserung der interartikulären Qualität und Interpretation. Die Beweglichkeit kann norm-, hyper-
Differenzierung zur osteokinematischen Befundung unter oder hypomobil sein.
Traktionsstufe 2.
. Abb. 10.42 Hüft-Traktionsbehandlung: Direkte Technik aus . Abb. 10.43 Hüft-Traktionsbehandlung: Indirekte Technik aus
Vorposition Flexion, rechts Vorposition Innenrotation, rechts
10
jHüft-Traktionsbehandlung: Indirekte Technik aus
Vorposition Extension (. Abb. 10.44)
Ziel. Dehnung der Kapsel mit Betonung der Extension un- b
ter Traktionsstufe 3. Zusätzlich findet ein Pulvinartraining
statt.
Ausführung. Der Therapeut steht an der zu behandelnden Ausführung. Der Patient macht mit seinem rechten Bein
Seite des Patienten. Er unterlagert die gleichseitige SIAS einen Ausfallschritt nach vorn, so dass eine Flexionsbe-
mit einem Handtuch und legt einen Gurt um seine Schul- wegung der rechten Hüfte entsteht.
ter und oberhalb des Patientenknies an. Der Therapeut legt
seine linke Hand transversal auf den proximalen Femur- Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
kopf und doppelt diese mit seiner rechten Hand. Unter 3–5 Serien.
Extension des zu behandelnden Beins testet der Therapeut
die weiterlaufende Bewegung nach dorsal und nimmt die- Hausaufgabe. Die Übung kann als Hausaufgabe durchge-
se submaximal als Vorposition für die Behandlung. Die führt werden.
Fixierung und Variierung der Vorposition wird durch An-
ziehen des Gurts erreicht. Die gelenknah angelegten Hän- jKnorpelgleiten im Hüftgelenk: Sagittale
de des Therapeuten geben die Bewegungsrichtung ent- Behandlung der Extension (. Abb. 10.50)
sprechend der Gelenkspaltvorgabe unter Translationstufe ASTE. Der Patient steht. Er hält eine Langhantel ohne
3 nach ventral-lateral vor. Gewicht auf den Schultern.
10.15 · Knorpelgleiten in der Hüfte
469 10
. Abb. 10.49 Knorpelgleiten im Hüftgelenk: Sagittale Behandlung . Abb. 10.50 Knorpelgleiten im Hüftgelenk: Sagittale Behandlung
der Flexion, rechts der Extension, rechts
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause, Ausführung. Der Patient macht mit seinem rechten Bein
3–5 Serien. einen seitlichen Ausfallschritt nach links, so dass eine Ad-
duktionsbewegung der rechten und linken Hüfte entsteht.
Hausaufgabe. Die Übung kann als Hausaufgabe durchge- Das Bewegungsausmaß wird über die Schrittlänge variiert.
führt werden.
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
jKnorpelgleiten im Hüftgelenk: Transversale 3–5 Serien.
Behandlung der Adduktion (. Abb. 10.52)
ASTE. Der Patient steht. Er hält eine Langhantel ohne Hausaufgabe. Die Übung kann als Hausaufgabe durchge-
Gewicht auf den Schultern. führt werden.
470 Kapitel 10 · Manuelle Therapie und Rehabilitation der Hüfte
a b
Literatur
Lanz T von, Wachsmuth W (1938, 1972, 2004) Bein und Statik, 2. Aufl,
b (Praktische Anatomie, Bd Teil 4). Springer, Berlin, Heidelberg
Manuelle Therapie
und Rehabilitation am Knie
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Literatur – 520
476 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
11.1 Einleitung Anfänglich sind es noch kleine Läsionen, die der Kör-
per mittels Narbenbildung zu reparieren versucht. Jedoch
Das Kniegelenk (Articulatio genus) ist das größte Gelenk führt eine medikamentöse Aufhebung des Schmerzes zu
des menschlichen Körpers. Das auf den ersten Blick relativ frühzeitiger Belastung bzw. zur Aufhebung der natürlichen
einfach aufgebaute Gelenk entpuppt sich aufgrund seiner Deviation. Eine medikamentöse Aufhebung des natürli-
biomechanischen Funktionsvielfalt als komplex, kompli- chen Reparationsprozesses durch Antiphlogistika führt
ziert und empfindlich. dazu, dass »Ersatzgewebe« sich nicht remodulieren kann
Die ossären Strukturen, die im Kniegelenk artikulie- und der anfänglich kleine Defekt sich zu einem größeren
ren, sind Defekt entwickelt.
4 Femur,
4 Tibia und jSportspezifische Verletzungen
4 Patella. Sportarten wie Fußball und Skilaufen fordern das Knie-
gelenk auf das extremste. Skilaufen belastet das Knie-
Das Kniegelenk ist von einer schlauchartigen Gelenk- gelenk in hohem Maße, vor allem seit es Skischuhe aus
kapsel umschlossen. Zwischen den kongruenzarmen Kunststoff mit Sicherheitsbindungen gibt. Beim Fußball
Gelenkflächen befinden sich zwei halbmondförmige treten vor allem Verletzungen des medialen Meniskus und
Faserknorpelscheiben, die im Frontalschnitt medialwärts des vorderen Kreuzbands auf. Des Weiteren entstehen
keilartig aussehen. Im Zentrum des Gelenks liegen die bei- durch die Schussmechanik punktuelle Anpressdrücke, die
den Kreuzbänder, die die Gelenkpartner zentrieren und zur Verletzung des Knorpels führen können.
Scherbewegungen nach ventral und dorsal verhindern:
4 Das vordere Kreuzband stabilisiert die Tragefunktion jInsertionsnahe Tendopathien
bei extendiertem Knie. Insertionsnahe Tendopathien treten am Kniegelenk häufig
4 Das hintere Kreuzband stabilisiert die exzentrischen auf. In der Praxis fällt auf, dass ein betont eindimensionales
Kräfte in der Beugephase. Krafttraining und ein Explosivkrafttraining ohne vor-
handene Kraftausdauer und maximale Kraft zu Patellaspit-
11 Die statische Absicherung des Gelenks erfolgt durch liga- zensyndromen, Shin splints (7 Glossar), Reizungen der
mentäre Strukturen und Sehnen, die größtenteils mit dem Sehne des M. biceps femoris, Movie-goer-Syndrom (7 Ab-
Gelenkinneren verwachsen sind. Die passiven ligamentä- schn. 11.5.10) führen. Durch das Ignorieren der Heilungs-
ren Stabilitätsstrukturen weisen einen nicht unwesentli- prozesse, z. B. durch fortgeführtes Training, überzogene
chen Anteil von Muskelfasern auf, die zur Dynamisierung Einnahme von Schmerzmitteln und Antiphlogistika kann
der Bänder führen und als »Leitplanken« für Gefäße und eine Tendinose der jeweiligen Struktur mit Verfettung
Nerven dienen. Das Kniegelenk erfüllt zwei Funktionen: hervorgerufen werden.
4 In gestreckter Stellung übernimmtes eine statische
Tragefunktion. jKnorpelläsionen
4 In gebeugter Stellung hat es eine dynamisch-funktio- Beim Radfahren, das allgemein als »Gesundheits- und
nelle Bewegungsfunktion. Fitness-Training« gilt, beträgt der retropatellare Druck bis
zu 500 kp und ist mit verursachend für retropatellare
Schäden. Positiv wirkt sich das Radfahren auf die harmo-
11.1.1 Mögliche Pathomechanismen nische Bewegung der Menisken und die Stimulation der
Membrana synovialis aus.
jVarus-/Valgusbelastungen mit Rotation In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Arthro-
Besonders anfällig reagiert das Kniegelenk auf Varus-/Val- skopien zur diagnostischen Abklärung erheblich zu-
gusbelastungen mit Rotationsbeanspruchung. Die Pro- genommen. Die Autoren sind sich einig, dass die Arthros-
blematik kann von einer Distorsion (Zerrung) mit Mikro- kopie zur Behandlung eine wertvolle Technik darstellt.
traumen an Gelenkkapsel und Bändern bis hin zu schwe- Das Durchsetzen der Arthroskopie zur Erkennung von
ren Kombinationsverletzungen mit Zerreißung der Kniegelenkschäden ist jedoch in den meisten Fällen fahr-
Bänder, Kapsel und Menisken reichen. Eine Luxation des lässig. Die Gefahr einer arthroskopischen Arthropathie
Kniegelenks ist nur bei einer »Gelenkzerreißung« möglich. durch Knorpelschädigungen, Verletzungen des Ramus
Aufgrund einer veränderten Lebensweise, z. B. Laufen infrapatellaris n. saphenus und Veränderungen des intra-
auf harten Böden oder betonte statische Belastungen, ent- artikulären Milieus ist zu groß und rechtfertigt eine rein
steht ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belast- diagnostische Arthroskopie nicht.
barkeit, das zu frühzeitigen Schädigungen des Kniegelenks
führt.
11.2 · Anatomie des Kniegelenks
477 11
> Die Autoren verstehen unter einer manualthera- jOssifikation
peutischen Behandlung des Kniegelenks nicht die Bis zum 5. Lebensjahr verknöchert die Patella, von meh-
Aufhebung einer degenerativen Extensionsein- reren Knochenkernen ausgehend. Kommt es nicht zu einer
schränkung, sondern die Kontrolle des progressiven synostotischen Knochenkernvereinigung, besteht die
degenerativen Verlaufs durch Erhaltung der Rest- Gefahr einer Patella bipartita bzw. multiplicata (vgl. 7 Ab-
mobilität sowie eine Verbesserung der intraartikulä- schn. 11.5.13).
ren Mobilität, die zu einer Anregung des Stoffwech-
sels führt. jAnatomische Strukturen
Auf der Ventralseite der Patella liegt proximal die Basis
Ein Extensionsdefizit bei einem Arthrosepatienten be- patellae und distal der retropatellar nicht überknorpelte
ruht u. a. auf einer vom Körper gewollten Kompensation Apex patellae. Ventral hat die Patella eine raue Oberfläche.
der vorhandenen dynamisch-artikulären Instabilität. Die- Nach medial hin ist die Patella abgewinkelt.
se Kompensation erreicht er durch einen Mobilitätsverlust Auf der Dorsalseite der Patella befindet sich die Facies
der Membrana fibrosa, um sie dynamisch dauerhaft abzu- articularis patellae. Der Knorpel der Gelenkfläche ist ca.
sichern. Nachteil dieser Kompensation ist das sich verän- 6,4 mm dick. Sie wird durch einen vertikalen First unter-
dernde Steady state (Fließgleichgewicht) der betroffenen teilt, der nach medial verschoben ist und sich abflacht. Die
Muskulatur und der zunehmende retropatellare Druck. laterale Gelenkfacette ist konkav und größer als die medi-
Auch eine gestörte Muskelkette kann Kniebeschwer- ale konvexe Facette. An der medialen Facette weist der
den hervorrufen: mediale Rand nochmals eine Facette auf, die Facette nach
4 Mediale Kniegelenkbeschwerden können durch Odd. Die Größe der Patella ist von den Aktivitäten (Sport)
eine Störung des Segments L3/L4 hervorgerufen im jugendlichen Alter abhängig.
werden. An der Patella inserieren Muskeln und Bänder,
4 Laterale Kniegelenkbeschwerden können durch 4 proximal: der M. quadriceps femoris,
Störungen des Segments L5/S1 entstehen. Insertionen 4 distal: das Lig. patellae,
der entsprechenden segmentalen Muskeln, aber auch 4 lateral und medial: die Retinacula patellae.
Irritationen der Rami articulares können mögliche
Ursachen sein. jFunktion der Patella
Beim Knien belastet der Mensch die belastungsstabile
Tuberositas tibiae. Die Kniescheibe selbst bietet einen
11.2 Anatomie des Kniegelenks Schutz für die empfindliche Membrana synovialis und die
Femurkondylen.
Das Kniegelenk setzt sich zusammen aus Die Patella ist ein Hypomochlion (gr. kleiner Hebel,
4 dem distalen Femuranteil, 7 Glossar). In dieser Funktion kommt sie
4 dem proximalen Tibiaanteil, 4 bei äußersten Strecklagen,
4 der Patella, 4 beim Abdruck des Beins aus der Standbeinphase
4 zwei Menisken, und
4 den Kollateralbändern, 4 bei exzentrischer Arbeit des M. quadriceps femoris
4 dem vorderen und hinteren Kreuzband,
4 der Gelenkkapsel, zum Tragen. Der laterale Ansatz des M. quadriceps femoris
4 den dorsalen kapselverstärkenden Ligamenten, an der Patella ist stärker als der mediale Ansatz.
4 den anterioren Retinacula patellae laterale
und mediale. > Bewegungen der Patella
Die Bewegung der Patella, bezüglich des Kontakts
mit dem Femur verläuft im
11.2.1 Patella 5 aktiven Streckverlauf von distalmedial nach
proximallateral und
Die Patella ist ein konisches Sesambein, das in die Sehne 5 im aktiven Beugeverlauf von proximal nach
des M. quadriceps femoris eingelagert ist. Die Patella hat distal-lateral.
eine überknorpelte Rückfläche, die mit dem Femur artiku- 5 In der Endstreckung des Kniegelenks liegt der
liert. Diese Fläche kann nach Wiberg (vgl. 7 Abschn. 11.2) proximale Patellapol der Bursa suprapatellaris
beschriebene Formvarianten aufweisen. an.
478 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
> Die meniskotibialen und -femoralen Ligamente Bewegung einleitet. Die fehlende Bandabsicherung
sind Bandstrukturen, die kann jedoch im Laufe der Zeit Meniskusschäden
5 die Gelenkkapsel, verursachen.
5 den medialen Meniskus und
5 das mediale Kollateralband jHinteres Kreuzband (Lig. cruciatum posterius)
Ursprung und Ansatz. Das hintere Kreuzband (Lig. crucia-
miteinander verbinden. Aufgrund ihrer Verlaufs- tum posterius) hat seinen Ursprung an der Area intercon-
richtung, ausgehend von den Menisken, werden sie dylaris posterior tibiae. Es hat einen steilen Verlauf und
als meniskotibial oder meniskofemoral bezeichnet. inseriert anterolateral in der Fossa intercondylaris femoris.
Zusammen mit den Kreuzbändern, Menisken und
den Kollateralbändern bilden sie funktionell eine Eigenschaften. Das hintere Kreuzband ist kräftiger und
passiv-kinematische Einheit. kürzer als das vordere und hat eine eigene Gefäßversor-
gung.
jVorderes Kreuzband (Lig. cruciatum anterius)
Ursprung und Ansatz. Das vordere Kreuzband (Lig. cru- Funktion. Hauptaufgabe des Bandes ist die Stabilisierung
ciatum anterius) hat seinen Ursprung an der Area inter- des Kniegelenks in der Beugestellung: Das Band steht, aus-
condylaris anterior der Tibia. Es hat einen dorsalen, ver- genommen in Außenrotation, immer unter einer gewissen
wundenen Verlauf und inseriert medial posterior in der Grundspannung. Es führt dynamisch die Knieextension
Fossa intercondylaris femoris. und stabilisiert den posterioren Shift in der offenen Kette.
4 Das Band gibt zwei Faserbündel ab:
4 ein posteriorlaterales Bündel, das in das Hinterhorn jLig. collaterale tibiale/mediale
des lateralen Meniskus einstrahlt, Ursprung und Ansatz. Das Lig. collaterale tibiale/mediale
4 ein anteriormediales Bündel zum Vorderhorn des hat seinen Ursprung am Epicondylus medialis femoris. Es
medialen Meniskus. hat eine Länge von bis zu 8 cm und inseriert am Margo
medialis tibiae. Das Band verstärkt die mediale Gelenk-
11 Eigenschaften. Das vordere Kreuzband ist um 1/3 dünner kapsel und hat Verbindung zum medialen Meniskus. Es
als das hintere und wird über den Hoffa-Fettkörper durch teilt sich in oberflächliche und tiefe Fasern auf, wobei nur
Diffusion versorgt. Das Band durchläuft eine ossäre Enge die tiefen Fasern Kontakt zur Kapsel und den Meniskus
(Enge nach Grant’s notch), in der die Gefahr einer Ab- haben. Das Band liegt unter dem Pes anserinus superficia-
scherung besteht. lis mit dazwischenliegenden kleinen Bursen.
Funktion. Der anteriormediale Faserzug des vorderen Funktion. Das Lig. collaterale tibiale spannt sich bei Stre-
Kreuzbands ist verantwortlich für die Stabilisation der ckung des Kniegelenks und bei Außenrotation komplett
Extension und Innenrotation und löst die Schlussaußen- an. In Beugung und Innenrotation spannen sich lediglich
rotation aus. Das posterior-laterale Faserbündel ist für die die dorsalen Faserzüge des Bands. Hauptaufgabe ist die
Absicherung der Flexion verantwortlich. longitudinale Absicherung, d. h., es hemmt die Valgusbe-
wegung.
> Beide Faserbündel sind in Außenrotation relativ
entspannt. Das Band erreicht seine maximale
Eigenschaften. Das Lig. collaterale tibiale neigt zu Ein-
Spannung in Innenrotation und Extension. Die
blutungen bei Flexions-, Valgus- und Außenrotations-
letzten 10° der Extension werden durch die Exten-
traumen, bei Schraubenfixationen oder angulären Bewe-
sions- und Außenrotationsanspannung des M. tensor
gungen im Cybex zur Kalzifizierung (Stieda-Pellegrini-
fasciae latae von einer Zwangsaußenrotation von 5°
Syndrom bzw. RÖ-Schatten).
begleitet.
Das vordere Kreuzband hemmt den anterioren Shift in der jLig. collaterale fibulare/laterale
offenen Kette, nicht in der geschlossenen Kette, da dann Ursprung und Ansatz. Das Lig. collaterale fibulare/laterale
die Menisken diese Aufgabe übernehmen. Es zieht zuerst hat seinen Ursprung am Epicondylus lateralis femoris. Es
durch maximale Spannung die ossären Partner aneinander hat eine Länge von bis zu 5 cm, ist strangförmig und hat
und schließt erst zum Schluss das Gelenk. keinen Kontakt zur Gelenkkapsel und dem Meniskus. Es
inseriert am Caput fibulae.
> Es ist nicht möglich, den Ausfall des vorderen
Kreuzbands dynamisch zu kompensieren, da ein Funktion. Das Band spannt sich bei Extension und Außen-
Muskel zuerst das Gelenk schließt, bevor er eine rotation; in Flexion und Innenrotation ist es relativ ent-
11.2 · Anatomie des Kniegelenks
481 11
spannt. Das Band wird vom M. biceps femoris dynami- jDarstellung des perimeniskealen Randnetzes
siert. (. Abb. 11.1)
1
jLigg. popliteum obliquum et popliteum arcuatum
Der Pes anserinus profundus, der vom M. semimembrano-
sus gebildet wird, entlässt einen Faserzug, das Lig. poplite-
um obliquum, das diagonal zum M. gastrocnemius caput
laterale verläuft. 9
Vom Fibulaköpfchen zieht parallel der Sehne des 2
M. biceps femoris ein Faserzug entlang, das Lig. popliteum 3
arcuatum, das zum M. gastrocnemius caput mediale ver-
läuft. Es wird durch den M. popliteus dynamisiert. Beide 8
Bänder tragen erheblich zur Stabilität des dorsalen Knie- 4
7
gelenkbereichs bei.
6
11.2.7 Kniegelenkkapsel
> Verstärkung der Kniegelenkkapsel . Abb. 11.1 Darstellung des perimeniskealen Randnetzes. (Aus
v. Lanz u. Wachsmuth 1938, 1972, 2004) 1 Apex patellae et Lig. patel-
Die Kapsel wird durch Bänder und Muskeln
lae, 2 Perimeniskeales Randnetz, 3 Tractus iliotibialis, 4 Lig. collatera-
verstärkt: le laterale, 5 Perimeniskeales arterielles Randnetz (Regenerations-
5 Lateral/medial wird die Kapsel durch die zone der Menisci), 6 Lig. cruciatum posterius, 7 Lig. collaterale
Kollateralbänder und den Tractus iliotibialis bzw. mediale, 8 Lig. cruciatum anterius, 9 Perimeniskeales Randnetz
durch den Pes anserinus profundus et superficialis
(medial) verstärkt.
5 Dorsal strahlen vier Sehnen in die Membrana
11.2.8 Anatomische Orientierung
fibrosa ein, die Sehnen des
der Rami articulares genus
– Caput mediale et laterale des M. gastrocnemius
(in 10 % der Fälle ist in der lateralen Sehne des
In . Abb. 11.2 sind Lage und Verlauf der Rami articulares
M. gastrocnemius ein Sesambein (Fabella) ein-
des Kniegelenks schematisch dargestellt.
gelagert),
– M. popliteus und
– M. semimembranosus.
