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Alexander Ferrauti Hrsg.

Trainings­
wissenschaft
für die Sportpraxis
Lehrbuch für Studium, Ausbildung
und Unterricht im Sport
Trainingswissenschaft für die Sportpraxis
Alexander Ferrauti
Hrsg.

Trainings­
wissenschaft
für die Sportpraxis
Lehrbuch für Studium, Ausbildung und Unterricht im Sport

Mit Beiträgen von Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam


Frytz, Janina Kristin Götz, Florian Hanakam, Laura Hottenrott,
Jennifer Kappenstein, Til Kittel, Arno Krombholz, Jasper
Möllmann, Christian Raeder, Hubert Remmert, Christoph
Schneider, Tobias Stadtmann, Alexander Ulbricht, Jo-Lâm
Vuong, Thimo Wiewelhove
Hrsg.
Prof. Dr. Alexander Ferrauti
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft
Fakultät für Sportwissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Bochum, Deutschland

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ISBN 978-3-662-58226-8    ISBN 978-3-662-58227-5 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5

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Einbandabbildung: Laura Hottenrott, Marathonläuferin, Starterin im Nationalteam bei EM und WM

Planung/Lektorat: Marion Krämer


Grafiken: Dr. Martin Lay, Breisach a. Rh.
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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
V

Vorwort

Liebe Sportstudierende, Trainerinnen und Trainer und liebe Sportinteressierte,

dieses Buch wurde mit großer Freude und voller Überzeugung geschrieben, da wir die
Lehrinhalte für viele Berufsfelder von Sportwissenschaftlern in Schule, Nachwuchs-,
Leistungs- und Alterssport als sehr wichtig erachten. Es vermittelt den aktuellen trai-
ningswissenschaftlichen Wissensstand und ergänzt diesen durch vielfältige didaktische
Elemente, sportpraktische Beispiele und interaktives Zusatzmaterial in Form von Video-
sequenzen. An der Ruhr-Universität Bochum wird das Fach Trainingswissenschaft
durch ein tolles Team vertreten. Allen Autorinnen und Autoren gilt mein herzlicher
Dank dafür, dass sie ihre Expertise eingebracht haben. Zur Qualitätssicherung diente ein
internes Review Verfahren. Zusätzlich erfolgte eine externe Begutachtung ausgewählter
Kapitel durch Experten der Universitätsallianz Ruhr (UAR). Herzlichen Dank dafür an
Prof. Dr. Daniel Hahn (Ruhr-Universität Bochum) und Prof. Dr. Thomas Mühlbauer
(Universität Duisburg-Essen). Katharina Raasch war für die Koordination im Hinter-
grund verantwortlich und Kilian Kimmeskamp stand als Fotograph stets professionell
zur Seite. Vielen Dank speziell auch an Regine Bakenecker, Katharina Raasch, Pia Wag-
ner und Jo-Lâm Vuong für die gelungene Darstellung von Trainingsformen und Testver-
fahren. Sportwissenschaftlich relevante Themen erkennen und erforschen, adressaten-
und berufsfeldspezifisch aufbereiten, praxis- und forschungsnah lehren und lernen.
Diesem Leitbild unserer Fakultät für Sportwissenschaft folgend, versucht dieses Lehr-
buch die Lehrinhalte auf der Basis notwendiger theoretischer Grundlagen aus einer an-
gewandten Perspektive zu vermitteln. Denn, die Sportpraxis ist fast immer Ausgangs-
punkt und Zielperspektive für Fragestellungen der Trainingswissenschaft.

Alle Autorinnen und Autoren auf einen Blick von oben links nach unten rechts: Dr. Florian
Hanakam, Janina Fett, Katharina Raasch, Christoph Schneider, Dr. Jennifer Kappenstein,
Dr. Arno Krombholz, Adam Frytz, Dr. Hubert Remmert, Dr. Tobias Stadtmann, Dr. Thimo

VI Vorwort

Wiewelhove, Janina Götz, Til Kittel, Dr. Alexander Ulbricht, Jo-Lâm Vuong, Dr. Christian
Raeder, Laura Hottenrott, Prof. Dr. Alexander Ferrauti

zz Hinweis zur gendergerechten Sprache


Den Autorinnen und Autoren liegt eine gleichberechtigte Ansprache aller geschlechtli-
chen Identitäten sehr am Herzen. In Ermangelung einer bislang einheitlichen sprachli-
chen Umsetzung und fehlender Vorgaben durch den Buchverlag, hat sich der Heraus-
geber dazu entschieden, je nach konkretem Anwendungsfall sowohl Doppelnennung
(für den Duden die höflichste Variante der sprachlichen Gleichstellung), Neutralisie-
rung (sofern diese nicht missverständlich ist) und die männliche oder weibliche Schreib-
weise zuzulassen. Auf die Verwendung weiterer orthographischer Varianten (z. B. Gen-
dergap oder Gendersternchen) wurde in der vorliegenden Erstausgabe verzichtet, weil
nicht in allen Umsetzungsformen alle Geschlechter in gleicher Weise angesprochen wer-
den können. Da es sich ferner um ein Herausgeberwerk handelt, welches Beiträge und
Auffassungen zahlreicher Autorinnen und Autoren vereint, wurden alle zuvor genann-
ten Genderschreibweisen zugelassen und keine Vereinheitlichungen vorgegeben. Dies
spiegelt die Vielfalt dieser Thematik wider. Selbstverständlich werden immer alle Ge-
schlechtsidentitäten angesprochen.

Alexander Ferrauti
Bochum, Deutschland
2020
VII

Inhaltsverzeichnis

1 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    1


Alexander Ferrauti
1.1 Trainingswissenschaft als sportwissenschaftliche Teildisziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    2
1.2 Gegenstandsbereiche der Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    5
1.3 Forschungsmethoden in der Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    9
1.3.1 Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    9
1.3.2 Anwendungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   10
1.3.3 Evaluationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   12
1.3.4 Trainingswissenschaft und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   13
1.3.5 Kommunikation trainingswissenschaftlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   13
1.4 Paradigmenwechsel durch Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   14
1.5 Trainingswissenschaft im Zeitalter von Digitalisierung und Pandemie . . . . . . . . . . .   16
1.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   18
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   18

2 Grundlagenwissen zum sportlichen Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21


Alexander Ferrauti und Hubert Remmert
2.1 Trainingscharakteristika und Trainingsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   23
2.1.1 Trainingsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   25
2.1.2 Trainingssystematik und Planmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   26
2.1.3 Trainingsinhalte, Trainingsmethoden und Trainingsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   28
2.2 Bedeutung der Belastungsnormative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   29
2.2.1 Belastungsintensität (Reizintensität, Reizhöhe, Reizstärke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   29
2.2.2 Belastungsdauer (Reizdauer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   30
2.2.3 Erholungsdauer und Belastungsdichte (Reizdichte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   31
2.2.4 Belastungshäufigkeit und Belastungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   32
2.2.5 Belastungsqualität (Ausführungsqualität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   33
2.2.6 Bedeutung der Belastungsnormative aus metabolisch-muskulärer Sicht . . . . . . . . . . .   33
2.2.7 Bedeutung der Belastungsnormative aus technisch-­koordinativer Sicht . . . . . . . . . . . .   35
2.3 Trainingsprinzipien und Trainingswirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   36
2.3.1 Leistungs-, alters- und geschlechtsspezifische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   38
2.3.2 Wettkampfspezifische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   39
2.3.3 Rechtzeitige und zunehmende Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   39
2.3.4 Systematische Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   41
2.3.5 Individualisierte Belastung und Belastungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   42
2.3.6 Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   42
2.3.7 Optimale Relation von Belastung und Erholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   44
2.3.8 Wechselnde, variierende und ansteigende Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   45
2.3.9 Belastungsfolge innerhalb der Trainingseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   46
2.3.10 Trainingswirksamer Reiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   49
2.4 Anpassungsprozesse durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   51
2.4.1 Das Homöostase-Prinzip und die Reizstufenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   52
2.4.2 Antagonistische Modelle der Anpassung durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   53

VIII Inhaltsverzeichnis

2.4.3 Komplexe und synergetische Konzepte der Anpassung durch Training . . . . . . . . . . . . .   54
2.4.4 Strukturelle Anpassungen durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   56
2.4.5 Metastrukturelle Anpassungen durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   59
2.4.6 Das Übertrainingssyndrom als Fehlanpassung durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   60
2.5 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   62
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   62

3 Leistungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   67
Alexander Ferrauti, Christoph Schneider und Thimo Wiewelhove
3.1 Komponenten der Leistungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   69
3.2 Wettkampfanalyse und Wettkampfleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   72
3.2.1 Ergebnisanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   72
3.2.2 Pacing-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   73
3.2.3 Systematische Spielanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   75
3.2.4 Tracking-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   78
3.2.5 Belastungs- und Beanspruchungsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   81
3.2.6 Leistungsstrukturanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   82
3.3 Wettkampfsteuerung und Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   86
3.3.1 Phasenstruktur und Ziele der Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   87
3.3.2 Inhalte, Dauer und Intensität der Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   89
3.3.3 Precooling zur Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   95
3.4 Leistungsdiagnostik und Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   97
3.4.1 Möglichkeiten der Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99
3.4.2 Qualitätssicherung und Testgütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
3.4.3 Testnormierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
3.4.4 Diagnostik von Anthropometrie und Reifegrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
3.4.5 Diagnostik der Körperkomposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
3.4.6 Kraftdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
3.4.7 Schnelligkeitsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
3.4.8 Beweglichkeitsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
3.4.9 Ausdauerdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
3.4.10 Sportartspezifische Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
3.5 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
3.5.1 Allgemeine Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
3.5.2 Individuelle Schwerpunktsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
3.5.3 Individuelle Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
3.5.4 Aktuelle Feinjustierung durch Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
3.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

4 Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Christian Raeder, Jo-Lâm Vuong und Alexander Ferrauti
4.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
4.1.1 Maximalkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
4.1.2 Schnellkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
4.1.3 Reaktivkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
4.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
IX
Inhaltsverzeichnis

4.2.1 Aufbau der Skelettmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197


4.2.2 Muskelquerschnitt und Muskelarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
4.2.3 Muskelfaserspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
4.2.4 Neuromuskuläre Signalübertragung und Muskelkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
4.2.5 Spinale und supraspinale Kraftregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
4.2.6 Intra- und intermuskuläre Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
4.2.7 Kraft-Längen-Relation des Muskels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
4.2.8 Stiffness des tendomuskulären Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
4.2.9 Postactivation Potentiation (PAP) und Komplextraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
4.2.10 Exzentrisches Krafttraining und Muskeldestruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
4.2.11 Energiebereitstellung beim Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
4.2.12 Okklusion und Hypoxie im Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
4.3 Anpassungseffekte durch Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
4.3.1 Neuronale Adaptationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
4.3.2 Muskelfaserhypertrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
4.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
4.4.1 Maximalkrafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
4.4.2 Schnellkrafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
4.4.3 Funktionelles Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
4.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
4.6 Trainingsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
4.7 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

5 Schnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Thimo Wiewelhove
5.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
5.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
5.2.1 Anlage-, entwicklungs- und lernbedingte Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
5.2.2 Neuronale und tendomuskuläre Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
5.2.3 Einflussgrößen im Kontext der Erscheinungsformen der Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . 272
5.3 Anpassungseffekte durch Schnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
5.3.1 Anpassungen im Kontext der informatorischen Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
5.3.2 Anpassungen im Kontext der motorischen Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
5.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
5.4.1 Ausgewählte trainingsmethodische Leitlinien zum Schnelligkeitstraining . . . . . . . . . . 277
5.4.2 Trainingsbereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
5.4.3 Reaktionstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
5.4.4 Antizipationstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
5.4.5 Frequenzschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
5.4.6 Sequenzschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
5.4.7 Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
5.4.8 Aktionsschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
5.4.9 Supramaximale Schnelligkeitsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
5.4.10 Widerstandsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
5.4.11 Kontrastmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
5.4.12 Koordinationsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
5.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

X Inhaltsverzeichnis

5.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318


Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

6 Beweglichkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Hubert Remmert
6.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Beweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
6.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
6.2.1 Gelenkstrukturen und Beweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
6.2.2 Muskelphysiologische Grundlagen und Dehneffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
6.2.3 Bindegewebe und Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
6.3 Anpassungseffekte durch Dehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
6.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
6.4.1 Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
6.4.2 Anforderungsgerechtes Beweglichkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
6.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
6.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

7 Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
Florian Hanakam und Alexander Ferrauti
7.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
7.1.1 Grundlagenausdauer versus sportartspezifische Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
7.1.2 Kurz, Mittel- und Langzeitausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
7.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
7.2.1 Grundlagen des Energiestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
7.2.2 Energieumsatz und Substratverwertung im Ausdauersport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
7.2.3 Energiestoffwechsel bei Intervallbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
7.3 Anpassungseffekte durch Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
7.3.1 Internistisch-präventivmedizinische Anpassungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
7.3.2 Genetisch bedingte Anpassungseffekte (African Runners) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
7.3.3 Trainingsbedingte Anpassungen der maximalen Sauerstoffaufnahme . . . . . . . . . . . . . 372
7.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
7.4.1 Dauermethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
7.4.2 Intervallmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
7.4.3 Wiederholungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
7.4.4 Kleinfeldspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
7.4.5 Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
7.5 Ausgewählte Trainingsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
7.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

8 Techniktraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Arno Krombholz
8.1 Bedeutung und Erscheinungsformen von Technik und Koordination . . . . . . . . . . . . 406
8.2 Bewegungsanalyse und Technikleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
8.2.1 Ermittlung und Ableitung von Technikleitbildern und Sollwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
8.2.2 Funktionale Analysen sportlicher Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
8.2.3 Morphologische und biomechanische Analysen sportlicher Technik . . . . . . . . . . . . . . . 416
XI
Inhaltsverzeichnis

8.3 Biologische Grundlagen und Modelle des Techniktrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419


8.3.1 Biologische Grundlagen der Motorik und des motorischen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . 419
8.3.2 Informationsverarbeitende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
8.3.3 Systemdynamische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
8.3.4 Ansätze der Effektkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
8.4 Ziele und Methoden des Techniktrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
8.4.1 Koordinationstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
8.4.2 Bewegungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
8.4.3 Videofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
8.5 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

9 Regenerationsmanagement und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455


Thimo Wiewelhove
9.1 Bedeutung des Regenerationsmanagements im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
9.2 Biologische Grundlagen von Ermüdung und Regeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
9.2.1 Metabolische Ursachen von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
9.2.2 Mechanische Ursachen von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
9.2.3 Neuronale Ursachen von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
9.2.4 Messung von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
9.3 Regenerationsinterventionen und deren Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
9.3.1 Aktive Erholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470
9.3.2 Stretching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
9.3.3 Kälteapplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
9.3.4 Wärmeapplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
9.3.5 Kompressionskleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
9.3.6 Massage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
9.3.7 Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
9.3.8 Foam-Rolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
9.3.9 Sonstige Regenerationsinterventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
9.4 Regeneration und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
9.4.1 Ausgleich von Flüssigkeits- und Mineralstoffverlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
9.4.2 Kohlenhydratzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
9.4.3 Proteinzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
9.4.4 Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
9.5 Individualisierung des Regenerationsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
9.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

10 Training im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507


Alexander Ferrauti, Tobias Stadtmann, Alexander Ulbricht und Jennifer Kappenstein
10.1 Bedeutung und Anwendungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
10.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510
10.2.1 Allgemeine körperliche und motorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510
10.2.2 Physiologische Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514
10.3 Empfehlungen zum Training im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
10.3.1 Allgemeine Trainingsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
10.3.2 Empfehlungen zum Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

XII Inhaltsverzeichnis

10.3.3 Empfehlungen zum Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524


10.4 Talentförderung im Nachwuchsleistungssport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
10.4.1 Das sportliche Talent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527
10.4.2 Talentidentifikation und Talentselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528
10.4.3 Talentforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
10.4.4 Talentförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
10.4.5 Der Relative Age Effect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
10.5 Training im Schulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
10.5.1 Rahmenbedingungen und curriculare Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
10.5.2 Möglichkeiten von Training im Schulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536
10.5.3 Möglichkeiten der Leistungsdiagnostik im Schulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539
10.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541

11 Training im mittleren und höheren Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547


Alexander Ferrauti und Laura Hottenrott
11.1 Bedeutung und Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548
11.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550
11.3 Epidemiologische Befunde zu Training und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
11.4 Training und Übergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
11.5 Körperfunktionen, Leistung und Trainierbarkeit im Altersgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556
11.5.1 Kognitive und koordinative Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
11.5.2 Kardiorespiratorische und neuromuskuläre Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559
11.5.3 Wettkampfleistungen und Masterathleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
11.5.4 Trainierbarkeit von Kraft und Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563
11.5.5 Regenerationsbedarf im Altersgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565
11.6 Trainingsempfehlungen und Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566
11.6.1 Allgemeine Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566
11.6.2 Sportartspezifische Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
11.7 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575

12 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579


Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam Frytz, Janina-Kristin Götz, Florian Hanakam,
Til Kittel, Jasper Möllmann, Christoph Schneider und Hubert Remmert
12.1 Beckenschwimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581
12.1.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581
12.1.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582
12.1.3 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585
12.1.4 Langfristiger Leistungsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588
12.2 Triathlon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
12.2.1 Wettkampfstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
12.2.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
12.2.3 Wettkampfanalyse und Leistungsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
12.2.4 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595
12.3 Basketball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
12.3.1 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
XIII
Inhaltsverzeichnis

12.3.2 Konditionelle Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600


12.3.3 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
12.3.4 Leistungsentwicklung im Jugendbasketball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602
12.3.5 Spieler-Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604
12.3.6 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606
12.3.7 3 × 3-Basketball: eine andere Sportart?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614
12.4 Fußball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615
12.4.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615
12.4.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
12.4.3 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623
12.4.4 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
12.4.5 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626
12.5 Volleyball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628
12.5.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629
12.5.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
12.5.3 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633
12.5.4 Trainingssteuerung athletischer Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634
12.5.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
12.5.6 Beach-Volleyball: eine andere Sportart?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637
12.6 Tennis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
12.6.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
12.6.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
12.6.3 Beanspruchungen im Tennis-Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644
12.6.4 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648
12.6.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652

Serviceteil
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Stichwortverzeichnis ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 663
1 1

Aufgaben und Inhalte der


Trainingswissenschaft
Alexander Ferrauti

1.1  rainingswissenschaft als sportwissenschaftliche


T
Teildisziplin – 2

1.2 Gegenstandsbereiche der Trainingswissenschaft – 5

1.3 Forschungsmethoden in der Trainingswissenschaft – 9


1.3.1  rundlagenforschung – 9
G
1.3.2 Anwendungsforschung – 10
1.3.3 Evaluationsforschung – 12
1.3.4 Trainingswissenschaft und Ethik – 13
1.3.5 Kommunikation trainingswissenschaftlicher Ergebnisse – 13

1.4 Paradigmenwechsel durch Trainingswissenschaft – 14

1.5  rainingswissenschaft im Zeitalter von Digitalisierung


T
und Pandemie – 16

1.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 18

Literatur – 18

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_1
2 A. Ferrauti

Die Sportpraxis ist Start- und Ziellinie für die von Studierenden im Fach Sportwissenschaft als
1 Trainingswissenschaft sehr bedeutsam evaluiert. Im 2017 von der dvs
verabschiedeten Kerncurriculum für Bachelor-
Zusammenfassung studiengänge gehört die Vermittlung des Kompe-
Die Trainingswissenschaft ist eine von mehreren tenzbereichs „Training & Leistung“ zu einem fes-
sehr unterschiedlichen sportwissenschaftlichen ten Bestandteil.
Teildisziplinen. Sie zeichnet sich durch ihre interdis-
ziplinäre Arbeitsweise, ihre Nähe zur Sportpraxis Beispiel: Meisterlehre
und eine anwendungsbezogene Forschungs-
Woldemar Gerschler führte den völlig unbekann-
perspektive aus. Die drei inhaltlichen Gegen­
ten Rudolf Harbig zu mehreren Weltrekorden über
standsbereiche sind „Training und Trainings- 400, 800 und 1000 m (Gerschler 1939, . Abb. 1.1).
steuerung“, „Leistung und Leistungsdiagnostik“ Hiermit begannen der Siegeszug und die wissen-
sowie „Wettkampf und Wettkampfoptimierung“. schaftliche Begründung des Intervalltrainings und
Die Handlungsfelder gehen weit über den Bereich der herzfrequenzgesteuerten „lohnenden Pause“.
Harbig lief hierzu im Winter vor allem 200-Me-
des Leistungssports hinaus und schließen auch
ter-Wiederholungsläufe (z. B. 20 × 200 m mit 90 s
den Schulsport, den Freizeit- und Fitnesssport so- Geh-/Trabpause). Zur Saison hin wurde die Anzahl
wie den Altersleistungssport ein. Forschungsme- der Wiederholungen geringer und die Geschwin-
thodisch dominieren die Anwendungs- und Eva- digkeit höher (Gerschler 1939). Vergleichbare Pro-
luationsforschung mit vereinzelt notwendigen tokolle werden derzeit unter dem modernen Eti-
kett des High-Intensity-­Interval-Trainings (HIIT) für
Vertiefungen durch Grundlagenforschung. Die
zahlreiche Sportarten empfohlen und in der Trai-
moderne Trainingswissenschaft ist zunehmend in- ningswissenschaft hinsichtlich ihrer Effekte intensiv
ternational vernetzt und aufgestellt und trägt im untersucht.
Diskurs mit der Sportpraxis zu bedeutsamen Para-
digmenwechseln im Trainingsprozess bei.

1.1 Trainingswissenschaft als


sportwissenschaftliche
Teildisziplin

Der historische Ursprung der Trainingswissen-


schaft geht auf Bestrebungen in der Sportpraxis
zurück, das Trainerhandeln und die darauf auf-
bauenden Trainingskonzepte („Meisterlehren“)
auf eine systematische Grundlage zu stellen (Hot-
tenrott und Seidel 2017). Hieraus etablierte sich
die Trainingswissenschaft als eine der jüngeren
sportwissenschaftlichen Disziplinen. Sie bildet
seit 1992 eine von elf Sektionen der Deutschen
Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs; 7 www.­
dvs-­trainingswissenschaft.­de). An über 30 der 64
sportwissenschaftlichen Hochschuleinrichtun-
gen in Deutschland führen Lehrstühle und Pro-
fessuren einen der Begriffe „Trainingswissen-
schaft“, „Training“ oder „Trainingslehre“ in ihrer
Denomination (Lames et al. 2013). In Deutsch- ..      Abb. 1.1 Cover des Buches von Woldemar
Gerschler aus dem Jahr 1939
land hat sich die Trainingswissenschaft daher als
eigenständiges Lehrgebiet fest etabliert und wird
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
3 1
Obwohl die Trainingswissenschaft in vielen zugeordnet (Analysen zum eigens veranstalte-
anderen europäischen und außereuropäischen ten ECSS-Kongress MetropolisRuhr 2017).
Ländern in den Curricula von sportwissen- In der Organisationsstruktur der Deut-
schaftlichen Studiengängen fest verankert ist, schen Vereinigung für Sportwissenschaft
existiert bislang keine internationale Wissen- können medizinisch-naturwissenschaftlich
schaftsorganisation. Folglich ist eine gängige orientierte Sektionen (Biomechanik, Sport-
englischsprachige Übersetzung noch nicht ein- medizin und Sportmotorik) von vorrangig er-
heitlich etabliert, obwohl die Bezeichnung ziehungs-, geistes- und sozialwissenschaftlich
„Training & Exercise Science“ den Inhaltsbe- orientierten Sektionen (Sportgeschichte, Sport-
reich am ehesten abbildet. Die international informatik, Sportökonomie, Sportpädagogik,
wachsende Wertschätzung der Trainingswis- Sportphilosophie, Sportpsychologie und Sport-
senschaft kann auch an den Statistiken des soziologie) unterschieden werden. Die Trai-
European College of Sport Science (ECSS), der ningswissenschaft ist vorrangig medizinisch-­
europäischen Dachorganisation der Sportwis- naturwissenschaftlich ausgerichtet, bedient
senschaft, abgelesen werden. Die Mehrzahl der sich jedoch bei der Beantwortung vieler Fra-
bis zu 3000 Beiträgen aus aller Welt zum jähr- gestellungen auch dem originären Methoden-
lich stattfindenden ECSS-­Kongress werden re- inventar anderer sportwissenschaftlicher Diszi-
gelmäßig dem Bereich „Training & Testing“ plinen (interdisziplinäre Perspektive).

Beispiel: Interdisziplinarität

In der Trainingspraxis zahlreicher Sportarten steht der systematischen Evaluation verschiedener in der
die Frage nach der angemessenen Reizhöhe bzw. Sportpraxis verwendeter HIIT-Varianten und be-
Trainingsintensität vielfach im Zentrum der Trai- nutzt hierbei originär trainingswissenschaftliche
ningsplanung. In jüngster Zeit rückt das hochinten- (z. B. Messung der Intervallsprintleistung), aber
sive Intervalltraining (HIIT) vermehrt in den Fokus auch sportmedizinische (z. B. Ermüdungsmarker im
der Sportpraxis, obwohl keine ausreichende Evi- Blut), biomechanische (z. B. Reflexaktivität der Ar-
denz da­rüber vorliegt, welche der zahlreichen beitsmuskulatur) und sportpsychologische (z. B. Er-
verschiedenen Trainingsprotokolle mit welchen holungs- und Belastungsevaluation) Erhebungsme-
akuten und langfristigen Effekten in Bezug auf Leis- thoden und reflektiert die aus der Gesamtschau sich
tungssteigerung und Erholungsbedarf einherge- ergebenden Empfehlungen an die Sportpraxis
hen. Die Trainingswissenschaft widmet sich daher (Wiewelhove et al., 2016).

Ein ganz wesentliches Alleinstellungsmerk- tiert, bevor diese als Empfehlung oder gar
mal der Trainingswissenschaft besteht darin, Konzept bzw. Leitlinie transferiert werden
dass ihre Fragestellungen im Diskurs mit der (angewandte Perspektive). Die Trainingswis-
Trainingspraxis (zum Beispiel mit den Wis- senschaft kann im dargestellten Kreismodell
senschaftskoordinatoren der Sportverbände folglich in engerer Anlehnung zur Theorie
im Deutschen Olympischen Sportbund, und Praxis der Sportarten lokalisiert wer-
DOSB) bzw. aus der Beobachtung des sport- den, wobei die Grenzen zu den übrigen
praktischen Handlungsfeldes entstehen. Die sportwissenschaftlichen Teildisziplinen (Pe-
generierten Wissensbestände werden zu- ripherie) und zur Sportpraxis durchlässig
nächst mit Vertretern der Sportpraxis disku- sind (. Abb. 1.2).
4 A. Ferrauti

Trainingswissenschaft Als klassische Lehrbücher der Trainingswissen-


1 Die Trainingswissenschaft versteht sich schaft sind an dieser Stelle die Arbeiten von Carl
als diejenige sportwissenschaftliche Diszi- (1983); Harre (1979); Schnabel et al. (2008);
plin, die sich aus einer interdisziplinären Martin et al. (1993) – jetzt neu überarbeitet und
(Verwendung von Methoden verschiede- herausgegeben von Hottenrott und Seidel
ner Disziplinen) und angewandten Pers- (2017); Hohmann et al. (2002) – aber auch Joch
pektive (Bearbeitung sportpraktisch und und Ückert (1998); Weineck (2010) sowie das
sportartspezifisch relevanter Fragestel- Kapitel zur Trainingswissenschaft von Hotten-
lungen) mit der wissenschaftlichen Fun- rott und Hoos (2013) im Bachelorlehrbuch für
dierung und Optimierung von Training das Sportstudium (Güllich und Krüger 2013)
und Trainingssteuerung, Leistung und exemplarisch zu nennen. Sie alle bilden in ihrer
Leistungsdia­gnostik sowie Wettkampf Gesamtheit einen guten Quer- und Längsschnitt
und Wettkampfoptimierung in verschie- durch die Geschichte der deutschen Trainings-
denen Adressaten- und Handlungsfeldern wissenschaft und besitzen je nach eigener Bio-
von Sport und Bewegung beschäftigt. graphie und Interessenslage der Autoren ihre
spezifischen Besonderheiten und Abgrenzungs-
merkmale.
Renommierte deutsche Trainingswissenschaft- Die historische Entwicklung der Trainings-
ler haben sich in der Vergangenheit sehr inten- wissenschaft aus Meisterlehren der Sportpraxis,
siv mit der theoretischen Fundierung ihrer Dis- die spät erfolgte wissenschaftliche Orientierung,
ziplin auseinandergesetzt und ihre Position in das Bekenntnis zu einer inter­disziplinären und
einer Vielzahl an Beiträgen und Lehrbüchern integrativen Strategie von Theorieentwicklung
zum Ausdruck gebracht. Einen wertvollen Posi- und Problemlösung sowie das hochgradig kom-
tionsbeitrag zur Lage der universitären Trai- plexe und spezifische For­schungsfeld verschie-
ningswissenschaft lieferten Lames et al. (2013). dener Sportarten und Bewegungsfelder bergen

..      Abb. 1.2 Trainingswissen-


schaft als interdisziplinäre,
integrative und angewandte
Disziplin zwischen sportwissen-
schaftlichen Basisdisziplinen in
der Peripherie sowie den interdisziplinär-
ps

Sportarten und Bewegungsfel- angewandte


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dern als Ausgangspunkt und Trainingswissen-


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Wesenskern schaft
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Naturwissenschaften
or
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Erziehungs-, Geistes- und

sp
Sozialwissenschaften

Medizin und

Theorie und
Praxis der
Sportarten
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or
sp
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
5 1
jedoch auch eine ernstzunehmende Angriffsflä- als begleitendes Lehrbuch zur dortigen Bache-
che für Kritik. Die Identifikation der eigenen lorvorlesung im Fach Trainingswissenschaft
spezifisch trainingswissenschaftlichen For- fungieren. Diese wird gewöhnlich im ersten
schungsstrategie und deren Abgrenzung zu je- oder zweiten Semester von Studierenden der
ner der anderen Disziplinen erscheint unscharf Ein-Fach-(außerschulisch ausgerichteter Ba-
(Lames et al. 2013). Vereinzelt wird daher aus chelor of Science) und Zwei-Fach-Studiengänge
unterschiedlichen Basiswissenschaften Kritik (schulisch ausgerichteter Bachelor of Arts) be-
an der forschungsmethodischen und wissen- sucht. Das Lehrbuch grenzt sich daher von den
schaftstheoretischen Fundierung der Trainings- zuvor genannten Kompendien an vielen Stellen
wissenschaft geübt (u. a. Mader 2015). Sogar das ab und besitzt keinen Anspruch auf eine voll-
Ausbleiben nennenswerter olympischer Erfolge ständige Behandlung aller relevanten Themen
deutscher Athleten wird unter anderem auf und der zugrundeliegenden Literatur. Es bein-
Fehler in der Trainingssteuerung und beispiels- haltet auf der anderen Seite in hohem Maße die
weise auf eine unzureichend biologisch-natur- eigenen Forschungsergebnisse bzw. jene aller
wissenschaftlich ausgerichtete Trainingswissen- Mitarbeitenden des Lehrstuhls (Doktoranden
schaft zurückgeführt (Hartmann 2016). und Postdocs). Der Buchtitel signalisiert die
Zusammenfassend steht die Trainingswis- hohe Affinität unserer Arbeitsgruppe zur Sport-
senschaft in Deutschland aktuell in einem Span- praxis und unserem Bekenntnis zum eingangs
nungsfeld: Sie erfährt höchste Anerkennung bei definierten Motto: „Die Sportpraxis ist Start-
Studierenden (als Studienfach in den Curricula und Ziellinie für die Trainingswissenschaft“.
der Bachelorstudiengänge im Fach Sportwis-
senschaft) sowie bei zahlreichen nationalen und
internationalen Nachwuchsforschern und wird 1.2 Gegenstandsbereiche der
von den meisten Sportfachverbänden des DOSB Trainingswissenschaft
aufgrund ihrer trainingswissenschaftlichen Un-
terstützungsleistungen sehr wertgeschätzt. Ver- Die trainingswissenschaftlichen Adressaten- und
einzelt ­ betrachten Vertreter verschiedener Handlungsfelder sind vielfältig und umfassen
sportwissenschaftlicher Basisdisziplinen die unter anderem das Kindes- und Jugendalter (mit
Trainingswissenschaft wegen ihres forschungs- den Handlungsfeldern Schulsport, Talentfor-
methodischen Zugangs jedoch kritisch. Im schung und Nachwuchsleistungssport), den Leis-
inter­nationalen Umfeld erscheint der Umgang tungssport mit seinen vielfältigen Handlungsfel-
mit trainingswissenschaftlich-angewandter For- dern sowie das mittlere und höhere Lebensalter
schung deutlich unkomplizierter und pragmati- (mit den Handlungsfeldern Freizeit-, Fitness- und
scher. Zahlreiche renommierte Trainingswis- Gesundheitssport sowie den Bereich der „Mas-
senschaftler liefern einerseits wertvolle ter-Athleten“ als Altersleistungssportler). Es ist
Unter­ stützungsarbeit in der unmittelbaren unbestritten und evident, dass in jedem der auf-
Athletenbetreuung nationaler Sportorganisatio- gelisteten Adressaten- und Handlungsfelder
nen und genießen gleichzeitig mit ihren Publi- (. Abb. 1.3) sehr spezifische Fragestellungen exis-
kationen in der Scientific Community höchste tieren und einen jeweils darauf ausgerichteten
Anerkennung (u. a. Halson 2014; Coutts 2017). Forschungszugang erfordern (7 Kap. 10 und 11).
Das vorliegende Lehrbuch sieht sich dieser Die Trainingswissenschaft ist zu einem we-
internationalen und praxisorientierten Inter- sentlichen Teil aus der leistungssportlichen Trai-
pretation der Trainingswissenschaft verpflich- ningsmethodik entstanden. Insofern ist es nach-
tet. Es soll zudem explizit die an der Fakultät für vollziehbar, dass der Leistungssport in der
Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bo- Vergangenheit das wichtigste Handlungsfeld der
chum gewachsene und gelehrte medizinisch-­ Trainingswissenschaft darstellte. Forschungsbe-
naturwissenschaftliche Sichtweise des Lehr- mühungen fokussieren daher unter anderem auf
stuhls für Trainingswissenschaft vertreten und eine Optimierung der Leistungssteuerung als
6 A. Ferrauti

Adressatengruppen und Handlungsfelder


1 Kinder und Jugendliche Athleten im Hochleistungsalter mittleres/höheres Lebensalter
Schulsport Trainingsmethoden & -geräte Freizeit-/Fitnesssport
Talentforschung Trainingswirkungsanalysen Gesundheitssport
Nachwuchsleistungssport Individualisierung Altersleistungssport

Gegenstandsbereiche
Training und Leistung und Wettkampf und
Trainingssteuerung Leistungsdiagnostik Wettkampfoptimierung
Trainingsplanung, allgemeine & sportartspezifische Beanspruchungsprofile,
Trainingsinhalte & -methoden, Testverfahren, Testnormierung & Wettkampfanalyse,
Belastungsnormative, Leistungsmodellierung Wettkampfsteuerung
Monitoring, Regeneration und Coaching, Regeneration

Themenschwerpunkte
Athletik Sportartspezifität Technik und Taktik
Training & Diagnostik von Kraft, Individualsportarten, Sportspiele Technikvermittlung,
Schnelligkeit, Beweglichkeit (Mannschafts- & Rückschlagspiele), Techniktraining,
& Ausdauer Zweikampfsport, Trendsport u.s.w. Taktiktraining, Technik-
& Taktikanalyse

..      Abb. 1.3 Adressaten- und Handlungsfelder sowie Gegenstandsbereiche und ausgewählte dominante
Themenfelder der Trainingswissenschaft

Synopse von Leistungsdiagnostik und Trainings- derzeit von der nationalen und internationalen
planung (z. B. Entwicklung und Validierung Trainingswissenschaft intensiv bearbeitetes For-
neuer und sportartspezifischer Leistungstests) schungsfeld (u. a. Halson 2014).
sowie auf die Überprüfung neuartiger oder spe- Durch die Öffnung des Trainingsbegriffs
zieller Trainingsmethoden und Trainingsgeräte sind jedoch bedeutsame Handlungsfelder hin-
(z. B. das exzentrisch akzentuierte Krafttraining, zugekommen. Exemplarisch soll an dieser
der Einsatz von Vi­ brationen oder aktuell das Stelle auf das Training im Kindes- und Jugend-
Hypoxie- oder Okklusionstraining). alter, den Schulsport und den Freizeit- und Fit-
Darüber hinaus stellen die langfristige Trai- nesssport eingegangen werden.
ningswirkungsanalyse und die Individualisie- Im Kindes- und Jugendalter und dem dort
rung des Belastungs- und Erholungsmanage- stattfindenden Nachwuchstraining hat die un-
ments große Herausforderungen dar. Es besteht zureichende Grundlagenforschung zur Trai-
Konsens darüber, dass im Hochleistungssport nierbarkeit und Belastbarkeit von Kindern und
allgemeine technologische Regeln bei der Trai- Jugendlichen dazu geführt, dass überkommene
ningsplanung und die Anwendung allgemeiner Vorstellungen unkritisch und ungeprüft tradiert
Trainingsprinzipien häufig versagen. Vor dem wurden. Aktuelle Forschungsergebnisse zum
Hintergrund minimaler Leistungsreserven und Krafttraining (Behm et al. 2017) unter anderem
der Gefahr einer chronischen Fehlbelastung aus der KINGS-Studie (Krafttraining im Nach-
muss diesem Umstand durch ein individuell wuchsleistungssport) und aus unserer eigenen
ausgerichtetes Belastungs- und Erholungsma- Arbeitsgruppe zum Ausdauertraining im Kin-
nagement begegnet werden. In diesem Zusam- desalter (z. B. Kappenstein et al. 2013) belegen
menhang beschreibt das Zauberwort „Monito- die Dringlichkeit einer weiteren trainingswis-
ring“, auch unter Nutzung von technischen senschaftlichen Auseinandersetzung mit der
Unterstützungsgeräten (z. B. Wearables), ein Thematik.
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
7 1
Auch die Zusammenarbeit von Trainingswis- Sicht sind eine Aufwertung trainingswissen-
senschaft und Schulsport ist bis auf wenige Arbei- schaftlicher Aspekte im Schulsport und eine an-
ten unzureichend (Thienes 2008). Die kompli- gemessene didaktische Aufbereitung dringend
zierte politische und ideologische Gemengelage erforderlich. Parallel hierzu vermittelbare Kom-
und der schwierige Diskurs über die pädago- petenzen über eine gesunde und lebenslang ak-
gisch relevanten Zielsetzungen des Sportunter- tive Lebensweise sowie über die biologischen
richts, gepaart mit unzureichenden finanziellen Grundlagen von Bewegung und Training (ein-
Fördermöglichkeiten (ein unverzeihlicher Fehler schließlich der Möglichkeiten zur Vorbeugung
der zuständigen politischen Entscheidungsträ- von Zivilisationserkrankungen) werden bislang
ger), mögen dies vorrangig verursacht haben von keinem anderen Fach im schulischen Fä-
(Weber und Pieper 2006). cherkanon thematisiert. Sie lassen sich jedoch in
idealer Weise und unmittelbar praxisnah im
Sportunterricht vermitteln und würden eine be-
xkurs: Konzentrationssteigerung durch
E achtliche gesellschaftliche Bildungslücke schlie-
körperliche Aktivität
ßen (Weber und Pieper 2006). Schließlich sind
Sofern Sie momentan vergeblich versuchen zu
auch die Transfereffekte des Schulsports auf die
lernen und sich zu konzentrieren, gebe ich Ih- Qualität der Wissensvermittlung in den übrigen
nen einen Tipp: Treiben Sie 30 bis 45 Minuten Fächern nicht zu vernachlässigen. Zahlreiche Be-
intensiven Sport, welche Aktivität auch immer funde belegen den akuten Einfluss von körperli-
Sie bevorzugen. Wer kann sich nicht an die pro- cher Aktivität auf die kognitive Leistungsfähig-
duktivsten Stunden im Mathematikunterricht
erinnern? Ausgepowert und immer noch
keit im schulischen Setting (u. a. Galotta et al.
schwitzend nach Sportunterricht oder Pausen- 2012).
fußball saß man zunehmend entspannt an sei- Der Freizeit- und Fitnesssport ist ebenfalls
nem Schultisch und die Differenzialrechnung ein bislang nur marginal durch die Trainings-
wurde zum Kinderspiel. Ist es das, was die Psy- wissenschaft bearbeitetes Forschungsfeld (Fer-
chologen als Flow-Erleben bezeichnen und wel-
che physiologischen Ursachen stehen dahinter
rauti und Remmert 2006). Durch die Spezifität
(Harmat et al. 2016)? Welche Dosis-­Wirkung-­ von Motiven, Alter und Trainingszustand der
Beziehung existiert zwischen der Intensität ei- Aktiven sowie die besonderen sozialen und
ner vorgeschalteten Belastung und der nach- zeitlichen Rahmenbedingungen avanciert der
folgenden Konzentrationssteigerung (Galotta Freizeitsport zu einem eigenständigen trai-
et al. 2012)? Sind diese Effekte abhängig vom
Trainingszustand der Schüler? Viele Fragen, die
ningswissenschaftlichen Forschungsbereich,
trainingswissenschaftlich (und somit auch inter- dem trotz seiner hohen gesellschaftlichen Be-
disziplinär) im schulischen Setting nach wie vor deutung bislang zu wenig Aufmerksamkeit
auf ihre umfassende Beantwortung warten. Nur geschenkt wurde. Freizeitsport gehört in den
eines ist klar: Die Sportstunde freitags am Ende Aufgabenbereich der Bundesländer, eine För-
des Schultages verfehlt ihre Wirkung auf den
Mathematikunterricht!
derung und Systematisierung der Forschungs-
bemühungen findet auf Länderebene jedoch
nur unzureichend statt. Folglich wird die Ent-
wicklung des Freizeitsports bislang vorrangig
Gemäß dem offenen Trainingsverständnis han- durch Sportartikelhersteller gesteuert. Diese
delt es sich jedoch auch beim Schulsport um ein versuchen ihre Produkte und Methoden nach
„reguläres“ Anwendungsfeld der Trainingswis- wirtschaftlichen und weniger nach funktionell
senschaft. Denn insbesondere im Sportunterricht trainingswissenschaftlichen Gesichtspunk-
werden planmäßig und systematisch Inhalte rea- ten zu vermarkten. In der Folge begegnet der
lisiert, um Ziele im oder durch Sport zu errei- kritische Sportler, Trainer und Trainingswis-
chen, ohne gleichzeitig pädagogische Zielsetzun- senschaftler zahlreichen Mythen und naiven
gen und Perspektiven zu gefährden. Auch Theorien über die Effektivität von Trainings-
aus gesundheitlicher und gesundheitspolitischer methoden. Lifestylemagazine, in denen sport-
8 A. Ferrauti

..      Abb. 1.4 Freizeitsportler bilden weltweit die mit Outdoor-Freizeitsports. Dies sind unter anderem
Abstand größte Gruppierung an Sporttreibenden. Es New York (Central Park) und Paris (das Hippodrome im
lohnt ein Besuch der weltweit größten Metropolen des Bois de Boulogne)

und gesundheitsbezogene Themen populär Leistungsmodellierung) sowie Wettkampf und


und vielfach auch falsch dargeboten werden, Wettkampfoptimierung (Beanspruchungsprofile,
gehören zu den erfolgreichsten Zeitschriften- Wettkampfanalyse, Wettkampfsteuerung und
neugründungen der vergangenen Jahre. Fat- Coaching). Terminologisch vergleichbare Auflis-
burning als Primärschlüssel für eine Neujustie- tungen der Gegenstandsbereiche finden sich
rung der Körperkomposition und die Vorgabe auch in der übrigen trainingswissenschaftlichen
eines idealen Trainingspulses sind nur zwei Literatur (u. a. Hohmann et al. 2002; Schnabel
Beispiele von Mythen, die ohne ausreichende et al. 2008). Im vorliegenden Lehrbuch werden
Evaluation an den Freizeitsportler vermittelt diese allgemeinen Gegenstandsbereiche in
werden. 7 Kap. 2 und 3 behandelt, sodass eine Vertiefung
Aus trainingswissenschaftlicher Sicht be- an dieser Stelle unterbleibt.
steht folglich auch für diesen weltweit in allen Ein Schwerpunkt der trainingswissen-
Metropolen quantitativ bedeutsamen Adressa- schaftlichen Auseinandersetzung mit den As-
tenkreis der Freizeitsportler (. Abb. 1.4) ein pekten Training und Trainingssteuerung bilden
erheblicher und dringlicher Nachholbedarf an traditionsgemäß die konditionellen bzw. moto-
seriöser Forschung mit angemessenen Unter- rischen Hauptbeanspruchungsformen Kraft,
suchungsansätzen und Fragestellungen, dem Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer.
sich in diesem Buch das 7 Kap. 11 widmet. Letztere stellt dabei zugleich auch eine Do-
Die inhaltlichen Gegenstandsbereiche der mäne in der sportmedizinischen Forschung
Trainingswissenschaft (. Abb. 1.3) fokussieren dar. Das Training von Koordination und Tech-
im Wesentlichen auf drei Aspekte: Training und nik wird ebenfalls von verschiedenen anderen
Trainingssteuerung (Trainingsprinzipien, Trai- Disziplinen intensiv bearbeitet (speziell von
ningsplanung, Trainingsinhalte und -methoden, der Sportmotorik und der Sportbiomechanik).
Belastungsnormative, Monitoring, Individuali- Der Bereich der Taktik besitzt enge Anknüp-
sierung), Leistung und Leistungsdiagnostik (allge- fungspunkte zur Sportpsychologie. Den in
meine und sportartspezifische Testverfahren und . Abb. 1.3 genannten Schwerpunktthemen
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
9 1
widmen sich ausführlich die 7 Kap. 4, 5, 6, 7 standardisierten Laborbedingungen, statt. Dabei
und 8 des vorliegenden Lehrbuchs. kommen sowohl verhaltenswissenschaftliche als
Ein weiteres wesentliches Merkmal trai- auch naturwissenschaftliche Methoden aus ver-
ningswissenschaftlichen Arbeitens besteht in der schiedenen Wissenschaftsdisziplinen zum Ein-
Sportartspezifität (. Abb. 1.3). In Kenntnis der satz, soweit diese zur Klärung trainingswissen-
erheblichen Unterschiede im Belastungs- und schaftlicher Fragestellungen geeignet sind.
Beanspruchungsprofil verschiedener Sportarten Im Einzelnen können unter anderem fol-
und Sportartengruppen können praxisrelevante gende Methoden bzw. ­Untersuchungsverfahren
Schlussfolgerungen nur auf der Grundlage eines unterschieden werden: sportmethodische bzw.
sportartspezifischen und somit ausreichend vali- sportmotorische Tests, biomechanische, leis-
den Forschungszugangs gewonnen werden tungsphysiologische und kognitive Messun-
(z. B. Individualsport versus Sportspiele versus gen, standardisierte Wettkampf- und Spielbe-
Zweikampfsport). Hierdurch ist auch eine obachtung, schriftliche Befragung und
Schwerpunktsetzung hinsichtlich der vorzugs- Interview, Trainingsdokumentation und Trai-
weise angewendeten Forschungsstrategien gege- ningsanalyse (Monitoring).
ben. Eine allumfassende sportartspezifische trai-
ningswissenschaftliche Auseinandersetzung
würde verständlicherweise den Rahmen dieses
1.3.1 Grundlagenforschung
Lehrbuchs sprengen. Exemplarisch werden die
Individualsportarten Schwimmen und Triath-
Hier besteht das Forschungsziel primär darin,
lon, die Mannschaftssportspiele Fußball, Volley-
vertieftes Hintergrundwissen für die Erklä-
ball und Basketball sowie das Rückschlagspiel
rung eines trainingspraktischen Phänomens
Tennis behandelt (7 Kap. 12).
zu generieren. Dies verlangt vielfach eine auf-
wendige Messtechnik und kann oft nur unter
1.3 Forschungsmethoden in der standardisierten Laborbedingungen und mit
Trainingswissenschaft Unterstützung oder unter der Leitung von ko-
operierenden Forschern aus den Basis- oder
Die Trainingswissenschaft setzt ein breites Spek- Mutterwissenschaften umgesetzt werden. Der
trum an Forschungsstrategien ein, das primär Vorteil von Grundlagenforschung besteht im
Anwendungs- und Evaluationsforschung, selte- detaillierteren Aufklärungswert, der Nachteil
ner auch Grundlagenforschung, beinhaltet. Trai- besteht unvermeidlich darin, dass die Untersu-
ningswissenschaftliche Forschung findet somit chungsbedingungen artifiziell verändert wer-
üblicherweise in der Trainings- oder Wett- den müssen und sich aus dem realen sport-
kampfpraxis unter mehr oder weniger kontrol- praktischen Handlungsfeld entfernen (geringe
lierten Feldbedingungen, mitunter auch unter externe Validität).

Beispiel: Grundlagenforschung

Wir konnten in experimentellen Feldstudien mehr- mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in
fach nachweisen, dass Kinder maximale Intervall- Köln ermöglichte im Labor mittels magnetresonanz-
sprintbelastungen ohne nennenswerte Leistungs- spektroskopischer Untersuchung (31P-MRS) den
verluste gut tolerieren. Über einfach strukturierte Nachweis, dass Kinder einen geringeren Abfall an
psychometrische Befragungen ergaben sich nied- Kreatinphosphat (KP) in der Muskelzelle bei Belas-
rige subjektiv empfundene Beanspruchungen. Im tungsbeginn und folglich eine raschere KP-Regene-
peripheren Kapillarblut waren die Blutlaktatkonzen- ration in der Intervallpause aufweisen, was unter an-
trationen und die pH-Wertveränderungen deutlich derem auf die raschere Sauerstoffkinetik
geringer als bei Erwachsenen. Erst die Kooperation zurückgeführt werden kann (. Abb. 1.5a).
10 A. Ferrauti

1 a b

..      Abb. 1.5 Zwei „Schnappschüsse“ aus Anwendungsforschung zuzuordnen sind (rechts,


Untersuchungen zum Training im Kindesalter, die a unsere Trainingsgruppen die „Runketen“ (rot) und
der Grundlagenforschung (links, im Deutschen die „Marathonis“ (gelb) im Rahmen der Run-Kids-
Luft- und Raumfahrtzentrum Köln) bzw. b der Studie)

1.3.2 Anwendungsforschung Interventionsgruppe und nicht in einer Kontroll-


gruppe) oder im Cross-Over-Design (jeder Pro-
Die meisten trainingswissenschaftlichen Frage- band absolviert alle Interventionsbedingungen
stellungen können der Anwendungsforschung nacheinander mit dazwischengeschalteter Aus-
zugeordnet werden. Es empfiehlt es sich, die waschphase) erfolgen. Je länger der Interventi-
Untersuchung angemessen im Praxisfeld anzu- onszeitraum andauert (z. B. ein achtwöchiges
kündigen, um die Rekrutierung geeigneter Pro- Training), desto schwieriger wird ein Cross-Over
banden sicherzustellen (. Abb. 1.6). Das Ziel Design im sportpraktischen Umfeld zu realisie-
der Anwendungsforschung besteht darin, kon- ren sein. Die Messung einmaliger Interventionen
krete Handlungsanweisungen bzw. Leitlinien (z. B. die Erfassung der akuten bzw. kurzfristigen
für die Trainingspraxis abzuleiten. Anwen- Reaktionen verschieden konzipierter Trainings-
dungsforschung erfolgt im Normalfall unter einheiten) ist hingegen fast zwingend an ein
Feldbedingungen, das heißt im realen und un- Cross-Over-Design gebunden. Dabei muss die
veränderten sportpraktischen Handlungsfeld. Reihenfolge der verabreichten Trainingsinter-
Hierbei werden gewöhnlich experimentelle ventionen ausbalanciert werden, um Reihungs-
oder quasi-experimentelle Untersuchungsde- bzw. Gewöhnungseffekte zu vermeiden.
signs (je nach Zufälligkeit bei der Auswahl der
Beispiel: Anwendungsforschung
Kontrollgruppe) eingesetzt, um die Effekte ei-
ner Intervention (z. B. Trainingsmethode oder Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter
auch Regenerationsintervention) zu überprü- wurden im Rahmen unserer Run-Kids-Studie ran-
fen. Die Experimente werden in der Regel als domisiert und parallelisiert in zwei Interventi-
Längsschnittstudie (mit mehreren Messzeit- onsgruppen (Intervalltraining, IT oder variable
Dauermethode, VD) und eine Kontrollgruppe
punkten über einen mehr oder weniger langen
(kein Training, KG) aufgeteilt. Sie absolvierten ein
Zeitraum) und unter Feldbedingungen (unter vierwöchiges Ausdauertraining mit zwei Trai-
Aufrechterhaltung der realen Trainingssitua- ningseinheiten pro Woche. Die Kinder der Grup-
tion) durchgeführt. Dabei soll die Hypothese pen IT und VD verbesserten sich in gleicher
überprüft werden, ob die Intervention eine un- Weise gegenüber KG. Die Kinder empfanden IT
jedoch interessanter und motivierender. Als
abhängige Variable (z. B. die Leistungsfähig-
Handlungsanweisung könnte ein regelmäßiges
keit) beeinflussen kann (. Abb. 1.6). Intervalltraining (z. B. durch Staffelformen) in der
Dies kann sowohl im Kontrollgruppendesign Grundschule empfohlen werden (. Abb. 1.5b).
(die Intervention erfolgt ausschließlich in einer
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
11 1

..      Abb. 1.6 Beispiel für die Ausschreibung eines


Projekts aus dem Bereich der Anwendungsforschung

Für Fragestellungen, die einen grundsätzli-


chen trainingswissenschaftlich relevanten Zu-
sammenhang aufklären sollen (z. B. zwischen
Alter, Spielposition und Leistungsfähigkeit im
Basketball) eignen sich Querschnittuntersu-
chungen, bei denen zum gleichen Zeitpunkt
..      Abb. 1.7 Cover einer Broschüre zur Talentförderung
unterschiedliche Personen(-gruppen) in großen im Deutschen Basketball Bund (DBB) als Ergebnis eines
repräsentativen Stichproben untersucht werden. langjährigen Projekts, gefördert vom Bundesinstitut für
Hierbei wird eine empirische Untersuchung Sportwissenschaft (BISp, Fördernr. IIA1-080703/06-11).
(z. B. eine Befragung oder ein Leistungstest) ge- Die Empfehlungen basieren unter anderem auf um-
wöhnlich nur einmalig durchgeführt und die fangreichen Querschnittuntersuchungen. Beispiels-
weise wurden in ganz Deutschland die Leistungen in
Ergebnisse sowohl inferenzstatistisch (z. B. Un- sportmotorischen Tests (z. B. im Jump-and-Reach-Test)
terschiede zwischen unterschiedlichen Jahrgän- in Abhängigkeit von Jahrgang, Geschlecht, Altersklasse,
gen oder Spielpositionen) als auch korrelations- und Spielposition erhoben. Diese repräsentativen
statistisch (z. B. Zusammenhang zwischen Normprofile bieten wichtige Orientierungen und kön-
Sprunghöhe und Sprintleistung) ausgewertet. nen zur Individualbeurteilung aber auch zur Ableitung
grundsätzlicher Anforderungen an verschiedene Spiel-
Querschnittstudien sind nicht eindeutig der positionen genutzt werden (Stadtmann 2013)
Anwendungs- oder Evaluationsforschung zuzu-
ordnen. Umfangreiche flächendeckende Quer- Deutschen Tennis Bundes (DTB) durchgeführt
schnittuntersuchungen wurden in unserer Ar- und werden im Zusammenhang mit dem
beitsgruppe speziell mit Nachwuchsspielern des Thema Leistungssteuerung (7 Kap. 3) im Detail
Deutschen Basketball Bundes (DBB) und des beschrieben (. Abb. 1.7).
12 A. Ferrauti

1.3.3 Evaluationsforschung tersuchung als Sonderform der klassischen


1 Längsschnittuntersuchung werden in diesem
Im Hochleistungssport versagen fast alle gän- Rahmen mehrere Athleten bei zahlreichen
gigen Untersuchungsdesigns, da normaler- Messzeitpunkten über einen längeren Zeit-
weise keine Stichprobengröße mit ausreichen- raum (Trainingszyklus) individuell erfasst.
der statistischer Power und Homogenität Aktuelle Ansätze basieren beispielsweise auf
realisiert werden kann. Ferner ist ein Kontroll- einer engmaschigen individuellen Dokumenta-
gruppen- oder gar Doppelblindversuchsdesign tion von Trainingsinput (External Training
ethisch nicht zu rechtfertigen, wenn es um die Load), der daraus resultierenden körperlichen
Verabreichung einer erfolgversprechenden In- Beanspruchung (Internal Training Load) sowie
tervention geht. Schließlich schränken indivi- der Entwicklung des Leistungsoutputs (Perfor-
duelle Besonderheiten im gesamten Trainings- mance). Die resultierenden einzelfallbezogenen
umfeld sowie in der Toleranz und im Zeitreihen können durch informatische Model-
Antwortverhalten auf eine definierte Interven- lierung (vgl. hierzu das antagonistische Modell
tion (Response) die Übertragbarkeit allgemei- „PerPot DoMo“ nach Pfeiffer (2008)) zum
ner Handlungsempfehlungen ein. Dies gilt erst grundsätzlichen Verständnis der individuellen
recht, wenn diese an Athletengruppen geringe- Abhängigkeit von Trainingsinput und Leis-
rer Expertise evaluiert wurden. Die grundsätz- tungsentwicklung beitragen.
lichen Qualitätskriterien an experimentelle Andere Ansätze versuchen die Daten un-
Rahmenbedingungen wie beispielsweise die mittelbar für die Trainingssteuerung zu nutzen,
Standardisierung der Umgebungsbedingungen indem „behandlungsbedürftige“ Auffälligkeiten
werden von Topathleten normalerweise nicht univariat (alleinige Betrachtung eines wichtigen
erfüllt und widersprechen auch den notwendi- Parameters) oder multivariat (gleichzeitige Be-
gen Anforderungen des leistungssportlichen trachtung mehrerer Parameter) identifiziert
Umfelds. und zur Neujustierung des Trainings genutzt
Die vielfältigen Ansätze der Evaluations- werden (z. B. Hecksteden et al. 2015). Die gro-
forschung (Hohmann et al. 2002, S. 34) bieten ßen Herausforderungen bestehen hierbei:
angesichts dieser Problematik einen möglichen 55 in der Festlegung aussagekräftiger Parame-
alternativen trainingswissenschaftlichen Zu- ter (. Abb. 1.8),
gang. Grundsätzlich versuchen diese Ansätze, 55 in der statistisch abgesicherten Identifika-
Ergebnisse systematisch unter einer bestimm- tion von relevanten Datenveränderungen
ten Fragestellung zu dokumentieren, zu be- gegenüber einem zufallsbedingten
schreiben und in ihrem Gesamtzusammen- Artefakt und
hang zu interpretieren. Dies kann aufgrund 55 in der multivariaten Interpretation
der oben beschriebenen Stichprobenproble- verschiedener Parameter unterschiedlicher
matik im Hochleistungssport auch als Einzel- methodischer Herkunft (z. B. psychomet-
fallanalyse erfolgen. Im Sinne einer Panel-Un- rische Daten und Blutmarker).

Beispiel: Evaluationsforschung

Ein Badmintonnationalspieler klagt am Wochen- Jump (CMJ) ist um über 10 Prozent von 50 cm auf
ende nach intensiven Mikrozyklen während der 44 cm reduziert und die submaximal abgeleitete
Vorbereitung auf ein internationales Turnier über Herzfrequenz ist deutlich verringert (. Abb. 1.8).
erhebliche Muskelbeschwerden (Anstieg auf der Ein derartig eindeutiger Befund bezogen auf alle
Schmerzskala um mehr als 50 % gegenüber seines Parameter erfordert unbedingt die Schonung des
Baselinewertes). Ein Blick auf die Konzentration der Spielers und den Einsatz regenerativer Maßnah-
Kreatinkinase im Blut (CK) als Marker für muskuläre men am Wochenende. Schwieriger wird die Inter-
Schäden zeigt einen ebenfalls erheblichen Anstieg. pretation, wenn jeweils zwei der genannten Indi-
Auch die Sprungleistung im Counter Movement zien in unterschiedlicher Weise reagieren.
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
13 1

175
post Recovery
170 post Training
165

160
HRex (bpm)

155 20
18

RPE (6–20)
150 16
14
145
12
140 10
8
135 6
1 8 15 22 29 36
Days

..      Abb. 1.8 Individualverlauf der submaximalen tensiven Trainingswoche am Freitag (post Training,
Herzfrequenz (HRex) eines Badmintonspielers aus blau) erhoben. Der jeweils wechselnde Verlauf zeigt,
dem A-Kader des Deutschen Badminton Verbandes dass der Abfall der submaximalen Herzfrequenz am
(DBV) im Verlauf mehrerer Wochen. Die Messungen Ende der Woche als Indikator für eine Überlastung
wurden bei standardisierter Laufgeschwindigkeit gewertet werden kann. Gleichzeitig deutet der im
während des Warm-up zum Training entweder Trend feststellbare Abfall auf eine Leistungssteige-
montags nach einer Erholungsphase am Wochen- rung über mehrere Trainingswochen hin (Schneider
ende (post Recovery, weiß) oder am Ende einer in- et al. 2018).

Als Grundvoraussetzung muss zunächst eine nien des Ethik-Rates vor. Die Fakultät für
statistisch abgesicherte individuelle Baseline Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bo-
(z. B. Mittelwert und Streuung unter Ruhebe- chum verfügt über eine eigens eingerichtete
dingungen) für jeden Parameter bestimmt Ethikkommission.
werden.

1.3.5 Kommunikation trainings-


1.3.4 Trainingswissenschaft und wissenschaftlicher Ergebnisse
Ethik
Trainingswissenschaftliche Forschungsergeb-
Trainingswissenschaftliche Untersuchungen nisse müssen stets in zwei Richtungen kom-
müssen selbstverständlich von einem unab- muniziert werden: zur Sportpraxis und zur
hängigen Gremium auf ihre ethische Unbe- Sportwissenschaft. Für die Kommunikation
denklichkeit geprüft werden. Hierzu existieren zur Sportpraxis eignen sich unter anderem
an den sportwissenschaftlichen Einrichtungen Traineraus- und -fortbildungen sowie die
bzw. in deren Umfeld gewöhnlich Ethikkom- kompakte Verschriftlichung der relevanten Er-
missionen, die das verschriftliche Forschungs- kenntnisse in Broschüren oder Handreichun-
vorhaben nach Antragstellung gemäß einem gen bzw. sportpraktisch orientierte Lehrbücher
vorgegebenen Kriterienkatalog prüfen. Als (u. a. Weineck 1999; Ferrauti et al. 2016). Auch
Grundlage ihrer Beurteilung zieht die Kom- die seit 1970 im Philippka-Sportverlag heraus-
mission die ethischen Richtlinien der einschlä- gegebene Zeitschrift Leistungssport kann als
gigen Fachvereinigungen heran. Hierzu liegen etablierte und wertvolle Informationsquelle
auch von Seiten der dvs grundsätzliche Leitli- herangezogen werden.
14 A. Ferrauti

Die Kommunikation innerhalb der Trai- gesichert, begründet und dadurch mit höherer
1 ningswissenschaft kann im heutigen Zeitalter der Überzeugung aufrechterhalten werden kann. In
Globalisierung nur international und gewöhn- einigen Fällen waren jedoch auch Umwege er-
lich unter Nutzung von wissenschaftlichen Zeit- forderlich, sodass in Zukunft sicher noch mit
schriften in englischer Sprache erfolgen. Diese weiteren überraschenden Wendungen zu rech-
sind auch für Studierende im Fach Sportwissen- nen sein wird. Dies soll im Folgenden anhand
schaft neben den klassischen Lehrbüchern be- von drei Beispielen verdeutlicht werden.
reits frühzeitig im Studienverlauf als zusätzliche
Informationsquelle unverzichtbar. Studierenden zz Dynamisches versus statisches Dehnen
kann somit der Besuch der gängigen Internet- Noch heute trifft man während der Wintermo-
plattformen zur Recherche von Veröffentlichun- nate rüstige Rentner im südeuropäischen Aus-
gen in Fachzeitschriften empfohlen werden (un- land, die morgens am Strand ruckartig und syn-
ter anderem die Datenbank PubMed). chron die gestreckten Arme nach hinten
Von der Vielzahl an trainingswissenschaft- beschleunigen. Diese Form der „Schwung- bzw.
lich orientierten Zeitschriften sollen an dieser Zerrgymnastik“ war spätestens Mitte der 1980er-
Stelle nur einige Erwähnung finden wie das Jahre strengstens verboten und wurde durch das
Journal of Sport Sciences, das European Journal sanfte Stretching bzw. die Funktionsgymnastik
of Sport Science (Zeitschrift des European Col- abgelöst. Als Begründung diente das Wissen um
lege of Sport Science), die Zeitschriften Medi- neuromuskuläre Zusammenhänge, insbeson-
cine and Science in Sport and Exercise und das dere die Wirkung des Dehnungsreflexes, der der
International Journal of Sports Physiology and angestrebten Muskelverlängerung widerspräche
Performance. Als junge, aber bereits etablierte (u. a. Knebel et al. 1994). Insbesondere die Wup-
Open Access-Zeitschrift sei auf PLoS One hin- pertaler Arbeitsgruppe um Wiemann und Klee
gewiesen. Für allgemein ausgerichtete Über- (2000) konnte aufgrund molekularbiologischer
sichtsartikel (Reviews) bzw. Metaanalysen Erkenntnisse zum Muskelgewebe und ihrer kre-
führt kein Weg an der Zeitschrift Sports Medi- ativen Experimente belegen, dass sich der Mus-
cine vorbei. Auch in Deutschland wurde der kel nicht nennenswert verlängern kann und dy-
zunehmenden Internationalisierung Rech- namische und statische Dehnmethoden eine
nung getragen, sodass die Zeitschrift Sportwis- identische Steigerung des Bewegungsumfangs
senschaft seit 2017 als German Journal of Exer- ermöglichen. Es folgte die „Wiedergeburt“ des
cise and Sport Research zunehmend in dynamischen Dehnens, zumal das statische
englischer Sprache herausgegeben wird. Dehnen nachweislich die Schnellkraft verringert
(Hennig und Podzielny 1994). Heute ist jedoch
bekannt, dass dieser passagere leistungsmin-
1.4 Paradigmenwechsel durch dernde Effekt nicht für alle Sportarten von Rele-
Trainingswissenschaft vanz ist, sodass sportartspezifisch und je nach
individuellen Bedürfnissen unterschiedlich ak-
In den vergangenen Dekaden ermöglichten zentuierte und kombinierte Dehnprogramme
trainingswissenschaftliche Erkenntnisse eine empfohlen werden (Remmert 2006; 7 Kap. 6).
Absicherung, Veränderung oder gar vollstän-
dige Neujustierung von Trainingsgewohnheiten zz E
 xtensive Dauermethode versus High-
in der Praxis. Nicht immer erfolgte der Primär- Intensity-­Interval-Training
anstoß aus der Trainingswissenschaft heraus. In Bereits eingangs wurde auf die Meisterlehre Ger-
vielen Fällen wurden bereits bestehende Erfah- schlers zum Intervalltraining hingewiesen (Ger-
rungen und Gewohnheiten aus der Sportpraxis schler 1939). Insbesondere im Fußball mehrten
einer nachträglichen Evaluierung zugeführt. sich in der Nachkriegszeit Protagonisten, die ein
Auch dieser Weg besitzt seine Legitimation, da hochintensives Intervalltraining nicht zuletzt
hierdurch das bestehende Verhalten besser ab- mit dem Ziel der Disziplinierung ihrer Spieler
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
15 1
..      Abb. 1.9 Theorie
der adaptationsmin- bessere Regeneration
dernden Regeneration.
Orange = gesunde, + Regeneration
geschädigte oder
adaptierte Muskelzelle,
roter Blitz = Trainings- versus
reiz, blaue Tonne = Re-
stärkere Adaptation
generation

– Regeneration

einsetzten. Dabei ignorierten sie das Beanspru- Wettkampf ausläuft, um rasch zu regenerieren?
chungsprofil und die üblichen Belastungs- und Aktuell wird dies vor dem Hintergrund kont-
Pausenzeiten des Wettspiels sowie die Regenera- rovers diskutiert, ob die entscheidenden adap-
tionsbedürftigkeit der Spieler komplett. Anfang tationsauslösenden molekularen und zellbio-
der 1990er-Jahre kehrte sich vor dem Hinter- logischen Mechanismen die durch das Training
grund der primär deutschen Laktatschwellen- ausgelöste Heterostase möglichst lange benöti-
diskussion diese Lehrweise diametral um, und es gen, um sich maximal zu entfalten (Hunt et al.
mehrten sich Trainingsempfehlungen aus dem 2008). Würde sich demnach, wie in . Abb. 1.9
Langstreckenlauf. Fußballspielern wurde im dargestellt, ohne diese Form der Regeneration
Rahmen der Saisonvorbereitung in den ersten ein besserer Trainingseffekt einstellen? Ande-
vier Wochen die extensive Dauermethode emp- rerseits könnte man im Auslaufen noch einen
fohlen (Bisanz 1985). Die Zweifel an der Wirk- zusätzlichen aeroben Trainingsreiz sehen oder
samkeit dieser Maßnahme blieben in der Sport- die seit jeher erwartete raschere Wiederher-
praxis bestehen, und die Umsetzung erfolgte nie stellung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
mit der in der Theorie geforderten Konsequenz, Unsere bisherigen Befunde zur akuten Wirk-
bis das Intervall­ training als High-Intensity-­ samkeit von aktiver Erholung oder auch ande-
Interval-­Training (HIIT) im neuen Jahrtausend ren in der Praxis bewährten Regenerationsin-
„wiedergeboren“, intelligenter und spielnäher terventionen sind allerdings insgesamt nicht
interpretiert sowie mit den zugrundeliegenden überzeugend. Eine langfristig bessere Trai-
physiologischen Anpassungsmechanismen bes­ ningswirkung konnte jedoch ebenfalls nicht
ser begründet werden konnte (Wahl et al. 2010). eindeutig nachgewiesen werden (Meyer et al.
Aktuell ist jedoch auch hier vor einer zu großen 2016). Folglich bleibt momentan noch offen,
HIIT-Euphorie zu warnen. Zum langfristigen ob beispielsweise der Zeitpunkt der Regenera-
Leistungsaufbau, in speziellen Einzelfällen (z. B. tionsmaßnahme über ihre Rechtfertigung ent-
nach längerer Verletzungspause oder bei Spie- scheidet. Dies könnte bedeuten: Ja, zur raschen
lern mit spezifischen Defiziten oder besonderen Wiederherstellung im Turnierverlauf, aber
taktischen Aufgaben) und aus regenerativen Nein, zur Optimierung der Trainingswirkung.
Gründen zu definierten Zeitpunkten im Mikro- Die Beispiele für Paradigmenwechsel ließen
zyklus besitzt die extensive Dauermethode sich weiter fortführen. Nur exemplarisch soll
selbstverständlich ihre Rechtfertigung. An die- auf die Diskussion zwischen Einsatz- und Mehr-
ser Stelle erscheint deshalb ein individuell abge- satztraining im Krafttraining (Remmert et al.
stimmter Methodenmix gerechtfertigt. 2005) sowie zwischen Erholung und Vorbelas-
tung im Technikanwendungstraining (Olivier
zz Regeneration versus Nachwirkungseffekt 1996) hingewiesen werden. In allen Fällen lie-
War es nicht seit jeher unbestritten, dass man ferten trainingswissenschaftliche Untersuchun-
sich nach einem intensiven Training oder gen einen wertvollen Erkenntnisfortschritt.
16 A. Ferrauti

1.5 Trainingswissenschaft im sche Lösungen vorerst nicht die Qualität der


1 Zeitalter von Digitalisierung menschlichen Expertise erreichen. Auch das
und Pandemie Monitoring (Überwachung) von Belastungs-
und Erholungsreaktionen im Leistungssport
Gesellschaftliche Veränderungen erfordern beinhaltet eine Reihe von Qualitätsansprü-
mit rasender Geschwindigkeit auch von der chen an Sensitivität und Spezifität der ver-
Trainingswissenschaft Antworten auf stetig wendeten Marker sowie an Datenerhebung
neue Herausforderungen. Aus der Kombina- und –verarbeitung, so dass Athletinnen und
tion einer fortschreitenden Digitalisierung Athleten vor der Verwendung von unseriösen
und den daraus entstehenden Möglichkeiten Technologien geschützt werden müssen. Spe-
für Trainingssteuerung und Trainingsdurch- ziell die Unterscheidung zwischen zufälligen
führung sowie den spätestens seit 2020 erleb- und „behandlungsbedürftigen“ Veränderun-
ten Einschränkungen während der COVID-19 gen („meaningful changes“) von Parametern
Pandemie ergeben sich neue trainingswissen- ist ohne fundierte Kenntnisse schwer zu tref-
schaftliche Aufgabenbereiche. fen. Hieraus ergibt sich als eine der Zukunfts-
aufgaben der Trainingswissenschaft, die Ver-
zz Datenmanagement und Datenanalyse änderungen und Angebote der digitalen Welt
Die zunehmende Messwertdichte basierend kritisch zu prüfen und für Sportlerinnen
auf stetig neuartigen Erfassungssystemen und Sportler aller gesellschaftlichen Hand-
(z. B. Wearables) erfordert wissenschaftlich lungsfelder bestmöglich weiterzuentwickeln
validierte Kenntnisse über eine funktionsge- (7 Abschn. 3.5).
rechte Datentransformation und -interpreta-
tion für die Trainingssteuerung in Freizeit-, zz Training und Pandemie
Gesundheits- und Leistungssport. Digitali- Soziale Einschränkungen bis hin zum voll-
sierte Handlungsanweisungen werden aus ständigen Lock-Down treffen den Leistungs-
rein marktwirtschaftlichen Gründen häufig sport erheblich. Leistungssportlerinnen und
unzureichend geprüft an den Sportler heran- Leistungssportler von Sportarten, die auf ihre
getragen. Sogenannte Fitness-Tracker werden Trainingsstätten wie Schwimmbäder oder
bereits von einem Großteil der Bevölkerung Sporthallen angewiesen sind, müssen intelli-
verwendet. Apps überwachen das Training gente Alternativen für die Trainingssteuerung
und bieten Anreize für soziale Leistungs- finden. In vielen Individualsportarten bleibt
vergleiche. Trotz des hohen Marktpotentials nur die Möglichkeit sich auf solche Trainings-
für die Nutzung dieser digitalen Medien zur inhalte zu konzentrieren, die in Eigeninitiative
Trainingssteuerung fehlt es jedoch an aus- im häuslichen Umfeld oder im Gelände um-
reichender Forschung zur Qualität der damit gesetzt werden können. Hierbei sind athleti-
verknüpften Dienstleistungen, so dass auch sche oder präventiv wirksame Aspekte sowie
Trainingsfehler bis hin zu gesundheitsschäd- spezielle individuelle Defizite zu berücksichti-
lichen Konsequenzen befürchtet werden gen, die im normalen Trainingsalltag zu kurz
können. Hier mag auch ein Zukunftsmarkt kommen. Trotz allem ist ein Verlust an Trai-
für gut ausgebildete Trainingswissenschaft- ningsqualität unumgänglich und eine Periodi-
ler liegen, in dem diese durch eine intelli- sierung nur bedingt möglich.
gente Datenauswertung und Fernbetreuung Für die Trainingswissenschaft besteht eine
die automatisierten Abläufe kompetent und neue Herausforderung darin, sportartspezi-
individuell angemessen feinsteuern (Stich- fisch maßgeschneiderte digitalisiert vermittelte
worte „E-Health“ und „Sports Analytics“). Heimtrainingsprogramme zu konzipieren und
Es ist davon auszugehen, dass algorithmi- evaluieren. Speziell im Freizeit- und Gesund-
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
17 1
heitssport aber auch im Schulsport können mierte Athleten). Auch diese Anwendungen
soziale Einschränkungen durch angemessene sind hinsichtlich der abgeleiteten Leistungs-
Trainingsprogramme sinnvoll überbrückt wer- daten und der Vergleichbarkeit zum gewöhn-
den. Die bereits online bestehenden Trainings- lichen Training zu evaluieren. Die Erfahrun-
programme sind in Zeiten von Home-Office gen im Zusammenhang mit COVID-19 haben
und School@home kritisch zu prüfen, denn de- insgesamt gezeigt, dass in Zeiten der Öffnung
ren Qualität variiert sehr. Auch im Leistungs- des sozialen Lebens die dringende Notwendig-
sport existieren bereits motivierende Anwen- keit besteht, zumindest prophylaktisch an der
dungen (Rollentrainer mit Softwareanbindung Weiterentwicklung zumeist digital basierter
zur virtuellen Teilnahme an Gruppenfahrten Worst-Case Szenarien zu forschen.
und Wettkämpfen gegen international renom-
18 A. Ferrauti

1.6 Aufgaben zur Nachbereitung Literatur


1 des Kapitels
Behm, D. G., Young, J. D., Whitten, J. H., Reid, J. C., Quigley,
P. J., Low, J., Li, Y., de Lima, C., Hodgson, D. D., Chaouachi,
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sonderer Beruecksichtigung der Vorbereitungspe-
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based practice in high-performance sport.
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10.1123/IJSPP.2017-0455.
Ferrauti, A., & Remmert, H. (2006). Trainingswissenschaft
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Tennistraining, Leistung – Athletik – Gesundheit. Aa-
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1. Reflektieren Sie Aufgaben und Ziele der 2305552.
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Trainingswissenschaft durch einen Besuch Dresden: Püschel.
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(7 www.­dvs-trainingswissenschaft.­de) und das Sportstudium. Heidelberg: Springer.
durch die Lektüre von Lames et al. (2013). Halson, S. L. (2014). Monitoring training load to understand
2. Formulieren Sie eine trainingswissen- fatigue in athletes. Sports Medicine, 44(Suppl. 2), 139–
147. https://doi.org/10.1007/s40279-014-­0253-z.
schaftliche Fragestellung, die Sie später Harmat, L., Ørsted-Andersen, F., Ullen, F., Wright, J., &
einmal im Rahmen ihrer Bachelorarbeit Saldo, G. (2016). Flow experience. Empirical research
interessieren könnte. Beschreiben Sie eine and applications. Cham: Springer. https://doi.
zur Beantwortung geeignete Forschungs- org/10.1007/978-3-319-28634-1.
strategie und ein mögliches Untersu- Harre, D. (1979). Trainingslehre: Einführung in die Theorie
und Methodik des sportlichen Trainings. Berlin:
chungsdesign. Sportverlag.
3. Überprüfen Sie in einem kleinen Experi- Hartmann, U. (2016). Die unglückliche Genese der
ment, welche Auswirkungen eine aktive Sichtweise der Trainingswissenschaft: Konse-
Pause mit unterschiedlicher Intensität auf quenzen für die Praxis im Hochleistungssport. In
Ihr anschließendes Wohlbefinden und S. Körner & J.-M. Erber-Schropp (Hrsg.), Gendo-
ping – Herausforderungen für Sport und Gesell-
Ihre kognitive Leistungsfähigkeit besitzt schaft (S. 103–117). Heidelberg: Springer.
und beschreiben Sie die Ergebnisse in Hecksteden, A., Kraushaar, J., Scharhag-Rosenberger,
einem einseitigen Abstract (150 Wörter). F., Theisen, D., Senn, S., & Meyer, T. (2015). Indivi-
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft
19 1
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rung in die Trainingswissenschaft. Wiebelsheim: S. 249–253). Köln: Sport & Buch Strauß.
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deutsche Sportler nicht mehr so erfolgreich sind wie Spitta.
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das motorische Lernen und Techniktraining. Schorn- protocols. Journal of Sports Medicine and Physical
dorf: Hofmann. Fitness, 56(5), 606–615.
21 2

Grundlagenwissen zum
sportlichen Training
Alexander Ferrauti und Hubert Remmert

2.1 Trainingscharakteristika und Trainingsqualität – 23


2.1.1 T rainingsziele – 25
2.1.2 Trainingssystematik und Planmäßigkeit – 26
2.1.3 Trainingsinhalte, Trainingsmethoden und Trainingsmittel – 28

2.2 Bedeutung der Belastungsnormative – 29


2.2.1  elastungsintensität (Reizintensität, Reizhöhe, Reizstärke) – 29
B
2.2.2 Belastungsdauer (Reizdauer) – 30
2.2.3 Erholungsdauer und Belastungsdichte (Reizdichte) – 31
2.2.4 Belastungshäufigkeit und Belastungsumfang – 32
2.2.5 Belastungsqualität (Ausführungsqualität) – 33
2.2.6 Bedeutung der Belastungsnormative aus
metabolisch-muskulärer Sicht – 33
2.2.7 Bedeutung der Belastungsnormative aus technisch-­
koordinativer Sicht – 35

2.3 Trainingsprinzipien und Trainingswirksamkeit – 36


2.3.1 L eistungs-, alters- und geschlechtsspezifische Belastung – 38
2.3.2 Wettkampfspezifische Belastung – 39
2.3.3 Rechtzeitige und zunehmende Spezialisierung – 39
2.3.4 Systematische Trainingssteuerung – 41
2.3.5 Individualisierte Belastung und Belastungssteuerung – 42
2.3.6 Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung – 42
2.3.7 Optimale Relation von Belastung und Erholung – 44
2.3.8 Wechselnde, variierende und ansteigende Belastung – 45

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_2
2.3.9  elastungsfolge innerhalb der Trainingseinheit – 46
B
2.3.10 Trainingswirksamer Reiz – 49

2.4 Anpassungsprozesse durch Training – 51


2.4.1  as Homöostase-Prinzip und die Reizstufenregel – 52
D
2.4.2 Antagonistische Modelle der Anpassung durch Training – 53
2.4.3 Komplexe und synergetische Konzepte der Anpassung durch
Training – 54
2.4.4 Strukturelle Anpassungen durch Training – 56
2.4.5 Metastrukturelle Anpassungen durch Training – 59
2.4.6 Das Übertrainingssyndrom als Fehlanpassung
durch Training – 60

2.5 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 62

Literatur – 62
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
23 2
Gartenarbeit und Schneeschippen sind kein 2.1 Trainingscharakteristika und
Training! Trotz eines nennenswerten kalori- Trainingsqualität
schen Umsatzes wird hier kein definiertes Trai-
ningsziel verfolgt (sagen Sie das ihren Eltern, Der Begriff des sportlichen Trainings war ur-
wenn man versucht, Sie mit diesem Argument sprünglich nur auf den Leistungssport bezo-
dazu zu überreden). gen. Die in 7 Kap. 1 beschriebenen vielfältigen
Gegenstandsfelder der Trainingswissenschaft
Zusammenfassung in der heutigen Gesellschaft erfordern jedoch
Der Trainingsbegriff erscheint trivial. Eine inhaltli- eine Öffnung des Trainingsbegriffes (Hohmann
che Präzisierung des Gegenstandes ist jedoch not- et al. 2002). Demnach beginnt Training bereits
wendig, zumal der Trainerberuf hierdurch seine in der Kindertagesstätte durch die systemati-
gesellschaftliche Legitimation erfährt. Im Sinne sche Vermittlung vielfältiger Bewegungsange-
einer sehr offenen Auslegung findet Training im bote und wird im Idealfall während der Schul-
Kontext von Bewegung und Sport in zahlreichen zeit anhand von klar definierten Zielsetzungen
Anwendungsfeldern statt. Diese schließen neben durch den Sportlehrer fortgesetzt (z. B. halb-
dem Leistungssport auch den Freizeit-, Gesund- jährlich den Schülern und Eltern gegenüber
heits- und Rehabilitationssport sowie den Vor- kommuniziert). Training dient selbstverständ-
schul- und Schulsport ein. Training verfolgt stets lich auch der Leistungsoptimierung im Sport-
ein definiertes Ziel, wobei dieses sehr vielfältig verein, allerdings nicht nur unter leistungs-,
sein kann. Neben einer Leistungssteigerung kann sondern auch unter breiten- und gesundheits-
es den Leistungserhalt, die Reduktion eines Leis- sportlichen Zielsetzungen. Zahlreiche pros­
tungsverlustes im Altersgang, die kontrollierte pektive epidemiologische Untersuchungen
Leistungsreduktion nach Beendigung einer Spit- erkannten schon frühzeitig die gesundheitser-
zensportkarriere sowie leistungsunabhängige haltende und -wiederherstellende Wirkung des
Zielsetzungen wie Gewichtsreduktion oder Wohl- sportlichen Trainings im mittleren und höhe-
befinden beinhalten. Zum Erreichen definierter ren Lebensalter (u. a. Paffenbarger und Olson
Trainingsziele sind konkrete Trainingsinhalte 1996, . Abb. 2.1). Offenbar kann lebenslanges
und -methoden erforderlich. Die zu deren Reali- körperliches Training den Bewegungsmangel
sierung definierten Belastungsnormative müs- unserer Zivilisationsgesellschaft kompensieren
sen für jedes Trainingsziel sorgfältig ausgewählt und den phylogenetischen Anforderungen un-
werden, um eine ausreichende Trainingsqualität seres – von körperlich deutlich aktiveren Vor-
und somit die erwünschte Trainingswirksamkeit fahren – überlieferten Erbguts entsprechen.
sicherzustellen. Allgemeine Trainingsprinzipien Wildor Hollmann, einer der renommier-
bieten zusätzlich hilfreiche Orientierungen. Die testen nationalen und internationalen Sport-
durch Training ausgelösten Anpassungsprozesse mediziner, belegte schon in den 1970er-Jahren,
(Adaptationen) sind komplexe Phänomene, die dass regelmäßiges Training den altersbedingten
auf verschiedenen Funktionsebenen des mensch- Leistungsverlust stabilisieren bzw. zumindest
lichen Organismus ablaufen. Fehlsteuerungen in reduzieren kann. Dies führte zur Prägung der
der Trainings- und Wettkampfplanung können Formel: „Durch ein geeignetes körperliches
auch mit Fehlanpassungen (Übertrainingssyn- Training gelingt es, 20 Jahre lang 40 Jahre alt zu
drom) einhergehen. Folglich ist speziell im Leis- bleiben“ (Hollmann und Strüder 2009). Hoh-
tungssport stets eine systematische (Orientierung mann et al. (2002) proklamieren daher: „Trai-
der Inhalte an Außenkriterien) und planmäßige ning ist offen für alle, vom Anfänger über den
(Einordnung der Inhalte in einen zeitlichen Ge- Fortgeschrittenen bis zum Spitzensportler, vom
samtkontext) Vorgehensweise einzufordern. Schüler über den Jugendlichen, den Aktiven bis
24 A. Ferrauti und H. Remmert

..      Abb. 2.1 Plateau- Rectangularizing the Life Curve


förmiger Verlauf der Vi-
talitätskurve im Alters-
gang durch
2 regelmäßiges körper-
ideal
liches Training. Der ste-
tige Vitalitätsverlust be-
reits jenseits des 35. Vitalität typisch
Lebensjahres kann ver-
mieden werden (modi-
fiziert nach Paffenbar-
ger und Olson 1996).
Der dargestellte Läufer
ist 81 Jahre alt und ge-
hört zu den Schnellsten
35 45 55 65 75 85
seiner Altersklasse Alter
(Ü 80) in NRW

zum Alterssportler, für den, der seine Leistung Die Definition des Trainingsbegriffs verdeut-
steigern, für den, der seine Fitness erhalten, licht die Komplexität des Handlungsfeldes eines
aber auch für den, der sie wiederherstellen will“. Trainers, und es wird deutlich, dass zur Sicher-
Der Trainingsbegriff wird von den verschie- stellung einer hohen Trainingsqualität eine Viel-
denen sportwissenschaftlichen Disziplinen unter- zahl an strukturellen Voraussetzungen erfüllt
schiedlich ausgelegt. Medizinisch-naturwissen- werden muss. Das dargestellte Baukastensys-
schaftlich handelt es sich um die „systematische tem soll für den unerfahrenen Coach als Hilfe
Wiederholung überschwelliger Muskelanspan- dienen, um keine dieser Qualitätsmerkmale im
nungen mit morphologischen und funktionel- Planungsprozess zu übersehen (. Abb. 2.2).
len Anpassungserscheinungen zum Zwecke der Im Zentrum steht hierbei die Definition
Leistungssteigerung“ (Hollmann und Hettinger eines angemessenen Trainingsziels. Dieses
1976). Hohmann et al. (2002) favorisieren eine sollte in Abhängigkeit von grundsätzlichen
umfassendere Sichtweise, die auch technisch-ko- systematischen Überlegungen (z. B. eines leis-
ordinative, kognitiv-affektive, taktische und cha- tungsdiagnostisch festgestellten Defizits in
rakterliche Merkmale einschließt. Im sozialen einer wichtigen Leistungskomponente) sowie
Kontext ist Training normalerweise eingebunden basierend auf einem zeitlich überdauernden
in eine enge Trainer-Athlet-Beziehung, sodass Gesamtkonzept (z. B. Passung zur Periodisie-
dem Trainerhandeln im Rahmen des Coachings rung im Jahresplan) definiert werden. Hierbei
über die Organisation des Trainings hinausge- darf der Trainer jedoch keinesfalls auf einer
hend eine komplexere, auch stark pädagogische starren Zielerfüllung beharren, sondern sollte
Aufgabe zukommt (Borggrefe et al. 2006). stets zusätzliche aktuelle und individuelle Be-
findlichkeiten des Athleten bei der Festlegung
Training
bzw. Nuancierung des Trainingsziels berück-
Training ist die Realisierung von Maßnah- sichtigen.
men (Trainingsinhalte und -methoden) im Erst jetzt gilt es, eine angemessene Auswahl
Kontext von Sport und Bewegung zur der Trainingsinhalte vorzunehmen. Hierunter
kurz-, mittel- und langfristigen Erreichung versteht man im einfachsten Fall die konkreten
definierter Trainingsziele. Diese Maßnah- Übungs- oder Trainingsformen, die zur „Ver-
men sollten im Leistungssport stets abreichung“ verwendeten allgemeinen Trai-
systematisch und planmäßig erfolgen ningsmethoden (z. B. Wiederholungsmethode)
(modifiziert nach Hohmann et al. 2002). sowie die Auflistung der notwendigen Trai-
ningsmittel zur konkreten Umsetzung in der
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
25 2
..      Abb. 2.2 Baukasten mit den Determi-
nanten einer hohen Trainingsqualität

Be Tra ktu Befi on


rü ini el nd ito
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ck ng ler lic ri
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Er (In stu tleg


ah inh ho tte
l d alt de l)

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Be F
Praxis (z. B. materielle Hilfsmittel wie Stoppuhr 2.1.1 Trainingsziele
oder Pylonen). Schließlich sollte der Festlegung
der Belastungsnormative (z. B. Belastungsin- Training muss stets zielgerichtet sein, wobei
tensität, Belastungsdauer und Erholungsdauer) die Trainingsziele im Vorfeld definiert sein
unter Berücksichtigung des Trainingsziels ein sollten. Anderenfalls erscheint es unmöglich,
besonderes Augenmerk gewidmet werden eine angemessene Auswahl von Trainingsin-
(. Abb. 2.2). Selbstverständlich sind neben den halten und Trainingsmethoden und die für de-
genannten strukturellen Komponenten einer ren Verabreichung erforderlichen Belastungs-
hohen Trainingsqualität stets auch personen- normative zu treffen. Die Beurteilung eines
bezogene kommunikative und affektive As- Trainings durch außenstehende Experten
pekte bei der erfolgreichen Realisierung in der (z. B. bei Lehrproben im Rahmen der Trainer-
Trainingspraxis erforderlich (u. a. Spilker 1975; ausbildung) kann nur valide erfolgen, wenn
Hotz 1990; Borggrefe et al. 2006). die zugrundeliegenden Trainingsziele bekannt

Beispiel: Schnelligkeitsverbesserung im Fußball als Trainingsziel

Wiederholungssprints zwischen Strafraumgrenze und das Trainingsziel wird verfehlt. Ist die Erho-
und Mittellinie sind grundsätzlich geeignete lungspause zwischen den Sprints zu gering und die
Trainingsinhalte zur Verbesserung der Laufschnel- Belastungsdichte demnach zu hoch, um die
ligkeit. In der Praxis steht der Kader auf der Linie energiereichen Phosphate in ausreichendem Maße
verteilt, Trainer und Co-Trainer befinden sich an zu regenerieren, wird das Trainingsziel sogar für den
einer Seite. Für die Spieler im Sichtfeld des Trainers gesamten Kader verfehlt bzw. ein anderes
wird die zur Schnelligkeitsverbesserung erforder- Trainingsziel angesteuert. Das Beispiel belegt die
liche maximale Reizsetzung und somit das Relativität bei der Beurteilung der Trainingsqualität
definierte Trainingsziel aus Motivationsgründen eines identischen Trainingsinhalts vom jeweils
erreicht. Bei Spielern mit zunehmender Distanz zum definierten Trainingsziel.
Sichtfeld des Trainers sinkt jedoch die Intensität,
26 A. Ferrauti und H. Remmert

sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies für den leistungssportlichen Zielsetzungen im Idealfall


Prüfling bzw. Auszubildenden, aber auch für einer Trainingssystematik und einer kurz-, mit-
die Athleten und Trainierenden, dass vor jeder tel- und langfristigen Trainingsplanung. Eine
2 Trainingseinheit zunächst die Trainings- oder übergeordnete Systematik kann beispielsweise
Lehrziele eindeutig offengelegt sein müssen. darin bestehen, dass die jeweiligen Trainings-
Dies erscheint trivial; in der täglichen Praxis maßnahmen realistisch und an den momenta-
können jedoch genügend Trainer beobachtet nen Leistungsvoraussetzungen des Trainieren-
werden, die sich erst während der Trainings- den orientiert werden. Systematisches Training
einheit über die angestrebten Trainingsziele bedeutet somit die gezielte Festlegung von
Klarheit verschaffen. Das präzise Erreichen Trainingszielen und -inhalten anhand von ob-
des definierten Trainingsziels stellt in der jektiven Informationen (. Abb. 2.2).
Trainingspraxis ein vielfach unterschätztes Dies kann beim Ausdauertraining eines
Problem dar. Freizeitläufers in der Vorbereitung auf einen
Trainingsziele können vielfältiger Natur Marathon die Ableitung seiner Trainingsge-
sein. In den meisten Fällen wird eine Leistungs- schwindigkeit von den Ergebnissen einer zu-
steigerung durch die positive Beeinflussung vor durchgeführten Leistungsdiagnostik be-
von physiologischen (z. B. Steigerung der ma- deuten. Diese Form der Trainingssystematik
ximalen Sauerstoffaufnahme), neuromuskulä- als gezielte Koppelung von Leistungsdiagnos-
ren (z. B. Muskelhypertrophie), motorischen tik und Trainingssteuerung wird in 7 Kap. 3
(z. B. Technikstabilisierung), kognitiven (z. B. vertieft. Vielfach erlauben leistungsdiagnos-
beim Taktiktraining) und psychologischen As- tische Befunde aufgrund ihrer zeitlichen Dis-
pekten (z. B. Wahrnehmungsvermögen) bzw. tanz zum aktuellen Training jedoch nur eine
eine Kombination mehrerer Trainingsziele Groborientierung, sodass die Feinjustierung
angestrebt. Im Freizeitsport oder im touristi- der Trainingsmaßnahmen zusätzlich unter
schen Umfeld, wenn nur kurze Kontaktzeiten Berücksichtigung aktueller individueller Be-
zwischen Trainer und Sportler realisierbar findlichkeiten auf der Basis erhobener Marker
sind, können wichtige Trainingsziele auch rein für Belastungsfähigkeit und Erholungszustand
affektiv – z. B. die Vermittlung von Spaß und (Monitoring) erfolgen sollte (. Abb. 2.2).
Wohlbefinden – definiert sein. Die per Definition zusätzlich geforderte
Planmäßigkeit garantiert, dass die Festlegung
Trainingsziele
von aktuellen Trainingszielen in eine zeitlich
Gesamtheit an motorischen, kognitiven, übergeordnete Gesamtperspektive eingeordnet
physiologischen, neuromuskulären und werden kann. Die Legitimation von Trainings-
affektiven Fähigkeiten und Fertigkeiten zielen und damit die Sicherstellung einer Plan-
sowie an pädagogischen und psychologi- mäßigkeit kann sowohl evidenzbasiert auf der
schen Eigenschaften, die durch die Grundlage von trainingswissenschaftlichen
Trainingsmaßnahmen (Trainingsinhalte Befunden als auch auf Erfahrungswissen bzw.
und -methoden) positiv beeinflusst vorwissenschaftlichen Annahmen des Coaches
werden sollen. bzw. auf allgemein akzeptierten Trainingsprin-
zipien basieren (Hohmann et al. 2002).
Planmäßigkeit stellt sich bei dem gegebe-
nen Beispiel des Marathonläufers demnach
2.1.2 Trainingssystematik und erst dann ein, wenn die Trainingslaufgeschwin-
Planmäßigkeit digkeit stufenförmig bis zum Wettkampf ge-
steigert wird und zusätzlich die übrigen Trai-
Trainingsmaßnahmen sind gemäß der Defi- ningscharakteristika und Belastungsnormative
nition von Hohmann et al. (2002) nicht will- (unter anderem Trainingsdauer, -häufigkeit
kürlich festzulegen, sondern sie folgen unter und -umfang) in den aufeinanderfolgenden
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
27 2
Trainingsperioden sinnvoll festgelegt und dem Hintergrund der vorliegenden Definition
schriftlich fixiert werden. von Training, sodass aus den zeitlichen, beruf-
Vor dem Hintergrund dieser strengen und lichen und motivationalen Rahmenbedingun-
engen Definition erscheinen zahlreiche Akti- gen vieler Freizeitsportler eine Planmäßigkeit
vitäten im Freizeit-, aber sogar auch im Leis- nicht immer eingefordert und auch jede ein-
tungssport als reiner Zeitvertreib und nicht zelne Trainingseinheit isoliert als wertvoll be-
als sportliches Training. Im professionellen trachtet werden kann, wenn die definierten
Leistungssport ist dies tatsächlich vereinzelt zu Trainingsziele erreicht werden. In ähnlicher
monieren, und es belegt, welch beachtliche An- Weise betrifft dies den Schulsport. Anderer-
forderungen in der heutigen Zeit an eine quali- seits sind die in diesem Bereich tätigen Lehrer
tativ hochwertige Ausübung des Trainerberufs und Trainer aufgerufen, im Rahmen der ein-
gestellt werden müssen. Andererseits sind im geschränkt steuerbaren Gegebenheiten ihres
Hochleistungssport regelmäßig plötzliche und Handlungsumfelds eine möglichst hohe Trai-
unvorhersehbare Ereignisse zu berücksich- ningsqualität sicherzustellen und die Kriterien
tigen, die eine vollständig systematische und einer solchen zu vermitteln. So sollten die Trai-
planmäßige Vorgehensweise verhindern oder ningsziele zwischen den handelnden Akteuren
zumindest erschweren. Dies ist selbstverständ- realistisch und in gegenseitiger Übereinkunft
lich im Einzelfall zu betrachten, entlastet den definiert, die Wege dorthin bestmöglich ge-
verantwortlichen Coach jedoch nicht von sei- meinsam festgelegt sowie im Idealfall systema-
ner grundsätzlichen Verantwortung. tisch und planmäßig verfolgt und kontrolliert
Schwieriger und komplexer erscheint die werden. Dies ist in der freizeitsportlichen Pra-
Beurteilung freizeitsportlicher Aktivitäten vor xis nicht immer der Fall.

Beispiel: CrossFit im Freizeitsport

CrossFit ist ein aktueller Trend im Freizeit- und


Fitnesssport und gleichzeitig ein Wettkampfsport.
Als Trainingsziel wird die Verbesserung von Kraft,
Schnelligkeit (Schnellkraft) und Ausdauer
angestrebt. Hierzu werden abwechselnde
Ganzkörperaktivitäten großer Muskelgruppen mit
dem Ziel absolviert, in einer gegebenen Zeit eine
möglichst hohe Wiederholungszahl zu erreichen.
Diese Challenge führt in der Praxis häufig zu
einem Verlust an Trainingsqualität, da letztere in
der Trainingsgruppe nicht kontrolliert werden
kann. Sprünge werden nicht mehr explosiv und
maximal ausgeführt, sondern verkümmern zu
einem leichten Hüpfen; Klimmzüge reduzieren
sich zu kurzen Zuckungen. Das komplexe
Trainingsziel, alle motorischen Hauptbeanspru-
chungen anzusprechen, wird in der Trainingswir-
kung verfehlt. Letztere besteht einzig in einer
freudvollen Verbesserung der Kraftausdauer unter
hohem Energieverbrauch. Ein tolles Training,
wenn dies auch die im Vorfeld definierten und
vermittelten Trainingsziele sind und die Trainings-
qualität konsequent eingehalten wird.
28 A. Ferrauti und H. Remmert

2.1.3 Trainingsinhalte, die Trainingsmethoden innerhalb der einzelnen


Trainingsmethoden Sportarten hinsichtlich ihrer Sportartspezifität
und Trainingsmittel eingeteilt werden. So werden in grober Abstu-
2 fung allgemeine (unspezifische), semispezifische
Die Trainingsinhalte umfassen alle konkreten und sportartspezifische Trainingsmethoden un-
Maßnahmen zur Realisierung kurz-, mittel- terschieden (Hottenrott und Seidel 2017). Eine
und langfristiger Trainingsziele (Hottenrott vertiefte Betrachtung der Trainingsmethoden
und Seidel 2017). Dies beinhaltet alle Akti- folgt in den 7 Kap. 4, 5, 6 und 7.
vitäten zur Trainingsvorbereitung (z. B. das Als Trainingsmittel werden sämtliche orga-
Aufwärmen), -nachbereitung (z. B. Regene- nisatorischen (z. B. Spielfelder, Sportstätten),
rationsverfahren) und selbstverständlich die materiellen (z. B. Trainingsgeräte und methodi-
Trainingsübungen oder Spielformen selbst. sche Hilfen) und informellen (z. B. audiovisuelle
Die Trainingsinhalte sind durch den Trainer Unterrichtsmedien wie Videos und Bildtafeln)
in der Trainingsplanung in Abhängigkeit des
definierten Trainingsziels sorgfältig auszuwäh-  eispiel: Trainingsmethode und Trainings-
B
len. Sie alleine garantieren jedoch noch nicht mittel bei Small-Sided Games
deren zweckmäßigen Einsatz. Hierzu müssen
zusätzlich die bei der Umsetzung der Trai- Kleinfeldspiele (Small-Sided Games) sind
ningsinhalte verwendeten Trainingsmethoden beliebte Trainingsinhalte in den Mannschafts-
spielen zur Verbesserung der sportspielspezi-
und die hierfür erforderlichen Trainingsmittel fischen Ausdauerleistungsfähigkeit. Die hierbei
festgelegt werden. verwendete Trainingsmethode ist üblicher-
Unter Trainingsmethoden versteht man nach weise die extensive oder intensive Intervallme-
Weineck (2000) alle planmäßigen Verfahren der thode. Gleichzeitig kann diese Form des
Ordnung und Dosierung von Trainingsinhalten Trainings den sportspielspezifischen Trainings-
methoden zugeordnet werden. Zur organisato-
zur optimalen Verwirklichung des Trainingsziels. rischen Durchführung sind als Trainingsmittel
Die Bezeichnung der Trainingsmethoden diffe- neben mehreren Bällen auch Markierungspylo-
riert in Abhängigkeit von den übergeordneten nen zur Abgrenzung der Spielfelder sowie ggf.
Trainingsinhalten (z. B. zwischen einem Kraft ein Maßband zu deren Abmessung und ein
oder Ausdauertraining). So wird beispielsweise Zeitgeber für die Einhaltung der definierten
Belastungsnormative notwendig. Die Beanspru-
im Ausdauertraining grob unterschieden zwi- chung kann über Herzfrequenzüberwachungs-
schen der Dauermethode, der Intervallmethode systeme gleichzeitig für alle Spieler kontrolliert
und der Wiederholungsmethode (. Abb. 2.3). werden.
Auf einer zweiten Differenzierungsebene können

..      Abb. 2.3 Vergleichende Darstellung der 12


Laktatkinetik bei unterschiedlichen Trainingsme- Wiederholungsmethode
thoden im Ausdauertraining (Hottenrott und 10
Hoos 2013, S. 466) intensive
Intervallbelastung
8
Laktat (mmol/l)

6
extensive
Intervallbelastung
4
intensive
Dauerbelastung
2
extensive
Dauerbelastung
0 1 2 4
Zeit (h)
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
29 2
Maßnahmen zur Unterstützung des Trainings- Belastungsnormative
prozesses bezeichnet (Weineck 2000). Hotten- Belastungsnormative sind Steuerungsele-
rott und Seidel (2017) zählen hierzu auch die mente der quantitativen und qualitativen
für alle trainingsbegleitenden sportmedizini- Belastung im Training. Sie entscheiden
schen oder physiotherapeutischen Maßnahmen maßgeblich über die akuten motorischen,
erforderlichen Materialien (z. B. zur Verabrei- physiologischen und neuromuskulären Re-
chung von Massage, Kälte oder Hypoxie). aktionen und die daraus resultierenden
mittel- und langfristigen Adaptationen
durch Training und müssen somit sorgfäl-
2.2 Bedeutung der tig in Abhängigkeit des definierten Trai-
Belastungsnormative ningsziels für jeden Trainingsinhalt festge-
legt werden. Im Allgemeinen
Die Festlegung des angestrebten Trainingsziels unterscheidet man:
und die Auswahl der Trainingsinhalte (Trai- Belastungsintensität - (Synonyme: Reizintensi-
ningsmethoden und -mittel) garantieren al- tät, Reizhöhe, Reizstärke): Stärke des Einzelreizes
leine noch nicht eine treffsichere Realisierung (z. B. % HFmax beim Ausdauertraining oder
des Trainingsziels. Die Vielzahl an Freiheits- % 1 RM beim Krafttraining).
graden bei der praktischen Umsetzung von Belastungsdauer (Reizdauer) - Dauer des Ein-
Trainingsübungen birgt im Leistungssport die zelreizes (z. B. Sekunden oder Minuten beim
Ausdauertraining oder Anspannungsdauer
stetige Gefahr einer Über- oder Unterforde-
(Time under Tension) bzw. Wiederholungen in-
rung des Athleten bzw. sogar einer für das Trai- nerhalb eines Satzes beim Krafttraining).
ningsziel vollkommen ungeeigneten Belastung. Erholungsdauer - Pause zwischen zwei Wie-
Die im Folgenden dargestellten Belastungsnor- derholungen innerhalb einer Serie beim Inter-
mative (Synonyme: Belastungskomponenten, valltraining, die Pause zwischen zwei Serien
-merkmale oder -faktoren) sind überaus wich- bzw. Sätzen (Serien- bzw. Satzpause) oder die
tige Steuerungselemente für die quantitative Pause zwischen zwei Trainingseinheiten. Als
„lohnende Pause“ wird oft die Zeitphase der
und qualitative Belastung im Training. rasch erfolgenden Erholung unmittelbar nach
Belastungsende bezeichnet.
Belastungsdichte (Reizdichte) - zeitliches
2.2.1 Belastungsintensität Verhältnis von Belastung zu Erholung
(Reizintensität, Reizhöhe, (z. B. Verhältnisdarstellungen wie 1:2 oder pro-
Reizstärke) zentuale Anteile wie 33 % Belastung und 67 %
Erholung).

Die Belastungsintensität kennzeichnet die Belastungshäufigkeit (Trainingshäufigkeit)


- Anzahl der Trainingseinheiten in einem defi-
Stärke des im Trainingsverlauf verabreichten nierten Zeitraum (z. B. 15 Trainingseinheiten/
Einzelreizes. Sie ist gewöhnlich die wichtigste Woche).
und erste Größe, die zur Charakterisierung Belastungsumfang (Trainingsumfang) - zeit-
einer Trainingsbelastung festgelegt werden licher oder inhaltlicher Umfang des Trainings in
sollte, da sie maßgeblich die physiologischen einem definierten Zeitraum (z. B. Distanzanga-
Reaktionen und damit die angestrebten An- ben wie km/Woche im Ausdauersport, die sum-
mierte Gesamtlast in kg/Woche im Kraftsport
passungsmechanismen auf das Training beein-
oder die Anzahl an Wiederholungen/Woche in
flusst. Beispielsweise kann das Unterschreiten technisch-­kompositorischen Sportarten).
einer minimalen Reizschwelle im Training Belastungsqualität (Reizqualität) - qualitative
sogar dazu führen, dass jegliche Anpassungs- und nur schwer operationalisierbare Bewe-
prozesse ausbleiben. Die Quantifizierung der gungsmerkmale (z. B. Bewegungsumfang oder
Belastungsintensität ist je nach Trainingsinhalt Line of Pull im Krafttraining).
oder Sportart sehr unterschiedlich.
30 A. Ferrauti und H. Remmert

Bei Weg-/Zeit-abhängigen Sportarten kann persönliche Bestleistungen oder physiologische


im einfachsten Fall die im Training realisierte Reaktionen vorliegen. Dies ist zumeist im Frei-
absolute Zeit [s, min] über eine definierte Lauf- zeitsport, aber auch im Schulsport der Fall.
2 oder Schwimmstrecke zur Beschreibung der
Belastungsintensität zugrunde gelegt werden.
Diese Angabe kann in gleicher Weise prozen- 2.2.2 Belastungsdauer
tual in Bezug zur jeweiligen individuellen Best- (Reizdauer)
leistung [% t max] oder in absolute [m/s, km/h,
min/km] bzw. relative Geschwindigkeiten um- Die Belastungsdauer kennzeichnet die Einwir-
gerechnet werden [% vmax]. Beim Krafttraining kungsdauer einer Einzelbelastung einer Trai-
korrespondiert diese Angabe mit der absoluten ningsübung während einer Trainingseinheit. Im
Höhe des zu überwindenden Widerstandes [kg, einfachsten Fall beim Ausdauertraining nach
N] bzw. der Relativierung zur Maximalkraft, die der Dauermethode ist dies gleichbedeutend mit
üblicherweise als das „Einfach-Wiederholungs- der Trainingsdauer und wird mit einer Zeit-
maximum“ (One Repetition Maximum, 1 RM) angabe [s, min] beschrieben. Bei intervallartig
bezeichnet wird (% 1 RM). oder nach der Wiederholungsmethode verab-
Weitere in der Sportpraxis übliche Para- reichten Trainingsreizen im Ausdauersport be-
meter zur Operationalisierung der Belastungs- zeichnet die Belastungsdauer gewöhnlich die
intensität sind die mechanische Leistung in Dauer einer einzelnen Wiederholung bis zum
Watt (W) sowie verschiedene physiologische Beginn einer zwischengeschalteten Pause.
Messgrößen wie unter anderem die Herzfre- Gleiches gilt für intervallartig oder nach
quenz (HF, % HFmax), die Geschwindigkeit bei der Wiederholungsmethode gesetzte Belas-
definierten Blutlaktatkonzentrationen wie der tungsreize in den Spielsportarten (beispiels-
aerob-­ anaeroben Schwelle (% v4) sowie die weise die zeitliche Dauer einer von mehre-
Relativierung der Trainingsbelastung zur ma- ren Belastungsphasen beim Kleinfeldspiel
ximalen Sauerstoffaufnahme (%VO2 max). Bei im Fußball). Beim klassischen „Drilltrai-
zyklischen Aktivitäten wie Rudern oder Rad- ning“ im Tennis oder Badminton bezeichnet
fahren werden zusätzlich die Schlagzahl sowie die Belastungsdauer die Dauer für mehrere
die Trittfrequenz (Kadenz) herangezogen. Für Schläge in Folge (eine Wiederholung). In
den Freizeitläufer (Buskies et al. 1993; Hanakam diesem Fall wird in der Praxis an Stelle einer
2011) existieren zusätzlich Empfehlungen zur Zeitangabe alternativ auch die Anzahl an
Relativierung von Laufschritten und Atemzy- Schlägen zur Beschreibung der Belastungs-
klus (der sogenannte Schritt-Atem-Rhythmus dauer verwendet. Die Gesamtzahl der ein-
mit beispielsweise sechs oder acht Schritten pro zelnen Wiederholungen wird hier wie beim
Ein- und Ausatmungszyklus). Intervalltraining auf der Laufbahn als eine
Schließlich können zur Beschreibung der Serie bezeichnet (z. B. 8 Serien mit je 4 Wie-
Belastungsintensität in der Praxis auch sub- derholungen, bestehend aus jeweils 6 Schlä-
jektive Skalierungen wie sehr einfache lineare gen, also etwa jeweils 15 s Belastungsdauer).
Abstufungen mit drei (leicht, mittel schwer) Als Pendant hierzu werden beispielsweise
oder fünf Stufen (sehr leicht, leicht, mittel, beim Intervallsprinttraining 4 Serien mit je 6
schwer, sehr schwer) oder validierte und pub- Wiederholungen über eine Belastungsdauer
lizierte Verfahren wie die Varianten der RPE- von jeweils 5 s oder 40 m bei maximaler Be-
Skala (Rating of Perceived Exertion) nach lastungsintensität bzw. Reizhöhe (All-Out)
Borg (1998) herangezogen werden. Derartige gefordert (. Abb. 2.5a)
Likert-Skalen haben vor allem dann eine hohe Aufgrund der bekannten Kaskade auf-
sportpraktische Bedeutung, wenn in Ermange- einander folgender bzw. ineinander überge-
lung vorausgegangener leistungsdiagnostischer hender alaktazider, laktazider und aerober
Verfahren keine individuellen Angaben über Mechanismen der Energiebereitstellung bei
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
31 2
erschöpfender Belastung im zeitlichen Ver- im Fußball entweder die gesamte Spielzeit
lauf (De Marées 2002) ist die Belastungsdauer (90 min) oder die Nettospielzeit (z. B. 60 min
speziell bei submaximaler und maximaler bzw. 67 %). In den technisch-­kompositorischen
Belastungsintensität von entscheidender Sportarten wird die Zeit für eine Kürübung
Bedeutung, um die Gesamtbelastung einer
­ und in den Zweikampfsportarten die akkumu-
Trainingseinheit zu beschreiben. lierte Rundenzeit verwendet.
Beim Krafttraining wird die Belastungsdauer
im Idealfall als Anspannungsdauer der Ar-
beitsmuskulatur über mehrere dynamische 2.2.3 Erholungsdauer und
Wiederholungen hinweg beschrieben. Dieser Belastungsdichte
Zeitraum wird beim Krafttraining zumeist (Reizdichte)
als „Satz“ und nicht als „Serie“, die effektive
Belastungsdauer während eines Satzes auch Der Begriff der Erholungsdauer wird in unter-
als Anspannungsdauer (Time under Tension, schiedlichen zeitlichen Dimensionen verwendet.
TUT) bezeichnet, zumal eine Bewegungs- So kann sowohl die Pause zwischen zwei Wie-
wiederholung in der exzentrischen und kon- derholungen innerhalb einer Serie beim Inter-
zentrischen Bewegungsphase unterschied- valltraining bzw. während der Wiederholungs-
lich schnell ausgeführt werden kann. In der methode, die Pause zwischen zwei Serien bzw.
Praxis wird jedoch gewöhnlich der Einfach- Sätzen (Serien- bzw. Satzpause) oder die Pause
heit wegen die Anzahl der Wiederholungen zwischen zwei Trainingseinheiten gemeint sein
innerhalb eines Satzes zur Beschreibung (. Abb. 2.4). Als Belastungsdichte wird das Ver-
­verwendet. hältnis zwischen Belastungs- und Erholungszeit
bezeichnet (Hottenrott und Seidel 2017).
Aus physiologischer Sicht ist zwischen den
Praxistipp: Training Load Begriffen der Erholungsdauer und Belastungs-
dichte streng zu unterscheiden, speziell dann,
Da sich die Belastung meist aus der
wenn die Pause zwischen zwei Wiederholungen
Kombination von Belastungsintensität
innerhalb einer Serie angesprochen wird. Denn
und -dauer ergibt, wird in der Praxis häufig
bei allen intervallartig verabreichten Trainings-
der Training Load als dimensionslose Größe
reizen spielt die Erholungsdauer eine wesentli-
durch einfache Multiplikation von RPE
che Rolle für die Beschreibung der Gesamtbelas-
(CR-10-Skala) und Belastungsdauer zur
tung und für die realisierbare Trainingsleistung.
sogenannten Session-RPE verwendet
Dies liegt im Wesentlichen an der physio-
(z. B. RPE 6 × 75 min = 450). Banister (1991)
logisch erforderlichen Zeit für die Wieder-
schlägt als Alternative den TRIMP (Training
herstellung von Kreatinphosphat (KP) bzw.
Impulse) im einfachsten Fall als Produkt der
Phosphocreatine (PCr) aus Kreatin (im eng-
mittleren prozentualen Ausschöpfung der
lischsprachigen Raum wird die Bezeichnung
maximalen Herzfrequenz und der Belas-
PCr an Stelle von KP verwendet). Die KP-Kon-
tungsdauer (% HFmax × min) vor.
zentration spielt im Muskelzellplasma eine
wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung einer
hohen Energieflussrate (Bildungsrate von Ade-
Zur Darstellung von Wettkampfbelastungen nosintriphosphat, ATP), die beispielsweise bei
wird die Quantifizierung der Belastungs- intensiven Muskelkontraktionen wie bei sub-
dauer komplexer und nicht immer einheitlich maximalen und maximalen Sprints zwingend
vorgenommen, da hier im Normalfall nicht erforderlich ist. Die Menge an KP im Mus-
mehr trennscharf zwischen Einzelbelastun- kel ist jedoch rasch verbraucht und für deren
gen innerhalb des Wettkampfs differenziert Wiederherstellung beträgt die Halbwertszeit
werden kann. So umfasst die Belastungsdauer ca. 30 s (Harris et al. 1976). Folglich wird die
32 A. Ferrauti und H. Remmert

a b

..      Abb. 2.4 Erholungspause zwischen zwei Wiederholungen (links) bzw. nach Trainingsende (rechts) beim
High-Intensity-Interval-Training (https://doi.org/10.1007/000-04e)

zweite bzw. folgende Wiederholung innerhalb 2.2.4 Belastungshäufigkeit


einer Serie bei kürzeren Erholungszeiten von und Belastungsumfang
unter 30–45 s mit geringer gefüllten KP-Spei-
chern begonnen, sodass schon frühzeitig an- Die Belastungshäufigkeit oder Trainingshäufig-
dere, zumeist anaerob-glykolytische bzw. auch keit benennt die Anzahl der Trainingseinhei-
aerobe Mechanismen die Energiebereitstellung ten (TE) über einen definierten Zeitraum in
in zunehmendem Maße übernehmen. Dies absoluten Häufigkeiten. Dies kann auf einen
geht jedoch mit einer geringeren Energiefluss- Tag oder eine Woche bzw. eine bestimmte
rate, einer Reduktion der Leistungsfähigkeit Trainingsperiode (z. B. Mesozyklus) bezogen
und in der Folge mit einer Veränderung der sein. Während die Trainingshäufigkeit im Frei-
Trainingsqualität einher. zeitsport häufig nur 2–3 TE/Woche erreicht,
Der Begriff der Belastungsdichte oder Reiz- sind im Leistungssport bis zu 15 TE/Woche
dichte sollte somit nicht nur relativ zueinander keine Seltenheit.
(also beispielsweise als Belastungs-/Pausen- Aus der Trainingshäufigkeit und der Dauer
verhältnis wie 1:2 bzw. prozentual mit 33 % der einzelnen Trainingseinheiten resultiert der
Belastung und 67 % Erholung), sondern stets Belastungs- bzw. Trainingsumfang, wenn dies
auch unter Nennung der absoluten Dauer von in Zeitangaben (Minuten, Stunden) zum Aus-
Belastung und Erholung verwendet werden. druck gebracht wird. In der Praxis wird dann
Aus den beschriebenen physiologischen Grün- zumeist die summierte Gesamttrainingszeit
den führt nämlich ein Training mit identischer (einschl. Aufwärmen, Regeneration und Erho-
relativer Belastungsdichte von 1:2 zu völlig lungsdauer) und nicht die summierte „reine“
unterschiedlichen Reaktionen, wenn die Be- Nettobelastungsdauer zur Quantifizierung
lastungsdauer von 15 auf 30 s und Erholungs- verwendet, da diese zumeist nur schwer opera-
dauer von 30 auf 60 s angehoben werden. tionalisierbar ist.
Auch zur Beschreibung von Wettkampf- Der Trainingsumfang kann selbstver-
belastungen wird die Belastungsdichte ver- ständlich im Ausdauersport auch in Distanz-
wendet. So ergeben sich im Spielverlauf in den angaben (km/Woche) und im Kraftsport in
Mannschafts- und Rückschlagspielen unter- der summierten Gesamtlast (kg) beschrie-
schiedliche Verhältnisse zwischen Belastungs- ben werden, die im definierten Zeitraum be-
und Erholungsdauer, die durch den prozentua- wegt wurde. In technisch-­kompositorischen
len Belastungsanteil oder auch die prozentuale Sportarten oder in den Spielsportarten kann
Nettospielzeit quantifiziert werden können. auch die Anzahl an Wiederholungen einer
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
33 2
bestimmten Technik zur Beschreibung von (Tschakert und Hofmann 2013). Neben dem
Belastungs- bzw. Trainingsumfang herange- HIIT wird mit ähnlicher Zielsetzung auch
zogen werden. ein Intervallsprinttraining (Repeated Sprint
Ability Training, RST) vermehrt angewendet
(7 Kap. 6). In unseren Untersuchungen konn-
2.2.5 Belastungsqualität ten wir feststellen, dass die Veränderung der
(Ausführungsqualität) Belastungsnormative (. Abb. 2.5a) mit statis-
tisch signifikant unterschiedlichen metaboli-
In zahlreichen Sportarten wird der Trainings- schen (Laktatkonzentration und pH-Werte im
reiz zusätzlich ganz wesentlich durch qualita- Blut) und muskulären Anforderungen einher-
tive Bewegungsmerkmale definiert, die nur geht (Wiewelhove et al. 2016).
schwer durch metrische Angaben beschrieben Beispielsweise liegt die anaerob-lakta-
werden können. Hottenrott und Seidel (2017) zide metabolische Belastung bei den länge-
unterscheiden beispielsweise nach Explosivi- ren ­HIIT-Protokollen über 2 bis 4 Minuten
tät, Frequenz, Rhythmisierung und Lockerheit unter der vorgegebenen Belastungsintensität
einer Bewegung. Im Krafttraining (7 Kap. 4) (80–85 % der Maximalleistung) höher als bei
sind neben den oben aufgelisteten klassi- einer kürzeren Belastungsdauer von 15–30 Se-
schen Belastungsnormativen beispielsweise kunden, obwohl hier die Belastungsintensität
das subjektive Ausmaß des Muskelversagens, auf 90–95 % der Maximalleistung ­angehoben
der Bewegungsumfang einer dynamischen wurde. Noch beanspruchender ist jedoch das
Einzelbewegung (Range of Motion, ROM), Intervallsprinttraining mit nur 5 Sekunden
die fraktionelle Verteilung der Anspannungs- Belastungsdauer, dafür aber mit 100 % Belas-
dauer auf die exzentrische und konzentrische tungsintensität. Hier finden sich nicht nur sehr
Bewegungsphase sowie die exakte anatomische hohe anaerob-laktazide metabolische Belas-
Bewegungsausführung und damit die Beteili- tungen, sondern auch die höchsten Kreatinki-
gung unterschiedlicher Muskelgruppen und nasekonzentrationen im Serum (. Abb. 2.5b).
Muskelfasern (Line of Pull) als wesentliche Offenbar ist vor allem der Übergang von
Kriterien der Belastungsqualität zu unterschei- submaximaler zu maximaler Belastungsinten-
den (Toigo 2006). sität im Training besonders ernst zu nehmen
und sollte mit einer sorgfältigen Justierung
der übrigen Belastungsnormative (z. B. Ver-
2.2.6 Bedeutung der längerung der Pausendauer und Senkung
Belastungsnormative aus des Trainingsumfangs) einhergehen. Durch
metabolisch-muskulärer die höhere Laufgeschwindigkeit sind auch
Sicht die muskulären Anforderungen deutlich er-
höht, sodass sich aufgrund der zunehmen-
Die Bedeutung der Belastungsnormative für den Schrittlänge, der höheren exzentrischen
die Ansteuerung einer gewünschten Reiz- Kräfte bei der Landung und dem stärkeren
setzung kann durch den Vergleich verschie- Abdruck schon bald kleinste Muskelschäden
dener Belastungsprotokolle eines laufspezi- einstellen. So klagten die Probanden vor allem
fischen hochintensiven Intervalltrainings nach Protokoll 5 über erheblichen Muskelka-
(High-Intensity-Interval-Training) verdeut- ter am Folgetag (post 24 h). Das Enzym Krea-
licht werden. Das HIIT wird in verschiedenen tinkinase wird bei Verletzungen der Muskel-
Varianten mit unterschiedlichen Belastungs- membran vermehrt ausgeschwemmt und
normativen zunehmend als Trainingsmethode kann als Indikator für eine hohe muskelme-
der ersten Wahl zur Verbesserung der semi- chanische Beanspruchung interpretiert wer-
spezifischen bzw. spezifischen Ausdauerleis- den (Howatson und Milak 2009; Baird et al.
tungsfähigkeit in den Sportspielen eingesetzt 2012, . Abb. 2.5b).
34 A. Ferrauti und H. Remmert

Protokoll Serien × Wdhl. Dauer/Intensität Pause/Serienpause Belastungsform

1 1x4 4 min/80 % VIFT 180 s Lauf

2 2 1x7 2 min/85 % VIFT 120 s Lauf

3 2 x 10 30 s/90 % VIFT 45 s/3 min Lauf

4 3x9 15 s/95 % VIFT 30 s/3 min Lauf

5 4x6 5 s/all out 25 s/5 min Sprint

Belastungs-Pausen- Belastungszeit/
Protokoll Intervallmuster
Verhältnis Trainingsumfang

1 2:1 16 min/25 min

2 1:1 14 min/26 min

3 1:2 10 min/26,5 min

4 1:3 6,75 min/24,75 min

a 5 1:6 2 min/25,3 min

14 * 7,50
* *
12
7,40
Blutlaktat (mmol/l)

10
Blut- pH

8 7,30

6 7,20
4
7,10
2
0 7,00
1 2 3 4 5 1 2 3 4 5
HIT-Protokoll HIT-Protokoll
1200

1000 Protokoll 1
Post30min

(4 × 4 min)
Pre10min
Kreatinkinase (U/l)

Post24h

800 Protokoll 2
(7 × 2 min)
600 Protokoll 3
(2 × 10 × 30 s)
400 Protokoll 4
(3 × 9 × 15 s)
200
Protokoll 5
(4 × 6 × 5 s)
0
1 2 3 4 5
b HIT-Protokoll

..      Abb. 2.5 a Ausgewählte Belastungsprotokolle beim Belastungs-/Pausenverhältnisse und Trainingsumfänge.


HIIT (1–4) oder RST (5) mit unterschiedlicher Belastungs- b Blutlaktatkonzentration und Blut-pH nach Trainings-
intensität (% VIFT), Belastungsdauer pro Einzelreiz, ende sowie die Kreatinkinasekonzentration im
Erholungsdauer zwischen den Wiederholungen und Erholungsverlauf (modifiziert nach Wiewelhove et al.
innerhalb der Serienpause sowie die entsprechenden 2016) (https://doi.org/10.1007/000-04d)
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
35 2
2.2.7 Bedeutung der von Theune-Meyer und Tritschoks (1996),
Belastungsnormative aus die neben der metabolischen Beanspruchung
technisch-­koordinativer verschiedener Spieler-Spielfeldgrößen-Kons-
Sicht tellationen auch die koordinative Beanspru-
chung dieser Spielformen auswerteten. Die
Bei verschiedenen Untersuchungen in den Ergebnisse weisen eindeutig darauf hin, dass
Mannschafts- und Rückschlagspielen, in de- die Anzahl der individuellen Ballkontakte
ren Verlauf praxisübliche und spielspezifische negativ korreliert zur mittleren Quadrat-
Trainingsformen hinsichtlich ihrer Rahmen- meterfläche des Einzelspielers. Mit anderen
bedingungen und der zugrundeliegenden Be- Worten: Wenn mehr Kinder auf engem Raum
lastungsnormative geringfügig modifiziert miteinander spielen, nimmt die Zahl der Ball-
wurden, konnten neben dem Einfluss auf die kontakte zu (. Abb. 2.7).
metabolischen Anforderungen auch nennens- Zur Steigerung der technisch-koordina-
werte Effekte auf technisch-koordinative As- tiven Fähigkeiten in spielnaher freudvoller
pekte festgestellt werden. Exemplarisch wer- Umgebung ist dies sicher ein erstrebenswertes
den hier zwei Untersuchungen vorgestellt. Ziel. Um sich jedoch nicht zu weit vom Ziel-
Es dauerte viel zu lange, bis im Kinder- spiel und den dortigen taktischen Anforderun-
fußball Spielfeld- und Mannschaftsgröße gen – auch auf gruppentaktischer Ebene – zu
kindgemäß aufeinander angestimmt wurden entfernen und um die physischen Anforde-
(. Abb. 2.6). Heute spielen die E-Junioren rungen angemessen hoch und zielspielnah zu
(9–10-Jährige) beispielsweise ihre Wettspiele halten, bietet die Mannschaftgröße 6 + 1 auf
in Mannschaften mit sieben Spielern (6 + 1). dem halben Spielfeld bei kleineren Toren einen
Wesentliche Vorarbeiten hierfür lieferten guten Kompromiss (Theune-Meyer und Trit-
unter anderem Untersuchungsergebnisse schoks 1996).

..      Abb. 2.6 Bereits


im Kinderfußball
führen wichtige
trainingswissenschaft-
liche Befunde zu einer
Verbesserung von
Trainingsqualität und
Wettkampfstruktur
36 A. Ferrauti und H. Remmert

..      Abb. 2.7 Fünf ausge- 25


wählte Spielfeld-/Mann-
schaftsgrößen-Verhältnisse im
E-Juniorenfußball, die
20
2

Ballkontakte pro Kind in 10 min


jeweilige durchschnittliche
„Verantwortungsfläche“ (m2)
pro Kind (einschl. Torhüter)
und die Mittelwerte der 15
Ballkontakte pro Kind
innerhalb von 10 min Spielzeit
(modifiziert nach Theune-­ 10
Meyer und Tritschoks 1996)

0
4:4 6:6 7:7 7:7 11:11
(30 × 20) (40 × 35) (55 × 35) (70 × 50) (95 × 70)
75 m2/Kind 116 m2/Kind 137 m2/Kind 250 m2/Kind 302 m2/Kind

Im Tennis absolvierten zehn Spieler der setzen, wenn ein Spieler der Dreiergruppe über-
nationalen Rangliste an zwei Versuchstagen in raschenderweise krankheitsbedingt fehlt.
randomisierter Reihenfolge (Cross-Over) zwei
Varianten einer typischen Trainingsform (Pas- !!Achtung!
sierball-Sprint), die sich scheinbar nur marginal Es handelt sich bei dem geschilderten
durch eine Veränderung der Erholungsdauer Beispiel nicht um eine „bessere“ oder
um 5 s (10 versus 15 s) zwischen den Einzel- „schlechtere“ Variante der Trainingsform.
sprints unterschieden (. Abb. 2.8). Den Spie- Beide Formen haben je nach Trainingsziel
lern wurden die Bälle mittels einer Ballwurfma- ihre Rechtfertigung. Besteht jedoch das
schine individuell so zugespielt, dass diese den Trainingsziel in einer maximal schnellen
Ball nur nach einem maximalen Sprint errei- Sprint-/Schlag-Kombination, dann ist
chen konnten (Ferrauti et al. 2001a). eindeutig die längere Erholungsdauer zu
Die geringfügige Verlängerung der Erho- favorisieren. Ursächlich wirkt hier die
lungspause (vergleichbar mit einem Training bereits oben beschriebene Halbwertszeit
in der Zweier- oder Dreiergruppe bzw. einer zur Wiederherstellung von Kreatinphos-
Veränderung des Belastungs-/Pausenverhält- phat (KP) in der Erholungspause (Ferrauti
nisses von 1:1 auf 1:2) bewirkte eine Stabili- et al. 2001a), die offensichtlich bei der
sierung der Blutlaktatkonzentration, bessere kürzeren Pause (10 s) unterschritten wird.
Sprintzeiten zu Ball (Lichtschranke t3) sowie
eine dauerhaft erhöhte Schlagschnelligkeit
beim Passierschlag (. Abb. 2.8). 2.3 Trainingsprinzipien und
Dieses einfache Beispiel verdeutlicht erneut, Trainingswirksamkeit
dass die Belastungsnormative mit Bedacht ausge-
wählt werden müssen, um das jeweils definierte Trainingsprinzipien sind allgemeine Hand-
Trainingsziel sinnvoll anzusteuern. Keinesfalls lungsorientierungen für Trainer und Ath-
darf der Coach sein Training unreflektiert fort- leten, die unter anderem eine ausreichende
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
37 2
130

Schlagschnelligkeit (km/h)
BM
120

110

100

1,50

1,45

Laufzeit (s)
1,40

1,35

12
10
Laktat (mmol/l)

8
6
4
2
10 s Pause 15 s Pause
0
5 10 15 20 25 30
Sprints

t1 t2 t3

..      Abb. 2.8 Metabolische Beanspruchung der Auswirkungen auf die Laufzeiten bis Lichtschranke t3
Trainingsform „Passierball-Sprint“ im Tennis mit 30 und die Schlagschnelligkeit (Radarmessung aus der
Sprint-Schlag-Kombinationen entlang der Grundlinie Vorhandecke). Zuspiel mittels Ballwurfmaschine (BM;
und einer Erholungsdauer von 10 s (Training in mod. nach Ferrauti et al. 2001a)
Zweiergruppe) oder 15 s (Dreiergruppe) sowie die

Trainingswirksamkeit sicherstellen sollen. Sie len durch den allgemeinen Forschungsstand


finden sich seit vielen Dekaden in unterschied- sowie durch Beispiele eigener Untersuchungs-
licher Anzahl und Strukturierung in der trai- ergebnisse ergänzt. Bei genauerer Betrachtung
ningswissenschaftlichen Literatur. Sie fußen lassen sich die hier aufgeführten 10 Trainings-
sowohl auf Plausibilitätsannahmen und auf prinzipien unterschiedlichen zeitlichen oder
sportpraktischem Erfahrungswissen, sind aber inhaltlichen Betrachtungsebenen (Weineck
auch zunehmend evidenzgesichert. Studie- 2000) zuordnen. Trainingsprinzipen sollten
rende im Fach Sportwissenschaft finden bei ge- sich stets den aktuellen Bedürfnissen anpassen.
nauerer Betrachtung der Prinzipien zahlreiche So wird schon bald ein elftes Trainingsprin-
Anknüpfungspunkte für weiterführende Fra- zip auf eine hohe Prioritätsstufe rücken: Dem
gestellungen und Untersuchungen. Demnach „Prinzip der technologischen Unterstützung
werden die Prinzipien vergleichsweise aus- von Trainingsprozessen“ (Link 2017) widmen
führlich dargestellt und an verschiedenen Stel- wir uns in 7 Kap. 3.5.
38 A. Ferrauti und H. Remmert

Trainingsprinzipien tailliert eingegangen wird. Demnach werden aus


Trainingsprinzipien sind wichtige Hand- den Ergebnissen der Leistungsdiagnostik (bei-
lungsorientierungen für Trainer und spielsweise eines Stufentests auf dem Laufband-
2 Athleten, die sich auf unterschiedliche
­ oder Fahrradergometer) die Belastungsnorma-
zeitliche Ebenen von Trainingsplanung tive für definierte Trainingsbereiche abgeleitet
und -durchführung beziehen. Im Einzel- (. Abb. 3.61). Neben der absoluten Trainingsbe-
nen werden allgemeine und zeitlich über- lastung werden jedoch auch die relative Trainings-
geordnete Aspekte (Prinzip 1, 2, 11 neu), belastung und speziell die Trainingsumfänge mit
trainingskonzeptionelle Grundsätze im zunehmender Leistungsfähigkeit ansteigen müs-
Rahmen der Perspektivplanung (Prinzip sen, da auf höchstem Leistungsniveau nur noch
2, 3, 4) sowie Prinzipien zur Gestaltung minimale Adaptationsreserven vorliegen und zur
von Jahresplan oder Makrozyklus (Prinzip Auslösung von Anpassungsprozessen qualitativ
5), Mikrozyklus (Prinzip 6, 7) sowie zur und quantitativ andere Trainingsreize erforder-
Trainingseinheit selbst unterschieden lich sind.
(Prinzip 7, 8, 9, 10). Die Forderung nach Altersspezifität wurde
1. Prinzip der leistungs-, alters- und am Beispiel des Juniorenfußballs bereits an
geschlechtsspezifischen Belastung anderer Stelle dieses Kapitels thematisiert
2. Prinzip der wettkampfspezifischen (. Abb. 2.7, 7 Abschn. 2.2.7). Sie betrifft aber
Belastung ebenfalls das mittlere und höhere Lebensalter,
3. Prinzip der rechtzeitigen und in denen beispielsweise eine verlangsamte Re-
zunehmenden Spezialisierung generationsfähigkeit besteht, sodass auch die
4. Prinzip der systematischen Trainings- Belastungsdichte merklich reduziert werden
steuerung muss (Fell und Williams 2008; Velders und Diel
5. Prinzip der individualisierten Belas- 2013). Da altersbedingt Beschwerden am passi-
tung und Belastungssteuerung ven Bewegungsapparat zunehmen, müssen häu-
6. Prinzip der Trainingsplanung durch fig auch die Belastungsinhalte verändert werden
Periodisierung und Zyklisierung (so entwickeln sich ehemalige Fußballspieler zu
7. Prinzip der optimalen Relation von Joggern oder Tennisspielern und gehen schließ-
Belastung und Erholung lich zum Walking oder Golf). Die theoretischen
8. Prinzip der wechselnden, variierenden Hintergründe für dieses Phänomen, basierend
und ansteigenden Belastung auf den vielfältigen molekularen Mechanismen
9. Prinzip der richtigen Belastungsfolge der Zellalterung (Behl und Ziegler 2016), wer-
innerhalb einer Trainingseinheit den in 7 Kap. 11 vertieft.
10. Prinzip des trainingswirksamen Reizes Die Forderung nach einer Geschlechtsspe-
11. neu (Prinzip der technologischen zifität der Trainingsbelastung basiert auf den
Unterstützung von Trainingsprozessen) besonderen physiologischen Voraussetzungen.
Hieraus ergeben sich neue Herausforderungen,
aber auch Chancen im Zusammenhang mit
einem menstruationszyklusgesteuerten Trai-
2.3.1  eistungs-, alters- und
L ning (Platen et al. 2011). So steigt in der ers-
geschlechtsspezifische ten Follikelphase die Östradiolkonzentration
Belastung bei geringer Progesteronkonzentration bis zur
Ovulation im Blut an, wodurch in der Summe
Selbstverständlich muss die absolute Trainings- günstigere anabole (aufbauende) Verhältnisse
belastung leistungsspezifisch ausgerichtet werden. gegeben sind. Dies kann beispielsweise im Rah-
Dieses Prinzip spiegelt sich unmittelbar in der re- men der individuellen Festlegung von kraftori-
gelmäßigen Abfolge von Leistungsdiagnostik und entierten Trainingsblöcken Berücksichtigung
Trainingssteuerung wider, auf die in 7 Kap. 3 de- finden. Ein völlig anderer Aspekt leitet sich aus
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
39 2
der in vielen Sportarten geschlechtsspezifisch Wettkampfbeanspruchung analysiert werden.
qualitativ unterschiedlichen Wettkampfbelas- Darüber hinaus liefern die Daten der Sportart-
tung ab. Vor dem Hintergrund, dass die Trai- analyse ebenfalls einen sinnvollen Bezugspunkt
ningsbelastungen möglichst eng an der Wett- für Auswahl oder Entwicklung von sportart-
kampfbelastung angelehnt werden sollten, sind spezifischen leistungsdiagnostischen Verfahren
Trainingsinhalte dementsprechend festzulegen. (. Abb. 2.9).