5 Dorsal wird die Kapsel von den Ligg. popliteum
arcuatum und popliteum obliquum verstärkt; die
Bänder bilden eine Führungsrinne für die Sehne
des M. popliteus. Die Räume zwischen den Ver-
stärkungsbändern neigen zu bruchsackartigen
Ausstülpungen.
jBeweglichkeit
Zwangsrotation
Im Kniegelenk entsteht erst ab 70° Flexion eine Zwangs
rotation, da erst dann die Kondylen des Oberschenkels
1 Kontakt mit den Kondylen des Unterschenkels bekom-
men. Zwischen 0–70° Knieflexion besteht ein meniskealer
Kontakt.
> Bei der Rotationsbewegung des Kniegelenks sind
gekoppelt:
4
5 Innenrotation an Flexion und
5 Außenrotation an Extension.
jTraumatische Meniskusverletzungen
Bei traumatischen Verletzungen liegt der Läsionsort häufig
parallel zum Außenrand des Meniskus. Vorder- und Hin-
terhorn bleiben intakt.
Der Körper ist in der Lage, kleine Läsionen zu reparie-
ren. Benötigt werden Entlastungsphasen, die der Körper
über Deviationen bzw. Deflektionen erreicht. Nicht adäquat
eingesetzte schmerzhemmende Arzneimittel verhinden
solche Schonhaltungen und begünstigen eine Kompression
im Läsionsgebiet, d. h.eine nicht adäquate antiphlogistische
Medikation verhindert den Regenerationsprozess. Bei
größeren Rissstellen bzw. bei abgelösten Meniskusanteilen
ist der Körper ist nicht mehr in der Lage, den Defekt zu
reparieren. Eine Operation wird unumgänglich.
> Meniskusverletzungen entstehen durch Körper-
drehungen auf einem Bein bei fixiertem Fuß. Fast
ausschließlich ist der mediale Meniskus, aufgrund
seiner schwachen vorderen Fixierung und seiner
limitierten Beweglichkeit, betroffen.
. Abb. 11.5 Vereinfachte schematische Darstellung des rechten
Kniegelenks von ventral. 1 Lig. collaterale laterale/fibulare (grün),
2 Lig. collaterale mediale/tibiale (grün), 3 Lig. cruciatum anterius jUrsachen und Symptome einer Meniskusverletzung
(lila), 4 Lig. cruciatum posterius (schwarz), 5 Lig. meniscotibiale
Ursachen einer Meniskusverletzung sind
anterius mediale, 6 Lig. meniscotibiale anterius laterale, 7 Meniscus
lateralis (blau), 8 Meniscus medialis (blau), 9 Caput fibulae (rot),
4 Rotationstraumen unter Druck und Beugung,
10 Lig. meniscofemorale anterius, 11 Lig. meniscofemoral posterius 4 degenerative Schädigungen durch Stoffwechsel-
störungen,
4 Achsenveränderungen im Kniegelenk wie Varus/
11.4 Typische Verletzungen Valgus.
des Kniegelenks
> Häufig treten Kombinationsverletzungen im Sinne
eines »unhappy triad« auf, mit Beteiligung von:
In . Abb. 11.5 sind die Bänder des Kniegelenks und die
5 Meniscus medialis,
Menisken zur Veranschaulichung schematisch dargestellt.
5 Lig. cruciatum anterius und
5 Lig. collaterale mediale.
. Abb. 11.6 Vereinfachte schematische Darstellung einer . Abb. 11.7 Vereinfachte schematische Darstellung einer
Meniskuskompression, rechts. 1 Caput fibulae (schwarz), 2 Meniscus Meniskuskompression, rechts. 1 Caput fibulae (schwarz), 2 Meniscus
medialis (rot), 3 Meniscus lateralis (blau) medialis (rot), 3 Meniscus lateralis (blau)
. Abb. 11.8 Vereinfachte schematische Darstellung einer . Abb. 11.9 Vereinfachte schematische Darstellung einer
11 Meniskusverletzung, rechts. 1 Caput fibulae (schwarz), 2 Meniscus Meniskusverletzung, rechts. 1 Caput fibulae (schwarz), 2 Meniscus
medialis (rot), 3 Meniscus lateralis (blau), 4 Abrissregion des medialis (rot), 3 Meniscus lateralis (blau), 4 Einrissregion des
Meniscus medialis Meniscus medialis
wegung; das Vorderhorn des medialen Meniskus ist ir- jVerletzung der Kreuzbänder
ritiert. In . Abb. 11.10 wird die topographische Lage der Kreuz-
bänder zur Veranschaulichung schematisch dargestellt.
jMeniskuskompression bei endgradiger
Flexionsbewegung jTopographie der Kreuzbänder (. Abb. 11.10)
. Abb. 11.7 stellt schematisch eine Meniskuskompression
des rechten Kniegelenks aus kranialer Sicht dar. Das
Kniegelenk befindet sich in einer endgradigen Flexions-
bewegung; die Hinterhörner des medialen und lateralen
Meniskus sind irritiert.
jMedialer Meniskusabriss
. Abb. 11.8 stellt schematisch eine Meniskusverletzung des
rechten Kniegelenks aus kranialer Sicht dar. Die Verlet-
zung verursachte einen medialen Meniskusabriss mit Ver-
lagerung des abgelösten Materials auf die Tibiakondylen.
jMedialer Meniskuskorbhenkelriss
. Abb. 11.9 stellt schematisch eine Meniskusverletzung des
rechten Kniegelenks aus kranialer Sicht dar. Die Verletzung
verursachte einen medialen Meniskuskorbhenkelriss mit
Verlagerung von Meniskusmaterial auf die Tibiakondylen. . Abb. 11.10 Topographie der Kreuzbänder. (Aus Frisch 1998)
Der mediale Meniskus ist irritiert. 1 (Ant) Lig. cruciatum anterius, 2 (Post) Lig. cruciatum posterius,
3 (MM) Medialer Meniskus, 4 (LM) Lateraler Meniskus
11.4 · Typische Verletzungen des Kniegelenks
487 11
jVereinfachte Darstellung der Kreuzbandfunktion
(. Abb. 11.11)
Die Funktion der Kreuzbänder lässt sich am Beispiel zwei-
er Holzlatten vereinfacht darstellen: Zwei übereinander
liegende Holzlatten sind an den Enden diagonal miteinan-
der fixiert. Die Fixierung lässt ein vorderes Öffnen (Fle-
xionsbewegung im Knie) und ein hinteres Öffnen (Exten-
sionsbewegung im Knie) zu, ohne dass sich die Holzlatten
gegeneinander verschieben, wobei das Öffnen nur in
einem Bereich von maximal 5 mm möglich ist. Die Dar-
stellung in . Abb. 11.11 gliedert sich in drei Abschnitte:
4 Im ersten Abschnitt stehen beide Holzlatten (Ober-
und Unterschenkel) in Neutralstellung.
4 Der zweite Abschnitt zeigt das Kippen der oberen
Latte (Flexionsbewegung in der geschlossenen Kette).
Hier wirkt die Bremskraft der Extensoren. Die
Bewegung wird über das hintere Kreuzband geführt.
4 Der dritte Abschnitt zeigt das Kippen der unteren
Latte (Flexionsbewegung in der offenen Kette). Hier
wirkt die konzentrische Kraft der Flexoren. Die Be-
wegung wird über das vordere Kreuzband geführt.
11.5.1 Morbus Osgood-Schlatter . Abb. 11.13 Semitendinosusplastik für das vordere Kreuzband.
1 Lig. collaterale laterale/fibulare (grün), 2 Lig. collaterale mediale/
tibiale (grün), 3 Lig. cruciatum anterius (lila), 4 Lig. cruciatum poste-
Der Morbus Osgood-Schlatter ist eine Osteonekrose der rius (schwarz), 5 Lig. meniscotibiale anterius (schwarze Fasern),
Tuberositas tibiae, vorwiegend bei Jungen im Alter zwi- 6 Lig. meniscotibiale posterius (schwarze Fasern), 7 Meniscus lateralis
schen 10–14 Jahren durch sportliche Überbeanspruchung. (blau), 8 Meniscus medialis (blau), 9 Caput fibulae (rot), 10 Lig. menis-
Zeichen sind Schwellung und lokaler Druckschmerz. Die cofemorale anterius (schwarze Fasern), 11 Lig. meniscofemorale
posterius (schwarze Fasern), 12 Patella, 13 Sehnenverlauf des
Osteonekrose ist im Röntgenbild nachweisbar.
M. semitendinosus mit Ansatzgebiet Pes anserinus superficialis
(rot gepunktet), 14 8-mm-Bohrkanal medial der Patellarsehne,
15 8-mm-Bohrkanal durch den lateralen Femurkondylus, 16 Sehne
11.5.2 Morbus Sinding-Larsen des M. semitendinosus, die nicht durch den Bohrkanal über die
(Larsen-Johansson-Krankheit) Tibiakante zum lateralen Femurkondylus geführt wird (grau)
11.5.6 Chondromalazie gische Zugreize, die zur Ischämie des Lig. patellae führen
bzw. zu einer Reizung des am Apex patellae verlaufenden
Eine Chondromalazie wird durch den Abbau von Derma- Ramus infrapatellaris n. saphenus.
tansulfat und Chondroitinsulfat ausgelöst, wodurch sich
die Wasserspeicherungsfähigkeit vermindert. Druck kann
interchondral nicht mehr in Zug umgewandelt werden, 11.5.12 Dashboard injury (Spongiosaödem)
und die Tragfähigkeit nimmt ab. Da der Druck erst in
tiefen Schichten kompensiert werden kann, entsteht ein Das Dashboard injury wird durch Autounfälle verursacht,
subchondraler Schmerz. Das Gleiten im Gelenk bleibt bei bei denen die angewinkelten Knie an das Armaturenbrett
der Chondromalzie intakt. prallen. Es kommt zur Zerreißung von kleinsten Binde-
gewebshäuten in der Spongiosa. Dies führt zu einem
Knochenödem und zur Verminderung der Druckaufnah-
11.5.7 Plica-Syndrome – mefähigkeit bzw. zur Läsion des hinteren Kreuzbands.
Läsion der Plica mediopatellaris
11.5.8 Stieda-Pellegrini-Syndrom Die Baker-Zyste ist eine Ausstülpung der dorsalen Ge-
11 lenkkapsel (Membrana synovialis durch die Membrana
Der Stieda-Pellegrini-Schatten ist eine röntgenologisch er- fibrosa) aufgrund einer intraartikulären Schädigung/Er-
kennbare Kalzifizierung im Ursprungsbereich des Lig. col- krankung bzw. Überbelastung der B-Zellen.
laterale mediale. Ursachen sind valgesierende Zugreize
bzw. Valgustraumen.
11.5.15 Osteochondrosis dissecans
11.5.11 Patellaspitzensyndrom
3
2 1
2
3
6 4
10 4
7
8 5
7
9
5
11.6.3 Kniegelenk aus medialer Sicht 11.6.4 Kniegelenk aus lateraler Sicht
(. Abb. 11.16) (. Abb. 11.17)
5
1 2
7
7
3
5 4 3
1
6
4
. Abb. 11.16 Linkes Kniegelenk aus medialer Sicht. 1 M. adductor . Abb. 11.17 Linkes Kniegelenk aus lateraler Sicht. 1 Caput fibulae,
magnus, 2 Tuberculum adductorium, 3 M. sartorius, 4 M. gracilis, 2 M. biceps femoris, 3 Lig. collaterale laterale, 4 Tuberositas tibiae,
5 M. semitendinosus, 6 Pes anserinus superficialis (blau), 7 Lig. col- 5 Recessus suprapatellaris, 6 Bursa infrapatellaris, 7 Bursa suprapatel-
laterale mediale laris
492 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
. Tab. 11.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglichen groben Befundungsinterpretationen einer Kniegelenkproblematik
Patient gibt sensibles Dermatom medialseitig des Kniegelenks an V.a. radikuläre Problematik L3
Patient gibt sensibles Dermatom ventralseitig des Kniegelenks an V.a. radikuläre Problematik L4
Patient gibt sensibles Dermatom lateralseitig des Kniegelenks an V.a. radikuläre Problematik L5
Patient gibt sensibles Dermatom dorsalseitig des Kniegelenks an V.a. radikuläre Problematik S1 bzw. S2
Patient gibt Adduktoren- und medialen Knieschmerz an V.a. Irritation des Ramus cutaneus n. obturatorius im Becken-
bereich (z. B. Ovarien) unterhalb des M. pectineus, Instabilität
der Symphyse
Patient klagt nach Kniegelenk-OP über ein »Versagen« der V.a. aktive Instabilität durch Irritation/Verletzung bzw. Verlust der
Muskelaktivität, vorwiegend bei der Kniebeuge Plica parapatellaris medialis
Die Plica kommt bei Flexion unter Spannung und löst proprio-
zeptiv über den M. quadriceps femoris eine exzentrische Brems-
kraft aus, Mobilitätsverlust der Menisken.
Der Befund zeigt eine vermehrte Außenrotation V.a. Instabilität des Lig. collaterale mediale, dynamisches Defizit
der Innenrotatoren
Der Befund zeigt eine vermehrte Innenrotation V.a. Instabilität der Kreuzbänder, dynamisches Defizit der
Außenrotatoren
Patient beklagt beim Laufen auf Bodenunebenheiten Schmerzen. V.a. Vorderhornläsion des Außenmeniskus, Knorpelflexibilitäts-
In der Basisuntersuchung zeigt sich die Außenrotation ventral- abnahme
lateral schmerzhaft DD: Läsion des VKB, Läsion der Kapselinsertion
Patient mit Varusstellung der Knie gibt Beschwerden am lateralen V.a. Friktionssyndrom des Tractus iliotibialis durch Sehnensprin-
11 Tibiaplateau an gen zwischen Tuberculum supracondylare und Gerdy’schem
Tuberculum. DD: Plicasyndrom, subchondrale Läsion des
medialen Tibiaplateaus
Patient hat 48 Std. nach dem Trauma eine erwärmte Schwellung V.a. serösen Gelenkerguss
Patient hat 48 Std. nach dem Trauma eine nicht erwärmte V.a. Hydrops
Schwellung
In der Basisuntersuchung ist die Innenrotation initial schmerzhaft V.a. Läsion des Lig. meniscotibiale posterius
Patient hat eine tennisballgroße Schwellung im Kniegelenk V.a. Baker-Zyste mit HH-Meniskusläsion
Patient gibt laterale Kniegelenkbeschwerden an, die sich durch V.a. Läsion des Tractus iliotibialis an seiner Kaplan-2-Insertion,
Medialisieren der Patella verstärken Friktionssyndrom des Tractus iliotibialis
Patient gibt laterale Kniegelenkbeschwerden an, die sich durch V.a. Läsion der Ligg. meniscotibiale/-femorale posterius
Varisierung und Innenrotation verstärken. Es treten zeitlich be-
grenzte Flüssigkeitsansammlungen im Knie auf
Patient gibt laterale Kniegelenkbeschwerden an, die sich durch V.a. Läsion des Lig. collaterale laterale
Varisierung verstärken. Es besteht keine Flüssigkeitsansammlung
im Knie
Patient gibt nach Teilresektion des Meniskus Beschwerden am V.a. Läsion der Ligg. meniscotibiales, Friktionssyndrom des
Tibiaplateau und im Kapselbereich an Knorpels
Patient zeigt in der Basisbefundung eine vermehrte Aufklappbar- V.a. Läsion des Lig. collaterale mediale, Degeneration des
keit in der Valgusbewegung lateralen Meniskus, der durch die Belastungslinie und unflexible
Fixation eher degeneriert, Läsion des vorderen Kreuzbands.
Patient gibt ab 90° Beugung Schmerzen an, die sich bis 140° V.a. Läsion der Facette nach Odd
maximal steigern, bzw. Patient gibt bei 140° Kniebeugung
selektiven Schmerz am oberen medialen Patellapol an
Patient gibt anterolaterale Schmerzen an V.a. Läsion des Lig. collaterale laterale, Läsion des Tractus iliotibialis,
Läsion der anterolateralen Kapsel, Läsion des Außenmeniskus-VH
11.7 · Anamnese, Inspektion und Palpation des Knies
493 11
Patient gibt anteromediale Schmerzen an V.a. Läsion des VKB, Läsion des Lig. collaterale mediale, Läsion
des Innenmeniskus-VH, Läsion der anteromedialen Kapsel.
Patient gibt posterolaterale Schmerzen an V.a. Läsion des Lig. arcuatum, Läsion des Lig. collaterale laterale,
Läsion der posterolateralen Kapsel, Läsion der Sehne des
M. biceps femoris, Läsion des M. popliteus, Läsion des Außenme-
niskus-HH
Patient gibt posteromediale Schmerzen an V.a. Läsion der posteromedialen Kapsel, Läsion des Lig. collate-
rale mediale, Läsion des HKB, Läsion des Innenmeniskus-HH,
Läsion der Kapselinsertion des M. semimembranosus
Patient gibt Beschwerden bei Außenrotation des Kniegelenks an V.a. Läsion des Lig. meniscotibiale anterius, Läsion des Lig. colla-
terale mediale, Läsion der Plica mediopatellaris, Meniskushypo-
mobilität, Läsion des Innenmeniskus-HH, Läsion des Außenme-
niskus-VH, Instabilität des PTFG (proximales Tibiofibulargenk)
Patient gibt Spannungsbeschwerden bei Kniebeugung an V.a. Läsion der Plica suprapatellaris, retropatellare Chondropa-
thie, Meniskushypomobilität, Hydrops bis 3 ml
Patient gibt Beschwerden im Bereich des Fibulaköpfchens und V.a. Läsion der Ligg. Kaplan 1, Hypomobilität des PTFG
der lateralen proximalen Tibia an
Patient gibt Beschwerden im Bereich der Apex patellae an V.a. Patellaspitzensyndrom, Morbus Sinding-Larsen
Im Eingangsbefund lässt der Therapeut den Patienten Bereits während des Gesprächs mit dem Patienten achtet
seine Problematik schildern. Währenddessen beobachtet der Therapeut auf dessen Bewegungsamplitude und
er etwaige Deviationen im Stand und stellt dem Patienten etwaige Deviationen. Während der Inspektion sollte der
ergänzende Fragen. Therapeut die Anamnese mit den Befundergebnissen der
Um Zeitraum, Ort und Art der Beschwerden zu er- Inspektion abgleichen. Daraus ergeben sich für ihn schon
fahren, sind folgende Grundfragen wichtig: erste Interpretationen.
4 Seit wann hat der Patient Beschwerden? Eine Inspektion des Fußes, der Hüfte und des Be-
4 Wo sind die Beschwerden? ckens sollte aufgrund des funktionellen Zusammenspiels
4 Wie zeigt sich das Beschwerdebild? mit eingeschlossen sein. Ein Gangbild gehört ebenfalls mit
4 Gab es in letzter Zeit außergewöhnliche Belastungen zur Knieinspektion. Die Stellung der Patella sollte im Zu-
für das Kniegelenk? sammenhang mit der Fußstellung betrachtet werden, da
4 Welche Therapien sind erfolgt und mit welchem Er- z. B. ein Senkfuß eine Innenrotation der Kniescheibe
folg? bedingen kann.
4 Welche Medikamente wurden/werden eingenom- Weitere wichtige Inspektionskriterien sind:
men? 4 Beinachsenveränderungen,
4 Gibt es Bildgebung (Röntgenbilder, MRT-Aufnah- 4 Muskeltonus (Atrophie, Hypertrophie),
men, CU usw.)? 4 Narben,
4 Hautfärbung (Bläue, Blässe, Rötung),
494 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
Nach Anamnese, Inspektion und Palpation erfolgt ein Der differenzialdiagnostische Check-up (vgl. Übersicht)
Resümee mit Einschätzung von Sicherheit und Kontrain- soll zu Beginn einer zielgerichteten Untersuchung klären,
dikationen. Ausgeschlossen werden müssen: ob umliegende Strukturen beteiligt sind.
4 Systemerkrankungen (Rheuma, Morbus Bechterew,
Psoriasis),
11 4 entzündliche Prozesse,
Übersicht: Differenzialdiagnostischer Check-up
Der Check-up für das Kniegelenk beinhaltet aktive
4 Frakturen,
Testungen bzw. Provokationen:
4 Bandrupturen.
5 Check-up der intraartikulären Flüssigkeit (Ballotte-
> Vorgehensweise bei der Interpretation ment-Test, Ergusstestung),
des Befundes: 5 Check-up der Hüfte,
5 Kontraindikationen einschätzen. 5 Check-up des Fußes,
5 Diagnosemöglichkeiten einengen. 5 Check-up des ISG,
5 Strategie entwickeln: Weiter mit Basisunter- 5 Check-up der LWS,
suchung oder erneute Kommunikation mit 5 Check-up der Symphysis pubica (Flamingo sign,
dem Arzt. abgewandeltes Patrik sign),
5 Neurogener Check-up (Lasègue-Test, Neri-
(Brudzinski-) Testung, umgekehrter Lasègue-Test).