Beispiele Beispiel: Beanspruchungsprofil im Fußball

1. In den leichtathletischen Wurfdisziplinen Die Laufdistanzen erreichen während eines


bestehen geschlechtsspezifische Unter- Fußballspiels (Soccer) die mit Abstand höchsten
schiede, die sich u. a. aus dem langsameren Umfänge. Folglich kommt der Entwicklung der
Aufbau der Muskelmasse bei Frauen aeroben Kapazität im Fußball im Vergleich zu
ergeben und zu einer Veränderung in der anderen Sportspielen eine besondere Bedeu-
Periodisierung mit einer längeren tung zu. Gleichzeitig müssen im Spielverlauf
Kraftaufbauphase führen. jedoch zahlreiche Sprints – überwiegend über
2. Beim Triathlon liegen vergleichsweise eine Distanz von unter 20 m – sowie vielfältige
günstige Voraussetzungen von Frauen im weitere motorische Aktivitäten absolviert
Schwimmen vor, sodass der Trainingsum- werden. Diese Daten unterscheiden sich
fang hier gegenüber dem Radfahren wesentlich von jenen in anderen Sportspielen
verringert werden kann. und liefern einen wichtigen Orientierungsmaß-
3. Das Grundlinienspiel speziell mit der stab für die Festlegung zentraler Trainingsin-
beidhändigen Rückhand und die Re- halte, aber auch von validen leistungsdiagnosti-
turn-Qualität haben im Damentennis eine schen Verfahren (. Abb. 2.9).
höhere leistungslimitierende Bedeutung als
im Herrentennis und müssen demnach
auch im Training in besonderer Weise
verbessert werden.
2.3.3 Rechtzeitige und
zunehmende
Spezialisierung
2.3.2 Wettkampfspezifische
Belastung Bezogen auf den Nachwuchsleistungssport
spricht dieses Prinzip den sportartspezifisch
Dieses wichtige Trainingsprinzip wird erstaunli- rechtzeitigen und angemessenen Zeitverlauf
cherweise nicht in den bisherigen Auflistungen bei der Spezialisierung auf eine Kernsportart,
erwähnt (u. a. Grosser et al. 1987; Weineck 2000; eine Teildisziplin, ein Sportgerät oder eine Lage
Hottenrott und Hoos 2013; Hottenrott und Sei- innerhalb der Sportart (z. B. in den Individual-
del 2017). Es findet sich jedoch bereits frühzei- sportarten Leichtathletik, Turnen und Schwim-
tig in Modellen zur Steuerung und Regelung men) sowie auf eine Spielposition innerhalb der
der sportlichen Leistung in Training und Wett- Mannschaftsspiele an. Die Umsetzung dieses
kampf (Grosser et al. 1987). Demnach besteht Prinzips ist seit Jahren ein Streitthema zwischen
der erste Schritt einer systematischen Leistungs- Experten in der Sportpraxis und ein sportsozio-
steuerung in einer nach Leistung, Alter und Ge- logisch differenziert bearbeitetes Forschungs-
schlecht differenzierten Sportartanalyse (Bela- feld (u. a. Güllich 2013). Die Zielperspektive
stungs- und Beanspruchungsanalyse), da diese besteht in der bestmöglichen Förderung von
einen maßgeblichen Orientierungsrahmen für Talenten zu sportlichen Höchstleistungen und
die Ziel- und Normsetzungen im Rahmen der besitzt somit Verwandtschaft zur Expertisefor-
Trainings- und Wettkampfplanungen liefert. So schung in anderen soziokulturellen Bereichen
sollte die Trainingsqualität in einer Sportart im wie Wissenschaft, Kunst und Musik.
Leistungssport niemals isoliert, sondern immer In den Rahmentrainingskonzeptionen der
im Kontext ihrer Validität (Gültigkeit) für die Fachverbände wird einheitlich ein vielseitiger
40 A. Ferrauti und H. Remmert

Parameters Football Soccer Basketball Icehockey Tennis Squash

Duration (min) net/gross 60/> 180 50–60/90 40/80–90 60/120–150 –/60–200 –/20–120

2 Net Playing Time (%) 30 60 50 40–50 15–25 50–60

Running Distance (km) 1–5 8–14 4–5 4–5 (6) 0,6–2,5 1–3

Work/Rest Periods 1:5–1:10 1:1–1:2 2:1–1:2 1:4/1:5 1:2–1:5 1:1–3:2


Work 1–5 s Work 2–3,5 s Work 30–40 s Work 7 s Work 9–10 s
Rest 36 s Rest 2–150 s Rest 120–150 s Rest 17 s Rest 6–7 s

Work Profile 20 Sprints, 20 min Jog, Walk 24 % Glide 15–20 % 50 % < 4 s 50 % < 10 s
50 Runs, 10 min Run, Run 62 % Run 60–65 % 35 % 5–10s 20 % > 20 s
70 Plays 5 min Press, Sprint 14 % Sprint 15–20 % 15 % >10 s 8 % > 30 s
5 min + Ball 46 max Jumps

Sprint Profile 20 Sprints 150 Sprints 100 Sprints 30–50 Sprints 50–150 Sprints
30–60 m 60 % < 5 m (mean 1,7 s, (Dur 2–3 s) 3–6 m 1–2 m
35 % 5–20 m max 5 s) 65 % < 5 m (max 8 m)
5 % > 20 m 30 % 5 –15 m
(max 60 m) 5 % > 15 m

Special Activities (n) 10–80 1500 Activities 1000 Activities 50–70 s 300–800 1700 Strokes
Blocks incl. incl. Owning of the Strokes 12–13/Rally
20 Slidings, 100 max & Puck incl. 2–5/Rally
10–40 Jumps, submax Jumps, 44 Contacts,
10–30 Shots, 32 Dribblings, 21 Passes,
80 Passes, 4 Shots
634 m Def Slides

Blood Lactate (mmol/l) 4–6 5–9 5–11 2–3 (5) 3–7

Heart Rate (% max) 85–90 90 90 75–80 (85) 80–90

cm/kg/BMI 186/94/27,2 182/79/23,9 198/96/24,4 183/86/25,7 184/76/22,4 175/73/23,8

..      Abb. 2.9 Vergleichende Darstellung der Belastungs- und Beanspruchungsprofile im Wettkampf unterschied-
licher Mannschafts- und Rückschlagspiele, zusammengetragen aus verschiedenen Originalpublikationen (mod.
nach Ferrauti und Remmert 2003)

und langfristig gestufter Leistungsaufbau gefor- ten von einem grundständigen Kader zu einem
dert (Ferrauti 2008; Remmert 2008). Einigkeit übergeordneten Kader bis hin zur nationalen
besteht jedoch auch darüber, dass im Verlauf und internationalen Spitze und somit indirekt
der langfristigen Leistungsentwicklung früher die Bedeutung einer frühen Spezialisierung. In
oder später eine zunehmende Spezialisierung diesem Zusammenhang berechnen Güllich und
erfolgen sollte und der hierfür erforderliche Emmrich (2012) abfallende Stabilitätskoeffizi-
Zeitpunkt keinesfalls überschritten werden darf. enten, wenn es um die Übergangswahrschein-
Ansätze in der Talentforschung (7 Kap. 10) lichkeit über viele Jahre hinweggeht. Der Erfolg
beinhalten nicht nur die retrospektive Exper- im Kindersport kann somit nur bedingt den Er-
tiseforschung (z. B. basierend auf der rückbli- folg im Spitzensport erklären, was indirekt für
ckenden Analyse des Karriereverlaufs erfolg- eine spätere Spezialisierung spricht. Gleichzeitig
reicher internationaler Athleten im Hinblick werden eine Reihe von Fallbeispielen von inter-
auf Einstiegsalter, Trainingsumfang, Zeitpunkt nationalen Stars wie Usain Bolt (Leichtathletik)
der Spezialisierung), sondern auch Studien zur und Andy Murray (Tennis) benannt, die noch
prospektiven Prognosegenauigkeit. Letztere bis zum 15. Lebensjahr Fußball auf hohem Leis-
überprüfen die Übergangswahrscheinlichkei- tungsniveau gespielt haben.
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
41 2
Konsens besteht jedoch auch darüber, dass
die Kernsportart bereits frühzeitig, kontinu-
ierlich ansteigend mit hohem Umfang, aber
auch freudvoll (Deliberate Play) und plan-
mäßig (­Deliberate Practice) betrieben werden
sollte. Güllich und Emmrich (2012) empfeh-
len zusätzlich mindestens eine weitere Akti-
vität (Sportart), die ebenfalls möglichst ziel-
orientiert bis zum 14. Lebensjahr betrieben
werden sollte (Diversification). Zumindest
unterscheiden sich in den zugrundeliegenden
Analysen Weltklasseathleten von Sportlern der
nationalen Klasse in genau diesem Merkmal.
Der sportartspezifische Aspekt und die An-
forderungen des sozialen Umfelds (z. B. Schule
mit G8) kommen bei dieser Idealzeichnung
leider etwas zu kurz. So muss der Zeitpunkt
der Spezialisierung in den technisch-komposi-
torischen Sportarten und in jenen mit hohem
koordinativen Anspruch (z. B. Tischtennis)
sicherlich deutlich früher als mit 15 Jahren
liegen. Demgegenüber erscheint eine spätere
Spezialisierung bei Sportarten mit hoher Ab-
hängigkeit von anthropometrischen Merkma-
len (z. B. Basketball) eher plausibel (Stadtmann
2013; Ferrauti et al. 2015, . Abb. 2.10). ..      Abb. 2.10 Im Rahmen eines langjährigen Projekts
mit dem Deutschen Basketball Bund (gefördert durch
das Bundesinstitut für Sportwissenschaft) wurden
Leitlinien und Empfehlungen zur Talentselektion und
2.3.4 Systematische Nachwuchsförderung aus soziologischer, trainingswis-
Trainingssteuerung senschaftlicher und sportpsychologischer Sicht
formuliert (Stadtmann 2013)
Für die Trainingssteuerung sind die Daten der
Leistungsdiagnostik (Trainings- und Wett-
kampfdiagnostik) zu nutzen und planbezogen glichen (. Abb. 3.1). Negative Abweichungen
zu werten (Hottenrott und Seidel 2017). Diesem (Ist-/Sollwert-­Differenzen) sind im Rahmen der
zentralen Trainingsprinzip widmet sich 7 Kap. 3 darauf aufbauenden Trainingsplanung so lange
dieses Buches. Ein wesentlicher Ansatz für die durch eine Neujustierung der Trainingsinhalte
Umsetzung dieses Prinzips wurde erstmals von zu berücksichtigen, bis sich der definierte Soll-
Grosser et al. (1987) und von Grosser und Neu- wert einstellt. Ähnlich der Arbeitsweise eines
maier (1988) beschrieben. Dabei bedienten sich Thermostats unter Nutzung eines Messfühlers
die Autoren Begriffen und Vorstellungen aus (Thermometer) für die Regelung der Raum-
der Steuerungs- und Regelungstechnik (Ky- temperatur auf einen voreingestellten Sollwert
bernetik) und übertrugen diese systematische fungiert die Leistungsdiagnostik als Messfühler
Vorgehensweise auf den Trainingsprozess. für den Ist-Zustand der sportlichen Leistungs-
Demnach wird die aktuelle Leistungsfähigkeit fähigkeit. Somit ist sie ein wichtiger Bestandteil
(Istwert) durch Kontrollverfahren (Leistungs- in einem sich ständig wiederholenden Dreier-
diagnostik) in regelmäßigen Abständen erfasst schritt von Diagnose, Analyse und Ansteuerung
und mit definierten Zielgrößen(Sollwert) ver- (Grosser und Neumaier 1988).
42 A. Ferrauti und H. Remmert

..      Abb. 2.11 Beispiel einer „Heatmap“


während eines Tennismatches (rechts) und
isolierte Darstellung aller Antritte mit einer
maximalen Laufgeschwindigkeit von >4,5 m/s.
2 Der blau dargestellte Spieler sollte sein Training
insbesondere aus der Rückhandecke absolvie-
ren (https://doi.org/10.1007/000-04f)

2.3.5 Individualisierte Belastung durch können die Trainingsempfehlungen für


und Belastungssteuerung einen Athleten entsprechend der täglich schwan-
kenden individuellen Leistungsvoraussetzungen
Verfahren der Leistungsdiagnostik werden im (Readiness) fein reguliert werden (7 Kap. 3.5).
Normalfall nur außerhalb der Wettkampfsitua-
tion eingesetzt und liefern folglich nur bedingt
Aussagen über die komplexe und individuelle 2.3.6 Trainingsplanung durch
Wettkampfleistung. Folglich sind zusätzlich Periodisierung und
Informationen aus der Wettkampfdiagnostik Zyklisierung
systematisch in den Trainingsprozess zu inte-
grieren. Moderne Tracking-Verfahren liefern Die Gesamttrainingsbelastung wird gewöhn-
diesbezüglich insbesondere in den Sportspielen lich über den geplanten Zeitraum unter Be-
wertvolle Informationen. „Heatmaps“ typischer rücksichtigung von Periodisierung und Zyk-
Laufwege einzelner Spieler können unmittelbar lisierung strukturiert (Hottenrott und Seidel
zur Konstruktion individueller On-Field-Trai- 2017). Diese zeitliche Strukturplanung des
ningsprogramme genutzt werden, um Lauf- Trainings (Trainingsplanung) geht auf erste
schnelligkeit oder Schnelligkeitsausdauer va- Periodisierungsmodelle aus den 1960er-Jah-
lide zu verbessern (. Abb. 2.11). „Individual ren zurück (Matwejew 1972) und wurde an-
Training in Football“ ist eines der Topthemen schließend umfassend und systematisch von
der heutigen Zeit (Bangsbo und Mohr 2014). Starischka (1988) bearbeitet. Hintergrund für
Neben der Individualisierung der motorisch die Festlegung dieses Trainingsprinzips war die
relevanten Wettkampfmuster unter Trainings- sportpraktische Erfahrung, dass die „sportliche
bedingungen (External Load) spielt auch die Form“ oder „Topform“ ein sehr instabiler Zu-
engmaschige (tägliche) individuelle Gestaltung stand ist und Athleten aus physiologischen und
der physiologischen Trainingsbeanspruchung motivationalen Gründen nicht in der Lage sind,
(Internal Load) eine bedeutsame Rolle. Hier- eine konstant hohe Trainingsbelastung zu tole-
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
43 2
bei zumeist immer ein Kalenderjahr oder ein
Rahmenplan/Trainingskonzeption
Olympiazyklus für die zeitliche Strukturierung
zugrunde gelegt wird (. Abb. 2.12 und 2.13).
individueller
Trainingsplan
Gruppen-
trainingsplan
Selbstverständlich wird dieses vergleichs-
weise starre Raster den vielfältigen und hetero-
langfristig Mehrjahrestrainingsplan allgemein genen Anforderungen verschiedener Sportarten
(Perspektivplan) mit völlig unterschiedlicher Wettkampfstruk-
tur nicht gerecht (Issurin 2010). So besteht das
Jahrestrainingsplan
Trainingsjahr in vielen Sportspielen fast aus-
schließlich zu 65–85 % aus der Wettkampfpe-
Makro(Meso-)zyklusplan riode mit zahlreichen Wettkampfhöhepunkten
(In-Season), während die Übergangsperiode
Wochentrainingsplan (Post-Season Break und Off-Season) nur ca.
10 % und die Vorbereitungsperiode (Pre-Sea-
kurzfristig Trainingseinheitenplan speziell
son) nur 10–30 % ausmachen. Somit geht der
saisonale Einfluss zunehmend verloren und
eine völlige Trainingspause bleibt in einigen
..      Abb. 2.12 Zeitliche und inhaltliche Ebenen der
Trainingsplanung. Die Spezifität der Planungsinhalte
Sportarten (leider auch aus finanziellen Grün-
nimmt vom Perspektivplan bis zum Trainingseinhei- den) sogar völlig aus. Speziell in den Sportspie-
tenplan kontinuierlich zu (Starischka 1988, S. 11) len muss ein klassischer Zugang mit Peaking
und Tapering bezogen auf wenige Saisonhöhe-
rieren. In der Konsequenz wird seit vielen De- punkte daher scheitern oder sehr stark modi-
kaden empfohlen, die Leistungsfähigkeit durch fiziert werden (Issurin 2010). Diese Sportarten
Training phasenartig zu entwickeln (als Peaking verlangen spezifisch ausgerichtete Konzepte
bezeichnet) und dabei (fast gesetzmäßig) drei der Trainingsplanung, die speziell während
Entwicklungsphasen bzw. Makrozyklen (Vor- der langen Wettkampfphase den drohenden
bereitungs-, Wettkampf- und Übergangsphase) Leistungsabfall und die Zunahme des Verlet-
zu durchlaufen. Diese werden wiederum in zungsrisikos verhindern. Eine Möglichkeit bie-
einzelne Zyklen kürzerer Dauer unterteilt, wo- ten „ondulierende“ Modelle bestehend aus sich
regelmäßig wiederholenden Trainingsblöcken
Trainingsplanung durch Periodisierung mit klarer punktueller Schwerpunktsetzung (Is-
und Zyklisierung surin 2010). So können beispielsweise kürzere
Unter Periodisierung und Zyklisierung Mikrozyklen (Schock-­Mikrozyklen) punktuell
versteht man auf der Basis übergeordneter im Saisonverlauf zu definierten Trainingsin-
Orientierungen (Rahmenplan, Perspektivplan, halten eingebaut werden, um die Leistungsfä-
Jahresplan) die Festlegung von längeren higkeit über einen möglichst langen Zeitraum
Entwicklungsphasen (Makrozyklen über aufrechtzuerhalten. Selbstverständlich verlangt
einen bis mehrere Monate) und Zeitabschnit- dies den Mut zur Anpassung des Wettkampfka-
ten kürzerer Dauer (Mesozyklen über lenders sowie den stetigen aufgeklärten Infor-
mehrere Wochen, Mikrozyklen gewöhnlich mationsaustausch zwischen Trainer und Athlet,
über eine Woche). Die unterschiedlichen um auch dem besonderen Regenerationsbedarf
Phasen sind durch unterschiedliche Trainings- gerecht zu werden (Wiewelhove 2016).
ziele und -inhalte gekennzeichnet, um eine Insgesamt ist der Bereich der mittel- und
möglichst hohe individuelle Leistungsfähig- langfristigen Trainingsplanung trainingswissen-
keit zu definierten Zeitpunkten oder schaftlich am wenigsten evidenzbasiert, was auf
Zeiträumen innerhalb eines Trainingsjahres die Vielzahl an Freiheitsgraden im Planungssys-
bzw. eines Olympiazyklus sicherzustellen. tem und den hierdurch erschwerten forschungs-
methodischen Zugang zurückzuführen ist. In
44 A. Ferrauti und H. Remmert

100
Übergangsperiode

Wettkampfperiode 98

2 Vorbereitungsperiode 96
Saisonhöhepunkt (%)

100

98

96

100

98

96

..      Abb. 2.13 Trainingsperioden im Jahresverlauf dargestellt in der klassischen ein- bis dreigipfligen Form (aus
Hottenrott und Hoos 2013, S. 194)

der Konsequenz unterliegt die Trainingspla- 2.3.7 Optimale Relation von


nung nach wie vor selbst im Hochleistungssport Belastung und Erholung
zahlreicher Sportarten einer individuell unter-
schiedlichen Synopse von abstrakten Modell- Das Prinzip besagt, dass nach einer Trainings-
vorstellungen gepaart mit persönlichem Erfah- belastung eine bestimmte Erholungszeit zur
rungswissen von Trainer und Athlet, die durch Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und
unvorhersehbare Ad-hoc-Entscheidungen „ge- Belastbarkeit notwendig ist, um eine erneute Be-
würzt“ wird. Auch wenn die sportartspezifisch lastung sinnvoll anschließen zu können (Hotten-
wirkungsvollste Art der zeitlichen Strukturie- rott und Seidel 2017).
rung von Trainingszielen und -inhalten nicht Es bezieht sich primär auf den Zeitraum ei-
vollständig aufgeklärt ist, besteht in Theorie und nes Mikrozyklus und beschreibt in erster Linie
Praxis nach wie vor Konsens über die grund- die physiologischen Mechanismen während
sätzliche Bedeutung des Prinzips der Trainings- und nach einer intensiven Trainingseinheit.
planung durch Periodisierung und Zyklisierung. Zur Beschreibung des Prinzips der Interaktion
von Belastung und Erholung wird üblicher-
weise auf die frühen Befunde des russischen
Beispiel: Roger Federer Biochemikers Jakowlew (1977) verwiesen. Die-
ser prägte den Begriff der Superkompensation
Dem Star im Herrentennis gelingt es im als vorübergehende Glykogen- und KP-Entlee-
fortgeschrittenen Alter zunehmend perfekt, das
rung während des Trainings, die passager mit
Wettkampfjahr so zu periodisieren, dass er über
zielgerecht eingebaute Wettkampfpausen und einer Abnahme der körperlichen Leistungsfä-
passgenau integrierte „Schock-Mikro- oder higkeit einhergeht (. Abb. 2.14). In der darauf-
Makrozyklen“ seine Leistung aufbaut. Nach der folgenden Phase konnte eine kontinuierliche
anschließenden Beteiligung an Vorbereitungstur- körperliche Erholung und eine überschießende
nieren erreicht er pünktlich zu den
Glykogeneinlagerung über einen Zeitraum von
Grand-Slam-Turnieren nach wie vor einen
Leistungspeak. Dies basiert natürlich auf zwei bis drei Tagen festgestellt werden. Die vo-
optimalen finanziellen und organisatorischen rausgegangene Entleerung (Depletion) fungiert
Rahmenbedingungen und langjähriger Erfahrung. in diesem Zyklus somit als Stimulus für die
Anpassungsreaktion. Letztere pendelt sich bei
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
45 2

Energievorrat (Muskelglykogen)
3
Belastungsreiz
Zeit
1 2

..      Abb. 2.14 Das Modell der Superkompensation (1 = Beispiel für das Prinzip der optimalen Relation von
Glykogenentleerung durch Trainingsbelastung, 2 = Belastung und Erholung (aus Hottenrott und Hoos 2013,
Glykogensynthese, 3 = Glykogensuperkompensation) als S. 444)

Ausbleiben weiterer Trainingsreize wieder auf


das Ausgangsniveau ein (. Abb. 2.14).
Folglich gilt es, bei konsequenter Ein-
haltung des Prinzips der optimalen Relation
von Belastung und Erholung den nachfol-
genden Trainingsreiz exakt zum Zeitpunkt
des Leistungs-Peaks oder bereits während
der unvollständigen Erholung zu setzen, um
bei dadurch akkumulierter Ermüdung eine Fitness
noch stärkere Superkompensation zu erzielen
(funktionelles Overreaching). Problematisch Fatigue
wird die praktische Umsetzung des Prinzips
dadurch, dass neben der energetischen Ver- Trainingseinheiten
änderung während Belastung und Erholung je
nach Art und Komplexität des Trainingsreizes ..      Abb. 2.15 Zeitlicher Verlauf von Leistungsfä-
weitere neuromuskuläre und strukturelle Er- higkeit und Ermüdung während der Erholungs-
phase nach einer intensiven Trainingseinheit und
müdungs- und Erholungsmechanismen mit
angestrebte Veränderungen von Ermüdungsverlauf
unterschiedlicher Zeitkonstante parallel ab- (orange gestrichelte Kurve) sowie Reizhöhe und
laufen. Der Trainer erfährt daher nur mittels Reizdichte (orange). In Anlehnung an das Fit-
engmaschiger Feedback-­Informationen durch ness-Fatigue-Modell nach Banister et al. (1975) und
den Athleten einen ungefähren Hinweis über Banister (1982)
dessen Erholungsstatus und potenziell mögli-
che Belastbarkeit.
In engem Zusammenhang mit dem hier 2.3.8 Wechselnde, variierende
behandelten Prinzip steht die Zielsetzung, die und ansteigende Belastung
Regeneration (7 Kap. 9) durch verschiedene
Maßnahmen zu beschleunigen (z. B. durch Er- Das Prinzip der wechselnden Belastung kann
nährung, Massage oder Kälteanwendungen), sich sowohl auf einen Mikrozyklus als auch auf
um bei rascher abklingender Ermüdungskurve eine Trainingseinheit beziehen. Es betrifft bei-
den folgenden Trainingsreiz bereits frühzeiti- spielsweise Sportarten mit mehreren Teildiszi-
ger und/oder mit höherer Belastungsintensität plinen wie den leichtathletischen Sieben- oder
setzen zu können (. Abb. 2.15).
46 A. Ferrauti und H. Remmert

Zehnkampf oder auch den Triathlon. Hier ist erneuter Reduktion der Belastungsdauer in
eine adäquate Verteilung der völlig unterschied- Richtung des avisierten Wettkampftempos zu-
lichen koordinativen und metabolischen Anfor- nehmen.
2 derungen aus rein pragmatischen Gründen im Das Prinzip der ansteigenden Belastung sollte
Verlauf des Mikrozyklus bzw. am Trainingstag auch in der Wettkampfplanung berücksichtigt
unumgänglich. Ähnliches gilt für Sportarten mit werden, indem Vorbereitungswettkämpfe stets
komplexem Anforderungsprofil wie die Sport- bedeutsamen Saisonhöhepunkten vorgeschaltet
spiele, bei denen ein isoliertes „Blocktraining“ in werden. Die besonderen psychophysischen An-
Reinform über längere Zeiträume zu einer un- forderungen von bedeutsamen Wettkämpfen
angemessenen Vernachlässigung anderer wich- können erfahrungsgemäß nur unter realen Tur-
tiger Leistungskomponenten führen würde. nierbedingungen valide vorbereitet werden. Bei-
Schließlich erfährt das Prinzip auch im Frei- spielsweise stiegen die Adrenalinausscheidungen
zeit- und Fitnesssport seine Bedeutung, wenn es im Urin bei vergleichenden Untersuchungen
darum geht, in aufeinanderfolgenden bzw. auch unter realen Turnierbedingungen im Tennis
innerhalb von Trainingseinheiten verschiedene (bei identischem Gegner und gleicher Wett-
Muskelgruppen anzusprechen und durch diese spieldauer) um den Faktor 3,5 an (Ferrauti et al.
Sequenzierung das Training und die Ermüdung 2001b). Dies besitzt speziell bei koordinativ hoch
einer Muskelgruppe und die Erholungsvorgänge anspruchsvollen Sportarten einen erheblichen
einer anderen Muskelgruppe parallel ablaufen zu und vielfach störenden Einfluss auf die Technik-
lassen. In der Summe ermöglicht eine geschickte qualität und sollte durch die Teilnahme an Vor-
Umsetzung des Prinzips eine ökonomischere bereitungswettkämpfen geringerer Bedeutung
Trainingsgestaltung, da durch die abwechselnde entsprechend vorbereitet werden. Nebenbei zeigt
Belastung verschiedener Teilsysteme gleichzeitig sich hier eine deutlich veränderte metabolische
mehrere Leistungsfaktoren verbessert werden Reaktion (der Stress verursacht eine intensivierte
können (Hottenrott und Seidel 2017). Glykogenolyse und führt zu höheren Blutgluko-
Auch innerhalb einer Trainingsform sekonzentrationen; . Abb. 2.16).
kann eine Variation der qualitativen Ausfüh-
rung (z. B. Betonung des Dehnungs-Verkür-
zungs-Zyklus oder der exzentrischen Phase bei 2.3.9 Belastungsfolge innerhalb
gleicher Kraftübung) aus koordinativer, meta- der Trainingseinheit
bolischer und neuromuskulärer Sicht angemes-
sen sein, um bei Einstellung eines Leistungs- Die Trainingseinheit bildet die kleinste funkti-
plateaus eine erneute Störung der Homöostase onelle Planungseinheit. Die Hauptphase einer
und folglich eine höhere bzw. veränderte Trai- Trainingseinheit wird üblicherweise von einer
ningswirksamkeit zu erzielen (7 Kap. 2). Aufwärm- bzw. Warm-up-Phase sowie einer
Im Verlauf einer längeren Trainingsphase Abwärm- bzw. Cool-down-Phase eingerahmt
(z. B. während eines Mesozyklus) gilt es, die (Hottenrott und Hoos 2013). Hinsichtlich
Belastung zu steigern, wenn ansonsten keine der Aufwärmphase existieren Angaben zur
Adaptationen mehr erreicht werden. Dies kann empfohlenen Dauer (10–30 min), Intensität
beispielsweise während der Vorbereitung auf (<2 mmol/l Blutlaktat, also überwiegend ae-
einen Halbmarathon zunächst durch einen rob) und den Inhalten (zentralnervöse, neuro-
Anstieg der Belastungshäufigkeit pro Woche muskuläre, kardiozirkulatorische, energetische
und anschließend durch eine Steigerung der und mentale Vorbereitung) mit dem Ziel einer
Belastungsdauer, somit durch eine Zunahme Funktionssteigerung bei gleichzeitiger Verlet-
des Belastungsumfangs, erfolgen. Schließlich zungsprophylaxe (Hottenrott und Hoos 2013).
sollte die Belastungsintensität bei gleichzeitig Lange kontrovers diskutiert wurde die Bedeu-
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
47 2
7 gestatten keine vorausgehende Ermüdung und
Adrenalin (μg/100 mg Kreatinin)

6 sind zeitlich vor dem Konditionstraining zu


platzieren (7 Kap. 8). In gleicher Weise sollte
5
** ein „reines“ Schnelligkeitstraining (7 Kap. 5)
4 ebenfalls ohne nennenswerte anaerob-lakta-
3 3,66 zide Vorbelastungen erfolgen (. Abb. 2.8).
Eine Technikstabilisierung kann dem Prinzip
2
der Wettkampfspezifität folgend, auch unter
1 Belastung und somit in Kombination mit dem
0 Konditionstraining erfolgen, wenn das ent-
sprechende Trainingsziel entsprechend defi-
180
** niert wurde (7 Kap. 2.2) . Untersuchungen von
150
Olivier (1996) belegen, dass unter körperlicher
Belastung und entsprechender zentralnervöser
Blutglukose (mg/dl)

120 134,2 Aktivierung die technomotorische Ausfüh-


rungsleistung sogar ansteigen kann (7 Kap. 8).
90
93,9 Auf die Reihenfolge von Ausdauer- und
60 Krafttraining innerhalb der Trainingseinheit
soll aufgrund der aktuellen Diskussion vertieft
30
eingegangen werden. Diese als „Concurrent
0 Training“ bezeichnete Kombination bietet sich
Trainingsmatch Turniermatch aufgrund der komplexen Wettkampfanforde-
rungen speziell in den Sportspielen an. Vielfach
..      Abb. 2.16 Adrenalinkonzentration im Urin und
Glukosekonzentration im Kapillarblut von 26 finden hier unmittelbar kraftausdauerkombi-
Tennisspielern der nationalen Klasse nach einem nierte Trainingszirkel als spezielle Ausführungs-
Trainings- und Turniereinzelmatch gegen den gleichen variante des HIIT Anwendung. Krafttraining
Gegner (mod. nach Ferrauti et al. 2001b) wird jedoch selbstverständlich auch bei Mittel-
und Langstreckenläufern eingesetzt, und nicht
tung und Gestaltung des Dehnens während zuletzt für die Vielzahl an Fitnesssportlern stellt
des Aufwärmens. Remmert (2006) empfiehlt sich die Frage, ob sie zunächst den sogenann-
kurze, überwiegend dynamische bzw. kom- ten Kardiobereich im Studio besuchen oder die
biniert passive und dynamische Verfahren Ausdauerkomponente nach dem Krafttraining
(7 Kap. 6). Zunehmend wird in Abhängig- bzw. an einem gesonderten Trainingstag einpla-
keit von der Folgebelastung ein funktionelles nen. Natürlich existieren je nach Ausrichtung
Dehnen empfohlen (Functional Movement der Belastungsnormative zahllose Mischformen
Preparation). Hierbei werden extreme Kör- der Reizsetzung, wodurch die Problematik der
perpositionen, die während des Hauptteils der Gesamtbeurteilung steigt.
Trainingseinheit zu erwarten sind, kontrolliert Die grundsätzliche Frage nach der Kom-
und wiederholt eingenommen und dabei ko- binationsmöglichkeit beider Trainingsinhalte
ordinative und beweglichkeitsfördernde An- stellt sich, da für die Auslösung von Adaptatio-
forderungen kombiniert (7 Kap. 6). nen in der Arbeitsmuskulatur unterschiedliche
In der Hauptphase der Trainingseinheit gilt Primärreize verantwortlich sind (Hoppeler et al.
es, die Trainingsinhalte funktionell bestmög- 2011, . Abb. 2.17). Während beim Krafttrai-
lich aneinanderzureihen. Technik- oder Taktik- ning der mechanische Reiz hauptverantwort-
training unter der Zielsetzung des Neulernens lich ist, steht beim Ausdauertraining die meta-
48 A. Ferrauti und H. Remmert

..      Abb. 2.17 Intrazelluläre Ausdauertraining Krafttraining


Signalwege und deren molekulare
Wachstumsfaktoren
Interaktion ausgelöst durch z. B. IGF1
repetitive
Ausdauer- und Krafttraining
2
Kontraktionen mechanischer Reiz
(Hoppeler et al. 2011)

PI3K Integrine
Energie
Ca2+
AMP:ATP FAK

PDK1
CamK Akt
P TSC2

PGC-1 AMPK
mTOR

Tfam FoxO

P eEF2K

Tfam Tfam p70s6K


MuRF MAFBx

mtDNA mtDNA P eEF2


4E-BP1

COX I COX I

mitochondriale Biogenese Proteinabbau Synthese myo-


fibrillärer Proteine

bolische Störung im Vordergrund. Auch die mittelbar vor Krafttraining kann demnach
Art der Adaptation unterscheidet sich zwischen dazu führen, dass die anabole Antwort aus-
Krafttraining (Vermehrung myofibrillärer Pro- bleibt. Bei Kraft- vor Ausdauertraining besteht
teine) und Ausdauertraining (Zunahme von die Gefahr eines Proteinkatabolismus. Es wird
Kapillarisierung und Mitochondriengehalt). deswegen von Hoppeler et al. (2011) empfoh-
Die für die Auslösung der Anpassungsprozesse len, Kraft- und Ausdauertraining in Reinform
verantwortliche intrazelluläre Signalkaskade zu separieren (Blocktraining). Allerdings sind
weicht ebenfalls zwischen Krafttraining (der weitere Trainingsstudien und Metaanalysen
IGF-1-Rezeptor aktiviert mTOR als Schlüssel- erforderlich, um die beschriebenen theoreti-
protein für die myofibrilläre Proteinsynthese) schen Zusammenhänge auf ihre Relevanz unter
und Ausdauertraining (die metabolische An- den typischen Bedingungen der Sportpraxis zu
häufung von Adenosinmonophosphat aktiviert überprüfen (z. B. Wilson et al. 2012).
die AMP-Kinase, welche den Schlüsseleffektor Für den Schnellkraftsportler oder in den
aller aerob wirksamen Signalwege PGC-1α ak- Sportspielen gilt, dass ein HIIT (z. B. auch
tiviert) voneinander ab. Für die Trainingspra- intensive Spielformen) aufgrund der hohen
xis ist in dem Zusammenhang problematisch, Energieflussrate (AMPK-Aktivierung) un-
dass sich beide Systeme gegenseitig negativ be- mittelbar vor einem Hypertrophietraining
einflussen können. So wird die Aktivität von kontraindiziert ist. Es sei denn, es wird auf
mTOR bei hohem Energieumsatz im Rahmen zwei TE (z. B. morgens und nachmittags) mit
eines Ausdauertrainings mit entsprechender zwischengeschalteter ausreichender Pause und
Aktivierung des AMPK-Systems nach unten Energiezufuhr verteilt. Ein Ausdauertraining
reguliert (. Abb. 2.17). Ausdauertraining un- geringerer Intensität scheint hingegen ohne
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
49 2
nennenswerte Interaktionskonflikte zu sein. Leistungsfähigkeit (Funktionskapazität) und
Ein ausdauerorientierter Kraftzirkel wird ver- der aktuellen bzw. langfristig möglichen Ad-
mutlich eher die Ausdauer- und weniger die aptationsreserve (Martin et al. 1991). Steigt die
Kraftkomponente fördern. Bei der Kombina- aktuelle Funktionskapazität an, verringert sich
tion eines eher plyometrisch ausgerichteten sowohl die theoretisch mögliche individuelle
neuromuskulär wirkenden Krafttrainings mit aktuelle Reserve als auch die insgesamt lang-
dem Ausdauertraining (z. B. beim Ausdauer- fristig verbleibende Adaptationsreserve. Bei
sportler) geht es weniger um die Gefahr mo- Freizeitsportlern liegt die untere Reizschwelle
lekularer Interaktionskonflikte, sondern um demnach absolut und relativ gesehen deutlich
die Aufrechterhaltung der primär relevanten niedriger als im Hochleistungssport, gleich-
Trainingsqualität (z. B. Lauftechnik). In diesen zeitig ist die Adaptationsreserve am größten.
Fällen sollte das in der Bedeutungshierarchie Im Hochleistungssport (physiologisch bedingt
wichtigere Training zeitlich vorausgehen. aber auch im Alter, Fell und Williams 2008)
sinkt sie wiederum erheblich ab (. Abb. 2.18).
Für die Trainingspraxis bedeutet dies, dass der
2.3.10 Trainingswirksamer Reiz Feinabstimmung der Trainingsreize zur Aus-
lösung von Adaptationen im Freizeitsport eine
Das Prinzip basiert historisch auf den Be- geringere Bedeutung zukommt als im Leis-
schreibungen von Wilhelm Roux (1895), nach tungssport.
denen Lebewesen auf bestimmte Funktions-
oder Milieuänderungen mit spezifischen An- maximale Funktionskapazität
passungsvorgängen reagieren. Diese Plastizität
bildet eine wesentliche Voraussetzung für das rve
Überleben unter veränderten Umweltbedin- srese
ion
tat
Funktionskapazität

gungen. Die Spezifität in der Abstimmung von dap


A
Reiz und Reaktion bzw. Adaptation bildet eine
zentrale Grundlage für das Training. Gemäß
der Reizstufenregel bewirken unterschwellige
Reize eine negative Anpassung (z. B. Atro-
phie), schwach überschwellige Reize sind funk-
tionserhaltend, überschwellige Reize führen zu
einer positiven Anpassung und zu starke Reize
bergen die Gefahr des Übertrainings (Strüder
et al. 2016). aktuelle Reserve Zeit
Die untere Reizschwelle für das Auslösen aktuelle Funktionskapazität
von positiven Anpassungen und somit die ..      Abb. 2.18 Individuelle absolute und relative
Trainingswirksamkeit unterscheidet sich pri- Adaptationsreserve in Abhängigkeit von der aktuellen
mär in Abhängigkeit von der momentanen Funktionskapazität (Martin et al. 1991)
50 A. Ferrauti und H. Remmert

Beispiel: Trainingswirksamkeit des Golfspiels im Seniorenalter

Wir untersuchten 15 männliche Golfer im Durch- (z. B. während der Anstiege an den Löchern 1, 3, 5,
schnittsalter von 60 Jahren und einem mittleren 12, 15 und 18) mit dem individuellen Belastungs-
2 Handicap von 20 beim Spiel im Dreier-Flight. Die umfang pro Woche im Sommer und Winter, dann
mittlere Gehgeschwindigkeit betrug auf einer ergibt sich folgendes Bild:
18-Loch-Runde 1,7 m/s bei einer Sauerstoffauf- Nur beim leistungsschwächsten Drittel der Pro-
nahme von 910 ml/min/kg, entsprechend 40 % banden (Probanden 1–5) mit teilweise bedrohlich
der ⩒O2max, einem metabolischen Äquivalent geringer Leistungsfähigkeit (Proband 1: erreicht
(Multiplikationsfaktor des Ruheumsatzes) von 2,7 einen PWC130 von unter 1 Watt/kg Körpergewicht)
und einer Herzfrequenz von knapp über 100 ist beim Golfspiel im Dreier-Flight speziell während
Schlägen/min (Ferrauti et al. 1997). Definiert der Sommermonate mit kardiorespiratorischen
man für diesen Adressatenkreis die untere Anpassungen (ggf. aber auch Risiken) zu rechnen.
Schwelle für kardiorespiratorische positive Adap- Bei durchschnittlich bzw. gut trainierten 60-Jähri-
tationen bei 50 % der maximalen Herzfrequenz gen wird die trainingswirksame Reizschwelle nur
über mindestens 60 min/Woche und multipliziert während eines geringen Anteils der Spielzeit
die individuell trainingswirksamen Spielphasen überschritten (. Abb. 2.19 und 2.20).

15 0 %
Sommer
14 1 %
Winter
13 2%
12 2%
11 2%
10 5%
Probanden

9 6%
8 3%
7 6%
6 13 %
5 17 %
4 15 %
3 20 %
2 53 %
1 68 %
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450
(min/Woche)

..      Abb. 2.19 Akkumulierter absoluter (min/ Herzfrequenz (HFmax) beim Golfspiel von 60-jähri-
Woche) und relativer (%) Anteil an trainingswirk- gen Männern im Dreier-Flight entsprechend der
samen Phasen oberhalb von 50 % der maximalen üblichen Belastungsumfänge (Ferrauti et al. 1997)
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
51 2

200
PB 1
180 (72 Jahre, PWC130 = 0,93 Watt/kg)

160

140
HF (min–1)

120

100

80

60

40
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
20
01:00:00 02:00:00 03:00:00 04:00:00

..      Abb. 2.20 Fallbeispiel eines 72-jährigen Leistungsfähigkeit (Physical Working Capacity bei
untrainierten Seniorengolfers zum Herzfrequenz- Puls 130, kurz: PWC130) betrug unter 1 Watt/kg
verhalten während des Golfspiels im Dreier-Flight. Körpergewicht. Die roten Pfeile symbolisieren vom
Die mittels Fahrradergometrie bestimmte Geländeprofil ansteigende Golfbahnen

2.4 Anpassungsprozesse durch Quantität und dem Mischungsprofil der auf


Training den Organismus einwirkenden Trainings-
reize. Anpassungen durch sportliches Trai-
Gemäß der vorgelegten Definition dient ning sind im Normalfall positiv (z. B. Mus-
sportliches Training stets zum Erreichen kelhypertrophie), können aber auch negativ
definierter Trainingsziele. Hierzu sind je sein (Maladaptation wie bzw. beim Übertrai-
nach Trainingsziel zahlreiche Anpassungs- ningssyndrom). Trainingsreize bewirken so-
prozesse (Adaptationen) auf verschiedenen wohl kurzfristige Anpassungen (Reaktionen)
strukturellen Ebenen erforderlich. Das Aus- als auch mittel- und langfristige Anpassungen
maß der Adaptation und somit die individu- (Adaptationen). Im Folgenden werden die
elle Adaptationsreserve bzw. Trainierbarkeit letztgenannten, nachhaltigen Leistungsverän-
(. Abb. 2.18) sind abhängig von endogenen derungen genauer betrachtet. Hohmann et al.
Faktoren wie der aktuellen Leistungsfähig- (2002) teilen diese in solche ein, die eindeutig
keit (negative Korrelation, d. h. je geringer auf strukturellen (biologisch-medizinischen)
die Leistungsfähigkeit, umso höher sind Ad- Adaptationen beruhen und solche, die pri-
aptationsreserve und Trainierbarkeit), dem mär durch eine Optimierung der Informa-
Alter (abnehmend ab dem mittleren Lebens- tionsorganisation hervorgerufen werden und
alter) und dem Geschlecht (bei erwachsenen legen eine Reihe übergeordneter Erklärungs-
Männern höher, bei Frauen, auch abhängig modelle und -konzepte für das grundlegende
vom Menstruationszyklus, geringer) sowie Verständnis von Anpassungsprozessen durch
von exogenen Faktoren wie der Qualität, der Training vor.
52 A. Ferrauti und H. Remmert

Beispiel: akute, kurzfristige Anpassungsprozesse durch Training

Der Übergang von Ruhe zu Belastung löst eine Potentiation (PAP) beschreibt eine kurzfristige Stei-
Vielzahl an endokrinologischen (Hormone des gerung der Schnellkraft durch vorausgegangene
2 sympathischen Nervensystems), kardiorespiratori- (nichtermüdende) intensive Kontraktionen der Ar-
schen (z. B. Steigerung des Herzminutenvolumens), beitsmuskulatur (Robbins 2005). Die unmittelbare
perfusionsabhängigen (Blutfluss in der Arbeits- Steigerung des Bewegungsumfangs durch Kurzeit-
muskulatur) und metabolischen (u. a. Glykogeno- dehninterventionen wird unter anderem auf An-
lyse, . Abb. 2.21) Reaktionen aus. Neben dieser passungen im neuronalen Bereich (lokale Schmerz-
pauschal leistungssteigernden Aktivierung des Or- rezeptoren, spinale Schaltzentren oder die zentrale
ganismus existieren in der Trainingspraxis zusätz- Informationsverarbeitung vermitteln ein geringe-
liche Möglichkeiten, spezifische Leistungskompo- res Schmerzempfinden) zurückgeführt (Wiemann
nenten positiv zu beeinflussen. Die Post-Activation und Klee 2000).

Historisch wird das Phänomen der An- biosynthese zurückführen. Aus dieser Gesamt-
passung durch Training auf das Homöostase-­ übersicht sehr unterschiedlicher theoretischer
Prinzip und die frühen Arbeiten des Biologen Zugänge zur Anpassung durch Training werden
Roux zurückgeführt. In der deutschen Trainings- im Folgenden ausgewählte Aspekte vertieft.
wissenschaft wurde dieser Ansatz in ein komple-
xer ausgerichtetes Belastungs-­Beanspruchungs-­
Konzept unter Einbezug koordinativ-technischer 2.4.1 Das Homöostase-Prinzip
und taktisch-­ psychologischer Komponenten und die Reizstufenregel
von Training und Anpassung überführt (Hoh-
mann et al. 2002 bezugnehmend auf Schnabel Zur Erklärung des grundsätzlichen Prinzips
et al. 1994), dem synergetische und komplexere der Anpassung durch sportliches Training wird
Betrachtungsweisen von Trainingsanpassungen zumeist auf das Homöostase-Prinzip verwie-
folgten (Hohmann et al. 2002). Im internationa- sen. Dieses bezeichnet den Versuch der Auf-
len Umfeld entwickelte sich federführend durch rechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes
Eric Banister (1982) eine antagonistische Sicht- (Fließgleichgewicht) innerhalb eines offenen
weise auf Anpassungsprozesse, nach der eine dynamischen Systems wie dem menschlichen
positive leistungsfördernde Anpassungskompo- Organismus. Dort werden zahlreiche Gleich-
nente durch Training (Fitness) stets mit einer er- gewichtszustände (z. B. der Säure-Basen-Haus-
müdenden leistungsmindernden Komponente halt, der Blutzuckerspiegel oder der Blutdruck)
(Fatigue) verrechnet werden muss und erst die durch Regelkreise auf voreingestellte Soll-Zu-
Differenz dieser Funktionsgleichung über die stände reguliert. Zeitweilige Auslenkungen des
Zeit darüber entscheidet, ob aktuell eine noch Fließgleichgewichts (Heterostase) und der damit
negative oder schon positive Adaptation vorliegt einhergehende Verlust an Funktionalität werden
(. Abb. 2.22). Auf struktureller Ebene lassen sensorisch registriert und über Kompensations-
sich die meisten Anpassungsprozesse auf bio- mechanismen so lange reguliert, bis sich die Ho-
chemische Veränderungen und auf die Protein- möostase erneut einstellt.

Beispiel: Verhalten der Blutglukosekonzentration beim Warm-up

Bereits vor Beginn einer Belastung wird im Vor- kelzelle aus dem Blut. Dies resultiert in einem passa-
start-Zustand durch Aktivierung des sympathischen geren Abfall der Glukosekonzentration unter den
Nervensystems mit Adrenalinausschüttung die Blut- physiologischen Sollwert, der allerdings nach ca.
glukosekonzentration durch Spaltung des Lebergly- 30 min Belastungsdauer erneut durch eine intensi-
kogens (Glykogenolyse) erhöht. Die Steigerung des vierte Glykogenolyse als Folge einer verstärkten Ad-
Energieumsatzes zu Beginn der Belastung verur- renalinausschüttung kompensiert wird
sacht einen vermehrten Glukose-Uptake der Mus- (. Abb. 2.21).
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
53 2

120

100 *
Blutglukose (mg/dl)

92,8
80 84,2 84,8 87,3
79,3
74,3 75,7
60

40 Ruhe Training
–30 –25 –20 –15 –10 –5 0 5 10 15 20 25 30
(min)

..      Abb. 2.21 Verhalten der Blutglukosekonzentration unmittelbar vor und während


einer Belastung (Ferrauti 2006)

Der deutsche Entwicklungsbiologe Wil- betrachtet, sondern immer als das Resultat
helm Roux (1850–1924) stellte als einer der aus zwei sich grundsätzlich gegenüberste-
ersten experimentell arbeitenden Biologen henden (antagonistischen) und zeitgleich
fest, dass der tierische und menschliche Or- bzw. zeitlich überlappend ablaufenden Trai-
ganismus nicht nur in der Lage ist, kurzfristigningswirkungen. Einerseits bewirkt die Trai-
auf Belastungen so zu reagieren, dass beim ningsbelastung eine Ermüdung (Fatigue),
Verlassen von Gleichgewichtszuständen der andererseits stellen sich bereits frühzeitig
Status quo wiederhergestellt wird, sondern potenziell leistungssteigernde Adaptationen
zudem je nach Ausmaß der Reizsetzung mit ein (Fitness). Der besondere Charme die-
nachhaltigen funktionellen und strukturellen ses Modells besteht darin, dass sich bei der
Veränderungen reagieren kann (seine damali- Quantifizierung beider Effekte im Zeitver-
gen Untersuchungen widmeten sich unter an- lauf mittels einer Funktionsgleichung der
derem der Kapillarisierung im Bereich der Le- Moment modellieren lässt, in dem die Er-
ber). Dabei sind die erzielbaren Anpassungen müdung soweit abgeklungen ist, dass sich die
sowohl qualitativ als auch quantitativ abhängighinzugewonnene Fitness in Training oder
von der Reizsetzung. Auf Roux geht daher die Wettkampf auch tatsächlich in einen nen-
bereits erwähnte Reizstufenregel zurück, nach nenswerten Nettozugewinn an Leistungsfä-
der zwischen unterschwelligen, schwach bzw. higkeit überführen lässt (. Abb. 2.22). Dies
stark überschwelligen und zu starken Reizen wird in der dargestellten Abbildung nach
unterschieden wird. einer intensiven Trainingsphase mit aufge-
stockter Ermüdung und (potenziell) ange-
stiegener Fitness erst durch den Einbau einer
2.4.2 Antagonistische Modelle sogenannten Taper-Phase erreicht (Zuspit-
der Anpassung durch zung oder Reduktion), in der nur noch we-
Training nige intensive Trainingsreize zum Erhalt der
Fitness gesetzt werden und die Ermüdung
Auf Banister et al. (1975) und Banister (1982) entsprechend kontinuierlich abklingen kann.
geht das antagonistische Fitness-Fatigue-­ Hieraus resultiert möglichst zeitgleich zum
Modell zurück (. Abb. 2.22). Hier wird die Wettkampfhöhepunkt die Topform-Phase,
Anpassungsreaktion nicht eindimensional die durch einen fast vollständigen Erho-
54 A. Ferrauti und H. Remmert

Ausbe-
lastungs- Taperphase Topformphase
phase

2 Ermüdung f(t)
Fitness und Ermüdung

Fitness p(t)

Topform

modellierte Leistung
a(t) = k1p(t) – k2(t)
Trainingsimpuls

1 2 3 4 5 6 7 10 15 20 22 25 30 t (d)

..      Abb. 2.22 Das antagonistische Fitness-Fatigue-Modell nach Banister et al. (1975) und Banister (1982)

lungszustand und eine hohe Nettofitness ge- wohl die Operationalisierung des vielfältigen
kennzeichnet ist (Mujica et al. 2004). Trainingsinputs als auch jene der komplexen
Das Modell bildet die Grundlage für ver- Spielleistung verständlicherweise schwerfal-
schiedene statistische Modellierungsver- len. Das Modell wird daher zunehmend wei-
suche, die auf der Basis empirisch erhobe- terentwickelt und mit Verzögerungs- (Delays)
ner Abhängigkeiten zwischen Trainingsreiz und Korrekturfaktoren versehen, sodass die
und -wirkung (Trainingswirkungsanalyse) den Zukunft der Trainingsanpassungen eines Ath-
­individuellen Leistungsverlauf prognostizieren leten möglicherweise nur noch „programmge-
und den hierfür erforderlichen Trainingsin- steuert“ erfolgt. Dabei werden Trainingsinput
put definieren können. Maßgebliche Arbei- und die dadurch ausgelöste Beanspruchung
ten hierzu leistet im deutschsprachigen Raum nicht mehr aktiv (Trainingsdokumentation),
der Trainingswissenschaftler Mark Pfeiffer, der sondern beispielsweise mittels sensorisch aus-
den beschriebenen Ansatz durch das Perfor- gestatteter Kleidungsstücke (Wearables) auto-
mance-Potential-Modell (PerPot) weiterentwi- matisiert registriert (7 Kap. 3.5).
ckelt hat (Pfeiffer 2008).
Im positiven Sinne folgt dieses Modell kon-
sequenterweise den individuellen und täglich 2.4.3 Komplexe und
schwankenden Besonderheiten von Hochleis- synergetische Konzepte
tungssportlern (vgl. Prinzip der individuali- der Anpassung durch
sierten Belastung und Belastungssteuerung) Training
und versucht den individuellen Zusammen-
hang zwischen Training und Anpassung zu Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept ver-
ergründen. Problematisch erscheint jedoch sucht der Komplexität des Trainingsinputs
die Übertragbarkeit auf komplexer determi- zumindest theoretisch gerecht zu werden. Es
nierte Sportarten wie die Sportspiele, da so- unterscheidet zwischen den von außen auf den
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
55 2
Organismus einwirkenden Belastungen und
den daraus entstehenden Beanspruchungen,
wobei jeweils die Summe aller taktisch-psychi-
Spieleffizienz
schen, koordinativ-­ technischen, konditionel-
len und konstitutionellen Aspekte einbezogen
wird (in Hohmann et al. 2002, modifiziert nach
Schnabel et al. 1994). Im englischsprachigen
Umfeld wird für das Gesamtverständnis von
Technik/Taktik Kondition
Ermüdung und Adaptation dementsprechend
zwischen dem External Load (z. B. Belastungs-
umfang und -inhalte wie die zurückgelegte ..      Abb. 2.23 Negative (passagere) Feedback-Effekte
Wegstrecke beim Ausdauertraining) und dem einseitiger Trainingsbelastungen untereinander sowie
auf die komplexe Wettspielleistung
Internal Load (z. B. Herzfrequenz- und Blut-
laktatverhalten, aber auch das Belastungsemp-
finden) unterschieden (Halson 2014). Diese
Differenzierung ist wichtig, denn die gleiche sie zu einer Steigerung der Spieleffizienz beitra-
Ausprägung einer externen Belastung kann gen können. Diese Zeit geht möglicherweise zu
interindividuell zu einer unterschiedlichen „in- Lasten des notwendigen Belastungsumfangs im
neren“ Beanspruchung führen. Hottenrott und Konditionstraining (oder umgekehrt), sodass
Hoos (2013) benennen in ihrem Modell der hier ebenfalls mit (vorübergehenden) Einbußen
Belastungs-Beanspruchungs-Interaktion (mo- gerechnet werden kann. Die komplexe Spielleis-
difiziert nach Hottenrott und Neumann 2010) tung bzw. Spieleffizienz kann somit stets nur als
die an dieser Stelle relevanten „Modulatoren“ integratives Gesamtkonstrukt mehrerer gleich-
(z. B. Alter, Geschlecht und Anthropometrie). zeitig ablaufender positiver und negativer Adap-
Anpassung durch Training geht in der tationen verstanden werden. Mit zunehmender
Sportpraxis vielfach über die rein biologische Mannschaftsgröße potenziert sich dieses kaum
Adaptation eines Funktions- oder Struktur- steuerbare Problem, da die im Idealfall positi-
elements hinaus (z. B. Hypertrophie des Bi- ven Adaptationseffekte jedes Einzelspielers zu-
zepsmuskels durch Arm-Curls). Insbeson- nächst in einen positiven Gesamteffekt übertra-
dere in komplex determinierten Sportarten gen werden müssen.
wie in den Sportspielen werden die Athleten Folglich bedarf es eigentlich einer syn-
oft gleichzeitig einer Vielzahl an unterschied- ergetischen Betrachtungsweise von Belastung,
lichen Belastungen (z. B. Technik, Taktik und Beanspruchung und Adaptation, wobei der
Kondition) ausgesetzt, sodass auch die Be- Trainingsprozess als ein komplexes dynami-
anspruchungen und ggf. die daraus resultie- sches System verstanden wird. Nur so lassen
renden Adaptationen sehr vielschichtig sind, sich scheinbar unerklärliche Leistungsschwan-
zeitgleich auf mehreren Funktionsebenen ab- kungen mit wellenförmigen oder plötzlichen
laufen und sich im Zweifel sogar konkurrie- Leistungszuwächsen im Vergleich zu einer rein
rend gegenseitig eliminieren oder zumindest kybernetisch-linearen Betrachtungsweise ver-
stören (. Abb. 2.23). stehen (Hohmann et al. 2002). Die Autoren
Ein quantitativ sehr stark technik- oder geben allerdings zu bedenken, dass sich trotz
taktikorientiertes Training kann in den Sport- der bedeutsamen Erklärungskompetenz dieses
spielen mit (vorübergehenden) Einbußen der Ansatzes in der Sportpraxis (z. B. auch in der
komplexen Spielfähigkeit, aber auch der kon- schwierigen Kommunikation zwischen Trai-
ditionellen Leistung einhergehen (. Abb. 2.23). ner, Athlet, Eltern und Verein) hieraus bislang
Neu erlernte Techniken oder Taktiken (z. B. die keine konkreten Handlungsanweisungen für
Viererkette im Fußball) benötigen Zeit, bevor die Trainingssteuerung ableiten lassen.
56 A. Ferrauti und H. Remmert

2.4.4 Strukturelle Anpassungen


durch Training

2 Nachhaltige funktionelle Anpassungen durch


Training basieren auf strukturellen und bioche-
mischen Veränderungen. Dies betrifft auch das
in der Literatur vielfach beschriebene Prinzip
der Superkompensation. So kann die von Jakow-
lew (1977) beschriebene Superkompensation
im Sinne einer überschießenden Einlagerung
Glukosereste
von Glykogen in Leber und Muskel nach vor-
Glukosereste mit verzweigender 1,6-Verknüpfung
ausgegangener Entleerung als ein Ergebnis bio-
chemischer Anpassungen gesehen werden. Die ..      Abb. 2.24 Glykogenmolekül, aufgebaut aus
Regulation des Glykogenstoffwechsels erfolgt Glukose. Die Verzweigung dieses Makromoleküls ist
über Enzymumwandlungen oder Neubildun- dadurch bedingt, dass sich Glukosemoleküle an
unterschiedlichen Bindungsstellen verknüpfen (1,4-
gen, wobei das für den Glykogenaufbau ver- und 1,6-Verknüpfungen)
antwortliche Enzym, die Glykogensynthase, je
nach Bedarfssituation entweder aktiviert oder
Belastung, Erholung (Kompensation) und Su-
gehemmt werden kann (. Abb. 2.24).
perkompensation angewendet. Hierbei sind je-
doch die unterschiedlichen Regenerationszeiten
Exkurs: Glykogen und Glykogenstoffwechsel der verschiedenen biologischen Teilsysteme zu
beachten. Während die Glykogensuperkompen-
Glykogen ist ein verzweigtes tierisches
Polysaccharid, das aus einzelnen Glukosemole-
sation nach ein bis zwei Tagen abgeschlossen ist,
külen (Traubenzucker) aufgebaut ist. Es befindet benötigt die vollständige Biosynthese zerstörter
sich zu einem Drittel in der Leber (bis zu 150 g Strukturproteine (z. B. Aktin und Myosin) oder
Glykogen) und zu zwei Dritteln in der Muskulatur Zellorganellen (z. B. Mitochondrien) mehrere
und besitzt als Speicherform der Kohlenhydrate Tage (. Abb. 2.25). Zusätzlich ist die hohe Indi-
eine hohe energetische Bedeutung bei
körperlicher Beanspruchung. Das Leberglykogen
vidualität der Anpassungen zu berücksichtigen,
dient im Rahmen der Glykogenolyse und der was bedeutet, dass unterschiedliche Athleten auf
dadurch möglichen Abgabe von Glukosemole- identische Trainingsreize verschieden reagieren
külen ins Blut der Aufrechterhaltung des (sogenannte Low-, High- oder Non-Respon-
Blutzuckerspiegels. Glykogenaufbau und -abbau der). Vor diesem Hintergrund ist der praktische
unterliegen der jeweiligen Bedarfssituation und
werden primär durch das Enzym Glykogensyn-
Brauchwert des Prinzips der Superkompensation
thase reguliert. Dieses Schlüsselenzym wird in im Sinn einer zeitlich punktgenauen Festlegung
Abhängigkeit des Hormonspiegels (Insulin/ des nächsten Trainingsreizes für die Trainings-
Glukagon versus Adrenalin) über verschiedene steuerung unbrauchbar (. Abb. 2.25). Anderer-
Zwischenschritte in seine aktive Form, die seits liefert das Prinzip eine gute Modellvorstel-
Glykogensynthase-a überführt. Eine vorausge-
gangene Glykogenentleerung induziert eine
lung über den theoretischen Verlauf struktureller
maximale Enzymaktivierung (ggf. auch und funktioneller Anpassungen durch sportli-
Induktion der Genexpression des Enzyms). ches Training, und es legt eine angemessene Ab-
folge von Belastung und Erholung nahe.
Strukturelle Anpassungen basieren in den
Das Prinzip der Superkompensation wird meisten Fällen auf der Neubildung von Pro-
vielfach verallgemeinert auf jegliche Anpassun- teinen im Rahmen der Proteinbiosynthese
gen durch sportliches Training (z. B. einschließ- (. Abb. 2.26). Unter der Proteinbiosynthese
lich Koordinations- und Techniktraining bzw. versteht man die Neubildung von Proteinen
Krafttraining) nach dem einfachen Dreisatz aus innerhalb der Zellen. Dabei werden bestimmte
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
57 2
..      Abb. 2.25 Rege-
Azidose
nerationszeiten
(u. a. Milchsäure)
unterschiedlicher
Teilsysteme nach Elektrolytverschiebung
Belastungsende (K+ Mg2+)
(Weineck 2000, S. 34) Wasserdefizit

Belastungsende
vermindeter Energiespeicher
(Glykogen)

verbrauchte kontraktile Proteine


(Aktin/Myosin)

beschädigte Zellorganellen
(Mitochondrien)

bis zu 1–3
1 Std. 2 Tage 8 Tage
6 Std. Tage
Regenerationszeit

DNA Protein

Transkription RNA-Polymerase
Protein
Pro Ala
Ser
Met

tRNA
Glu
Ser
Leu
Glu
Pro

Zellkern mRNA
mRNA

Translation Ribosom
Cytoplasma

..      Abb. 2.26 Vereinfachtes Schema der Proteinbiosynthese

Abschnitte des Erbguts (Gene auf der DNA) kelfibrillen). Neben der gezielt direkten und
zunächst bedarfsgerecht aktiviert, nach der bedarfsangemessenen Genaktivierung können
Vorlage des DNA-Abschnittes im Zellkern in auch indirekte „epigenetische“ Regulationen
eine Kopie (mRNA) transkribiert (Transkrip- der Genaktivität durch körperliche Aktivität
tion) und anschließend an den Ribosomen im verursacht werden. Diese bestehen beispiels-
Zellplasma über Zwischenstufen (tRNA) in ein weise darin, dass gesundheits- oder leistungs-
Protein, bestehend aus zahlreichen aneinander- fördernde Gene biochemisch (durch Demet-
gereihten Aminosäuren, übersetzt (Translation; hylierung) erst in ihre aktive Form überführt
. Abb. 2.26). Der anschließende Transport der werden. Dies erklärt auch die Unterschiede in
Proteine (Proteintargeting) erfolgt über spezi- der phänotypischen (körperlich sichtbaren)
elle Signalsequenzen (z. B. Einbau neuer Myo- Entwicklung von eineiigen Zwillingen (Bloch
sinfilamente in Bereichen geschädigter Mus- und Zimmer 2012).
58 A. Ferrauti und H. Remmert

Die Art der durch Training induzierten Syn- trophie) gegenüber dem Proteinverschleiß (Atro-
these von Strukturproteinen ist sehr unterschied- phie) überwiegt (Mader 2002). Das Verhältnis
lich und hängt von der jeweiligen Reizsetzung ab. beider Faktoren auf die Proteinmasse ist pri-
2 So werden durch Krafttraining vermehrt myo- mär abhängig vom täglichen Belastungsumfang
fibrilläre Proteine und durch Ausdauertraining (Energieumsatz pro Tag) und selbstverständlich
Proteine zur Neubildung von Mitochondrien, auch von der Kalorienbilanz und einer ausrei-
Kapillaren (Angiogenese) oder Blutzellen (Häma- chenden Verfügbarkeit von Aminosäuren. So-
topoese) synthetisiert (Egan und Zierath 2013). bald der Proteinaufbau den -abbau nicht mehr
Beide Prozesse können sich durch die für die kompensieren kann, stellt sich eine Leistungs-
Auslösung der Anpassungsprozesse unterschied- stagnation ein, die bei noch höherer Belastung
liche intrazelluläre Signalkaskade gegenseitig zu einem Leistungsabfall führt. Für die Sport-
hemmen oder gar ausschließen, was in der Trai- praxis leitet sich daraus ab, dass eine individuell
ningssteuerung (Problem: Concurrent Training) optimale Reizsetzung gefunden werden muss
Berücksichtigung finden muss (. Abb. 2.17). und unreflektierte Theorien nach dem Motto
Auch im Rahmen von Techniktraining lau- „Je mehr, desto besser!“ bzw. „Train hard – quäl
fen Synthesevorgänge zur Neubildung (Neuro- dich!“ langfristig wenig zielführend sind.
genese) oder besseren Vernetzung von Nerven-
zellen im Gehirn ab. Die Kontaktstelle zwischen  xkurs: Regeneration und Adaptation – zwei
E
zwei Nervenzellen (das Spine bzw. der dendri- Konkurrenten bei der Trainingssteuerung?
tische Dornfortsatz) kann sich innerhalb von
Minuten bis Stunden morphologisch verändern Aktive Erholung in unmittelbarem Anschluss an
jede Trainingseinheit während eines HIIT-­
und sogar in mehrere Spines aufteilen. Als Folge Mesozyklus über mehrere Wochen besaß
ergeben sich im Gehirn je nach Beanspruchung gegenüber passiver Erholung keine nachteiligen,
nennenswerte makroskopische Umorganisatio- sondern sogar tendenziell vorteilhafte Auswir-
nen (Strüder et al. 2016). Sogar die Ausdauer- kungen auf die Entwicklung der Ausdauer
leistungsfähigkeit kann durch strukturelle und (Wiewelhove et al. 2018). In einer weiteren Studie
ergaben sich durch regelmäßige Kälteapplikatio-
biochemische Anpassungen im Gehirn zuneh- nen nach einem Krafttraining jedoch eher
men. Dies kann durch Angiogenese (Laube negative Auswirkungen auf die Kraftentwicklung
2013), aber auch rein koordinativ erfolgen. (Meyer et al. 2016). Die Beispiele zeigen
Verbesserungen der Laufökonomie senken den insgesamt, dass eine Unterscheidung zwischen
Sauerstoffbedarf bei gegebener Laufgeschwin- der Betrachtung kurzfristiger Erholungsvorgänge
(z. B. während eines Turniers zur raschen
digkeit. Sogar motivationale Funktionsände- Wiederherstellung der Wettkampfleistung) und
rungen (z. B. prozentualer Anteil der dauerhaft langfristiger Anpassungsprozesse (z. B. im
eingesetzten Sauerstoffaufnahme) werden in Rahmen von Mesozyklen) notwendig ist.
der Neurophysiologie auf strukturelle, bioche- Inwieweit eine Verlängerung der Heterostasewir-
mische und biophysikalische Anpassungen im kung (Zunahme des Internal Load) möglicher-
weise auch mit einer Abnahme des Trainingsrei-
Gehirn zurückgeführt (Strüder et al. 2016). zes (Abnahme des External Load) einhergeht und
Hirnforscher gehen von der Existenz eines ob sich beide Effekte gegenseitig egalisieren,
Central Governor aus, ein Gehirnareal, das alle müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.
Inputs und Outputs des Körpers empfängt, in-
tegriert und im Ergebnis das Verhalten steuert.
In konsequenter Weise sind demnach auch die Es erscheint zunächst plausibel, dass sich
Anpassungen durch Techniklernen strukturell nach dem Prinzip der optimalen Relation von
zentralnervös determiniert (Laube 2013). Belastung und Erholung (. Abb. 2.14) die Er-
Proteinbiosynthese und Proteinverschleiß holung zwischen aufeinanderfolgenden Trai-
bzw. -abbau verlaufen stets simultan. Strukturell ningsreizen möglichst rasch einstellen sollte,
positive Nettoanpassungen sind somit nur dann um hierdurch die Trainingsdichte steigern zu
möglich, wenn die Proteinbildungsrate (Hyper- können. Durch den Einsatz von Regenera-
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
59 2
tionsverfahren zur Beschleunigung der Erho- Auslösemechanismen für die Anpassung
lung (z. B. raschere Superkompensation) wären nicht gerecht. Hohmann et al. (2002) spre-
demnach die Anpassungsvorgänge zu optimie- chen daher von Leistungsveränderungen
ren. Nimmt man jedoch die Homöostasestö- durch Informationsorganisation und grenzen
rung als Primärreiz für Adaptation, dann lässt diese Vorgänge von der rein reaktiv ablaufen-
sich auch eine antagonistische Vorgehensweise den biologisch-­ strukturellen Adaptation ab
begründen. Derzeit wird daher intensiv unter- (7 Kap. 8).
sucht, inwieweit sich eine beschleunigte Er- Bewegungslernen findet durch ständige In-
holung möglicherweise adaptationsmindernd teraktion des Organismus mit seiner Umwelt
auswirkt (u. a. auf Ebene der Angiogenese, aber und in einem stetigen, aktiven und durch die
auch hinsichtlich der Muskelhypertrophie; Wahrnehmung der Sinnesorgane sowie durch
Hunt et al. 2008). Eigene Trainingsstudien im Außeninformationen (z. B. des Trainers) ge-
Rahmen des langjährigen WVL-Projekts Rege- steuerten Feedback-Prozess statt (daher auch
nerationsmanagement im Spitzensport (Meyer das Synonym „sensomotorisches Lernen“).
et al. 2016) ergaben hierzu noch keine eindeu- Bewegungslernen erfolgt durch Intuition, Imi-
tigen Befunde. tation und Instruktion. In der Trainingswis-
Zusammenfassend können Anpassungen senschaft existieren verschiedene Ansichten,
durch sportliches Training vor allem durch welcher dieser Wege in den stark technikdeter-
strukturelle Veränderungen auf molekularer minierten Sportarten am ehesten zielführend
und zellulärer Ebene erklärt werden. In den ist (u. a. Schöllhorn et al. 2015 versus Künzell
meisten Fällen handelt es sich dabei um die und Hossner 2012). Unabhängig von dieser
Neubildung von Proteinen im Rahmen der Diskussion erscheint es angemessen, dem As-
Proteinbiosynthese. Proteinbiosynthese und pekt des motorischen Lernens eine der rein
Proteinverschleiß bzw. -abbau laufen stets si- strukturellen Anpassung im Zentralnervensys-
multan ab. Die Art der durch Training indu- tem übergeordnete Aufmerksamkeit zu wid-
zierten Synthese von Strukturproteinen ist sehr men (7 Kap. 8).
unterschiedlich und hängt von der jeweiligen Auch die Entwicklung von kognitiven und
Reizsetzung ab. Auch im Gehirn laufen Syn- psychologischen Fähigkeiten und Fertigkeiten
thesevorgänge zur Neubildung (Neurogenese) (z. B. emotionale und motivationale Anpas-
ab und werden in der Neurophysiologie vor sungsprozesse) hängt im Wesentlichen von
allem zur Erklärung motorischer (technisch-­ aktiven und interaktiven Lernvorgängen ab.
koordinativer) und kognitiver (taktisch-psy- Nicht die ermüdungsbedingte Auslenkung der
chologischer) Faktoren herangezogen. biochemischen Homöostase, sondern die ak-
tive kognitive Auseinandersetzung des Athle-
ten mit dem Trainingsziel verursacht den An-
2.4.5 Metastrukturelle passungsprozess.
Anpassungen durch Training Im Taktiktraining der Sportspiele werden
daher nach der Vermittlung taktischer Grund-
Auch motorische (technisch-koordinative) regeln und Hinweisen zur Aufmerksamkeits-
und kognitive (taktisch-psychologische) An- lenkung weitgehend offene Spielsituationen
passungen basieren im engeren Sinne auf kreiert, in denen Spieler Entscheidungspro-
strukturellen Veränderungen, die sich durch zesse mit zunehmender Komplexität gestalten
die hohe Plastizität des Gehirns ergeben müssen und durch stetigen Abgleich der erwar-
und beispielsweise im Rahmen eines Taktik- teten Effekte mit den erzielten Wirkungen das
trainings die Wahrnehmung und Wahrneh- eigene Verhalten korrigieren bzw. optimieren.
mungsverarbeitung des Athleten verändern. Taktiktraining ist demnach im Wesentlichen
Andererseits wird diese enge Sichtweise den Entscheidungstraining (Memmert 2014; Raab
zugrundeliegenden völlig unterschiedlichen 2014). Danach muss der Sportler verschiedene
60 A. Ferrauti und H. Remmert

Handlungsalternativen erlernen (divergentes metabolischer (u. a. negative Proteinbilanz,


Denken), um dann die spielgemäß geeignete Glykogenverarmung, Abnahme des Testoste-
Handlung auszuwählen (konvergentes Den- ron/Kortisol-Quotienten), hämatologischer
2 ken). Durch den regelmäßigen Vergleich des (u. a. Blutarmut und Eisendefizit), myopathi-
realen Handlungsergebnisses mit dem antizi- scher (negative Veränderung der Muskelfaser-
pierten und avisierten Handlungsergebnis er- struktur) und sympatho-­adrenerger (Stress-
gibt sich eine kontinuierlich verbesserte Infor- hormonausschüttung) Veränderungen. Auch
mationsorganisation (Prinzip der antizipativen zentralnervöse Effekte wie eine reduzierte Er-
Verhaltenskontrolle nach Hoffmann 1993). regbarkeit (Reflexaktivität und die sogenannte
Flimmerverschmelzungsfrequenz) und eine
Regulationsstörung zwischen Gehirnzentren
2.4.6 Das Übertrainingssyndrom mit Veränderungen der Serotoninkonzentra-
als Fehlanpassung durch tion werden aufgelistet. In der Summe können
Training diese klinischen Detailveränderungen zu fol-
genden übergeordneten Symptomen führen:
Das Übertrainingssyndrom bezeichnet den Leistungsabfall, Depression, Motivations-
dauerhaften Leistungsverlust eines Athleten, verlust, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit,
der trotz einer geregelten Trainingsdurch- Gewichtsabnahme, Reizbarkeit, chronische
führung eintritt und mit einer breitgefächer- Müdigkeit sowie Infekt- und Verletzungsan-
ten Symptomatik verbunden ist (Hollmann fälligkeit (Strüder et al. 2016).
und Strüder 2009). Ursache für die Entste- Die Theorien zur physiologischen Pri-
hung ist ein Missverhältnis zwischen der märursache bei der Entstehung des Über-
psycho-physischen Beanspruchung einer- trainingssyndroms entwickelten sich in den
seits und der Regeneration andererseits. Auf- vergangenen Dekaden stetig weiter. Ur-
grund der gleichzeitigen Einwirkung physi- sprüngliche Arbeiten gehen auf Israel (1976)
scher (ein dauerhaft erhöhter Energieumsatz zurück, der zwischen einer sympathikoto-
in den ausdauerorientierten Sportarten ist nen Form des Übertrainings primär in den
höher risikobehaftet als die typische Bean- kraft- und schnellkraftorientierten Sportar-
spruchung in primär kraft- und schnellkraft- ten (z. B. mit Anstieg der Ruheherzfrequenz)
orientierten Sportarten) und psychischer und einer parasympathikotonen Reaktions-
Faktoren (z. B. sozialer und s­ elbstauferlegter lage hauptsächlich in den Ausdauersportar-
Druck, Wettkampfstress, Medienanforde- ten (z. B. mit Abfall der Ruheherzfrequenz)
rungen) befindet sich das Forschungsfeld unterschied.
zwischen der Sportmedizin und der Sport- Auch die Theorie der negativen Protein-
psychologie (Kellmann 2002). bilanz nach Mader (2002) wird im Zusam-
In der englischsprachigen Literatur wer- menhang mit der Entstehung des Übertrai-
den neben den Begriffen „Overtraining“ ningssyndroms verwendet. Leistungsgewinn
und „Overtraining Syndrome“ auch „Burn- (-verlust) durch Training (Übertraining)
out (Syndrome)“ und „Chronic Fatigue“ sy- ist demnach mit dem Gewinn (Verlust) an
nonym verwendet (Vogel 2001). Der Begriff funktioneller Proteinmasse verbunden. Wei-
„Syndrom“ wird verwendet, da völlig unter- tere Theorien zur Ätiologie sind unter an-
schiedliche klinische Krankheitszeichen in derem die Glykogenmangel-Hypothese und
Kombination auftreten können. Lehmann die BCAA-Hypothese (Vogel 2001). Letztere
et al. (1999) geben eine umfassende Über- besagt, dass verzweigtkettige Aminosäuren
sicht über die Vielzahl möglicher peripherer (Branched Chain Amino Acids, BCAA) bei
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
61 2
langwährender Belastung vermehrt vom Overreaching möglich. Dies erfordert jedoch
Muskel zur Energiebereitstellung verstoff- eine stetige Gratwanderung, weil dadurch
wechselt werden und dass andere Amino- ein Übertrainingssyndrom entstehen kann
säuren (u. a. Tryptophan) durch den Abfall (. Abb. 2.27).
in der Peripherie über den gleichen Carrier
die Blut-Hirn-Schranke leichter überwinden
Praxistipps zur Prophylaxe des Übertrai-
und dort die Vorstufe für Serotonin bilden. ningssyndroms
Diesem Neurotransmitter kommt unter an-
derem eine besondere Bedeutung für die 55 sorgfältige Trainings- und Wettkampfpla-
Induktion von Müdigkeit zu (Wagenmakers nung
1992). 55 tägliche Dokumentation von Training,
Aufgrund der Vielzahl an völlig unter- Ermüdungsmarkern und Befinden
(Monitoring)
schiedlichen peripheren und zentralnervö- 55 Steigerung der Trainingsqualität durch
sen klinischen Symptomen spricht jedoch zielgerichtete Ausrichtung der Belas-
einiges dafür, dass die Primärursache eine tungsnormative
von der Peripherie völlig unabhängige funk- 55 Individualisierung der Trainingsbelas-
tionelle Störung im zentralen Steuerungsor- tung
55 Vermeidung einer hohen Dichte von
gan des menschlichen Organismus ist, dem Wettkämpfen mit großer Bedeutung
Gehirn (Strüder et al. 2016). Dort kommt 55 Schaffung einer aufgeklärten und mündi-
dem Botenstoff (Neurotransmitter) Seroto- gen Trainer-Athleten-Beziehung
nin tatsächlich eine wichtige Rolle für Be-
findlichkeitsveränderungen zu. So kann eine
Dysbalance im serotonergen Neurotrans-
mittersystem ebenfalls Depressionen auslö- Trainingsumfang/-intensität
sen. Serotonin beeinflusst die Erregbarkeit Leistung
B)
motorischer Neurone und steuert auch die A)

Sekretion von Hormonen sowie die afferen- B) C)


ten Herznerven. Inwieweit die Dysbalance A)
im Serotoninsystem tatsächlich unabhängig B)
B)
von peripheren Veränderungen ist oder ob C)

sie auch über psychosozialen Stress alleine


ausgelöst werden kann, ist fraglich. Offenbar Training
A) Taper
B) Overreaching
+ Taper
C) Detraining
nach
sind beide Möglichkeiten gegeben (Strüder B) Overreaching
C) Overtraining Overtraining

et al. 2016). 0 2 4 Wochen


Aus trainingswissenschaftlicher Sicht er-
fordert das Übertrainingssyndrom speziell im ..      Abb. 2.27 Gratwanderung zwischen Overreaching
und Overtraining. Werden Trainingsumfang und -inten-
Leistungssport aufgrund der dort stark redu- sität unverändert auf höchstem Niveau fortgesetzt (C),
zierten Adaptationsreserve (. Abb. 2.18), der besteht die Gefahr eines Overtrainings mit Leistungs-
dadurch erforderlichen hohen Reizsetzung verlust und der Notwendigkeit einer Trainingspause
(Belastungsumfänge und -intensitäten) und (Detraining). Wird das Overreaching zum richtigen
der vielfach überhöhten Wettkampfdichte mit Zeitpunkt durch eine Taperphase unterbrochen (B),
kann eine überschießende Leistungssteigerung
besonderen Stressbelastungen (. Abb. 2.16) gegenüber einer zu frühzeitigen Reduktion der
besondere Aufmerksamkeit. Eine überschwel- Trainingsreize (A) erreicht werden (Hohmann et al. 2002,
lige Reizsetzung ist oft nur durch ein gezieltes S. 155)
62 A. Ferrauti und H. Remmert

2.5  ufgaben zur Nachbereitung


A bzw. auf die Session-RPE (wahlweise auch
des Kapitels auf herzfrequenzbasierte Größen) besitzt.
Wählen Sie hierfür ein Intervalltraining
2 (z. B. Schwimmen oder Laufen) und
beschreiben Sie jeweils präzise die verwen-
deten und variierten Belastungsnormative.
4. Recherchieren Sie in grundlegenden
Lehrbüchern der Biologie oder Physiologie
bzw. im Internet nach den Begriffen
„Glykogenolyse“, „Glykolyse“, „Proteinbio-
synthese“ und „mRNA“.
5. Recherchieren und lesen Sie die folgenden
Publikationen aus unserem Arbeitskreis:
Ferrauti, A., Pluim, B.M. und Weber, K.
(2001). The effect of recovery duration on
running speed and stroke quality during
intermittent training drills in elite tennis
players. Journal of Sports Sciences, 19(4),
235–242.
Wiewelhove, T., Fernandez-Fernandez, J.,
Raeder, C., Kappenstein, J., Meyer, T.,
Kellmann, M., Pfeiffer, M. und Ferrauti, A.
(2016). Acute responses and muscle damage
in different high-intensity interval running
protocols. Journal of Sports Medicine and
Physical Fitness, 56(5), 606–615.
6. Recherchieren Sie in der Datenbank PubMed
1. Beschreiben Sie kurz den Hauptteil einer nach Publikationen zu den Begriffskombina-
Trainingseinheit (TE) aus einer Sportart tionen „Exercise“ und „Muscle Hypertrophy“
Ihrer Wahl. Orientieren Sie sich dabei am und definieren Sie die Begriffe in den
Baukastensystem „Trainingsqualität“ und Suchfeldern vorher als „Title Word“. Wählen
ordnen Sie die TE auch in die Jahresperio- Sie anhand der Abstracts eine Originalarbeit
disierung ein. Benennen Sie Trainingsin- aus und fassen Sie diese in deutscher Sprache
halte, -methoden und -mittel zu einem kurz zusammen (max. 150 Wörter).
konkreten Trainingsziel und präzisieren Sie
an einem Beispiel die Belastungsnormative.
2. Beschreiben Sie für mindestens drei Literatur
verschiedene Trainingsprinzipien konkrete
Baird, M. F., Graham, S. M., Baker, J. S., & Bickerstaff, G. F.
praktische Beispiele oder Anwendungssze-
(2012). Creatine-Kinase and exercise-related
narien aus der Literatur oder Ihrer eigenen muscle damage. Implications for muscle perfor-
sportpraktischen Erfahrung. mance and recovery. Journal of Nutrition and Meta-
3. Überprüfen Sie in einem kleinen Experi- bolism, 1–13. https://doi.org/10.1155/2012/960363.
ment mit mindestens zwei Versuchstagen Bangsbo, J., & Mohr, M. (2014). Individual training in
football. Slangerup: Bangsbosport ApS.
in der Praxis, welche Auswirkungen für Sie
Banister, E. W. (1982). Modeling Elite athletic perfor-
persönlich die Veränderung von Belas- mance. In J. D. MacDougall, H. W. Wemger, & H. J.
tungsintensität oder -dauer auf das Green (Hrsg.), Physiological testing of Elite athletes
Belastungsempfinden nach der RPE-Skala (S. 403–425). Champaign: Human Kinetics.
Grundlagenwissen zum sportlichen Training
63 2
Banister, E. W. (1991). Modeling Elite athletic perfor- tennis players. Journal of Sports Sciences, 19(4),
mance. In J. D. Macdougall, H. A. Wenger, & H. J. 235–242.
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performance athlete (Canadian Association of Urine catecholamine concentrations and psycho-
Sport Sciences). Champaign, Illinois: Human Kine- physical stress in elite tennis under practice and
tics Books. tournament conditions. The Journal of Sports Medi-
Banister, E. W., Calvert, I. W., Savage, M. V., & Bach, I. M. (1975). cine and Physical Fitness, 41(2), 269–274.
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67 3

Leistungssteuerung
Alexander Ferrauti, Christoph Schneider und Thimo Wiewelhove

3.1 Komponenten der Leistungssteuerung – 69

3.2 Wettkampfanalyse und Wettkampfleistung – 72


3.2.1 E rgebnisanalysen – 72
3.2.2 Pacing-Analysen – 73
3.2.3 Systematische Spielanalysen – 75
3.2.4 Tracking-Analysen – 78
3.2.5 Belastungs- und Beanspruchungsanalysen – 81
3.2.6 Leistungsstrukturanalysen – 82

3.3 Wettkampfsteuerung und Wettkampfvorbereitung – 86


3.3.1  hasenstruktur und Ziele der Wettkampfvorbereitung – 87
P
3.3.2 Inhalte, Dauer und Intensität der
Wettkampfvorbereitung – 89
3.3.3 Precooling zur Wettkampfvorbereitung – 95

3.4 Leistungsdiagnostik und Testverfahren – 97


3.4.1  öglichkeiten der Klassifizierung – 99
M
3.4.2 Qualitätssicherung und Testgütekriterien – 103
3.4.3 Testnormierung – 110
3.4.4 Diagnostik von Anthropometrie und Reifegrad – 113
3.4.5 Diagnostik der Körperkomposition – 115
3.4.6 Kraftdiagnostik – 117
3.4.7 Schnelligkeitsdiagnostik – 128
3.4.8 Beweglichkeitsdiagnostik – 134
3.4.9 Ausdauerdiagnostik – 136
3.4.10 Sportartspezifische Leistungsdiagnostik – 148

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_3
3.5 Trainingssteuerung – 151
3.5.1  llgemeine Leitlinien – 152
A
3.5.2 Individuelle Schwerpunktsetzung – 155
3.5.3 Individuelle Belastungsdosierung – 160
3.5.4 Aktuelle Feinjustierung durch Monitoring – 163

3.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 178

Literatur – 178
Leistungssteuerung
69 3
„Kein Sieger glaubt an den Zufall.“ (Friedrich 3.1 Komponenten der
Nietzsche) Leistungssteuerung

Zusammenfassung Der Begriff der Leistungssteuerung geht auf


Leistungssteuerung beinhaltet die zentralen Grosser et al. (1986) zurück. Ihm liegt eine sys-
Komponenten Wettkampfanalyse (und Wett- temdynamische Modellvorstellung zugrunde,
kampfsteuerung), Leistungsdiagnostik und nach der die Leistungsentwicklung eines Ath-
Trainingssteuerung. Alle Komponenten sind leten nicht willkürlich und zufällig, sondern
miteinander vernetzt und weisen jeweils eine unter Berücksichtigung eines klaren Leitfadens
langfristige und eine kurzfristige Perspektive unter Einbezug mehrerer Komponenten er-
auf. Im Bereich der Wettkampfanalyse existie- folgt. Der besondere Charme dieses Modells
ren Verfahren verschiedener Komplexität zur besteht darin, dass hier erstmals die vielfälti-
Beschreibung (z. B. Belastungs- und Beanspru- gen trainingswissenschaftlichen Interventions-
chungsprofile) und Erklärung der Wettkampf- möglichkeiten im Leistungssport explizit be-
leistung (Leistungsstrukturmodelle). Die Leis- nannt und systematisch mit dem in der
tungsdiagnostik widmet sich mit zahlreichen Sportpraxis üblichen Trainings- und Wett-
Verfahren speziell der Feststellung athletischer kampfprozess verflochten werden.
Komponenten außerhalb der Wettkampfsitua- Leistungssteuerung
tion. Auswahl bzw. Entwicklung der verwende-
Unter Leistungssteuerung versteht man
ten Testverfahren werden in jeder Sportart von
die gezielte, wissenschaftlich unterstützte
der Wettkampfanalyse beeinflusst und sollten
kurz- und langfristige Abstimmung aller für
stets die klassischen Gütekriterien erfüllen. Die
die Planung, Durchführung und Auswer-
Leistungsdiagnostik liefert in langfristiger Per-
tung sowie für die Kontrollen und Kor-
spektive auf der Basis von repräsentativen
rekturen notwendigen Maßnahmen zum
Querschnitterhebungen differenzierte Norm-
Zwecke der Leistungsoptimierung (Grosser
profile zur Einordnung der individuellen aktu-
et al. 1986).
ellen Leistungsfähigkeit. Aus Wettkampfanaly-
sen und Leistungsdiagnostik lassen sich
sportartspezifische Leitlinien definieren und
hierarchisieren, die die Trainingssteuerung Der Prozess der Leistungssteuerung wird von
grundlegend beeinflussen. Die aktuellen Da- Grosser und seinen Co-Autoren (1986) mithilfe
ten von individueller Wettkampfanalyse und eines Regelkreises beschrieben und unterliegt
Leistungsdiagnostik liefern in kybernetisch re- daher einer kybernetischen Betrachtungsweise.
gulierten Zyklen wichtige Informationen für Demnach stellt die zentrale Regelgröße des Sys-
die Trainingssteuerung. Durch ein tägliches tems die Leistungsfähigkeit des Athleten dar.
Athleten-Monitoring (z. B. Trainings- und Er- Als Messfühler zu deren regelmäßiger und ak-
müdungsdokumentation) sowie eine Trai- tueller Erfassung fungiert unter anderem die
ningswirkungsanalyse (z. B. Modellierung der Leistungsdiagnostik. Differenzen zwischen der
Zusammenhänge zwischen Training und Leis- aktuellen Leistungsfähigkeit und definierter
tungsentwicklung) werden individuelle und Sollwerte beeinflussen das Training als zentra-
aktuelle Informationen zur Feinjustierung all- les Stellglied für die Regelgröße (. Abb. 3.1).
gemeiner Leitlinien und definierter Trainings- Interessanterweise wird der üblicherweise
ziele in einen integrativen Prozess der Trai- verwendete Begriff der „Steuerung“ stets
ningssteuerung überführt. fälschlicherweise benutzt (7 Exkurs: Steuerung
70 A. Ferrauti et al.

Sollwert 1. die zugrunde liegenden Komponenten der


(Leistungsziel)
Leistungssteuerung eine ausreichende
Komplexität und Interaktionsmöglichkeit
Ist-Soll-Vergleich
aufweisen,
2. trotz aller Planungsbemühungen stets
angemessene Spielräume für individuelle
3 Stellglied Messfühler und unvorhersehbare Störgrößen vorgese-
(Training) (Leistungsdiagnostik) hen werden und
3. Athleten und Trainer eine ausreichende
Regelgröße Zurückhaltung bezüglich ihrer Erwartun-
(Leistungsfähigkeit) gen zu Zielgenauigkeit und Treffsicherheit
des Steuerungsprozesses üben.
..      Abb. 3.1 Kybernetisches Modell zur Steuerung
der Leistungsfähigkeit im Sport (modifiziert nach
Hohmann et al. 2002, S. 159) Die Komponenten Wettkampfsteuerung bzw.
Wettkampfanalyse, Leistungsdiagnostik und
und Regelung), soll jedoch aufgrund des tradi- Trainingssteuerung bilden wesentliche Kompo-
tionellen Konsens über den Gegenstand auch nenten der Leistungssteuerung und sind bedeut-
im folgenden Verwendung finden. same Handlungsfelder der Trainingswissen-
schaft. Sie werden mit unterschiedlicher zeitlicher
Perspektive in der trainingswissenschaftlichen
Exkurs: Steuerung und Regelung
Betreuung der Sportarten eingesetzt. Das nach-
Unter Steuerung versteht man eine Einrichtung folgende Modell bildet die Grundstruktur für
zur Veränderung eines physikalischen Wertes, den Verlauf des Kapitels (. Abb. 3.2).
die jedoch im Gegensatz zur Regelung keine
Rückkopplung über das Ergebnis erhält. Man
Langfristige Perspektive Repräsentative Wett-
unterscheidet daher auch zwischen einer
offenen (Steuerung) und geschlossenen kampfanalysen müssen bei weiblichen und
Wirkungskette (Regelung). männlichen Athleten in unterschiedlichen
Leistungs- und Alterskategorien durchgeführt
werden, um differenzierte Aussagen zu den
Das Modell impliziert, der Prozess der Leis- Belastungs- und Beanspruchungsprofilen zu
tungsoptimierung wäre vergleichsweise ein- ermöglichen (. Abb. 2.9). Gleichzeitig liefern
fach und könne linear vollzogen werden, da diese Daten eine wichtige Orientierung für
alle unvorhersehbaren Störgrößen durch den die Entwicklung und Validierung sportartspe-
Messfühler erkannt und durch das Stellglied zifischer Verfahren der Leistungsdiagnostik.
behoben werden können. Hohmann und Co-­ Letztere ermöglichen durch ebenfalls differen-
Autoren (2002) verweisen in diesem Zusam- zierte Querschnittuntersuchungen außerhalb
menhang auf die außergewöhnliche Komplexi- des Wettkampfes die Vorlage repräsentativer
tät des Trainingsprozesses und favorisieren Normprofile zu ausgewählten physischen Leis-
einen Paradigmenwechsel von linearen zu tungskomponenten. Die synoptische Analyse
nichtlinearen Modellen der Trainingswissen- der Querschnittergebnisse von Wettkampf-
schaft, zumal der Mensch nicht als „triviale analyse und Leistungsdiagnostik liefert we-
Maschine“, sondern stets auch mit unvorher- sentliche Grundlagen zum Verständnis der
sehbaren Reaktionen auf Außenreize reagiert. Leistungsstruktur einer Sportart sowie für eine
Trotz dieser berechtigten Kritik sind Grund- allgemeine Hierarchisierung und Definition
züge einer kybernetischen Denkweise für ein sportartspezifischer Leitlinien für Talentidenti-
zielgerichtetes und systematisches Zusammen- fikation und Trainingssteuerung (differenziert
wirken von Trainingswissenschaft und Trai- nach Alter und Geschlecht bzw. ggf. Disziplin
ningspraxis hilfreich. Selbstverständlich müssen: und Spielposition).
Leistungssteuerung
71 3
Wettkampfanalyse Leistungsdiagnostik
differenzierte Belastungs-/ Entwicklung sportartspezifischer
Beanspruchungsprofile Diagnoseverfahren
langfristige
Perspektive
Leistungsstrukturmodelle differenzierte Normprofile

individuelle Trainingswirkungsanalyse
der Sportarten zur Leistungsfähigkeit
individuelles Athletenmonitoring

Allgemeine Hierarchisierung und Definition sportartspezifischer Leitlinien für


Talentidentifikation und Trainingssteuerung (differenziert nach Alter und Geschlecht)

Trainingssteuerung
Trainingsplanung und Trainingsdurchführung

Individuelle Hierarchisierung und Definition von Trainingszielen

Ist-Sollwert-Vergleich zu Ist-Sollwert-Vergleich zu
Leistungs-Normprofilen Leistungs-Normprofilen
kurzfristige
Perspektive
Wettkampfanalyse und
individuelle Leistungsdiagnostik
Wettkampfbetreuung
Wettkampfsteuerung Leistungsdiagnostik

..      Abb. 3.2 Modell der Leistungssteuerung im Sport bestehend aus den Komponenten Wettkampfanalyse
und -steuerung, Leistungsdiagnostik sowie Trainingssteuerung

Beispiel: Basketball I rung in Training und Wettkampf auch im Hin-


blick auf den kommenden Wettkampfgegner
Die schnelle Spielverlagerung von Abwehr zu (. Abb. 2.11). Hier kann die Relativierung der
Angriff (Transition Offense, Fastbreak) lässt sich
Individualergebnisse in Bezug auf bestehende
aus Wettkampfanalysen als ein leistungsbestim-
mendes Merkmal ablesen. Gleichzeitig hat sich die Wettkampf- oder Leistungsprofile hilfreich sein,
Messung der Brustpassweite als ein wichtiges um die individuell kurz- bzw. mittelfristig pri-
Element der Leistungsdiagnostik herausgestellt. mär relevanten Trainingsziele eindeutig zu iden-
Höher selektierte Nachwuchsspieler erreichen tifizieren. Gleichzeitig besteht an dieser Stelle
signifikant bessere Messwerte im Brustpasstest.
je nach Sportart die Möglichkeit, in den oben
Die technisch-konditionelle Optimierung langer
Pässe (sowie die Passannahme) und deren taktisch beschriebenen Regelkreis aus Trainingssteue-
angemessene Integration in das Spielkonzept rung und wiederholter Leistungsdiagnostik und
bilden ein wichtiges zeitlich übergreifendes Wettkampfsteuerung einzusteigen (. Abb. 3.1).
Trainingsziel im Nachwuchsbasketball. Die
Brustpassweite liefert dabei valide Informationen
bei der Talentsuche (Ferrauti et al. 2015). Beispiel: Basketball II

Wettkampfanalyse: Zu selten wird in den letzten


Spielen die Chance zum Fastbreak genutzt.
Kurzfristige Perspektive Wettkampfbetreu-
Leistungsdiagnostik: Der Aufbauspieler (10,2 m
ung und -analysen sowie Leistungsdiagnostik Brustpassweite entsprechend 15 % Leistungsper-
sind in der Sportpraxis primär aus kurzfristiger zentil, U 16 männlich) erreicht weit unterdurch-
zeitlicher Perspektive handlungsleitend. Spiel- schnittliche Leistungen und minimiert damit
analytische Befunde, Ergebnisse moderner potentiell die Fastbreak-Chancen seines Teams. Das
Defizit ist zunächst isoliert, dann zunehmend
Tracking-Verfahren oder aktuelle Leistungs-
komplex und spielorientiert in der mittelfristigen
tests bieten Orientierungen für eine aktuell Trainingsplanung zu berücksichtigen.
und individuell ausgerichtete Leistungssteue-
72 A. Ferrauti et al.

Die Elemente „Athleten-Monitoring“ und Leistungssteuerung zielt im Leistungssport


„Trainingswirksamkeitsanalyse“ (. Abb. 3.2) primär auf eine Optimierung der Wettkampf-
fungieren als zusätzliche Modulatoren zur Fein- leistung. Die Trainingssteuerung ist hier eng
justierung der kurzfristigen Trainingssteuerung. an den Erfordernissen (Belastungen und Bean-
Hier werden die real absolvierten Trainingsin- spruchungen) des Wettkampfes auszurichten
halte (External Load) und die daraus resultie- (Prinzip der wettkampfspezifischen Belas-
3 rende Beanspruchung (Internal Load) sowie die tung), da aufgrund der Spezifität der Trai-
kurzfristig erfassbare Trainingswirkung (Fitness ningswirkung nur auf diese Weise eine ausrei-
& Fatigue) in Einklang gesetzt (7 Abschn. 3.5). chende Trainingsqualität erwartet werden
kann (. Abb. 3.2).
Die folgenden Unterkapitel widmen sich da-
3.2 Wettkampfanalyse und her speziell den methodischen Möglichkeiten,
Wettkampfleistung die Wettkampfleistung sowie die zugrunde lie-
genden Belastungen und Beanspruchungen zu
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel untersuchen und für die Trainingssteuerung zu
nutzen.
Zusammenfassung
Wettkampfanalysen sind wichtige Komponenten
der individuellen Leistungssteuerung und geben 3.2.1 Ergebnisanalysen
darüber hinaus Aufschluss über die Leistungsstruk-
tur verschiedener Sportarten. Untersuchungsme- Wettkampfanalysen basieren im einfachsten
thodisch werden hierzu einfache Ergebnisanaly- Fall auf Ergebnisvergleichen und Rangplatz-
sen, Pacing-Analysen, systematische Spielanalysen, analysen, beinhalten jedoch je nach Sportart
Tracking-Analysen, Belastungs- und Beanspru- weitere Methoden der Datenerhebung wie
chungsanalysen und Leistungsstrukturanalysen Protokollierungen, Weg-Zeit-Analysen, Beob-
angewendet. Diese Analysen werden zur Beschrei- achtungen, Film- und Videoaufnahmen sowie
bung (z. B. Belastungs- und Beanspruchungs- biomechanische und physiologische Messun-
profile) und Erklärung der Wettkampfleistung gen. Im Folgenden kann aufgrund der Fülle an
(z. B. Leistungsstrukturmodellierung) herangezo- unterschiedlichen methodischen Zugängen je-
gen. Im vorliegenden Kapitel werden ausgewählte weils nur auf vereinzelte Analysen eingegan-
Ergebnisse und Anwendungsbeispiele zu allen gen werden.
genannten Analyseverfahren vorgestellt. Diese Altersdifferenzierte Jahresbestenlisten,
belegen die Bedeutung von Wettkampfdaten für aber auch der individuelle Verlauf der Wett-
die kurzfristige Trainingssteuerung im Hinblick auf kampfleistung im zeitlichen Längsschnitt (z. B.
den folgenden Wettkampf („Nach dem Spiel ist vor in der Leichtathletik), liefern einen ersten all-
dem Spiel“) und für die unmittelbare wettkampf- gemeinen Eindruck. Rangplatz- oder Seg-
nahe Trainingssteuerung von Athleten. Ebenfalls mentanalysen im Wettkampfverlauf erlauben
wird daraus ersichtlich, dass Wettkampfdaten eine bereits eine differenziertere Betrachtung. Im
hohe Bedeutung haben, um allgemeingültige Triathlon kann der Athlet seine Leistungen in
Leitlinien zur Hierarchisierung und Priorisierung den drei Teildisziplinen sowie in der Wechsel-
von Trainingszielen und -inhalten im Rahmen der zone absolut und in Relation zu seinen Kontra-
langfristigen Leistungsentwicklung in verschiede- henten vergleichen. Grundsätzlich lässt sich
nen Sportarten (Rahmentrainingskonzeptionen) die Bedeutung der Teildisziplinen für die Ge-
festzulegen. Ausgehend von der Prämisse, dass samtleistung aus den verfügbaren Datensätzen
sich das Training primär an den Erfordernissen des mühelos berechnen, sodass sich bereits auf
Wettkampfes ausrichten sollte („Prinzip der wett- sehr einfache Art und Weise individuelle, aber
kampfspezifischen Belastung“), sind differenzierte auch grundsätzliche Informationen für die
Wettkampfanalysen unverzichtbar. Trainingssteuerung ergeben. In ähnlicher
Leistungssteuerung
73 3
..      Abb. 3.3 Die
Zeitnahme erfolgt bei
Laufwettbewerben
mittels programmierter
Sensoren, die als Chip
entweder in der
Startnummer oder an
den Schuhen getragen
werden. Bei Großver-
anstaltungen, wie hier
beim Bochumer
Uni-Run, wird aufgrund
des verzögerten Starts
die individuelle
Nettozeit registriert

Weise liefern Zeit-Segment-Analysen großer 3.2.2 Pacing-Analysen


Marathonwettkämpfe wertvolle Informationen
für alle Zielgruppen, vom Leistungsläufer bis Insbesondere in weg-/zeitbezogenen Sportar-
zum ambitionierten erstmaligen Finisher ten stehen die Athleten vor der stetigen Ent-
(. Abb. 3.3). scheidung, wann und in welcher Form sie die

Beispiel: Patrick Lange (GER) gegen Lionel Sanders (CAN) beim Ironman auf Hawaii

Der Kanadier Lionel Sanders erreichte beim


Männer
Ironman auf Hawaii 2017 den zweiten Rang in der
Name: Nation: Gesamtzeit: Splitzeiten:
Gesamtplatzierung (. Abb. 3.4). Mit 4:56 min
1 Lange, Patrick GER 08:01:40 00:48:45 / 04:28:53 / 02:39:59
Rückstand nach dem Schwimmen gegenüber dem
späteren Sieger Patrick Lange (GER) übernimmt er 2 Sanders, Lionel CAN 08:04:07 00:53:41 / 04:14:19 / 02:51:53
aufgrund einer herausragenden Leistung auf dem
Rad schon bei Radkilometer 70 die Führung. Seine 3 McNamee, David GBR 08:07:11 00:48:40 / 04:28:55 / 02:45:30

Gesamtzeit auf dem Rad von 4:14:19 h (Durch-


schnittsgeschwindigkeit 43,13 km/h) war neuer ..      Abb. 3.4 Ergebnisse der Ironman World
Radstreckenrekord. In öffentlichen Mitteilungen Championship auf Hawaii 2017. Die Gesamtzeit der
wird eine Durchschnittsleistung in Höhe von 313 W drei Erstplatzierten und die Split-Zeiten (Schwim-
(4,1 W/kg Körpergewicht) und eine mittlere Kadenz men, Rad, Lauf ) sind angegeben
von 87 Umdrehungen angegeben. In entscheiden-
den Phasen der Aufholjagd stieg die Wattleistung Schwimmleistung zu verbessern, und welchen
sogar auf 349 W (4,7 W/kg) an. Nach eigenen Einfluss eine geringfügig langsamere Radzeit oder
Aussagen kann ihn dieser Kraftakt den Gesamtsieg ein verändertes Pacing auf die Laufleistung
gekostet haben. Auf der Marathonstrecke verlor er besitzen. 2018 kam es ganz anders: Patrick Lange
gegenüber dem späteren Sieger fast 12 min. Das siegte erneut und verbesserte seine Radzeit um
Beispiel zeigt, dass bereits einfache Wettkampfana- fast 13 min, während der Kanadier schon nach dem
lysen nachhaltige Effekte auf die Trainingssteue- Schwimmen aussichtslos zurücklag. Die Modellie-
rung besitzen. Für das folgende Trainingsjahr und rung der Wettkampfleistung im Triathlon wird im
die kommende Wettkampfsteuerung gilt es zu deutschsprachigen Raum derzeit vom Karlsruher
entscheiden, wie hoch die Aufwand-Ertrags-Rela- Institut für Technologie (KIT) erforscht (Hoffmann
tion sein wird, wenn Sanders versucht, seine et al. 2015, 2016).
74 A. Ferrauti et al.

verfügbare Energie zielgerichtet einsetzen, um Pacing-Analysen widmen sich nicht nur der
ein bestmögliches Wettkampfresultat zu errei- aktuellen Wettkampfanalyse, sondern auch
chen. Eine geeignete Pacing-Strategie ist die der Berechnung übergeordneter Erklärungs-
Grundvoraussetzung für sportlichen Erfolg in modelle für die Wettkampfleistung. Durch
zahlreichen Disziplinen. Neben den externen technologische Weiterentwicklungen können
zeitstatistischen Analysen können die zugrun- in derartigen Analysen nicht nur Zeitpara-
3 deliegenden physiologischen und psychologi- meter (z. B. Zwischenzeiten über Lauf- oder
schen Mechanismen der Entscheidungsfin- Schwimmdistanzen), sondern auch energeti-
dung im Diskurs mit dem Athleten in die sche Variablen und die realisierte mechanische
retrospektive Analyse einbezogen werden (Ed- Leistung (Power Output in Watt) im Wett-
wards und Polman 2012; Smits et al. 2014; kampfverlauf erfasst und analysiert werden
Thompson 2016). (z. B. mittels des SRM-Systems im Radsport).
Letzteres ist für die Pacing-Analysen von Wett-
kämpfen mit veränderten Umgebungsanforde-
Pacing rungen (z. B. Radrennen mit Anstiegen und
Unter Pacing versteht man die individuell Abfahrten) unverzichtbar. Die mathematische
bestmögliche Verteilung der Energieres- Modellierung dieser Ergebnisse zeigte interes-
sourcen (physiologisch und psycholo- santerweise, dass die Gesamtleistung verbes-
gisch) im Wettkampfverlauf mit dem Ziel, sert werden kann, wenn Athleten ihren Kraft-
eine optimale Gesamtleistung zu und Energieeinsatz in Wettkampfphasen mit
erbringen (Thompson 2016). höherer Außenbelastung (bergauf oder gegen
Gegenwind) etwas steigern und sich bei gerin-

Beispiel: Marathonlauf

Leistungsläuferinnen favorisieren eine möglichst profitieren eher von einer schnellen ersten Hälfte
konstante Laufgeschwindigkeit über die Marathon- nach dem Motto „Am Anfang nutze ich meine
distanz (. Abb. 3.5). Eine einfache statistische Power, am Ende werde ich eh langsamer“. Die
Auswertung der Zwischenzeiten (z. B. erster versus meisten und insbesondere systematisch trainie-
zweiter Halbmarathon) ergibt jedoch, dass diese rende Späteinsteiger mit hohem Trainingsvolumen
Grundregel in Abhängigkeit von Zielzeit, Ge- werden eher mit einer kontinuierlichen Pacing-Stra-
schlecht, Wettkampferfahrung und Umgebungsbe- tegie erfolgreich sein. Auffällig markierte Brems-
dingungen nur bedingt erfüllt wird. Individuelle und Zugläufer (z. B. mit heliumgefüllten Luftballons)
Rückmeldungen von Freizeitläufern weisen darauf haben sich im hinteren Bereich des Feldes ebenso
hin, dass hier zwei Gruppen unterschieden werden weltweit durchgesetzt wie Pacemaker für die
können: Einige wenige unspezifisch trainierte schnellsten Männer und Frauen. Dies dokumentiert
Wechsler aus anderen Sportarten mit geringem den offensichtlichen Vorteil einer konstanten
Trainingsumfang während der Vorbereitung Renngeschwindigkeit im Marathonlauf.

..      Abb. 3.5 Lauf- 5,0


Geschwindigkeit (m/s)

geschwindigkei-
ten bei den 4,5
IAAF-Meisterschaf-
ten der Frauen im 4,0 Top 25 %
Marathon (mod.
26–50 %
nach Renfree und 3,5 51–75 %
Gibson 2013)
untere 25%
3,0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45
Distanz (km)
Leistungssteuerung
75 3
gerer Außenbelastung (z. B. im Windschatten) spieler bei einer Doppelbreak-Führung die
schonen (Skorski und Abbiss 2017). Return-Spiele extra vorbeilaufen, um sich zum
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung Satzgewinn ganz auf sein Aufschlagspiel zu kon-
mit Pacing basiert vielfach auf der mathemati- zentrieren? Diese zahlreichen Beispiele zeigen,
schen Modellierung des Einflusses „von Ände- dass bereits einfach zu erhebende Wettkampf-
rungen“ auf „Ergebnisse“. Lipińska et al. (2016) analysen von trainingswissenschaftlich hoher
berichten beispielsweise von dem Versuch ei- Relevanz sind und in vielfältiger Weise zur Leis-
ner mathematischen Modellierung der Zeit im tungssteuerung genutzt werden können.
800-m-Freistil-Schwimmen unter Berücksich-
tigung der 50-m-Zwischenzeiten auf der Basis
von fast 200 Wettkämpfen. Dabei wurden unter 3.2.3 Systematische Spielanalysen
anderem die Zwischenzeiten und die Zwischen-
zeitvariabilität in Bezug auf die Gesamtzeit be- In den Sportspielen ermöglicht die Wettspiel-
rücksichtigt. Im Mittel waren die erste und beobachtung den unkompliziertesten, schnells-
letzte Zwischenzeit am schnellsten („Wannen- ten und dadurch praktikabelsten Zugang zur
profil“). Alle übrigen Parameter wiesen hohe Wettspielanalyse. Wettspielbeobachtung erfolgt
Schwankungen und keine „Wenn-dann-Zu- im einfachsten Fall durch eine „subjektive Ein-
sammenhänge“ auf. Dies lässt die Autoren drucksanalyse“ auf dem Notizblock des Coaches.
schlussfolgern, dass eine feste Pacing-Strategie Das Scouting ist insbesondere im Basketball
auf dieser Wettkampfstrecke nicht sinnvoll ist, populär und stellt nach Lames (1994) eine halb-
da die Athleten ihre Strategie offenbar erst im systematische Übergangsstufe zur systematischen
Wettkampfverlauf feinjustieren. Spielbeobachtung dar (. Tab. 3.1). Inzwischen
Das Phänomen Pacing existiert auch in an- erfolgt das Scouting im Basketball im FIBA-Be-
deren Sportarten. Ist es nicht auch eine Art von reich weltweit nach einheitlichen Kriterien. Ein-
Pacing, wenn sich eine Fußballmannschaft bei fache Scouting-Reports oder handschriftliche Be-
einer 3:0-Halbzeitführung in der zweiten Halb- obachtungsbögen werden nach wie vor auch auf
zeit zurückzieht? Sind Leistungsschwankungen unteren Leistungsebenen in den Sportspielen ein-
zwischen Heim- und Auswärtsspielen mögli- gesetzt. Spielbeobachtungen können bei Nach-
cherweise auch Konsequenzen einer unausge- wuchsspielern hervorragend auch zur Schulung
sprochenen Pacing-Strategie? Lässt der Tennis- kognitiver Kompetenzen eingesetzt werden.

..      Tab. 3.1 Methoden der Spielbeobachtung (modifiziert nach Lames 1994, S. 24)

Subjektive Scouting Systematische Automatisiertes


Eindrucksanalyse Spielbeobachtung Tracking

flexible, subjektive und festgelegte, aber präzise und eindeutig Auswahl von
ggf. spontan ausge- teilweise auch flexible definierte Beobach- automatisiert
wählte Beobachtungs- Merkmale tungsmerkmale erfassbaren
merkmale Merkmalen

keine systematische semistandardisierte systematische, meist automatisierte


Fixierung, Notizzettel Scouting-Bögen EDV-gestützte Fixierung mittels
manuelle Fixierung Erkennungsverfahren

spontane subjektive Eindrücke und quanti- quantifizierbare automatisch


Wahrnehmungen und fizierbare Beobachtun- Beobachtungen identifizierbare
Eindrücke gen Beobachtungen
76 A. Ferrauti et al.

Beispiel: Effektivitätsindex im Basketball tung wesentlich beschleunigt werden konnten.


Informationen waren teils online, also bereits
Im Basketball ist die Verwendung sogenannter während des Spiels, zur unmittelbaren Wett-
Effektivitätsindizes international sehr geläufig.
spielsteuerung verfügbar. Wegweisend war zu
Die Indizes basieren auf den Kenngrößen der
Spielstatistiken. Im europäischen Basketball ist diesem Zeitpunkt die technische Entwicklung
eines „interaktiven Videosystems“ (Koppelung
3 das Performance Index Rating (PIR) weit
verbreitet und berechnet sich durch die eines PCs mit einem VHS-Videorekorder).
Summe der positiven minus der Summe der Damit wurde eine Kombination von quan-
negativen Spielstatistiken (Torres-Unda et al.
titativen Analysen (zahlenmäßig belegbare
2016):
Performance Index Rating = (Punkte + Stärken und Schwächen) und qualitativer Ur-
Rebounds + Assists + Steals + Blocks + sachenanalyse möglich (die codierten Spielsze-
gezogene Fouls) – (Fehlwürfe aus dem Feld + nen wurden im Schnellvorlauf des Rekorders
verfehlte Freiwürfe + Turnover + geblockte gesucht und abgespielt; Freibichler und Steiner
Würfe + begangene Fouls)
1983; Weber et al. 1991). Aktuell existiert eine
Solche einfachen Kennwerte erlauben dem
Praktiker oder Sportinteressierten einen Vielzahl an komplexen und variabel einsetzba-
schnellen Überblick über die Gesamtbilanz von ren Systemen, jedoch auch einfache und sport-
positiven und negativen Spielaktionen eines artspezifisch ausgerichtete Programme sowie
Spielers oder einer Mannschaft. Dennoch Applikationen, die mit jedem handelsüblichen
können selbstverständlich nicht alle spielrele-
Notebook, Tablet-PC oder mittels Smartphone
vanten Aspekte statistisch abgebildet werden.
zu bedienen sind (. Abb. 3.6).
Spielanalytische Daten können auch be-
In Deutschland besitzt die systematische nutzt werden, um die komplexe Wettspielleis-
Spielbeobachtung als Methode der Wettspiel- tung zu modellieren und Erfolgs- bzw. Über-
analyse eine langjährige Tradition. Erste Ver- gangswahrscheinlichkeiten zwischen einzelnen
öffentlichungen finden sich bereits in den Spielaktionen zu berechnen (Lames 1994).
1960er-­Jahren (u. a. Stiehler 1962; Hagedorn Remmert (2002, 2003) legte anhand des Bas-
1971). In diesen frühen Ansätzen kamen ketballs ein Beispiel einer Modellbildung für
überwiegend Zeichensysteme, Schätzskalen das gruppentaktische Angriffsverhalten vor.
und Beobachtungsbögen zur Messwerterfas- Die Übergangswahrscheinlichkeiten und Er-
sung zum Einsatz. Die quantitative Erfassung folgsaussichten aller Angriff-Abwehr-Interak-
der Spielwirksamkeit erfolgte im einfachsten tionen wurden hierzu berechnet (. Abb. 3.7).
Fall mittels absoluter und relativer Häufigkei- Demnach ist das gruppentaktische Angriffs-
ten von positiven oder negativen Aktionen verhalten deutlich vielfältiger, als zuvor von
eines Spielers oder einer Mannschaft. Hieraus Experten angenommen. Da taktische Ent-
wurden in einem zweiten Schritt Maßzahlen, scheidungen immer unter hohem Zeitdruck
Wirkungsindizes oder Erfolgsquotienten be- erfolgen, stellen sich hier besondere Heraus-
rechnet. forderungen für die Ausbildung von Nach-
Mit Beginn des Computerzeitalters erlebte die wuchsspielern. Der Autor fordert daher eine
systematische Spielbeobachtung ab Mitte der intensivere und variablere Ausbildung takti-
1980er-Jahre eine methodische Weiterent- scher Strukturen im Nachwuchsbasketball
wicklung, da die Dateneingabe und -verarbei- (Remmert 2003).
Leistungssteuerung
77 3

..      Abb. 3.6 Arbeitsfeld der Analyse-Software Utilius® mit Videoplayer und integriertem Kategoriensystem (rechts)

..      Abb. 3.7 Analyse des gruppentaktischen Angriffsverhaltens im Basketball auf der Grundlage einer prozess-
orientierten Modellbildung (Remmert 2003, S. 28)
78 A. Ferrauti et al.

Beispiel: Spielbeobachtungen belegen Veränderungen der Spielstruktur

Das Tennisdoppel der heutigen Zeit besitzt fast


keine Verwandtschaft mehr mit dem Doppelspiel
der 1990er-Jahre (Ferrauti 1992). Dies zeigen
Vergleichsdaten, die mit exakt identischem
3 Beobachtungsmodell im Abstand von zwanzig
Jahren erhoben wurden. Die Serve-and-Vol-
ley-Taktik, ein grundlegendes Charakteristikum im
damaligen Herren-Weltklassedoppel, bestimmt
aktuell nur noch zu einem Drittel die Spieleröff-
nung. Bei genauerer Betrachtung streut dieses
Phänomen jedoch erheblich zwischen den aktuell
weltbesten Herrendoppeln. Nach wie vor
existieren Paarungen, die mit jedem Aufschlag
den direkten Netzangriff folgen lassen (Ferrauti et
al. 2016) während andere stets an der Grundlinie
verbleiben. Diese Individualität ist bei der
Ausbildung von Nachwuchsspielern konzeptionell ..      Abb. 3.8 Bob und Mike Bryan (USA), eines der
zu berücksichtigen (. Abb. 3.8). weltbesten Doppelpaare, bei der Erwartung des
Aufschlags in defensiver Position des Return-Part-
ners. Diese Strategie der Spieleröffnung hat in den
vergangenen zwanzig Jahren erheblich zugenom-
men

3.2.4 Tracking-Analysen Elektronische Tracking-Verfahren verdie-


nen in dem Zusammenhang eine besondere
In konsequenter Fortsetzung von zunächst Beachtung. Insbesondere die zeitkontinuierli-
einfachen handschriftlichen und später EDV- chen Positionsdaten (Spatiotemporal Data)
und videobasierten Bemühungen der syste- einzelner Spieler besitzen einen hohen Innova-
matischen Spielbeobachtung findet in den tionswert, da zeitlich hochaufgelöste Koordi-
vergangenen Jahren eine Vielzahl technolo- naten von Sportlern und Sportgeräten bis vor
gisch basierter Verfahren zunehmend Ein- wenigen Jahren kaum verfügbar waren. Die
gang in die Wettkampfanalyse. Sie grenzen methodischen Entwicklungen hierfür betrafen
sich von der systematischen Spielbeobachtung Verbesserungen in der Algorithmik der opti-
auch dadurch ab, dass die Datenaufnahme ge- schen Objekterkennung sowie im Bereich der
wöhnlich nicht durch den Beobachter aktiv Mikrosensorik. Über Inertialsensoren können
gesteuert wird, sondern weitgehend automati- beispielsweise auch Beschleunigung, Lage und
siert abläuft. Ferner übertrifft die resultierende Ausrichtung von Objekten erfasst werden.
Datenmenge jene der systematischen Spielbe- Durch Sekundärbearbeitung und Aggregation
obachtung bei Weitem. Die in diesem Zusam- der Daten werden leistungsrelevante Kenngrö-
menhang erforderlichen weitergehenden ßen wie Laufdistanzen, Laufgeschwindigkeiten
Analyseverfahren werden auch unter dem und Beschleunigungs- bzw. Abbremsvorgänge
Überbegriff „Sports Analytics“ zusammenge- sowie verschiedene Leistungsindizes wie die
fasst (Link 2017). Unter Sports Analytics ver- Erfolgsquote von Pässen berechnet. Hieraus
steht man die Erfassung und mathema- können im Idealfall individuelle Trainingspro-
tisch-informatische Analyse umfangreicher gramme für einzelne Spieler maßgeschneidert
Sportdaten (Big Data). werden.
Leistungssteuerung
79 3
Beispiel: Tracking-Ergebnisse zur individuellen Trainingssteuerung im Profifußball

Tracking-Ergebnisse werden nicht nur medienwirk- und Dribblings mit maximaler Intensität enthält.
sam aufbereitet, sondern bei sportwissenschaftlich So wären für ihn im Training kurze maximale
gut betreuten Fußballmannschaften auch zur Wiederholungssprints (bzw. Zick-Zack-Läufe) aus
Individualisierung von Trainingssteuerung und dem Stand über ca. 10–20 m von einer Position
Wettspielvorbereitung genutzt (Bangsbo und halbrechts etwa 10 m hinter der Strafraumgrenze
Mohr 2014). Stets wiederkehrende Laufmuster der nach steil vorne links angemessen. Der Spieler
Topspieler können in ein intensives Intervalltrai- Arjen Robben (NL) müsste hingegen rechts außen
ning zur Verbesserung der Schnelligkeitsausdauer und weiter hinten an der Mittellinie starten und
überführt werden. Der Spieler Lionel Messi (ARG) längere Laufdistanzen über 30–40 m überbrücken.
zeichnet sich durch ein vergleichsweise geringes Beide Spieler traben nach der Aktion zurück zur
Laufpensum aus, das allerdings zahlreiche Sprints Ausgangsposition.

Die Methodenvielfalt im Bereich von Track- In Kooperation mit dem Institut für Neu-
ing-Verfahren wird von Link (2017) über- roinformatik der Ruhr-Universität Bochum
sichtlich strukturiert. Bei radiobasierten Sys- konnte das für das Fußballspiel bereits publi-
temen empfangen mehrere um das Spielfeld zierte und validierte optische Tracking-­
positionierte Antennen die Signale eines Verfahren (Schlipsing et al. 2017) auch auf den
Senders und bestimmen seine Position über Tennissport übertragen werden. Aufgrund der
Laufzeit- bzw. Frequenzverschiebungen. kurzen Laufdistanzen sind GPS-gestützte Ver-
GPS-basierte Systeme berechnen die Position fahren hier zu ungenau. Neben individuell re-
eines Empfängers mittels Satellit. Der Nach- levanten Informationen für die Trainingssteu-
teil beider Verfahren besteht darin, dass ein erung können auf diese Weise grundsätzliche
Sensor am Körper bzw. am Sportgerät be- Ableitungen für das Schnelligkeitstraining im
festigt werden muss. Demgegenüber benö- Tennis getroffen werden. Bei ca. 80 Antritten
tigen optische Messsysteme keinen Sensor, pro Stunde werden beispielsweise im Mittel
da sie Objekte im Videobild allein auf Basis nur 2,5 m überbrückt, und nur bei 15 % der
von Farbe, Kontur und Bewegungsdynamik Sprints wird eine Geschwindigkeit von 3,0 m/s
erkennen und der Position im Raum zuord- überschritten (. Abb. 3.10).
nen. Optische Systeme sind daher rückwir- Der trainingswissenschaftliche Anwen-
kungsfrei und können uneingeschränkt vom dungsbereich von Tracking-Analysen umfasst
Regelwerk der FIFA im Wettkampf eingesetzt Leistungsstrukturanalysen der Sportarten, aber
werden. GPS- und radiobasierte Systeme auch die aktuelle Wettkampfanalyse und Trai-
werden hingegen vor allem im Training ver- ningssteuerung. Inhaltlich beziehen sich diese
wendet. Neben den Erhebungstechniken wird Zielsetzungen sowohl auf physisch-­konditionelle
zwischen manuellen (ein Beobachter muss Aspekte wie Laufwege und Laufgeschwindigkei-
zugegen sein und selbst Daten einpflegen), ten (Mujika und Padilla 2003) als auch auf kog-
automatisierten (z. B. radiobasierte Positions- nitiv-taktische Aspekte wie beispielsweise das
erfassungssysteme) und semiautomatischen Passverhalten (Lames und Hansen 2001). Ein-
Verfahren (z. B. ein Beobachter muss bei op- facher als mit den vergleichsweise „trägen“ Da-
tischen Positionserfassungssystemen im Falle ten der Spielbeobachtung lassen sich aus der
von Tracking-­Verlusten manuelle Korrektu- leicht generierbaren Datendichte aus Track-
ren vornehmen) unterschieden (. Abb. 3.9). ing-Analysen mittels Netzwerkanalysen takti-
80 A. Ferrauti et al.

b c` d

..      Abb. 3.9 Das Mouse Menue des Beobachters zur einzelner Spieler einer Mannschaft d. In Konfliktsitua-
One-Click-Identifikation der Spieler a sowie ausge- tionen bei der optischen Unterscheidung von Spielern
wählte Darstellungsformen der Ergebnisse b–d als sind Korrekturen durch den Beobachter erforderlich
Rohdaten eines Spielers b, der daraus resultierenden (Schlipsing et al. 2017, S. 11–12)
Heatmap c und den vorrangigen Aufenthaltszonen

sche Konstrukte aus dem Passverhalten in


Sportspielen erkennen und erfolgversprechende
Muster identifizieren (Perl et al. 2002).
Link (2017) prognostiziert, dass durch tech-
nologisch-informatisch unterstützte Methoden
schon bald eine völlig neuartige Qualität von
Wettkampfanalyse und Trainingssteuerung ent-
stehen wird. Leistungsrelevante taktische Struk-
turen werden automatisch identifiziert und
mittels Virtual Reality für ein effektiveres Wahr-
nehmungs- und Entscheidungstraining realitäts-
nah simuliert (Memmert et al. 2017). Auch im
Freizeit- und Gesundheitssport nehmen Massen-
daten von Mobilfunkgeräten und Fitness-Tracker
bereits jetzt einen wesentlichen Einfluss auf das
Trainingsverhalten und die Lebensführung (Alt-
..      Abb. 3.10 Identifikation der Spieler im Tennis mit
Projektion des Körperschwerpunktes zum Boden
hoff et al. 2017). Sports Analytics und e-Health
(7 https://doi.org/10.1007/000-04p)
Leistungssteuerung
81 3
bieten ein zunehmend wichtiges Berufsfeld für keiner allgemeingültigen Festlegung und basie-
Sportwissenschaftler (Link 2017). ren vielfach auf der sportwissenschaftlichen Her-
Dieser positiv-optimistischen Prognose ist kunftsdisziplin der Autoren (u. a. biomechanische,
jedoch nur unter einer wesentlichen Vorausset- sportmedizinische, psychologische Erhebungen),
zung zuzustimmen. Sowohl im Leistungssport dem zur Verfügung stehenden Methodeninven-
als auch im Freizeit- und Gesundheitssport tar und zum Teil auch den Charakteristika der
sollte eine unreflektierte Datenüberflutung aus Sportart. Folglich sind auch da entsprechende
Methoden ohne Evidenz und Praxisrelevanz so- Daten nur schwer vergleichbar, auch da sich die
wie unzureichend transparenter Theoriegrund- untersuchten Stichproben nach Alter, Geschlecht
lage dringend vermieden werden. Bereits jetzt und Expertiseniveau zumeist deutlich unter-
existieren auf der sportlichen Entscheidungs- scheiden (Ferrauti und Remmert 2003). Trotz
ebene im Leistungssport berechtigterweise dieser methodischen Einschränkungen bieten
Schutzreflexe zur Abwehr stetig neuartiger Ver- sie eine Orientierungshilfe für die sportartspezi-
fahren sowie eine zunehmende Skepsis des Frei- fische Trainingssteuerung (. Abb. 2.9). Speziell
zeitsports über die Validität der vermarkteten in den Sportspielen können mithilfe dieser Daten
Produkte nach dem Motto „Back to the Roots“. Feinabstufungen der Trainingsziele, -inhalte und
Belastungsnormative zwischen verwandten Spiel-
formen (z. B. Basketball und Handball bzw. Tennis
3.2.5 Belastungs- und und Badminton) vorgenommen werden.
Beanspruchungsanalysen Zu den üblicherweise verwendeten Belas-
tungsparametern (. Abb. 2.9) zählen weg-/
Umfangreiche Wettkampfanalysen (Beobach- zeitbezogene Daten (z. B. die Brutto- und Net-
tungen und Messungen) zur äußeren Belastung tobelastungszeit sowie Laufdistanzen) und
(External Load) und der daraus resultierenden technisch-taktische Merkmale (z. B. Tacklings
körperlichen Beanspruchung (Internal Load) in und Pässe). Zu den Beanspruchungsparametern
einer Sportart dienen dazu, diese möglichst diffe- (. Abb. 2.9) gehören herzfrequenzbasierte,
renziert quantitativ und qualitativ beschreiben zu blutchemische (speziell die Blutlaktatkonzent-
können. Auswahl oder Schwerpunktsetzung der ration) oder spirometrische Daten (z. B. Sauer-
hier zugrunde liegenden Parameter unterliegen stoffaufnahme und Energieumsatz).

Beispiel: Belastungs- und Beanspruchungsprofil: Handball versus Basketball

Basketball (5 gegen 5) und Handball sind als Hallen- Beanspruchung. Die Bespielbarkeit des Korb- bzw.
sportspiele auf engem Raum durch eine azyklische Torraums, die Anordnung (horizontal vs. vertikal)
Langzeitausdauerbelastung mit Intervallcharakter und Dimension (kleiner Korb vs. großes Tor mit
geprägt. Dem kleineren Spielfeld des Basket- Torwart) der Spielziele bedingen jedoch im Detail
balls (28 × 15 m vs. 40 × 20 m) steht die größere unterschiedliche konstitutionelle und konditionelle
Spielerzahl (6 + 1 vs. 5) des Handballs gegenüber, Leistungsvoraussetzungen, um die jeweiligen
sodass angesichts der ähnlichen Bruttospielzeit von Spielziele (Korb- vs. Torerfolg) zu erreichen. Basket-
ca. 80–90 min grundsätzlich von gleichartigen Lauf- ballspieler wechseln demnach schneller in ihren
umfängen und -intensitäten ausgegangen werden Aktivitätsmustern als Handballspieler (ca. 2 vs. 5,6 s),
kann. Herzfrequenz- (durchschnittlich 80–90 % der sprinten kürzer, aber häufiger, und sind mit weniger
individuellen HFmax) und Blutlaktatanalysen (im Kontaktsituationen konfrontiert. Differenzierte
Mittel an der anaeroben Schwelle mit zweistelligen Daten zu den Beanspruchungsprofilen finden sich
Laktatspitzen) bestätigen entsprechende Überein- bei Luig (2015) und Bösing et al. (2019).
stimmungen der kardialen und energetischen
82 A. Ferrauti et al.

Aus leistungsdiagnostischen Untersuchun- streckenläufer oder den Center im Basketball)


gen, die außerhalb der Wettkampfanalyse charakteristische Körperbaumerkmale, die ei-
durchgeführt werden, kann zusätzlich ein Fä- nen wesentlichen Anteil an der Erklärung der
higkeitsprofil für Sportarten oder sogar Spiel- Wettkampfleistung besitzen.
positionen erhoben werden (z. B. für die Aus-
dauerleistungsfähigkeit und die Sprint- und
3 Sprungleistung), aus dem in einer einfachen 3.2.6 Leistungsstrukturanalysen
Kausalbeziehung ein Anforderungsprofil der
Sportarten erstellt werden kann. Die Beschreibung und Erklärung der sportli-
chen Leistungsfähigkeit ist seit Jahrzehnten
 eispiel: Fähigkeits- und Anforderungspro-
B eine große Herausforderung für die Trainings-
fil des Stürmers im Fußball
wissenschaft. Verständlicherweise steigt der
Topstürmer der 1. Fußball-Bundesliga erzielen Schwierigkeitsgrad hierbei mit zunehmender
gewöhnlich unter 2,85 s, besser unter 2,80 s im Komplexität der Sportart und der hier wirksa-
20-m-Sprint und laufen durchschnittlich men Einflussfaktoren exponentiell an. Dies gilt
schneller als Abwehrspieler. Die Schnelligkeit besonders, wenn die Leistung nicht von Einzel-
im Kurzsprint ist demnach ein Kennzeichen im
Fähigkeitsprofil und somit Bestandteil des
athleten in einem standardisierten und identi-
Anforderungsprofils für diese Spielposition. Sie schen Umfeld (z. B. beim Pistolenschießen),
kann ferner als ein zentrales Trainingsziel und sondern unter variablen Umgebungsbedingun-
als ein Orientierungswert bei der Talentidenti- gen (z. B. beim alpinen Skirennsport) aus der
fikation betrachtet werden. Interaktion mit anderen Athleten (z. B. in den
Rückschlagspielen) oder als Gemeinschafts-
Im erweiterten Sinne werden auch anthro- produkt in einem Mannschaftsverbund er-
pometrische Daten (Körpergröße, Gewicht, bracht wird (mit der Mannschaftsgröße steigt
BMI, Körperkomposition), ggf. differenziert die Komplexität verständlicherweise zusätzlich
nach Spielpositionen oder Disziplinen, als Be- an). Die Bedeutung einer trainingswissen-
standteil des Anforderungsprofils ausgewertet schaftlichen Zuwendung zu diesem Themen-
und interpretiert (. Abb. 3.11). So ergeben feld im Rahmen der langfristig perspektivi-
sich für zahlreiche Sportarten und Spielpositi- schen Leistungssteuerung ergibt sich aus
onen (z. B. für den Hochspringer, den Lang- . Abb. 3.2. Demnach resultieren aus den ag-
gregierten Daten von Wettkampfanalyse und
Leistungsdiagnostik Möglichkeiten für eine
200
empirisch-statistische Erklärung der Leistungs-
struktur einer Sportart und im Folgeschritt die
190 Hierarchisierung und Priorisierung allgemei-
Körperhöhe (cm)

ner Leitlinien für die Trainingssteuerung.


180 Erste grundsätzliche und sportartüber-
greifende Modellvorstellungen zur sport-
lichen Leistung beschränkten sich auf die
170
beschreibende Auflistung aller möglichen
Einflussfaktoren und ggf. deren Interaktions-
160 möglichkeiten. Exemplarisch sei hier auf das
Sel 1 Sel 2 Sel 3 Sel 1 Sel 2 Sel 3 Komponenten-­Interaktionsmodell von Ehlenz
U16 männlich U16 weiblich et al. (1985) verwiesen (. Abb. 3.12). Dieses
unterscheidet zwischen technischen (einschl.
..      Abb. 3.11 Körperhöhe von Nachwuchsbasketbal-
lern verschiedener Selektionsniveaus (Sel 1 =
koordinativen), taktisch-kognitiven, sozialen,
Landeskader; Sel 2 = Bundesjugendlager; Sel 3 = konditionellen, anthropometrisch-gesundheit-
Nationalkader; Ferrauti et al. 2015, S. 11) lichen und psychischen Faktoren bzw. Fähig-
Leistungssteuerung
83 3

koordinative Fähigkeiten Bewegungsfertigkeiten

Technik

psychische taktisch-kognitive
Fähigkeiten Fähigkeiten
sportliche
Leistungs-
veranlagungsbedingte, fähigkeit
konstitutionelle
soziale Fähigkeiten
und gesundheitliche
Faktoren

Kondition

Kraft Schnelligkeit Ausdauer Flexibilität

..      Abb. 3.12 Komponenten-Interaktionsmodell zur sportlichen Leistungsfähigkeit im Allgemeinen sowie deren


Beziehungen zueinander (Ehlenz et al. 1985, S. 12)

keiten und Fertigkeiten, wobei letztendlich in ein Modell überführt. Durch die dadurch
alle Teilaspekte offenbar gleichberechtigt mit- mögliche Bedeutungsgewichtung von Teilfak-
einander direkt oder indirekt in Verbindung toren und deren Interkorrelationen für die
stehen. Die erkennbare Willkürlichkeit in der komplexe Gesamtleistung lässt sich eine Hier-
Festlegung von Begrifflichkeiten und Interak- archie an unter- und übergeordneten Leis-
tionspfeilen wird kritisiert und bietet daher im tungsdeterminanten festlegen. Ein klassisches
Rahmen der Leistungssteuerung noch keine Beispiel für ein derartiges Leistungsstruktur-
konkrete Hilfe (Hohmann et al. 2002). Im- modell ist das „Pyramidenmodell“ (Letzelter
merhin liefert diese einfache Auflistung eine und Letzelter 1982).
grundsätzliche und allgemeingültige Orientie- Pyramidenmodelle verfolgen das Ziel, die
rungshilfe für das komplexe Leistungsgefüge Einflussgrößen auf die Leistung nach verschie-
einer Sportart (s. auch Übungsaufgabe 1). denen Erklärungsebenen zu ordnen. In der
Eine tiefer gehende strukturelle Betrach- Pyramidenspitze befindet sich demnach die
tung der Wettkampfleistung in einer bestimm- komplexe Wettkampfleistung. In Richtung der
ten Sportart erfordert nach Letzelter und Let- Pyramidenbasis nimmt der Komplexitätsgrad
zelter (1982) jedoch eine Hierarchisierung der ab, und die Merkmale der unteren Ebene wer-
Bedeutung einzelner Leistungskomponenten den über jene der höheren Ebenen wirksam.
und eine daran anknüpfende Priorisierung von Das hier dargestellte Beispiel ist der Original-
Trainingszielen und -inhalten. publikation von Helga und Manfred Letzelter
Zur Hierarchisierung werden alle mögli- (1982) entnommen und zeigt die grundlegen-
chen wettkampfanalytischen oder leistungsdi- den (III. Ebene) und übergeordneten Einfluss-
agnostischen Einflussgrößen mit der komple- größen (II. Ebene) auf die Sprintleistung aus
xen sportlichen Leistung als Außenkriterium trainings- und bewegungswissenschaftlicher
in Beziehung gesetzt. Im einfachsten Fall wird Sicht (. Abb. 3.13). Zu späteren Zeitpunkten
dieser Zusammenhang korrelationsstatistisch folgten vergleichbare Modelle zur Erklärung
(z. B. mittels Regressionsanalysen) beschrie- der komplexen Sportspielleistung (Hohmann
ben und die Ergebnisse werden im Anschluss und Brack 1983; Hohmann 1985).
84 A. Ferrauti et al.

xkurs: Statistische Verfahren als Grund-


E ist demnach als reine Zulieferleistung für die
lage der Modellierung zyklische Schnellkraft zu verstehen. Interes-
santerweise ändert sich diese Struktur bei den
Werden zahlreiche Prädiktoren in das Struktur- älteren postpuberalen 16–20-jährigen Jungen
modell aufgenommen (multivariate Analysen),
ergeben sich unzählige Interkorrelationen. Als
im 100-m-Sprint. Hier differenzieren sich
technische und konditionelle Einflussgrößen
3 alternatives statistisches Verfahren und zur
übersichtlichen Datenreduktion eignet sich die weiter aus und die isolierte Bedeutung der azy-
Faktorenanalyse, indem sie ähnlich gelagerte klischen Schnellkraft (z. B. gemessen im Coun-
Teilqualifikationen auf wenige „latente“ und ter Movement Jump) für die Sprintleistung
übergeordnete Faktoren bündelt und jene
voneinander trennt, die tatsächlich unabhängig
steigt an (Hohmann 2009). Diese Entwicklung
sind. Darauf aufbauende Leistungsstrukturmo- ist durchaus plausibel erklärbar, da Maximal-
delle verwenden die Ergebnisse der (konfirmati- kraft und Schnellkraft erst in diesem Alter loh-
ven) Faktorenanalyse und berechnen den nend trainierbar sind und sich demzufolge
Zusammenhang dieser Faktoren mit einem leistungsdifferenzierend bemerkbar machen.
validen Außenkriterium zur sportlichen Leistung
(z. B. metrische Leistung oder Kategorisierungen
Eigene Untersuchungen bestätigen den
wie Ranglisten oder Spielklassen) mittels im Altersgang zunehmenden Einfluss der
Regressionsanalysen oder Diskriminanzanaly- konditionellen Fähigkeiten auf die komplexe
sen. Die Ergebnisse können in eine Pfadanalyse Spielleistung im Tennis (. Tab. 3.2). Hier
mit zunehmender Annäherung an das komplexe kommt speziell der Schnellkraft der oberen
Außenkriterium überführt werden.
Extremitäten eine besondere Bedeutung zu
(7 Abschn. 12.6). Es zeigt sich jedoch, dass
Verschiedene Leistungsstrukturmodelle lie- der Aufklärungswert der grundlegenden
ferte die Magdeburger Talent- und Schnellig- Einflussgrößen für die Ranglistenposition im
keitsstudie (MATASS) für die Sportarten Altersgang von prä- zu postpuberalen Ju-
Handball, Schwimmen und den leichtathleti- gendlichen erheblich variiert. Im Tennis-
schen Sprint (Seidel et al. 2000, 2002; Hoh- sport besteht der besondere Vorteil im Ver-
mann 2001, 2009), um hieraus talentsensitive gleich zu anderen Spielsportarten darin, dass
Faktoren zu identifizieren. Exemplarisch wird die komplexe Wettkampfleistung als unver-
an dieser Stelle auf eine Pfadanalyse für den zichtbares Außenkriterium für die Berech-
60-m-Laufsprint der 10–15-jährigen Jungen nung von Leistungsstrukturmodellen durch
eingegangen (. Abb. 3.14). Hier fällt beispiels- die (quasi) intervallskalierte gesamtdeutsche
weise der fehlende direkte Pfad von der azykli- U-18-Jugendrangliste weitgehend valide ab-
schen Schnellkraft zur Sprintleistung auf. Diese gebildet ist.

..      Abb. 3.13 Historisch bedeutsames Pyramidenmodell zur Erklärung der Sprintleistung (Letzelter und
Letzelter 1982, S. 354)
Leistungssteuerung
85 3
..      Abb. 3.14 Pfad- .15.051
vegetative
analytische Struktur

Taktik/
Psyche
2 2
R = .84; R = .71;R adj= .67
Stabilität F = 17,65; df = 7; 51; p < 0,001
der 60-m-Sprintleis- .15.090
Einfachreaktion
tung bei 10–15-jähri-
2 2
gen Jungen (mod. R = .85; R = .72; R adj.= .68

Koordination
F = 21,90; df = 6; 52; p < 0,001

Technik/
nach Hohmann 2009, Technik & .45.000
S. 226) Koordination
.40.007
zyklische 60-m-Sprint-
Schnellkraft leistung
azyklische (68 %) (67 %)
Kondition

Schnellkraft
(81 %) .64.001
2 2
R = .91; R = .82; R adj.= .81
F = 68,29; df = 5; 75; p < 0,001
Konstitution

Körperbau
.48.000

..      Tab. 3.2 Ergebnisse einer multiplen Regressionsanalyse zum Einfluss


grundlegender Leistungskomponenten im Altersgang auf die Ranglistenposi-
tion im Nachwuchstennis

Jungen

U12/U14 (n=86) U16/U18 (n=89)


Technik r2= .680* Kondition r2= .417*
Koordination r = .566*
2 Koordination r2= .333
Taktik r2= .511* Technik r2= .174
Kondition r2= .219 Taktik r2= .171

Mädchen

U12/U14 (n=78) U16/U18 (n=48)


Koordination r2= .541 Kondition r2= .641*
Technik r2= .446 Koordination r2= .577
Kondition r = .325
2 Technik r2= .577
Taktik r2= .282 Taktik r2= .169

Die massive Veränderung der Leistungs- (. Abb. 3.15). Soll sich das Training an den
struktur von prä- zu postpuberalen jugendli- aktuellen oder an den zukünftigen Leistungs-
chen Leistungssportlern (hier dargestellt an anforderungen orientieren? Müssen die be-
den Beispielen Sprint und Tennis) belegt die schriebenen Entwicklungsstufen eingehalten
Bedeutung differenzierter Leistungsstruktur- werden, damit die Folgestufe auf der zuvor rea-
analysen und wirft wichtige Fragen für Trai- lisierten Leistungsbasis erreicht werden kann?
ningssteuerung und Talentförderung auf Welche psychologischen Konsequenzen besitzt
86 A. Ferrauti et al.

nierbar sind. Erst aus der Abwägung von aktu-


eller Einflussgröße, perspektivischer Bedeutung
und Trainierbarkeit sowie von pragmatischen
und trainingsperiodischen Gesichtspunkten er-
gibt sich die finale Priorisierung von Trainings-
zielen und -inhalten.
3
3.3 Wettkampfsteuerung und
Wettkampfvorbereitung

Prep to win
..      Abb. 3.15 Techniktraining zum Laufsprint im
Kindesalter mit einer zukünftigen Marathonläuferin
der nationalen Spitzenklasse Zusammenfassung
Der Wettkampf und die Wettkampfleistung
stellen häufig das Ziel jeglicher Trainingsbe-
der sportliche Erfolg im Kindesalter für die So- mühungen dar. In eine systematische Wett-
zialisation innerhalb des leistungssportlichen kampfsteuerung fließen die Analyse des
Umfelds und für eine überdauernde Leistungs- vorausgegangenen Wettkampfes, die Wett-
motivation? kampfbetreuung, bestehend aus Wettkampf-
vorbereitung und -lenkung (insbesondere Coa-
 raxistipp: Trainingssteuerung im Kindesal-
P ching) des aktuellen Wettkampfes sowie die
ter mit Weitblick für die späteren Leistungs- nachfolgende erneute Wettkampfanalyse ein.
anforderungen Die trainingswissenschaftlichen Erkenntnisse
zur Steuerung sportlicher Wettkämpfe sind bis-
Altersdifferenzierte Leistungsstrukturmodelle her bei Weitem nicht so aufbereitet wie für das
liefern wichtige Orientierungshilfen für die ak- sportliche Training. Trainingswissenschaftliche
tuelle und zukünftige Priorisierung von Trai- Untersuchungsansätze beschränken sich zu-
ningszielen und -inhalten. In der quantitati- meist auf die Wettkampfanalyse. Vielfach bleibt
ven Abwägung müssen die aktuell relevanten die Wettkampflenkung zumeist ausschließlich
und lohnend trainierbaren Leistungsanforde- die Handlungsdomäne des Trainers und seines
rungen eine höhere Priorität einnehmen. Be- unmittelbaren Betreuerstabes. Hinsichtlich der
reits frühzeitig muss jedoch auch auf die zu- Wettkampfvorbereitung ist die Datenlage et-
künftigen Anforderungen konzeptionell und was günstiger. Im vorliegenden Kapitel werden
trainingspraktisch vorbereitet werden. Ent- grundlegende Prinzipien und Phasen der Wett-
sprechende Techniken für das Athletiktraining kampfvorbereitung im Detail behandelt.
sind perspektivisch zu vermitteln.
Unter dem Begriff der Wettkampfsteuerung
können die Analyse des vorausgegangenen
Eine angemessene Priorisierung von Trainings- Wettkampfes, die Wettkampfbetreuung, beste-
zielen und -inhalten ist die große Herausforde- hend aus Wettkampfvorbereitung und -len-
rung im Nachwuchsleistungssport. Nachdem kung (insbesondere Coaching) des aktuellen
die leistungsrelevanten Merkmale faktorenana- Wettkampfes sowie die nachfolgende erneute
lytisch selektiert, empirisch-statistisch identi- Wettkampfanalyse subsummiert werden. Ihre
fiziert und pfadanalytisch sortiert worden sind, Ergebnisse fließen in kurz- und langfristiger
müssen für jede Alterskategorie die wichtigsten Perspektive in die Trainingssteuerung ein
Trainingsziele definiert werden. Hierbei ist auch (. Abb. 3.2 und 3.16). Die trainingswissen-
abzuwägen, ob diese überhaupt effizient trai- schaftlichen Erkenntnisse zur Steuerung sport-
Leistungssteuerung
87 3

Wettkampfsteuerung im Sport

Wettkampfanalyse Wettkampfvorbereitung Wettkampflenkung

Trainingssteuerung

..      Abb. 3.16 Modell der Wettkampfsteuerung im Sport

licher Wettkämpfe sind bisher bei Weitem 1. Phase (2–15 Tage)


nicht so aufbereitet wie für das sportliche Trai- Tapering
taktisch-kognitive Vorbereitung
ning (Schnabel et al. 1994). Trainingswissen-
schaftliche Untersuchungsansätze beschrän- 2. Phase (24 h)
Regeneration
ken sich zumeist auf die Wettkampfanalyse Glykogenloading
Fokussierung
(7 Abschn. 3.2). Kontrollgruppenbasierte In-
terventionsstudien zur Optimierung der Wett-
3. Phase (1–6 h)
kampflenkung verbieten sich auf hoher Leis- Preloading
Precooling
tungsebene; Untersuchungen auf niedrigeren Warm-up
Leistungsebenen sind wiederum ohne Rele-
vanz für den Leistungssport. Folglich bleibt die
Wettkampflenkung zumeist ausschließlich die
Handlungsdomäne des Trainers und seines
unmittelbaren Betreuerstabes. Hinsichtlich der
Wettkampfvorbereitung ist die Datenlage et-
was günstiger, obwohl auch hier noch sehr viel
Forschungsbedarf besteht. Die folgenden Un- ..      Abb. 3.17 Phasenstruktur der Wettkampfvorberei-
terkapitel sind somit nur beispielhaft für inter- tung
essante Fragestellungen zu verstehen, die sich
im Zusammenhang mit dieser für den Athle- rangig verfolgten Zielen und Inhalten können
ten bedeutsamen Phase der Wettkampfsteue- jedoch zumeist drei grundsätzlich unterschied-
rung ergeben. liche Phasen definiert werden (. Abb. 3.17).

Phase 1 In den ausdauerorientierten Sportarten


3.3.1  hasenstruktur und Ziele
P schließt sich nach Abschluss des primär leis-
der Wettkampfvorbereitung tungsaufbauenden umfangs- und/oder intensi-
tätsorientierten Trainings die Taper-Phase an
„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ sagte Josef (Mujika und Padilla 2003). In dieser Phase wird
„Sepp“ Herberger nach dem 2:0-Sieg der deut- über einen längeren Zeitraum von bis zu drei
schen Fußball-Nationalmannschaft gegen Jugo- Wochen bei deutlich reduziertem Belastungsum-
slawien im Viertelfinale der Weltmeisterschaft fang durch das Abklingen der trainingsbedingten
1954. Folglich stellt sich zu Recht die Frage, wel- Ermüdung ein Nettozugewinn an realisierbarer
chen Zeitraum die Wettkampfvorbereitung um- Wettkampfleistung angestrebt (. Abb. 2.22). Im
fasst. Durch den sehr heterogenen Wettkampf- Saisonverlauf der Sportspiele reduziert sich die
kalender der Sportarten lässt sich eine Wettkampfvorbereitung jedoch auf maximal
allgemeingültige zeitliche und inhaltliche Struk- sechs Tage, sodass ein klassisches „Peaking“ bzw.
turierung nur schwer festlegen. Nach den vor- „Tapering“ nicht stattfinden kann (Issurin 2010).
88 A. Ferrauti et al.