Knie und Hüfte sind durch Die Beziehung zwischen Knie und LWS ist nerval bedingt.
4 die nervale und vaskuläre Versorgung und Das Check-up der LWS beantwortet die Frage, ob die Be-
4 die zweigelenkigen Muskeln schwerden des Kniegelenks durch aktive Bewegungen der
LWS beeinflussbar sind.
eng miteinander verbunden. Das Check-up des Hüft-
> Zum Check-up der LWS gehört die aktive Testung
gelenks beantwortet die Frage, ob die Beschwerden des
der LWS.
Kniegelenks durch aktive Bewegungen der Hüfte be-
einflussbar sind oder ob eine Funktionsschwäche zu er-
kennen ist.
496 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
. Abb. 11.19 Aktive Knieflexion, rechts . Abb. 11.20 Aktive Knieextension, rechtsseitig
Anhand der aktiven Kniegelenkbewegungen beurteilt Befund. Ein positiver Befund deutet auf:
der Therapeut: 4 Kapselmuster,
4 Bewegungsumfang, 4 Weichteilstadium 2–4 der Knieextensoren,
4 Bewegungsverlauf, 4 Baker-Zyste
4 Schmerz und 4 Meniskus-Vorderhorn-Läsion,
4 Bereitwilligkeit. 4 Läsion des hinteren Kreuzbands. Das Bewegungs-
defizit entsteht durch die schlechte passive Wider-
lagerung des hinteren Tibiaplateaus.
11.9.1 Aktive Knieflexion (. Abb. 11.19)
Befund. Ein positiver Befund deutet auf: Ausführung. Der Patient führt in 90° Kniebeugung und
4 Kapselmuster, mit verriegeltem OSG eine Außenrotation im Kniegelenk
4 Meniskus-Hinterhorn-Läsion, aus.
4 Patellaspitzensyndrom,
4 entzündlicher Prozess des Corpus adiposum infrapa- Befund. Ein positiver Befund gibt einen Hinweis auf:
tellaris, 4 Plica-Syndrom,
4 Morbus Osgood-Schlatter, 4 Läsion der medialen meniskotibialen Bänder,
11.10 · Passive Untersuchung des Kniegelenks
497 11
. Abb. 11.21 Aktive Knieaußenrotation, rechts . Abb. 11.22 Aktive Knieinnenrotation, rechts
. Abb. 11.23 Passive Knieflexion, links . Abb. 11.24 Passive Knieextension, links
4 Vorderhornläsion des lateralen Meniskus, Ausführung. Der Therapeut führt eine Flexion im Knie-
4 Hinterhornläsion des medialen Meniskus, gelenk aus und gibt am Ende der Bewegung einen Über-
4 Läsion des Lig. collaterale mediale. druck.
Befund. Siehe aktive Testung (. Abb. 11.20). Zusätzlich . Abb. 11.27 Passive Knieinnenrotation, links
11 verweist ein positiver Befund auf:
4 Kapselmuster,
4 Baker-Zyste, lagerung der Bewegung seitlich an der Therapiebank her-
4 Flake-Fraktur infolge eines Hyperextensionstraumas ab; das zu behandelnde Bein wird in 90° Knieflexion auf-
im Sulcus terminalis, gestellt. Unter Fixation des distalen Oberschenkels bewegt
4 Insertionstendopathie des M. popliteus, der Therapeut das Bein über den dorsalextendierten Fuß
4 Mobilitätsstörung des Vorderhorns bzw. Läsion der in Außenrotation und gibt am Ende der Bewegung einen
Menisken, Überdruck.
4 Genu recurvatum.
Befund. Siehe aktive Testung (. Abb. 11.21). Zusätzlich
jPassive Knieextension (. Abb. 11.25) kann die passive Bewegung eine Provokation des N. saphe-
Ziel. Erfassung des Endgefühls. nus auslösen.
0°
20°
. Abb. 11.28 Passive Knievarustestung aus Vorposition Extension, . Abb. 11.29 Passive Knievarustestung aus Vorposition 20° Knie-
rechts flexion, rechts
Befund. Siehe aktive Testung (. Abb. 11.22). handelnde Patientenbein seitlich an der Behandlungsbank
herabhängen.
Endgefühl. Das Endgefühl ist
4 in der Norm: festelastisch, Endgefühl. Das physiologische Endgefühl ist festelastisch.
4 bei Hypomobilität des Außenmeniskus-HH oder Ein Impuls ist nur sinnvoll bei Verdacht auf eine frische
Innenmeniskus-VH: elastisch, Kapselläsion.
4 bei posterolateraler kapsulärer Hypomobilität: fest.
jPassive Knievarustestung aus Vorposition
20° Knieflexion (. Abb. 11.29)
11.10.1 Passive Zusatztestungen: Befund. Es besteht Verdacht auf eine Läsion des Lig. colla-
Test für Kollateralbänder terale laterale.
und Kapsel
Ziel. Testung des Lig. collaterale laterale.
Differenzialdiagnostisch sollte bei der Kapsel- und Band-
testung beachtet werden, dass eine Höhenminderung der ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Menisken den jeweiligen Testweg verlängert:
4 eine Höhenminderung des Innenmeniskus bei der Ausführung. Der Therapeut steht medial des zu be-
Varustestung und handelnden Beins. Er umfasst mit seiner linken Hand das
4 eine Höhenminderung des Außenmeniskus bei der Fersenbein des Patienten. Er hebt das zu behandelnde Bein
Valgustestung. leicht an und beugt es im Kniegelenk ca. 20°. Mit seiner
rechten Hand, die er interthenar am medialen Kniegelenk-
jPassive Knievarustestung aus Vorposition spalt anlegt, führt der Therapeut über einen horizontalen
Extension (. Abb. 11.28) Schub nach lateral eine Varusbewegung im Kniegelenk
Befund. Es besteht Verdacht auf eine posterolaterale Kap- durch. Um optimal an der medialen Seite des Patienten-
selläsion. beins arbeiten zu können, sollte das nicht zu behandelnde
Patientenbein seitlich an der Behandlungsbank herab-
Ziel. Testung des posterolateralen Kapselbereichs. hängen.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Endgefühl. Das physiologische Endgefühl ist festelastisch.
Ein Impuls ist nur sinnvoll bei Verdacht auf eine frische
Ausführung. Der Therapeut steht medial des zu behan- Bandläsion.
delnden Beins. Er umfasst mit seiner linken Hand das Fer-
senbein des Patienten und hebt das extendierte Bein leicht jPassive Knievalgustestung aus Vorposition
an. Mit der rechten Hand, die er interthenar am medialen Extension (. Abb. 11.30)
Kniegelenkspalt anlegt, führt der Therapeut über einen Befund. Es besteht Verdacht auf eine Läsion des postero-
horizontalen Schub nach lateral eine Varusbewegung im medialen Kapselbereichs.
Kniegelenk durch. Um optimal an der medialen Seite des
Patientenbeins arbeiten zu können, sollte das nicht zu be-
500 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
20°
0°
. Abb. 11.30 Passive Knievalgustestung aus Vorposition Extension, . Abb. 11.31 Passive Knievalgustestung aus Vorposition 20° Knie-
rechts flexion, rechts
. Abb. 11.33 Anterolateraler Schubladentest für das hintere Kreuz- . Abb. 11.34 Gravity sign für das hintere Kreuzband
band, rechts
Ausführung. Der Therapeut steht lateral des zu behan- > Durch die Senkrechtstellung des hinteren Kreuz-
delnden Beins. Er stellt seinen linken Unterschenkel auf bands bei 90° Knieflexion ist eine anterolaterale
die Therapiebank, so dass der distale Oberschenkel des Schublade günstiger als eine posteromediale, da
Patienten aufliegt. Mit seiner linken Hand fixiert er den beim anterolateralen Schub das Gleiten durch den
Oberschenkel des Patienten oberhalb des Recessus supra- intermeniskealen Raum leichter möglich ist.
patellaris. Mit seiner rechten Hand gibt er unter der
Berücksichtigung der 8°-Tibiaplateauneigung einen Schub jGravity sign für das hintere Kreuzband
nach ventral, wobei zuerst der Weg registriert wird und am (. Abb. 11.34)
Ende ein kurzer endgradiger Anschlag. Ziel. Stabilitätstestung des hinteren Kreuzbands.
Befund. Geprüft wird, ob eine Läsion des Lig. cruciatum ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
anterius vorliegt. Ein fehlender Anschlag ist ein Zeichen
für eine Bandruptur. Ausführung. Der Patient legt seine Füße in 90° Hüft- und
Knieflexion auf einen Hocker ab. Über die Schwerkraftwir-
Endgefühl. Das Endgefühl ist in der Norm festelastisch. kung kommt es bei einer Ruptur des hinteren Kreuzbands
zu einem Absinken der Tibia gegenüber dem Femur. Es ist
jAnterolateraler Schubladentest für das hintere möglich, die Translation nach posterior durch die Aktivie-
Kreuzband (. Abb. 11.33) rung der ischiokruralen Muskulatur zu verstärken.
Ziel. Stabilitätstestung des hinteren Kreuzbands.
Befund. Geprüft wird, ob eine Ruptur des hinteren Kreuz-
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das zu testende bands vorliegt.
Bein ist 90° gebeugt.
Ausführung. Der Therapeut steht lateral des zu testenden 11.10.3 Passive Zusatztestungen:
Beins. Zur Widerlagerung legt er sein Knie/Unterschenkel Meniskustestungen
auf den aufgestellten Fuß des Patienten. Mit seiner linken
Hand fixiert der Therapeut den Oberschenkel des Pa- Bei den Meniskustestungen sollte differenzialdiagnos-
tienten. Die rechte Hand hakt er an der Tibia ein und tisch stets an eine Hypomobilität der Menisken durch Im-
übt unter Berücksichtigung der 8°-Tibiaplateauneigung mobilisation bzw. durch eine mangelhafte Konsistenz der
einen Zug nach lateroventral aus, wobei zuerst der Weg Synovialflüssigkeit gedacht werden.
registriert wird und am Ende ein kurzer endgradiger An-
schlag. jSteinmann-I-Test (. Abb. 11.35)
Ziel. Provokationstestung der Vorderhörner des Innen-
Befund. Geprüft wird, ob eine Läsion des Lig. cruciatum und Außenmeniskus.
posterius vorliegt. Ein fehlender Anschlag ist ein Zeichen
für eine Bandruptur. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
a b c
d e f
a a
b b
. Abb. 11.40a,b Plica-Provokationstest, rechts. a ASTE/Handling, . Abb. 11.41a,b Osteochondrosis-dissecans-Test, rechts. a ASTE:
b ESTE/Ausführung 90° Flexion und maximale Innenrotation. b ESTE: maximale Exten-
sion und maximale Innenrotation
Befund. Bei einer Osteochondrosis dissecans entsteht der Befund. Bei Schmerz und Krepitation besteht Verdacht
Schmerz im Verlauf des Extensionswegs in Form eines auf eine Chondropathia patellae oder eine Chondro-
schmerzhaften Bogens. malazie.
506 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
Befund. Bei Schmerz und Krepitation besteht Verdacht Befund. Bei Schmerz und Krepitation besteht Verdacht
auf eine Chondropathia patellae oder eine Chondro- auf eine Chondropathia patellae oder Chondromalazie.
malazie.
jSchematische Darstellung des Spurungstests
jPfründ-Zeichen (. Abb. 11.44) (. Abb. 11.46)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das Knie ist zu Be- Der rote Pfeil zeigt auf die erlaubte Lateralisierung, die bei
ginn 20° flektiert. maximaler Flexion 1/3 der Patellabasis betragen darf.
11.10 · Passive Untersuchung des Kniegelenks
507 11
a b c
. Abb. 11.47a–c Spurungstest, rechts. a ASTE, b ESTE, c ESTE aus ventraler Ansicht
90°
50°
a b
20°
jSpurungstest (. Abb. 11.47)
> Der Spurungstest lässt die Lateralisierungs-
amplitude der Patella von maximaler Extension in
maximale Flexion erkennen.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Bein wird 90° Die normale Widerstandstestzeit beträgt 1 sec mit
angebeugt, der Fuß auf einen Keil aufgestellt. maximaler isometrisch-konzentrischer Kraft.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Die Kniebeugung Ausschlusstestung. Bei Schwäche besteht der Verdacht auf
wird so eingestellt, dass sie der Krepitation im Chondro- eine Plexus-lumbalis-Läsion.
11.11 · Widerstandstestung (Muskelweichteiltest 2, 3) des Kniegelenks
509 11
. Abb. 11.51 Widerstandstest für die Knieextension, links . Abb. 11.52 Widerstandstest für die Knieinnenrotation, links
Befund. Es kann eine Läsion der folgenden Muskeln deut- ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Sein Kniegelenk ist
lich werden: ca. 70° flektiert.
4 M. biceps femoris,
4 M. tensor fasciae latae, Ausführung. Der Therapeut steht seitlich des Patienten.
4 Weichteilstadien 2–4. Er widerlagert mit seiner linken Hand den distalen
510 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
. Abb. 11.55 Mobilisationsbehandlung nach »FOST« für das Innen- . Abb. 11.56 Mobilisationsbehandlung nach »FOST« für das
meniskus-HH, rechts Außenmeniskus-VH, rechts
Anzahl und Dosierung. . Abb. 11.57 Mobilisationsbehandlung nach »FOST« für das
4 Rhytmische Ausführung 31-bis 40-mal; bei jedem Außenmeniskus-HH, rechts
10. Mal erfolgt ein Impuls in Translationsrichtung.
4 Anschließend aktive Bewegung in die eingeschränkte
Bewegungsrichtung (1 min). Anzahl und Dosierung.
4 Meniskusmobilisation wird 3-bis 4-mal wiederholt. 4 Rhytmische Ausführung 31-bis 40-mal; bei jedem
4 Trophiktraining. 10. Mal erfolgt ein Impuls in Translationsrichtung.
4 Anschließend aktive Bewegung in die eingeschränkte
Bewegungsrichtung (1 min).
11.12.3 Mobilisationsbehandlung nach 4 Meniskusmobilisation wird 3-bis 4-mal wiederholt.
»FOST« für das Außenmeniskus- 4 Trophiktraining.
Vorderhorn (. Abb. 11.56)
Befund. Die Testung der passiven Außenrotation ergab 11.12.4 Mobilisationsbehandlung nach
keinen festelastischen Stop, sondern einen elastischen »FOST« für das Außenmeniskus-
Stop. Hinterhorn (. Abb. 11.57)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Befund. Bei der Testung der passiven Innenrotation gab es
keinen festelastischen Stop, sondern einen elastischen Stop.
Ausführung. Der Therapeut steht medial des 90° gebeug-
ten Patientenbeins. Er fixiert mit seinem linken Bein den ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
außenrotierten rechten Unterschenkel des Patienten. Mit
seiner linken Hand umfasst der Therapeut die Tibia von Ausführung. Der Therapeut steht medial des 90° gebeug-
lateroventral so gelenknah wie möglich; seine rechte Hand ten Patientenbeins. Er fixiert mit seinem linken Bein den
legt er widerlagernd am distal-ventralen Oberschenkel an. innenrotierten rechten Unterschenkel des Patienten. Mit
Über seine linke Hand gibt der Therapeut einen Schub seiner linken Hand umfasst der Therapeut die Tibia von
nach posterior (8°-Dorsalneigung der Tibia beachten). dorsolateral so gelenknah wie möglich; seine rechte Hand
512 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
11.12.6 Differenzialdiagnostik
. Abb. 11.58 Mobilisationsbehandlung nach »FOST« für das Innen- 11.13 Gelenkspezifische Untersuchung
meniskus-VH, rechts und Behandlung des Kniegelenks
. Abb. 11.59 Warming up für das Kniegelenk mittels Translation . Abb. 11.60 TLG nach dorsal in 50° Knieflexion, rechts
aus Ruheposition, rechts
Interpretation. Das Gelenkspiel kann norm-, hyper- oder Ausführung. Die rechte Hand des Therapeuten wird ge-
hypomobil sein. lenknah dorsolateral an die Tibia angelegt. Die linke Hand
umfasst die Malleolengabel von anterior. Unter Flexion
! Cave
des zu untersuchenden Beins testet der Therapeut die
Differenzialdiagnostisch ist eine Hypomobilität
weiterlaufende Bewegung nach ventral und nimmt diese
der Menisken zu beachten. Die Vorderhörner der
submaximal als Vorposition für den Joint play. Die Bewe-
Menisken können beim TLG nach dorsal limitierend
gungsrichtung nach ventral entspricht der Konvexität des
wirken, die Hinterhörner der Menisken bei der
medialen Tibiakondylus bei Flexionseinschränkung und
aktiven Flexion.
verläuft entsprechend der Tibiaplateauneigung nach dor-
Ergänzung. Innerhalb dieser Technik besteht die Möglich- sal von 8° unter Translationsstufe 2 bzw. 3 bei Pikkolo-
keit, nach dem TLG nach dorsal in Stufe 2 über den medi- Traktion des Unterschenkels.
11.13 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des Kniegelenks
515 11
Kompressionsgleiten. Getestet werden degenerative Ver-
änderungen der obersten Knorpelschicht und ein damit
verbundenes schlechteres Gleiten.
Ziel der Behandlung. Technik zur Mobilisation einer 11.13.6 Behandlung: TLG nach dorsal
Extensionseinschränkung unter Translationsstufe 3. in der geschlossenen Kette
(. Abb. 11.64)
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Der Therapeut
unterlagert den Oberschenkel des Patienten so, dass die Basisbefundung. Befundet wurde eine Bewegungsein-
Patella frei liegt. schränkung der endgradigen Knieextension.
> Die Schlussaußenrotation wird weder biomechanisch
Ausführung. Die linke Hand des Therapeuten wird gelen-
noch kapsulär verursacht, sondern ligamentär, durch
knah dorsolateral an die Tibia angelegt. Die linke Hand
die maximale Spannung des vorderen Kreuzbands.
umfasst die Malleolengabel von anterior und gibt eine
Piccolo-Traktion. Unter Extension des zu untersuchenden ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Der Therapeut un-
Beins testet der Therapeut die weiterlaufende Bewegung terlagert den Unterschenkel des Patienten so, dass das
516 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
11.14 Behandlung der Patella In der folgenden Übersicht sind die Strukturen zusam-
mengefasst, die die Patella in ihrem femoropatellaren
Die Patella ist ein Sesambein (Os sesamoideum), das in die Gleitlager fixieren.
Bänder und Sehnen des Kniestreckapparats eingelagert ist
und mit der Facies patellaris femoris artikuliert. Bei exten-
diertem Knie hat die Kniescheibe keinen retropatellaren Übersicht: Absichernde Strukturen der Patella
Kontakt und liegt frei in der Muskelschlinge. Die Patella wird von Bändern und Muskeln gesichert:
Die Führung der Patella beginnt erst bei 20° Knie- 5 Ligg. Kaplan 2 (Retinaculum patellae transversale
flexion. Zwischen 60–90° Knieflexion hat die Patella die laterale).
größte Auflagefläche auf den Kondylen. Den letzten – Ursprung: Tuberculum supracondylare
Führungskontakt hat die Patella an der medialen Seite an (Abspaltung aus dem Tractus iliotibialis).
der Facette nach Odd.
11.14 · Behandlung der Patella
517 11
a a
b b
. Abb. 11.66a,b Behandlung des Recessus suprapatellaris, rechts. . Abb. 11.67a,b Dehnung der Ligg. Kaplan 2, rechts. a Handling,
a Handling, b ESTE b ASTE
Ziel. Dynamische Aktivierung der Pars obliquus des Ziel. Dynamischer Ausgleich der Dysbalance zwischen
M. vastus medialis um ca. 20 %. M. vastus medialis und Tractus iliotibialis.
> Die Anlage des Tapestreifens entspricht Ursprung > Eine dynamisch bedingte Lateralisierung der Patella
und Ansatz des zu stimulierenden Muskels. Das kann nur bedingt durch den statisch schwächeren
Taping bewirkt durch die propriozeptive Stimula- M. vastus medialis ausgeglichen werden. Eine
tion von Haut und Muskel eine Muskeltonus- konzentrische Ansprache des Muskels sollte nur zur
erhöhung. einleitenden Schulung ausgeführt werden.
11.14 · Behandlung der Patella
519 11
Alternative. Der Widerstand der Hände wird durch ein . Abb. 11.71 Dynamischer Aufbau des M. vastus medialis pars
am Oberschenkel angelegtes, nach lateral ziehendes obliquus mit Theraband, links. a ASTE, b ESTE
Theraband ersetzt (. Abb. 11.69b).
Befund. Muskulär bedingte Lateralisierung der Patella mit lateral transversal um das zu behandelnde Knie. Der
Neigung zu habituellen Patellaluxationen. »Schlitten« wird so eingestellt, dass das Knie nur zwischen
20° und 80° bewegt werden kann. Der Fuß steht auf einem
Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause, Fußpad, der laterale Fußrand wird betont. Das Fußpad ist
3–5 Serien. so eingestellt, dass das OSG in Dorsalextension arretiert
ist.
jDynamischer Aufbau des M. vastus medialis pars
obliquus mit Theraband (. Abb. 11.71) Ausführung. Unter dem Lateralzug des Therabands lässt
Basisbefundung. Befundet wurde eine Schwäche des der Patient das 20° gebeugte Knie in 80° Kniebeugung ab.
M. vastus medialis bei muskulär bedingter Lateralisierung Der Rückweg wird vom nicht betroffenen Bein ausgeführt.
der Patella.
> Ein Aufbau des M. vastus medialis pars obliquus
wird entsprechend seiner Aufgabe durch ein exzen-
Ziel. Dynamischer Ausgleich der Dysbalance zwischen
trisches Training zwischen 20–80° Flexion unter
M. vastus medialis und Tractus iliotibialis.
Adduktion erreicht.
> Eine dynamisch bedingte Lateralisierung der Patella
Befund. Muskulär bedingte Lateralisierung der Patella mit
kann nur bedingt durch den statisch schwächeren
Neigung zu habituellen Patellaluxationen.
M. vastus medialis ausgeglichen werden.
ASTE. Der Patient liegt auf der Bank der »Funktionsstem- Anzahl und Dosierung. 21–30 WH, 60–90 sec Pause,
me«. Der Therapeut legt ein Theraband von medial nach 3–5 Serien.
520 Kapitel 11 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Knie
. Tab. 11.2 Rehabilitation des vorderen Kreuzbands. © Uwe Streeck, Claus Melzer, Janos Geisler, Volker Nufer*
1 0–60° CPM Mobi- 0–30° BP, KH, KB Einbeinstand, 0° Laufband 2.5–3 km/h 3–5 (31–40),
Kein Gleiten, nur lisation (gegebenenfalls in oder 20° Knieflex oder 3×100 m, 30 sec 30–60 sec Pause,
Rollen bis 30° Piezoelektrische leichter ARO) Pause/Serie; keine max. 30°, 3:1:3
Effekte IRO CAVE! Treppe, da mehr als
KEINE Synovia 30° benötigt wird
Ab 10. Tag: 0–90° CPM Mobi- 0–60° BP, KH, KB Wackelbrett Flex/ Laufband 3–4 km/h* 3–5 (21–30),
Roll-Gleiten lisation EXT oder 3×100 m, 30 sec max. 60°, 2:0:1
Ab jetzt Menis- 20° Knieflex oder 0° Pause
kusmob. Knieflex
3 0–120° CPM 0–90° KH, KB, Squat Airex/Trampolin 0° Walken 5–7 km/h 3–5 (13–20),
Mobilisation Lunge (nur bis 90° oder 20° Knieflex 3×500 m max. 90°, 2:0:1
ggf. weiterhin möglich) 30 sec–1 min Pause 1 min/Serie
Meniskusmob. OP-Bein vorne mit
Armstütz, keine Bein-
presse
4–5 Keine CPM 0–120° KH, KB, BP, tiefe Zuerst Balance Brisk Walken 3–5 (13–20),
(underloaded) Mobilisation Kniebeuge nur bei Einbeinstand (ohne 8 km/h max. 120°, 2:0:1
FROM Sportler festzuhalten), dann 3×1000 m
Volles Bewe- Zerstören auf 2 min Pause
11 gungsausmaß ebenem Boden
sollte erreicht (Ball werfen)
sein wegen
Schwefelbrücken
6–7 Keine CPM FROM, BP, KB, KH, Zerstörung auf Brisk Walken 3–5 (8–12),
(underloaded) Mobilisation Lunge (Sidestep als unebenem Boden 8 km/h mögliche ROM,
FROM Variationen) Airex/Trampolin 3×1000 m 2:0:1
In der Beinpresse 2 min Pause (KGG)
volles Ausmaß
8–9 Keine CPM FROM, BP (ggf. einbei- Zerstörung auf 3×1000 m 3–5 (8–12),
(underloaded) Mobilisation nig), KB (tief beim unebenem Boden 9 km/h mögliche ROM,
FROM Sportler), KH Lunge wie Airex/Trampo- Joggen (Laufband) 2:0:1
Start der offenen Kette lin 3 min Pause Für offene Kette
wegen der Schlussro- Pat. soll: Ring gilt PRT A
tation aufheben, Bridge (KGG)
(Hütchenstellung auf dem Trampolin
beachten)
Literatur
Lanz T von, Wachsmuth W (1938, 1972, 2004) Bein und Statik, 2. Aufl,
(Praktische Anatomie, Bd Teil 4). Springer, Berlin, Heidelberg
521 12
Manuelle Therapie
und Rehabilitation am Fuß
Uwe Streeck, Jürgen Focke, Claus Melzer, Jesko Streeck
Literatur – 579
12.2 · Anatomie des Fußes
525 12
12.1 Einleitung Die Abnahme der Fußstabilität ist mit einem Verlust der
Matrixflüssigkeit verbunden, der wiederum aufgrund
Im Laufe der Evolution hat sich der Fuß der Vertikalisie- einer Insuffizienz des Weichteilgewebes und damit ver-
rung des Menschen durch den Ausbau einer komplizierten minderten bzw. verzögerten propriozeptiven Meldungen
Mechanik angepasst und ein belastungsfähiges Längs- und entsteht.
Quergewölbe ausgebildet. Die multiplen funktionell mit-
> Der Fuß stellt den »Sockel« der Gesamtkörperstatik
einander verbundenen Gelenke des Fußes gewährleisten
dar:
eine koordinative Beweglichkeit.
5 Eine mechanische Störung der Fußwurzelknochen
kann die Gesamtstatik des Körpers verändern.
5 Eine Veränderung der Körperhaltung/Konstitu-
12.1.1 Entwicklung des Fußes
tion durch Immobilisation/Deviationen kann
Einfluss auf die Mechanik des Fußes nehmen.
Beim Säugling besteht an der Fußsohle noch ein Fett-
polster, so dass ein Längsgewölbe nicht zu erkennen ist.
Bis zum 2.–3. Lebensjahr ist ein Genu varum physiolo-
gisch, ca. ab dem 3. Lebensjahr entwickelt es sich zu 12.1.3 Mögliche Pathomechanismen
einem Genu valgum. Erst ab dem 14. Lebensjahr ist die
Entwicklung des Fußes abgeschlossen. Zu diesem Zeit- Hypomobilität. Hypomobile Abschnitte verursachen
punkt sollte kompensatorische Hypermobilitäten. Der Unterschenkel
4 keine Achsenabweichung mehr im Knie bestehen, ist in die Betrachtung des Fußes einzubeziehen, da Be-
4 das Längs- und Quergewölbe ausgebildet sein, schwerden häufig nicht nur im Fuß selbst verspürt werden,
4 die Achillessehne zur Senkrechten nicht mehr als sondern über zweigelenkige Muskeln bis in die Waden und
6° Valgus aufweisen. den Schienbeinbereich ziehen. Eine verspannte Waden-
muskulatur kann jedoch auch kompensatorisch aufgrund
Während des ersten Lebensjahrs findet ein starkes Wachs- eines schlechten Steady state oder einer segmentalen
tum des Fußes statt. In diesem Zeitabschnitt können Nervenreizung vorliegen.
Redressionsmaßnahmen korrigierend genutzt werden.
Auch im Kindesalter wird eine Fußproblematik in den Venen- und Lympherkrankungen. Bei Beschwerden des
meisten Fällen mit Schuhzurichtungen und Einlagen ver- Fußes und Unterschenkels müssen Venen- und Lympher-
sorgt. Begleitend sollten Fehlstellungen durch eine kind- krankungen ausgeschlossen werden.
gerechte Fußgymnastik therapiert werden. Im Erwachse-
nenalter sollten Hilfsmittel vor allem der statischen Ent- Rechtsherzinsuffizienz. Bei Schwellungen des Fußrückens
lastung dienen. und der Malleolengabel sollte auch eine Rechtsherzin-
suffizienz bedacht werden.
der Beugesehnen, Nerven und Gefäße müssen einen > Bewegungen der Fibula
Engpass durchlaufen, den Tarsaltunnel, der mit dem Bei Dorsalextension und Plantarflexion des Fußes
Karpaltunnel der Hand vergleichbar ist. Der Fuß besitzt finden begleitend Bewegungen der Fibula statt,
drei Freiheitsgrade der Bewegung. 5 bei Dorsalextension des Fußes eine Proximalisie-
rung und Innenrotation,
> Die Hauptbelastung des Fußes liegt auf dem
5 bei Plantarflexion des Fußes eine Distalisierung
1. Mittelfußstrahl und der Ferse. Fehldruck-
und Außenrotation.
belastungen erkennt man an Hornhaut- und
Schwielenbildung.
Hypermobilitäten des Gelenks können zu Reizungen des
nahe liegenden N. peroneus superficialis führen. Der Ge-
lenkspalt verläuft 45° von anterolateral nach posterome-
12.2.2 Planta pedis dial. Als Folge einer mechanischen Störung im PTFG ent-
stehen mechanische Veränderungen des Fußes, vor allem
Die Fußsohle selbst ist ein Sinnesorgan zur Erfassung der im OSG und meist auch Veränderungen der Bänder, die
Bodenbeschaffenheit. Über die Fußsohle werden Informa- die laterale Gelenkkapsel des OSG stabilisieren. Eine zu
tionen an die Basalganglien mit Assoziation zum Vestibu- weit distalisierte Fibula reduziert deutlich den Input für die
larsystem, Thalamus und Kleinhirn weitergeleitet und lateralen Rami articularis.
unwillkürliche Bewegungsabläufe und erlernte Bewe-
gungsmuster abgerufen.
12.2.6 Membrana interossea/Unterschenkel
12.2.3 Anpassung des Körpergewichts Die Membrana interossea zwischen Fibula und Tibia bildet
den Ursprung für den M. tibialis posterior, den wichtigsten
Die optimale Anpassung des Körpergewichts auf die Trag- dynamischen Stabilisator aller Fußknochen. Kommt es zu
fähigkeit der Füße ist von der Konstitution und der An- einer Verletzung der Membrana interossea, z. B. bei einer
regung der kinematischen Kette (Zusammenarbeit der Weber-C-Fraktur, ist auch der Muskel mit betroffen, mit
Muskelschlingen) abhängig. Die Konstitution ist nur be- der Folge einer dynamischen Instabilität.
12 dingt veränderbar, da sie vorgegeben ist. Dies trifft jedoch
> Der Unterschenkel ist in mehrere Logen aufgeteilt,
nicht für die »überflüssigen Pfunde« zu, die die Achsen-
in denen Muskeln, Nerven und Gefäße verlaufen.
form des Körpers und damit auch die Biegebeanspruchung
Verletzungen der Logen durch
des Skeletts überfordern.
5 Quetschungen,
5 Einblutungen,
5 interstitielle Druckerhöhung
12.2.4 Fußgewölbe
können bis hin zu einem Kompartment-Syndrom
Die Konstruktion des Fußgewölbes ist statisch und dyna- führen.
misch so angelegt, das nicht nur der Belastung des Körper-
gewichts entgegengewirkt wird, sondern auch der Aufrecht- Bei der Betrachtung des Fettgewebes der Wade fällt auf:
erhaltung des Fußgewölbes entsprochen wird. Kräftige 4 Je weiter der tendomuskuläre Übergang des
Fußmuskeln, Sehnenplatten, Bänder und ein dazu passend M. triceps surae nach distal zieht, umso mehr
angelegtes Fußskelett gewährleisten gemeinsam diese Auf- subkutanes Fettgewebe zieht er mit sich und ver-
gabe. ursacht eine plumpe Wadenform.
Die nachfolgenden anatomischen Beschreibungen des 4 Ein hoher Schuh erzeugt eine Proximalisierung des
Fußes und der Fußgelenke schließen das proximale Tibio- subkutanen Fettgewebes und lässt die Achillessehne
fibulargelenk mit ein, da es funktionell zum oberen dünner erscheinen.
Sprunggelenk gehört.
Beide Tubercula sind mit einem Band, dem Lig. transver- Die Gelenkfläche des
sum tali verbunden. In diesem intertuberkularen Raum 4 Os naviculare ist gegenüber dem Os talus und
(Tarsaltunnel) verlaufen der N. tibialis und M. flexor Os cuboideum konkav; die des
hallucis longus. 4 Os cuboideum ist gegenüber dem Os calcaneus und
dem Os naviculare konvex.
12.2.10 Unteres Sprunggelenk Die Funktion des PTTG ist es, die Vorfußphase elastisch zu
halten, um einen beschwerdefreien elastischen Abdruck zu
Das untere Sprunggelenk (USG) besteht aus zwei Gelenk- gewährleisten.
kammern: Stabilisierende Bänder des PTTG sind:
4 dem konkaven Art. subtalaris (hinteres USG). 4 das Lig. bifurcatum zwischen Os calcaneus,
Os talus ist konkav, Os calcaneus konvex; Os naviculare und Os cuboideum,
4 dem konvexen Art. talocalcaneonavicularis 4 das Lig. calcaneocuboideum pars superior und pars
(vorderes USG). Os talus ist konvex, Os calcaneus inferior lateralis,
konkav). 4 das Lig. calcaneonaviculare plantare (Pfannenband).
> Das PTTG verursacht bei Läsionen v.a. Fußrücken-
In beiden Gelenken hat das Os talus Kontakt mit dem da-
beschwerden. Diese kommen häufig in Sportarten
runter liegenden Os calcaneus. Beschwerden treten fast
vor, in denen die Vorfußphase forciert wird, z. B.
ausschließlich im medialen Belastungsbereich auf.
bei Fußballern, Sprintern, Weitspringern, Ballett-
Die Bewegungsachse verläuft von dorsal-lateral-kau-
tänzerinnen.
dal nach ventral-medial-kranial. Aufgrund der einen Be-
wegungsachse gibt es nur einen Grad der Bewegungsfrei-
heit: Varus- und Valgusbewegung. Das Os naviculare mit
seinen 3 Bewegungsachsen gehört somit funktionell nicht 12.2.12 Distales transversales Tarsalgelenk
zum USG. (DTTG)
> Bewegungen im USG
Das distale transversale Tarsalgelenk (DTTG oder
12 Das untere Sprunggelenk besitzt einen Bewegungs-
Lisfranc-Gelenklinie) liegt zwischen
freiheitsgrad:
4 den Ossa cuneiformia,
5 Die Varusbewegung beträgt aufgrund des
4 dem Os cuboideum und
mäßigen Bänderhalts 25°.
4 den Metatarsalen.
5 Die Valgusbewegung beträgt aufgrund der
stark fixierenden Pars tibiocalcanea lig. deltoide- > Bewegungen im DTTG
um 7°. Das DTTG ist mit 4 % an der Dorsalextensions- und
Plantarflexionsbewegung des Fußes beteiligt. Die
> Das USG neigt zu freien Gelenkkörperchen, die sich Art. tarsometatarsea 5 ist ein Sattelgelenk mit der
durch einen Auftrittschmerz bemerkbar machen. größten Beweglichkeit des DTTG.
Wichtig ist die Zuggurtung des Vorfußes durch Bänder Übersicht: Rami articulares der Syndesmosis
und Muskeln, um Biegebeanspruchungen gering zu halten. tibiofibularis, des OSG, des USG und der Digiti
Müdigkeit durch langes Stehen oder Märsche verursacht pedis
eine Herabsetzung des Muskeltonus, wodurch die liga- 5 Kapselinnervation des PTFG (proximales
mentären Strukturen mit der Zeit gestresst und in ihrer Tibiofibulargelenk) (. Abb. 12.1)
Länge unphysiologisch verändert werden. – Ramus n. peroneus recurrens.
Die Gelenkfläche am Kopf des Metatarsale 1 ist ovoid 5 Kapselinnervation im Bereich der Syndesmosis
(eiförmig). Das Gelenk besitzt 2 Bewegungsachsen und tibiofibularis (. Abb. 12.2)
wird als Art. ellipsoidea bezeichnet. Das Os metatarsale 1 – posterior: N. suralis,
ist gegenüber der Phalanx proximalis konvex. Der groß- – anterior: N. peroneus.
zügige ossäre Raum zwischen den Zehen und das Fehlen 5 Kapselinnervation des OSG (oberes Sprunggelenk)
von Bändern zum Os metatarsale 2 lassen eine hohe Be- (. Abb. 12.2)
weglichkeit des Metatarsale 1 zu, die beim Erwachsenen – posterior-medial: Ramus n. tibialis,
jedoch auf Extension, Flexion und Abduktion limitiert ist. – posterior-lateral: Ramus n. suralis,
Extraartikulär plantar des Os metatarsale 1 liegen – anteromedial: Ramus n. saphenus,
zwei Rinnen, in denen das mediale und laterale Sesambein – anterolateral: Ramus n. peroneus profundus.
gleiten. 5 Kapselinnervation des DTTG (distales Tibiofibular-
gelenk) und der Syndesmosis tibiofibularis
> Die Großzehe hat einen großen Einfluss auf das (. Abb. 12.2)
Gangbild: – Ramus n. suralis.
5 In der Schwungphase ist die Großzehe bis zu 65° 5 Kapselinnervation des USG (unteres Sprung-
nach dorsal extendiert. gelenk) (. Abb. 12.3)
5 In der passiven Abdruckphase des Vorfußes wird – anterior-lateral und medial: Ramus n. peroneus
die Großzehe bis zu 90° dorsalextendiert, was profundus,
eine notwendige Voraussetzung für den norma- – posterior-lateral: Ramus n. suralis,
len Gang ist. – posterior-medial: Ramus n. tibialis.
5 Beim Abdruck wird die Großzehe mit großer 5 Kapselinnervation der Digiti pedis (. Abb. 12.4)
Kraft gegen den Boden gedrückt. Die Sesam- – Nn. peroneus superficialis et profundus,
beine verhindern eine Quetschung der Sehne – N. suralis,
des M. flexor hallucis longus. Die Mm. flexor – Nn. plantaris medialis et lateralis.
hallucis brevis und adductor hallucis halten die
Sesambeinloge offen.
530 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
2
1
6
5
3
5 7
4 4
1 1
a b
3
2 anterior posterior
3
. Abb. 12.1 PTFG-Kapselanteil. (Aus Lanz u. Wachsmuth 1938, 4
1972, 2004) 1 Femur, 2 Tibia, 3 Fibula, 4 Patella, 5 Rami articulares
n. peroneus communis recurrens (roter Pfeil) 1
kLaterale Bandstrukturen
Lateral wird das OSG durch 3 Kollateralbänder ver-
bunden:
4 Lig. talofibulare anterius,
a b 4 Lig. calcaneofibulare,
. Abb. 12.4a,b Pedis-Kapselanteil. (Aus Lanz u. Wachsmuth 1938, 4 Lig. talofibulare posterius.
1972, 2004) a Dorsum pedis. 1 N. cutaneus dorsalis lateralis des
N. suralis mit seinen Rami articulares (roter Pfeil), 2 N. peroneus jUnteres Sprunggelenk (Art. subtalaris/
profundus mit seinen Rami articulares (grünerPfeil), b Planta pedis. Art. talocalcaneonavicularis)
3 N. plantaris medialis (roterPfeil), 4 N. plantaris lateralis (grüner Pfeil)
kLig. calcaneonaviculare plantare
Das medial gelegene Lig. calcaneonaviculare plantare stellt
eine Besonderheit dar. Es hat eine dem Gelenk zugewandte
kN. saphenus überknorpelte Fläche, um durch die Verbindung zwischen
Der N. saphenus ist ein sensibler Hautast aus dem N. femo- Os calcaneus und Os naviculare eine Pfanne für den Talus
ralis. Er zieht über den Adduktorenkanal bis zum medialen zu bilden. Deshalb wird dieses Band als »Pfannenband«
Fußrand. In seinem Verlauf zieht er unter dem Lig. colla- bezeichnet.
terale mediale durch und gibt dort Nervenäste ab, die den
medialen Tibiakondylus, die Kniegelenkkapsel, das Periost kLig. bifurcatum
und das Lig. patellae versorgen. Sein weiteres Versorgungs- Das dorsolateral gelegene Lig. bifurcatum ist ein kräftiges
gebiet ist der anteromediale Unterschenkelbereich und der Band, das aus dem Lig. calcaneonaviculare dorsale und
mediale Fußrandbereich bis zum Zehengrundgelenk. dem Lig. calcaneocuboideum besteht.
Die Knochenanteile des Fußskeletts sind durch interossäre Die stärksten Muskeln des Fußes sind die Plantarflexoren.