Inhaltlich vergleichbar verlaufen jedoch auch hier len der Glykogenspeicher), Regeneration sowie
die letzten zwei Tage vor dem kommenden Wett- Fokussierung auf und inhaltliche Auseinander-
spiel, in denen für die Stammspieler keine energe- setzung mit dem eigenen und gegnerischen tak-
tisch aufwändigen Trainingsinhalte mehr vorge- tischen Verhalten eine zentrale Rolle
sehen werden sollten. Trosse (2000) unterscheidet (. Abb. 3.17). Weiterführende Informationen
in dieser Phase zwischen Leistungsfaktoren, die zu den Themen Ernährung und Regeneration
3 wenig beeinflussbar sind (z. B. konditionelle Vor- finden Sie in 7 Kap. 9. Aber auch aktive, stets je-
aussetzungen) und solchen, die stark beeinfluss- doch energetisch wenig belastende Trainings-
bar sind (z. B. Motivation, Leistungsbereitschaft, elemente können in geringem Umfang integ-
kognitive Voraussetzungen). Folglich liegt ein riert werden (z. B. langsames Traben oder
wichtiger Schwerpunkt in der taktisch-kogniti- Radeln, azyklische und zyklische Schnelligkeits-
ven Vorbereitung auf den kommenden Gegner elemente, Koordinationstraining, Training von
bzw. auf die angestrebte Wettkampfstrategie Standardsituationen).
(. Abb. 3.17). Für die Auseinandersetzung mit
taktisch-kognitiven Fragestellungen der Leis- Phase 3 Der Wettkampftag und der Wett-
tungsoptimierung speziell im Fußball sei an die- kampf selbst stellen eine besondere Her-
ser Stelle auf die Expertise von Sport- und Kogni- ausforderung im Rahmen der Wettkampf-
tionspsychologie verwiesen (Höhner 2005; vorbereitung dar. Hier sind zahlreiche
Memmert und Raabe 2017). kurzfristig relevante Zielsetzungen zu berück-
sichtigen (. Abb. 3.18). Dies schließt kognitive
Phase 2 Die sich anschließende Phase kann als (z. B. Aktivierung des Blickverhaltens, Verbes-
unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV) serung des peripheren Sehens), koordinative
bezeichnet werden, obwohl auch diesbezüglich (z. B. Technikstabilisation und Abschirmung
die Angaben über Inhalte und Phasenlänge zwi- gegenüber Störungen) und motorische Aspekte
schen den Sportarten erheblich schwanken. So (Herstellung bestmöglicher konditioneller Vo-
schließt der Begriff im Rudern beispielsweise raussetzungen), aber auch gesundheitsprophy-
auch die Phase 1 ein oder wird sogar noch weiter laktische (z. B. Tapen und Dehnen) und leis-
gefasst (Steinacker et al. 2000). Die UWV um- tungsphysiologische Aspekte (z. B. Precooling,
fasst im engeren Sinne nur den Vorwettkampf- kurzfristige Kohlenhydratzufuhr und ggf. Flüs-
tag. Hier spielen Ernährung (speziell das Auffül- sigkeitszufuhr) ein (. Abb. 3.18).

..      Abb. 3.18 Aspekte


motorische Aspekte
der unmittelbaren (z. B. Schnelligkeit, Koordination)
Wettkampfvorberei-
tung

koordinative Aspekte gesundheitliche Aspekte


(z. B. Technikstabilisation) (z. B. Tapen und Dehnen)

3. Phase (60 min)


Vorstart
Warm-up

kognitive Aspekte mentale Aspekte


(z. B. Blickverhalten, (z. B. Aktivierungsniveau,
peripheres Sehen) Psychoregulation)

leistungsphysiologische Aspekte
(z. B. Precooling, Energieriegel)
Leistungssteuerung
89 3
..      Abb. 3.19 Nervosi-
tätsgrad (Likert-Skala am Vorabend 2,35
von 1 = sehr gering bis
10 = sehr hoch) am Beginn Warm-up 5,08
Vorwettkampfabend
und am Wettkampftag Wettkampfbeginn 4,02
eines Tennisturniers
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Nervositätsgrad

Eigene Untersuchungen belegen, dass der Vorwettkampfernährung sein auf weiterfüh-


Nervositätsgrad am Wettkampfmorgen ge- rende Literatur verwiesen (Schek 2018).
genüber dem Vorabend deutlich angestiegen
ist und erst nach dem Warm-up bis zum Preloading am Wettkampfmorgen In der Fuß-
Wettkampfbeginn erneut etwas sinkt ball-Bundesliga finden die meisten Spiele
(. Abb. 3.19). Die enorme Standardabwei- nachmittags oder abends statt. Hier stellt sich
chung belegt, dass der Nervositätsgrad am die Frage, ob eine Trainingseinheit am Vormit-
Wettkampftag interindividuell erheblich dif- tag dem klassischen „Waldspaziergang“ vorzu-
feriert. Neben den zahlreichen übrigen funk- ziehen ist, zumal eine weitere unmittelbare
tionellen Aspekten, die am Wettkampftag zu Wettspielvorbereitung an der Wettkampfstätte
berücksichtigen sind, kommt demnach insbe- stets als unverzichtbar gilt. Folglich geht es um
sondere aus mentaler Sicht der Optimierung die Abwägung zwischen einer möglicherweise
des individuellen Aktivierungsniveaus und kurzfristigen positiven Aktivierung und einem
der Psychoregulation eine zentrale Bedeutung unangemessenen Verbrauch an energetischen
zu (Ferrauti 1999). Ressourcen.
In einem Experiment absolvierten zwölf Fuß-
ballspieler an drei Versuchstagen in randomisier-
3.3.2 I nhalte, Dauer und Intensität ter und ausbalancierter Reihenfolge morgens
der Wettkampfvorbereitung zwischen 10 und 11 Uhr entweder eine Ruhe-
phase (no Preloading, NP), eine moderate Trai-
Hinsichtlich des idealen Zeitpunktes, der ad- ningseinheit (moderate intensive Preloading bei
äquaten Inhalte, der Dauer und vor allem der 70 % HFmax, MIP) oder eine intensive Trainings-
Intensität der Wettkampfvorbereitung lassen einheit (high-intensive Preloading, HIP bei 90 %
sich keine allgemeingültigen Regeln für alle HFmax) über jeweils 60 min, bestehend aus Klein-
Sportarten formulieren. Aufgrund der hohen feldspielen und Intervallsprints (Oh et al. 2018).
Sportartspezifität, der Variabilität der Rah- Der kalorische Mehrbedarf wurde während des
menbedingungen (z. B. Wettkampfzeitpunkt Mittagessens und durch zusätzliche Snacks kom-
am Wettkampftag morgens, nachmittags, pensiert. Die Leistung im simulierten Wettspiel
abends oder sogar nachts) und der indivi- am Nachmittag wurde durch einen fußballspezi-
duell sehr unterschiedlichen Bedürfnislage fischen Ausdauertest nach Bangsbo und Lind-
ist die trainingswissenschaftliche Auseinan- quist (1992) ermittelt. Im Tagesverlauf erfolgten
dersetzung mit diesem bedeutsamen Thema zu verschiedenen Messzeitpunkten endokrinolo-
bislang unzureichend. Die im Folgenden be- gische, kognitive und psychometrische Erhebun-
schriebenen eigenen Untersuchungsbeispiele gen.Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusam-
verdeutlichen die Komplexität der Fragestel- menfassen:
lungen und geben allgemeine Orientierungs- 1. Katecholaminstimulation und kognitive
hilfen zur Optimierung der Wettkampfvor- Leistung (z. B. Reaktionszeit) nehmen
bereitung. Zum bedeutsamen Aspekt der nach beiden morgendlichen Vorbelastun-
90 A. Ferrauti et al.

600 NP HIP MIP


zurückgelegte Distanz (m)

580

560

3 540

520

500

480

460
1.–4. min 5.–8. min 9.–12. min 13.–16. min

..      Abb. 3.20 Laufdistanzen im Bangsbo-Soccer-Spe- oder nach moderater Wettspielvorbereitung (MIP) am


cific-Endurance-Test (Bangsbo und Lindquist 1992) als Wettkampfmorgen (Oh et al. 2018)
Wettspielsimulation ohne (NP), nach intensiver (HIP)

gen kurzfristig zu. Vor Beginn der Warm-up in den Sportspielen Unmittelbar
Wettspielsimulation am Nachmittag sind vor Spielbeginn findet das öffentliche Warm-up
diese Effekte jedoch abgeklungen. der Mannschaften in der Fußball-Bundesliga
2. Die Laufleistung nimmt gegen Ende des oder auch der Nationalmannschaften statt. Eine
Bangsbo-Tests nach der intensiven mor- systematische Analyse der Inhalte dieser be-
gendlichen Vorbelastung ab (HIP). Die deutsamen Phase bei allen Bundesligavereinen
meisten Spieler (50 %) profitierten von ei- innerhalb einer Saison ergab erhebliche Unter-
ner moderaten morgendlichen Voraktivie- schiede. Die Dauer des Warm-ups schwankt
rung (. Abb. 3.20). zwischen ca. 20 und 30 min (. Abb. 3.21; Brock
et al. 2006). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt
raxistipp: Preloading am Wettkampfmor-
P
zusammenfassen:
gen 1. Die angewendeten Dehnprogramme
unterschieden sich zum Zeitpunkt der
Trotz aller methodischen Einschränkungen bei Datenerhebung erheblich. Acht Mann-
der Simulation realer Turnierverhältnisse unter schaften bevorzugten rein statische, zwei
Trainingsbedingungen kann aufgrund der Er- Mannschaften rein dynamische und sieben
gebnisse und Rückmeldungen der Probanden Mannschaften gemischte Dehnpro-
von einer zu intensiven und langwährenden gramme.
Vorbelastung am Wettkampfmorgen, insbe- 2. Die Anzahl an systematisch zumeist vom
sondere aus energetischer Sicht, abgeraten Athletiktrainer angeleiteten Lauf-ABC-
werden. Die Integration einer moderaten Vor- Bahnen (einschl. Kurzsprints) pro Spieler
belastung besitzt hingeben bei den meisten differierte zwischen zwei und 32 pro
Spielern Vorteile. Die Vorbereitung ist somit Mannschaft und betrug im Mittel ca. elf
individuell mit den Athleten abzustimmen. (. Abb. 3.22a).
Die kurzfristige kognitive Aktivierung unter- 3. Die Anzahl an Torschüssen pro Feldspieler
streicht die Bedeutung einer angemessenen (gemittelt innerhalb der Mannschaften)
Vorbereitung unmittelbar vor Spielbeginn. betrug zwischen zwei und acht
(. Abb. 3.22b).
Leistungssteuerung
91 3
..      Abb. 3.21 Gesamt- 26
dauer der beobacht- 24
baren Wettspielvorbe- 23:42
reitung in der 1. 22
Fußball-Bundesliga 20
sowie Aufteilung der

Dauer der Vorbereitung (min)


18
Gesamtdauer nach
verschiedenen 16
Trainingsinhalten 14
(mod. nach Brock et al.
12
2006)
10
8
6
5:20
4 4:50 4:27
3:37 3:27
2 2:53
2:02 1:54
0
Gesamt Einlaufen Gymnastik Ballarbeit Kurzsprints Torschuss Passformen Spielformen Pause

a 35
..      Abb. 3.22 Durch-
schnittliche Anzahl an 30 32
Lauf-ABC-Bahnen a
LAUF-ABC Bahnen (n/Spieler)

und Torschüssen b pro


25
Spieler und gemittelt
über alle Mannschaf-
20
ten während der
19
beobachtbaren 17
15 16
Wettspielvorbereitung 15
in der 1. Fußball-Bun- 12
13
12
10 11 10,9
desliga (mod. nach
9
Brock et al. 2006) 7
5
5 5 5
3 3
0 2

b 7

6
6
5
Torschüsse (n/Spieler)

4
4 4 4 4 4
3 3,4
3 3 3 3 3 3 3 3 3
2
2 2
1

0
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Ei
M
FC
92 A. Ferrauti et al.

Praxistipp: Warm-up in den Sportspielen ­ etabolische und kardiozirkulatorische Um-


m
stellungen, die nur zeitverzögert dem gestiege-
Inhalte und Dauer der unmittelbaren Wett- nen Sauerstoffbedarf entsprechen. Vor dem
spielvorbereitung unterscheiden sich im Fuß- Start stellt sich auch hier die Frage nach einer
ball erheblich zwischen den Mannschaften bestmöglichen Wettkampfvorbereitung.
und wirken vereinzelt zufällig. Dies kann als In einem Experiment mit zwanzig Freizeit-
3 ein Indiz für eine bislang unzureichende theo- läufern wurden zwei simulierte Wettläufe über
retische Auseinandersetzung mit den Zielen 5 km nach unterschiedlicher Wettlaufvorberei-
und Inhalten dieser Phase interpretiert wer- tung absolviert. Die Vorbereitung bestand ent-
den. Die Anzahl der Torschüsse ist vergleichs- weder aus hochintensiven Steigerungsläufen
weise gering und jene der Laufaktivitäten oder aus einem 15-minütigen extensiven Dau-
schwankt extrem. In den Sportspielen Hand- erlauf. Dabei ergaben sich keine Unterschiede
ball und Basketball sind hingegen einheitli- zwischen den erzielten Laufzeiten über 5 km
chere Routinen festzustellen. Es wird empfoh- nach den verschiedenen Wettlaufvorbereitun-
len, diese entscheidende Phase durch gen. Allerdings wurde das Pacing über die Ge-
bestmögliche Integration von organisatori- samtstrecke etwas verändert. So führten die
schen (Helfer, Ballzahl und -kinder) und logis- Steigerungsläufe zum schnellsten Start, jedoch
tischen Maßnahmen (vorgegebene individu- auch zum stärksten Geschwindigkeitsabfall auf
alisierte bzw. gruppenspezifische Abläufe je den letzten Kilometern.
nach der vorrangigen Beanspruchung im
Spiel) zu optimieren. Die Wiederholungszahl Praxistipp: Warm-up und Pacing im Laufsport
entscheidender technischer und motorischer
Aktivitäten ist je nach Spielposition zu erhö- Der abrupte Übergang beim Start von Ruhe
hen. Auch die Gestaltung des Wiederbeginns zu hoher Laufgeschwindigkeit verlangt
nach der Halbzeitpause und die Aktivitäten eine ausreichende und zum Teil intensive
der Einwechselspieler sollten hinterfragt wer- (z. B. Steigerungsläufe und Intervallsprints)
den. Bereits in den ersten Spielsekunden Wettlaufvorbereitung. Diese kann theore-
sollte die maximale Leistungsfähigkeit abge- tisch das Sauerstoffdefizit nach dem Start
rufen werden können, denn die Bedeutung verringern und die Belastungsverträglich-
früher Torerfolge für den Spielausgang ist be- keit steigern. Voraussetzungen hierfür sind
kannt (Mohr et al. 2004). ein angemessener Trainingszustand und
die Verfügbarkeit ausreichender Energie-
reserven, um die Leistung bis zum
Warm-up und Pacing im Laufsport Seit vielen Wettkampfende aufrechtzuerhalten.
Jahren erfreuen sich Volksläufe für engagierte
Freizeitläufer einer großen Beliebtheit. Unmit-
telbar nach dem Startsignal werden hier (insbe- Warm-up und Stressregulation Der Wett-
sondere bei Läufen über eine kürzere Dauer) kampftag geht bei zahlreichen Athleten mit
üblicherweise die höchsten Geschwindigkeiten einer hohen Vorwettkampf- und Wettkampf-
erzielt. Dies dient aus rein pragmatischen Grün- nervosität einher. Der Nervositätsgrad klingt
den unter anderem dazu, den Konkurrenten an nach Beendigung des Warm-ups bis zum Wett-
der Startlinie zu entfliehen und um möglichst kampfbeginn etwas ab (. Abb. 3.19) und geht
„freie Bahn“ für die Realisierung des eigenen ge- mit hohen Konzentrationen des Stresshormons
wünschten Wettkampftempos zu haben. Ferner Adrenalin und gleichzeitig niedrigen Norad-
kann den Konkurrenten bereits frühzeitig ein renalin/Adrenalin-Quotienten (NA/A-Quo-
Signal der eigenen Stärke vermittelt werden. tienten) einher. Vor und während eines Ten-
Dieser abrupte Übergang verlangt erhebliche nisturniers ergaben sich enge Korrelationen
Leistungssteuerung
93 3
10

8
Quotient Noradrenalin/Adrenalin

*
7

0
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 Xges XN– XN+
Spieler

..      Abb. 3.23 Noradrenalin/Adrenalin-Quotienten (N-) nervositätsbedingter Leistungseinschränkung. Das


nach Beendigung eines Turniereinzels im Tennis sowie empfohlene Quotientenintervall ist hellgrün
Mittelwerte von Spielern mit (N+, mit Pfeil) und ohne dargestellt (Ferrauti 1999)

zwischen der Nachbelastungskonzentration Komplexität des sympathischen Nervensys-


von Adrenalin im Urin, den NA/A-­Quotienten tems folglich nicht gerecht. Auch Zimmer-
und dem rückblickend auf den Matchver- mann empfohl daher schon (1986) die Be-
lauf subjektiv empfundenen Nervositätsgrad. trachtung des NA/A-Quotienten, da dieser
Speziell dem NA/A-Quotienten scheint eine besser über den jeweiligen Aktivierungsgrad
besondere Bedeutung für die Erfassung des informiert und nach ihren Untersuchungen
Wettkampfstresses zuzukommen, da hier die ebenfalls einen engeren Zusammenhang zum
statistische Beziehung (r = 0,6) noch enger Ausmaß der Leistungsrealisation aufwies. Die
ist (Ferrauti 1999). Auf die Frage, ob sie einen besten Wettkampfleistungen wurden von Zim-
nervositätsbedingten Leistungsverlust im Spiel mermann (1986) in verschiedenen Sportarten
hinnehmen mussten (N+), äußerten sich zwölf innerhalb eines eng umschriebenen Quotien-
der insgesamt 27 befragten Spieler mit „Ja“. Bei tenbereichs zwischen 3 und 6 beobachtet. Bei
elf dieser Spieler lag der NA/A-Quotient unter NA/A-Quotienten ≤2 konnten die Sportler
4,0 und unterschied sich im Mittel signifikant hingegen die von ihnen erwartete Leistung
von jenem der nicht nervositätsbeeinträchtig- nicht erbringen. Zu hohe Quotienten sind hin-
ten Spieler (. Abb. 3.23). gegen ebenfalls nachteilig und ein Indikator
Die isolierte Interpretation von Adrenalin- für ein unzureichendes Aktivierungsniveau.
bzw. Noradrenalinausschüttung im Zusam- Folglich existiert ein umgekehrt U-förmiges
menhang mit Leistungsfähigkeit und Leis- Verhältnis zwischen dem Aktivierungsniveau
tungsrealisation eines Athleten wird der und der Leistungsrealisation des Athleten.
94 A. Ferrauti et al.

Exkurs: Nervosität und Leistungsverlust

Die Katecholamine und insbesondere Adrenalin sich ebenfalls nicht in allen Sportarten positiv aus.
besitzen einen Einfluss auf das Kontraktionsverhalten Speziell in koordinativ anspruchsvollen Sportarten
der Muskelfasern. Hierdurch kann ein funktionsge- kann sie die inter- und intramuskuläre Koordination
rechter Bewegungsablauf empfindlich gestört empfindlich stören und mit einem Verlust an
3 werden. Dies beruht auf der Existenz von Adrenalin-
rezeptoren auf den extrafusalen Skelettmuskelfasern.
Bewegungsökonomie und -präzision einhergehen.
Automatisierte Bewegungsprogramme werden in
Es resultiert eine Erhöhung des Muskeltonus von solchen Situationen als ungeeignet interpretiert und
FT-Fasern bei gleichzeitiger Abnahme der Spannung während des Wettkampfes modifiziert. Hierdurch sind
von ST-Fasern (Bowman und Zaims 1958; Bowman Leistungseinbußen, verbunden mit Unzufriedenheit
1981). Ein Spannungsverlust der ST-Fasern verringert und erhöhtem Wettkampfstress, unumgänglich. Der
die Leistungsfähigkeit der Haltemuskulatur. Sportler befindet sich in einem Teufelskreis, da die
Zahlreiche Sportler klagen daher über ein Gefühl der adrenalinbedingte Störung der Bewegungskoordina-
Schwäche im Kniebereich („weiche Knie“) und Rücken. tion auf diese Weise eine weitere Adrenalinausschüt-
Die Erhöhung des Muskeltonus der FT-Fasern wirkt tung auslöst.

Die unmittelbare Wettkampfvorbereitung und


hier speziell das Warm-up bilden einen we- hilfreich sein. Dies betrifft speziell Sportarten,
sentlichen Regulator für den beschriebenen in denen ausgehend von Ruhephasen plötz-
Problemkreis. Physiologisch betrachtet verur- lich hohe koordinativ anspruchsvolle Aufga-
sacht intensive körperliche Aktivität die ver- ben unter Stress zu bewältigen sind (z. B.
mehrte Ausschüttung von Noradrenalin und beim Elfmeterschießen im Fußball).
dadurch eine Erhöhung des NA/A-Quotienten
und eine Dämpfung der isolierten Stressreak-
tion durch Adrenalin. Psychologisch verlagert Prep to win In der Gesamtheit kommt der un-
es den Aufmerksamkeitsfokus des Athleten mittelbaren Wettkampfvorbereitung aus zahl-
weg von der als Bedrohung empfundenen reichen bereits beschriebenen Gründen eine
Wettkampfaufgabe und hin zu körpereigenen dominante Bedeutung für den Wettkampferfolg
Reaktionen wie Atmung und Erschöpfung. zu. Auch wenn ein allgemeingültiges Ablauf-
schema niemals den vielfältigen Anforderungen
unterschiedlicher Sportarten gerecht werden
Praxistipp: Warm-up und Stressregulation kann, soll an dieser Stelle eine grobe Orientie-
rungshilfe für die Sportpraxis angeboten wer-
Das Warm-up hat neben anderen Funktionen den. Dieses Stufenmodell mit sechs Abschnitten
auch den Sinn, Stress abzubauen. Speziell basiert in Ermangelung evidenzbasierter Pro-
jene Sportler, die regelmäßig über leistungs- gramme ausschließlich auf Plausibilitätskrite-
mindernde Nervosität vor und während des rien und Erfahrungen (. Abb. 3.24).
Wettkampfes klagen, sollten verschiedene In- Stufe 1: rein aerobe Aktivität großer Mus-
terventionen auf ihre individuelle Wirkung kelgruppen unter Einbau von sportartspezi-
überprüfen. Neben den klassischen Verfahren fisch ausgerichteten koordinativen Elementen.
der Psychoregulation (Atemregulation, pro- Stufe 2: kompakte dynamische und je nach
gressive Muskelentspannung) kann eine In- Bedarf auch statische Dehnelemente sowie ex-
tensivierung und Ausdehnung der Warm-up- terne Druckmassage im Sinne einer „Muskel-
Phase (z. B. durch Integration von hygiene“ (Faszienmobilisation).
Intervall-Sprints) aufgrund der beschriebenen Stufe 3: aktive Einnahme extremer Körper-
physiologischen Zusammenhänge empfoh- positionen im Sinne eines sportartspezifisch
len werden. Auch während des Wettkampfes kombinierten Dehn- und Stabilisationspro-
kann eine erneute körperliche Voraktivierung gramms unter nennenswerter Aktivierung der
Haltemuskulatur (Functional Movement Prep).
Leistungssteuerung
95 3

Aufmerksamkeit

sportartspezifische Aktivierung

reaktive Aktivierung spezieller Muskelgruppen

aktive Stabilisation und Dehnung (Movement Prep)

Muskelhygiene, einschl. Dehnvariationen und Faszienmobilisation

allgemeine koordinativ angereicherte Aktivierung von HKS und Arbeitsmuskulatur

10 min 8 min 8 min 5 min 8 min 2–4 min

a Zeit ca. 40 min b

..      Abb. 3.24 a Einfaches Stufenmodell zur Wett- dem ersten Punkt vom Netz zur Grundlinie. Die
kampfvorbereitung. b Das Finale kann beginnen. Wettkampfvorbereitung ist abgeschlossen (7 https://
Rafael Nadal (ESP) sprintet nach der Seitenwahl vor doi.org/10.1007/000-04h)

Stufe 4: speziell in schnellkraftabhängi- gar Hirnschädigung). Durch eine Verbesserung


gen Sportarten reaktive und schnellkräftige der Hitzebalance werden leistungsmindernde
Muskelaktivierung (Sprünge, Lauf-ABC) Gegenregulationen wie Schweißproduktion und
ohne Ermüdung. Vasodilatation der Hautgefäße reduziert und
Stufe 5: sportartspezifische Bewegungsmus- hierdurch eine ausreichende Sauerstoffverfüg-
ter im Sinne von Einlaufen, -schwimmen, -tur- barkeit der Arbeitsmuskulatur gewährleistet.
nen, -spielen (natürlich kann diese Phase zeit- Spätestens seit den vergangenen (FIFA Fuß-
lich je nach Bedarf ausgedehnt werden). Hier ball-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014 und
wären auch intensive Belastungsreize möglich. Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro) und
Stufe 6: kognitiv-motivationale Interventi- zukünftigen (z. B. FIFA Fußball-Weltmeister-
onen je nach Sportart. schaft in Katar 2022) internationalen sportlichen
Großveranstaltungen in der Hitze sind die For-
schungsbemühungen um die Effizienz geeigneter
3.3.3 Precooling zur Schutzvorkehrungen angestiegen.
Wettkampfvorbereitung

Ein signifikanter Anstieg der Körperkerntempe- Precooling und Percooling


ratur, verursacht durch eine Dysbalance zwi- Der Einsatz von Kühlinterventionen unter-
schen Wärmeproduktion und Wärmeabgabe schiedlichster Art (Kühlpacks, Eisbeutel,
während langandauernder Wettkämpfe, beein- Kühlwesten, Kaltwasserimmersion, Ventila-
trächtigt zahlreiche physiologische Funktionen toren, kalte Getränkezufuhr, gemischte In-
negativ und senkt in der Summe die körperliche terventionen) unmittelbar vor (Precooling)
Leistungsfähigkeit (Ückert und Joch 2007; Wendt oder während (Percooling) Training oder
et al. 2007; Duffield 2008). Im Grenzfall drohen Wettkampf bei hohen Umgebungstempera-
gesundheitliche Hitzeschäden wie der Sonnen- turen mit dem Ziel der Leistungssteigerung
stich (Irritation der Hirnhaut) oder der Hitz- und zur Vorbeugung von Hitzeschäden.
schlag (Bewusstseinstrübung, Hirnödem oder
96 A. Ferrauti et al.

auch während des Wettkampfes einzusetzen.


Selbstverständlich sind diese Überlegungen
nur für jene Sportarten relevant, die ohne Hit-
zeschutz bei hohen Außentemperaturen und
über eine längere Belastungsdauer absolviert
werden (z. B. Langstrecken- und Marathon-
3 lauf, Triathlon über die olympische oder alle
längeren Distanzen, Fußball und Feldhockey,
Tennis). Ferner sind die sportartspezifischen
Möglichkeiten der Kühlintervention bestmög-
lich auszunutzen. Im Tennis bietet der Seiten-
wechsel beispielsweise perfekte Rahmenbedin-
gungen des Percoolings (. Abb. 3.25).
Bei der FIFA-WM in Brasilien 2014 wurden
während der Wettspielvorbereitung beispiels-
..      Abb. 3.25 Percooling beim Seitenwechsel im weise von der schweizerischen Fußball-Na-
Tennis mit Eishandtüchern. In einer Cross-Over-Studie tionalmannschaft Kühlwesten eingesetzt. Auch
vor den Australian Open stellten wir unmittelbar nach für die Ersatzspieler und während der Halbzeit-
dem Seitenwechsel eine höhere Leistungsbereitschaft
der Spieler durch Percooling fest
pause ergeben sich hier zusätzliche Möglich-
keiten. Allerdings sollte der erfahrene Coach
stets auch die individuelle Rückmeldung des
Bei einem metaanalytischen Vergleich der Athleten einholen und berücksichtigen.
Wirksamkeit von Pre- versus Percooling-­
Interventionen zeigte sich in beiden Fällen Praxistipp: Precooling und Percooling
ein Anstieg der Leistungsfähigkeit um 5–10 %
bei vergleichbarer Effektstärke (Bongers et al. Der Einsatz von komplexen und gemischten
2015). Interessanterweise werden die Haut- Formen der Kühlintervention vor und wäh-
und Körperkerntemperatur sowie andere rend des Wettkampfes kann grundsätzlich für
physiologische Parameter bei Belastungsende Sportarten empfohlen werden, die bei hoher
kaum durch die Kühlung beeinflusst. Durch die Umgebungstemperatur über eine lange Wett-
gesteigerte Hitzespeicherkapazität wird jedoch kampfdauer absolviert werden. In vielen Fäl-
bei gleicher physiologischer Ausbelastung eine len kann eine erhöhte Leistungsfähigkeit
höhere Leistung erzielt. Von den unterschied- und -bereitschaft erzielt werden (. Abb. 3.25).
lichen Precooling-Methoden schneidet die Beim Einsatz von Kühlwesten ist besonders
Kühlweste am schlechtesten ab. Den besten Er- auf eine gute Funktionalität des Kühlaggre-
folg lieferte die kombinierte Anwendung meh- gats zu achten. Alle Interventionen sind zu-
rerer Methoden sowie Kaltwasserimmersion. nächst unter Trainingsbedingungen auf ihre
Hinsichtlich der Percooling-Methoden sind Akzeptanz bei den Athleten zu überprüfen. In
primär Eisweste oder -handtuch (. Abb. 3.25) Schnellkraftsportarten ist eine Abkühlung der
in Kombination mit eisgekühlten Getränken Arbeitsmuskulatur unbedingt zu vermeiden.
empfehlenswert (Bongers et al. 2015). Ein Einsatz der Interventionen ist sorgfältig in
Für die Sportpraxis ergibt sich hieraus ein- Abhängigkeit von Sportart und individueller
deutig die Empfehlung, Strategien des Pre- und Rückmeldung des Athleten abzuwägen.
Percoolings in die Wettkampfvorbereitung und
Leistungssteuerung
97 3
3.4 Leistungsdiagnostik und behandelt. Eine Auswahl an Testverfahren zur
Testverfahren Messung von Anthropometrie und Körper-
komposition sowie zur Kraft-, Schnelligkeits-,
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist (meistens) besser Beweglichkeits- und Ausdauerdiagnostik wird
vorgestellt. Abschließend werden verschiedene
Zusammenfassung sportartspezifische Testverfahren behandelt.
Die Leistungsdiagnostik ist ein wesentlicher
Bestandteil der Leistungssteuerung und bildet Alle in der Sportpraxis bekannten Testverfahren
eines der Kernelemente für die systematische wie beispielsweise der Cooper-Test und der
Gestaltung des Trainingsprozesses. Sie bezieht Jump-and-Reach-Test sowie einfache Krafttests
sich primär auf die Messung konditioneller an Kraftmaschinen oder mit der Langhantel
und technomotorischer Leistungskompo- (. Abb. 3.26), aber selbstverständlich auch
nenten in einer weitgehend standardisierten komplexere sportwissenschaftliche Verfahren
Testumgebung unter Einhaltung der Testgü- der Leistungsmessung, lassen sich dem Bereich
tekriterien. Leistungsdiagnostik kann sowohl der Leistungsdiagnostik zuordnen. Sie ist ein
unter Laborbedingungen (Labortests) als auch wesentlicher Bestandteil der Leistungssteue-
unter realen sportpraktischen Umgebungsbe- rung (. Abb. 3.2) und bildet eines der Kernele-
dingungen (Feldtests) stattfinden. Die Ergeb- mente für die systematische Gestaltung des
nisse liefern aktuelle Informationen über den Trainingsprozesses (Hottenrott und Hoos
Leistungsstand eines Athleten (trainingsprak- 2013). Ihr Aufgabenbereich wird je nach Autor
tische Leistungsdiagnostik) und unterstützen unterschiedlich weit oder eng gefasst. Bei weiter
in langfristiger Perspektive die Leistungsstruk- Auslegung des Begriffes umfasst die Leistungs-
turanalyse der Sportarten durch Priorisierung diagnostik auch die systematische Wettkampf-
der Einflussgrößen auf die Wettkampfleistung analyse (7 Abschn. 3.2) sowie die komplexe
(trainingswissenschaftliche Leistungsdiagnos- Technikdiagnostik durch biomechanische Be-
tik). Im vorliegenden Kapitel werden Möglich- wegungsanalysen (Hohmann et al. 2002). Im
keiten zur Klassifizierung von Testverfahren, die Folgenden wird Leistungsdiagnostik jedoch pri-
besonderen Anforderungen an die Qualitätssi- mär als eine Methode zur Erfassung konditio-
cherung sowie die Anforderungen an die Test- neller und technomotorischer Leistungskompo-
gütekriterien und die Testnormierung detailliert nenten außerhalb des Wettkampfes verstanden.

..      Abb. 3.26 1-Repe-


tition-Maximum-Test (1
RM) für die Parallel-
kniebeuge
98 A. Ferrauti et al.

Leistungsdiagnostik Exkurs: Testgütekriterien


Unter Leistungsdiagnostik im engeren In der klassischen Testtheorie werden Haupt-
Sinne wird die Messung konditioneller und Nebengütekriterien unterschieden (Lienert
und technomotorischer Leistungskom- und Raatz 1989). Zu den Hauptgütekriterien
ponenten in einer weitgehend zählen Objektivität, Reliabilität und Validität.
standardisierten Testumgebung unter Nebengütekriterien sind unter anderem
3 Einhaltung der Testgütekriterien
Normierung, Ökonomie und Nützlichkeit.
55 Objektivität: Die Ergebnisse sind unabhän-
(Lienert und Raatz 1989) verstanden. gig vom Testleiter und seiner Interpretation.
Leistungsdiagnostik kann sowohl unter 55 Reliabilität: Die Ergebnisse sind zuverlässig,
Laborbedingungen (Labortests) als weitgehend reproduzierbar und ohne
auch unter realen sportpraktischen nennenswerten Messfehler.
55 Validität: Die Ergebnisse sind gültig in Bezug
Umgebungsbedingungen (Feldtests) auf den Sachverhalt, der gemessen werden
stattfinden. Die Ergebnisse liefern soll.
aktuelle Informationen über den 55 Normierung: Ein Bezugssystem ermöglicht
Leistungsstand eines Athleten die Skalierung individueller Ergebnisse.
(trainingspraktische Leistungsdiagnos- 55 Ökonomie: Aufwand und Nutzen des
Testverfahrens stehen in einem angemes-
tik) und unterstützen in langfristiger senen Verhältnis.
Perspektive die Leistungsstrukturana- 55 Nützlichkeit: Die Ergebnisse des Testverfah-
lyse der Sportarten durch Priorisierung rens werden zur Optimierung der
der Einflussgrößen auf die Wettkampf- Leistungssteuerung benötigt.
leistung (trainingswissenschaftliche
Leistungsdiagnostik).
Auch die Leistungsdiagnostik wird im Rah-
men der Leistungssteuerung unter einer lang-
und einer kurzfristigen Perspektive angewen-
Die Leistungsdiagnostik findet gewöhnlich det (. Abb. 3.2). Aus langfristiger Sicht stehen
während des Trainings, zu ausgewählten Son- die Entwicklung und Validierung sportartspe-
derterminen außerhalb des Wettkampfes oder zifischer Diagnoseverfahren auf der Basis von
unter völlig anderen Umgebungsbedingungen Wettkampfanalysen im Vordergrund. Darauf
wie im Fitnessstudio, im Rehazentrum oder aufbauend folgt die Entwicklung von alters-
während des Schulsports statt. Die Mehrzahl und geschlechtsabhängigen repräsentativen
aller Testverfahren widmet sich der Messung Normprofilen, aus denen wertvolle Hinweise
konditioneller Leistungskomponenten bzw. für die Leistungsstruktur einer Sportart ge-
ihrer Teilaspekte (z. B. Maximal-, Schnell- und wonnen werden können (7 Abschn. 3.2).
Reaktivkraft, zyklische und azyklische Schnel- Die kurzfristige trainingspraktische An-
ligkeit, Beweglichkeit sowie aerobe und anae- wendung der Leistungsdiagnostik zur individu-
robe Ausdauer). Darüber hinaus existieren ellen Leistungssteuerung gewinnt durch die
zahlreiche sportmotorische Tests zur Erfas- vorherige Normierung der Testleistungen ihre
sung von allgemein koordinativen, aber auch Systematik. Gemäß der oben beschriebenen ky-
sportartspezifischen technomotorischen Fä- bernetischen Betrachtungsweise fungiert die
higkeiten (z. B. Dribbling-­Tests oder Wurftests Leistungsdiagnostik als „Messfühler“, deren Er-
im Fußball, Handball oder Basketball). Zwin- gebnisse erst durch die Definition von Sollwer-
gende Voraussetzung für Wertigkeit und Aus- ten im Vergleich mit repräsentativen Normpro-
sagekraft des Testergebnisses ist eine weitge- filen an Aussagekraft für die Trainingssteuerung
hend standardisierte Testumgebung und die eines Athleten gewinnen (. Abb. 3.1 und 3.2).
Einhaltung der Testgütekriterien (Lienert und Dies kann sowohl einmalig bzw. erstmalig im
Raatz 1989). Rahmen einer Statusdiagnostik oder im Ideal-
fall regelmäßig und im zeitlichen Längsschnitt
Leistungssteuerung
99 3
wiederholend als Prozessdiagnostik erfolgen schen Umgebungsbedingungen, also auf dem
(Hohmann et al. 2002). Die genaue Vorgehens- Sportplatz, in der Sporthalle oder im Schwimm-
weise hierbei wird durch praktische Beispiele in bad (Feldtests), stattfinden (. Abb. 3.29). Die
7 Abschn. 3.5 beschrieben. bessere Standardisierung unter Laborbedingun-
gen wirkt sich normalerweise positiv auf die Zu-
eispiel: Trainingswissenschaftliche und trai-
B verlässigkeit und Wiederholbarkeit der Ergeb-
ningspraktische Leistungsdiagnostik im Rudern nisse aus (Reliabilität). Die Testdurchführung
Ein 2000-m-Maximaltest auf dem Ruderergometer unter Feldbedingungen an der Sportstätte er-
gilt als Goldstandard für die Erfassung der laubt dagegen eine höhere Sportartspezifität
ruderspezifischen Ausdauerleistung. Aufgrund der und somit Gültigkeit der Testergebnisse (Validi-
hohen physiologischen Beanspruchung dieses tät).
Tests ist eine engmaschige trainingsbegleitende Die drei vorrangig leistungsdiagnostisch
Testwiederholung jedoch unangebracht. Im
Rahmen der trainingswissenschaftlichen Leistungs- tätigen Disziplinen Sportmedizin, Biomecha-
diagnostik wurden demnach „schonendere“ nik und Trainingswissenschaft besitzen hin-
Testverfahren entwickelt, die mit geringerer sichtlich ihrer Messmethoden beachtliche
Störung des Trainingsprozesses einhergehen und Schnittmengen, haben jedoch auch eigene
alleine oder in Kombination eine hohen traditionelle Schwerpunkte (. Abb. 3.29). Die
Aufklärungswert über die 2000-m-Ruderleistung
besitzen. Die Kombination eines Maximalsprints sportmedizinische Leistungsdiagnostik findet
über 20 s (Leistung und Laktatbildungsrate) und üblicherweise unter Laborbedingungen statt.
der Leistung an der aerob-anaeroben Schwelle Klassische Methoden sind die Laufband- oder
kann daher ersatzweise im Rahmen der trainings- Fahrradergometrie, ergänzt durch klinische
praktischen Leistungsdiagnostik als schonende
und laborchemische Diagnoseverfahren. Die
Alternative sowohl zur erstmaligen Statusdiagnos-
tik als auch zur regelmäßigen Prozessdiagnostik Biomechanik arbeitet ebenfalls unter Laborbe-
verwendet werden (Falke et al. 2012). dingungen und benutzt im Idealfall komplexe
Messplätze, die in den meisten Fällen eine iso-
metrische und isokinetische Kraftdiagnostik,
Kraftmessplatten für Gleichgewichts-, Gang-,
3.4.1 Möglichkeiten der Lauf- und Sprunganalysen sowie Muskel-
Klassifizierung funktions- und Muskelstimulationsmethoden
(z. B. Elektromyographie) und die kinemati-
Leistungsdiagnostik kann sowohl unter Labor- sche Bewegungsanalyse mittels hochauflösen-
bedingungen als auch unter realen sportprakti- der Kamerasysteme ermöglichen (. Abb. 3.27).

a b

..      Abb. 3.27 Messung der Blutlaktatkonzentration a und Tensiomyographie b, Beispiele für die sportmedizini-
sche und biomechanische Leistungsdiagnostik
100 A. Ferrauti et al.

In Abgrenzung zur Sportmedizin und Bio- Sportmotorische Tests lassen sich ebenfalls
mechanik versucht die trainingswissenschaftli- dem Verantwortungsbereich der Trainingswis-
che Leistungsdiagnostik, möglichst semi- oder senschaft zuordnen. Sie zeichnen sich dadurch
sportartspezifisch und zumeist unter Feldbe- aus, dass sie unter standardisierten Feldbedin-
dingungen trennscharfe Messmethoden ein- gungen und unter Einhaltung der Gütekrite-
zusetzen (z. B. Lichtschrankensysteme, Radar- rien ohne nennenswerte technologische Un-
3 und Videoanalysen, Kontaktplatten und terstützung quantitative Aussagen über alle
GPS-Systeme). Vielfach kommen spezielle – Teilaspekte des motorischen Fähigkeitsniveaus
an Feldbedingungen und sportartspezifische in flächendeckend breiter Anwendung (z. B.
Anforderungen adaptierte – Messmethoden im Verein und an den Schulen) ermöglichen
zum Einsatz (z. B. der Feldstufentest, Inter- (Bös 1987). Für den schulischen Anwendungs-
vallsprinttests, akustisch gesteuerte Ausdauer- bereich hat sich in Deutschland der Deutsche
tests, sportartspezifische Tests wie z. B. zur Motorik-Test etabliert (Bös et al. 2009). Viele
Messung der Hantelgeschwindigkeit beim Ge- der dort verwendeten Testaufgaben sind der
wichtheben oder die Messung im Schwimm- Trainingsmethodik entnommen (z. B. Sit-up
kanal). als Trainingsform und Test gleichzeitig).

Beispiel: Sit-up – der Weg von der Übung zum Test

Sit-up (Rumpfbeuge) bzw. besser Crunches Ausführungsgeschwindigkeit (mittels Pacer), Bewe-


(Bauchpressen) sind Übungen, bei denen man mit gungsumfang (mittels mechanischer Grenzen) und
angewinkelten oder angehobenen Beinen den Abbruchkriterien festgelegt werden (. Abb. 3.28).
Oberkörper aufrichtet. Die Übung soll primär die Messgröße ist in diesem Fall die maximale Anzahl
Bauchmuskulatur kräftigen und wird im Rahmen der vollständigen korrekt ausgeführten Bewegun-
der Leistungsdiagnostik häufig zur Messung der gen. Zeitlich ökonomischer wäre stattdessen die
Kraftausdauer der Bauchmuskulatur eingesetzt. Feststellung der Ausführungshäufigkeit pro Zeit. In
Hierzu ist eine Standardisierung der Übungsausfüh- diesem Fall kann die Ausführungsgeschwindigkeit
rung zwingend erforderlich, um die Gütekriterien jedoch nicht standardisiert werden und die Ausfüh-
einzuhalten. Beispielsweise müssen Ausgangsposi- rungsqualität leidet zumeist. Dies geht zulasten der
tion (mittels Gelenkwinkelmesser bzw. Goniometer), Gütekriterien (hier speziell der Reliabilität).

..      Abb. 3.28 Standardisierung von Bewegungsumfang und -geschwindigkeit beim


Sit-up-Test – ein sportmotorischer Test zur Messung der Kraftausdauer der Bauchmuskulatur
Leistungssteuerung
101 3
Neben allgemeinen oder grundlegenden Test- spezifische Alternativen zur Laufbandergome-
verfahren existieren zahlreiche semispezifische trie entwickelt. Hier sind exemplarisch der Yo-
oder sogar sportartspezifische Testverfahren, in Yo-Intermittent-Recovery-Test (Bangsbo et al.
denen in besonderer Weise das Beanspru- 2008) und der 30-15-Intermittent-­Fitness-Test
chungs- und Belastungsprofil der Sportarten (Buchheit 2008) zu nennen. Bei diesen Feldtests
zur Erhöhung der Validität abgebildet werden. wechseln Laufaktivitäten und Erholungspausen
Ein Testverfahren kann demnach nicht grund- regelmäßig ab. Die Laufphasen beinhalten reak-
sätzlich den drei Subkategorien zugeordnet tive Richtungswechsel und die Laufgeschwin-
werden; die Einstufung hängt vielmehr von der digkeiten liegen vergleichsweise hoch. Aufbau-
Nähe zum Belastungs- und Beanspruchungs- end auf diesen, für intermittierende Sportarten
profil einer Sportart ab, für die dieser Test ein- semispezifischen, Testverfahren existieren wei-
gesetzt wird (. Abb. 3.29). tere sportartspezifische Testentwicklungen, die
Im Rahmen der Ausdauerleistungsdiagnos- auch die technomotorischen Anforderungen
tik besitzt die Laufbandergometrie für viele in den Ablauf integrieren. Der Judo-Beep-Test
Laufdisziplinen einen hohen Aufklärungswert. (Kirbschus et al. 2011) findet auf der Judomatte
Für Schwimmer, Ruderer, Radfahrer, Kampf- statt und beinhaltet zwischen jedem Richtungs-
sportler und Sportspieler liefert sie jedoch allen- wechsel eine Judorolle; der Bangsbo-Soccer-Spe-
falls einen allgemeinen Eindruck. In Sportarten cific-Endurance-Test (Bangsbo und Lindquist
mit intervallförmiger bzw. intermittierender 1992) wird auf dem Fußballfeld durchgeführt;
Beanspruchung haben sich zahlreiche semi- der Hit-and-Turn-Tennis-Test auf dem Tennis-

Umgebung Disziplin Messmethoden Generalität Intensität Komplexität

Labor Sport- Apparativ Allgemein Maximal Einzeltests



medizin (z. B. Laufband, 2max,
HFmax,
Laktatanalyse, LAmax, vmax, 1 RM,
Isokinetik, Licht- Nmax, max)
schranken, Radar) homogene
Testbatte-
Biome- Semispezi- rien
chanik (Spirometrie)

Feld
heterogene
Testbatte-
rie bzw.
Testprofile
Trai- Manuell Sportartspe- submaximal
nings-
wiss. Maßband, Stoppuhr) HFsubmax, v4, 12 RM)

VO2max max,: maximale Herzfrequenz; LAmax: maximale Laktatkonzen-
tration; vmax, = Maximalgeschwindigkeit; 1 RM: 1-Wiederholungsmaximum; N max: Maximalkraft; max:
maximale Winkelgeschwindigkeit, PWC 130: Power Work Capacity, Watt bei 130 HF; HFsubmax: submaximale
Herzfrequenz, v4: aerob-anaerobe Schwelle als Geschwindigkeit bei 4 mmol/l Blutlaktat; 12 RM: 12-Wie-
derholungsmaximum

..      Abb. 3.29 Möglichkeiten zur Klassifizierung leistungsdiagnostischer Verfahren


102 A. Ferrauti et al.

platz unter Einbezug von Schlagsimulationen (ggf. mit Zusatzlast) bereits deutlich aussage-
und Side-Steps (Ferrauti et al. 2011). kräftiger. Die spezifische Kraftdiagnostik erfolgt
In gleicher Weise lässt sich diese Abstufung im Bundesverband Deutscher Gewichtheber in
zur Spezifität auch für die Schnelligkeits- und Leimen (BVDG) mithilfe eines vom Institut für
Kraftdiagnostik vornehmen. Exemplarisch sei angewandte Trainingswissenschaft (IAT) an der
hier die sportartspezifische Schnelligkeitsdiag- Trainingsstätte fest installierten kinematischen
3 nostik für den Bob- und Schlittensport er- Messplatzes, der die Geschwindigkeitsverläufe
wähnt (. Abb. 3.30). im sogenannten Langhantelzug-Test präzise
Im Bereich der Kraftdiagnostik wird ein und online erfasst (. Abb. 3.31).
Athlet im olympischen Gewichtheben mittels Eine weitere wichtige Klassifizierung von
einer isokinetischen Kraftdiagnostik im Labor Tests betrifft den notwendigen Grad der Aus-
zwar weitgehend standardisierte Informationen belastung bis zur Feststellung der Leistung
erhalten; diese besitzen jedoch nur einen gerin- (. Abb. 3.29). Nicht alle leistungsdiagnostischen
gen Aufklärungswert für seine Leistung im Rei- Verfahren erfordern eine maximale Ausbelas-
ßen oder Stoßen. Hier sind reaktive Sprungtests tung. Dies ist bedeutsam, da eine maximale Aus-

..      Abb. 3.30 Zur Schnelligkeitsdiagnostik im Bobfahrer im 20-m-Sprint mit Widerstand deutlich


Bobfahren existieren gute Simulationsmöglichkeiten schneller als Sportstudenten (3,64 s vs. 4,39 s). Ohne
für die Laufbahn. In einer Vergleichsstudie waren Widerstand ergab sich hingegen kein Unterschied

a b

..      Abb. 3.31 a Leistungszentrum des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber in Leimen (BVDG) und b
Einblick in die Software zur Erfassung der Geschwindigkeitsverläufe im Langhantelzug-Test
Leistungssteuerung
103 3
belastung einen erheblichen Grad an Ermüdung gebnisse in einer Testbatterie zu verwenden.
induziert, anschließend eine ausreichende Rege- Folglich wird in zwei Schritten zunächst durch
nerationszeit erfordert und daher den Trainings- Experten eine Auswahl von Einzeltests zusam-
prozess empfindlich stört. Auch eine unzurei- mengestellt und nach einer ausreichenden Da-
chende Belastbarkeit von Herz-Kreislauf-System tenerhebung in einem zweiten Schritt faktoren-
und Bewegungsapparat im Freizeit- und Ge- analytisch (konfirmatorische Faktorenanalyse)
sundheitssport sprechen gegen maximale Test- geprüft, welche der ausgewählten Tests der
anforderungen. Folglich sind solche Testver- Testbatterie das übergeordnete motorische
fahren charmant, die bereits bei submaximaler Konstrukt mit angemessener Genauigkeit ab-
Belastungsintensität mit hoher Genauigkeit auf bilden. Dabei wird auch die Frage geklärt, ob
die sportartspezifische Maximalleistung extra- eine Dimension unzureichend abgebildet ist
polieren können. Bei der Laktatleistungsdiag- und welche Tests aus Ökonomiegründen mög-
nostik existieren hierzu verschiedene Schwel- licherweise entfallen können (Bös 1987). Auf
lenmodelle, die die Leistung bei submaximaler diese Weise sind in den vergangenen zwei De-
Blutlaktatkonzentration berechnen bzw. ableiten kaden eine Vielzahl an Testbatterien auf der Ba-
(u. a. Heck et al. 1982). Im Rahmen der Fahrrad- sis sportmotorischer Tests speziell für das Kin-
ergometrie (Rost und Hollmann 1982) kann die des- und Jugendalter sowie den Schulsport
Wattleistung beim Erreichen einer festgelegten entstanden. Exemplarisch sind hier der Deut-
Herzfrequenz bestimmt (z. B. PWC 130) und im sche Motorik-Test für 6-18-Jährige (Bös et al.
Kraftsport kann evidenzbasiert und formelgelei- 2009) und der Eurofit-Test für 12–16-Jährige
tet von der Wiederholungszahl mit einem sub- (Van Mechelen et al. 1991) zu nennen.
maximalen Gewicht auf jenes Gewicht geschlos-
sen werden, das nur einmal vollständig bewegt
werden kann (1-Wiederholungsmaximum bzw. 3.4.2 Qualitätssicherung und
1 Repetition Maximum, 1 RM) (Brzycki 1993). Testgütekriterien
Als letzte Klassifizierungsebene kann zwi-
schen Einzeltests und Testbatterien unterschie- Grundsätzlich ist bei der Auswahl der Testver-
den werden (. Abb. 3.29). Ein Einzeltest ver- fahren sicherzustellen, dass die Testdurchfüh-
sucht ein Merkmal (z. B. Schnellkraftkraft der rung den gängigen Qualitätsmaßstäben ent-
Beinstrecker) durch einen Test (z. B. Standweit- spricht und dass die Verfahren die klassischen
sprung) abzubilden. Eine homogene Testbatte- Testgütekriterien erfüllen. Die Deutsche Ver-
rie wiederum widmet sich diesem einen Merk- einigung für Sportwissenschaft (dvs) plant zur
mal mit mehreren Tests (z. B. Standweitsprung, Sicherstellung und Vereinheitlichung von leis-
Jump-and-Reach und Dreierhopp). Heterogene tungsdiagnostischen Verfahren die Einrich-
Testbatterien bündeln mehrere unterschiedli- tung eines Testkuratoriums.
che Einzeltests mit möglichst geringer inhaltli-
cher Überschneidung in einen systematischen zz Allgemeine Qualitätskriterien
Ablauf, um ein relevantes komplexes motori- 55 Alle gemäß einer vorliegenden Checkliste
sches Konstrukt zu erfassen (z. B. die Gesamt- notwendigen Testmaterialien und Proto-
heit aller konditionellen Leistungskomponen- kolle (z. B. persönliche Daten, Messergeb-
ten). Roth (2002) spricht in diesem Fall von nisse, Ernährungsdokumentation,
einem Testprofil. Die Zusammenstellung hete- Umgebungsbedingungen) sind funktions-
rogener Testbatterien wird im einfachsten Fall fähig und verfügbar.
auf der Basis von Expertenwissen, gewöhnlich 55 Die beteiligten Testleiter sind über den
jedoch nach statistischen Ordnungskriterien Ablauf informiert und können die
erfolgen. Aus Gründen der Testökononomie Testpersonen adäquat instruieren. Hierzu
macht es normalerweise wenig Sinn, zwei Tests liegen altersangemessene schriftliche
mit sehr hoher Übereinstimmung der Tester- Probandeninformationen vor. Bei Ausbe-
104 A. Ferrauti et al.

lastungstests ist eine ärztliche Unbedenk- 55 Sportart


lichkeitserklärung vorzulegen. 55 Kaderzugehörigkeit
55 Es existieren schriftliche Einverständnis- 55 Testort/Umgebung/Bodenbelag
erklärungen von den Probanden (bei 55 Zeitraum (Beginn/Ende)
Minderjährigen von den Eltern). 55 Temperatur
55 Die Testpersonen sind an die Testverfah- 55 Luftfeuchtigkeit
3 ren durch mindestens eine oder mehrere 55 Windverhältnisse (bei Feldtests)
Baseline-Messungen gewöhnt. 55 Name der Testperson
55 Eine Laborordnung beinhaltet ausführli- 55 ID-Nummer
che Hinweise für die Testleiter und 55 Geschlecht
Sicherheitsvorkehrungen sowie Erste-Hil- 55 Geburtsdatum
fe-Vorrichtungen. 55 Größe und Gewicht
55 Die Messgeräte zur Erfassung laborchemi- 55 Adresse und Kontaktdaten
scher Parameter werden regelmäßig 55 Erkrankungen (chronisch, akut)
gewartet und in Ringversuchen auf ihre 55 Verletzungen (chronisch, akut)
Messgenauigkeit geprüft sowie unmittel- 55 Medikationen und Nahrungssupplemente
bar vor der Testung kalibriert. Zur 55 letzte Mahlzeit (Zeitpunkt/Inhalt)
übergeordneten Qualitätssicherung 55 Trainingsdokumentation (Intensität letzte
existieren verschiedene nationale und Woche, letzte TE)
internationale Zertifizierungsprogramme. 55 aktuelle Leistungsbereitschaft
55 Es sind statistische Aussagen (aus der 55 Schlafqualität
Literatur oder eigens ermittelt) über den 55 Reisebeanspruchung
intra- und interindividuellen Messfehler 55 Sonstiges
bekannt (Typical Error of Measurement,
TE). Dies ist erforderlich, um Veränderun- zz Testgewöhnung
gen der Testleistung zu identifizieren, die Um die Gütekriterien einzuhalten, sollten den
über die zufälligen Ergebnisschwankungen Athleten die Anforderungen und Inhalte des
hinausgehen (Hopkins 2000). Testablaufs bekannt sein. Im Idealfall sollten
55 Der Literatur sind folgende exemplarische diese im Vorfeld mehrfach geübt worden sein.
Angaben für den maximal tolerierbaren TE Dies betrifft insbesondere komplexere Testver-
zu entnehmen (Tanner und Gore 2013): fahren, die mit einem höheren Maß an koordi-
55 Counter Movement Jump < 2cm nativen oder taktischen Anforderungen einher-
55 20-m-Sprint-Test < 0,03 s gehen. Erfahrungsgemäß sind bei komplexeren
55 V̇ O2max < 0,15 L/min Anforderungen (z. B. bei Richtungswechsel-
55 Blutlaktat (anaerobe Schwelle) < sprints) bis zu fünf Testgewöhnungen notwen-
0,5 mmol/L dig, bis sich ein individuelles Leistungsplateau
55 Der absolute TE kann auch in prozentuale einstellt und keine weiteren kurzfristigen Lern-
Variationskoeffizienten (Coefficient of effekte mehr zu beobachten sind. Bei motorisch
Variation, CV) umgerechnet werden (Pyne und kognitiv einfacheren Tests (z. B. Counter
2013). Movement Jump) ist dies bereits nach zwei Ba-
seline-Messungen gegeben. Aus mehreren Vor-
zz Testprotokoll und Anamnese tests lassen sich eine solide individuelle Baseli-
Vor Beginn einer leistungsdiagnostischen Un- ne-Leistung sowie ein intraindividueller CV
tersuchung ist ein Testprotokoll sorgfältig aus- (individuelle Baseline-Standardabweichung in
zufüllen, das je nach Zielsetzung die folgenden absoluten Einheiten oder in %) berechnen, mit
Informationen beinhalten kann: dessen Hilfe eine interventionsbedingte Leis-
55 Testleiter tungsveränderung von der individuellen Zu-
55 Datum fallsschwankung unterschieden werden kann.
Leistungssteuerung
105 3
zz Reliabilität Reliabilität
Die Reliabilität eines Testverfahrens gibt Auskunft
darüber, ob die Testergebnisse mit hoher Zuver-
lässigkeit, geringer individueller Schwankung
und ohne nennenswerten Messfehler unter iden- 20-m-Linearsprint
tischen Rahmenbedingungen reproduziert wer-
den können (Reliability, Reproducibility, Con-
sistency). Sie ist demnach ein unverzichtbares
Hauptgütekriterium in der Leistungsdiagnostik, Richtungswechsel-
denn nur bei ausreichender Reliabilität können sprint ohne Ball
Veränderungen in der Testleistung in Relation
Richtungswechsel-
zu einer Intervention zuverlässig erfasst und sprint mit Ball
interpretiert werden (Pyne 2013). Eine einfache Validität
Möglichkeit die Reliabilität zu steigern ist es, den
Mittelwert mehrerer Versuche als Testergebnis zu ..      Abb. 3.32 Komplementäres Verhältnis zwischen
Reliabilität und Validität, dargestellt am Beispiel
verwenden. Hierbei reduziert sich der Messfehler
verschiedener Schnelligkeitstests in den Sportspielen
(TE) um den Faktor 1/ n , wobei n der Anzahl
von Versuchen (Messwerten) entspricht (Hop-
kins 2000). Testverfahren, bei denen die Testleis- Testversuche die Zufälligkeit der Ergebnisse
tung aus einem komplexen Zusammenwirken kontinuierlich verringern. Andererseits verur-
mehrerer Leistungsfaktoren resultiert (z. B. koor- sacht dies jedoch eine Reduktion der Nebengü-
dinative, kognitive und konditionelle Faktoren), tekriterien Praktikabilität und Testökonomie.
ermöglichen erhebliche Lerneffekte bei Testwie- Die Überprüfung der Reliabilität basiert
derholungen und verfügen dadurch über eine ge- üblicherweise auf einem Test-Retest-Unter-
ringere Reliabilität. In der Trainingspraxis kom- suchungsdesign mit mindestens zwei, besser
plex determinierter Sportarten werden allerdings jedoch mehreren, Testwiederholungen nach vo-
gerade solche Testverfahren gerne angefragt, da rausgegangener Testgewöhnung. Hierbei sind
sie mit höherer Annäherung das Anforderungs- möglichst Probanden zu rekrutieren, die der
profil der Sportarten abbilden (siehe auch Validi- zukünftig avisierten Anwendungspopulation
tät). Reliabilität und Validität stehen demnach oft des Testverfahrens entsprechen. Eine Stich-
in einem komplementären Verhältnis zueinander probengröße von circa 50 Probanden mit drei
(. Abb. 3.32 und 3.33). Hieraus ergibt sich eine Testwiederholungen wird empfohlen (Hop-
schwierige Abwägung geeigneter Testverfahren kins 2000). Die Zeit zwischen den Testwie-
und konkreter Testabläufe, wobei eine ausrei- derholungen sollte ausreichend lang sein, um
chende Reliabilität bei immer noch akzeptabler Ermüdungs-, Lern- und Potenzierungseffekte
Validität anzustreben ist. auszuschließen. Der Vollständigkeit sei an die-
Die aufgezeigten Beispiele aus den Sport- ser Stelle darauf hingewiesen, dass neben der
spielen verdeutlichen, dass speziell Tests zur gewöhnlich verwendeten Retest-­Reliabilität je
Erfassung der Handlungspräzision eine nur be- nach Fragestellung und Datenstruktur weitere
grenzte Reliabilität aufweisen, während diesen Verfahren existieren (z. B. die Testhalbierungs-
von Experten gleichzeitig höchste Relevanz für methode bzw. Split-Half-Reliabilität und die In-
die Spielleistung attestiert wird (. Abb. 3.33). terrater-Reliabilität zur Erfassung der Beobach-
Eine Steigerung der Reliabilität lässt sich dabei terübereinstimmung mittels Cohens Kappa).
über eine Erhöhung der Trennschärfe und Ge- Aus den erhobenen Rohdaten werden
nauigkeit bei der Messwerterfassung herstellen unterschiedliche statistische Indikatoren
(z. B. mittels optischer Tracking-Verfahren ge- zur Bestimmung der Reliabilität verwendet.
genüber der subjektiven Zuordnung zu Zielzo- Hierzu zählen die durchschnittliche absolute
nen). Gleichzeitig wird eine Erhöhung der und prozentuale Mittelwertdifferenz sowie
106 A. Ferrauti et al.

Passgenauigkeit Der Torhüter spielt gegen eine 10 Versuche im Wechsel li/re


Prellwand, nimmt den zurück-
kommenden Ball mit und spielt Ziel rot: 3 Punkte
ihn durch einen markierten Ziel gelb: 2 Punkte
Zielbereich. Ziel blau: 1 Punkt
Höchstpunktzahl: 30 Punkte
(Aktionsdauer < 3 s;
3 Schussgeschwindigkeit > 55 km/h) ICC: < 0,5
Validität: 1,7 ± 0,5

Schussgeschwindigkeit Der Ball liegt auf der Linie 3 Schüsse


des 5-m-Raums. Schussgeschwindigkeit (km/h)
per Radarmessgerät
Mit frei wählbarer Anlaufdistanz
schießt der Torhüter den Ball so Maximalwert
hart wie möglich ins Tor. Mittelwert

ICC: > 0,8


Validität: 3,0 ± 0,9

..      Abb. 3.33 Zwei Beispiele von Testverfahren mit einer komplexen Testbatterie für den Fußballtorhüter
höherer Validität und geringerer Reliabilität (oben: (Ferrauti et al. 2009). Das Expertenurteil zur Validität
Passgenauigkeit) sowie mit geringerer Validität und basiert auf der Einschätzung von Bundesligatrainern
höherer Reliabilität (unten: Schussgeschwindigkeit) aus (1 = sehr hohe Relevanz, 5 = sehr geringe Relevanz)

der dazugehörige absolute Standardmessfehler der zwei Messwertreihen verwendet. Dies sind
(Typical Error of Measurement, TE), der di- bei metrischen Variablen üblicherweise der
rekt aus der Standardabweichung der indivi- Pearson-Korrelationskoeffizient (r) oder der In-
duellen absoluten Messwertdifferenzen geteilt traklassen-Korrelationskoeffizient (Intra-­Class
durch deren Quadratwurzel berechnet wird Correlation, ICC) als dimensionslose Größe
SDdiff zwischen zwei intervallskalierten Merkmalen.
Standardmessfehler = . Die Koeffizienten (r) können Werte innerhalb
2 des Intervalls –1,0 ≤ r ≤ +1,0 annehmen (At-
TE kann auch als prozentualer Variations- kinson und Nevill 1998). Neben den genann-
koeffizient (Coefficient of Variation, CV) dar- ten Indizes werden auch die Konfidenzinter-
gestellt werden (Pyne 2013). Selbstverständlich valle und die Limits of Agreement (LOA)
sollten TE bzw. CV bei guter Reliabilität mög- angegeben und grafisch mittels sogenannter
lichst gering sein. Bland-Altman-Diagramme dargestellt (Bland
Zusätzlich werden Koeffizienten als Aus- und Altman 1986; . Abb. 3.34).
druck für den statistischen Zusammenhang

Exkurs: ICC versus Pearson

Während der Pearson-Korrelationskoeffizient nur den relationskoeffizient würde hingegen einen bei allen
relativen Zusammenhang zweier Messreihen x und y Probanden existierenden identischen Lerneffekt
abbildet, entsprechend der Beziehungen y = x + b (y = x + b) ignorieren und mit einem hohen Zusam-
bzw. y = mx, reagiert der ICC auch auf absolute menhang (z. B. r = 1,0) reagieren. Zur graduellen
Veränderungen, indem er beide Datenreihen „poolt“ Beurteilung der Zusammenhangsmaße existieren
und die Beziehung y = x prüft. Letzteres ist für den verschiedene Abstufungen (z. B. 0,00–0,39 = geringer
Nachweis der Test-Retest-Reliabilität ein wesentlich Zusammenhang; 0,40–0,59 = mittlerer Zusammen-
wertvolleres Maß. Dies liegt daran, dass ein zuverlässi- hang; 0,60–0,74 = guter Zusammenhang; 0,75–1,00 =
ger Test bei Testwiederholung im Idealfall zu exakt sehr enger Zusammenhang). Weitere sehr differen-
identischen Testergebnissen führt. Der Pearson-Kor- ziertere Vorschläge hierzu liefert Hopkins (2015).
Leistungssteuerung
107 3
Reaction/Action-Speed-Torhütertest
a Torecke oben links b
0,2

+1,96 SD
0,1 0,12
Test -Retest (s)

Mean
0,0
0,01

–0,1 –1,96 SD
–0,11

–0,2
1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9
Mittelwerte aus Test und Retest (s)
..      Abb. 3.34 a Bland-Altman-Plot mit den aufgetragen, auf der y-Achse die individuellen
Test-Retest-Ergebnissen zur Handlungsschnelligkeit Differenzen bei der Testwiederholung. Der ICC
des Fußballtorhüters. b Ein Nachwuchstorhüter von beträgt 0,910. Die Leistung nimmt bei Testwiederho-
Borussia Dortmund bei der Testausführung. Auf der lung um 0,01 s zu, und alle Einzelwerte befinden sich
x-Achse sind die Mittelwerte aus Test und Retest innerhalb der LOA (nach Knoop et al. 2013)

zz Validität Auskunft darüber, ob die Testergebnisse auch


Die Zielparameter von Testverfahren sollen tatsächlich gültig sind in Bezug auf den Sach-
Aufschluss über ausgewählte Aspekte der verhalt, der gemessen werden soll. Das fol-
sportlichen Leistungsfähigkeit geben. Dies gende Beispiel belegt, dass die sorgfältige Ent-
sind vereinzelt sehr komplexe Konstrukte, so- wicklung valider Testverfahren mehr als nur
dass die Aussagekraft des Testverfahrens stets eine triviale Aufgabe ist und sich zunächst stets
kritisch zu hinterfragen ist. Die Validität eines die Frage gestellt werden muss, welches Au-
Testverfahrens gibt in diesem Zusammenhang ßenkriterium der Test valide messen soll.

Beispiel: „Das Runde muss ins Eckige“

Bei der Entwicklung von Testverfahren zur Erfassung oder orange. Aus Sicht der Torschussspiele wäre eine
der Wurf-, Schuss- oder Schlagpräzision stellt sich stets solche Bewertung (z. B. Messung der Distanzabwei-
die Frage, wie die Leistung sinnvoll operationalisiert chung zum Optimum) jedoch nicht valide, wenn als
werden kann. Im einfachsten Fall werden Zielsektoren Außenkriterium für Wurf-, Schuss- oder Schlagpräzision
verwendet, die entsprechend einer Zielscheibe aus der Einfluss auf den Spielerfolg definiert wird (externe
konzentrischen Kreisen bestehen (. Abb. 3.35). oder ökologische Validität).
Andererseits passen sich quadratische Zielsektoren
besser den linearen Grenzbereichen von Toren oder
Spielfeldern an. Bei einem quadratischen Zielfeld 1
3
würden der orangefarbene Treffer und der gelbe Treffer 10
identisch beurteilt, obwohl der gelbe Treffer eine
geringere Entfernung zum definierten Mittelpunkt
aufweist. Folglich wäre der Kreis als Zielfläche das
validere Verfahren. Nun ist das Tor als regelbedingtes
Ziel jedoch bekanntermaßen eckig, und niemand wird
bestreiten, dass der rote Treffer ein Optimum darstellt.
Wie sollte jedoch der lilafarbene Treffer im Vergleich ..      Abb. 3.35 Ideen zur validen Messung der
zum gelben Treffer beurteilt werden? Objektiv beurteilt Wurf-, Schuss- und Schlagpräzision in den
ist lila sicherlich die bessere Präzisionsleistung als gelb Torschussspielen
108 A. Ferrauti et al.

Im Idealfall existieren sogenannte „Goldstan- bedingt durch die Frequenz bei der Messwert-
dards“ als Außenkriterium für eine Validitäts- aufnahme in Hz). Das Ausmaß des Messfeh-
prüfung (Kriteriumsvalidität). Häufig werden lers kann zwischen den Verfahren erheblich
hierbei physiologische Parameter verwendet differieren und durch den prozentualen Varia-
(z. B. die Herzfrequenz bei der Validierung tionskoeffizienten (CV) ausgedrückt werden.
der RPE-Skala). Mittels bivariater Regression Ein relevanter Interventionseffekt muss somit
3 lässt sich die Stärke des Zusammenhangs zwi- stets in Abhängigkeit vom „Hintergrundrau-
schen der Testleistung und dem Außenkrite- schen“ des Messfehlers (Noise) beurteilt wer-
rium als Validitätskoeffizient berechnen den.
(Hopkins 2015). Fehlen geeignete Goldstan- Auch die sportpraktische Relevanz einer
dards, dann kann das repräsentative Exper- interventionsbedingten Messwertverände-
tenurteil einer sinnvoll ausgewählten Stich- rung ist zu berücksichtigen. Hochauflösende
probe als ein Außenkriterium verwendet Verfahren mit geringem Rauschen liefern
werden (. Abb. 3.33). möglicherweise Effekte auf einem nur mikro-
Neben der Kriteriumsvalidität unterschei- skopisch sichtbaren Niveau, die im sportli-
det man unter anderem die Inhaltsvalidität chen Wettkampf keine nennenswerte Leis-
(auch logische oder triviale Validität), wenn das tungsverbesserung gegenüber der Konkurrenz
Messverfahren unmittelbar das zu erfassende ermöglichen. Der Australier Will Hopkins
Merkmal abbildet (z. B. Bestimmung der Kör- führte die Beurteilungsskalierung des „Smal-
pergröße in cm mittels mechanischem Mess- lest Worthwhile Change“ ein (Hopkins et al.
stab) und die Konstruktvalidität (Beziehung 1999). Die Festlegung dieser Relevanzschwelle
der Testleistung zu einem komplexen Konst- kann z. B. in Text Anlehnung an Bestenlisten
rukt mehrerer Eigenschaftsdimensionen). mittels Experten erfolgen oder statistisch be-
rechnet werden.
zz Messfehler und Smallest Worthwhile Vereinbarungsgemäß beträgt die geringste
Change Veränderung von sportpraktischer Relevanz
Bei der Interpretation von leistungsdiagnos- mindestens ein Drittel (33 %) des individuellen
tischen Befunden ist stets der Messfehler des Wettkampf-zu-Wettkampf-CV in Individual-
Verfahrens bei einer Test-Retest-Anwendung sportarten. Eine andere stufenweise Effektbe-
zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem dann, schreibung orientiert sich an der Standardab-
wenn zwischen zwei Messzeitpunkten eine weichung der getesteten Stichprobe. Eine
Intervention (z. B. ein Schnellkrafttraining) Test-Retest-Veränderung von Faktor 0,2 der
stattgefunden hat und die Veränderungen der Standardabweichung kann als Smallest Wor-
Retest-Ergebnisse auf die Intervention zurück- thwhile Change definiert werden, sofern keine
geführt werden sollen. Die Ursache für den anderen theoretischen und evidenzbasierten
Messfehler besteht u. a. in der biologischen Grenzwerte verfügbar sind. Entsprechend ab-
Spontanvariabilität des Menschen, kann aber gestuft werden moderate (Faktor 0,6), große
auch auf eine unzureichende Messgenauigkeit (Faktor 1,2) und sehr große Effekte (Faktor
des Verfahrens zurückgeführt werden (z. B. 2,0) unterschieden.
Leistungssteuerung
109 3
Beispiel: Einfluss aktiver Erholung auf die Sprungkraft der deutschen Volleyball-­Nationalmannschaft

Die Spieler der deutschen Volleyball-Nationalmann- Ermüdungs- oder Interventionseffekten wäre nach
schaft der Männer (. Abb. 3.36) erzielten im Hopkins et al. (1999) eine Veränderung um 1,6 cm
Eingangstest im Mittel eine Sprunghöhe von (Faktor 0,2 der Standardabweichung). Ab 4,8 cm
48 ± 8 cm im Counter Movement Jump (ohne würde von einem moderaten Effekt, ab 9,6 cm von
Armeinsatz). An drei aufeinanderfolgenden Tagen einem großen Effekt gesprochen. Die Sprungleistun-
absolvierten die Spieler jeweils ein Länderspiel gen nahmen in unserer Untersuchung um ca. 4 cm
gegen Belgien. Überprüft wurde der Einfluss dieser ab; unabhängig davon, ob jeweils nach Spielende
Turnierbelastung sowie von aktiven Erholungsmaß- eine aktive Erholungsintervention verabreicht wurde.
nahmen direkt nach Spielende auf die Sprungkraft Es kann folglich von einem annähernd moderaten
der Spieler. Die unterste Relevanzschwelle von Ermüdungseffekt gesprochen werden (. Abb. 3.37).