Bänder miteinander verzurrt. Sie sorgen bei geringem Ihre Kraft ist vier mal so groß wie die der Dorsalexten-
Energieverbrauch für ein starkes Biegemoment, ohne die soren. Dieses Plus an Kraft ist notwendig, da die Arbeits-
Funktionsfähigkeit zu verlieren. Nur bei Instabilitäten leistung, den Körper vom Boden abzustoßen einen er-
verändert sich die Spannungsverteilung, und es kommt zu heblich größeren Aufwand erfordert als die, den Fuß in
einer Verlängerung des Scherengitters durch den Verlust der Luftphase anzuheben. Ad- und Abduktoren sowie
532 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
Pro- und Supinatoren halten sich im Kräftevergleich an- 12.3 Anatomische Gesetzmäßigkeiten
nähernd die Waage. des Fußes
11
1
10
9 2
8 3
7 4
6
. Abb. 12.11 Dorsalextension rechts, anatomische Orientierung . Abb. 12.12 Plantarflexion rechts, anatomische Orientierung
12.4 Pathologie des Fußes Des Weiteren kann die Entstehung eines Hallux valgus
durch das Tragen von Schuhen provoziert werden, die zu
12.4.1 Hallux rigidus eng sind und zu hohe Absätze haben, wodurch die Groß-
zehe in eine Valgusstellung gezwungen wird. Die dritte
Der Hallux rigidus zeigt sich entweder bei jungen Män- Entstehungsmöglichkeit liegt in einer Muskelschwäche der
nern als Epiphysenerkrankung oder im Alter als Arthrose stabilisierenden Großzehenmuskeln. Eine S1-Irritation
durch Spreizoder Plattfüße. Der Abdruck des Gelenks ist der motorischen Nerven könnte die muskuläre Balance
sehr schmerzhaft, so dass Treppaufgehen/Bergsteigen und verändern.
das Tragen von Schuhen mit Absatz Schmerzen bereitet.
> Beim Hallux valgus besteht keine Exostose, sondern
Das Grundgelenk ist geschwollen.
eine Pseudoexostose, die operativ debasiert wird.
In der röntgenologischen Darstellung zeigen sich Os-
teophyten vorwiegend an der Streckerseite. Der Patient
nimmt eine Schonhaltung ein, indem er bei abduziertem
Fuß über die Fußinnenkante läuft. Zehenstand ist nicht 12.4.3 Morton-Neuralgie
mehr möglich.
Die Morton-Neuralgie äußert sich in Druckschmerzen
im Bereich des 2./3./4. Interdigitalraums aufgrund einer
12.4.2 Hallux valgus ischämischen Fibrose der Nn. digitales plantares.
Das Inversionstrauma ist eine klassische Verletzung des Die Achillodynie ist ein Sammelbegriff für Schmerz-
OSG. zustände im Bereich der Achillessehne und umfasst:
Die Traumastärke wird in Grade eingeteilt (vgl. Über- 4 entzündliche bzw. degenerative Veränderungen der
sicht). Achillessehne und des Sehnengleitgewebes (Paraten-
dineum),
4 insertionsnahe Irritationen und
Übersicht: Klassifizierung
4 Bursareizungen.
des Inversionstraumas
5 Grad 1: partielle Ruptur des Lig. talofibulare
Bei jungen Patienten, meist Sportlern, ist die Achillodynie
anterius mit Schwellung des lateralen Malleolus
bedingt durch:
(Distorsion).
4 rezidivierende Mikrotraumatisierungen,
5 Grad 2: Ruptur des Lig. talofibulare anterius;
4 einseitige Zugreize aufgrund einer Fußfehlstellung,
partielle Ruptur des Lig. calcaneofibulare mit
4 Hypomobilität im PTTG.
eiförmiger Schwellung in Höhe des Sinus tarsi.
5 Grad 3: Ruptur des Lig. talofibulare anterius;
Besonders im Fußballsport entstehen hohe sportspezifi-
Ruptur des Lig. calcaneofibulare mit Schwellung
sche Belastungen, z. B. im Sprint mit Ballführung.
beidseits der Malleolen (Umfangvergrößerung >
Therapieresistente Achillodynien kommen in der
4 cm).
Praxis nicht selten vor. Nach Meinung der Autoren entsteht
5 Grad 4: Partielle oder totale Ruptur des
der chronisch entzündete Reizherd durch eine tieflie-
Lig. talofibulare posterius, Lig. talofibulare anterius,
gende Nekrose (degenerative Sehnenanteile) der Sehne
Lig. calcaneofibulare, immer mit einer Luxations-
selbst mit einer aggressiven Entzündung des Paratendine-
fraktur eines oder beider Malleolen.
ums. Konservative Maßnahmen bleiben hier meist un-
wirksam.
Chronisch entzündliche Achillodynien führen häufig
durch mechanische Reizung der Achillessehne bzw. des
12 12.4.6 Anteriores tibiotalares Paratendineums zu Irritationen des umliegenden Ge-
Kompressionssyndrom webes, der Bursa tendinis calcanei und Bursa subcutanea
calcanea, die zusätzlich mit Schwellung, Druckempfind-
Das anteriore tibiotalare Kompressionssyndrom wird lichkeit und Bewegungsschmerz reagieren.
durch ein Hyperdorsalextensionstrauma mit Anschlagen
der Tibiakante am Collum tali verursacht. Betroffen sind
fast ausschließlich junge Patienten/Sportler. Infolge zeigen 12.4.9 Haglund-Exostose/Haglund-Ferse
sich meist ossäre Reaktionen im Bereich des Collum tali,
das auch als »Fußballernase« bezeichnet wird. Bei der Haglund-Ferse bildet sich aufgrund einer chroni-
schen Kompression (Schuhwerk) eine Vorwölbung des
hinteren Fersenbeins aus, ggf. sind knöcherne Ausziehun-
12.4.7 Achillessehnenruptur gen zu erkennen. Es kommt zu einer entzündlichen
Schwielenbildung.
Achillessehnenrupturen basieren ursächlich auf einer de-
generativen Veränderung im Sehnengleitgewebe und in
der Sehne selbst. Der M. soleus setzt medial am Fersenbein 12.4.10 Spreizfuß (Pes transversoplanus)
an, der M. gastrocnemius lateral des Fersenbeins. Dadurch
entsteht eine Art »Kreuzung«, wodurch ein Teil der Sehne Der Spreizfuß entsteht durch eine
hypovaskulär wird, meist verbunden mit einer Valgusver- 4 konstitutionelle Bindegewebsschwäche,
größerung (Wringing-out-Syndrom). 4 muskuläre Insuffizienz der Mm. interossei,
Der Riss verläuft fast ausschließlich von innen nach 4 zu hohe Vorfußbelastung durch Tragen von Schuhen
außen. Symptome sind eine verminderte Plantarflexion mit hohem Absatz und
und eine starke Schwellung mit Überwärmung im Achil-
lessehnenbereich. Der Simmonds-Thompsontest ist zieht eine Abflachung des Quergewölbes und eine Ver-
positiv. änderung der Sehnenverläufe nach sich; damit verbunden
eine veränderte oder betonte Funktion.
12.4 · Pathologie des Fußes
539 12
Durch das Absinken des Vorfußes kommt es zu einer 12.4.15 Morbus Köhler 2
veränderten Dynamisierung der Plantaraponeurose mit (Freiberg-Syndrom)
den möglichen Folgen
4 einer Nervendehnung mit Brenngefühl, Der Morbus Köhler ist eine aseptische Knochennekrose
4 einer Morton-Neuralgie, der Metatarsalköpfchen 2, 3, 4, selten 1. Diese Erkrankung
4 von Krallen- und Hammerzehen, ist meist durch eine Überbelastung aufgrund eines Spreiz-
4 eines Hallux valgus. fußes verursacht und führt zu verminderter Blutver-
sorgung und reduziertem Stoffwechsel der Epiphysen. Das
Abrollen des Vorfußes ist schmerzhaft, es besteht eine Vor-
12.4.11 Knickfuß (Pes valgus) fußschwellung und eine Schonhaltung mit Belastung des
Fußaußenrands.
Der Knickfuß rekrutiert sich aus einer Valgisierung des
Kalkaneus, wodurch das Sustentaculum tali aufgrund
einer passiven Insuffizienz des Lig. deltoideum pars tibio- 12.4.16 Fersensporn (Aponeurosensporn)
calcanea absinkt. Der unter dem Sustentaculum tali
ziehende aktive Stabilisator des Sustentaculum tali, der Der Fersensporn ist eine Exostose am Tuber calcanei im In-
M. flexor hallucis longus, ist Zugreizen ausgesetzt und sertionsbereich der kleinen Fußmuskeln und der Plantara-
kann durch Lageveränderung bzw. Auftreiben der Sehne poneurose. Die Autoren vermuten, dass sich der Fersen-
den Tarsaltunnel einengen mit der Folge einer Nn.-planta- sporn durch ein Missverhältnis zwischen auftretenden Kräf-
res-Reizung. Schmerzen auf der Plantarseite des Fußes ten/Belastung und Knochenspongiosaanpassung ausbildet.
entstehen durch das Absinken des Os naviculare und Kom- Spongiosatrabekel richten sich nach der Druck- und Zugbe-
pression/Zugreiz des unter dem Os naviculare verlaufen- lastung aus. Wirken verstärkte Zugreize auf das Tuber calca-
den N. plantaris medialis. nei ein, z. B. durch eine »trommelartige« Spannung der
Plantaraponeurose beim Spreizfuß, kommt es im Inser-
tionsgebiet zu einer pathologischen Knochenneubildung, die
12.4.12 Störung des funktionellen dem Spongiosatrabekel-Verlauf des Kalkaneus entspricht.
und anatomischen Steigbügels
Der M. tibialis posterior wird gemeinsam mit dem 12.4.17 Fibromatosis plantaris
M. peroneus longus als funktioneller Steigbügel bezeich-
net, der M tibialis anterior mit dem M. peroneus longus Bei der Fibromatosis plantaris handelt es sich um eine Ein-
als anatomischer Steigbügel. Eine Störung dieser das Fuß- blutung zwischen Flexoren und Lig. plantare longum nach
skelett stabilisierenden Muskeln verursacht Fußinstabili- Kalkaneusfrakturen bzw. um eine Verminderung der
täten. kollagenen Gleitfähigkeit durch die Reduktion der intersti-
tiellen Flüssigkeit.
⎫ 4 1
⎬ 6
⎭ 2 3
5
⎫
⎬ 7
3
⎭ . Abb. 12.14 Oberflächenanatomie: Fuß von medial. 1 Malleolus
medialis, 2 Os naviculare, 3 Sustentaculum tali (Talusstütze des
1 ⎫ Kalkaneus), 4 M. tibialis anterior, 5 Kalkaneus
2 ⎬ 8
4⎭
5
1
. Abb. 12.13 Oberflächenanatomie: Fußrücken. 1 Sehne des 2
M. tibialis anterior (blau), 2 Sehne des M. extensor digitorum longus
(rot), 3 Sehne des M. extensor hallucis longus (grün), 4 Fibulaköpf-
chen, 5 Malleolus medialis, 6 Phalanges 1–5 (Digiti), 7 Ossa metatarsi 3
1–5, 8 Tarsus (Fußwurzelknochen)
4
9
12.6.2 Inspektion
9
Bereits während des Gesprächs mit dem Patienten achtet
der Therapeut auf dessen Bewegungsamplitude und etwa-
. Abb. 12.16 Oberflächenanatomie: Fuß von dorsal. 1 Achilles-
ige Deviationen/Deflektionen. Während der Inspektion
sehne, 2 Fibula, 3 Tibia, 4 Syndesmosis tibiofibularis (Lig. tibiofibulare
posterius), 5 Talus, 6 Sustentaculum tali, 7 Tuberculum mediale des
sollte der Therapeut die Anamnese mit den Befundergeb-
Proc. posterior tali, 8 Tuberculum laterale des Proc. posterior tali, nissen der Inspektion abgleichen. Daraus ergeben sich für
9 Kalkaneus, 10 Tarsaltunnel, 11 Bursa tendinis calcanei ihn schon erste Interpretationen.
. Tab. 12.1 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation einer Fußproblematik
. Tab. 12.2 Anamnestische Angaben des Patienten mit möglicher grober Befundungsinterpretation einer Großzehenproblematik
Patient gibt stechenden Schmerz bei Belastung unterhalb der V.a. Gicht, Spreizfuß mit neurogener Dehnung des
Großzehe an N. plantaris medialis
Patient gibt bei Wärmeanwendung (heißes Bad) heftige V.a. Prozessaktivierung einer ruhenden Polyarthritis
Beschwerden an
Patient zeigt eine Krallenzehenstellung V.a. Parese der kurzen Fußmuskeln bei intakten langen
Zehenflexoren, Schuhdeformität, Spreizfuß.
Die kurzen Fußmuskeln sind durch das Tragen von Sanda- 12.7.2 Provokationstest bei Verdacht
len ohne Fußriemen (Schlappen) aufgrund der ständigen auf eine Morton-Neuralgie
Beugestellung der Zehen (Fixation der Sandale) über-
fordert. Dieser Check-up überprüft das Vorliegen einer Metatarsal-
gie (Morton-Neuralgie). Die Beschwerden zeigen sich vor-
wiegend in der Abdruckphase und beim Treppaufgehen.
12.7.1 Differenzialdiagnostischer Check-up Auslösend sind mechanische Faktoren, die zur Mobilitäts-
veränderung der Nn. digitales plantares communes führen.
Der differenzialdiagnostische Check-up (vgl. Übersicht)
klärt zu Beginn einer zielgerichteten Untersuchung, ob
umliegende Strukturen beteiligt sind. 12.7.3 Check-up des proximalen
Tibiofibulargelenks
Übersicht: Differenzialdiagnostischer Check-up
jPTFG-Untersuchung (. Abb. 12.17)
Für das Fußgelenk sind folgende Testungen bzw.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Er stellt sein Bein in
Provokationen relevant:
90° Kniebeugung auf.
5 Provokationstest bei Verdacht auf eine
Morton-Neuralgie.
Ausführung. Der Therapeut palpiert mit seinem linken
5 Check-up des Kniegelenks.
Zeigefinger den PTFG-Gelenkspalt und führt gleichzeitig
5 Check-up des proximalen Tibiofibulargelenks.
mit seiner rechten Hand eine Dorsalextension des Fußes
5 Check-up der Syndesmosis tibiofibularis (Auf-
aus.
hebeltest, Provokationstest, Quetschtest,
Mobilitätstest).
Befund. Beurteilt wird die Proximalisierung und die end-
gradige Innenrotation der Fibula.
544 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.18 Anatomische Darstellung der PTFG-Untersuchung, . Abb. 12.19 ASTE Syndesmosentest/Lig. tibiofibulare anterius,
rechts links
Die distalen Enden der Tibia und der Fibula sind durch die
Syndesmosis tibiofibularis, eine Bandhafte, die sich aus
12 den Ligg. talofibulare anterius et posterius und der Mem-
brana interossea zusammensetzt, in der Malleolengabel
verbunden:
4 Eine Dorsalextension des Fußes führt zur Proximali- . Abb. 12.20 Anatomische Darstellung der Untersuchung der
sierung mit Innenrotation der Fibula. Syndesmosis tibiofibularis, links
4 Eine Plantarflexion des Fußes führt zur Distalisie-
rung mit Außenrotation der Fibula.
Befund. Beurteilt wird eine erhöhte Syndesmosenmobi-
Außerdem bietet die Syndesmose Platz für eine Gelenk- lität, Vorfußadduktion oder verringerte Spannung des
kapselaussackung des OSG und entspricht durch ihre Bands und/oder Schmerz.
Elastizität der sagittalen Translation während der Extensi-
onsbewegung des Fußes. Bei einer Überschreitung der jAnatomische Darstellung der Untersuchung
physiologischen Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks der Syndesmosis tibiofibularis (Aufhebeltest)
kann es zu Läsionen bzw. Rupturen im Syndesmosen- (. Abb. 12.20)
bereich kommen. Anhand der anatomischen Darstellung wird die Palpation
des Syndesmosenspalts mit gleichzeitiger Inversion des
jUntersuchung der Syndesmosis tibiofibularis Fußes gut sichtbar.
(Aufhebeltest) (. Abb. 12.19)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Bein liegt ge- jUntersuchung der Syndesmosis tibiofibularis:
streckt auf der Therapiebank. Provokationstest (. Abb. 12.21)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Bein liegt ge-
Ausführung. Der Therapeut palpiert mit seinem linken streckt auf der Therapiebank; der Fuß liegt am Bankende
Zeigefinger den Syndesmosenspalt und führt gleichzeitig im Überhang.
mit seiner rechten Hand eine Inversionsbewegung des
Patientenfußes aus. Ausführung. Der Therapeut führt mit seiner linken Hand
eine Dorsalextension am Patientenfuß aus. Mit seinem
12.8 · Aktive Untersuchung des Fußes
545 12
. Abb. 12.21 Untersuchung der Syndesmosis tibiofibularis: Provo- . Abb. 12.22 Untersuchung der Syndesmosis tibiofibularis:
kationstest, links Squeezetest (Quetschtest), links
Befund. Beurteilt wird der Schmerz. Der Test ist nur bei
akuter Läsion sinnvoll.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Bein liegt Anhand der aktiven Fußbewegungen beurteilt der Thera-
gestreckt auf der Therapiebank. Für die Vorposition wird peut folgende Aspekte der Bewegung:
das Bein soweit innenrotiert, bis beide Malleolen auf einer 4 Bewegungsumfang,
Linie horizontal liegen. 4 Bewegungsverlauf,
4 Schmerz,
Ausführung. Der Therapeut steht am Fußende der Thera- 4 Bereitwilligkeit (Wie akzeptiert der Patient den
piebank. Mit seiner rechten Hand umgreift er fixierend Schmerz?).
546 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.24 Aktive Plantarflexion des Fußes, links . Abb. 12.25 Aktive Dorsalextension des Fußes, links
. Abb. 12.27 Aktive Pronation des Fußes, links . Abb. 12.28 Passive Plantarflexion, links
Die Qualität beschreibt das gelenkcharakteristische End- . Abb. 12.29 Passive Dorsalextension aus Kniestreckstellung, links
gefühl bei der passiven angulären Provokation. Der Test
gibt dem Therapeuten einen gelenkmechanischen Hinweis
auf ein kapsuläres Problem (Kapselmusterstadium) im Befund. Der Befund entspricht dem der aktiven Testung
Fußbereich. Allerdings ist dieser Hinweis noch keine In- (. Abb. 12.24). Weitere Befundmöglichkeiten sind:
dikation für eine manualtherapeutische Behandlung. 4 Ausriss des medialen bzw. lateralen Tuberculum
posterior (Os trigonum),
4 posteriores tibiotalares Kompressionssyndrom.
12.9.1 Passive Plantarflexion (. Abb. 12.28)
Endgefühl. Das physiologische Endgefühl ist festelastisch.
Ziel. Erfassung eines Endgefühls und Bewegungsaus-
maßes.
12.9.2 Passive Dorsalextension aus
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Kniestreckstellung (. Abb. 12.29)
Ausführung. Die linke Hand umgreift die Patientenferse > Durch die Kniestreckstellung sind alle Plantarflexo-
von dorsal und führt eine gegenläufige Bewegung aus. Mit ren an der Dorsalextensionsbewegung des Fußes im
der rechten Hand umgreift der Therapeut das Collum tali Sinne einer antagonistischen Dehnung beteiligt.
im Gabelgriff und führt es in Plantarflexion. Am Ende der
Bewegung führt der Therapeut den Fuß ca. 10° in Dorsa- Ziel. Erfassung des Endgefühls und Bewegungsausmaßes.
lextension zurück und vollzieht mit hoher Beschleunigung
eine Plantarflexion. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
548 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.30 Passive Dorsalextension aus 30° Kniebeugestellung, . Abb. 12.31 Passive Dorsalextension aus 30° Kniebeugestellung
links mit zusätzlicher aktiver Dorsalextension, links
Befund. Der Befund entspricht dem der aktiven Testung Endgefühl. Das physiologische Endgefühl ist festelas-
(. Abb. 12.25). Weitere Befundmöglichkeiten sind: tisch.
4 Kapselmuster,
4 Achillodynie (Stadium 1),
12 4 subchondrale Fraktur der Trochlea tali, 12.9.4 Passive Dorsalextension aus 30°
4 anteriores tibiotalares Kompressionssyndrom. Kniebeugestellung mit zusätzlicher
aktiver Dorsalextension
Endgefühl. Das physiologische Endgefühl ist elastisch. (. Abb. 12.31)
> Unabhängig vom M. gastrocnemius! Dies bedeutet, ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
dass der M. gastrocnemius die Dorsalextension des
Fußes nicht mehr antagonistisch hemmen kann. Ausführung. Wie in . Abb. 12.30; jedoch fordert der
Therapeut den Patienten zusätzlich auf, seinen Fuß aktiv
Ziel. Erfassung des Endgefühls und des Bewegungsaus- weiter nach dorsal zu extendieren.
maßes.