..      Abb. 3.36 Die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft zusammen mit dem Untersuchungsteam der
Bochumer Trainingswissenschaft

Deutscher Volleyball-Verband (n = 8)
CMJ
70
Messs p < 0,01** aktiv (nn = 8)
Int p = 0,07 passiv
60 Messs x Int p = 0,10
CMJ (cm)

50 –4,4 cm

40
–3,2 cm
30 Spiel 1 Spiel 2 Spiel 3
ET Pre Match 1 Post Reg Pre Match 2 Post Reg Pre Match 3 Post Reg AT

..      Abb. 3.37 Untersuchungen mit der deutschen gegen die Nationalmannschaft von Belgien) um
Volleyball-Nationalmannschaft im Rahmen des ca. 3–4 cm ab (moderater Effekt); unabhängig
Projekts „Regenerationsmanagement im Spitzen- davon, ob eine aktive Erholungsintervention jeweils
sport“ (REGman). Die Sprungleistungen nahmen im nach Spielende verabreicht wurde
Verlauf von drei Wettkampftagen (Trainingsspiele
110 A. Ferrauti et al.

3.4.3 Testnormierung rinnen und Sportlern gewonnen werden.


Diese Messergebnisse liefern als geschlechts-,
Eine exakt gemessene Leistung wird im Ideal- leistungs- und altersdifferenzierte Norm bzw.
fall zusätzlich durch die Relativierung an einer Normprofile eine objektive Beurteilungs-
angemessenen Vergleichsgruppe interpretiert. grundlage für die individuelle Eigenschafts-
Um die Gefahr einer rein subjektiven Beurtei- ausprägung. Der Normwert dient folglich
3 lung eines Einzelwertes oder dessen Bewer- dazu, die Leistungsfähigkeit eines Athleten im
tung an einem unangemessenen Maßstab zu Verhältnis zur Grundgesamtheit einer ver-
vermeiden, bedarf es für jeden Test zahlrei- gleichbaren Sportlergruppe bzw. einer ausrei-
cher Messergebnisse, die unter präziser Ein- chend großen Stichprobe derselben objektiv
haltung der Testausführungsbestimmungen einzuordnen.
bei unterschiedlichen Gruppen von Sportle-

Beispiel: Wie hoch muss ein 15-jähriger Fußballstürmer springen können?

Vom ehemaligen Fußball-Nationalspieler


Miroslav Klose weiß man, dass er zu seinen
aktiven Zeiten aus dem Stand mühelos über
55 cm hochspringen konnte. Glücklicherweise
war er auch in der Lage, diese Fähigkeit in der
Enge des Strafraums und gegen die Ellbogen der
Abwehrspieler beim Sprung zum Kopfball
erfolgreich einzusetzen. Viele junge Stürmer
eifern diesem Vorbild nach und werden in den
Nachwuchsleistungszentren der Fußball-Bundes-
liga getestet. Hierzu wird beispielsweise der
Counter-Movement-Jump-Test verwendet und
die vertikale Sprungleistung erfasst. Aber wie
sind die erhobenen Werte zu beurteilen?
Sicherlich wird kaum ein 15-jähriger Nachwuchs-
spieler die Leistung von Miroslav Klose erreichen,
aber vielleicht 41 cm oder gar nur 36 cm?
Aufschluss können hier nur altersentsprechende
Normprofile aus dem Nachwuchsfußball geben.
Und siehe da: Mit 36 cm ist man leider nur
durchschnittlich, mit 41 cm gehört man zu den
besten 20 % in dieser Alterskategorie und mit
45 cm ist der Weg frei, um Miroslav Klose in
wenigen Jahren zu überflügeln. Zumindest beim
Sprung, den Kopfball muss man selbstverständ-
lich auch noch lernen (. Abb. 3.38).

..      Abb. 3.38 Counter Movement Jump mit


fixierten Armen in guter Ausführungsqualität. Die
Sprunghöhe wird hier mittels Kontaktplatte nach
dem Flugzeitverfahren bestimmt (7 https://doi.
org/10.1007/000-04j)
Leistungssteuerung
111 3
Das Beispiel verdeutlicht, dass zwischen „idea- dargestellt werden. Auf der Basis dieser Nor-
len Normen“, die an den weltbesten Sportlern malverteilung existieren verschiedene Beur-
gewonnen werden, und „statistischen Normen“ teilungs- und Skalierungsmöglichkeiten, nach
für eine definierte Adressatengruppe unter- denen die Ausprägung von Individualwerten
schieden werden muss (Hohmann et al. 2002). klassifiziert wird. Im einfachsten Fall kann ein
Ideale Normen sind perspektivisch eine Ori- Vergleich zum Mittelwert der Stichprobe er-
entierungshilfe für die langfristige Trainings- folgen (arithmetisches Mittel oder Median-
steuerung und zuweilen auch für die Talent- wert), sodass der Individualwert in erster An-
selektion, da sie grundlegende Aussagen über näherung als unter- oder überdurchschnittlich
die Leistungsanforderungen einer Sportart bzw. als weitgehend durchschnittlich klassifi-
erlauben. Für die aktuelle prozessbegleitende ziert werden kann. Präziser wird diese Aus-
Trainingssteuerung sind jedoch nur statistische sage erst dann, wenn das gesamte Verteilungs-
Normen, einer nach Zusammensetzung und muster über die Referenzstichprobe mit
Umfang angemessenen Normstichprobe, von entsprechenden Streuungsmaßen (z. B. die
unmittelbar handlungsleitendem Wert. Standardabweichung) und der gesamten
In der Regel kann davon ausgegangen wer- Messwertspanne (Range zwischen Minimum
den, dass sich die Rohwerte einer Normwert- und Maximum) einbezogen werden. In der
skala bei einer ausreichend großen Stichprobe konkreten Umsetzung werden in der Trai-
statistisch normal verteilen. Bei einer Normal- ningswissenschaft zumeist die z-Skala oder
verteilung ist die Anzahl der Messwerte von der Prozentrang angewendet. Beide Skalen ge-
niedriger (wenige), mittlerer (viele) und hoher währleisten zudem, dass Rohwerte, die auf
Ausprägung (wenige) symmetrisch verteilt völlig unterschiedlichen Intervallskalen basie-
und kann durch eine Gauß‘sche Glockenkurve ren (z. B. Sprintzeiten in Sekunden versus

Exkurs: Prozentrang und z-Transformation

Der Prozentrang (Perzentil) bringt die relative darin, dass der Perzentilwert als Leistungsindikator
Position eines Messwertes innerhalb der Stich- für den Laien unmittelbar transparent ist.
probe zum Ausdruck. Das Perzentil einer Stich- Die z-Transformation basiert auf dem arithmeti-
probe xp ist der Messwert, unter dem p Prozent der schen Mittelwert und der Standardabweichung
Werte in der Stichprobe liegen. Beispielsweise einer Stichprobe. Die z-Werte erhält man, indem
bezeichnet x30% den Wert, unterhalb dem 30 % der man die Abweichung vom arithmetischen Mittel
Stichprobe liegen, und x50% den Wert, unterhalb an der Standardabweichung relativiert. Man
dem 50 % der Stichprobe liegen. Insofern berechnet also:
entspricht x50% dem Median und ist ein durch- x-x
z=
schnittliches Ergebnis. Die Perzentile x10%, x20% bis s
x90% werden auch Dezile, die Perzentile x20%, x40% Beispiel: Die durchschnittliche Körpergröße von
x60% und x80% Quintile und die Perzentile x25% x50% Handballspielern beträgt 190 cm und die
und x75% Quartile genannt. Problematisch ist die Standardabweichung 10 cm. Der Rückraumspieler
Festlegung der Grenzwerte, wenn sich die Anzahl misst 200 cm. Für ihn ergibt sich ein z-Wert von 1,0.
der Stichprobe nicht in gleichmäßige Teilab- Dies bedeutet, dass sein Rohwert den Mittelwert
schnitte aufteilen lässt. Hilfreich ist hier eine um die Länge einer Standardabweichung
„lineare Interpolation“, sodass Perzentile für übersteigt. Ein z-Wert von 0,0 entspricht der
beliebige Prozentanteile bestimmt werden können durchschnittlichen Körpergröße. Ein negativer
(Bortz und Schuster 2010). Individuelle Testunter- z-Wert zeigt einen unterdurchschnittlichen
schiede im mittleren Bereich werden durch Rohwert an. Folglich besitzen z-Werte nicht mehr
Prozentränge verstärkt, jene im Randbereich eher die Einheiten der Rohwerte. Aus unterschiedlichen
nivelliert (Lienert und Raatz 1989). Der große Zahlendimensionen und Maßeinheiten resultieren
Vorteil gegenüber der z-Skalierung besteht jedoch dimensionslose Zahlen (Bortz und Schuster 2010).
112 A. Ferrauti et al.

Kraftleistungen in Newton) auf eine einheitli-


..      Tab. 3.3 Normprofile zur Leistung weiblicher
che Normwertskala transformiert und da- Kaderspielerinnen des Deutschen Basketball
durch vergleichbar werden. Bundes (DBB) in den Altersklassen U14, U15 und
Ein Beispiel ist das Normprofil von weib- U16 in einer Testbatterie, bestehend aus
lichen Kaderspielerinnen der Altersklassen Körperhöhe (KH), 20-m-Sprint, Pendel-Sprint
U14, U15 und U16 des Deutschen Basketball ohne (PSOB) und mit Ball (PSMB), Jump-and-
3 Bundes (DBB). Es zeigt unter anderem, dass
Reach-­Test (J&R), Standweitsprung (SWS),
Brustpassweite (BP), Halbdistanz-Wurftest (HDW)
die durchschnittliche Körperhöhe um jeweils und dem Multistage-20-m-Shuttle-Run-Ausdau-
3 cm zwischen den Altersklassen von 169 auf ertest (MFT). Dargestellt sind die Stichproben-
172 bis auf 175 cm ansteigt. Um in der U16 größe (N), das arithmetrische Mittel (MW), die
dem größten Quintil anzugehören, muss die Standardabweichung (SD) und die Quintilgren-
zen (80 % bis 0 %; nach Ferrauti et al. 2015)
Körperhöhe der Mädchen über 181 cm lie-
gen. Ferner steigt die Ausdauerleistung im
MFT von der U14 bis zur U16 nur unwesent- U14W N MW SD BEST 80% 60% 40% 20% 0%
lich an. Das Erreichen der Stufe 10 entspricht KH (cm) 190 169 8 187 176 170 166 162 143
bereits jeweils dem höchsten Quintil 20m-Sprint (s) 172 3.54 0.16 2.90 3.40 3.49 3.57 3.67 4.01
(. Tab. 3.3). PSOB (s) 184 5.61 0.28 5.01 5.32 5.53 5.64 5.87 6.47
Die Definition von Grenzwerten oder PSMB (s) 172 5.88 0.33 5.16 5.61 5.76 5.96 6.13 7.02
Schwellenleistungen für die Selektion in hö- J&R (cm) 184 35 6 51 41 37 34 30 19
herwertige Kader bzw. die Zuwendung von SWS (cm) 185 181 17 230 200 185 175 165 130
weitergehenden Fördermaßnahmen ist trotz BP (m) 185 9.16 1.13 12.00 10.18 9.40 8.84 8.20 6.40
dieser objektiven Daten problematisch. Nur HDW (Punkte) 172 26 4 37 30 27 25 23 17
wenige Spielerinnen werden in allen Teilberei- MFT (level) 169 8.4 1.4 12.0 9.5 8.8 8.1 7.1 4.9
chen gut abschneiden. Konditionelle Defizite
U15W N MW SD BEST 80% 60% 40% 20% 0%
können zum Teil kompensiert werden. So
KH (cm) 289 172 8 195 179 174 170 166 149
müssen herausragende Basketballspielerinnen,
20m-Sprint (s) 272 3.51 0.17 3.08 3.36 3.46 3.50 3.63 4.09
die im Wettspiel eine hohe Spieleffizienz errei-
PSOB (s) 288 5.49 0.25 4.86 5.30 5.41 5.53 5.68 6.50
chen, nicht unbedingt in allen Einzeltests hohe
Perzentilränge erreichen. PSMB (s) 287 5.78 0.30 5.07 5.52 5.68 5.82 6.00 6.78

Für die individuelle Priorisierung von Trai- J&R (cm) 280 36 5 51 41 38 35 32 21

ningszielen liefern die Normwerte jedoch wert- SWS (cm) 289 184 18 251 200 190 180 170 135

volle Orientierungen. Selbstverständlich geht es BP (m) 288 9.90 1.01 12.80 10.70 10.14 9.60 9.00 7.10

nicht darum, in allen Teilbereichen den Maxi- HDW (Punkte) 277 29 3 36 31 29 28 26 18

malwert anzustreben. Eine Centerspielerin mit MFT (level) 273 8.7 1.5 12.7 10.0 9.2 8.4 7.5 4.9

190 cm Körperhöhe kann und muss nicht unter U16W N MW SD BEST 80% 60% 40% 20% 0%
3,2 s im 20-m-Sprint erzielen. Vielmehr ist in Ab- KH (cm) 187 175 8 194 181 176 172 168 155
hängigkeit von den individuellen Istwerten, den 20m-Sprint (s) 175 3.48 0.17 3.08 3.33 3.42 3.52 3.62 4.03
Anforderungen an die Spielposition und einer PSOB (s) 183 5.46 0.23 4.93 5.26 5.40 5.48 5.63 6.30
Trainingsaufwand-­Trainingsnutzen-­Abwägung PSMB (s) 181 5.72 0.28 5.04 5.47 5.66 5.78 5.96 6.96
im Sinne einfacher Heuristiken unter Einbezug J&R (cm) 183 38 6 55 43 40 37 32 23
der sportpraktischen Expertise ein individuell SWS (cm) 182 188 17 230 205 194 185 170 140
maßgeschneidertes Trainingsprogramm festzu- BP (m) 185 10.56 1.17 13.50 11.60 10.80 10.24 9.60 7.50
legen (7 Abschn. 3.5). HDW (Punkte) 177 29 4 41 32 31 29 26 19

MFT (level) 163 9.0 1.5 13.5 10.5 9.4 8.6 7.6 4.3
Leistungssteuerung
113 3
Die folgenden Unterkapitel können je- gigen Leistungsgrößen (z. B. die relative maxi-
weils nur einen kleinen Ausschnitt aus der male Sauerstoffaufnahme oder die relative Ma-
Vielzahl leistungsdiagnostischer Verfahren ximalkraft) unabdingbar. Letztere liefern je
bzw. sportmotorischer Tests abbilden. Es wer- nach Anforderungsprofil der Sportarten die
den vorrangig jene Verfahren aufgelistet und wesentlich validere Beurteilungsgröße als ab-
im weiteren Verlauf näher beschrieben, die in solute Leistungsgrößen. Auch die solide Inter-
der eigenen Arbeitsgruppe regelmäßig als pretation von Veränderungen absoluter Leis-
Standardverfahren eingesetzt werden. Die tungsgrößen durch Training oder durch andere
meisten dieser Verfahren werden ggf. mit ge- Interventionen (z. B. Ernährungsmodifika-
ringen Abweichungen im Testverlauf und bei tion) kann nur unter Einbezug der Entwick-
der Messwerterfassung auch in anderen nati- lung des Körpergewichts erfolgen. Verschie-
onalen oder internationalen trainingswissen- dentlich wird zusätzlich eine Relativierung der
schaftlichen Einrichtungen verwendet. Die Leistung zur fettfreien Körpermasse (FFM)
Darstellung erfolgt aufgeteilt nach den primä- vorgenommen (Lean Body Mass, LBM). In
ren Testzielen und in Unterkapiteln getrennt diesem Fall muss auch eine Messung der Kör-
zunächst in einer tabellarischen Übersicht perkomposition zur Quantifizierung des An-
und anschließend mit detaillierten Durchfüh- teils verschiedener Kompartimente und Gewe-
rungshinweisen für einige ausgewählte Test- beanteile (z. B. Muskelzellmasse, Fettmasse
verfahren. Die folgenden primären Testziele und Gesamtkörperwasser) mit in die Ein-
werden unterschieden: gangsdiagnostik einbezogen werden. Hierzu
55 Diagnostik von Anthropometrie, Reife- stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfü-
grad und Körperkomposition gung (. Tab. 3.4).
55 Kraftdiagnostik und Muskelfunktion Neben den klassischen und unverzichtbaren
55 Schnelligkeitsdiagnostik Körpermaßen wie Körperlänge und Körperge-
55 Beweglichkeitsdiagnostik wicht und dem daraus berechneten BMI werden
55 Ausdauerdiagnostik (anaerob und aerob) weitere mittels Maßband oder Zollstock einfach
sportartspezifische Leistungsdiagnostik zu erhebende Parameter bestimmt bzw. aus den
Primärgrößen berechnet (5 mm Messgenauig-
keit). Hierzu zählen unter anderem Beinlänge,
3.4.4 Diagnostik von Armspannweite, Sitzgröße, Hüftumfang, Taillen-
Anthropometrie und umfang, Brustumfang, Halsumfang, Oberarm-
Reifegrad und Oberschenkelumfang, das Taille-Hüft-Ver-
hältnis und das Taille-Größen-Verhältnis. Aus
Anthropometrische Daten liefern einen unver- präventivmedizinischer Sicht kommen dem BMI
zichtbaren Bezugsrahmen für die Ergebnisse und den Taillen-Verhältnissen, aber auch dem
der Leistungsdiagnostik und werden üblicher- Halsumfang im Zusammenhang mit der Inzi-
weise begleitend zu allen Testverfahren im denz von Zivilisationserkrankungen wie der Ar-
Rahmen der Eingangsdiagnostik erhoben und teriosklerose oder dem Typ-II-Diabetes eine do-
im Testprotokoll vermerkt. Die verwendeten minante Rolle als Surrogat-­Parameter zu (Qiao
Parameter unterscheiden sich je nach Frage- und Nyamdorj 2010; Seidell 2010). Oberarm-
stellung und Stichprobe. Als Parameter der und Oberschenkelumfänge können im leistungs-
ersten Wahl gelten das Alter, die Körperlänge orientierten Kraftsport als begleitende Parameter
und das Körpergewicht des Probanden, aus zum Nachweis einer Muskelhypertrophie erho-
denen auch der Body-Mass-Index (BMI) be- ben werden.
rechnet werden kann (BMI = Körpergewicht/ Leistungsdiagnostische Untersuchungen
Körperlänge in m2). Die präzise Messung des im Kindes- und Jugendalter sollten bei der an-
Körpergewichts (100 g Messgenauigkeit) ist thropometrischen Eingangsuntersuchung stets
zur Relativierung aller körpergewichtsabhän- begleitend auch Körperlänge, Beinlänge, Sitz-
114 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.4 Ausgewählte Verfahren zur Diagnostik von Anthropometrie, Reifegrad und Körperkomposi-
tion in der Übersicht

Testverfahren Testziele Testmaterialien Parameter

Anthropo­ Körpermaße, Messstab, Zollstock oder Maßband, Alter (J)


3 metrie abgeleitet ggf. Klebeband und Peilwinkel, Körperlänge (cm)
daraus der geeichte Personenwaage, Mirwald-­ Körpergewicht (kg)
biologische Formel, BIO-Final-Software Body-Mass-Index (kg/m2)
Reifegrad Beinlänge (cm)
Armspannweite (cm)
Sitzgröße (cm)
Umfänge: Taille, Brust, Hals,
Oberarm, Oberschenkel (cm)
Taille-Hüft-­Verhältnis
Taille-Größen-­Verhältnis
ΔAPHV
finale Körperhöhe

Körperkompo- Gewebean- Caliper-Methode, bioelektrische Körperfettanteil (kg; %)


sition teile Impedanzmessung, Röntgenab- Muskelmasse (kg; %)
sorptionsspektroskopie Knochenanteil (kg; %)
Körperwasser (L; %)

größe und das chronologische Alter erheben. indirekten Bestimmung basiert auf dem chro-
Aus diesen Prädiktoren und der zugrundelie- nologisch disproportionalen Wachstum von
genden mathematischen Beziehung kann mit Extremitätenlänge und Rumpf. Die berechnete
guter Vorhersagequalität das biologische Alter Differenzzeit zum APHV kann nun in einem
der Probanden berechnet werden (Mirwald Folgeschritt zur biologischen Durchschnitts-
et al. 2002). Das biologische Alter ist hier defi- reife chronologisch Gleichaltriger relativiert
niert als die Zeit in Jahren bis bzw. nach Errei- werden. Ergibt sich ein hier Unterschied von
chen des schnellsten Längenwachstums (Age über einem Jahr, dann spricht man von einem
of Peak Height Velocity, APHV). Das APHV frühentwickelten bzw. akzelerierten (BA –
wird mit dem Höhepunkt der Pubertät gleich- CA > + 1) oder von einem spätentwickelten
gesetzt. Die theoretische Fundierung dieser bzw. retardierten Kind (BA – CA < –1).

Exkurs: Die Mirwald-Formel zur Bestimmung des ΔAPHV

Die Entwicklung der Gleichungen basiert auf prozeduren werden von Mirwald et al. (2002)
mehreren Längsschnittstudien mit 200 Jungen im empfohlen:
Alter zwischen elf und 16 Jahren (1680 Einzelmes- Mädchen: ΔAPHV = –9,376 + (0,0001882 × Bein-
sungen) und 161 Mädchen im Alter zwischen länge × Sitzgröße) + (–0,0022 × chronol. Alter × Bein-
zehn und 15 Jahren (1202 Einzelmessungen). länge) + (0,005841 × chronol. Alter × Sitzgröße) –
Außenkriterium war jeweils das real bestimmte (0,002658 × chronol.
APHV, das retrospektiv mit den real bestimmten Alter × Körpergewicht) + 0,07693 + Körpergewicht/
Körpermassenrelationen vor und nach Erreichen Körperlänge + 100)
des APHV in Beziehung gesetzt wurde. Die Jungen: ΔAPHV = –9,236 + (0,0002708 × Bein-
Vorhersagegenauigkeit der daraus bestimmten länge × Sitzgröße) + (–0,001663 × chronol.
Gleichungen betrug bei den Jungen r = 0,94, Alter × Beinlänge) + (0,007216 × chronol.
r2 = 0,891 und bei den Mädchen r = 0,94, Alter × Sitzgröße) + (0,02292 × Körpergewicht/
r2 = 0,890. Die folgenden Formeln bzw. Rechen- Körperlänge + 100)
Leistungssteuerung
115 3

Beispiel eines Jungen (. Abb. 3.39, links):


chronol. Alter 14,2 Jahre; Körperlänge 153,0 cm;
Körpergewicht 38,5 kg; Beinlänge 76,0 cm,
Sitzgröße 77,0 cm
55 Beinlänge × Sitzgröße: 76,0 × 77,0 = 5852
55 chronol. Alter × Beinlänge: 14,2 × 77,0 = 1093
55 chronol. Alter × Sitzgröße: 14,2 × 76,0 = 1080
55 Relation Körpergewicht zu Körperlänge:
(38,5/153,0) × 100 = 25,2
ΔAPHV = –9,236 + (0,0002708 × 5840) +
(–0,001663 × 1093) + (0,007216 × 1080) + (0,022
92 × 25,2) = –9,236 + 1,581 – 1,81 + 7,79 +
0,578 = –1,1 Jahre

Schlussfolgerung: Der Junge (. Abb. 3.39, links)


kann als ein Spätentwickler eingestuft werden.
Sein prognostiziertes APHV liegt bei ca. 15,3
Jahren, also mehr als ein Jahr über dem üblichen
APHV von Jungen (ca. 13,5 Jahre in unseren
Stichproben). Seine aktuelle Leistungsfähigkeit ist
demnach nicht mit jener von chronologisch
Gleichaltrigen zu vergleichen.

..      Abb. 3.39 Zwei Tennisspieler gleichen


chronologischen Alters (links 14,2, rechts 13,8
Jahre). Der Spieler rechts erreichte sein APHV vor 1,8
Jahren mit 12,0 Jahren, Spieler links wird es in 1,1
Jahren mit 15,3 Jahren erreichen. Der biologische
Altersunterschied beträgt 3,3 Jahre. Beide spielen in
derselben Altersklasse (U 14) im Wettkampf
gegeneinander.

3.4.5 Diagnostik der (DEXA) oder die Hydrodensitometrie (Unter-


Körperkomposition wasserwiegen) verwendet. Hiervon abgeleitet
und methodisch einfacher ist die Luftverdrän-
Die Körperkompositionsmessung kann unter gungs-Plethysmographie (Air Displacement
leistungs- und gesundheitssportlichen Aspek- Plethysmography), wobei hier die Luft- statt
ten eine bedeutsame Erweiterung der Anthro- der Wasserverdrängung gemessen wird (Sla-
pometrie darstellen. In vielen Sportarten be- ter et al. 2013). In der sportpraktischen Leis-
steht ein enger Zusammenhang zwischen der tungsdiagnostik haben sich inzwischen zwei
Körperkomposition und dem Wettkampfer- Methoden etabliert. Die Calipometrie und die
folg (Slater et al. 2013). Die Messmethoden un- Bioelektrische Impedanzanalyse.
terscheiden mindestens zwei Kompartimente
(Fettmasse, FM und fettfreie Masse, FFM). zz Calipometrie
Mehrkompartimentmodelle unterscheiden Die mit Abstand einfachste und preiswerteste
zusätzlich zwischen Körperwasser und Kno- Methode stellt die Calipometrie dar. Hier-
chenmineralanteil. Als Goldstandard wird bei wird der Körperfettanteil (Zweikomparti-
entweder die Doppelröntgenabsorptiometrie mentmodell) indirekt anhand der Summe der
116 A. Ferrauti et al.

a b

..      Abb. 3.40 Calipometrie an den Messpunkten Triceps a und Schulterblatt b

Dicke definierter Hautfalten berechnet. Hierzu zz Bioelektrische Impedanzanalyse


wird die Schichtdicke des Unterhautfettge- Die bioelektrische Impedanzanalyse (kurz:
webes mit Hilfe eines Hautfaltenmessgeräts Bioimpedanzanalyse) setzt sich mehr und
(Caliper-Zange oder Caliper) an zwei bis zehn mehr als Verfahren der ersten Wahl in der
Messpunkten gemessen (. Abb. 3.40). Unter leistungs- und gesundheitssportlichen Diag-
anderem Jackson et al. (1980) ermittelten auf nostik durch. Die zunehmende Messgenauig-
der Basis zahlreicher Messungen und deren keit der auf dem Markt verfügbaren hochwer-
Validierung zum Goldstandard Funktionsglei- tigen Geräte sowie deren hohe Praktikabilität,
chungen zur indirekten Berechnung des Kör- Nichtinvasivität und portable Anwendbarkeit
perfettanteils. Meist wird die Messung an vier sprechen für deren Nutzung. Das Messprinzip
Messpunkten empfohlen: basiert auf der unterschiedlichen elektrischen
55 am M. triceps brachii (mittig am hängen- Leitfähigkeit von FM und FFM. Die fettfreie
den Arm) Masse enthält Wasser und Elektrolyte und lei-
55 untere Schulterblattspitze im Stehen tet demnach besser als das Fettgewebe. Bei der
55 über dem Beckenkamm in der Axillarlinie Messung wird über Elektroden ein Wechsel-
55 am M. biceps brachii bei entspannt strom geringer Stromstärke verabreicht und
angewinkeltem Arm ein elektromagnetisches Feld im Körper auf-
gebaut. Über weitere Elektroden können dann
Praxistipp: Calipometrie der Spannungsabfall und die Phasenverschie-
bung der Signalspannung bei unterschiedli-
Die Calipometrie weist erhebliche Nachteile chen Frequenzen gemessen werden. Der Ge-
bei der inter- und intrapersonellen Reliabilität samtwiderstand (Impedanz) ergibt sich je
auf und erfordert eine ausreichende Erfah- nach Gewebetyp aus verschiedenen Teilwider-
rung des Untersuchers. In längsschnittlichen ständen, sodass mehrere unterschiedliche
Messreihen sollte stets der gleiche Untersu- Kompartimente aus den Ergebnissen mittels
cher eingesetzt werden. An jedem Messpunkt komplexer Algorithmen abgeleitet werden
sind mehrere Messungen vorzunehmen und können.
deren Mittelwert zu berücksichtigen. Es ist zu Die Qualität der auf dem Markt verfügba-
beachten, dass das Unterhautfettgewebe ren Geräte differiert erheblich. Die Messgenau-
keine vollständige Aussage über den Gesamt- igkeit basiert unter anderem auf der Phasen-
körperfettgehalt erlaubt. Ein eindeutiger Vor- sensitivität des Geräts und dem ausreichend
teil der Calipometrie besteht in der hohen repräsentativen und adressatenspezifisch vali-
Praktikabilität und Ökonomie. dierten Formelsatz. Hochwertige Geräte bezie-
hen ihre Aussagen nicht nur auf den gesamten
Leistungssteuerung
117 3

..      Abb. 3.41 Befundbogen zur Bioimpedanzanalyse einer untrainierten 28-jährigen Besucherin eines
Fitnessstudios (7 https://www.­inbody.­de)

Körper, sondern können einzelne Körperteile falt an mechanischen Testgeräten (teilweise


(z. B. die Extremitäten) auf der Basis segmental identisch mit Trainingsgeräten) und unter-
ablaufender Impedanzmessungen differenziert schiedlichen physikalischen Kraftaufnehmern
analysieren (. Abb. 3.41). (z. B. Dehnungsmessstreifen oder piezoelekt-
rische Kraftaufnehmer) bedingt. Folglich sind
leistungsdiagnostische Ergebnisse intra- und
3.4.6 Kraftdiagnostik interindividuell vielfach nur dann vergleich-
bar und reliabel, wenn sie am selben Messplatz
In der Praxis kann eine Vielzahl methodisch unter identischen Rahmenbedingungen erho-
grundsätzlich unterschiedlicher Verfahren ben wurden.
der Kraftdiagnostik unterschieden werden
(. Tab. 3.5). Die Tests besitzen entweder be- zz Isometrische Kraftdiagnostik
sondere messtechnisch-apparative Voraus- Die isometrische Kraftdiagnostik ist weit ver-
setzungen oder sie sind bewusst einfach und breitet und kann im einfachsten Fall unmittel-
praxisnah gestaltet (sportmotorische Tests). bar am Trainingsgerät (Krafttrainingsma-
Im Gegensatz zur Ausdauerdiagnostik exis- schine) realisiert werden (. Abb. 3.42). Hierbei
tiert zur Kraft- und Schnelligkeitsdiagnostik wird der bewegliche Gelenkarm der Maschine
national und international nur eine geringere starr fixiert und die dort realisierte Kraft mit-
Vereinheitlichung. Dieser fehlende Gold- tels Kraftaufnehmern in Relation zur Zeit
standard ist unter anderem durch die Viel- (Kraft-Zeit-Kurve) durch entsprechende Soft-
118 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.5 Ausgewählte Verfahren der Kraftdiagnostik in der Übersicht

Testverfahren Testziele Testmaterialien Parameter

Isometrische Kraftdiag- maximale willentliche Testgeräte mit absolute (N), relative


nostik isometrische Kontrak- Kraft- und Beschleu- Maximalkraft (N/kg),
3 Beispiele: tionskraft (Maximal Vo- nigungsaufnehmern Kraftanstieg gemäß
- Handkraft (. Abb. 3.45) luntary Isometric Con- (z. B. Kraftsensor mit Kraft-/-Zeit-Kurve (N/s)
- Kniebeuge (. Abb. 3.42) traction, MVIC) und piezoelektrischem
- Beinpresse Kraftanstieg (Rate of Kraftaufnehmer)
Force Development, RFD)

Isokinetische Kraftdiag- maximale willentliche Testgeräte mit Drehmoment (Nm),


nostik dynamisch-konzentri- Kraft- und Beschleu- RFD (Nm/s), Arbeits-
Beispiele: sche und exzentrische nigungsaufnehmern leistung (J)
- Beinstrecker, -beuger Kontraktionskraft bei (z. B. Kraftsensor mit - Peakwert
(. Abb. 3.43) definierter konstanter piezoelektrischem - Mittelwert
- Rumpfstrecker, -beuger Winkelgeschwindigkeit Kraftaufnehmer) - Exz./Konz.
- Schulterinnen-, -außen- - Gelenkwinkel
rotatoren

Isoinertiale Kraftdiagnostik maximal schnelle Testgeräte mit Seilzug Power (W), Geschwin-
Beispiele: dynamische-konz. und Beschleuni- digkeit (m/s),
- Seilzug (. Abb. 3.44) sportartspez. Bewegun- gungsaufnehmern Beschleunigung (m/s)
- Fly Wheel (. Abb. 3.44) gen gegen konstanten (Power Encoder) - Peakwert
- Wurf-/Sprungtests Widerstand - Mittelwert

Dynamische Maximalkraft maximale willentliche Langhantel oder 1-Wiederholungsmaxi-


Beispiele: dynamische Kraft (z. B. Multipresse mum (1 RM), absolut
- Kniebeuge gegen freie oder (kg) oder relativ (kg/
- Bankdrücken geführte Gewichte in kg)
- Kreuzheben einem definierten
Bewegungsbereich)

Sprungkraftdiagnostik vertikale und horizon- Kraftmessplatte, Kon- Kraft- (N), Zeitverläufe (s),
Beispiele: tale Schnell- und taktplatte oder opti- Flugzeit (ms), Sprung-
- Squat Jump Reaktivkraft der sche Messverfahren höhe (cm), Sprungweite
- Counter Movement unteren Extremität (je nach Bestim- (cm), Bodenkontakt
Jump (. Abb. 3.46) sowie Sprungeffizienz mungsverfahren und (ms), Reaktivitätsindex,
- Repetitive-CMJ Messgenauigkeit) RSI (Flugzeit/Bodenkon-
- Drop Jump (. Abb. 3.47) Maßband, Kreide bei takt), oder Sprungeffi-
- Multiple Rebound Jump Jump-and-Reach-Test zienz, EKA (Flugzeit2/
- Jump-and-Reach-Test und Standweitsprung Bodenkontakt)
- Standweitsprung

Wurfkraftdiagnostik maximale willentliche Medizinball oder an- Wurfweite (cm),


- Beispiele: Wurfkraft als Ergebnis dere Wurfgeräte mit Wurfgeschwindigkeit
- Medizinballwurf einer Gesamtkörperbe- definiertem Gewicht, (km/h)
(. Abb. 3.48) wegung Maßband, ggf. Radar-
pistole

Rumpfkraftdiagnostik Kraftausdauer (statisch Bodenmatte, Wiederholungszahl


Beispiele: oder dynamisch) der klappbare Liegeflä- (n), Wiederholungs-
- Sit-up/Crunches Rumpfmuskulatur che, Pacer, ggf. dauer (s)
- Liegestütz gegenüber dem Kleingeräte
- Unterarm-, Seitstütz eigenen Körpergewicht
- Rückenstrecker
Leistungssteuerung
119 3

..      Abb. 3.42 Isometrische Kraftdiagnostik mit einer ..      Abb. 3.43 Isokinetische Kraftdiagnostik mit einem
Athletin bei der Halbkniebeuge an einer mit Kraftauf- Athleten bei der Knieextension mit dem IsoMed 2000
nehmern ausgestatteten Multipresse

ware abgebildet sowie hinsichtlich ausgewähl- zz Isokinetische Kraftdiagnostik


ter Maximalkraft- oder Schnellkraftparameter Bei der isokinetischen Kraftdiagnostik wird
ausgewertet (. Tab. 3.5). Der Nachteil dieser die Testperson mechanisch bestmöglich fi-
Messmethode besteht in der geringen Sport- xiert und realisiert bei meist monoaxialen
artspezifität, da die Bewegungsdynamik der (eingelenkigen) Bewegungen (z. B. Knieex-
Sportarten nicht abgebildet wird und sich die tension) eine maximale Kraft gegen einen mit
Messung jeweils nur auf eine Gelenkwinkel- vorprogrammierter Winkelgeschwindigkeit
stellung bezieht (unzureichende Validität). per Antriebsmotor bewegten Gelenkarm in
Diese wiederum muss zur Sicherstellung der konzentrischer und exzentrischer Richtung
Reliabilität sorgfältig eingestellt werden, um (. Abb. 3.43). Die von der Testperson reali-
eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu er- sierte exzentrische und konzentrische Kraft
möglichen. Der Vorteil der isometrischen wird mittels Kraftaufnehmern in Relation
Kraftdiagnostik besteht darin, dass die maxi- zum Gelenkwinkel über die gesamte vorein-
mal willentlich realisierbare isometrische Kon- gestellte Bewegungsamplitude aufgezeichnet
traktionskraft (Maximal Voluntary Isometric und das Drehmoment sowie daraus abgelei-
Contraction, MVIC) für klassische mehrgelen- tete Parameter als Maximum oder im Durch-
kige Übungen einfach und reliabel gemessen schnitt über den gesamten Bewegungsablauf
werden kann. Mehrgelenkige Testinhalte ausgewertet (. Tab. 3.5). Die meisten isoki-
(z. B. Bankdrücken oder Kniebeugen) haben netischen Geräte bieten die Möglichkeit bei
außerdem eine hohe Aussagekraft für die ab- fixiertem Hebelarm auch die isometrische
solute Gesamtkraft des Athleten. MVIC (alter- Muskelkraft zu messen. Die kontrollierte
nativ: MVC) ist folglich ein häufig bestimmter Untersuchungsdurchführung mit geringen
Zielparameter bei kraftbezogenen leistungsdi- Freiheitsgraden und niedrigem Risiko von
agnostischen Untersuchungen. orthopädischen Fehlbelastungen für die Test-
120 A. Ferrauti et al.

person qualifiziert diese Methode bei guter bis Validitätsproblem. Die maximalen Winkel-
sehr guter Reliabilität auch zum Einsatz mit geschwindigkeiten im Bereich von Schulter-
Patienten in der Rehabilitation nach Sport- oder Kniegelenk sind im Sport deutlich höher
verletzungen (Freiwald und Greiwing 2016). als sie in einer isokinetischen Diagnose- und
Aufgrund der hohen Anschaffungskosten für Trainingsstation simuliert werden können
ein isokinetisches Kraftmessgerät wird diese (Freiwald und Greiwing 2016). Ferner laufen
3 Messmethode jedoch nur von gut ausgestatte- die Bewegungsabläufe gewöhnlich mehrge-
ten diagnostischen Einrichtungen und Reha- lenkig und dynamisch-reaktiv mit wechseln-
kliniken durchgeführt. Für die leistungssport- den Winkelgeschwindigkeiten im Verlauf der
liche Kraftdiagnostik ergibt sich allerdings ein Bewegungsamplitude ab.

Exkurs: Muskelstimulation durch Twitch-Interpolationstechnik

Während der isometrischen und auch isokineti- Stimulation des Muskelbauchs oder des entspre-
schen Kraftdiagnostik besteht durch eine externe chenden motorischen Nervs, wodurch ein
elektrische Muskelstimulation die Möglichkeit, die zusätzlicher Impuls bzw. Twitch auf die willkürlich
Kontraktionskraft über das willentlich mögliche generierte Kraftentfaltung des Muskels gelegt
Ausmaß hinaus (Maximalkraft) zu steigern. Die wird. Die Twitch-Interpolationstechnik ist u. a. ein
dadurch kurzfristig erreichte Kraftspitze (Absolut- Verfahren zur objektiven Erfassung des Grads der
kraft) sowie die Differenz zwischen Maximalkraft willkürlichen Aktivierung bzw. Rekrutierung
und Absolutkraft (Kraftdefizit) besitzen für die motorischer Einheiten während einer Maximalkon-
biomechanische Diagnostik eine zusätzliche traktion und ermöglicht somit eine differenzierte
Aussagekraft. Hierzu erfolgt nach Erreichen des Beurteilung zentral und peripher induzierter
isometrischen Maximalkraftplateaus mittels Ermüdungseffekte (McKenzie et al. 1992; Millet
Oberflächenelektroden eine perkutane elektrische et al. 2011).

zz Isoinertiale Kraftdiagnostik werden. Eine Sonderform stellt das Flywheel


Die isoinertiale Kraftdiagnostik bezieht sich dar, bei dem nach einer maximalen konzent-
auf typische schnellkräftige Bewegungsab- rischen Aktion das Schwungrad derart ange-
läufe in den Sportarten (Freiwald und Grei- trieben wird, dass der Athlet mit zusätzlicher
wing 2016). Dies können beispielsweise Wurf-, Kraft in die exzentrische Phase gezogen wird
Schlag- oder Stoßbewegungen sein, die gegen (Eccentric Overload). Die generierte Power
einen Seilzug ausgeführt werden. Anders als kann während der gesamten konzentrischen
bei der isokinetischen Diagnostik ist hier nur und exzentrischen Phase aufgezeichnet wer-
der Widerstand submaximal festgelegt, wäh- den (. Abb. 3.44).
rend die Bewegungsgeschwindigkeit maximal
ist und im Verlauf der Bewegungsamplitude zz Dynamische Maximalkraft (Wiederho-
schwankt. Demzufolge kann hier eine hohe Va- lungsmaximum)
lidität attestiert werden. Durch die vielen Frei- Zur Festlegung der dynamischen Maximalkraft
heitsgrade und die teilweise ruckartige Bewe- hat sich in der Praxis die Bestimmung des ein-
gungsausführung sinkt jedoch die Reliabilität. maligen Wiederholungsmaximums (1 Repeti-
Beschleunigungsaufnehmer (Power Encoder) tion Maximum, 1 RM) etabliert. Dieser Test
ermöglichen die Ableitung der Bewegungs- erfolgt dynamisch, unmittelbar an dem ent-
geschwindigkeit, aus der sich zusammen mit sprechenden Trainingsgerät (Krafttrainings-
dem überwundenen Widerstand die erbrachte maschine oder Freihantel) und liefert daher
Leistung bzw. Power in Watt berechnen lässt. praxisnahe Ergebnisse mit hoher Validität, die
Diese kann im Mittel über die Bewegungsam- zur Trainingssteuerung eingesetzt werden
plitude oder als Maximalwert (Peak) erfasst können. Für die Bestimmung des 1 RM haben
Leistungssteuerung
121 3

a b

..      Abb. 3.44 a Exzentrisch akzentuiertes Flywheel und b luftdruckgesteuertes Seilzugsystem mit Powermeter
zur isoinertialen Kraftdiagnostik (7 https://doi.org/10.1007/000-04k)

sich unterschiedliche direkte oder indirekte publizierten Funktionsgleichungen, da je nach


Verfahren bewährt. Durch die zusätzliche Be- Muskelgruppe und Adressaten unterschiedli-
stimmung der Bewegungsgeschwindigkeit che Zusammenhänge zwischen Gewichtslast
(z. B. mittels Beschleunigungssensoren im ein- und ­Wiederholungszahl (teils linear, teils ex-
fachsten Fall mit Mobiltelefon und App) kann ponentiell) bestehen. Ferner sollte die vorge-
die Berechnung des 1 RM komplexer vorge- legte Gewichtslast bereits so austariert sein,
nommen werden (González-Badillo et al. dass maximal zehn Wiederholungen realisiert
2017). werden können, da mit zunehmender Wieder-
Bei den direkten Verfahren wird versucht, holungszahl die Genauigkeit der 1-RM-­
mit realistischen und möglichst zielstrebigen Ableitung sinkt.
Annäherungsschritten genau die Gewichtslast Die 1-RM-Bestimmung besitzt aufgrund
zu bestimmen, die die Testperson einmal in der hohen Praxisnähe entscheidende Vorteile.
korrekter Ausführung bewältigen kann. Der Realisiert die Testperson beispielsweise fünf
Nachteil dieses Verfahrens besteht in der Vor- Wiederholungen beim Bankdrücken mit einer
ermüdung der Arbeitsmuskulatur durch die Last von 85 kg, kann ein 1 RM von ca. 96 kg
Vorbelastung, der nichtstandardisierten Bewe- berechnet werden (. Tab. 3.7). Gleichzeitig
gungsgeschwindigkeit und der vielfach koordi- kann für das Hypertrophietraining dieses Ath-
nativ unsauberen Ausführung der 1-RM-Be- leten eine Trainingslast von 70–75 kg abgeleitet
lastung. werden (entsprechend 75–80 % des 1 RM).
Indirekte Verfahren legen eine submaxi-
male Gewichtslast vor, die die Testperson ver- zz Sprungkraftdiagnostik
sucht, möglichst häufig zu bewegen Zur Sprungkraftdiagnostik werden einfache
(. Tab. 3.6). Evaluierte Funktionsgleichungen und apparativ unterstützte Verfahren ange-
erlauben die Berechnung des 1 RM aus Ge- wendet. Hinsichtlich der einfachen sportmo-
wichtslast und Wiederholungszahl (Mayhew torischen Tests haben sich je nach den Anfor-
et al. 2004). Problematisch ist die Vielzahl an derungen der Sportarten der Standweitsprung
122 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.6 Berechnung des einmaligen Wiederholungsmaximums aus einer submaximalen Gewichts-
last (W) und deren maximal möglicher Wiederholungszahl (R) mittels verschiedener aus der Literatur
entnommener Funktionsgleichungen (Beispiel: W = 60 kg; nach Mayhew et al. 2004)

Autor Formel R=5 R = 10 R = 15

3 Adams (1998)
Brown (1992)
1-RM = w / (1– 0.02 x R)
1-RM = (R x 0.0328 + 0.9849) x W
66,6
68,9
75,0
78,8
85,7
88,6
Brzycki (1993) 1-RM = W / (1.0278 – 0.0278 x R) 67,5 80,0 98,2
Welday(1988) 1-RM = (0.033 x R) x R +W 69,9 79,8 89,7
Lander (1985) 1-RM = W / (1.013 – 0.0267123 x R) 68,2 80,4 98,0
Lombardi (1989) 1-RM = R 0.1 x W 70,5 75,5 78,7
Mayhew et al. (2004) 1-RM = W / (0.522 + 0.419e )
–0.055 x R 71,4 78,6 85,0
O’Connor et al. (1989) 1-RM = W x (1+ 0.025 x R) 67,5 75,0 82,5
Wathen (1994) 1-RM = W / (0.488 + 0.538 e–0.075 x R) 69,9 80,8 90,5
Mittelwert 68,9 78,2 88,5
Standardabweichung 1,5 2,3 6,2

(horizontale Sprungleistung) und der Jump- Als Sprungformen werden der Counter
and-Reach-Test (vertikale Sprungleistung) be- Movement Jump (CMJ), der Squat Jump
währt. Sportartübergreifend ist der Standweit- (SJ), der Drop Jump (DJ) und verschiedene
sprung aufgrund seiner höheren Praktikabilität Sprungwiederholungstests wie der Repeti-
und Reliabilität ein geeignetes Verfahren. tive Counter Movement Jump (R-CMJ) oder
Sprungfolgen (z. B. der Dreierhopp) sind au- der Multiple Rebound Jump (MRJ) unter-
ßerhalb der Leichtathletik für viele Athleten schieden. Ihre Resultate korrelieren nicht
koordinativ zu anspruchsvoll und senken da- vollständig, da die Testleistungen je nach
durch die Reliabilität. Ausführung auf unterschiedlichen (neuro)
Apparative Sprungkrafttests nutzen in der muskulären und teilweise metabolischen Vo-
biomechanischen Labordiagnostik fest instal- raussetzungen basieren.
lierte Kraftmessplatten und leiten hiermit dif- Der CMJ beginnt beispielsweise mit einer
ferenzierte Befunde zu Höhe und zeitlichem abwärts gerichteten Auftaktbewegung, sodass
Verlauf der Kraftentwicklung bei Absprung im Übergang von der exzentrischen zur kon-
und Landung ab. Die stationäre Gebundenheit zentrischen Bewegungsphase durch den (hier
dieser Messmethode lässt eine flächende- meist langsamen) Dehnungs-Verkürzungszyk-
ckende Verbreitung in der Praxis bislang nicht lus eine höhere Energie erzeugt werden kann
zu. Demgegenüber existieren einfache soft- und dadurch höhere Sprunghöhen möglich
waregesteuerte optische oder mechanische sind als beim SJ aus der tiefen Kauerstellung.
Systeme, die nur den zeitlichen Verlauf von Bezogen auf die Erscheinungsformen der Kraft
Bodenkontakt und Flugphase ermitteln und wird mittels SJ demnach die reine Schnellkraft
daraus mittels des Flugzeitverfahrens die und mittels des CMJ zusätzlich die Reaktivkraft
Sprunghöhe für verschiedene Ausführungsfor- gemessen. Beim R-CMJ werden im Gegensatz
men berechnen. zum einmaligen CMJ mehrere Sprünge un-
Leistungssteuerung
123 3
rechnet. Hierbei fließt die Bodenkontaktzeit
..      Tab. 3.7 Zusammenhang zwischen
Wiederholungszahl (WDH-Zahl) und prozentua-
(Zeit nach der Landung bis zum erneuten
ler Auslastung des 1 RM (Brzycki 1993) Absprung) ein. Das Testziel besteht darin,
aus einer möglichst kurzen Kontaktzeit eine
WDH-Zahl % von 1 RM möglichst hohe Sprunghöhe zu erreichen.
Beide Größen werden zu verschiedenen Re-
20 47,18
aktivkraftindizes verrechnet (. Tab. 3.5).
19 49,96 Dieser interessante Ansatz birgt in der Praxis
18 52,74 jedoch die Gefahr der Verunsicherung, da
die Testpersonen im Zwiespalt zwischen kur-
17 55,52 zer Kontaktzeit und Sprunghöhe das genaue
16 58,30 Testziel zu Recht hinterfragen. Die daraus
resultierende Unzuverlässigkeit des Ergeb-
15 61,08
nisses (geringere Reliabilität) kann verbes-
14 63,86 sert werden, wenn wie beim MRJ mehrere
13 66,64 reaktive Sprünge mit kurzer Kontaktzeit hin-
tereinander gereiht werden und ein Mittel-
12 69,42
wert über mehrere (5-10) Sprünge berechnet
11 72,20 wird.
10 74,98
zz Wurfkraftdiagnostik
9 77,76 Zur Wurfkraftdiagnostik existieren internati-
8 80,54 onal keine einheitlich etablierten Testverfah-
ren. Apparativ kann aus der isokinetischen
7 83,32
Kraftdiagnostik der Innenrotatoren des Schul-
6 86,10 tergelenks bei möglichst hoher Winkelge-
5 88,10 schwindigkeit auf die Wurfkraft geschlossen
werden (Achtung: geringe Validität). Die Mes-
4 91,66 sung der isoinertialen Power mittels eines in
3 94,44 Wurf- oder Schlaghöhe fixierten Seilzugs
(. Abb. 3.44) steigert die Validität bei absin-
2 97,22
kender Reliabilität. Unter Feldtestbedingun-
1 100,00 gen bleibt zur Wurfkraftdiagnostik nur die
Messung von Wurfweite und Wurfgeschwin-
digkeit durch Radarmessung. Als einfacher
mittelbar aneinandergereiht (Testdauer z. B. sportmotorischer Test kann der Medizinball-
10–15 s), sodass die Schnellkraftausdauer hier wurf bzw. bei Kindern der Schlagballweitwurf
zusätzlich von Bedeutung ist (Markovic et al. empfohlen werden. Würfe können in unter-
2004). schiedlichen Ausführungsvarianten (über
Für den DJ sowie den MRJ werden neben Kopf oder seitwärts) und mit unterschiedli-
der Sprunghöhe verschiedene neuromusku- chen Gewichten (1, 2 oder 3 kg Ball) erfolgen
lär interessante Parameter ermittelt bzw. be- (s. . Abb. 3.48).
124 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 1: Handkraft Parameter Isometrische Maximalkraft (kg)


Die Handkraft wird mithilfe eines Dynamo- der dominanten (DH) und nichtdominanten
meters erfasst. Der Athlet drückt das Dynamo- (NDH) Hand; Messgenauigkeit: 1 kg
meter in sitzender Position, ohne Ablage des
Unterarms sowie einem 90-Grad-Winkel zwi- Spezifische Literatur
schen Ober- und Unterarm mit maximal mög- 55 Bohannon, R.W. (1998). Hand-grip dyna-
3 lichem Krafteinsatz. Der Oberarm hat wäh- mometry provides a valid indication of up-
rend der Messung keinen aktiven Kontakt zum per extremity strength impairment in home
Oberkörper. Der erreichte Maximalwert wird care patients. J Hand Ther, 11 (4), 258–260.
während des drei Sekunden andauernden 55 Trampisch, U.S., Franke, J., Jedamzik, N.,
Messvorgangs vom Display abgelesen. Jeder Hinrichs, T. und Platen, P. (2012). Optimal
Athlet führt zwei Versuche durch, von denen Jamar dynamometer handle position to
der bessere gewertet wird. Beide Hände wer- assess maximal isometric hand grip strength
den abwechselnd getestet (. Abb. 3.45). in epidemiological studies. J Hand Surg, 37
(11), 2368–2373.
Testmaterialien Handkraft-Dynamometer

..      Abb. 3.45 Hand-


kraft-Dynamometrie
Leistungssteuerung
125 3
kLD Beispiel 2: Counter Movement rung auftreten, erfolgt eine Bewegungskorrek-
Jump (CMJ) tur durch den Testleiter.
Der Athlet steht aufrecht mit gestreckten Bei-
nen auf einer Kontaktmessplatte, die Arme Testmaterialien Kontaktmessplatte/Kraft-
sind angewinkelt, die Hände sind auf Hüfthöhe messplatte, PC, Software
fixiert. Der Sprungauftakt erfolgt durch eine
Kniebeuge bis zu einem Gelenkwinkel von Parameter Maximale Sprunghöhe [cm] mit-
ca. 90 Grad (. Abb. 3.46a). Unmittelbar nach tels Flugzeit-Formel: Sprunghöhe = ½ g ∗
der schnellen Abwärtsbewegung erfolgt reak- (Flugzeit/2)2; Messgenauigkeit: 1 cm
tiv eine explosive maximale Streckung der
Beinmuskulatur. In der Luft und auch bei der Spezifische Literatur
Landung sind die Beine in weitgehend ge- 55 Markovic, G., Dizdar, D., Jukic, I. und
streckter Position zu halten (. Abb. 3.46b). Je- Cardinale, M. (2004). Reliability and
der Athlet absolviert einen Vorversuch und factorial validity of squat and counter-
zwei Wertungsversuche. Sollten beim Vorver- movement jump tests. J Strength Cond Res,
such auffällige Fehler bei der Sprungausfüh- 18 (3), 551–555.

..      Abb. 3.46 Counter


a b
Movement Jump:
Sprungauftakt a und
Streckung b
(7 https://doi.
org/10.1007/000-04m)
126 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 3: Drop Jump (DJ) und Testmaterialien Kontaktmess-/Kraftmess-


Multiple Rebound Jump (MRJ) platte, PC, Software, Kasten (40 cm)
DJ: Der Athlet steht aufrecht mit gestreckten Bei-
nen auf einem Kasten, die Arme sind angewinkelt, Parameter Bodenkontaktzeit [ms], maximale
die Hände sind auf Hüfthöhe fixiert (. Abb. 3.47a). Sprunghöhe [cm] mittels Flugzeit-­ Formel,
Anschließend erfolgt ein Abfallen von einem Kas- Flugzeit [ms], RSI [Flugzeit/Bodenkontakt],
3 ten. Die Fallhöhe beträgt meist 40 cm. Aus einer Sprungeffizienz, EKA [Flugzeit2/ Bodenkon-
prellenden Landung auf der Kontaktmessplatte takt]; beim MRJ werden die Mittelwerte über
folgen ein maximaler Vertikalsprung und eine er- die besten 5 Sprünge berechnet.
neute Landung. Ziel ist es, eine minimale Boden-
kontaktzeit bei gleichzeitig maximaler Sprung- Spezifische Literatur
höhe zu generieren. In der Luft und auch bei der 55 Young, W. (1995). Laboratory strength
Landung sind die Beine in weitgehend gestreckter assessment of athletes. New Studies in
Position zu halten (. Abb. 3.47b). Ahletics, 10, 88–96.
MRJ: Der Athlet steht aufrecht mit gestreck- 55 Girard, O., Lattier, G., Micallef, J-P. und
ten Beinen auf einer Kontaktmessplatte, die Arme Millet, G.P. (2006) Changes in exercise
sind angewinkelt, die Hände sind auf Hüfthöhe characteristics, maximal voluntary
fixiert. Aus einem Auftaktsprung folgen fünfzehn contraction, and explosive strength during
prellende Vertikalsprünge, jeweils mit dem Ziel prolonged tennis playing. Br J Sports Med,
eine minimale Bodenkontaktzeit bei gleichzeitig 40, 521–526.
maximaler Sprunghöhe zu generieren.

..      Abb. 3.47 Drop a b


Jump: Auftakt a und
Haltung während des
Sprungs b
Leistungssteuerung
127 3
kLD Beispiel 4: Medizinballwurf Fehler bei der Wurfausführung auftreten, erfolgt
Der Athlet steht in hüftbreiter Stellung und eine Bewegungskorrektur durch den Testleiter.
leicht gebeugten Beinen frontal zur Wurfrich-
tung (. Abb. 3.48). Die Fußspitzen befinden Testmaterialien Medizinball (2 kg), 30 m
sich unmittelbar hinter der Abwurflinie. Der Maßband, Klebeband
Abwurf erfolgt mit einer freigestellten Auftakt-
bewegung beidarmig oberhalb des Kopfes. Beim Parameter Maximalweite [cm]; Messgenau-
Abwurf ist es erlaubt, einen Schritt nach vorn igkeit: 5 cm
über die Abwurflinie hinaus zu machen. Jeder
Athlet absolviert einen Vorversuch und zwei Spezifische Literatur
Wertungsversuche. Der Versuch ist ungültig, 55 Stockbrugger, B.A. und Haennel, R.G.
wenn die Startlinie vor dem Abwurf überschrit- (2001). Validity and reliability of a
ten wird. Sollten beim Vorversuch auffällige medicine ball explosive power test. J
Strength Cond Res, 15 (4), 431–438.

..      Abb. 3.48 Medi- a b


zinballwurf über Kopf
128 A. Ferrauti et al.

3.4.7 Schnelligkeitsdiagnostik Tapping-Frequenz errechnen (Hz = Anzahl der


Kontakte pro Sekunde). Mittels Kraft- oder
Die beschriebenen Verfahren der Schnellig- Kontaktmessplatte ist zudem üblicherweise die
keitsdiagnostik beschränken sich auf die zy- gleichzeitige Erfassung der Kontaktzeiten mög-
klische und azyklische Bewegungsschnellig- lich. Tapping-Frequenzen und realisierte Bo-
keit. Verfahren der Diagnostik der kognitiven denkontaktzeiten stehen dabei in einem gewis-
3 Schnelligkeitsanforderungen (Reaktions- und sen gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und
Antizipationsschnelligkeit) werden aufgrund können durch einen Tapping-­ Koeffizienten
des hohen Material- und Zeitaufwands sowie (. Tab. 3.8) miteinander verrechnet werden.
der zweifelhaften sportartspezifischen Validität Eine Frequenz von über 12 Hz kann als gut an-
nur selten angewendet (Tanner und Gore 2013). gesehen werden. Frequenzen über 14 Hz bei
Aufgrund der hohen Praktikabilität kommen Kontaktzeiten zwischen 50 und 80 ms gelten als
zur Diagnostik der Bewegungsschnelligkeit ausgezeichnet (Voss et al. 2007; Krug et al.
meist einfache elektronische Messverfahren 2019).
(z. B. Lichtschrankensystem oder Radarmess-
gerät) zum Einsatz. Die Beurteilung der Schnel- zz Linearsprinttest
ligkeitsleistung erfolgt dabei meist durch pau- Der Linearsprinttest dient der Erfassung der
schale Messgrößen (z. B. die Zeit, die für eine Antritts- und Beschleunigungsfähigkeit sowie
definierte Strecke benötigt wird). Die Erfassung der Sprintschnelligkeit. Unter Berücksichti-
des zugrundeliegenden Beschleunigungs- und gung der Sportartspezifität nimmt man ent-
Geschwindigkeitsverlaufs erfordert meist wei- weder in aufrechter seitlicher Schrittstellung
tere Messsysteme (z. B. Beschleunigungssenso- mit der vorderen Fußspitze exakt hinter einer
ren, videobasierte Bewegungsanalyse oder Seil- Startlinie (z. B. Fußball oder Handball) oder
zugwegaufnehmer). im Startblock (z. B. leichtathletischer Sprint)
seine Startposition ein (. Abb. 3.49). Meist
zz Tapping-Tests ohne Kommando startet man selbständig
Die Diagnostik der elementaren Frequenz- und absolviert schnellstmöglich eine zuvor
schnelligkeit kann mithilfe eines Tapping-Tests definierte Laufstrecke. Die Startlichtschranke
erfolgen (Krug et al. 2019). Dabei wird die Be- befindet sich dabei in einem definierten Ab-
wegungsfrequenz bei kleinräumigen, alternie- stand (häufig 50 cm beim klassischen Linear-
renden Bewegungen mithilfe einer Kraft- oder sprinttest oder bis zu 30 m bei fliegenden
Kontaktmessplatte ermittelt. Dies muss mit den Sprints) hinter der Startlinie. Im definierten
Händen oder Füßen bei möglichst geringer Be- Abstand von der Startlichtschranke befinden
wegungsamplitude und möglichst hoher Bewe- sich weitere Lichtschranken zur Erfassung von
gungsfrequenz wechselseitig berührt werden. Zwischen- (z. B. in 5 oder 10 m Abstand zur
Beim Bein-Tapping steht man mittig auf der Startlichtschranke) und Endzeiten. Bei kürze-
Messplatte. Die Hände werden seitlich an der ren Laufstrecken sind Doppellichtschranken
Hüfte fixiert. Über eine Software und/oder zwingend erforderlich, um den Messfehler zu
durch den Testleiter wird ein akustischer reduzieren. Anhand der Zwischenzeiten (z. B.
Countdown sowie ein Start- und Stoppsignal nach 5 m, 10 m oder 20 m) kann auf die An-
vorgegeben. Die Aufgabe ist es, in einem defi- tritts- und Beschleunigungsfähigkeit geschlos-
nierten Zeitraum (z. B. 3 s) so viele Fußkon- sen werden. Die 30-40-m-Differenzzeit gibt
takte wie möglich zu realisieren. Aus der An- Aufschluss über die maximale Sprintschnel-
zahl der erreichten Kontakte lässt sich dann die ligkeitsleistung. Die Streckenlängen und Zwi-
Leistungssteuerung
129 3

..      Tab. 3.8 Ausgewählte Verfahren der Schnelligkeitsdiagnostik in der Übersicht

Testverfahren Testziele Testmaterialien Parameter

Tapping-Test maximale Bewegungs- Kraftmessplatte oder Tapping-Frequenz [Hz],


frequenz bei kleinräu- Kontaktplatte Tapping-Koeffizient
migen, alternierenden ((Frequenz [Hz]/Kontaktzeit
Bewegungen [ms]) × 100)

Linearsprinttest maximale Sprintge- Lichtschrankensystem, Sprintzeiten (z. B. die beste


Beispiele schwindigkeit und Maßband, Tape oder 10-, 20-, 30-, 40-m Zeit (s))
(. Abb. 3.49): Sprintbeschleunigung Pylonen/Markierungstel- Beschleunigungszeiten (z.
- 5-, 10-, ler zur Markierung der B. die kleinste 5-10-m
20-m-Sprint Startlinie und Licht- Differenzzeit (s))
- 10-, 30-, schrankenpositionen
40-m-Sprint
- fliegende Sprints

Richtungswech- maximale, sportspiel- Lichtschrankensystem, Gesamtzeit und Richtungs-


selsprinttest spezifische Richtungs- Maßband, Tape und/oder wechselscore (z. B. kleinste
Beispiele wechselsprintgeschwin- Pylonen/Markierungstel- 8–12-m-Zwischenzeit beim
(. Abb. 3.50): digkeit bei einem oder ler zur Markierung der 10-m-Shuttle) [s],
- 5-0-5-Test zwei Richtungswech- Start-Ziel-­Linie, Rich-
- 10-m-Shuttle seln im Anschluss an tungswechsellinie(n) und
hohe oder niedrige Lichtschrankenpositionen
Anlaufgeschwindigkei-
ten

Gewandtheitstest maximale, sportspiel- Lichtschrankensystem, Endzeit [s]


Beispiele spezifische Richtungs- Maßband, Tape und/oder
(. Abb. 3.51): wechselsprintgeschwin- Pylonen/Markierungstel-
- T-Test digkeit bei drei oder ler zur Markierung der
- Illinois-Agili- mehr „scharfen“ und/ Start-Ziel-­Linie, ggf.
ty-Test oder „weichen“ Richtungswechsellinien
- L-Run-Test Richtungswechseln und Lichtschrankenposi-
tionen

Wiederholungs- Schnelligkeitsausdauer nichtmotorisiertes Ermüdungskoeffizient


sprinttest bzw. Ermüdungswider- Laufband oder Licht- (100 × ((Sbest – Sworst)/Sbest))
stands- und Erholungs- schrankensystem mit (S = Sprint), prozentualer
fähigkeit bei wiederhol- Maßband, Tape und/oder Ermüdungsscore [%] sowie
ten, kurz Pylonen/Markierungstel- mittlere Sprintzeit
aufeinanderfolgenden ler zur Markierung der
Sprintbelastungen Startlinie und Licht-
schrankenpositionen

Wurf-, Schlag-, maximale azyklische, Radarmessgerät Objektfluggeschwindigkeit


und Schussschnel- sportartspezifische (z. B. Ballfluggeschwindig-
ligkeit Bewegungsschnelligkeit keit beim Handball) [km/h]
130 A. Ferrauti et al.

schenzeiten sind je nach Testziel und sport- heitstest komplexer. Dabei können sowohl
artspezifischem Belastungsprofil auszuwählen „scharfe“ (z. B. 180 Grad) als auch „weiche“
(z. B. im Badminton 10 m, im Handball 20 m, (z. B. 90 Grad) Richtungswechsel eingebaut
im Fußball 30–40 m). werden. Gewandtheitstests können mehrere
Richtungsänderungen in unterschiedlichen
zz Richtungswechselsprinttest Winkeln sowie mit variierenden Distanzen be-
3 Mithilfe eines Richtungswechselsprinttests wird inhalten, sodass die koordinativen Anforde-
die meist sportspielspezifische Antritts- und rungen steigen. Dadurch sinkt allerdings die
Beschleunigungsfähigkeit sowie die Richtungs- Reliabilität des Testergebnisses. Etablierte
wechselsprintfähigkeit bei einem oder zwei Tests sind der L-Run-Test, der T-Test
i. d. R. 180-Grad-Richtungswechseln erfasst. (. Abb. 3.51) oder der Illinois-Agility-Test
Wie beim Linearsprinttest erfolgt der Start (Gabbett und Sheppard 2013; Nimphius 2014).
meist ohne Kommando aus einer aufrechten Im Gegensatz zum reinen Gewandheitstest
eher seitlichen Schrittstellung heraus. Beim muss nach aktueller Definition bei einem
Zurücklegen der definierten Sprintstrecke „Agility-­Test“ zusätzlich die Wahrnehmungs-
werden mittels Lichtschranken die Endzeiten schnelligkeit (Reaktion und ggf. Antizipation)
sowie wenn möglich die isolierten Richtungs- Bestandteil der Testanforderung sein.
wechselzeiten registriert. Zur Ermittlung der
isolierten Richtungswechselzeiten muss eine zz Wurf-, Schlag- und Schussschnelligkeit
Lichtschranke im kurzen Abstand (z. B. 1–2 m) Die azyklische Bewegungsschnelligkeit kann
vor bzw. hinter dem Bereich aufgestellt werden, indirekt mittels Radarmessgerät bestimmt wer-
in dem der Richtungswechsel absolviert wird. den. Hierbei wird meist die Höchstgeschwin-
Die Wahl der geeigneten Anlaufdistanzen bzw. digkeit eines durch einen Wurf, Schlag oder
Eintrittsgeschwindigkeiten ergeben sich hier Schuss beschleunigten Objekts (z. B. Hand-
aus der Analyse der disziplinspezifischen Wett- ball, Schlagball, Tennisball oder Fußball) ge-
kampfbeanspruchung. Je nach Spielfeldgröße messen. Da die Testleistung stark durch die
der Sportarten sind entweder kürzere (z. B. Ten- Ausführungstechnik beeinflusst wird, ist der
nis oder Badminton) oder längere Anlaufdis- individuelle Variationskoeffizient vergleichs-
tanzen (z. B. Fußball oder Hockey) sinnvoll. weise hoch. Daher sollte eine ausreichende
Exemplarisch wird der 5-0-5-Test vorgestellt Anzahl an Versuchen (z. B. mind. acht) absol-
(. Abb. 3.50; Nimphius 2014). viert werden. Im Einzelfall ist zu entscheiden,
inwieweit und auf welche Weise die Hand-
zz Gewandtheitstest lungspräzision gleichzeitig erfasst und neben
Im Gegensatz zum Richtungswechselsprinttest der Aktionsschnelligkeit für die Gesamtleis-
sind die Anforderungen bei einem Gewandt- tung berücksichtigt wird (. Abb. 3.33).
Leistungssteuerung
131 3
kLD Beispiel 5: 20-Meter-Linearsprinttest Maßband (mindestens 20 m), Klebeband, PC
Der Athlet nimmt in aufrechter frontaler oder und Software zur Messwerterfassung
seitlicher Schrittstellung seine Startposition
mit der vorderen Fußspitze exakt hinter einer Parameter Sprintgeschwindigkeitsscore
Markierungslinie ein, die genau 50 cm hinter (kleinste 10-20-m-Zwischenzeit [s]); Sprint-
der Startlichtschranke auf dem Boden ange- beschleunigungsscore (kleinste 0-5-m-, 5-10-
bracht ist (. Abb. 3.49). Die Schrittweite und m- und/oder 0-10-m-Zwischenzeit [s]); kom-
damit die Position des hinteren Fußes sowie binierter Sprintgeschwindigkeits- und
die Ausrichtung der Fußgelenksachsen sind Sprintbeschleunigungsscore (kleinste 0-20-
freigestellt. Ohne Kommando startet der Ath- Zeit [s])
let selbstständig und absolviert schnellstmög-
lich die Laufstrecke. In 5 m, 10 m und 20 m Spezifische Literatur
Abstand von der Startlichtschranke sind wei- 55 Wisloff, U., Castagna, C., Helgerud, J.,
tere Lichtschranken platziert. Mindestens zwei Jones, R., und Hoff, J. (2004). Strong
Wertungsversuche werden im Abstand von correlation of maximal squat strength with
mindestens 1 min Pause absolviert. sprint performance and vertical jump
height in elite soccer players. Br J Sports
Testmaterialien Lichtschrankensystem (im Med, 38, 285–288.
Idealfall funkgesteuerte Doppellichtschranke),

a b

..      Abb. 3.49 a Mögliche Startposition und b Beschleunigung bis zur 5 m Lichtschranke beim Linearsprint
132 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 6: 5-0-5-Richtungswechsel- Testmaterialien Lichtschrankensystem (im


sprinttest Idealfall Doppellichtschranke), Maßband,
Der Athlet nimmt in aufrechter seitlicher Tape und/oder Pylonen/Markierungsteller, PC
Schrittstellung seine Startposition mit der vor- und Software zur Messwerterfassung
deren Fußspitze exakt hinter einer Markie-
rungslinie ein, die genau 50 cm hinter der Start- Parameter Richtungswechselscore (kleinste
3 lichtschranke auf dem Boden angebracht ist. 10-20-m-Zwischenzeit [s]); Kombinierter
Die Schrittweite und damit die Position des hin- Sprintgeschwindigkeits- und Richtungswech-
teren Fußes sowie die Ausrichtung der Fußge- selscore (kleinste 0-30-m-Zeit [s])
lenksachsen sind freigestellt. Die Startlicht-
schranke ist gleichzeitig die Ziellichtschranke. Spezifische Literatur
In 10 m Abstand von der Start- bzw. Ziellicht- 55 Nimphius, S. (2014). Increasing Agility. In
schranke ist eine weitere Lichtschranke plat- D. Joyce und D. Lewindon (Hrsg.), High-Per-
ziert. Ohne Kommando startet der Athlet selbst- formance Training for Sports (S. 185–198).
ständig und absolviert schnellstmöglich die Champaign, IL: Human Kinetics.
Sprintstrecke (. Abb. 3.50). In 15 m Abstand 55 Stewart, P. F., Tuner, A. N., und Miller,
von der Startlichtschranke absolviert der Sport- S. C. (2014). Reliability, factorial validity,
ler hierbei einen reaktiven Richtungswechsel and interrelationships of five commonly
auf einer auf dem Boden markierten Linie used change of direction speed tests. Scand
(. Abb. 3.50). Zwei Wertungsversuche werden J Med Sci Sports, 24, 500–506.
im Abstand von 1 bis 2 min Pause absolviert.

10 Meter 5 Meter

Startlinie Startlicht- 180-Grad-


schranke Richtungswechsel

5 Meter

Startlicht- 180-Grad-
schranke Richtungswechsel

..      Abb. 3.50 Schematische Darstellung des und des modifizierten 5-0-5-Tests mit einem
traditionellen 5-0-5-Tests mit einem 180-Grad-­ 180-Grad-Richtungswechsel im Anschluss an eine
Richtungswechsel im Anschluss an eine hohe niedrige Anlauf- bzw. Eintrittsgeschwindigkeit
Anlaufdistanz (10 m) bzw. Eintrittsgeschwindigkeit (Nimphius 2014, S. 190)
Leistungssteuerung
133 3
kLD Beispiel 7: L-Run-Test suche werden im Abstand von 1–2 min Pause
Der Athlet nimmt in aufrechter seitlicher absolviert.
Schrittstellung seine Startposition mit der
vorderen Fußspitze exakt hinter einer Mar- Testmaterialien Lichtschrankensystem (im
kierungslinie ein, die genau 50 cm hinter der Idealfall Doppellichtschranke), Maßband,
Startlichtschranke auf dem Boden angebracht Tape und/oder Pylonen/Markierungsteller,
ist. Die Schrittweite und damit die Position PC und Software zur Messwerterfassung
des hinteren Fußes sowie die Ausrichtung
der Fußgelenksachsen sind freigestellt. Die Parameter Kleinste Endzeit [s]
Startlichtschranke ist gleichzeitig die Ziel-
lichtschranke. Ohne Kommando startet der Spezifische Literatur
Athlet selbstständig, sprintet 5 m, absolviert 55 Gabbet, T. J. und Sheppard, J. M. (2013)
einen „weichen“ 90Grad-Richtungswechsel Testing and Training Agility. In R. K.
nach links, sprintet wieder 5 m, absolviert Tanner und C. J. Gore (Hrsg.), Physiologi-
einen „scharfen“ 180-Grad-Richtungswechsel, cal Tests for Elite Athletes (S. 199–206).
sprintet 5 m zurück, absolviert einen weite- Champaign, IL: Human Kinetics.
ren „weichen“ 90-Grad-Richtungswechsel und 55 Stewart, P. F., Tuner, A. N., und Miller, S. C.
kehrt zur Startposition zurück (. Abb. 3.51). (2014). Reliability, factorial validity, and
Die Richtungswechsel erfolgen dabei um die interrelationships of five commonly used
Pylonen bzw. Markierungsteller herum wie change of direction speed tests. Scand J Med
in . Abb. 3.60 dargestellt. Zwei Wertungsver- Sci Sports, 24, 500–506.

a 5m b 5m

C B D
5m

10 m

Start- und Start- und A


Ziellinie X Ziellinie X

..      Abb. 3.51 Schematische Darstellung des L-Run-Tests und des T-Tests (Gabbett und Sheppard 2013, S. 202 und 203)
134 A. Ferrauti et al.

3.4.8 Beweglichkeitsdiagnostik aktuell vermehrt komplexere und funktionell


ausgerichtete Beweglichkeitstests verwendet
Zunächst stellt sich die Frage, welches Aus- (. Abb. 3.52b).
maß an Beweglichkeit als „normal“ zu be- Im einfachsten Fall werden qualitative Ein-
zeichnen ist und demnach als Referenz gel- schätzungen einer Normbeweglichkeit anhand
ten kann. Diese Frage lässt sich jedoch in von allgemeinen Erfahrungswerten vorge-
3 absoluter Form weder für den allgemeinen nommen, die jedoch die aufgeworfenen Fragen
Alltagsbereich noch für sportartspezifische nicht berücksichtigen und damit als kritisch
Erfordernisse seriös beantworten. Da Men- anzusehen sind. Bekannt und in der Physio-
schen bei ihren alltäglichen Verrichtungen therapie verbreitet ist die „Neutral-Null-Me-
ihre physiologische Beweglichkeit selten aus- thode“ nach Janda (1976 und 2000), die einfa-
nutzen, werden Beweglichkeitseinschrän- che Testübungen zur Ermittlung „verkürzter“
kungen in den meisten Fällen erst bei ernst- Muskelpartien verwendet.
haften Schädigungen der bestimmenden Zu den eher funktionell ausgerichteten
Strukturen mit den entsprechenden Muskelfunktionstests gehört der sogenannte
Schmerzbildern wahrgenommen (Verstei- Functional Movement Screen nach Cook (Cook
fungen, Arthrosen etc.). Um eine ungefähre et al. 2010). Der FMS ist ein mit geringem Ma-
Einschätzung einer für das Individuum „an- terialbedarf durchführbarer Mobilitätstest, der
gemessenen“ Beweglichkeit geben zu kön- den Anspruch erhebt, eine komplexere funktio-
nen, müssen zunächst folgende Fragen be- nelle Bewegungsanalyse vornehmen zu können.
antwortet werden (Freiwald 2009): Wie alt ist Hierzu wurden aus zahlreichen Sportarten be-
die fragliche Person? Ist sie weiblich oder kannte und charakteristische Körperpositionen
männlich? Betreibt die Person Sport und (Kniebeuge, Hürdenschritt etc.) ausgewählt und
wenn ja, welche Sportart auf welchem Leis- deren qualitative Ausführung einem Bewer-
tungsniveau? Liegt eine Erkrankung oder tungssystem von 0 bis 3 Punkten zugeordnet:
Schädigung vor? Wie sieht die Krankheits- 55 0 Punkte: Die Übung verursacht Schmer-
bzw. Verletzungsgeschichte der Person aus? zen.
Erschwert wird eine Beurteilung durch den 55 1 Punkt: Die Übung kann nicht durchge-
Umstand, dass Bewegungsreichweiten inter- führt werden.
und auch intraindividuell erheblich streuen, 55 2 Punkte: Kompensations- und Ausweich-
also selbst die Beweglichkeit der rechten und bewegungen
linken Extremitäten unterschiedlich ausge- 55 3 Punkte: Perfekte Ausführung
prägt sein kann.
Fest steht, dass Einschränkungen der Be- Der komplette FMS beinhaltet sieben Einzel-
weglichkeit mit deutlichen Leistungseinbu- tests und kann somit maximal mit bis zu 21
ßen einhergehen und die Herstellung bzw. Gesamtpunkten bewertet werden.
Bewahrung einer hinreichenden Beweg- 55 tiefe Kniebeuge
lichkeit ein wichtiges Trainingsziel im Sport 55 Hürdenschritt
darstellt. Zur Quantifizierung trainingsin- 55 gerader Ausfallschritt
duzierter Veränderungen der Beweglichkeit 55 Schulterbeweglichkeit
werden verschiedene einfach durchführbare 55 aktives Beinanheben
sportmotorische Tests vorgeschlagen. Neben 55 Rumpfstabilitätsliegestütz
klassischen Verfahren (. Abb. 3.52a) werden 55 Rotationsstabilitätstest
Leistungssteuerung
135 3
a b

..      Abb. 3.52 Rumpfbeugetest a und Y-Balance-Test b

Der daraus resultierende Gesamtscore (spezi- gramme aus dem Warm-up. Dabei werden
ell niedrige Werte unter 15) wird speziell im gleichzeitig statische (z. B. tiefer Ausfall-
Fußball als ein Prädiktor für die Entstehung schritt) und dynamische Elemente (z. B. Ober-
von Verletzungen diskutiert (Kolodziej und körperrotation) des Dehnens mit koordinati-
Jaitner 2018). Kritisch muss jedoch die zuwei- ven (z. B. Gleichgewicht) und kräftigenden
len sehr subjektive und wenig trennscharfe Elementen (z. B. statische Haltekraft) kombi-
qualitative Beurteilungsweise gesehen werden. niert.
Die Übungen des FMS bilden in vielen Auch der Y-Balance-Test bzw. Star-Ex-
Sportarten auch die Grundlage für funktio- cursion-Test (Plisky et al. 2009) kann den
nelle Vorbereitungsprogramme (die soge- funktionell ausgerichteten Beweglichkeits-
nannte Functional Movement Preparation). tests zugeordnet werden. Er wird im Folgen-
Diese mehrgelenkigen Programme verdrän- den detaillierter beschrieben (. Abb. 3.52b
gen zunehmend die klassischen Dehnpro- und 3.53).
136 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 8: Y-Balance-Test 3.4.9 Ausdauerdiagnostik


Die Testperson steht ohne Schuhe mit dem
rechten Bein frontal auf dem Zentralelement Die Ausdauerleistungsdiagnostik gehört im
und schaut nach vorne. Mit dem linken Spiel- deutschsprachigen Raum meist in die Do-
bein werden die Schiebeelemente so weit wie mäne der Sportmedizin. International sind in
möglich nach vorne (anterior), nach hinten diesem Feld auch Trainingswissenschaftler tä-
3 rechts überkreuz (posterolateral) und nach tig, die ein Studium in „Exercise Physiology“
hinten links (posteromedial) geschoben. Da- absolviert haben, das überwiegend leistungs-
nach wird auf das Standbein von rechts nach physiologisch aufgebaut ist und normaler-
links gewechselt und die Schiebeelemente wer- weise keine klinischen Inhalte eines Medizin-
den in gleicher Weise verschoben. studiums aufweist. Auch in Deutschland sind
die Grenzen der Zuständigkeitsbereiche in-
Testmaterialien Y-Balance-Test-Messsystem zwischen fließend, solange keine invasiven
(ein Zentralelement, drei Messelemente, drei Eingriffe im Rahmen der Diagnostik erforder-
Schiebeelemente) oder die YBT-Folie lich sind. Eine Reihe von Absolventen eines
sportwissenschaftlichen Studiums haben sich
Parameter maximale Reichweite in cm (auf im leistungsdiagnostischen Umfeld daher be-
0,5 cm genau) in jede Richtung für jedes Bein; reits erfolgreich selbständig machen können.
anschließend Normierung auf die Beinlänge Die für die Bestimmung von Blutlaktatkon-
(d. h. Reichweite dividiert durch Beinlänge als zentrationen erforderliche kapillare Punktion
Prozentwert). Die Beinlänge wird zwischen steht in Deutschland nach wie vor im Verant-
dem oberen Darmbeinstachel bis zum nied- wortungsbereich eines Arztes, der diese Auf-
rigsten Punkt des inneren Fußknöchels in Zen- gabe jedoch an qualifiziertes Personal weiter-
timeter bestimmt. geben darf. Hierbei müssen Richtlinien
eingehalten werden, die je nach Ethikkom-
Spezifische Literatur mission der Universitäten unterschiedlich
55 Plisky, P.J., Gorman, P.P., Butler, R.J., ausgestaltet sind.
Kiesel, K.B., Underwood, F.B. und Elkins, Die Verfahren der Ausdauerleistungsdiag-
B. (2009). The reliability of an instrumen- nostik können nach dem primären Testziel (ae-
ted device for measuring components of robe und anaerobe Tests), der Testumgebung
the star excursion balance test. N Am J (Labor- oder Feldtests), der ­Belastungsstruktur
Sports Phys Ther. 4(2), 92–99. (ergometrische Stufen-, akustisch gesteuerte

anterior anterior
15
1500

Stand links Stand rechts


nach rechts reichend nach links reichend
Startfläche Fuß Startfläche Fuß
75 150
135°
350

posterolateral posteromedial posteromedial posterolateral 180

..      Abb. 3.53 Testaufbau beim Y-Balance-Test (Büsch und Granacher 2014, S. 9)


Leistungssteuerung
137 3
Belastungs- oder ungesteuerte Dauertests wie Körpergewicht). International wird auch das
beispielsweise „Time Trials“), der erforderli- Herzfrequenzverhalten (HF) differenziert
chen Ausbelastungsintensität (maximal oder erfasst (HFRuhe, HFsubmax, HFmax, HFErholung,
submaximal) und der Belastungsform und da- HFZonen). In Deutschland besitzt hingegen
mit der Sportartspezifität (z. B. Laufen, Fahr- die Bestimmung der Blutlaktatkonzentration
radfahren, Rudern oder Schwimmen) klassifi- und die daran angelehnte Relativierung der
ziert werden (. Tab. 3.9). submaximalen Leistung an definierte bzw.
berechnete „Schwellenwerte“ eine langjäh-
zz Aerobe Ausdauertests (Labor) rige Tradition (u. a. Mader et al. 1976; Keul
Zur Erfassung der aeroben Ausdauerleistungs- et al. 1979; Stegmann et al. 1981; Hollmann
fähigkeit werden meist ergometrische Verfah- 1999). Schwellenwerte sollen charakteristi-
ren verwendet. Die dabei zugrundeliegenden sche Grenzwerte bzw. Übergangsbereiche
Belastungsprotokolle differieren erheblich und zwischen den energieliefernden Stoffwechsel-
können grob in Stufen- oder Rampenproto- wegen markieren (z. B. die aerob-anaerobe
kolle eingeteilt werden. Schwelle bei 4 mmol/l Blutlaktat nach Mader
Als primäre Zielparameter fungieren et al. 1976). Sie ermöglichen die Ableitung der
die submaximale und maximale absolute Leistung bereits vor der vollständigen Aus-
oder körpergewichtsrelativierte Leistung belastung und sind daher für die Trainings-
(z. B. Watt und Watt/kg Körpergewicht bzw. steuerung im Hochleistungssport besonders
Geschwindigkeiten in m/s, km/h oder min/ attraktiv und „schonend“ (. Abb. 3.72). Ergo-
km bzw. min/Teststrecke). Die Leistung metrische Untersuchungen dienen nicht nur
kann auch in Relation zu physiologischen der Erfassung der Ausdauerleistungsfähig-
Sekundärparametern berechnet oder diese keit (Leistungsdiagnostik), sondern auch zur
können isoliert als Leistungsindikator he- sportärztlichen Kontrolle der Funktionalität
rangezogen werden (. Tab. 3.9). An erster des Herz-­Kreislauf-­Systems (Gesundheits-
Stelle ist diesbezüglich die maximale ab- untersuchung). Hierzu wird in erster Linie die
solute oder relative Sauerstoffaufnahme zu Fahrradergometrie mit Blutdruckmessung
nennen (V̇ O2max in l/min oder in ml/min/kg und Echokardiogramm (EKG) verwendet.

Exkurs: Ergometrie und Belastungsprotokolle

Die Ergometrie setzt die erbrachte Leistung bzw. Die Protokolle werden zuweilen traditionell je nach
Arbeit (griechisch: érgon) mit einem definierten Standort, aber auch funktionell in Abhängigkeit
Maß oder Maßstab (griechisch: métron) in Bezie- von der Leistungsfähigkeit des Athleten, ausge-
hung. Die Testperson absolviert im Testverlauf da- wählt. Besteht das Testziel primär in der Diagnostik
her eine standardisierte Leistung; simultan werden der Maximalleistung sind eine kurze Stufendauer
verschiedene Funktionsparameter erfasst. Diese und ein steiler Belastungsanstieg vorzuziehen;
Vorgehensweise wird sowohl zur Leistungsdiag- sollen die Ergebnisse verwertbare Aussagen für
nostik, aber auch zur Gesundheitsuntersuchung die Trainingssteuerung im submaximalen Bereich
genutzt. Für jeden Test sind klare Abbruchkriterien liefern, sind eine längere Stufendauer und eine
zu definieren. Die Ergebnisse bieten zusätzlich eine geringere Stufenhöhe zu empfehlen.
Orientierung für die Trainingssteuerung. 55 Laufbandergometrie: Leistung (m/s oder
Die Leistung steigt linear (Rampenprotokoll) km/h); Eingangsstufe 2,4–3,0 m/s bzw.
oder stufenförmig im Testverlauf an (Stufenproto- 8–10 km/h; Stufenhöhe 0,4–0,5 m/s bzw.
koll). In der Praxis haben sich verschiedene Stufen- meist 2 km/h, Stufendauer 2–5 min, vereinzelt
protokolle etabliert, die sich nach Eingangsstufe, auch 10 min
Stufendauer und -höhe unterscheiden. Beim intra- 55 Fahrradergometrie: Leistung (Watt); Ein-
und interpersonellen Vergleich der Testergebnisse gangsstufe 25 (Herzpatienten) bis 100 Watt
ist unbedingt darauf zu achten, dass diese mit ei- (Leistungssportler); Stufenhöhe 25–50 Watt,
nem identischen Stufenprotokoll erhoben wurden. Stufendauer 2–3 min
138 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.9 Ausgewählte Verfahren der aeroben Ausdauerdiagnostik in der Übersicht

Testverfahren aerob Testziele Testmaterialien Parameter

Laufband- oder Fahrrad- lauf- oder fahr- Laufband, Fahr- maximal:


ergometrie im Labor radspezifische radergometer, absolute (l/min) und relative
3 Beispiele (. Abb. 3.55): aerobe Grund- Spirometriesys- V̇ O2max (ml/kg/min), respiratori-
- Rampentest lagenausdauer tem, HF-Monitor, scher Quotient (RQ), Herzfrequenz
(Bentley et al. 2007) sowie maximale Blutlaktat-Ana- (S/min), Geschwindigkeit bzw.
- Stufentest (Mader et al. kardiozirkulatori- lyzer, Kleinmate- Leistung (m/s, km/h, Watt)
1976; Keul et al. 1979; sche Leistung rialien submaximal:
Stegmann et al. 1981) Leistung bei definierten Blut-
laktat-, ventilatorischen oder HF-­
Schwellen

Feldstufentest laufspezifische Laufbahn, maximal:


(Gerisch und Weber 1992) aerobe Grundla- HF-Monitor, Herzfrequenz (S/min), Geschwin-
(. Abb. 3.56) genausdauer Pacer, Messrad, digkeit (m/s, km/h)
Markierungs- submaximal:
pylonen, Blut- korrespondierende Werte bei
laktat-Analyzer, definierten Blutlaktat- oder
Kleinmaterialien HF-Schwellen

Submaximale Tests lauf- oder fahr- Fahrradergo- submaximal:


Beispiele (. Abb. 3.57): radspezifische meter (LSCT), Leistung (W) bei 60 %, 80 % und
- LSCT (Lamberts et al. aerobe Grund- Laufbahn, Mar- 90 % HFmax (LSCT),
2011) lagenausdauer kierungspylonen, Herzfrequenz (S/min), Erholungs-­
- 5′-5′-Test (Buchheit et al. und Erholungs- Pacer oder mp3 Herzfrequenzvariabilität (z. B.
2009) status Verstärker (5′-5′- rMSSD (ms)) (5′–5′ Test), Herzfre-
Test), HF-Monitor quenzerholung (S/min), Anstren-
gungsempfinden (RPE)

Akustisch gesteuerte laufspezifische Laufbahn, Maß- maximal:


Feldtests aerobe Grund- band, Markie- Herzfrequenz (S/min), Geschwin-
Beispiele (. Abb. 3.58): lagenausdauer rungspylonen, digkeit (m/s, km/h) bzw. Teststufe
- Multistage-20-m-­Shuttle- sowie sportspiel- Klebeband, Pacer sowie indirekt berechnete „esti-
Run-Test (Léger et al.1988) spezifische Aus- oder mp3 Ver- mated“ V̇ O2max (ml/kg/min)
- Yo-Yo-­Intermittent- dauerleistung stärker, HF-Mo-
Recovery-Test (Bangsbo und Erholungs- nitor, fakultativ:
et al. 2008) fähigkeit Blutlaktat-Ana-
- 30-15-Intermittent-­Fitness- lyzer
Test (Buchheit 2008)

Zeit-/streckenbasierte
Maximaltests
Beispiele:
- Time Trials
- Critical-Power-­Tests
- FTP-Tests
Leistungssteuerung
139 3
zz Aerobe Ausdauertests (Feld): tests. Diese basieren auf akustisch gesteuer-
An Stelle der laborabhängigen Laufbandergo- ten Richtungswechselläufen mit oder ohne
metrie zur Erfassung der laufspezifischen die Integration von Pausenintervallen, um
Grundlagenausdauer existieren seit jeher ein- auf diese Weise die Validität weiter zu er-
fache motorische Feldtests wie beispielsweise höhen (Léger und Lambert 1982; Léger et al.
der „12-Minuten-Cooper-Test“ (Maksud und 1988; Bangsbo et al. 2008; Buchheit 2008).
Coutts 1971), aber auch komplexere und bes- Hierfür werden als Zielparameter neben
ser standardisierbare Feldtests. der Abbruchgeschwindigkeit zuweilen auch
Seit Anfang der 1990er-Jahre wird der testspezifische Konstrukte wie die Ausbelas-
sogenannte „Feldstufentest“ auf einer ver- tungsstufe (Level) definiert. Die meisten Feld-
messenen Laufstrecke (zumeist 400-mRund- tests erfordern eine maximale Ausbelastung,
bahn) mit einer größeren Anzahl an Athleten um die leistungsdiagnostische Kenngröße
gleichzeitig durchgeführt (Gerisch und Weber zu bestimmen, da simultane Messungen von
1992). Diese Form der Testdurchführung ist Sekundärparametern (z. B. Blutlaktat) auf-
speziell in den Mannschaftssportarten vor- grund der Testumgebung, aber auch bedingt
teilhaft, da der gesamte Kader an der übli- durch die Testprotokolle, oft nur schwer
chen Trainingsstätte in nur wenigen Stunden möglich sind. Vorhergehende Testevaluatio-
untersucht werden kann. Neben der deutlich nen mit repräsentativen Stichproben erlau-
höheren Praktikabilität ergibt sich durch den ben jedoch die indirekte rechnerische oder
natürlicheren Lauf auf der Laufbahn gegen- rein tabellarische Ableitung der teststufen-
über dem Laufband auch eine höhere Validi- bezogenen Sauerstoffaufnahme (u. a. „esti-
tät. Demgegenüber sind witterungsbedingt mated“ V̇ O2max) mittels geschlechts- und al-
erhebliche Nachteile hinsichtlich der Standar- tersbezogener Gleichungen. Die wiederholte
disierung und demzufolge der Reliabilität zu positive und negative Beschleunigung bei
erwarten (z. B. Feldstufentests im Sommer zu den Richtungswechseln stellt metabolisch,
Beginn der Vorbereitung auf die Hauptsaison neuromuskulär sowie koordinativ (inter- und
im Fußball und während der Winterpause). intramuskulär) sportspielspezifischere An-
Die Steuerung der stufenförmig ansteigen- forderungen an die Testperson als der konti-
den Laufgeschwindigkeit erfolgt an Stelle des nuierliche Lauf auf dem Laufband (. Tab. 3.9
Laufbandes beim Feldstufentest über defi- und . Abb. 3.58).
nierte Markierungen an der Laufbahn die bei Der „Multistage-20-Metre-Shuttle-Run-Test“
konstanter Laufgeschwindigkeit jeweils exakt (MSST, häufig nur Beep-Test genannt) besteht
beim Ertönen akustischer Signale erreicht aus Richtungswechselläufen über 20 m, die
werden müssen. Als Zielparameter wird die mit zunehmender Geschwindigkeit bis zur Er-
Laufgeschwindigkeit in Bezug zur Blutlaktat- schöpfung ohne Pause absolviert werden (Léger
konzentration erhoben; demgegenüber bleibt et al. 1988). In jüngerer Zeit werden vermehrt
die Erfassung von respiratorischen Messwer- der „Yo-Yo-Intermittent-Recovery-Test“ (Level
ten (z. B. Sauerstoffaufnahme) methodisch 1 und 2) über 20 m (Bangsbo et al. 2008) und
bedingt zumeist aus (. Tab. 3.9 und . Abb. der „30–15-Intermittent-Fitness-Test (30-15
3.54). IFT) über 40 m verwendet (Buchheit 2008).
Zur sportspielspezifischen Erfassung der Diese beinhalten eine kurze Gehpause zwischen
aeroben Ausdauerleistung existieren darü- den Läufen und nähern sich dem Metabolismus
ber hinaus verschiedene stufenförmige Feld- der Sportspiele noch besser an.
140 A. Ferrauti et al.

..      Abb. 3.54 Feld-­


Stufentest
durchgeführt vom Zen-
trum für Diagnostik
und Intervention (ZeDI)
des Lehrstuhls für Trai-
ningswissenschaft der
3 RUB mit Nachwuchs-
spielern von Borussia
Dortmund (hier: Indoor
nach Abschluss der
Winterpause auf einer
200- Hallenbahn))

Die Maximalleistung beim 30-15 IFT Maximale Sauerstoffaufnahme (V̇ O2max)


weist bei Probanden aus den Sportspielen Die V̇ O2max wird auch als Bruttokriterium
eine enge Korrelation zur maximalen Sauer- der aeroben Ausdauerleistung bezeich-
stoffaufnahme, aber auch zu Schnelligkeit net (De Marées 2002). Darunter wird die
(10-m-Sprint) und Sprungkraft (CMJ) auf Menge an Sauerstoff verstanden, die
(Buchheit 2008). Der Test erreicht in Anbe- der Organismus innerhalb einer Minute
tracht des sportspielspezifischen Anforde- im Rahmen der Energiebereitstellung
rungsprofils eine höhere Validität als der Lauf- umsetzt (in ml/min bzw. l/min). Häufig
band- oder Feldstufentest. Im Gegensatz zum wird an Stelle der absoluten die auf das
Yo-Yo-Intermittent-Recovery-Test besitzt der Körpergewicht bezogene relative Sauer-
30-15 IFT zusätzlich interessante Optionen für stoffaufnahme (in ml/min/kg) berücksich-
die Trainingssteuerung, da anhand der maxi- tigt. Die Sauerstoffaufnahme korreliert
mal erreichten Testleistung (vIFT) individuelle unmittelbar zum Energieumsatz (in Kilo-
intermittierende Trainingsprotokolle abgelei- kalorien, kcal oder Kilojoule, kJ).
tet werden können (Buchheit 2008). Entspre- Limitierende Größen sind primär die
chende Excel-Sheet-Vorlagen sind im Internet Transportkapazität des Herz-Kreislauf-Sys-
verfügbar; diese erlauben unter Angabe der tems (Herzminutenvolumen, HMV) und
gewünschten Streckenlänge sowie weiterer or- die periphere Sauerstoffextraktion im Ge-
ganisatorischer Rahmenbedingungen die Fest- webe (arteriovenöse O2-Differenz, AVD).
legung individualisierter Trainingsprotokolle HMV (l/min) × AVD (ml O2/l Blut) = V̇ O2
(. Tab. 3.12 und 3.13). (ml/min)
Die Messung der maximalen Sauer-
stoffaufnahme erfolgt mittels spirometri-
scher Verfahren im Rahmen der Leistungs-
diagnostik (V̇ O2max oder V̇ O2peak). Aus der
Sauerstoffaufnahme (V̇ O2) kann mittels
indirekter Kalorimetrie der Energiebedarf
einer Aktivität berechnet werden.
Leistungssteuerung
141 3

..      Tab. 3.10 Verfahren der Ausdauerdiagnostik mit anaerober Ausrichtung

Testverfahren anaerob Testziele Testmaterialien Parameter

Wingate-Test fahrradspezifische Fahrradergometer Peak Power Output (W),


(Bar-Or 1987; Inbar et al. anaerobe (Watt/kg)
1996) Maximalleistung

Maximalsprinttest (NMT) laufspezifische nicht motorisiertes Peak Velocity (m/s) oder


Beispiele (. Abb. 3.58): anaerobe Laufband, Power-, Power (W)
1 × 10 s (Lakomy 1987) Sprintleistung Geschwindigkeits- Mean Peak Velocity (m/s)
6 × 4 s, 20 s Pause aufnehmer, Pacer Leistungsabfall (Decrement)
(Wiewelhove et al. 2016)

Wiederholungssprint (RSA) laufspezifische Laufbahn, Maßband, Gesamtlaufzeit (s)


Beispiele: anaerobe Markierungspylo- mittlere Zeit (s), Bestzeit (s)
4–6 Wdhl. Sprintleistung und nen, Klebeband, Δ max–min (s)
20–40 m Erholungsfähig- Pacer, Lichtschran- % Abfall mean/best
10–30 s Pause keit kensystem ((mittlere Sprintzeit/
(Girard et al. 2011) Bestzeit × 100) – 100)

Laktatbildungsrate (vLAmax) maximale Laufbahn, Messrad, Laufzeit (s)


Beispiele: Laktatbildungs- Markierungspylo- LAWarm-Up (mmol/l)
1 × 80, 100 oder 200 m rate nen, Lichtschran- LAmax (mmol/l)
(Bleicher et al. 1998) ken, Laktat-Analy- vLAmax = ΔLA/Laufzeit (s) –
zer, Kleinmaterial talaktazid

zz Anaerobe Ausdauertests gesetzt werden (. Tab. 3.10). Ein interessanter


Die direkte Messung der anaeroben Ausdauer Ansatz aus der Arbeitsgruppe um Mader dient
ist aufgrund fließender metabolischer Über- der Berechnung der maximalen Laktatbil-
gänge methodisch nicht möglich. Bei den in dungsrate (vLAmax) während eines Sprints über
der Literatur vorgeschlagenen Tests zur Be- 80 bis 200 m. Dieser wurde jedoch nur national
urteilung der anaeroben Kapazität können publiziert und in der Folgezeit nicht weiter auf-
anaerob-alaktazide, anaerob-laktazide und gegriffen (Bleicher et al. 1998). Hierbei wird die
oxidative Komponenten des Gesamtenergie- während der Sprintzeit (abzüglich einer alak-
umsatzes durch einfache Messverfahren – taziden Anlaufphase) gebildete bzw. im Kapil-
z. B. Laktat und Ausbelastungszeiten – nicht larblut messbare Blutlaktatkonzentration zur
voneinander unterschieden werden (Heck Laufzeit relativiert (. Tab. 3.10). Sogenannte
und Schulz 2002). Als Goldstandard wird „Sprintertypen“ mit niedrigen Laufzeiten und
das unter streng kontrollierten Laborbedin- hoher Nachbelastungslaktatkonzentration er-
gungen gemessene maximale akkumulierte reichen demnach höhere vLAmax-Werte als
Sauerstoffdefizit (Maximum Accumulated „Ausdauertypen“. Andere Verfahren erfassen
Oxygen Deficit, MAOD) verwendet (Daw- die Leistung bei einer kurzen hochintensiven
son 2012). Arbeit. Der wohl bekannteste Test ist in dieser
In der Praxis gibt es nur indirekte Ver- Hinsicht der 30-s-Wingate-Test auf dem Fahr-
fahren zur Bestimmung der anaeroben ATP-­ radergometer zur Erfassung des Peak Power
Produktion, die jedoch weltweit nur selten ein- Outputs (Bar-Or 1987; Inbar et al. 1996).
142 A. Ferrauti et al.

Technologische Weiterentwicklungen er- gewöhnlich auf der Laufbahn mit Licht-


möglichen kurze und maximal erschöpfende schranken zur Messung der Sprintzeiten statt
Sprinttests unter standardisierter und konti- (. Tab. 3.10). Der Literatur sind zahlreiche
nuierlicher Erfassung von Laufschnelligkeit Protokolle zu entnehmen, wobei Wiederho-
und Wattleistung auf nichtmotorisierten lungszahl (6-8), Belastungsdauer (4–6 s bzw.
Laufbändern (Non-Motorized Treadmill, 20–40 m) und Pausendauer (10–30 s) sehr
3 NMT). Der Literatur sind verschiedene Pro- schwanken (Bishop et al. 2011; Girard et al.
tokolle mit Einfach- oder Wiederholungs- 2011). Aufgrund der Vielzahl an metaboli-
sprints auf dem NMT zu entnehmen (La- schen (auch aeroben), neuromuskulären und
komy 1987; Tong et al. 2001; Oliver et al. koordinativen Einflussgrößen auf die Test-
2006; Carling et al. 2012) (. Tab. 3.10 und leistung ist die anaerobe Zuordnung dieser
. Abb. 3.59). Testverfahren fragwürdig. Derzeit wird auch
Wiederholungssprinttests (Repeated die sportspielspezifische Validität kritisch dis-
Sprint Ability Tests, RSA) finden jedoch kutiert.

Exkurs: Wiederholungssprinttests (Repeated Sprint Ability Tests, RSA) – eine kritische Betrachtung

Wiederholungssprinttests (Repeated Sprint Hinsichtlich der Gütekriterien sind RSA-Tests


Ability Tests, RSA) beeindrucken durch ihre kritisch zu sehen. Aktuell wird die Validität für das
scheinbare Nähe zum Anforderungsprofil der Fußballspiel in Frage gestellt, da nur selten derart
Sportspiele und demnach durch ihre diesbezüg- viele Kurzsprints in kurzer Folge auftreten. Aber
liche Validität. Als Leistungsindikatoren werden auch die Reliabilität der Decrement Scores ist un-
verschiedene Parameter verwendet: die Gesamt- genügend. Demgegenüber ist die Wiederholbar-
testleistung, ausgedrückt durch die akkumulierte keit der mittleren Gesamtleistung gut (Buchheit
Sprintzeit (s), die mittlere Sprintzeit (s) oder die 2012). Diese korreliert jedoch ebenfalls eng zur
Bestzeit (s) sowie verschiedene Berechnungen einmaligen Sprintbestzeit, sodass sie weniger
des Leistungsabfalls (Decrement Scores). Letztere als Indikator für die RSA, sondern vielmehr für
ermitteln die absolute oder relative Differenz zwi- die maximale Sprintfähigkeit geeignet ist. Diese
schen dem ersten und dem letzten Sprint bzw. wäre jedoch durch einen Sprinttest mit wenigen
dem schnellsten und dem langsamsten Sprint Wiederholungen verträglicher für den Athleten zu
(Dawson 2012). erfassen.
Leistungssteuerung
143 3
kLD Beispiel 9: Laufbandstufentest mit ausgelesen. Aus dem Verlauf der Laktat- und
Blutlaktatmessung und Spirometrie Herzfrequenzleistungskurven (. Abb. 3.72)
Der Athlet begibt sich auf das ruhende Lauf- werden die Laufgeschwindigkeiten und Herz-
band mit 1 % Steigung (zur Kompensation des frequenzen entsprechend Laktatkonzentratio-
nicht vorhandenen Windwiderstands). Sicher- nen von 2 und 4 mmol/l (maximales Laktat-­
heitsgurt, Atemmaske und Pulsgurt werden Steady-­
State) sowie ggf. weitere individuelle
angelegt (. Abb. 3.55). Es erfolgt eine kapillare „Laktatschwellen“ interpoliert (exponentielle
Blutentnahme aus dem Ohrläppchen zur Blut- oder polynomische Interpolation).
laktatanalyse unter Ruhebedingungen. Nach
einer Minute in Ruhe wird die Herzfrequenz Testmaterialien Testmaterialien: Laufband
notiert und das Spirometriesystem wird ge- mit 1 % Steigung und Sicherungssystem zur
startet. Folgendes Belastungsprotokoll wird Sturzprophylaxe, Pulsuhr und -gurt, Materia-
durchgeführt: Beginn der Belastung je nach lien zur Kapillarblutentnahme, Laktat-Analy-
Leistungsfähigkeit bei 8 oder 10 km/h, Steige- zer, Spirometriesystem
rung um 2 km/h alle 3 min. In den letzten 30 s
jeder Belastungsstufe werden Herzfrequenz Parameter Maximale absolute und relative
und subjektives Belastungsempfinden (RPE- V̇O2 (ml/kg/min), maximaler respiratorischer
Skala) registriert. In jeder Pause erfolgt eine Quotient, maximale Herzfrequenz (S/min),
kapillare Blutentnahme. Es werden die Ge- maximale Geschwindigkeit (km/h oder m/s),
samtlaufzeit und die maximal erreichte Ge- submaximale Geschwindigkeiten und Herzfre-
schwindigkeit dokumentiert. Diese muss inter- quenzen bei 2 und 4 mmol/l Laktat, ggf. wei-
poliert werden, wenn die letzte Stufe nur tere Laktatschwellen . Abb. 3.72).
teilweise durchgelaufen wird.
Spezifische Literatur
55 Faude, O., Kindermann, W. und Meyer, T.
vabsolviert + Stufenhöhe ´ gelaufene Zeit / (2009). Lactate threshold concepts: how
Stufendauer = vmax valid are they? Sports Med, 39 (6),
469-490.
55 Heck, H., Mader, A., Hess, G., Mücke, S.,
Die höchste gemessene Sauerstoffaufnahme Müller, R., und Hollmann, W. (1985).
V̇ O2max (gemittelt über 10 s) wird aus den ge- Justification of the 4-mmol/l lactate
speicherten Daten des Spirometriesystems threshold. Int J Sports Med, 6 (3), 117-130.

..      Abb. 3.55 Laufbandergometrie mit Spirometriesystem


144 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 10: Feldstufentest mit kapillare Blutentnahme und Protokollierung


Blutlaktatmessung der Herzfrequenz, die in den letzten 20 s der
Wenn mehrere Athleten einen Stufentest Stufe auf der Zielgeraden gemessen wird. Es
mit Laktatdiagnostik durchführen sollen, sind die Gesamtlaufzeit und Rundenzahl in der
wird der Feldstufentest aufgrund seiner ho- letzten Stufe sowie die maximal erreichte Ge-
hen Testökonomie gewählt. Der Test wird schwindigkeit zu dokumentieren. Hier ist even-
3 auf einer 400-m-Rundbahn (alternativ auch tuell zu interpolieren, wenn die letzte Stufe nur
auf einer 200-m-Hallenlaufbahn) absolviert teilweise durchgelaufen wird. Die Laktat- und
(. Abb. 3.56). Auf der Laufbahn werden im Herzfrequenzleistungskurven werden entspre-
Abstand von 50 m Pylonen aufgestellt. Das chend des Laufbandstufentests ausgewertet.
Lauftempo wird durch ein akustisches Signal
gesteuert, wobei die Athleten bei jedem Ton- Testmaterialien 400-m-Rundbahn, acht Pylo-
signal das nächste Hütchen passieren sollen. nen, Messrad, Signalgeber, Pulsgurt und -uhr,
Üblicherweise laufen zwei Gruppen um eine Laktat-Analyzer, Kleinmaterial
halbe Runde versetzt mit mehreren Athleten
hintereinander auf der Innenbahn. Die Dauer Parameter Maximale Herzfrequenz (S/min),
pro Belastungsstufe variiert und wird durch maximale Geschwindigkeit (m/s), submaxi-
die Anzahl der komplett zu absolvierenden male Geschwindigkeiten und Herzfrequenzen
Runden bis zur Laktatabnahmestation pro Ge- bei 2 und 4 mmol/l Laktat, ggf. weitere Laktat-
schwindigkeitsstufe bestimmt (Beginn: 8 km/h schwellen
(zwei Runden) bis 16 km/h (drei-vier Runden).
Jede Stufe dauert je nach Testziel mindestens Spezifische Literatur
3 und ca. 5 min. Die Testpersonen werden 55 Gerisch, G. und Weber, K. (1992). Diag-
je nach Anzahl verfügbarer Helfer/innen in nostik der Ausdauer und Schnelligkeit im
Gruppen aufgeteilt. Zu Beginn sowie zwischen Leistungsfußball (1. Teil). Fußballtraining 9
den einzelnen Belastungsstufen erfolgen die (1992), 32–38.

400-m-Rundbahn 50 m
a b

Laktatabnahme

..      Abb. 3.56 Aufbau des Feldstufentests auf einer 400-m-Laufbahn a bzw. in der Halle auf einer 200-m-Lauf-
bahn mit simultaner Erfassung der Herzfrequenz aller Spieler b (7 https://doi.org/10.1007/000-04n)
Leistungssteuerung
145 3
kLD Beispiel 11: Lamberts-and-Lam- 60 s einstellen und in aufrechter Position auf
bert-Submaximal-Cycle-Test (LSCT) dem Ergometer verbleiben. Die HFmax muss in
Der LSCT ist ein submaximaler Test, der ent- einem vorgeschalteten Maximaltest ermittelt
wickelt wurde, um als Warm-up-Protokoll vor werden. Die submaximale Leistung bei 60 %,
maximalen Leistungstests eingesetzt zu wer- 80 % und 90 % HFmax wird jeweils über die
den. Da für die Erfassung der Zielparameter letzten 5 min (Stufe 1 und 2) bzw. die letzten
keine Ausbelastung des Athleten notwendig 2 min (Stufe 3) gemittelt. Das Testprotokoll
ist, kann der Test zusätzlich regelmäßig ins des LSCT wurde auf das Laufen (Laufbahn
Training eingebaut werden (z. B. vor intensi- und -band) und das Rudern (Ruderergometer)
ven Einheiten). Der Test wird auf einem Fahr- übertragen (. Abb. 3.57).
radergometer absolviert, das einerseits in der
Lage sein muss, sehr präzise die Leistung zu Testmaterialien Fahrradergometer, i. d. R. ei-
regulieren und andererseits i. d. R. das Ein- genes Fahrrad, Pulsgurt und -uhr, RPE-Skala
spannen des eigenen Fahrradrahmens erlaubt.
Die Testdauer beträgt insgesamt 17 min, wo- Parameter Submaximale Leistung (Watt)
bei der Athlet aufgefordert wird Kadenz und und Anstrengungsempfinden (RPE 6-20) bei
Gang (bzw. Widerstand) so zu regulieren, 60 %, 80 % und 90 % HFmax, Herzfrequenzer-
dass die Zielherzfrequenzen von 60 % (Stufe holung nach 60 s passiver Pause (S/min)
1), 80 % (Stufe 2) und 90 % der HFmax (Stufe
3) erreicht und gehalten werden. Die Stufen- Spezifische Literatur
dauer beträgt jeweils 6 min (Stufe 1 und 2) bzw. 55 Lamberts, R.P., Swart, J., Noakes, T.D. und
3 min (Stufe 3). Um die Herzfrequenzerholung Lambert, M.I. (2011). A novel submaximal
innerhalb von 60 s passiver Pause zu ermitteln, cycle test to monitor fatigue and predict
muss der Sportler unmittelbar nach Absolvie- cycling performance. British journal of
ren der letzten Stufe das Treten für mindestens sports medicine 45(10):797–804.

Phase 1 Phase 2 Phase 2 Herzfrequenz


60 % der 80 % der 90 % der Power
max. Herzfrequenz max. Herzfrequenz max. Herzfrequenz
200 800
HRR
180 700
Herzfrequenz (Schläge/min)

Rekalibrierung Computrainer

160
600
140
500
Power (W)

120
100 400
80 300
60
200
40
20 100
0 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Zeit (min)

..      Abb. 3.57 Herzfrequenz-Power-Kurve beim LSCT (aus Lamberts et al. 2011, S. 798)
146 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 12: 30-15-Intermittent-Fit- Das Testziel besteht darin, den Signaltönen mög-
ness-Test (30-15 IFT) lichst lange folgen zu können.
Der Test ist ein akustisch gesteuerter intermit-
tierender Ausdauerfeldtest, die entweder auf Testmaterialien Testfläche bzw. –strecke, Py-
einer Rasenfläche (mit entsprechendem Schuh- lonen, Maßband, mp3-Datei und Verstärker,
werk), einer Laufbahn oder in einer Sporthalle fakultativ: Pulsgurt und -uhr sowie Blutlak-
3 (z. B. auf einem Handballfeld) durchgeführt tat-Analyzer und Kleinmaterial
werden. Die Testfläche bzw. –strecke wird mit
Markierungspylonen oder Linien vorbereitet Parameter Maximal vollständig absolvierte
(. Abb. 3.58). Das Belastungsprotokoll besteht Teststufe (VIFT) (km/h), V̇ O2max (berechnet),
beim 30-15 Intermittent Fitness Test aus einem fakultativ: maximale Herzfrequenz (S/min),
stufenförmigen Wechsel von Belastungs- (30 s) maximale Blutlaktatkonzentration (mmol/l)
und Erholungsphasen (15 s).
Beim verwandten Yo-Yo intermittent recovery Spezifische Literatur
test werden jeweils zwei 20 m Läufe unterbrochen 55 Buchheit, M. (2008). The 30-15 intermit-
von einem 180° Richtungswechsel hintereinander tent fitness test: accuracy for individuali-
absolviert, danach folgt stets eine kurze Gehpause zing interval training of young intermit-
(s. Video). Während der Belastungsphasen laufen tent sport players. J Strength Cond Res, 22,
je nach Breite der Testfläche und Anzahl der Test- 365–374.
personen mehrere Athleten gleichzeitig. Bei den 55 Bangsbo, J., Iaia, F.M. & Krustrup, P.
Richtungswechseln sollte ein Fuß die Ziellinie (2008). The Yo-Yo intermittent recovery
möglichst zeitgleich zu den akustischen Signalen test: a useful tool for evaluation of physical
berühren. Testanleitung und akustische Signale performance in intermittent sports. Sports
werden mittels mp3-Datei lautstark verstärkt. Die Medicine, 38, 37–51.
Laufgeschwindigkeit wird stufenweise erhöht.

40 m

20 m 3-m-Bereich

30-Sekunden-Lauf
bei 8,5 km/h = 69,1 m

30-Sekunden-Lauf
bei 11,5 km/h = 91,4 m

Laufen
Gehen
Linie A Linie B Linie C

..      Abb. 3.58 Aufbau des 30-15-Intermittent-Fitness-Test (links) und Videobeispiel für den Ablauf beim Yo-Yo
Test (rechts) (7 https://doi.org/10.1007/000-04g)
Leistungssteuerung
147 3
kLD Beispiel 13: 6 × 5 s-NMT-Sprinttest gespieltes Testprotokoll, fakultativ: Pulsgurt
Dieser All-Out-Intervallsprinttest wird auf ei- und -uhr sowie Blutlaktat-Analyzer und
nem nichtmotorisierten Laufband (NMT) mit Kleinmaterial
entsprechender Messtechnik durchgeführt
(. Abb. 3.59). Im Idealfall wird ein standardi- Parameter Mittlere und einmalige Maximal-
siertes Testprotokoll mittels Video-Feedback geschwindigkeit (m/s) oder (m/s),
eingespielt. Im Anschluss an ein 10-minütiges mittlere und einmalige Maximalleistung (W),
standardisiertes Warm-up auf dem NMT be- fakultativ: maximale Herzfrequenz (S/min)
ginnt der Test nach einer Erholungspause mit und Blutlaktatkonzentration (mmol/L)
einem Sprintstart in Schrittstellung aus dem
Stand. Der Proband beschleunigt maximal und Spezifische Literatur
versucht diese Geschwindigkeit jeweils bis 55 Lakomy, H.K.A. (1987). The use of a
zum Ende der 5-s-Belastungsphasen zu halten. non-motorized treadmill for analysing
Zwischen den sechs Belastungsphasen erfolgt sprint performance. Ergonomics, 30,
eine Pause von 20 s Dauer. Der Test kann bei 627–637.
festgelegter Streckenlänge (40 m) und Mes- 55 Wiewelhove, T., Raeder, C., Meyer, T.,
sung der Sprintzeiten mittels Lichtschranken Kellmann, M., Pfeiffer, M. und Ferrauti,
alternativ als Wiederholungssprinttest auf der A. (2015). Markers for routine assessment
Laufbahn durchgeführt werden. of fatigue and recovery in male and
female team sport athletes during
Testmaterialien Nichtmotorisiertes Lauf- high-intensity interval training. PLoS One
band mit Geschwindigkeits- und Kraftaufneh- 10, e0139801.
mern, mittels mp3- oder Video-Feedback ein-

..      Abb. 3.59 Testper-


son beim All-Out-­
Intervallsprinttest auf
dem NMT (7 https://
doi.org/10.1007/000-­
04q)
148 A. Ferrauti et al.

3.4.10 Sportartspezifische Der RAS-Goalkeeper-Test ist Bestandteil


Leistungsdiagnostik einer komplexen Testbatterie, die sowohl
grundlegende (z. B. Counter Movement Jump)
In Ergänzung zu den bislang dargestellten als auch torhüterspezifisch offensive (z. B. Ab-
sportartübergreifenden Testverfahren existiert wurfgenauigkeit) und defensive Fertigkeiten
eine Vielzahl an sportartspezifischen Tests und (z. B. Ballfangtest) überprüft (Ferrauti et al.
3 Testbatterien. Diese erheben den Anspruch, 2009). Der RAS-Goalkeeper-Test erfasst ledig-
die besonderen sportartspezifischen Anforde- lich die Handlungsschnelligkeit bei der Ballab-
rungen durch eine entsprechend ausgerichtete wehr nach einer Mehrfachreaktion auf ein op-
Testkonstruktion besser abzubilden und stei- tisches Signal. Der Test wurde mit 21 Torhütern
gern dadurch die Validität der Testergebnisse der U19-Bundesliga evaluiert, und es zeigte
(u. a. Bangsbo und Lindquist 1992; Ferrauti sich bei guter Reliabilität, dass die Stammtor-
et al. 2011; Kirbschus et al. 2011; Knoop et al. hüter statistisch bessere Leistungen erzielten
2013). In der Sportpraxis finden derartige Tests als die Reservisten (Knoop et al. 2013).
daher gewöhnlich eine hohe Akzeptanz. Ande- Der Hit-and-Turn-Tennis-Test wird natio-
rerseits soll erneut auf die komplementäre Be- nal und international vielfach verwendet. Die-
ziehung zwischen Validität und Reliabilität ser akustisch gesteuerte stufenförmige Feldtest
hingewiesen werden: Bei steigender Komplexi- zur Messung der tennisspezifischen Ausdauer
tät im Anforderungsprofil der Sportarten müs- wird auf dem Tennisplatz durchgeführt und
sen zugunsten einer ausreichenden Reliabilität integriert die tennisspezifische Beinarbeit und
Zugeständnisse hinsichtlich der Validität ge- die Schlagaktionen von Vorhand und Rück-
macht werden (. Abb. 3.32). Die Fülle an na- hand. Die Testleistung hat sich als reliabel er-
tional und international publizierten sportart- wiesen (Ferrauti et al. 2011) und besitzt eine
spezifischen Testvorschlägen erlaubt an dieser enge Korrelation zur Position der Spieler auf
Stelle keine vollständige Darstellung. Exempla- der deutschen Jugendrangliste (Ulbricht et al.
risch werden zwei Testverfahren vorgestellt, 2013, 2016). Umfassendere Hinweise zu etab-
die von den Autoren des vorliegenden Lehr- lierten Verfahren der Leistungsdiagnostik im
buchs entwickelt wurden (. Tab. 3.11). Tennis finden sich bei Fernandez-­Fernandez
et al. (2014) und bei Ferrauti et al. (2018).

..      Tab. 3.11 Ausgewählte sportartspezifische Testverfahren (Eigenentwicklungen)

Testverfahren Testziele Testmaterialien Parameter

RAS-­Goalkeeper-­ Handlungsschnellig- Torhalterungen, 4 Handlungszeiten links oben unten


Test keit des Fußballtor- Bälle mit Bewe- und rechts oben, unten sowie
(Knoop et al. 2013) hüters bei der gungssensoren, Kombinationshandlungen (s)
(. Abb. 3.60) Ballabwehr nach Leuchtdiodentafel,
Mehrfachreaktion Software und PC

Hit-and-­Turn-­ tennisspezifische Tennisplatz, maximal erreichte Teststufe (Level),


Tennis-Test Ausdauerleistung Pylonen, mp3-Da- indirekt berechnete „estimated“
(Ferrauti et al. 2011) tei und Verstärker, V̇ O2 max (ml/min/kg), submaximale
(. Abb. 3.61) Pulsuhr und ggf. und maximale Herzfrequenz (S/min)
Blutlaktat-­Analyzer und Blutlaktatkonzentration
(mmol/l) nach Level 4, 8, 12, 16
Leistungssteuerung
149 3
kLD Beispiel 14: Reaction-and-Action- Testmaterialien Torhalterungen zur Fixierung
Speed-Test für Fußballtorhüter der Bälle in den Torwinkeln, vier Bälle mit Be-
Der Torhüter nimmt eine Position mittig im wegungssensoren und Transmitter, 4-Fel-
Tor ein und steht mit leicht gebeugten Knien in der-Leuchtdiodentafel, Software zur Ansteue-
einer ruhenden Grundstellung. Auf Höhe des rung der Messanlage und PC
Elfmeterpunktes befindet sich eine Tafel mit
vier Leuchtdioden. In den vier Torecken hän- Parameter Handlungszeiten (Bestzeit oder
gen bzw. liegen vier mit einem Bewegungssen- Mittelwert über fünf Versuche) bei der Ballab-
sor ausgestattete Fußbälle. Die Bälle in den un- wehr links oben, links unten, rechts oben,
teren Ecken liegen auf der Torlinie, jene in den rechts unten sowie wahlweise verschiedene
oberen Ecken hängen an einer Konstruktion, Kombinationshandlungen (z. B. links oben,
die einen Meter in das Feld hineinragt. Der dann rechts unten) (s), fakultativ: qualitative
Testleiter schaltet nach vorherigem Hinweis an Technikanalyse (z. B. Übergreifen der Abwehr-
die Testperson eine der vier Leuchtdioden an hand)
(z. B. links oben). Der Torhüter hat die Aufgabe
den entsprechenden Ball (hier: links oben) Spezifische Literatur
schnellstmöglich mit der Hand wegzuschlagen. 55 Knoop, M., Fernandez-Fernandez, J. und
Jede der vier Torecken wird mindestens 3-mal Ferrauti, A. (2013). Evaluation of a
(maximal 5-mal) in randomisierter Folge ange- specific reaction and action speed test for
steuert. Zwischen den Versuchen werden 30 s the soccer goalkeeper. Journal of Strength
Pause eingehalten. Wahlweise können auch and Conditioning Research, 27(8),
Mehrfachaktionen (z. B. links oben, dann rechts 2141–2148.
unten) überprüft werden (. Abb. 3.60).

..      Abb. 3.60 Nach-


wuchstorhüter bei der
Ballabwehr „oben links“
(7 https://doi.org/
10.1007/000-04r)
150 A. Ferrauti et al.

kLD Beispiel 15: Hit-and-Turn-Tennis-Test


Der Spieler nimmt eine Position mittig an der
Grundlinie ein und die mp3-Datei wird gestar-
tet. Entsprechend der akustisch eingespielten
Vorgabe läuft er zunächst zur Vorhand- (VH)
oder zur Rückhandseite (RH) und absolviert
3 dort auf Höhe der Doppel-Seitenauslinie einen
Schlag oberhalb einer Markierungspylone. Mit-
tels Kreuzschritt und Side-Steps bewegt sich
der Spieler danach in frontaler Ausrichtung zur
Spielfeldmitte und läuft von dort zur anderen
Grundlinienecke und absolviert dort einen
Schlag. Der Schlag muss exakt zeitgleich zur
Einspielung eines akustischen Signals (Beep)
erfolgen. Dies setzt sich bis zur Beendigung der
ersten Teststufe fort. Eine Teststufe hat eine zeit-
liche Länge von 45–50 s (maximale Dauer von
Ballwechseln), die Pause zwischen den Stufen
beträgt 10 s (mittlere Pause im Wettspiel), nach
den Stufen 4, 8, 12 und 16 beträgt die Pause
20 s zur optionalen Blutlaktatbestimmung.
Insgesamt können 20 Teststufen absolviert ..      Abb. 3.61 Tennisspieler mit portabler Spirometrie
werden. Die Zeitdauer zwischen den VH- und bei der Testevaluierung (7 https://doi.org/10.1007/
000-04s)
RH-Beep-Signalen sinkt dabei von 4,9 s (Stufe
1) auf 3,0 s (Stufe 20). Der Test wird bis zur Er-
schöpfung fortgesetzt; die maximal erreichte onsgleichungen hierzu in Ferrauti et al. 2011),
Teststufe und die auf dieser Stufe absolvierten fakultativ: submaximale und maximale Herz-
Schläge werden registriert (. Abb. 3.61). frequenz (S/min) und Blutlaktatkonzentration
(mmol/l) nach Level 4, 8, 12, 16.
Testmaterialien Tennisplatz, zwei Pylonen,
mp3-Datei und Verstärker, fakultativ: Pulsgurt Spezifische Literatur
und -uhr sowie Blutlaktat-Analyzer und Klein- 55 Ferrauti, A., Kinner, V.J. & Fernandez-Fern-
material. andez, J. (2011). The Hit & Turn Tennis Test:
an acoustically controlled endurance test for
Parameter Maximal erreichte Teststufe (Le- tennis players. Journal of Sports Sciences,
vel), V̇ O2max berechnet (ml/min/kg) (Funkti- 29(5), 485–494.
Leistungssteuerung
151 3
3.5 Trainingssteuerung lich an den sportartspezifischen Besonder-
heiten (Schwerpunktsetzungen auf der Basis
Vom Wiegen wird die Sau nicht fett! von Beanspruchungsprofilen und Leistungs-
strukturanalysen). Für die angemessene und
Leistungsdiagnostik hui, Trainingssteuerung passgenaue Umsetzung im Training werden
pfui! Die Trainingswissenschaft liefert bislang neben der Berücksichtigung allgemeiner
nur unzureichende Hilfestellungen für die Trainingsprinzipien zunehmend auch ex-
Sportpraxis. perimentelle Befunde aus Trainingsstudien
(Analysen zur Beanspruchung von Trainings-
Zusammenfassung formen und zur Wirksamkeit spezieller Inter-
Die Trainingssteuerung ist der Bereich der ventionen) verwendet. Zusätzlich muss einer
Leistungssteuerung, der am wenigsten evi- Individualisierung der Trainingssteuerung
denzgeleitet erfolgt und somit für den ver- im Leistungssport höchste Aufmerksamkeit
antwortlichen Trainer sowie den gesamten gewidmet werden. Wettkampfanalysen und
sportwissenschaftlichen Betreuungsstab die leistungsdiagnostische Befunde ermöglichen
meisten Freiheitsgrade für Handlungsentschei- sowohl eine individuelle Schwerpunktsetzung
dungen aufweist. Sinnvolle Orientierungen als auch eine Präzisierung der individuellen
für die Trainingssteuerung sind (1.) die in der Belastungsdosierung. In der täglichen Praxis
Sportpraxis bewährten Trainingsprinzipien, bedürfen diese Festlegungen jedoch einer ste-
(2.) Erkenntnisse zu Belastung, Beanspruchung tigen Feinjustierung unter Berücksichtigung
und Leistungsstruktur der unterschiedlichen aktueller, individueller Informationen des
Sportarten, (3.) experimentelle Befunde aus Athleten (Trainings- und Athleten-Monito-
Trainingsstudien zur Wirksamkeit spezieller In- ring; . Abb. 3.63).
terventionen, (4.) leistungsdiagnostische und Die Trainingssteuerung ist jener Bereich
wettkampfanalytische Befunde zur individuel- der Trainingswissenschaft, der die geringste
len Schwerpunktsetzung und zur Belastungs- Evidenz bei der Definition von Handlungsan-
dosierung und (5.) Hinweise aus dem täglichen weisungen aufweist. Dies liegt an der hohen
Trainings- und Athleten-Monitoring. Das vor- Individualität im Spitzensport und der Viel-
liegende Unterkapitel folgt einem hierarchisch zahl an Freiheitsgraden, die den Trainings-
aufgebauten Modell mit zunehmenden Indi- prozess charakterisieren (z. B. Sportart, Leis-
vidualisierungs- und Aktualitätsebenen der tung, Geschlecht und Alter). Folglich müssen
Trainingssteuerung. Zu jeder dieser Ebenen verschiedene Experten bei der Betreuung
werden konkrete Beispiele aus der Sportpraxis eines Athleten oder einer Mannschaft nicht
vorgestellt. zwangsläufig zu identischen Trainingsemp-
fehlungen kommen (. Abb. 3.62). In diesem
Die Trainingssteuerung ist neben der Wett- Unterkapitel werden daher grundlegende
kampfanalyse und der Leistungsdiagnos- Empfehlungen zur Trainingssteuerung für
tik die dritte Säule der Leistungssteuerung verschiedene Individualisierungsebenen for-
(. Abb. 3.2). Sie orientiert sich grundsätz- muliert (. Abb. 3.63).
152 A. Ferrauti et al.

..      Abb. 3.62 Gerade


im Schwimmsport wird
die Trainingssteuerung
und speziell die
Verteilung von
Grundlagentraining
und wettkampfspezi-
3 fischem Training seit
jeher kontrovers
diskutiert

..      Abb. 3.63 Indivi-


dualisierungs- und
Aktualitätsebenen der Aktuelle
Trainingssteuerung Feinjustierung
Trainings-und
Athleten-Monitoring
ng

Individuelle Belastungsdosierung
ru

zu
sie

- leistungsdiagnostische Indikatoren

ne
ali

- individuelle u. sportartspez. Besonderheiten

hm
du

en
ivi
Ind

de
Individuelle Schwerpunktsetzung

Ak
de

- Wettkampfanalysen und Leistungsdiagnostik

tu
en

ali
- individuelle Stärken-Schwächen-Profile und Zieldefinitionen
hm

tät
- soziologische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen
ne
zu

Allgemeine Leitlinien und sportartspezifische Schwerpunktsetzung


- Beanspruchungsprofile und Leistungstrukturanalysen im Wettkampf
- Beanspruchungsprofile und Interventionsstudien im Training
- allgemeine Trainingsprinzipien

Individualisierungsebenen der Trainingssteuerung

3.5.1 Allgemeine Leitlinien Dies bedeutet im einfachsten Fall, dass die


Belastungsnormative im Rahmen eines Meso-
Grundsätzliche Orientierungshilfen für die zyklus sinnvoll abgestimmt werden. Beispiels-
Trainingssteuerung werden aus unterschied- weise wird der engagierte Freizeitläufer wäh-
lichen Informationsquellen gespeist und rend der Vorbereitung auf einen Halbmarathon
überlassen dem verantwortlichen Trainer die zunächst den Trainingsumfang (erst Trai-
schwierige Integrationsaufgabe bei der Kon- ningshäufigkeit dann -dauer) steigern und
kretisierung der Trainingssteuerung. Primär erst anschließend intensivere Belastungen im
hilft ein umfassendes Grundlagenwissen zum avisierten Wettkampftempo absolvieren, be-
sportlichen Training (7 Kap. 2), wobei der Be- vor er in der Vorwettkampfwoche (Taper-­
rücksichtigung von anerkannten Trainings- Phase) die Belastung deutlich reduziert
prinzipien, der Ausrichtung an zeitlichen (. Abb. 3.64).
Festlegungen durch Periodisierung und Zyk- Die Trainingsinhalte eines Mikrozyklus in
lisierung, der Orientierung an klar definierten den Spielsportarten ergeben sich fast in logi-
Trainingszielen und der angemessenen An- scher Konsequenz aus dem Wettkampfkalen-
steuerung durch die Belastungsnormative eine der (. Abb. 3.65). Ausgehend von den Spiel-
wichtige Rolle zukommt (. Abb. 3.63). tagen am Wochenende und den erforderlichen
Leistungssteuerung
153 3

Wettspiel

Wettspiel
Wettspiel
C

Taktik
Belastungsintensität

Taktik

REG
REG
--
Trainingshäufigkeit

Tapering

Wettspiel

Wettspiel
HIT + IND
Reizdauer B

Taktik
SSAQ
REG
-- --

Wettspiel

Wettspiel
HIT + IND
..      Abb. 3.64 Einfaches Periodisierungsmodell (Meso- A

Taktik

Taktik
zyklus) für den Freizeitläufer

REG

STA
--
Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa
Regenerationszeiten bleiben nur geringe Ge-
staltungsspielräume für die verbleibenden ..      Abb. 3.65 Einfaches Periodisierungsmodell
Trainingstage, wobei ein intensiverer Trai- (Mikrozyklus) für die Sportspiele (Varianten A und B mit
einem Wettspiel pro Woche, Variante C als englische
ningsreiz für die Stammspieler nur in der Woche). -- = Trainingsfrei; REG = Regeneration; STA =
Wochenmitte sinnvollerweise eingebaut wer- Standards; SSAQ = Strength, Speed, Agility, Quickness;
den kann (Variante A oder B). Im Einzelfall HIT+IND = High-Intensity und individuelles Training
bleibt zu prüfen, ob eine auf Kraft und (modifiziert nach Howle 2018)
Schnelligkeit bzw. Agility bezogene Trai-
ningseinheit zwei Tage vor dem Wettspiel to-
leriert werden kann (Variante B). Die Mög- ren (. Abb. 3.2 und 3.63). Erkenntnisse aus
lichkeit intensiverer Trainingsreize innerhalb Untersuchungen zum Belastungs- und Bean-
eines Mikrozyklus scheidet bei zwei Wett- spruchungsprofil (z. B. aus Pacing-, Tracking-,
spielen pro Woche (Variante C) vollständig Spiel-, Laufweg-, Metabolismus- und Leis-
aus (Howle 2018). tungsstrukturanalysen) liefern hierfür einen
Die Trainingssteuerung sollte sich stets wertvollen Rahmen (7 Abschn. 3.2). Anderer-
möglichst eng an den Wettkampfanforderun- seits scheint eine vollständige Kopie der Wett-
gen, der Leistungsstruktur einer Sportart und kampfanforderungen für die Trainingssteue-
der daraus sich ergebenden Hierarchisierung rung unangemessen und entspricht nicht der
von Trainingszielen und -inhalten orientie- gängigen Praxis.

Beispiele: Trainingssteuerung nach Wettkampfanforderung – eine sinnvolle Orientierung?

5 5 Beispiel 1: Pfadanalysen für den Sprint im 55 Beispiel 3: Die Blutlaktatkonzentrationen er-


Nachwuchsbereich legen nahe, dass der reichen unter Wettspielbedingungen in den
zyklischen Schnelligkeit zunächst eine be- Mannschaftspielen Handball, Basketball und Fuß-
sondere Bedeutung für die Sprintleistung ball selten über 8 mmol/l. In der Praxis erreichen
zukommt (. Abb. 3.14). In der Praxis wird zahlreiche Trainingsformen jedoch Blutlaktatkon-
jedoch auch schon frühzeitig die azyklische zentrationen, die deutlich über 10 mmol/l liegen.
Komponente im Training ­a ngesprochen. 55 Beispiel 4: Die systematische Spielanalyse im
5 5 Beispiel 2: Die Belastungszeiten fast aller Tenniswettspiel ergibt, dass 60 % aller Ball-
Schwimm- oder Ruderdisziplinen liegen wechsel bereits nach vier Schlägen beendet
unter 15 min und beinhalten nennenswerte sind und die Spieleröffnung (Aufschlag und Re-
anaerobe Anteile der Energiebereitstellung. turn) 30–40 % aller Schlagtechniken ausmacht.
In der Praxis dominieren jedoch Trainings- In der Praxis dominiert jedoch das Grundli-
inhalte zur Verbesserung der aeroben nienspiel mit über 80 % der Trainingszeit.
Grundlagenausdauer mit deutlich höheren
Belastungsumfängen als im Wettkampf. Daher stellt sich die Frage: Sind diese Abweichun-
gen sinnvoll?
154 A. Ferrauti et al.

Die in den Beispielen dargestellten Abwei- 55 Eine scheinbar „übertriebene“ Automati-


chungen in der Trainingspraxis von den Wett- sierung technischer Elemente durch
kampfanforderungen erfordern eine differen- zahlreiche Wiederholungen vermittelt den
zierte Betrachtung: Athleten angesichts des arrhythmischen
55 So muss das Training im Nachwuchsbe- und unvorhersehbaren Wettspielverlaufs
reich auch schon frühzeitig der zukünftigen Sicherheit und Selbstvertrauen (Beispiel 4).
3 Leistungsstruktur gerecht werden und darf Bei der Konkretisierung von Trainingsinhalten
sich nicht nur auf die aktuellen Wettkampf- und -mitteln sowie deren Verabreichungsform
anforderungen beschränken (Beispiel 1).
55 Teilkomponenten der Wettkampfanforde- Praxistipp: Trainingssteuerung als Wett-
rung wie die Grundlagenausdauer, die eine kampfkopie?
vergleichsweise lange Entwicklungsdauer
erfordern, müssen abweichend von der Als ein möglicher Kompromiss zwischen
eigentlichen Wettkampfanforderung im den beschriebenen Positionen sollte im Rah-
Training entsprechend stärker fokussiert men der langfristigen Trainingssteuerung
werden (Beispiel 2). die Regel eingehalten werden, dass mit zu-
55 Nicht die mittlere metabolische Beanspru- nehmender Annäherung an die entschei-
chung oder die mittlere Peak-­ dende Wettkampfphase das wettkampf-
Beanspruchung sind plausible Orientie- nahe Training vermehrt in den Vordergrund
rungslinien im Sportspieltraining, sondern rückt. Inwieweit schon in den frühen Vorbe-
ebenfalls die einmalige Maximalbeanspru- reitungsphasen eine wettkampfnähere Ver-
chung oder ein Overreaching (. Abb. 3.66). lagerung der Trainingsinhalte einzufordern
Derart hochintensive Trainingsbelastungen ist, wird in zahlreichen Sportarten kontro-
geben den Athleten unter anderem „das vers diskutiert und muss im Einzelfall ent-
gute Gefühl“, allen Extremsituationen schieden werden. Auf jeden Fall ist eine voll-
gewachsen zu sein (Beispiel 3). ständige Wettkampfkopie abzulehnen, da
sie zur Optimierung ausgewählter Teilas-
4 BprofilOR pekte der sportlichen Leistung nicht die op-
timalen Rahmenbedingungen bietet.
Max

3 –
X peak
sind die Ergebnisse von Trainingsstudien mit
in die Überlegung einzubeziehen. Um im Rah-
VO2 (l/min)

2 men der Saisonvorbereitung einer Sportspiel-



X ges mannschaft beispielsweise ein hochintensives
.

Kleinfeldspiel (Small Sided Game) auszuwäh-


Bprofil
1 len, das der Maximalbeanspruchung im Wett-
spiel entspricht (. Abb. 3.66), muss bekannt
sein, welcher Trainingsreiz (Training Load)
0 durch welche Spielerkonstellation (z. B. 2 vs. 2
oder 4 vs. 4) auf welcher Spielfeldgröße gesetzt
..      Abb. 3.66 Interpretationsmöglichkeiten des inter- wird. Hierzu existieren eine zunehmende An-
mittierenden Beanspruchungsprofils der Sportspiele zahl an Trainingsstudien in verschiedenen
(dargestellt anhand der variierenden Sauerstoffauf-
Sportspielen (u. a. Kelly und Drust 2009).
nahme im Spielverlauf ) für die Trainingssteuerung. Xges
= mittlere Beanspruchung; Xpeak = mittlere Peak-Be- Ferner sind stets aktuelle trainingswissen-
anspr. (gelbe Punkte); Max = Maximalbeanspruchung schaftliche Befunde aus Interventionsstudien
(roter Punkt); Bprofil = Simulation des Beanspruchungs- mit in die Entscheidung einzubeziehen (z. B.
profils; Bprofil OR = Simulation mit Overreaching zur Trainingswirksamkeit neuer Methoden wie
Leistungssteuerung
155 3
Okklusionstraining oder Foam-Rolling für das Trainingsmethoden evidenzgeleitet ausge-
Warm-up und die Regeneration). Experimen- wählt sowie prinzipiell korrekt eingesetzt wer-
telle Interventionsstudien werden oft als Origi- den. Eine moderne Trainingssteuerung muss
nalarbeiten publiziert, sind häufig von hoher jedoch weiterreichen und zunehmend auch
Aktualität, bieten jedoch nur einen punktuel- individuelle Aspekte berücksichtigen.
len Einblick. Sie besitzen den Nachteil, dass
ihre Ergebnisse nur bedingt auf andere Stich-
proben und insbesondere auf den Hochleis- 3.5.2 Individuelle
tungssport übertragbar sind. Metaanalysen Schwerpunktsetzung
oder Reviews ermöglichen hier gewöhnlich ei-
nen besseren Überblick über die Befundlage. Der verfügbare Trainingsumfang sollte hin-
In der Summe liefert bereits die erste Ebene sichtlich der Trainingsschwerpunkte und -in-
der Trainingssteuerung (. Abb. 3.63) grund- halte bestmöglich an die individuellen Anfor-
sätzlich eine hilfreiche Orientierung und ge- derungen und Bedürfnisse angepasst werden.
währleistet, dass sich die Trainingsinhalte von Hierzu liefern aktuelle Wettkampfanalysen
Athleten unterschiedlicher Sportarten ange- und differenzierte leistungsdiagnostische Be-
messen unterscheiden und die verwendeten funde den notwendigen Bezugsrahmen.