Befund. Der Befund entspricht dem der aktiven Testung
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das Knie wird mit (. Abb. 12.25). Weitere Befundmöglichkeiten sind
einer Halbrolle in 30° Flexion unterlagert. 4 Kapselmuster,
4 Achillodynie (Stadium1),
Ausführung. Die linke Hand des Therapeuten fixiert den 4 subchondrale Fraktur der Trochlea tali,
distalen Patientenunterschenkel. Seine rechte Hand führt 4 Verstärkung eines anterioren tibiotalaren Kompres-
den Fuß in Dorsalextension. Der Therapeut gibt am Ende sionssyndroms,
der Bewegung einen Überdruck. 4 Schwäche der Dorsalextensoren.
. Abb. 12.32 Passive USG-Varisierung, links . Abb. 12.33 Passive USG-Valgisierung, rechts
Ziel. Erfassung des Endgefühls und Bewegungsausmaßes. Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
Hand die Ferse des Patienten und führt einen Zug nach
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. kaudal aus.
550 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.34 Passive Plantarflexion des PTTG, links . Abb. 12.35 Passive Dorsalextension des PTTG, links
Ziel. Erfassung des Endgefühls und Bewegungsaus- . Abb. 12.36 Passive Supination des PTTG, links
maßes.
> Bei der Bewegung sollte der Gelenkspaltverlauf
zwischen Os naviculare und Os cuboideum berück-
12.9.9 Passive Supination des PTTG
sichtigt werden.
(. Abb. 12.36)
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Ziel. Testung der Mobilität zwischen Talus und Os navicu-
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken lare.
Hand die Ferse des Patienten und führt einen Zug nach
kaudal aus. Mit der rechten Hand umfasst er den Mittelfuß ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
des Patienten und führt eine Bewegung nach dorsal-lateral
aus. Am Ende der Bewegung gibt der Therapeut einen Im- Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
puls. Hand die distal-mediale Fußwurzel so, dass der Hypothe-
nar von plantar am Os naviculare anliegt. Mit der rechten
Befund. Es kann ein Kapselmuster des PTTG oder eine Hand umfasst er im Gabelgriff fixierend das Collum tali.
Mobilitätsstörung der Fußwurzelknochen untereinander Unter Berücksichtigung des Gelenkspalts führt der Thera-
befundet werden. peut eine Dorsalextension und Supinationsbewegung aus.
Am Ende der Bewegung gibt der Therapeut einen supina-
Endgefühl. Das physiologische Endgefühl ist festelastisch. torischen Impuls.
12.9 · Passive Untersuchung des Fußes
551 12
Ziel. Testung der Mobilität zwischen Os calcaneus und 12.9.11 Test für die Achillessehne
Os cuboideum.
jAchillessehnentestung nach Simmonds-Thompson
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. (. Abb. 12.38)
Ziel. Funktionstestung der Achillessehne bei Verdacht auf
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner rechten Achillessehnenruptur.
Hand die distale-laterale Fußwurzel so, dass der Hypothe-
nar von plantar am Os cuboideum anliegt. Mit der linken ASTE. Der Patient kniet im Vierfüßlerstand. Der Fuß
Hand umfasst er im Gabelgriff den Collum tali so, dass der hängt frei über das Bankende.
Zeigefinger am Gelenkspalt zwischen Os cuboideum und
Os calcaneus anliegt. Unter Berücksichtigung des Gelenk- Ausführung. Der Therapeut umfasst mit beiden Händen
spalts führt der Therapeut eine Dorsalextension und den Muskelbauch des M. triceps surae. Durch Kompres-
Pronationsbewegung aus. sion des M. triceps surae löst der Therapeut bei intakter
Achillessehne eine Plantarflexion des Patientenfußes
Befund. Mögliche Befunde sind aus.
4 Mobilitätsstörung der Fußwurzelknochen,
4 Hypomobilität zwischen Os cuboideum und Befund. Bei fehlender Plantarflexion ist eine Achilles-
Os calcaneus. sehnenruptur wahrscheinlich.
552 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
a b
. Abb. 12.41 Test des Lig. talofibulare anterius, links . Abb. 12.42 Test des Lig. calcaneofibulare, links
Befund. Ein positiver Test ist ein Zeichen für eine Läsion
des Lig. talofibulare anterius.
> Begleitend zeigt sich eine Schwellung in Höhe des
Sinus tarsi bzw. im Bereich des lateralen Malleolus.
> Begleitend zeigt sich eine Schwellung um beide > Begleitend zeigt sich eine Schwellung um beide
Malleolen von mindestens 4 cm Umfangvergrößerung. Malleolen von mindestens 4 cm Umfangvergrößerung.
554 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.44 Test der Partes tibiotalaris anterior und tibionavicula- . Abb. 12.45 Test der Pars tibiocalcanea des Lig. deltoideum,
ris des Lig. deltoideum, rechts. Roter Pfeil: Pars tibiotalaris anterior. rechts
Blauer Pfeil: Pars tibionavicularis
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Fuß hängt frei jTest der Pars tibiotalaris posterior des
über das Bankende. Lig. deltoideum (. Abb. 12.46)
Ziel. Mobilitäts- und Provokationstestung.
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
Hand die Ferse des Patienten. Mit seiner rechten Hand um- ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Sein Fuß hängt frei
fasst er von medial kommend im Gabelgriff den Vorfuß über das Bankende.
des Patienten und stellt eine Ruheposition im OSG, mit
Pronation und Abduktion ein. Am Ende der Bewegung Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
gibt der Therapeut über seine linke Hand einen Valgusim- Hand die Ferse des Patienten. Mit seiner rechten Hand um-
puls. fasst er von medial kommend im Gabelgriff den Vorfuß
12.10 · Widerstandstest (Muskelweichteiltest 2, 3)
555 12
a b
. Abb. 12.47a,b Diagnostische Diagonale, links. a Widerstandstest für DE/Pro/ABD, ASTE. b Antagonistiche Diagonale: PF/Sup/ADD, ESTE
des Patienten und stellt eine 90°-Stellung zwischen Fuß 5 Ältere Verletzungen, die der Körper zu kompen-
und Unterschenkel im OSG ein, mit Pronation und Ab- sieren gelernt hat, reagieren auch bei maximaler
duktion. Am Ende der Bewegung gibt der Therapeut über Kraft nicht immer gleich am Anfang des Wider-
seine linke Hand einen Valgusimpuls. standstests, sondern erst nach ca. 10 sec.
5 Besteht der Verdacht auf einen myogenen
Befund. Ein positiver Test ist ein Zeichen für eine Läsion Trigger (partielle Ischämie), zeigt sich dieser erst
der Pars tibiotalaris posterior. ab ca. 30 sec Widerstandsgabe.
a a
b b
. Abb. 12.48a,b Diagnostische Diagonale, links. a Widerstandstest . Abb. 12.49a,b Diagnostische Diagonale, links. a Widerstandstest
für DE/Sup/ADD, ASTE. b Antagonistische Diagonale: PF/Pro/ABD, ESTE für PF/Pro/ABD, ASTE. b Antagonistiche Diagonale: DE/Sup/ADD, ESTE
Ziel. Suche nach muskulären/tendinären Läsionen bzw. Ziel. Suche nach muskulären/tendinären Läsionen bzw.
tendovaginären Reizungen. tendovaginären Reizungen.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner linken
Hand von medial den Mittelfuß des Patienten im Propel- Hand von medial den distalen Unterschenkel des Patienten
lergriff, mit seiner rechten Hand umfasst er von lateral den im Propellergriff, mit seiner rechten Hand umfasst er von
distalen Unterschenkel. Nach passiver Bewegungsrich- lateral den distalen Mittelfuß. Nach passiver Bewegungs-
tungserläuterung spannt der Patient seinen Fuß ca. 1 sec richtungserläuterung spannt der Patient seinen Fuß
maximal (bzw. bis 30 sec/bis zu 1 min) gegen die widerla- ca. 1 sec maximal (bzw. bis 30 sec/bis zu 1 min) gegen die
gernde linke Hand des Therapeuten in Dorsalextension/ widerlagernde rechte Hand des Therapeuten in Plantar-
Supination/Adduktion. Anschließend wird der Fuß passiv flexion/Pronation/Abduktion. Anschließend wird der Fuß
in die antagonistische Diagonale geführt. passiv in die antagonistische Diagonale geführt.
Befund. Schwäche deutet auf eine Läsion des N. peroneus Befund. Schwäche deutet auf eine Läsion des N. tibialis
profundus hin. Schmerz während des Widerstandtestes und N. peroneus superficialis. Schmerz während des Wi-
deutet auf eine Läsion der Mm. tibialis anterior und exten- derstandtests deutet auf eine Läsion der Mm. peronei lon-
sor hallucis longus. gus et brevis.
Antagonistische Diagonale. Die Sehnenscheiden des Antagonistische Diagonale. Die Sehnenscheiden der
M. extensor hallucis longus und M. tibialis anterior werden Mm. peronei sowie der tiefen Flexoren und das Paratendi-
passiv getestet. neum der Achillessehne werden passiv gedehnt.
12.11 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des Fußes bei Einschränkungen im PTFG
557 12
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seinem rechten
Daumen und Zeige-/Mittelfinger das Fibulaköpfchen. Mit
Ausführung. Der Therapeut umfasst mit seiner rechten seiner linken Hand widerlagert er den Tibiakopf von
Hand von lateral den distalen Unterschenkel des Patienten medial. Unter Berücksichtigung des Gelenkspaltverlaufs
im Propellergriff, mit seiner linken Hand umfasst er von führt der Therapeut ein Gleiten nach dorsomedial in
medial den distalen Mittelfuß. Nach passiver Bewegungs- Translationsstufe 2 aus und analysiert die PTFG-Begleitbe-
richtungserläuterung spannt der Patient seinen Fuß wegung der Dorsalextension mit Innenrotation der Fibula.
ca. 1 sec maximal (bzw. bis 30 sec/bis zu 1 min) gegen die Das Joint play wird an der individuellen Proximalisie-
widerlagernde linke Hand des Therapeuten in Plantar- rungsgrenze durchgeführt.
flexion/Supination/Adduktion. Anschließend wird der
Fuß passiv in die antagonistische Diagonale geführt. Befund. Befundmöglichkeiten sind:
4 Dorsomediale Hypomobilität: V.a. eine Dorsalexten-
Befund. Schwäche deutet auf eine Läsion des N. tibialis. sionseinschränkung des Fußes.
Schmerz während des Widerstandtests verweist auf eine 4 Keine Beweglichkeit: Blockade des Fibulaköpfchens.
Läsion folgender Muskeln: 4 Besserung der Beweglichkeit während des
4 M. tibialis posterior, Gleitens: V.a. eine Konsistenzstörung der Synovia.
4 M. flexor hallucis longus, 4 Dorsale Schmerzhaftigkeit: V.a. eine Läsion des
4 M. flexor digitorum longus, N. peroneus communis.
4 M. triceps surae.
558 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
jBasisbefundung einer
Proximalisierungshypomobilität
4 Anamnestische Beschreibung des Patienten:
4 Beschwerden im lateralen Kniebereich beim Berg-
auf-/Treppaufgehen und bei einbeiniger Fuß-
belastung.
5 Evt. Zustand nach Inversionstrauma.
5 Unsicherheitsgefühl auf unebenen Böden durch a b
die verschlechterte laterale Dynamisierung.
. Abb. 12.52a,b Mobilisation des PTFG nach proximal, links.
5 Jogger klagen nach einer gewissen Laufstrecke
a Handling, b Mobilisation
über laterale Kniebeschwerden.
4 In der Inspektion zeigt sich eine Abrollrigidität.
4 Palpatorisch besteht eine Druckdolenz im PTFG. 12.11.3 Behandlung des PTFG bei einer
4 Die aktive Dorsalextension ist endgradig einge- Proximalisierungs- und Innen-
schränkt, rotationshypomobilität
4 die passive Dorsalextension zeigt in 30° Knie-
beugung ein härteres Endgefühl und bei zusätzlicher jMobilisation des PTFG bei einer Proximalisierungs-
Aktivität keine Bewegungserweiterung. hypomobilität (. Abb. 12.52)
Befund. Proximalisierungshypomobilität und Dorsalex-
jBasisbefundung einer tensionseinschränkung des Fußes. Im Joint play war der
Innenrotationshypomobilität Translationstest nach proximal positiv.
4 Anamnestische Beschreibung des Patienten:
5 Beschwerden bei endgradiger Dorsalextension, ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Er winkelt sein Knie 90°
12 z. B. beim Dehnen der Wadenmuskulatur. an. Der Fuß wird soweit in Dorsalextension eingestellt, bis
5 Zustand nach Inversionstrauma. die Proximalisierungsgrenze erreicht ist.
4 Palpatorisch besteht eine Druckdolenz im PTFG.
4 Die aktive Dorsalextension ist endgradig einge- Ausführung. Der Therapeut hakt sich kaudalseitig mit sei-
schränkt, nem linken Daumen an die Fibula an und hält mit der
4 die passive Dorsalextension zeigt in 30° Knie- gleichseitigen Hand die Vorposition Dorsalextension. Mit
beugung ein härteres Endgefühl und bei zusätzlicher seiner rechten Hand (Thenar) doppelt er seinen linken
Aktivität keine Bewegungserweiterung. Daumen. Der Therapeut führt eine Proximalisierung der
> Die Praxis zeigt, dass eine Proximalisierungs- Fibula in Translationsstufe 3 aus.
hypomobilität schmerzhafter ist und das
Bewegungslimit früher erreicht ist als bei einer Anzahl und Dosierung.
innenrotatorischen Einschränkung, die eher ein 4 Bei synovialer Problematik: Rhythmisch 31- bis
Bewegungsdefizit und Schmerzen in der End- 40-mal mobilisieren, 30 sec Pause, 3–5 WH. Die
gradigkeit aufweist. Pause wird genutzt, um eine neue Vorposition einzu-
Folglich sollte die Mobilisation in der Sagitta- stellen.
lebene beginnen. An die Mobilisation schließt sich 4 Bei kollagener Problematik:
das Einschleifen der freigemachten Bewegung an, 5 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
die vorerst manuell und später am Gerät ausgeführt 5 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
wird. Ergänzend bietet sich ein PTFG-Thermokine- 5 Abschließend in Dorsalextension anspannen
tiktraining an, um die Trophik zu verbessern. Zu- lassen.
sätzlich erlernt der Patient eine Hausaufgabe, um
jMobilisation des PTFG bei dorsomedialer
den Bewegungsumfang zu erhalten.
Hypomobilität (Innenrotation) (. Abb. 12.53)
Befund. Hypomobilität nach dorsomedial und Dorsalex-
tensionseinschränkung des Fußes. Im Joint play war der
Translationstest nach dorsomedial positiv.
12.11 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des Fußes bei Einschränkungen im PTFG
559 12
45°−60°
a b
. Abb. 12.53a,b Mobilisation des PTFG nach dorsomedial, links. . Abb. 12.54 Joint play des PTFG, links
a Handling. Der unterlagerte Sandsack dient der Widerlagerung der
Tibia. b Mobilisation
ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Er winkelt sein unterla- medial. Unter Berücksichtigung des Gelenkspaltverlaufs
gertes Knie 20° an. Der Fuß wird in maximale Dorsalex- führt der Therapeut ein Gleiten nach antero-lateral in
tension positioniert, um an der individuellen Proximalisie- Translationsstufe 2 aus. Er beurteilt die Außenrotationsbe-
rungsgrenze behandeln zu können. wegung der Fibula.
Ausführung. Der Therapeut hakt sich ventralseitig mit sei- Befund. Die Bewegungsprüfung kann ergeben:
nen rechten Daumen an das Fibulaköpfchen an. Mit seiner 4 Ventrolaterale Hypomobilität: Va. eine Plantar-
linken Hand (Thenar) doppelt er seinen rechten Daumen. flexionseinschränkung des Fußes.
Unter Berücksichtigung des Gelenkspaltverlaufs führt der 4 Keine Beweglichkeit: Blockade des Fibulaköpfchens.
Therapeut, in Vorposition einer maximalen Dorsalexten- 4 Besserung der Beweglichkeit während des Gleitens:
sion im OSG, ein Gleiten nach dorsomedial in Transla- V.a. eine Konsistenzstörung der Synovia.
tionsstufe 3 in 45–60° zur Horizontalen aus. 4 Dorsale Schmerzhaftigkeit: V.a. eine Läsion des
N. peroneus communis.
! Cave
Zu beachten ist eine Kompression des N. peroneus!
ASTE. Der Patient liegt in Seitlage. Er winkelt sein Knie 90° ASTE. Der Patient kniet im Vierfüßlerstand auf der Thera-
an. Der Fuß wird bis an die Distalisierungsgrenze in Plan- piebank. Die Füße sind im Überhang positioniert. Der Fuß
tarflexion eingestellt. sollte so am Bankende gelagert werden, dass die maximale
Distalisierungsgrenze der Fibula erreicht wird.
Ausführung. Der Therapeut hakt sich mit seinem rechten
Daumen von proximal an das Fibulaköpfchen an und Ausführung. Der Therapeut hakt sich dorsalseitig mit
doppelt mit seiner linken Hand den rechten Daumen. Mit seinem linken Hypthenar unter Mitnahme des Weichteil-
seiner rechten Hand führt der Therapeut eine Distalisie- mantels des lateralen M. gastrocnemius an das Fibulaköpf-
rung der Fibula in Translationsstufe 3 aus. chen an. Mit seiner rechten Hand fixiert er die Ferse des
12.11 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des Fußes bei Einschränkungen im PTFG
561 12
8°
8°
. Abb. 12.57 TLG-Joint play nach dorsal für DE im OSG aus Vorposi-
tion DE, in der offenen Kette bis 0°, links
a
ASTE. Der Patient steht auf der Bank.
82°
. Abb. 12.59 TLG-Joint play nach ventral für PF im OSG aus . Abb. 12.60 TLG-Mobilisation für PF im OSG aus Vorposition PF,
Vorposition PF, in der offenen Kette, rechts in der geschlossenen Kette, links
Ziel. Testung der Qualität der interartikulären Bewegung jTLG-Mobilisation nach ventral für die Plantar-
mit Differenzierung zur osteokinematischen Befundung flexion im OSG aus Vorposition Plantarflexion, in
unter Translationsstufe 2. der offenen Kette
Ziel. Translation in die resistente Gleitrichtung unter
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Der Patientenunter- Translationsstufe 3, aus Vorposition Plantarflexion.
schenkel ist durch einen Keil 8° angewinkelt, so dass die
Gelenkfläche des OSG frontal steht. Der distale Unter- ASTE und Ausführung. Wie in . Abb. 12.59.
schenkel wird durch einen Gurt fixiert.
Anzahl und Dosierung.
Ausführung. Der Therapeut steht fußseitig medial vor dem 4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
frei über der Behandlungsbank hängenden Patientenfuß. 4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
Mit der rechten Hand hält er den Fuß des Patienten in Vor- 4 Abschließend den Patienten in Plantarflexion anspan-
position Plantarflexion. Er testet die weiterlaufende Bewe- nen lassen, um einen released pain zu vermeiden.
gung des Os talus nach dorsal und nimmt diese submaximal
als Vorposition für den Joint play. Er legt seine linke Hand jTLG-Mobilisation für die Plantarflexion im OSG aus
im Gabelgriff um das Os calcaneus und gibt die Bewegungs- Vorposition Plantarflexion, in der geschlossenen
richtung entsprechend der Gelenkstellung bodenwärts un- Kette (. Abb. 12.60)
ter Translationsstufe 2 vor. Am Ende gibt der Therapeut > Über das TLG wird der Unterschenkel nach dorsal
einen Überdruck zur Erfassung der Kapselqualität. und das Os talus dadurch nach ventral mobilisiert.
Es ist möglich, die Vorposition Adduktion zu
Interpretation. Beurteilt wird die Resistenz der Kapsel. Sie integrieren, indem der mediale Fußrand nach innen
kann norm-, hyper- oder hypomobil sein. positioniert wird.
> Kompressionsgleiten. Über die rechte Hand des Basisbefundung. Bewegungseinschränkung der Plantarfle-
Therapeuten wird ein nach proximal gerichteter xion, jedoch keine Distalisierungshypomobilität der Fibula.
Druck in das Gelenk gegeben. Getestet werden
degenerative Knorpelveränderungen der obersten Ziel. Translation in die resistente Gleitrichtung unter
Schicht und ein damit verbundenes schlechteres Translationsstufe 3, aus Vorposition Plantarflexion.
Gleiten. Beim Kompressionsgleiten liegt der
Daumen auf dem Tuber calcanei! ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage. Das zu behan-
Approximationsgleiten. Über die rechte Hand des delnde Bein ist 90° angewinkelt.
Therapeuten wird ein nach proximal gerichteter
dezenter Druck gegeben. Getestet werden synoviale Ausführung. Der Therapeut steht fußseitig des Patienten.
Veränderungen gegenüber dem physiologischen Mit seiner linken Hand umfasst er von lateral den Unter-
Joint play. schenkel des Patienten möglichst gelenknah. Der Thera-
564 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.61a,b TLG-Joint play für DE im PTTG, rechts. a Hand- jTLG-Mobilisation für die Dorsalextension im PTTG
anlage, b Mobilisation des Os naviculare nach dorsal – Os naviculare nach dorsal
Ziel. Translation in die resistente Gleitrichtung unter
Translationsstufe 3, aus Vorposition Supination.
peut testet die Vorposition Plantarflexion des linken Pa-
12 > Eine Vorposition in Supination zur Erhöhung der
tientenfußes anhand der weiterlaufenden Bewegung des
Kapselspannung ist möglich.
Os talus nach dorsal. Die Vorposition wird mit der rechten
Hand des Therapeuten fixiert. Es ist möglich, die Begleit- ASTE und Ausführung. Wie in . Abb. 12.61.
bewegung Adduktion mit in die Vorposition einzube-
ziehen. Über seine linke Hand gibt der Therapeut entspre- Anzahl und Dosierung.
chend der 8° reklinierten Gelenkspaltvorgabe einen Schub 4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren.
nach dorsal-distal unter Translationsstufe 3. 4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
4 Abschließend den Patienten in Dorsalextension
Anzahl und Dosierung. anspannen lassen, um einen released pain zu ver-
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren. meiden.
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten.
4 Abschließend den Patienten in Plantarflexion anspan- jTLG-Joint play für die Dorsalextension im
nen lassen, um einen released pain zu vermeiden. PTTG – Os cuboideum nach plantar, aus Vorposition
Dorsalextension (. Abb. 12.62)
Basisbefundung. Der Befund ergab:
12.11.8 Joint play und Mobilisation des 4 Bewegungseinschränkung der Dorsalextension im
PTTG bei Dorsalextensionsein- PTTG.
schränkung des Fußes 4 Endgradige Dorsalextensionseinschränkung.
4 OSG ohne Befund.
jTLG-Joint play für die Dorsalextension im PTTG – 4 Os naviculare ohne Befund.
Os naviculare nach dorsal (. Abb. 12.61)
Basisbefundung. Der Befund ergab: Ziel. Verbesserung der Qualität der interartikulären
4 Bewegungseinschränkung der Dorsalextension im Bewegung mit Differenzierung zur osteokinematischen
PTTG. Befundung unter Translationsstufe 2.
4 Endgradige Dorsalextensionseinschränkung.
4 OSG, PTFG, Os cuboideum ohne Befund. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
12.11 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung des Fußes bei Einschränkungen im PTFG
565 12
a a
b b
. Abb. 12.62a,b TLG-Joint play für DE im PTTG aus Vorposition DE, . Abb. 12.63a,b TLG-Joint play für PF im PTTG aus Vorposition PF,
links. a Handanlage, b Mobilisation des Os cuboideum nach plantar rechts. a Handanlage, b Mobilisation des Os naviculare nach plantar
Ausführung. Der Therapeut sitzt/steht fußseitig vor dem 4 Abschließend den Patienten in Dorsalextension an-
frei über der Behandlungsbank in Vorposition Dorsalex- spannen lassen, um einen released pain zu vermeiden.
tension hängenden Patientenfuß. Er umgreift mit seiner
rechten Hand das Os calcaneus von plantar so, dass sein
Zeigefinger genau proximal des Gelenkspalts zwischen Os 12.11.9 Joint play und Mobilisation
cuboideum und Os calcaneus anliegt und die Finger 3–5 des PTTG bei Plantarflexions-
die Ferse fixierend umfassen. Seine linke Hand umgreift einschränkung des Fußes
von dorsal das Os cuboideum. Entsprechend der Gelenk-
spaltvorgabe gibt der Therapeut die Schubrichtung nach jTLG-Joint play für die Plantarflexion im PTTG –
plantar unter Translationsstufe 2 vor. Os naviculare nach plantar, aus Vorposition
Plantarflexion (. Abb. 12.63)
Interpretation. Beurteilt wird die Resistenz der Kapsel im Basisbefundung. Der Befund ergab:
Seitenvergleich. Sie kann norm-, hyper- oder hypomobil 4 Bewegungseinschränkung der Plantarflexion im
sein. PTTG.
4 Endgradige Plantarflexionseinschränkung.
jTLG-Mobilisation für die Dorsalextension im 4 OSG ohne Befund.
PTTG – Os cuboideum nach plantar, aus Vorposition 4 PTFG und Os cuboideum ohne Befund.
Dorsalextension
Ziel. Translation in die resistente Gleitrichtung unter Ziel. Testung der Qualität der interartikulären Bewegung
Translationsstufe 3, aus Vorposition Dorsalextension. zur osteokinematischen Befundung unter Translations-
stufe 2.
> Die Vorposition Dorsalextension ist erforderlich, da
das Os cuboideum konvex ist.
ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
ASTE und Ausführung. Wie in . Abb. 12.62.
Ausführung. Der Therapeut sitzt/steht fußseitig vor dem
Anzahl und Dosierung frei über der Behandlungsbank in Ruheposition hängen-
4 Rhythmisch 20-mal mobilisieren. den Patientenfuß. Der Therapeut umgreift mit seiner rech-
4 Statisch 30 sec bis 2 min halten. ten Hand das Os calcaneus von plantar so, dass sein Zeige-
566 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.65 Anatomische Orientierung des USG. (Aus v. Lanz u. Wachsmuth 1938, 1972, 2004)
12.12 Gelenkspezifische Untersuchung 4 In der Normstellung des Fußes sind beide Gelenke
und Behandlung des USG vollkommen kongruent, wodurch eine große
Lastübernahme ermöglicht wird.
Das Os talus artikuliert mit dem Os calcaneus und dessen 4 Außerhalb der Normstellung finden im USG Teilbe-
zwei, voneinander getrennten Gelenkflächen: wegungen statt, die in Kombination mit Bewegungen
4 Art. talocalcaneonavicular (vorderes USG) und des OSG und PTTG einen harmonischen sinnvollen
4 Art. subtalaris (hinteres USG). Funktionsablauf ergeben. Die Teilbewegungen sind
Funktionell bilden die beiden Gelenke eine Einheit. Varus- und Valgusbewegungen um eine diagonal ver-
laufende Achse (von unten hinten außen nach oben
Die Gelenkfläche des Os talus ist: vorne innen).
4 im vorderen unteren Sprunggelenk konvex,
> Eine Traktion im USG findet aufgrund des starken
4 im hinteren unteren Sprunggelenk konkav.
Bandapparats und der gegenläufigen Konvex- und
Konkavität in der Praxis keine Anwendung. Die
Die Gelenkflächen und Bewegungsachsen des USG sind in
Testung und Mobilisation der Gelenke des USG
. Abb. 12.65 dargestellt:
geschieht über TLG.
568 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.66 Behandlung Varus Ausgangsstellung 1 . Abb. 12.67 Behandlung Varus Ausgangsstellung 2
12.12.1 Hypomobilität des USG Ausführung. Die distale Hand stellt sich mit MCP1 im
45°-Winkel zum lateralen Fußrand und schiebt im
> In der Basisuntersuchung zeigt sich ein hypo- 90°-Winkel zum Talus nach medial. Behandelt wird hier-
mobiles USG durch eine Störung der Bewegungs- bei die vordere Kammer.
kombinationen:
5 Plantarflexion – Supination – Adduktion als k2. Ausgangstellung: Unterschenkel liegt lateral.
Varushypomobilität und Fixierung. Finger auf dem lateralen Malleolus. Daumen
5 Dorsalextension – Pronation – Abduktion als distal des medialen Malleolus.
Valgushypomobilität.
Ausführung. Distale Hand führt am Calcaneus eine Varus-
Im Alltag wirkt sich eine Hypomobilität wie folgt aus: Bei Bewegung aus. Os Metacarpale 1 liegt parallel des media-
der Bewegung um die Frontalachse (Dorsalextension/ len Fußrandes, hebt in Varus und schiebt den Calcaneus im
Plantarflexion) geht die gegenläufige Bewegung durch das 90°-Winkel nach lateral. Behandelt wird hierbei die hinte-
12 USG verloren, d. h., bei Dorsalextension des Fußes mit re Kammer.
Pronation und Abduktion geht die Gegenreaktion des Os
calcaneus, die Adduktion, verloren. jTest und Behandlung: Valgus-Hypomobilität im
Das Sprunggelenk, das in seiner Gesamtfunktion (USG USG (. Abb. 12.68)
und OSG) drei Freiheitsgrade besitzt, reduziert sich auf ein k1. Ausgangsstellung: Unterschenkel liegt lateral,
Gelenk mit zwei Freiheitsgraden. Dadurch wird es für den Fuß in Valgus.
Fuß schwieriger, sich unterschiedlichen Beschaffenheiten Fixierung. Finger auf lateralen Malleolus, Daumen distal
des Bodens anzupassen. Die Muskeln, die am Os calcaneus des medialen Malleolus.
ansetzen, erfahren bzgl. ihres Punctum mobile und Punc-
tum fixum Irritationen, die sich in Form von Insertions- Ausführung. Distale Hand liegt mit Os metacarpale 1 im
tendopathien bemerkbar machen (vor allem der M. tri- 45°-Winkel zum medialen Fußrand und schiebt im
ceps surae). Durch die veränderte neuromuskuläre Reizbe- 90°-Winkel nach lateral. Behandelt wird hierbei die vor-
antwortung über die Rami articulares reduziert sich eine dere Kammer.
adäquate koordinative Reaktionsmöglichkeit.
k2. Ausgangstellung: Unterschenkel liegt medial.
Fixierung. Daumen liegt auf lateralen Malleolus. Ge-
12.12.2 Translationsbehandlung im USG doppelter Zeigefinger distal des medialen Malleolus.
jTest und Behandlung: Varus-Hypomobilität im USG Ausführung. Distale Hand führt am Calcaneus eine
(. Abb. 12.66, . Abb. 12.67) Valgus-Bewegung aus. Os Metacarpale 1 liegt parallel des
k1. Ausgangsstellung: Unterschenkel liegt medial. Fußrandes, hebt in Valgus und schiebt den Calcaneus
Fuß hängt in Varus. im 90°-Winkel nach medial. Behandelt wird hierbei die
Fixierung. Proximale Hand wiederlagert Talus im Gabel- hintere Kammer.
griff, gedoppelte Zeigefinger liegt unter dem medialen
Malleolus. Der Daumen liegt auf dem lateralen Malleolus.
12.13 · Gelenkspezifische Untersuchung und Behandlung der Großzehe
569 12
12.13.1 Traktion
a
. Abb. 12.73 Translations-Joint play der Art. metatarsophalangea 1
aus Ruheposition, rechts
jBelastungen im Sport
Achillessehnenverletzungen rekrutieren sich aus einem
komplexen biomechanischen System. Starke Zugreize und
hohe Muskelkräfte müssen der körperlichen Konstitution
des Patienten angepasst werden. Bei Sportarten, die Scher-
wirkungen (Zickzack-Lauf) und ruckartige Bewegungen
erzeugen wie z. B. beim Tennis, Fußball, Geländelauf oder
Handballsport, besteht eine erhöhte Gefahr der Überbe-
lastung der Sehne. Kommen zusätzlich forcierte Sprints
und Sprungbewegungen hinzu, wächst die Gefahr einer . Abb. 12.75 Querfriktion des oberflächlichen Anteils der Achilles-
Achillessehnenverletzung weiter an. sehne in Vorposition DE, rechts
jFußmechanik
Statik und Dynamik werden durch die beiden senkrecht wahrnehmbar als tast- und hörbares Knirschen in
aufeinander stehenden Fußgewölbe gewährleistet. Die der Sehne. (Die Krepitation entsteht durch Fibrin-
Widerstandsfähigkeit des Fußes ergibt sich aus der musku- ablagerungen.) Bei chronifizierten Entzündungen
lär-artikulären dynamischen Verzurrung. Passiv wird die ist eine Querfriktion durchaus sinnvoll.
Verzurrung durch die knöcherne Bogenkonstruktion und 5 Bursitis: Keine Indikation für eine Weichtei-
den Bandapparat unterstützt. ltechnik. Zeichen für eine Bursitis ist eine asym-
> Abrollbewegung des Fußes: metrische, eher lokale Schwellung
5 Das Abstoßen des Fußes erfolgt über die Groß-
zehenseite in außenrotierter Beinstellung.
5 In der Schwebephase befindet sich das Bein in
innenrotierter Stellung.
12.13.4 Querfriktion
12 5 Bei Bodenkontakt setzt zuerst die Ferse auf.
5 Die Abrollbewegung erfolgt bis zum erneuten
jQuerfriktion des oberflächlichen Anteils
Abdruck über den lateralen Fußrand.
der Achillessehne, in Vorposition Dorsalextension
Wichtig ist die Kenntnis, dass Vorfuß und Rückfuß ge- (. Abb. 12.75)
trennt voneinander beansprucht werden, jedoch gleichsam Befund. Es besteht eine Achillodynie mit Schmerzhaftig-
als Einheit funktionieren müssen: keit und Druckdolenz der oberflächlichen Sehnenanteile,
4 Das USG trägt mechanische Verantwortung für die meist mit diffuser Schwellung.
Pronationsbewegung und
4 das PTTG für die Supinationsbewegung. Beginn. Die Behandlung kann ab dem 42. Tag therapiere-
sistenter Schmerzen beginnen.
. Abb. 12.76 Querfriktion des tiefen Anteils der Achillessehne in . Abb. 12.77 Querfriktion des oberen Pols der Achillessehne in
Ruheposition, rechts, laterale Läsion Plantarflexion, rechts
jQuerfriktion des tiefen Anteils der Achillessehne in > Die Technik ist nur bei chronifiziertem Beschwerde-
Ruheposition, laterale Läsion (. Abb. 12.76) bild angezeigt.
Befund. Es besteht eine Achillodynie mit Schmerzhaftig-
keit und Druckdolenz der tiefen Sehnenanteile, meist mit ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage.
diffuser Schwellung.
Ausführung. Der Therapeut überlagert seine beiden
Beginn. Die Behandlung kann ab dem 42. Tag therapiere- Zeigefinger proximal des Os calcaneus. Beide Daumen
sistenter Schmerzen beginnen. widerlagern plantar des Os calcaneus. Unter Hautvorgabe
drückt der Therapeut die Sehne in die Tiefe und dann an
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. das Os calcaneus, erst dann wird eine Querfriktion nach
lateral ausgeführt.
> Die Technik ist nur bei chronifiziertem Beschwerde-
bild angezeigt.
Anzahl und Dosierung. Die Querfriktion dauert so lange
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. Der zu behandelnde an, bis die Kontur der Sehne durch Aufquellung ver-
Fuß befindet sich im Überhang der Behandlungsbank. streicht.
Ausführung. Mit Zeige- und gedoppeltem Mittelfinger jQuerfriktion einer insertionsnahen Tendopathie
wird der tiefliegende Achillessehnenanteil lateralseitig un- der Achillessehne (. Abb. 12.78)
ter Hautvorgabe quer zum Faserverlauf friktioniert. Von > Insertionsnahe Tendopathien des medialen Ansat-
medial wird die Sehne durch den linken Mittelfinger zes der Achillessehne. Betroffen ist primär die Sehne
widerlagert. des M. soleus. Es besteht ein Valgusstress, evtl. be-
dingt durch ein Genu valgum bei limitierter Valgus-
Anzahl und Dosierung. Die Querfriktion dauert so lange möglichkeit von 5–7°. Infolgedessen bildet sich eine
an, bis die Kontur der Sehne durch Aufquellung verstreicht. hypovaskuläre Zone aus, die eine Unterversorgung
des Gewebes und Mikrotraumatisierungen bedingt.
jQuerfriktion des oberen Pols der Achillessehne, Insertionsnahe Tendopathien des lateralen Ansatzes
in Ruheposition (. Abb. 12.77) der Achillessehne. Betroffen ist primär der M. gast-
Befund. Es besteht eine Achillodynie mit Schmerzhaftig- rocnemius. Es besteht ein Varusstress, evtl. bedingt
keit und Druckdolenz des oberen Pols der Achillessehne. durch ein Genu valgum bei einer Valgusmöglichkeit
In der Anamnese gab der Patient Schmerzen am proxima- von 20°.
len Anteil des Os calcaneus an.
Befund. Es besteht eine chronische Tendopathie der
Beginn. Die Behandlung kann ab dem 42. Tag therapiere- Achillessehneninsertion. In der Anamnese gab der Patient
sistenter Schmerzen beginnen. Schmerzen an der medialen oder lateralen Seite des Os
calcaneus an. Im Widerstandstest für die Achillessehne
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. wurde eine palpatorische Druckdolenz befundet.
574 Kapitel 12 · Manuelle Therapie und Rehabilitation am Fuß
. Abb. 12.78a,b Querfriktion bei insertionsnaher Tendopathie Anzahl und Dosierung. 20-mal isometrisch in jeder mög-
der Achillessehne, rechts. a Medialer Anteil, b lateraler Anteil lichen Gradzahl anspannen, 1 sec halten, 60–90 sec Pause,
3–5 Serien.
> Differenzialdiagnostisch kommt eine Neuropathie
der Rami calcanei mediales des N. tibialis bzw. der
12 Rami calcanei des N. suralis in Betracht.
12.13.5 Phase 2 – Neurogenes Training
der Rami articulares nach Streeck
Beginn. Die Behandlung kann ab dem 42. Tag therapiere-
sistenter Schmerzen beginnen. Die Ansprache der Rami articulares des Fußes steht für die
Verbesserung der exzentrisch-dynamischen Stabilität und
Ziel. Aktualisierung des Regenerationsprozesses. der Betonung von Zugbelastungen. Das Exzentriktraining
beginnt in kleinen Amplituden, die zunehmend größer
ASTE. Der Patient liegt in Bauchlage. werden.
Ausführung. Der Therapeut bringt den Patientenfuß in jNeurogenes Training für die Rami articulares
submaximale Vordehnung Dorsalextension, und legt sei- des N. peroneus profundus (. Abb. 12.79)
nen Zeigefinger, der vom Mittelfinger überlagert wird, in > Voraussetzung für das Training ist die Belastungs-
einem 90°-Winkel zum Faserverlauf auf die mediale oder fähigkeit und Verformbarkeit des Knorpels unter
laterale Seite des Os calcaneus. Unter Hautvorgabe wird Belastung. Die Intensität und das Bewegungsaus-
quer zum Faserverlauf der Insertion der Achillessehne maß werden durch den Schmerz limitiert.
friktioniert.
Ziel. Verbesserung der dynamischen antagonistischen
! Cave
nervalen Reaktion über ein exzentrisches Training der
Diese Technik ist nur bei chronifiziertem Beschwer-
Extensorenmuskulatur. Das Training wird z. B. nach Inver-
debild indiziert!
sionstraumen durchgeführt.
Anzahl und Dosierung. Die Querfriktion dauert so lange
an, bis die Kontur der Sehne durch Aufquellung verstreicht. ASTE. Der Patient liegt in Rückenlage.
a b a b
. Abb. 12.79a,b Neurogenes Training für die Rami articulares des . Abb. 12.80a,b Neurogenes Training für die Rami articulares des
N. peroneus profundus, links. a ASTE, b ESTE N. tibialis und N. peroneus superficialis, rechts. a ASTE, b ESTE
1 2 3
4 5 6
. Abb. 12.84 Koordinationstraining für das OSG: Steigerung der . Abb. 12.85 Balancetraining für das OSG mit Funktionsbrettchen
Koordination mit Funktionsbrettchen 2, links 2, links
a b a b
. Abb. 12.87a,b Balancetraining für das OSG/USG/PTTG auf dem . Abb. 12.88a,b Steigerung des Balancetrainings für das OSG/USG/
Schrägbrett, links. a Läsion am Standbein, b Läsion am Spielbein PTTG auf dem Schrägbrett, durch Erhöhung der Plantarflexion, links.
a Läsion am Standbein, b Läsion am Spielbein
ASTE. Der Patient steht mit seinem linken Bein frei auf
dem Schrägbrett mit Airex-Matte. Die Kniestellung ist
12 davon abhängig, ob das Spiel- oder Standbein betroffen ist:
4 Das Spielbein steht in 10°-Knieflexionsstellung. a b
4 Das Standbein steht Knieextensionsstellung.
. Abb. 12.89a,b Steigerung des Balancetrainings für das OSG/USG/
PTTG auf dem Schrägbrett, durch tertiäre Prävention, links. a Läsion
Ausführung. Der Patient soll frei auf dem Schrägbrett am Standbein, b Läsion am Spielbein
balancieren. Am nicht betroffenen Bein tritt keine Kraft-
übertragung auf.
Ausführung. Der Patient soll frei auf dem Schrägbrett ba-
Anzahl und Dosierung. 30 sec bis 1 min Halten, 30 sec lancieren. Am nicht betroffenen Bein tritt keine Kraftüber-
1 min Pause, 10 Serien; abhängig von der neuromuskulä- tragung auf.
ren Ermüdung (Zittern).
Steigerung. Das Training wird durch gegenseitiges Zu-
jSteigerung des Balancetrainings für das OSG/USG/ werfen des Balls gesteigert (»Zerstörung«).
PTTG auf dem Schrägbrett durch Erhöhung der
Plantarflexion (. Abb. 12.88) Anzahl und Dosierung. 30 sec bis 1 min Halten, 30 sec bis
Ziel. Ansprache der Rami articulares des N. peroneus pro- 1 min Pause, 10 Serien; abhängig von der neuromuskulä-
fundus. ren Ermüdung.
ASTE. Der Patient steht mit seinem linken Bein frei auf jSteigerung des Balancetrainings für
dem Schrägbrett mit Airex-Matte. Die Plantarflexionsnei- das OSG/USG/PTTG auf dem Schrägbrett,
gung wird erhöht. Die Kniestellung ist davon abhängig, durch tertiäre Prävention (. Abb. 12.89)
ob das Spiel- oder Standbein betroffen ist: Ziel Direkte Ansprache der Läsionsregion.
4 Das Standbein steht in Knieextensionsstellung.
4 Das Spielbein steht in 10°-Knieflexionsstellung. ASTE. Der Patient steht mit seinem linken Bein frei auf
dem Schrägbrett mit Airex-Matte. Das Schrägbrett ist so
geneigt, dass ein Inversionsreiz entsteht. Die Kniestellung
Literatur
579 12
ist davon abhängig, ob das Spiel- oder Standbein betroffen
ist:
4 Das Standbein steht in Knieextensionsstellung.
4 Das Spielbein steht in 10°-Knieflexionsstellung.
Literatur
Lanz T von, Wachsmuth W (1938, 1972, 2004) Bein und Statik, 2. Aufl,
(Praktische Anatomie, Bd Teil 4). Springer, Berlin, Heidelberg
581
Serviceteil
Glossar – 582
Stichwortverzeichnis – 588
Glossar
A., Aa. Arteria/Arteriae Bereitwilligkeit Bereitschaft des Patienten, den Schmerz zu akzep-
tieren
ACG Akromioklavikulargelenk
BGM Bindegewebsmassage
Abd Abduktion (Seitwärtswegführen)
Bursa Mit Synovia gefüllter Schleimbeutel
Abrasion Abschabung von Gewebe
Bursitis Entzündung eines Schleimbeutels
Add Adduktion
BWK Brustwirbelkörper
Afferenz Erregung, die über die afferenten (hinführenden) Nerven-
fasern von der Peripherie zum Zentralnervensystem geführt wird BWS Brustwirbelsäule
Akustikinasal Nasenspitze und Mitte des Gehörgangs liegen auf c.l. Caput longum, langer Muskelkopf
einer horizontalen Ebene
CCD-Winkel Caput-Collum-Diaphysenwinkel
Analgetika Schmerzstillende Pharmaka
Crosslinks Physiologische Querverbindungen
Anguläre Bewegung Betont muskulär ausgeführte Bewegung, die
im Gelenk eine Veränderung des Gelenkwinkelgrads hervorruft CRP-Wert C-reaktives Protein. Der CRP-Wert ist u. a. bei entzündlichen
Prozessen und Gewebeschädigungen erhöht
Antagonist Gegenspieler eines bewegungsausführenden Muskels
CT Computertomographie
Antibiotika Pharmaka mit antibakterieller Wirkung (z. B. Penizilline)
DE Dorsalextension
Antikoagulanzien Pharmaka zur Hemmung/Verzögerung der Blut-
gerinnung Deflexion Ab- und Auslenkung ohne Rückkehr in die Ausgangs-
stellung
Antiphlogistika Pharmaka mit entzündungshemmender Wirkung
Déforme musculaire (franz.) entstellter (veränderter) Muskel,
Aponeurose Breitflächige Sehnenplatte Schonhaltung durch Muskelspannung
Arthroskopie Gelenkspiegelung zur Darstellung des Gelenkinnen- Deviation Ab- und Auslenkung mit Rückkehr in die Ausgangs-
raums stellung
Epimysium Bindegewebige Hülle eines Muskels zur Abgrenzung Irisblendphänomen Das Irisblendphänomen ist das langsame Ver-
und Verbindung zur Faszie schwinden eines durch Fingerdruck erzeugten blassen anämischen
Hautbezirks von den Seiten her. Physiologisch wird die Revaskulari-
ESTE Endstellung sation schnell und aus der Tiefe heraus arteriell ausgeglichen
Ganglion (anat.) Überbein; von Sehnenscheiden oder Gelenk- Kollagensynthese Bildung von Bindegewebe
kapseln ausgehende Zyste mit gallertartiger Flüssigkeit
Komplementär Ergänzend
Ganglion (neurol.) Anhäufung von Nervenzellen
Kontranutation Bewegung des Promontoriums aus dem Becken
Gelenkmaus Freier Gelenkknorpel oder Knochenkörper im Gelenk heraus (nach dorsal)
HH Hinterhorn des Meniskus Maintained approximation Anhaltender Druck auf beide Gelenk-
partner
HKB Hinteres Kreuzband
Malleolus Hammerförmiger Knochenvorsprung
Hypomochlion (gr.) kleiner Hebel; Dreh-(Unterstützungs-)Punkt
eines Hebels MCP Metakarpophalangealgelenk (Fingergrundgelenk)
Plantar Auf die Fußsohle bezogen Sign of the Buttocks Gesäßzeichen nach Cyriax, Möglichkeit zur Be-
stimmung von nicht-muskuloskeletalen Ursachen für die Symptome
Pro Pronation des Patienten (z. B.Tumor unterhalb des M.gluteus maximus)
Promontorium Am weitesten ins Becken ragender Teil des ersten SIPS Spina iliaca posterior superior
Sakralwirbels
Skippings Sprunggelenklauf; Läufe, die primär schnelle Fußbewe-
Propriozeptoren-Stimulation Anregung der Rezeptoren, die auf gungen betonen ohne bewusst Hüft- und Kniebewegungen mit
Zustandsveränderungen des Bewegungs-und Halteapparats an- einzubeziehen
sprechen
Sklerotom Segmentale Periost-/Knocheninnervation
Protrusion Vorschieben (z. B. der Bandscheibe)
Snapping angle Subluxation der Peroneussehnenscheiden auf den
Proximal Nah am Rumpf, zum Rumpf hin Malleolus lateralis
Reklination Zurückbiegen, z. B. der Tibia. Das proximale Ende der Tarsus Fußwurzel
Tibia ist beim Erwachsenen zurückgebogen
Tempo Verhältnis zwischen exzentrischer und konzentrischer
Released pain Entspannungsschmerz Bewegungsgeschwindigkeit und der Pausendauer zwischen den
Bewegungen
585
Glossar
Thenar Daumenballen
TSR Trizepssehnenreflex
VH Vorderhorn
VP Vorposition
Weichteilslack Weichteilverformbarkeit
WK Wirbelkörper
Weiterführende Literatur
Barral JP (2002) Lehrbuch der Viszeralen Osteopathie, 1. Aufl, Bd 1. Kuschinsky G, Lüllmann H (1989) Pharmakologie und Toxikologie,
Urban & Fischer, München 12. Aufl. Thieme, Stuttgart
Barral JP (2002) Lehrbuch der Viszeralen Osteopathie, 1. Aufl, Bd 2. Lanz T von, Wachsmuth W (1938, 1972, 2004) Praktische Anatomie,
Urban & Fischer, München Bd 1,Teil 4. Bein und Statik, 2. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg
Baumann A (2000) Farbatlanten der Zahnmedizin 12, Funktionsdiag- Lanz T von, Wachsmuth W (1982, 2003) Praktische Anatomie, Bd 2,
nostik und Therapieprinzipien Kiefer. Thieme, Stuttgart Teil 7: Rücken. Springer, Berlin, Heidelberg
Baumgartner R, Ochsner PE, Schreiber A (1986) Checkliste Orthopädie, Lanz T von, Wachsmuth W (1984) Praktische Anatomie, Bd 2, Teil 8.
2. Aufl. Thieme, Stuttgart Becken. Springer, Berlin, Heidelberg
Biedermann H (1999) Manualtherapie bei Kindern. Enke, Stuttgart Lewit K (1992) Manuelle Medizin, 6. Aufl. Barth, Heidelberg
Biesalski HK, Fürst P (1995) Ernährungsmedizin, 1. Aufl. Thieme, Stutt- Lumley JSP (1996) Surface anatomy, The anatomical basis of clinical
gart examination. Churchill, Livingstone
Bogduk N (1997) Klinische Anatomie von Lendenwirbelsäule und Maitland GD (1994) Manipulation der Wirbelsäule, 2.Aufl. Springer,
Sakrum. Springer, Berlin, Heidelberg Berlin, Heidelberg
Braun H (1925) Die örtliche Betäubung, ihre wissenschaftlichen Manuelle Therapie (1999) Fehlfunktionen im Mund-Kiefer-Bereich
Grundlagen und praktische Anwendung. Barth, Leipzig ganzheitlich diagnostizieren und behandeln. Manuelle Therapie
Burstein AH, Wright TM (1997) Biomechanik in der Orthopädie und 3/1999
Traumatologie. Thieme, Stuttgart Masuhr KF, Neumann M (1992) Neurologie, 2. Aufl. MLP – Duale Reihe.
Butler DS (1998) Mobilisation des Nervensystems, 2. Aufl. Springer, Hippokrates, Stuttgart
Berlin, Heidelberg McKenzie R (1986) Die Lumbale Wirbelsäule. Spinal Publications
Chusid JG (1978) Funktionelle Neurologie. Springer, Berlin, Heidelberg Switzerland, Zürich
Eder M, Tischler H (1991) Schmerzsyndrome der Wirbelsäule, 5. Aufl. Meier G, Büttner J (2001) Regionalanästhesie. Kompendium der
Hippokrates, Stuttgart peripheren Blockaden. Arcis, München
Evjenth O (1981) Muskeldehnung Wirbelsäule, 2. Aufl. Remed, Schweiz Miehle W (1987) Gelenk und Wirbelsäulenrheuma. Eular, Basel
Evjenth O (1981) Muskeldehnung Extremitäten, 2. Aufl. Remed, Miehle W (2000) Medikamentöse Therapie rheumatischer Erkrankun-
Schweiz gen, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart
Farfan HF (1975) Muscular mechanism of the lumbar spine and the Mumenthaler M, Stöhr M, Müller-Vahl H (2003) Läsion peripherer
position of power and efficiency. Orthop Clin North Am 6(1): Nerven und radikuläre Syndrome, 8. Aufl. Thieme, Stuttgart
135–44 Netter F (1986) Farbatlanten der Medizin, Bd 5, Nervensystem 1 Neuro-
Fischer L (1998) Neuraltherapie nach Huneke, Grundlagen/Technik/ anatomie und Physiologie. Thieme, Stuttgart
Praktische Anwendung. Hippokrates, Stuttgart Netter F (1987) Farbatlanten der Medizin, Bd 3, Genitalorgane, 2. Aufl.
Flöter T (1998) Grundlagen der Schmerztherapie. Schmerztherapeuti- Thieme, Stuttgart
sches Kolloquium e.V., Medizin & Wissen Netter F (1987) Farbatlanten der Medizin, Bd 4, Atmungsorgane,
Frisch H (1998) Programmierte Therapie am Bewegungsapparat, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart
3. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg Niesel HC, Van Aken H (1994, 2003) Lokalanästhesie, Regionalanästhe-
Ganong WF (1979) Lehrbuch der Medizinischen Physiologie, 4. Aufl. sie, Regionale Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart
Springer, Berlin, Heidelberg Niethard FU, Pfeil J (1992) Orthopädie, 2. Aufl. MLP – Duale Reihe.
Gerbershagen HU et al. (1985), Diagnostische Lokalanästhesie zur Hippokrates, Stuttgart
Differenzierung des Kreuzschmerzursprungs. Teil I: Kreuzschmerz Piekartz H von (2001) Kraniofasziale Dysfunktionen und Schmerzen,
bei iliolumbosakraler Bänderinsuffizienz. Woelm Pharma, Untersuchung – Beurteilung – Management. Thieme, Stuttgart
Eschwege Piekartz H (2005) Kiefer, Gesicht- und Zervikalregion, Neuromuskulo-
Heim U, Baltensweiler J (1989) Checkliste Traumatologie, 3. Aufl. skelettale Untersuchung, Therapie und Management. Thieme,
Thieme, Stuttgart Stuttgart
Höhne KH (2003) Voxel-Man 3D-Navigator: Inner organs/Innere Platzer W (1979) dtv-Atlas der Anatomie, Bd 1 Bewegungsapparat.
Organe. Springer, Berlin, Heidelberg Thieme, Stuttgart
Hopf HC, Dengler R, Röder R (1995) Elektromyographie-Atlas. Thieme, Pothmann R (1996) Systematik der Schmerzakupunktur. Hippokrates,
Stuttgart Stuttgart
Jenkner FJ (1983) Nervenblockaden auf pharmakologischem und auf Raj P et al. (1988) Atlas der Regionalanästhesie. Springer, Berlin,
elektrischem Weg, 4. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg Heidelberg
Kapandji IA (1992) Funktionelle Anatomie der Gelenke, Bd 2, Untere Rapoport SM (1987) Medizinische Biochemie, 9. Aufl. VEB Verlag Volk
Extremität, 2. Aufl. Enke, Stuttgart und Gesundheit, Berlin
Kapandji IA (1992) Funktionelle Anatomie der Gelenke Bd 3, Rumpf Rauber A, Kopsch F (1987) Anatomie des Menschen, Bd 1, Bewegungs-
und Wirbelsäule, 2. Aufl. Enke, Stuttgart apparat. Thieme, Stuttgart
Klein-Vogelbach S, Bürge E (2003) Funktionelle Bewegungslehre, Rauber A, Kopsch F (1987) Anatomie des Menschen, Bd 2, Innere
Ballübungen. Springer, Berlin, Heidelberg Organe. Thieme, Stuttgart
Koeck B (1995) Funktionsstörungen des Kauorgans, 3. Aufl. Urban & Rauber A, Kopsch F (1987) Anatomie des Menschen, Bd 3, Nerven-
Schwarzenberg, München system Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart
Krämer KL, Stock M, Winter M (1993) Klinikleitfaden Orthopädie,
2. Aufl. Jungjohann, Neckarsulm
587
Weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
radiale extensorische Muskulatur Spurungstests 506 Spurt- und Shunt-Muskeln 11 tertiäre arbeits- und sportspezi-
– M. supinator 109 Schleudertrauma (whiplash – dynamische Aufgabe 11 fische Rehabilitation 378
– Sehne des M. extensor carpi injury) 286 – Hebelarm 11 Test
radialis brevis 108 Schmerzlinderungsbehand- Spurungstest 506 – für den Tarsaltunnel 552
– Tendomuskulärer Übergang lungen 6 Stabilisation – für die Achillessehne 551
des M. extensor carpi radialis Schnelltest – Beispiel Th5–6 253 – für die Fibromatosis plantaris
brevis 108 – biomechanische Rotation – der BWS 252 552
Rami articulares 232 – der HWS 322 Test und Therapie
– der BWS 218 – Extension 231 – der Lendenwirbelsäule 392 – der ersten Rippe 270
– der Schulter 40 Schulterarmbereich 306 Stabilisation des ISG 429 – des Thoracic Outlet-Kompres-
Reflexe 307 Schulterprolapspatient 366 – Aufbau einer normalen sionssyndroms (TOKS) 255
– Bizepssehnenreflex C5–6 Schwindel 285 ISG-4-Phasen-Stabilisation – für die kinematisch rotato-
308 sensibel versorgende Nerven – Beispiel Os coxae in Ante- rische Kette 235
– der LWS 358 106 torsion 432 – für die Kopplung Th4–8 236
– Radius-Periost-Reflex C5–C6 Sensibilitätsprüfung 306, 359 – Behandlung eines instabilen – Testreihenfolge für das GHG
309 – Berührungsempfinden 306 ISG 430 81
– Trizepssehnenreflex C7–C8 – periphere Störung 307 – Konzentrisches Training des Testung der Belastungsfähigkeit
309 – radikuläre Störung 306 ISG 433 für ein mehrdimensionales
Reha-Analyse 21 – Sensibilitätsqualitäten 307 – massive Instabilität des ISG Bandscheibentraining 372
– Trainingskomponenten 22 – Tasterkennen 307 431 Testung der Knorpelbelastungs-
Rehabilitation bei Instabilität – Temperaturreiz 307 – Pathomechanismus einer fähigkeit des ISG nach Streeck
397 – Ursachen 306 Instabilität 429 417
Rehabilitationsprogramm Septum intermusculare brachii Stadien der Arthrosis deformans Therapie wichtiger Typen von
– bei Golferellenbogen 132 106 6 Kollagenfasern 24
– bei Tennisellenbogen 128 Serratus anterior-Syndrom Statisches-/Kokontraktions- – Typ 1 24
– der BWS 247 222 training 369 – Typ 2 24
– Extensionsdefizit thorako- Shunt-Muskeln des GHG, Läsion Stellungsdiagnostik 412 – Typ 3 24
zervikaler Übergang 244 66 Sternoklavikulargelenk (SCG) Thermokinetik, Infrarotlicht 80
Reha-Pyramide 16 Sicherheit/Kontraindikationen 39 Thermokinetiktraining nach
Remodulierungsphase 24 – Becken und Iliosakralgelenke Sternum 33 »FOST« 392
– Dermatansulfat/Keratansulfat 410 Stieda-Pellegrini-Syndrom 490 Thoracic Outlet-Kompressions-
und Chondroitinsulfat 25 – der Hüfte 448 Störung des funktionellen und syndrom (TOKS) 255
retropatellarer Schmerz durch – Fuß 542 anatomischen Steigbügels thorakal-inneres Kompressions-
eine Coxa antetorta 490 – Knie 494 539 syndrom, »inlet syndrome«
Retroversion 35 – LWS 340 Superkompensationszeit 17 221
rheumatische Arthritis 284 Sicherheit, Kontraindikationen sympathische Ankopplung 280 thorakal-oberes Kompressions-
rhythmisches Arbeiten 12 und Interpretation 112, 224, – Affektion 280 syndrom, »outlet syndrome«
Rippenfrakturen 266 268, 287 Synovia 4 (TOKS) 221
Rippenmechanik (Konvergenz Sicherheit; Kontraindikationen thorakolumbaler Übergang
und Divergenz) 264 und Interpretation 48 219
Rollen und Gleiten 4
– Approximationsgleiten 5
Skapula 30
Skapulaknacken 265
T thorakoskapuläres Gleitlager
38
– Kompressionsgleiten 5 Skoliose 266 Tarsaltunnelsyndrom 537 Torticollis 285
– Rollgleiten 4 Slump-Testung 354 Technikbeschreibung für die Totaltechnik
Rosettentest – Irritation des sympathischen Mobilisation C0–1 bei Inklina- – bei medialer Diskushernie
– Hypermobilitätstest 384 Grenzstrangs 354 tionshypomobilität 318 310
– Test bei Instabilität 235 Snapping Angle 539 Techniken zur direkten Konver- – der HWS 309
Rotatorenintervall 11 spezifische Tests der Rippen genzmobilisation (unilateral – für Bandscheibenpatienten
– Kraftentfaltung 11 269 und bilateral) 242 359
Rotatorenmanschettenriss 43 Spina bifida occulta 337 Tendosynovitis M. biceps brachii – für die BWS 236
ROWE-Test 60 Spondylolisthese 9 caput longum 43 – für mediolaterale Diskus-
Ruhestellung 75, 77, 80 – Spondylolytische Spondylo- – akute Tendosynovitis 43 hernien 310
Ruhe-/Verriegelungsstellung listhesis 9 – chronischeTendosynovitis Training
und Kapselmuster des Fußes – Spondyloptose 9 43 – auf dem Schrägbrett 577
536 Spondylolyse/Spondylolisthesis – Tendosynovitis stenosans – mit Funktionsbrettchen
337 43 576
sportspezifisches Rehabilitations- Tennisellenbogen Trainingsdauer 22
S training 98, 135
– Kraftimitation (KIMI) 135
– Typ 1 108
– Typ 2a 108
Trainingsprotokoll 17
Traktion 5
Safe sign-Check-up 289 Spreizfuß (Pes transversoplanus) – Typ 2b 108 – bei Konvergenzhypomobilität
Safe signs 411 538 – Typ 3 108 (asymmetrisch) 238
Sakralisation 336 Springing-Test 233, 382 – Typ 4 108 – bei Konvergenzhypomobilität
schematische Darstellung des – der Rippen 269 – Typ 5 108 (symmetrisch) 238
593 R–Z
Stichwortverzeichnis