Beispiele: Wettspielanalysen und individuelle Trainingssteuerung

55 Beispiel 1: Tracking-Ergebnisse in den durch ein individuell angepasstes Wurftrai-


Sportspielen ermöglichen es häufig, ning begegnet werden kann. Letzteres wird
wiederkehrende Lauf- und Bewegungsmuster selbstverständlich primär durch die Spielposi-
einzelner Spieler auf dem Spielfeld zu tion bestimmt.
identifizieren, sodass ein individuell
maßgeschneidertes Ausdauer- oder
Schnelligkeitsausdauertraining konzipiert
werden kann (. Abb. 3.67).
55 Beispiel 2: Pacing-Analysen verdeutlichen die
individuellen Stärken und Schwächen von
Athleten in den Ausdauersportarten
(Tempoanzug oder -abfall zu bestimmten
wiederkehrenden Zeitpunkten) und lassen
sich annäherungsweise im Training simulie-
ren. Der Triathlet kann explizit die Abläufe in
einer bestimmten Wechselzone oder den
Übergang vom Rad zum Lauf durch ein
spezialisiertes Koppeltraining optimieren. ..      Abb. 3.67 Das „Arjen-Robben-HIIT“: Für
55 Beispiel 3: Scouting-Reports oder Videoana- Spieler, die im Wettspiel überwiegend auf der
lysen im Basketball dokumentieren erfolgrei- rechten Außenbahn den Weg zum Tor suchen,
chere und weniger erfolgreiche Wurfzonen, werden die Spielfelder im Kleinfeldspiel (hier: 4
aber auch spezielle Wurfsituationen, denen vs. 4) entsprechend adaptiert

Differenzierte leistungsdiagnostische Befunde spielen) eine individuell austarierte Schwer-


ermöglichen zusätzlich die Erstellung eines in- punktsetzung vorrangig relevanter Trainings-
dividuellen Stärken-Schwächen-Profils, wel- ziele und -inhalte nahelegt. Aus den zahlreichen
ches eingebunden in einen Gesamtkontext Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe im
(z. B. Alter, biologisches Alter, prognostizierte Nachwuchsleistungssport werden hierzu zwei
finale Körperhöhe, Spezialisierung innerhalb Beispiele vorgestellt.
der Sportart oder Spielposition in den Sport-
156 A. Ferrauti et al.

zz Beispiel 1: Nachwuchstorhüter N. S. (VfL Praxistipp für den Torhüter N. S. (VfL


Bochum) Bochum):
Unsere Testbatterie für Fußballtorhüter (Fer-
rauti et al. 2009; Knoop et al. 2013) zeigt für Das Kraft- und Schnellkrafttraining der unteren
und oberen Extremitäten sollte forciert werden,
den Nachwuchsspieler N. S. der U16 des VfL
um Abwurfgeschwindigkeit und Sprungkraft zu
Bochum im Vergleich zur altersentsprechen-
3 den Norm eine sehr hohe Präzision bei Ab-
steigern. Hierzu werden zunächst zwei bis drei
komplexe Trainingsblöcke mit gemischten
wurf und Abschlag bei nur durchschnittlicher Trainingsinhalten (allgemeines Gewichtstrai-
Abwurfgeschwindigkeit (. Abb. 3.69). Die An- ning, semispezifisches Sprung- und Medizinball-
wurfprogramm, torhüterspezifisches Training) in
trittsschnelligkeit über 5 m ist sehr gut, die
der Off-Season empfohlen. Während der
vertikale Sprungkraft im Counter Movement laufenden Saison folgen darauf ein Erhaltungs-
Jump durchschnittlich (33 cm). Bei der Ab- training und weitere kürzere Vertiefungsblöcke.
wehr von Bällen im komplexen RAS-Test Das Trainingsziel besteht darin, die für einen
(7 LD Beispiel 14, . Abb. 3.60) weist der Spie- Torhüter geringe Körpergröße durch eine
besondere Sprungkraft zu kompensieren, um
ler Defizite in den oberen Torwinkeln auf bei-
dadurch speziell die Ballabwehr in den oberen
den Seiten auf (Knoop et al. 2013). Unten Torecken zu erleichtern. Eine begleitende
rechts benötigt er auffallend mehr Zeit als un- Videoanalyse ist zu empfehlen, um Hinweise
ten links bei der Ballabwehr (. Abb. 3.69). Der (z. B. Beinarbeit, Absprung, Timing) zur
Spieler ist leicht retardiert und seine finale Erklärung des Zeitverlusts beim Abtauchen in
die untere rechte Torecke zu erhalten. Eine
Körperhöhe wird voraussichtlich unterhalb
erneute Kontrolle der Entwicklung von Leistung
von ca. 1,85 m liegen. und Körpergröße sollte nach spätestens sechs
Monaten durchgeführt werden (. Abb. 3.68
und 3.69).

..      Abb. 3.68 Verglei-


chende Torhüterdiag-
nostik von jüngeren
U15- und älteren U17/
U19-Spielern im
Nachwuchsleistungs-
zentrum des MSV
Duisburg (7 https://
doi.org/10.1007/000-
04t)
Leistungssteuerung
157 3

komplex-offensive Fertigkeiten

Passgenauigkeit x n=11 = 16,7 (P)


9 15 21

Abwurfgenauigkeit x n=11 =22,3 (P)


15 26 26

Präzision des Abschlags x n=11 = 17,7 (P)


12 22 22

Bodenabstoßpräzision x n=11 = 21,9 (P)


13 21 25

Abwurfweite x n=11 = 24,1 (m)


21,7 24,2 27,2
Abwurfgeschwindigkeit x n=11 = 54,0 (km/h)
47,0 56,5 61,0

elementare Fähigkeiten

Counter Movement Jump x n=11 = 33,3 (cm)


29,9 35 38,5

Linearsprint 5 m x n=11 = 1,19 (s)


1,21 1,17 1,17

Linearsprint 10 m x n=11 = 2,08 (s)


2,14 2,09 2,02

komplex-defensive Fertigkeiten

KTD (einfach) unten links x n=11 = 1,12 (s)


1,16 1,06 1,06

KTD (einfach) oben links x n=11 = 1,21 (s)


1,25 1,22 1,09

KTD (einfach) unten rechts x n=11 = 1,08 (s)


1,15 1,09 1,02

KTD (einfach) oben rechts x n=11 = 1,23 (s)


1,35 1,36 1,03

KTD (komplex) oben links- unten rechts x n=11 = 3,93 (s)


4,42 3,84 3,50

KTD (komplex) oben rechts- unten links x n=11 = 3,91 (s)


4,69 3,64 3,50

Fangsicherheit x n=11 = 20,7 (P)


16,0 19 28,0

..      Abb. 3.69 Leistungsdiagnostisches Individualpro- (grün) Individualleistung und das arithmetische Mittel
fil eines Fußballtorhüters der U16. Dargestellt ist die der Referenzstichprobe. Die Ergebnisse der Testperson
Spanne zwischen der schlechtesten (rot) und besten sind als Fußballsymbol angegeben
158 A. Ferrauti et al.

zz Beispiel 2: Zwei Nachwuchstennisspieler Alter zwischen zwölf und 15 Jahren) erfordert


des DTB neben einer Relativierung zu chronologisch
Der mit ca. 350 Kaderspielern aller Landesver- (blaue Linie) auch einen Vergleich zu biolo-
bände des Deutschen Tennis Bundes (DTB) gisch Gleichaltrigen (rote Linie). Eine Möglich-
bundesweit zweimal jährlich zweimal durch- keit hierfür bietet die Bestimmung des Reife-
geführte DTB-Konditionstest basiert auf einer grades mittels Mirwald-Formel (7 Abschn. 3.4,
3 Testbatterie mit 15 Einzeltests. Diese können . Tab. 3.4). Nur auf diese Weise wird die Leis-
hinsichtlich der Hauptfaktoren „Power der tungsfähigkeit von Spätentwicklern angemes-
oberen Extremität“, „Basiskraft und Kraftaus- sen beurteilt (. Abb. 3.70).
dauer der Rumpfmuskulatur“, „allgemeine Die dargestellten Beispiele zeigen einen
und tennisspezifische Schnelligkeit und 13-jährigen retardierten Spieler (A), der ge-
Sprungkraft“ sowie „semi- bzw. tennisspezifi- genüber seinen gleichaltrigen Gegnern eine
sche Ausdauer“ zusammengefasst werden (Ul- weit unterdurchschnittliche Schnellkraft der
bricht et al. 2013). Die Darstellung dieser oberen Extremität aufweist (Medizinballwurf-
Hauptfaktoren in Form eines Spinnennetzdia- weite und Aufschlaggeschwindigkeit liegen im
gramms (. Abb. 3.70) ermöglicht einen ra- Bereich der schwächsten 10 %). Verglichen
schen Überblick über das individuelle Leis- mit biologisch Gleichaltrigen relativiert sich
tungsprofil jedes Spielers, jeweils in Bezug zur dieses Defizit etwas, und die Ausdauer- und
altersentsprechenden Normleistung (nach Schnelligkeitsleistungen sind sogar weit über-
Halbjahrgängen, dargestellt als Perzentile). durchschnittlich. Der zweite Spieler (B) ist
Anzustreben ist im Idealfall eine Raute, die gleichaltrig, biologisch altersgemäß entwickelt
sich am äußeren Rand des im Spinnennetzes und er verfügt über eine deutlich unzurei-
ausspannt. Dies würde für jeden der Hauptfak- chende Ausdauerleistung (untere 10 %). Ein
toren bedeuten, dass der entsprechende Spieler rascher Blick auf . Abb. 3.70 verdeutlicht ein-
zu den besten seines Halbjahrgangs gehört. drucksvoll, dass beide Spieler im Rahmen der
Die interindividuell asynchrone Entwick- Trainingssteuerung eine andere individuelle
lungsgeschwindigkeit (bei Jungen speziell im Schwerpunktsetzung benötigen. Aufgrund

Power Power
Spieler A Spieler B
Endurance

Endurance
Strength

Strength

Speed Speed

..      Abb. 3.70 Leistungsdiagnostisches Individualpro- jeweils vier Hauptfaktoren in Bezug zur chronologisch
fil von zwei 13-jährigen Nachwuchstennisspielern. (blaue Linie) und biologisch gleichaltrigen Referenz-
Dargestellt ist die relative Leistung (Perzentile) für stichprobe (rote Linie)
Leistungssteuerung
159 3
des begrenzten wöchentlichen Trainingsvolu- ben und die herausragende Ausdauer und
mens (90–120 min), das dem Athletiktraining Schnelligkeit stabilisiert werden. Er wird eine
im Tennis-Nachwuchsleistungssport übli- finale Körperhöhe unter 1,85 m erreichen und
cherweise gewidmet wird, kommt einer indi- sein Spiel vorrangig von der Grundlinie und
viduell angemessenen Ausrichtung der Trai- weniger durch seine Aufschlagdominanz ge-
ningsinhalte eine besondere Bedeutung zu. stalten. Korrespondierend hierzu sollte Spieler
B, der bereits im Alter von 13 Jahren eine Kör-
Praxistipp: Athletiktraining von zwei gleich- perhöhe von 1,86 m und einen herausragen-
altrigen Tennisspielern den Aufschlag aufweist, seine Ausdauerleis-
tung nur auf ein mittleres Niveau steigern, da
55 Spieler A: Während der 6-monatigen
die kürzere Ballwechseldauer in seinen Mat-
Hallensaison sind sechs wöchentliche
Mikrozyklen mit dem Schwerpunkt Kraft/ ches diesbezüglich geringere Anforderungen
Schnellkraft einzuplanen. Zusätzlich stellt.
sollte im Anschluss an das Tennistraining Bei differenzierter Datenlage als Ergebnis
jeweils ein kompaktes Ergänzungs- und einer komplexen Leistungsdiagnostik sind zu-
Erhaltungstraining vorgesehen werden.
dem die übergeordneten Zusammenhänge von
Das Aufschlag- und Medizinballtraining
sowie präventive Begleitmaßnahmen zur Leistungsindikatoren zu interpretieren und
Verletzungsprophylaxe des Schultergürtels ggf. in einen Entscheidungsbaum für die Trai-
sind Bestandteil jeder Trainingseinheit auf ningssteuerung einzubinden. So ist eine unzu-
dem Tennisplatz. Hierbei sind die Wieder- reichende Aufschlaggeschwindigkeit stets in
holungszahlen zunächst gering und nur
einen Sinnzusammenhang von finaler Körper-
langsam im Zeitverlauf zu steigern.
55 Spieler B: Ausgehend von einem längeren höhe, BMI, schlagtechnischer Qualität, Hand-
Mesozyklus zur Verbesserung der aeroben bzw. Basiskraft sowie Schnellkraft der unteren
Grundlagenausdauer mit zwei bis drei und oberen Extremitäten zu bringen, um an-
30-45-min Lauftrainingseinheiten pro gemessene Konsequenzen für die Trainings-
Woche im Gelände (beginnend Anfang Fe-
steuerung abzuleiten (. Abb. 3.71).
bruar), werden ab April zunehmend auch
High-Intensity-­Intervall-Training (HIIT) Die für Fußball und Tennis ausführlich
und tennisspezifische Trainingseinheiten dargestellten Beispiele lassen sich auf die Be-
integriert. treuung von Athleten aller Sportarten übertra-
gen, sofern leistungsdiagnostische oder wett-
kampfanalytische Daten vorliegen und diese in
Das Trainingsziel darf in Sportarten mit kom- einem Gesamtkontext diskutiert werden. Im
plexen Leistungsanforderungen nicht zwin- Idealfall existieren innerhalb der Sportarten
gend darin bestehen, in allen Teilbereichen die vergleichbare sportartspezifisch ausgerichtete
Bestleistung zu erreichen. Anthropometrisch Entscheidungshilfen, die im Diskurs zwischen
und genetisch unterschiedliche Voraussetzun- den Beteiligten eines Kompetenzteams (beste-
gen lassen diese Zielsetzung unter den be- hend aus Cheftrainer, Leistungsdiagnostiker
schränkt möglichen Trainingsumfängen als ggf. mit Unterstützung des Sportmediziners
unrealistisch erscheinen. Vielmehr sind in Ab- und Sportpsychologen) zur Festlegung der
hängigkeit von Ausgangsleistung, anthropo- kurz-, mittel- und langfristigen Zielsetzungen
metrischen Voraussetzungen und sich abzeich- und Inhalte der Trainingssteuerung führen.
nender Spielstrategie individuell realistische Eine derartige individuelle Schwerpunktset-
Ziele festzulegen. Bezogen auf Spieler A sollte zung ist in zahlreichen Sportarten etabliert; je-
der Faktor Power in den kommenden drei Jah- doch insbesondere in einigen komplex deter-
ren bis zur Angleichung von biologischem und minierten Sportarten leider nach wie vor eine
chronologischem Alter auf über 60 % angeho- Zukunftsvision.
160 A. Ferrauti et al.

Aufschlaggeschwindigkeit < 60 %

Spielertyp
Ausdauer
finale Körperhöhe > 80 % finale Körperhöhe < 40 %
Schnelligkeit
Agility
3 Technik- Technik Handkraft BMI
...

defizite o. B. < 60 % < 60 %

Bewegungs- Handkraft Hypertrophie


analyse > 60 % -training
& &
Technik- Medizinball- Ernährung
training wurf < 60 %

Medizinball- Schnellkraft-
wurf > 60 % training

Rumpfkraft
Sprungkraft
?

..      Abb. 3.71 Exemplarischer Entscheidungsbaum für Maßnahmen der individuellen Trainingssteuerung am


Beispiel einer unzureichenden Aufschlaggeschwindigkeit im Tennis

 xkurs: Planmäßige Steuerung versus


E 3.5.3 Individuelle
kreative Offenheit Belastungsdosierung
Aufgrund der Komplexität der Leistungs-
struktur und des schnellen Wandels der Eine individuelle Belastungsdosierung ist im-
Spielstruktur (z. B. durch regelmäßige, teils mer dann erforderlich, wenn zum Erreichen
massive Regeländerungen im Basketball) sind des gewünschten Trainingsziels nicht die ma-
festgeschriebene Regularien der Trainings- ximale, sondern eine exakt ausgerichtete sub-
steuerung in einigen Sportarten – möglicher-
weise zu Recht – nicht vorhanden. Denn
maximale Belastungsintensität angemessen
daraus resultiert die Schwierigkeit, sich auf ist. Dies betrifft im Training der konditionel-
eine halbwegs gültige „Idealvorstellung“ von len Teilkomponenten primär das Kraft- und
Trainingsmethoden oder Handlungsstrate- Ausdauertraining. Während für das Schnel-
gien zu einigen, welche die technischen oder ligkeitstraining üblicherweise maximale bis
athletischen Zubringerleistungen optimal
entwickeln. Wäre Dirk Nowitzki entsprechend
supramaximale Reize empfohlen werden
der damals vorherrschenden Denkweise (7 Kap. 5), ist zur Auslösung der erwünschten
ausgebildet worden, hätte er vermutlich molekularen Anpassungsvorgänge beim
nicht durch seine teils unorthodoxe Spiel- Krafttraining (z. B. Muskelhypertrophie) und
weise herausstechen können. Es bleibt somit beim Grundlagenausdauertraining (z. B. Mi-
die Forderung und die daraus resultierende
Chance bestehen, sich ein ausreichendes Maß
tochondrienbildung) eine ausreichende Be-
an Kreativität und Offenheit bei der Trainings- lastungsdauer bei reduzierter Intensität erfor-
gestaltung zu erhalten. derlich (Bachl et al. 2018). Die Festlegung
submaximaler Trainingsvorgaben orientiert
Leistungssteuerung
161 3
sich entweder an der individuellen Maximal- Auch in den Weg-/Zeit-abhängigen Sport-
leistung (persönliche Bestleistung im Wett- arten wie Schwimmen, Laufen sowie beim Ru-
kampf oder Maximalleistung in der jeweili- dern wird die Trainingsintensität im einfachs-
gen Trainingsübung) oder an submaximalen ten Fall in Relation zur jeweiligen individuellen
Grenzwerten, die zumeist leistungsdiagnos- Best- oder Zielleistung (% vmax bzw. % tmax) oder
tisch erfasst werden. Ausführliche Informati- zur Functional Threshold Power (FTP) gesetzt
onen zu Belastungsnormativen finden Sie in und in absolute Geschwindigkeiten (m/s, km/h,
7 Abschn. 2.2. min/km), Zwischenzeiten (s und min) oder
Beim Krafttraining erfolgt die Bestim- Power (W) umgerechnet. Alternativ werden
mung der submaximalen Trainingsinten- maximale physiologische Messgrößen wie unter
sität in der Praxis häufig in Relation zum anderem die maximale Herzfrequenz (% HFmax)
maximalen Widerstand, der bei einer defi- sowie die Relativierung der Trainingsbelastung
nierten Trainingsübung vom Trainierenden zur maximalen Sauerstoffaufnahme (% V̇ O2max)
überwunden werden kann. Das sogenannte verwendet (7 Abschn. 7.4, . Tab. 7.7 und 7.8).
Einfach-­Wiederholungsmaximum (1 Repeti- Deutlich schwieriger ist die Individualisie-
tion Maximum oder abgekürzt 1 RM) wird in rung der Trainingssteuerung beim Intervall-
der Sportpraxis mit der Maximalkraft gleich- training und der variablen Dauermethode, da
gesetzt. Für definierte Trainingsziele werden Belastungsintensität und -dauer sowie die Pau-
unterschiedliche prozentuale Abstufungen sendauer aufeinander abgestimmt werden müs-
des 1 RM (% 1 RM) empfohlen (7 Kap. 4, sen (. Tab. 3.12). Beim Intervallsprinttraining
. Abb. 4.19). fällt zumindest eine Steuerungsebene weg, da

..      Tab. 3.12 Beispiele für unterschiedliche HIIT-Protokolle mit oder ohne Richtungswechsel orientiert an
der Maximalleistung im 30-15-Intermittent-Fitness-Test (%VIFT ). Leistungsstärkere Athleten absolvieren in
der vorgegebenen Zeit (Running Time) eine längere Laufstrecke bis zum Markierungspunkt (Buchheit 2010)

Running Recovery
Running Intensity Recovery Intensity Recovery Max series Number Recovery time
time (% VIFT) duration (% V ) modality duration of series Between series
IFT

3’ 85–88% – – Straight line – 5 to 6 3’


45” 90% 15” passive Straight line 7’-8’ 2 to 3 3’
30” 90% 15” passive Straight line 7’–8’ 2 to 3 3’
30” 90% 30” 40% Straight line >12 2 3’
30” 93% 30” passive Shuttle 40m 10’–12’ 2 to 3 3’
15” 100% 15” passive Straight line 10’ 2 to 3 3’
15” 95% 15” 25% Shuttle 40m 15’ 2 3’
20” 95% 20” passive Straight line 7’–8’ 2 6–7’active
20” 90% 20” 45% Shuttle 30m 7’–8’ 2 6–7’active
20” 95% 15” passive Shuttle 30m 7’–8’ 2 6–7’active
15” 100% 15” passive Shuttle 40m 7’–8’ 2 6–7’active
15” 95% 15” 25% Straight line 7’ 2 6–7’active
15” 95% 10” passive Shuttle 40m 7’ 2 6–7’active
10” 90% 10” passive Shuttle 10m 6’ 2 6–7’active
10” 95% 10” passive Straight line 6’ 2 6–7’active
20m sprint or
3” sprint 17” passive 6’ 2 6–7’active
2 × 10m Shuttle
162 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.13 Individualisierungsbeispiel für 15 Spieler mit unterschiedlicher VIFT (Intensität 95 %,


Intervalldauer 15 s, Streckenlänge 30 m, individuelle Laufdistanz pro Intervall 57–79 m)

Distance
Names VIFT Time % ...which is on the field
Straight Shuttle
Player 1 15 15 95 59 57 1 Shuttle(s) and 27 m
3 Player 2 15,5 15 95 61 58 1 Shuttle(s) and 28 m
Player 3 16 15 95 63 60 1 Shuttle(s) and 30 m
Player 4 16,5 15 95 65 62 1 Shuttle(s) and 32 m
Player 5 17 15 95 67 61 2 Shuttle(s) and 1 m
Player 6 17,5 15 95 69 63 2 Shuttle(s) and 3 m
Player 7 18 15 95 71 65 2 Shuttle(s) and 5 m
Player 8 18,5 15 95 73 66 2 Shuttle(s) and 6 m
Player 9 19 15 95 75 68 2 Shuttle(s) and 8 m
Player 10 19,5 15 95 77 70 2 Shuttle(s) and 10 m
Player 11 20 15 95 79 72 2 Shuttle(s) and 12 m
Player 12 20,5 15 95 81 74 2 Shuttle(s) and 14 m
Player 13 21 15 95 83 75 2 Shuttle(s) and 15 m
Player 14 21,5 15 95 85 77 2 Shuttle(s) and 17 m
Player 15 22 15 95 87 79 2 Shuttle(s) and 19 m

die Belastungsintensität maximal ist (all-out). Als des Athleten. Folglich ist die Trainingswis-
einer der wenigen wissenschaftlich publizierten senschaft seit jeher bemüht, zusätzlich zu den
Individualisierungsansätze hierzu soll im Fol- bereits beschriebenen Methoden valide sub-
genden der Vorschlag von Buchheit (2008) vor- maximale Orientierungspunkte für die Trai-
gestellt werden. ningssteuerung zu definieren.
Nach Buchheit (2010) kann die Individua- Für freizeitsportliche Läufer bietet sich bei-
lisierung anhand der maximal erreichten Lauf- spielsweise eine Relativierung von Laufschrit-
geschwindigkeit im 30-15-Intermittent-Fit- ten und Atemzyklus (beispielsweise sechs oder
ness-Test (% VIFT) erfolgen (7 Abschn. 3.4 acht Schritte pro Ein- und Ausatmung) an.
und . Tab. 3.13). Hierzu müssen in ein Ex- Dieser sogenannte Schritt-Atem-Zyklus wird
cel-Spread-Sheet (als Smartphone-App oder bei konsequenter Einhaltung zu einer interin-
online zum Download: 7 https://30-15ift.­com/ dividuell weitgehend identischen relativen
downloads/) die Maximalleistung (VIFT), die Ausbelastung bei deutlich höherer Laufge-
gewünschte prozentuale Belastungsintensität schwindigkeit des besser Trainierten führen
(%VIFT) sowie Belastungsdauer und Pausen- und kann mit einigermaßen guter Genauigkeit
dauer eingegeben werden. Die individuelle definierte Intensitätsbereiche ansteuern (Bus-
Streckenlänge und die pro Intervall erforder- kies et al. 1993; Hanakam und Ferrauti 2009;
lichen Richtungswechsel werden automatisch Hanakam 2015).
berechnet (. Tab. 3.13). Trainiert beispiels-
weise ein Kader von 20 Spielern auf einem Praxistipp: subjektive Belastungsdosierung
Parcours mit 30 m Länge, so werden bei iden-
tischer Startlinie unterschiedliche Zielmarkie- Hilfreich sind in der Praxis einfache subjek-
rungen aufgestellt. tive Skalierungen mit linearen Abstufungen
Die fehlerfreie Diagnostik der Maximal- mit drei (leicht, mittel schwer bzw. als Ampel
mit grün, gelb, rot) oder fünf Schritten (sehr
leistung ist zuweilen problematisch und verur-
leicht, leicht, mittel, schwer, sehr schwer)
sacht in der Periodisierung eine unerwünschte oder validierte und publizierte Verfahren
zusätzliche Auslenkung der Gesamtbelastung
Leistungssteuerung
163 3
des Diabetes Mellitus Typ 2) wird eine laktat-
wie die Varianten der RPE-Skala (Rating of schwellenbasierte Trainingssteuerung auch
Perceived Exertion) nach Borg (1998). Dies beim Krafttraining vereinzelt angewendet
kann sowohl im Kraft- als auch im Ausdauer-
training verwendet werden. Es wird bei se-
(Domínguez et al. 2018). In allen Fällen wer-
riöser Handhabung zu einer angemessenen den Prozentabstufungen definierter Schwel-
Individualisierung der Trainingsintensität im lenleistungen oder die unmittelbar zu definier-
Sinne von höheren Belastungen bei besser ten Laktatkonzentrationen korrespondierende
Trainierten und geringeren bei schlechter Leistung für die Festlegung von Trainingsemp-
Trainierten führen (7 Kap. 7, . Tab. 7.9).
fehlungen verwendet (. Abb. 3.72).
In der Praxis sind beim Ausdauertraining
je nach Testprotokoll (speziell bei kurzer Stu-
fendauer) Schwierigkeiten bei der Übertra-
gung auf ein Training nach der Dauermethode
unvermeidlich, sodass die Dosierung stets ei-
ner Feinjustierung in Rücksprache mit dem
Athleten bedarf. Der besondere Vorteil einer
Orientierung an submaximalen Schwellenwer-
ten besteht jedoch darin, dass keine maximale
Ausbelastung erforderlich ist, um die Trai-
Im leistungsorientierten Radsport wird unter ningsempfehlung festzulegen.
anderem das Konzept der Functional Thres- In den Sportspielen kann auf dieser Basis die
hold Power (FTP) verwendet (7 Kap. 7, personifizierte Belastungsdosierung aus prag-
. Tab. 7.8). Hierunter versteht man die maxi- matischen und auch kommunikativen Gründen
male Durchschnittsleistung, die ein Radsport- durch eine Individualisierung auf Gruppen-
ler unter realen Wettkampfbedingungen über ebene mit Spielern ähnlicher Ausdauerleis-
eine definierte Dauer bzw. Strecke realisiert tungsfähigkeit ersetzt werden (. Tab. 3.14).
hat. Prozentual abgestuft von der FTP werden
dann die Wattvorgaben für unterschiedliche
Trainingsinhalte (z. B. GA 2 bei 90–110 %) ab- 3.5.4 Aktuelle Feinjustierung
geleitet (Allen und Coggan 2015). durch Monitoring
Für Leistungsläufer erfolgt eine physio-
logisch begründete Individualisierung der Das Monitoring (Überwachung) von Bela-
Belastungsdosierung häufig auf der Basis des stungs- und Erholungsreaktionen im Sport gilt
ergometrisch bestimmten Verlaufs der Blut- mittlerweile als zentrale Schlüsselstelle im Pro-
laktatkonzentration (7 Abschn. 3.4). Daran an- zess der Individualisierung von Trainingsmaß-
gelehnte submaximale „Schwellenwerte“ (u. a. nahmen (Halson 2014). Im Rahmen intensi-
Mader et al. 1976; Keul et al. 1979; Stegmann vierter Trainingsphasen stehen Trainer häufig
et al. 1981; Hollmann 1999) ermöglichen die vor der Herausforderung, einerseits die Anpas-
Ableitung von individuellen Trainingsemp- sungsprozesse zu maximieren und andererseits
fehlungen für ein Ausdauertraining nach der Überbeanspruchung und Überlastungser-
Dauermethode. Aufgrund fließender Über- scheinungen zu vermeiden (Buchheit et al.
gänge zwischen Ausdauer- und Krafttraining 2013). Im Zusammenspiel von Trainingspla-
im Gesundheitssport (z. B. bei der Therapie nung und -steuerung ist es daher elementar,
164 A. Ferrauti et al.

..      Abb. 3.72 Beispiel 14


für die Ableitung von 13 200
Herzfrequenz
intensiven, extensiven 12 Laktat 180
und regenerativen 11
Trainingsbereichen 10 160

Herzfrequenz (min–1)
Blutlaktat (mmol/l)
anhand einer 9
Herzfrequenz-/ 140
3 Laktatleistungskurve,
8
7
120
orientiert an der 6 intensiv
aerob-anaeroben 5
90–100 %
V4
100
Schwelle (v4). Die extensiv
4 80–90 %
Belastungsintensität regener. 80
3 V4
kann sowohl als 70–80 %
2 60
Geschwindigkeitsinter- V4
1
vall als auch als
0 40
Herzfrequenzbereich Ruhe 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0
abgelesen werden v (m/s)

..      Tab. 3.14 Beispiel für die Aufteilung einer Fußballmannschaft in vier leistungshomogene Trainings-
gruppen (pro Zeile ein Spieler, Trainingsgruppen farbig hervorgehoben) anhand der Ergebnisse eines
Feldstufentests

Grundiagen- Grundiagen- Grundiagen- Grundiagen-


Geschwindigkeit Entwicklungsbereich Entwicklungsbereich
ausdauer 1 ausdauer 1 ausdauer 2 ausdauer 2
bei 4 mmol/l Geschwindigkeit Herzfrequenz
Geschwindigkeit Herzfrequenz Geschwindigkeit Herzfrequenz
[m/s] [m/s] [S/min]
[m/s] [S/min] [m/s] [S/min]
3,51 2,45 - 2,98 166 -175 2,98 - 3,33 175 - 180 3,33 - 3,68 180 - 186
3,53 2,47 - 3,00 164 -168 3,00 - 3,35 168 - 182 3,35 - 3,70 182 - 191
3,60 2,52 - 3,06 148 -169 3,06 - 3,42 169 - 181 3,42 - 3,78 181 - 189
3,64 2,55 - 3,09 160 -170 3,09 - 3,45 170 - 182 3,45 - 3,82 182 - 189
3,65 2,55 - 3,10 156 -173 3,10 - 3,47 173 - 187 3,47 - 3,83 187 - 195
3,68 2,57 - 3,12 142 -171 3,12 - 3,49 171 - 185 3,49 - 3,86 185 - 195
3,70 2,59 - 3,15 138 -154 3,15 - 3,52 154 - 168 3,52 - 3,89 168 - 184
3,77 2,64 - 3,20 151 -173 3,20 - 3,58 173 - 183 3,58 - 3,96 183 - 189
3,78 2,64 - 3,21 142 -162 3,21 - 3,59 162 - 174 3,59 - 3,96 174 - 187
3,84 2,69 - 3,26 135 - 158 3,26 - 3,65 158 - 167 3,65 - 4,03 167 - 176
3,86 2,70 - 3,28 134 - 159 3,28 - 3,67 159 - 168 3,67 - 4,05 168 - 178
3,90 2,73 - 3,32 148 - 170 3,32 - 3,71 170 - 183 3,71 - 4,10 183 - 198
4,09 2,86 - 3,47 146 - 168 3,47 - 3,88 168 - 178 3,88 - 4,29 178 - 185
4,13 2,89 - 3,51 < 152 3,51 - 3,92 152 - 164 3,92 - 4,34 164 - 177
4,21 2,95 - 3,58 140 - 163 3,58 - 4,00 163 - 177 4,00 - 4,42 177 - 189
4,24 2,97 - 3,60 153 - 161 3,60 - 4,03 161 - 172 4,03 - 4,45 172 - 187
4,28 3,00 - 3,64 147 - 174 3,64 - 4,07 174 - 183 4,07 - 4,49 183 - 192
4,30 3,01 - 3,65 134 - 153 3,65 - 4,08 153 - 168 4,08 - 4,51 168 - 185

trainingsinduzierte Wirkungen zeitnah zu re- vorgängen im Leistungssport gerecht zu wer-


gistrieren, um Training und Regeneration be- den (Halson 2014). Vielmehr sind tagesaktuell
darfsgerecht anzupassen. stets kurzfristige Veränderungen in der Trai-
Die bislang beschriebenen Aspekte der Trai- ningssteuerung erforderlich. Diese können eine
ningssteuerung (Sportartspezifität, individuelle Feinjustierung der bestehenden Trainingspla-
Schwerpunktsetzung, angemessene Belastungs- nung bis hin zu einer völligen Umorientierung
dosierung) alleine genügen demnach nicht, um (Einbau einer längeren Regenerationspause)
den hochgradig individuell und unvorherseh- zur Folge haben. Um diese weitreichenden Ent-
bar ablaufenden Belastungs- und Erholungs- scheidungen auf eine möglichst solide Daten-
Leistungssteuerung
165 3
basis zu stellen, werden zunehmend Verfahren
des Trainings- und Athleten-Monitorings (Mo- Das Monitoring soll jedoch keines-
nitoring = Überwachung) entwickelt und in der wegs die tägliche und persönliche
Sportpraxis erprobt. Ein routinemäßiges Moni- Kommunikation zwischen Trainer und
toring ist von entscheidender Bedeutung, um Athleten ersetzen. Im Gegenteil: Die
die Trainingsreaktionen der Athleten zu ver- systematische Datenerhebung umfasst
stehen und fundierte Entscheidungen in Bezug im Idealfall auch ergänzende externe
auf Trainings- und Regenerationsmaßnahmen Faktoren (z. B. berufliche und soziale Rah-
treffen zu können (Halson 2014; Bourdon et al. menbedingungen) und dient vor allem
2017; McGuigan 2017; Coutts et al. 2018). dazu, subjektive Wahrnehmungen sowie
Während in den ausdauerorientierten Sport- intuitive Entscheidungen von Trainer und
arten bereits seit längerer Zeit individuelle Athleten mit objektiven Beobachtungen
zeitreihenstatistische Zugänge verwendet zu ergänzen. Der größte Nutzen für die
werden, steht eine konsequente Umsetzung tägliche Feinjustierung ergibt sich, wenn
in den Sportspielen in Deutschland erst am eine umfassende historische Datenbasis
Anfang. Demgegenüber werden im Ausland des jeweiligen Athleten vorhanden ist.
(u. a. in Großbritannien und Australien) be- Somit können aktuelle Auffälligkeiten im
reits vielfach monitoringbasierte Empfeh- Kontext vorheriger vergleichbarer oder
lungen von Trainingswissenschaftlern vom identischer Situationen bewertet und
Coach für die individuelle Trainingssteue- interpretiert werden.
rung genutzt (Buchheit 2014; Coutts et al.
2018).

Trainings- und Athleten-Monitoring Monitoring verursacht eine Datenflut („Big


Unter einem modernen Trainings- und
Data“) und erfordert intelligente Analyseme-
Athleten-Monitoring versteht man die
thoden und Filtermechanismen, um die für
objektive, tägliche Dokumentation der
den Athleten relevanten Informationen für die
externen Belastung (quantitative Merk-
Trainingssteuerung zu identifizieren und in
male wie Trainingsinhalte und -umfänge
Handlungsszenarien umzusetzen. Keine der
sowie qualitative Merkmale wie Ge-
auf den Markt „einstürmenden“ Softwareent-
schwindigkeiten und Aktivitätscharakte-
wicklungen, Technologien der Datenerhebung
ristika), der internen Beanspruchung bzw.
und Algorithmen der Dateninterpretation sind
Response (z. B. biologische Marker wie
bislang überzeugend. Dies liegt auch an der
Kreatinkinase, Herzfrequenzvariabilität
Vielzahl möglicher Monitoring-Parameter und
und psychometrische Skalierungsver-
deren angemessener Auswahl. Ferner müssen
fahren) und der Leistungsfähigkeit (z. B.
ausreichend viele Baseline-Bestimmungen für
durch Testverfahren, die keine zusätz-
jeden Parameter durchgeführt werden, um
liche Beanspruchung für den Athleten
zwischen zufälligen und „behandlungsbedürf-
verursachen). Hierzu werden einfache
tigen“ Veränderungen (Meaningful Changes)
handschriftliche oder softwaregestützte
zu unterscheiden. Wenn der Entwicklungsver-
Datenerfassungs- und Interpretations-
lauf verschiedener Parameter gegenläufig ist,
systeme mit oder ohne Wearable-Tech-
müssen mehrere Parameter gleichzeitig (mul-
nologien zur automatisierten Daten-
tivariat) interpretiert werden (Julian et al. 2017;
erfassung genutzt.
Thorpe et al. 2017; Hecksteden et al. 2018;
Schneider et al. 2018).
166 A. Ferrauti et al.

Insofern steht die Entwicklung intelligen- Beispiel: Session-RPE und Training Load
ter Lösungen der Trainingssteuerung durch
Monitoring-Daten aktuell erst am Anfang. An- Ein Triathlet absolviert eine moderate, extensive
Trainingseinheit auf dem Rad über 3,5 Stunden
dererseits entwickeln sich neue Technologien
bei einer Session-RPE von 3 (CR-10-Skala).
zur automatisierten Datenerhebung (Wearable Hieraus ergibt sich ein Training Load (oder
Technologies) rasant, sodass in der leistungs- Workload) von 210 min × 3 = 630.
3 sportlichen Praxis Klarheit darüber fehlt, Ein Fußballspieler absolviert ein hochin-
welche Daten zu sinnvollen Aussagen führen tensives Turnierspiel bei einer Session-RPE von
8, das erst in der Verlängerung entschieden
(Cardinale und Varley 2017; Link 2018). Stets
wird. Hieraus ergibt sich ein Training Load (oder
neue Messgrößen und Parameterkonstrukte Match Load) von 120 × 8 = 960.
(z. B. Readiness, Freshness, PlayerLoadTM) ver-
unsichern die Sportpraxis. Derzeit ist Vorsicht
bei der Neuanschaffung von Technologien ge-
boten, da eine unabhängige Evaluierung der Die Erfassung der internen Beanspruchung
Produkte i. d. R. erst erheblich nach der Mark- (. Tab. 3.15) kann objektiv mittels Herzfre-
einführung erfolgt (Sperlich und Holmberg quenzaufzeichnung, bewährter Blutparameter
2017). für die kurzfristige (z. B. Laktat) und die mit-
tel- bzw. langfristig akkumulierte Beanspru-
zz Monitoring-Parameter in der Übersicht chung (z. B. Kreatinkinase bzw. CK, Harnstoff,
Zentrales Ziel des Monitorings ist die Quanti- freies Testosteron, Insulin Like Growth Factor
fizierung der externen Trainingsbelastung, der bzw. IGF-1 und C-reaktives Protein bzw. CRP)
damit einhergehenden internen Beanspru- erfolgen (Urhausen et al. 1995; Hecksteden
chung und der resultierenden Leistungsverän- et al. 2016; Meyer et al. 2016).
derungen (Borresen und Lambert 2009; Buch- Die genannten Parameter sind unter-
heit 2014; Halson 2014). schiedlich sensitiv für Beanspruchungen in
Die Dokumentation der externen Belastung verschiedenen Sportarten: Das Muskelenzym
(. Tab. 3.15) erfolgt unter Berücksichtigung Kreatinkinase (CK) ist z. B. in den Kraft- und
von Belastungsart (Wettkampfbelastungen Schnellkraftsportarten ein guter Indikator für
sind im Vergleich zu Trainingsbelastungen kleinste Muskelschädigungen wie beim Mus-
meist höher einzustufen) und -typ (z. B. die kelkater. In den Ausdauersportarten sind hin-
Disziplinen im Mehrkampf oder unterschied- gegen solche Indikatoren aussagekräftiger, die
liche Trainingsbereiche wie Technik- bzw. Tak- eine erhöhte (katabole) metabolische Bean-
tiktraining). Diese Hauptkategorien werden spruchung (z. B. Harnstoff, freies Testosteron
üblicherweise mit den gängigen Belastungs- und Cortisol) anzeigen. Oft scheitert ein tägli-
normativen (Belastungsdauer, -umfang ches Monitoring auf der Basis dieser Parameter
und -intensität) beschrieben. Neben den ver- jedoch an der Praktikabilität, denn nur selten
fügbaren metrischen Skalierungen zur Belas- kann die Analytik in der gebotenen Messwert-
tungsintensität (z. B. Geschwindigkeit oder dichte angeboten werden. Am weitesten ver-
Wattleistung) werden in der Sportpraxis sub- breitet ist die Analytik von CK und Harnstoff,
jektive Skalierungen, meist basierend auf der da diese Werte einfach und verhältnismäßig
CR-10-Skala nach Borg 1998, verwendet. kostengünstig aus Kapillarblut erhoben wer-
Durch Multiplikation der daraus resultieren- den können. Erfahrungen aus dem Projekt
den Session-RPE mit der Belastungsdauer in „Regenerationsmanagement im Spitzensport
Minuten ergibt sich eine dimensionslose (REGman) zeigen, dass Laborwerte einen we-
Größe für den Workload einer Trainings- oder sentlichen Beitrag zum Ermüdungs-Monito-
Wettkampfbelastung (Foster 1998). ring leisten können. Allerdings sollte vor der
Leistungssteuerung
167 3

..      Tab. 3.15 Ausgewählte Parameter zum täglichen Monitoring von externer Belastung, interner
Beanspruchung und Leistungsveränderungen.

Externe Belastungsart Training, Wettkampf …


Belastung
Belastungstyp bzw. -modalität Laufen, Schwimmen, Kraft …

Belastungsdauer Minuten, Stunden, Tage …

Belastungsumfang und Distanzen (z. B. mittels GPS), Aktivitätsanalysen wie


-inhalte Sprünge, Schüsse oder Würfe, Sonstiges …

Belastungsintensität Geschwindigkeit, Wattleistung, Beschleunigungen,


Sonstiges …

Belastungsindizes Training Load (min × CR-10-RPE)

Interne Blutmarker z. B. Laktat, Kreatinkinase, Harnstoff, freies Testosteron,


Beanspru- Cortisol, IGF-1, CRP
chung
Herzfrequenz und Herzfre- HRRuhe, HRsubmax, HRmax, HRE, HRZonen, RMSSD und weitere
quenzvariabilität (HRV) HRV-Parameter

Training Impuls z. B. Edwards‘ TRIMP (HRZonen × min)

Psychometrie z. B. Profile of Mood States (POMS); Erholungs-­


Belastungs-­Fragebogen für Sportler (REST-Q-Sport);
Delayed Onset of Muscle Soreness (DOMS); Kurzskala
Erholung und Beanspruchung (KEB)

Schlafdiagnostik Qualität und Dauer

Leistungs- Neuromuskuläre Funktion Counter Movement Jump, Drop Jump, Multiple Rebound
indikato- Jump, Reflexaktivität (z. B. Tensiomyographie)
ren
Krafttests MVIC, RM

Submaximale Ausdauertests LSCT, YoYo (HRsubmax)

Sonstiges Körpergewicht, Ernährungsdokumentation

Interpretation einzelner Messwerte stets eine (Dauermethoden) oder standardisierten Be-


solide individuelle Baseline basierend auf meh- lastungsformen deutlich höher, was auf die
reren vorausgehenden Messungen ermittelt verzögerte Reaktion kardialer Messgrößen auf
werden (Hecksteden et al. 2016; Meyer et al. Belastungsänderungen bei der Intervallarbeit
2016, 2020). zurückzuführen ist (Achten und Jeukendrup
Auch die Herzfrequenz wird beim Monito- 2003; De Marées 2003, S. 450; Buchheit et al.
ring im Leistungssport verwendet, da dies me- 2013). Zur Beschreibung der kardiozirkulato-
thodisch vergleichsweise einfach möglich ist rischen Gesamtbeanspruchung über einen de-
(. Tab. 3.15). Zur Beschreibung der akuten Be- finierten Zeitraum wird häufig der „Training
anspruchung eines Trainings wird meist die Impulse“ (TRIMP) nach verschiedenen Me-
durchschnittliche prozentuale Auslastung der thoden berechnet (Borresen und Lambert
maximalen Herzfrequenz (% HRmax) oder die 2009). Edwards‘ TRIMP erfasst die jeweilige
prozentuale Verweildauer in definierten Herz- Belastungsdauer in fünf gleich großen Intensi-
frequenzzonen (HRZonen) verwendet. Die Aus- tätszonen (50–60 % HRmax) und berechnet hie-
sagekraft dieser Parameter ist bei konstanten raus eine Gesamtbeanspruchung.
168 A. Ferrauti et al.

Exkurs: Herzfrequenzvariabilität

Die Herzfrequenzvariabilität beschreibt die Varia- mathematisch als Quadratwurzel des Mittelwertes
tion innerhalb einer definierten Messreihe aufein- der quadrierten Differenzen aller sukzessiven
anderfolgender RR-Intervalle (des EKGs). Eine hohe RR-Intervalle definiert ist. Für eine präzise HRV-Er-
Schlag-zu-Schlag-Variabilität wird als positiver fassung sind die messmethodischen Rahmen-
3 Indikator für die Anpassungsfähigkeit des auto-
nomen Nervensystems verstanden (Achten und
bedingungen (z. B. Tageszeit, Erfassungsdauer,
Körperlage) unbedingt konstant zu halten (Horn
Jeukendrup 2003; Horn 2003; Hottenrott 2014). Ein 2003). Tagesaktuelle Einzelwerte sind trotzdem
Abfall der HRV spricht i. d. R. für eine dauerhafte häufig mit einer hohen biologischen Variabilität
Überbeanspruchung (Übertrainingssyndrom) und und einem hohen „Messfehler“ behaftet. Folglich
sollte in der Trainingssteuerung zu einer Belas- hat sich die Analyse gleitender Wochenmittelwerte
tungsreduktion führen (Achten und Jeukendrup im Sinne einer kontinuierlichen Trendanalyse be-
2003; Borresen und Lambert 2009; Buchheit 2014). währt (Le Meur et al. 2013; Buchheit 2014; Plews
Zur Quantifizierung der Schlag-zu-Schlag-Varia- et al. 2014). Bei hohen metabolischen Anforde-
bilität werden zahlreiche HRV-Indizes verwendet. rungen ist ein Orthostase-Test mit Messung des
In der angewandten Trainingsforschung ist der Übergangs vom Liegen zum Stehen aussagekräftig
RMSSD (Root Mean Square of Successive Differen- (Schneider et al. 2019).
ces) der international geläufigste Parameter, der

Herzfrequenzbezogene Parameter liefern einen (z. B. morgens nach dem Erwachen und einem
nichtinvasiven Einblick in überdauernde Ver- Toilettengang bei identischer Körperlage), um
änderungen des kardial-autonomen Nerven- aussagekräftige Ergebnisse zu gewinnen. Das
systems (ANS) und damit in die Reaktionsbe- primäre Einsatzgebiet sind die ausdauerorien-
reitschaft von Sympathikus und insbesondere tierten Sportarten, da hier der Zusammenhang
Parasympathikus. Die hier verwendeten Para- zum autonomen Nervensystem am engsten ist
meter sind die Ruheherzfrequenz (HRRuhe), (Buchheit 2014) oder in Trainingssituationen
die submaximale Herzfrequenz (HRsubmax), mit speziellen Rahmenbedingungen (z. B. in
die Erholungsherzfrequenz (HRE, bzw. Heart der Höhe oder in großer Hitze) und besonders
Rate Recovery, HRR) und verschiedene Grö- hohen Belastungen (z. B. Trainingslager, Tur-
ßen der Herzfrequenzvariabilität (HRV). Die niere) (Schneider et al. 2018).
Geschwindigkeit des Herzfrequenzabfalls nach
intensiven Belastungen und eine niedrige Ru-
Praxistipp: Submaximale Herzfrequenz
heherzfrequenz können Indikatoren für einen
guten Regenerationsstatus sein. Allerdings be- Eine Sonderstellung nimmt die submaximale
steht noch Diskussionsbedarf hinsichtlich ide- Herzfrequenz (HRsubmax) ein. Sie besitzt gegen-
aler Belastungsprotokolle für die Messung von über den oben genannten Messgrößen ent-
HRE bzw. HRR (Buchheit 2014). Eine standar- scheidende Vorteile in der Sportpraxis, da sie
unter Anleitung und Beobachtung des Trainers
disierte Erfassung der Ruheherzfrequenz ist in
an der Trainingsstätte während eines standar-
der Praxis nur schwer über einen langen Zeit- disierten Aufwärmens erhoben werden kann.
raum sicherzustellen. In der Gesamtheit zeigt Dies ist vor allem im Bereich der Sportspiele in-
sich daher, dass herzfrequenzbasierte Messgrö- teressant: Hier können von den Spielern ohne
ßen nur unter strenger Einhaltung der mess- Aufsicht und zu Hause nur selten zuverlässige
Daten zur Ruheherzfrequenz und zur HRV
methodischen Rahmenbedingungen aussage-
gewonnen werden (Buchheit 2014). Im Mann-
kräftig sind. Speziell die HRV (s. Exkurs), aber schaftsverbund lässt sich das gemeinsame
auch die Ruheherzfrequenz müssen stets unter Warm-up nutzen, um unter stets einheitlichen
konstanten Bedingungen erhoben werden
Leistungssteuerung
169 3
tels visueller Analogskalen verfahren werden
Bedingungen (z. B. 4–5 min mit 10 km/h oder (Langley und Shephard 1985). Die in der Pra-
die ersten 6 min der Yo-Yo Tests) und ohne xis bewährte DOMS-Skala („Delayed Onset of
zusätzlichen Zeitverlust die submaximale Herz-
frequenz zu erfassen. Der Vorteil dieser Mes-
Muscle Soreness“) besteht aus einer nicht weiter
sung besteht auch darin, dass die Ergebnisse unterteilten Linie, auf welcher der Athlet sein
unter moderater Belastung stabiler gegenüber aktuelles Empfinden zwischen den Endpunkten
Stör- und Einflussgrößen abgeschirmt sind „kein Schmerz“ und „unerträglicher Schmerz“
als unter Ruhebedingungen (Bradley et al. analog (Paper-and-Pencil-­ Methode) oder per
2011). Der Nachteil liegt wie bei allen herz-
frequenzbasierten Parametern darin, dass eine
Software einträgt. Psychometrische Skalen
Abnahme nicht immer eindeutig interpretiert könnte man fast als „Goldstandard“ der Ermü-
werden kann. So kann dies gleichermaßen ein dungsdiagnostik ansehen, wenn sie von den
Indikator für eine langfristige Leistungsver- Athleten nicht leicht „durchschaubar“ wären.
besserung, aber auch für eine akute Ermü- So kann ein interessengeleiteter Sportler, der
dung sein (Schneider et al. 2018). Um dieser
Interpretationsproblematik entgegenzuwirken,
beispielsweise in Kürze an einem Wettkampf
eignet sich vor allem das gleichzeitige Erfragen teilnehmen möchte, die Absicht haben, seine
des Anstrengungsempfinden mittels RPE-Skala Ermüdung zu „verschleiern“ (Meyer et al. 2016).
(Buchheit 2014; Bellenger et al. 2016). Die sportartspezifische Leistungsfähigkeit
Neuere Ansätze in den Spielsportarten und Trainingsbereitschaft sollte im Idealfall
beschäftigen sich bereits damit, im Rahmen
von Kleinfeldspielen (Small Sided Games)
die primäre Größe für die Trainingssteuerung
externe (GPS und Accelerometrie) und interne sein. Wiederholte hochvolumige und/oder -in-
(Herzfrequenz) Belastungsgrößen zu einem tensive Beanspruchungen verursachen Aus-
sogenannten Fitness-Index zu verrechnen. lenkungen in verschiedenen Funktionssyste-
(Lacome et al. 2018). men (z. B. Glykogenentleerung oder autonome
Dysregulation des Herz-­Kreislauf-­Systems)
und führen zu einer vorübergehenden Ab-
Psychometrische Skalen weisen für Athleten senkung der Leistungsfähigkeit (Meyer et al.
und Betreuer eine hohe Praktikabilität hinsicht- 2016). Für das tägliche Monitoring stehen je-
lich der Erfassung von Ermüdung und Erholung doch nur wenige Testverfahren zur Verfügung,
auf. Verschiedene standardisierte Verfahren sind da die meisten leistungsdiagnostischen Unter-
zeitökonomisch und für den Athleten wenig suchungen eine maximale Ausbelastung erfor-
belastend (. Abb. 3.73). Sie geben Einblick in dern und demnach ungeeignet sowie unver-
den aktuellen individuellen psychophysischen träglich für den Athleten sind. Geeignet sind
Beanspruchungszustand und unterstützen die daher solche Leistungsindikatoren, die ohne
Trainingssteuerung erheblich. Trotz allem be- nennenswerte Beanspruchung des Sportlers
darf es einer situationsangemessenen Auswahl und ohne Störung von Trainingspraxis und Re-
der publizierten Methoden (. Tab. 3.15). Der generationsverlauf einfach und regelmäßig er-
„Erholungs-­Belastungs-­Fragebogen für Sport- hoben werden können sowie gleichzeitig eine
ler“ (REST-Q-Sport; Kellmann und Kallus hohe Sensitivität für die sportartspezifische
2016) und das „Profile of Mood States“ (POMS; Leistungsfähigkeit aufweisen (. Abb. 3.75).
McNair et al. 1992) sind für ein engmaschiges Zahlreiche Untersuchungen der eigenen Ar-
Monitoring aufgrund ihres Umfangs ungeeig- beitsgruppe widmeten sich in der jüngeren
net. Aus sportpraktischer Sicht empfehlenswer- Vergangenheit dieser Frage (Wiewelhove et al.
ter ist die „Kurzskala Erholung und Beanspru- 2015; de Paula Simola et al. 2015, 2016; Ham-
chung“ (KEB, Hitzschke et al. 2015), die nur mes et al. 2016; Hecksteden et al. 2016; Raeder
acht relevante Items beinhaltet und in nur einer et al. 2016; Schneider et al. 2019).
Minute ausgefüllt werden kann (. Abb. 3.73 Die beschriebene Anforderung wird gemäß
und 3.74). Liegt der Fokus primär auf der Erfas- unserer Untersuchungsergebnisse in den schnell-
sung von Muskelkater, kann noch rascher mit- kraftdeterminierten Sportarten und in den
170 A. Ferrauti et al.

3 Code

Datum, Uhrzeit

Kurzskala Erholung
Im Folgenden geht es um verschiedene Facetten Ihres derzeitigen Erholungszustandes.
Die Ausprägung „trifft voll zu“ symbolisiert dabei den besten von Ihnen jemals erreichten
Erholungszustand.

Körperliche
Leistungsfähigkeit
trifft
z. B. trifft
gar nicht
kraftvoll, voll zu
zu
leistungsfähig, 0 1 2 3 4 5 6
energiegeladen,
voller Power

Mentale
Leistungsfähigkeit trifft
z. B. trifft
gar nicht
voll zu
aufmerksam, zu
0 1 2 3 4 5 6
aufnahmefähig,
konzentriert,
mental hellwach

Emotionale
Ausgeglichenheit trifft
trifft
z. B. gar nicht
voll zu
zufrieden, zu
0 1 2 3 4 5 6
ausgeglichen,
gut gelaunt,
alles im Griff habend

Allgemeiner
Erholungszustand trifft
trifft
z. B. gar nicht
voll zu
erholt, zu
0 1 2 3 4 5 6
ausgeruht, muskulär
locker, körperlich
entspannt

..      Abb. 3.73 Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB, Seite 1) mit vier Items zum Erholungsstatus. Seite 2
bildet die Items zur Beanspruchung ab (Hitzschke et al. 2015)
Leistungssteuerung
171 3

..      Abb. 3.74 Jugendliche während eines Trainingslagers ..      Abb. 3.75 Messung von Sprungleistung und
beim Ausfüllen des KEB. In diesem Alter besitzt die aktive submaximaler Herzfrequenz zu Beginn jedes Trainings-
Auseinandersetzung der Athleten mit den Bereichen tages während eines Trainingslagers, um kurzfristig auf
Monitoring und Trainingssteuerung auch eine wichtige individuelle Auffälligkeiten reagieren zu können
pädagogische Komponente auf dem mühsamen Weg
zum „mündigen Athleten“ (Hitzschke et al. 2015)
isometrischen Kraft (MVIC) oder des Mehrfach-­
Wiederholungsmaximums ist hingegen aus mess-
Sportspielen (Wiewelhove et al. 2015) nur durch methodischen und pragmatischen Gründen nur
neuromuskuläre Funktionstests (z. B. Coun- für wenige Kraftsportler denkbar (Brzycki 1993;
ter Movement Jump, Drop Jump oder Multiple de Paula Simola et al. 2015; Raeder et al. 2016).
Rebound Jump; . Abb. 3.75) oder durch die in- Für die ausdauerorientierten Sportarten (Ham-
direkte Bestimmung der muskulären kontrak- mes et al. 2016) sowie für die Sportspiele (Bradley
tilen Eigenschaften (beispielsweise mittels Ten- et al. 2011; Schneider et al. 2018) bieten sich zu-
siomyographie) erfüllt (de Paula Simola et al. sätzlich standardisierte submaximale Testverfah-
2016). Die einmalige Messung der maximalen ren an (7 Abschn. 3.4, . Tab. 3.9 und . Abb. 3.57).

Exkurs: Tensiomyographie (TMG)

Die Tensiomyographie (TMG) misst die Verformung


des Muskelbauches während einer Kontraktion und
gibt somit Aufschluss über die Muskelkontraktilität.
Dazu wird eine Sonde von außen auf den Muskel-
bauch aufgesetzt und Elektroden werden ober- und
unterhalb des Sensors angebracht. Aus den Daten des
Messsensors lassen sich mithilfe einer speziellen Soft-
ware das Ausmaß der Muskelverformung, die Verzö-
gerungszeit und die Geschwindigkeit der Muskelkon-
traktion sowie die Kontraktionsdauer als Folge einer
perkutan eingeleiteten Muskelkontraktion ermitteln.
Die Ergebnisse unterscheiden sich zwischen Kraft- und
Ausdauersportlern und bilden die Muskelermüdung
nach einem intensiven Krafttraining ab. Nur bei hoher
Standardisierung des Messvorgangs und Bedienung
der Apparatur durch einen erfahrenen Diagnostiker ..      Abb. 3.76 Tensiomyographie am M. vastus
lassen sich brauchbare und reliable Ergebnisse er- medialis des M. quadriceps femoris. Ein standardi-
zielen. Wenn diese Voraussetzungen in der Sportpraxis sierter Impuls wird über Elektroden appliziert; die
erfüllt werden, besitzt die Methode Vorteile, da sie für Federsonde misst die Muskelkontraktion im
den Athleten sehr verträglich abläuft (. Abb. 3.76). Zeitverlauf (de Paula Simola et al. 2015, 2016)
172 A. Ferrauti et al.

Auf submaximaler Ebene ist die Herzfrequenz während eines Mikrozyklus (Acute Workload),
ein relativ einfach zu erfassender Parame- sondern auch als Durchschnittsbelastung über
ter, der bei definierter Belastung und weitge- einen definierten längeren Trainingszeitraum
hend standardisierten Umgebungsbedingungen (Chronic Workload) erfasst werden. Hierzu
(Flüssigkeitsaufnahme, Temperatur, Tageszeit; wird meist der gleitende Mittelwert über drei
ggf. Medikation) wertvolle Informationen liefert bis vier Wochen Trainingsdauer berechnet.
3 (s. Praxistipp). Veränderungen der Herzfrequenz Dem Verhältnis zwischen der akuten und der
bei gegebener Belastung können ein Indika- chronischen Trainingsbelastung wurde ein enger
tor für eine veränderte Leistungsfähigkeit, aber Zusammenhang zur Verletzungsinzidenz zuge-
auch ein Frühwarnzeichen für Ermüdung oder schrieben (Blanch und Gabbett 2016; Gabbett
Erkrankungen sein (Bradley et al. 2011; Buch- 2016). Solange sich die akute Belastung auf dem
heit 2014). Die Messung kann sehr praxisnah in üblichen Niveau bewegt, soll bleibt die Wahr-
das Warm-up integriert werden (s. Exkurs). Ein scheinlichkeit für ein Verletzungsereignis gering
Anwendungsbeispiel im Radsport ist der Lam- bleiben. Erst wenn die akute Belastung das Ein-
bert-and-Lamberts-Submaximal-Cycle-Test einhalbfache der chronischen Belastung über-
(LSCT, . Abb. 3.55). Die Interpretation von Ver- schreitet, kann von einem nennenswert erhöhten
änderungen der submaximalen Herzfrequenz Risiko ausgegangen werden (. Abb. 3.77 und
bei gegebener Laufleistung bzw. der Wattleistung 3.78). Eine deutliche Unterschreitung der chroni-
sowie definierten submaximalen Herzfrequen- schen Belastungen ist ebenfalls suboptimal. Hier-
zen erfordert jedoch zusätzliche Informationen durch kann es zu einem raschen Fitness- und
und Erfahrungen (Hammes et al. 2016). Leistungsverlust kommen, der wiederum für ein
gesteigertes Verletzungsrisiko verantwortlich
zz Acute versus Chronic Workload sein kann. Die konkreten Angaben für „opti-
Die Trainingsbelastung (Workload) sollte im male“ Belastungen und gesteigertes Verletzungs-
Rahmen des Monitorings nicht nur akut zur risiko sind natürlich nur als allgemeine Richtli-
Beschreibung der Belastung an einem Tag oder nien zu verstehen, welche je nach Sportart,

..      Abb. 3.77 Propa-


gierter Zusammenhang 25
zwischen dem
Verletzungswahrscheinlichkeit (%)

Verhältnis der akuten


zur chronischen 20
Belastung und der
Wahrscheinlichkeit für
ein Verletzungsereignis 15
(nach Blanch und
Gabbett 2016 und nach
Gabbett 2016). 10

0
0,5 1,0 1,5 2,0
Verhältnis akute:chronische Belastung
Leistungssteuerung
173 3
10-Wochen-Mesozyklus
800 3,0
Acute Load
Chronic Load 2,5
600

Acute:Chronic Load
Acute:Chronic Load
2,0
Session-RPE

400 1,5

1,0
200
0,5

0 0
1 4 7 10 16 22 28 34 40 46 52 58 64 70
Trainingstage

..      Abb. 3.78 Fallbeispiel für das Trainings-Monito- (Acute:Chronic <1,5) und im Rahmen der chronischen
ring eines Freizeitsportlers in der Vorbereitung auf Belastung. Ein Vorbereitungslauf (Halbmarathonwett-
einen Halbmarathon (Acute Load = blaue Linie; kampf ) führt am 36. Trainingstag zu einem erneuten
Chronic Load = grüne Fläche; Acute:Chronic Load = Risikoanstieg (Acute:Chronic = 1,7). Die Folge ist eine
rote Linie). Die Trainingsbelastung wird am Anfang zu unmittelbar anschließende Erkältung und eine
plötzlich gesteigert, sodass nach sieben Trainingsta- viertägige Trainingspause. In der Taper-Phase
gen ein erhöhtes Risiko (Acute:Chronic ca. 3,0) beginnend nach ca. 60 Tagen sinkt die Trainingsbelas-
entsteht. In der Folge bleibt das Verhältnis der akuten tung erkennbar ab
zur chronischen Belastung im sog. „Sweet Spot“

Trainingshistorie, Athlet und der verwendeten zz Monitoring zur Trainingssteuerung in


Berechnungsformeln variieren können. Folglich der Sportpraxis:
stehen die von Gabbett vertretenen starren Vor- Zur Dokumentation von Belastung, Bean-
gaben sowie deren theoretische und methodische spruchung und Leistungsveränderungen so-
Begründung zu Recht stark in der Kritik der wie von Körpergewicht und Ernährung (Ka-
Scientific Community. lorienbilanz, Nahrungssupplemente) stehen
inzwischen verschiedene kommerzielle On-
Praxistipp line-Plattformen zur Verfügung. Individuell
maßgeschneiderte Erfassungssysteme kön-
Jede abrupte Veränderung der Trainingsgewohn-
heiten ist mit einem erhöhten Risiko verbunden.
nen nach wie vor auf Excel-Basis gestaltet
Folglich sollte die Trainingsbelastung nicht werden (7 https://www.youtube.­com/user/Ex-
plötzlich, sondern kontinuierlich innerhalb einer celTricksforSports). Selbst die klassische „Pa-
Trainingsphase (z. B. einem Mesozyklus über drei per-and-Pencil-Methode“ kann in bestimm-
Monate) gesteigert werden. Hochleistungsathleten ten Situationen sinnvoll sein. Die von
tolerieren auch extrem hohe Trainingsbelastungen
beschwerdefrei, sofern der Organismus chronisch
unserer Projektgruppe entwickelte Monito-
an diesen Workload gewöhnt ist. Folglich ist nicht ring-Plattform REGmon (Rasche und Pfeif-
die absolute Höhe der Belastung, sondern die fer 2020) ermöglicht die Zusammenstellung
Belastungsgewöhnung entscheidend dafür, ob ein sehr individueller Lösungen für Athleten aus
Athlet beschwerdefrei bleibt. Dies gilt selbstver- zahlreichen Sportarten und steht Kaderath-
ständlich nur für Verletzungen (z. B. Muskelverlet-
zungen) und Erkrankungen (z. B. Erkältung), die
leten des DOSB auf Nachfrage zur Verfü-
ohne äußerliche Einwirkung entstehen. gung (. Abb. 3.79; 7 http://regman.­org; reg-
mon@lists.uni-mainz.de).
174 A. Ferrauti et al.

..      Abb. 3.79 Screenshot mit Eingabe- und Ausgabe- Trainingsdokumentation als auch die Belastungs- und
fenster der Datenbank REGmon. Der Athlet kann über die Beanspruchungsdokumentation vornehmen und sich die
Kalenderfunktion aus einer vorprogrammierten Auswahl Ergebnisse in jedem gewünschten Zeitintervall darstellen
von individuell angemessenen Parametern sowohl die lassen (7 https://doi.org/10.1007/000-04v)
Leistungssteuerung
175 3
Praxistipp: Online-Trainingsdokumentation schalindizes propagieren (z. B. Readiness). Im
durch GPS Sinne eines „Schnelltesters“ vermitteln sie dem
Sportler klare Handlungsempfehlungen darü-
Die Trainingsdokumentation besitzt in den Aus- ber, ob er sein Training unbeschwert fortsetzen
dauersportarten eine lange Tradition. Athleten
kann (Ampel auf Grün) oder den Training
nutzen inzwischen diverse Plattformen im
Internet, um ihre akkumulierte Trainingsleistung Load dringend reduzieren soll (Ampel auf
abzubilden und mit anderen Sportlern zu verglei- Rot). Hier sollte stets im Einzelfall kritisch ge-
chen. Dies wird inzwischen durch GPS-gestützte prüft werden, ob das System wissenschaftlich
Systeme vereinfacht, die weltweit alle gängigen ausgereift ist und folgenden Anforderungen
Lauf- oder Radstrecken kennen. Hierbei wird jeder
genügt:
angemeldete Teilnehmer des entsprechenden
Internetforums, der ein bekanntes Strecken- 1. Nachgewiesene Evidenz der erfassten
segment im Training passiert hat, mit der dabei Parameter für das Belastungs- und
realisierten Leistung in einem Ranking abgebildet Erholungs-Monitoring in verschiede-
(. Abb. 3.80). Jeder Athlet erhält auf diese Weise nen Sportarten.
eine aussagekräftige Rückmeldung über die absol-
2. Individualisierte und ausreichend
vierte Trainingsleistung. Zusätzlich befindet er sich
durch die Öffentlichkeit, in die er sich begibt, auch repräsentative Baseline-Messung für
während seines Trainings stets in einem virtuellen alle interpretierten Parameter in
Wettkampf gegen sich selbst und gegen andere definierten gut erholten und hochbe-
Teilnehmer der Ausdauer-Community. Erfahrun- lasteten Zuständen.
gen zeigen, dass der Trainingsumfang durch die
3. Plausibel statistisch begründete Abgren-
Dokumentation von Training steigt; die Trainings-
intensität wird durch die öffentliche Zugänglich- zung zwischen zufälligen und überzufäl-
keit der Trainingsleistung ebenfalls erhöht. In den ligen Abweichungen tagesaktueller Mess-
Ausdauersportarten, in denen ein hoher Trainings- werte von der individuellen Baseline
umfang eine wesentliche Leistungsvoraussetzung (univariate Beurteilungsgenauigkeit).
ist, kann dieses Medium funktionell sinnvoll
4. Plausibel statistisch oder theoretisch
genutzt werden. Eine Trainingsdokumentation
sollte auch in anderen Sportarten schon frühzeitig begründete Abwägung mehrerer
von den verantwortlichen Trainern bei leistungs- gleichzeitig erhobener Parameter
sportlich orientierten Kindern und Jugendlichen (multivariate Beurteilungsgenauigkeit).
eingeführt werden, damit sie auf dem Weg zum
mündigen Athleten bereits in jungem Alter ent-
Anforderung 1 In eigenen Untersuchungen
sprechende Kompetenzen entwickeln.
(u. a. Wiewelhove et al. 2015; Hecksteden et al.
2016; Meyer et al. 2016; Raeder et al. 2016)
konnten wir die unterschiedliche Sensitivität
Zwischen Trainingsdokumentation und indi- ausgewählter Ermüdungsparameter für ver-
vidualisierter Trainingssteuerung existieren in schiedene Sportartengruppen bereits feststellen.
der Sportpraxis derzeit noch zahlreiche im De- Während psychometrische Verfahren sehr gut,
tail ungeklärte Entscheidungsschritte, die eine aber wenig differenzierend für alle Belastungs-
„programmgesteuerte“ bzw. softwaregestützte formen praktikabel einsetzbar sind, können nur
Ableitung von Praxisempfehlungen erschwe- wenige Leistungsindizes regelmäßig in der Pra-
ren. Andererseits wächst die Anzahl der Her- xis eingesetzt werden (. Tab. 3.15). Verschie-
steller von Kleingeräten oder Applikationen, dene bekannte Labormarker können gut im
die sich unterschiedlicher Messgrößen bedie- Ausdauersport eingesetzt werden (z. B. Harn-
nen (z. B. Muskelreflexaktivität oder HRV, u. a. stoff, IGF-1, CK, freies Testosteron, Cortisol und
gemessen durch die Kamera des Mobiltele- CRP), im Kraft- und Schnellkraftsport sowie in
fons) und auf der Basis unbekannter und un- den Sportspielen sind hingegen nur CK und mit
veröffentlichter Algorithmen integrative Pau- Abstrichen CRP geeignet.
176 A. Ferrauti et al.

Rang Name Datum Geschwindigkeit HF Leistung Zeit


... ... ...
76 01. Apr 17 36,6km/h 176bpm 232W Powermeter 39:49:00
77 01. Apr 17 36,5km/h 183bpm 268W Powermeter 39:53:00
77 01. Apr 17 36,5km/h 177bpm 285W 39:53:00
79 36,5km/h 167bpm 284W 39:55:00
80 01. Apr 17 36,4km/h 162bpm 301W Powermeter 40:00:00
81 01. Apr 17 36,2km/h 163bpm 292W 40:16:00

3
82 01. Apr 17 35,8km/h 169bpm 300W 40:42:00
...
104 01. Apr 17 32,6km/h 176bpm 258W Powermeter 44:45:00
105 01. Apr 17 32,5km/h 171bpm 222W Powermeter 44:46:00
106 01. Apr 17 30,8km/h - 234W 47:20:00
107 24.Nov 17 30,6km/h 169bpm 231W 47:36:00
108 01. Apr 17 30,0km/h - - 48:31:00
109 01. Apr 17 28,8km/h 143bpm 188W 50:40:00
110 29. Sep 17 28,3km/h - - 51:25:00
29. Sep 17 28,3km/h - 175W 51:25:00
112 23. Feb 17 27,5km/h 133bpm 181W 52:57:00
113 25. Mai 17 24,5km/h - - 59:23:00
114 23. Aug 17 23,7km/h - - 01:01:36
115 28. Feb 17 21,2km/h - 137W 01:08:35

..      Abb. 3.80 Eines von unendlich vielen Radfahrseg- die diese Strecke passiert haben. Weiter oben im Ranking
menten mit Streckenverlauf und Höhenprofil sowie ein befinden sich meist Fahrer, die die Strecke zusätzlich mit
Auszug aus der sehr langen Rangliste von Trainierenden, Powermeter und Herzfrequenzmonitor absolvieren

Anforderung 2 Bei sämtlichen Markern kann Jump „zufällig“ sein oder bereits ein Alarmsig-
von einer hohen interindividuellen Merkmals- nal darstellen. Zur Erleichterung und Standardi-
varianz ausgegangen werden. Dies liegt an der sierung dieser wichtigen Entscheidung bei der
unterschiedlichen Interpretation von psycho- Betrachtung eines Parameters (univariate Beur-
metrischen Skalen (Neigung zu Extremwerten teilung) können z. B. effektstärken- und/oder
versus Tendenz zur Mitte), dem persönlichen messfehlerbasierte Statistiken verwendet wer-
Leistungsspektrum bei sportmotorischen Tests den. So muss eine individuelle Veränderung
(z. B. Sprungleistungen im Counter Movement mindestens einen praktisch bedeutsamen
Jump) und der hohen Individualität physiologi- Grenzwert (eine Verbesserung der 20-m-Sprint-
scher Reaktionen (z. B. sog. „Responder“ und leistung im Fußball sollte mindestens 0,03–
„Non-Responder“ bei CK-Auslenkungen). 0,06 s umfassen, damit die Chancen steigen, im
Folglich wird vorgeschlagen, dass alle Parameter Zweikampf den Ball zu erobern; Haugen und
zunächst für jeden Sportler in ausreichender Buchheit 2016) und/oder den testspezifischen
Messwiederholung für definierte Rahmenbe- Messfehler überschreiten (Hopkins 2004).
dingungen (vollständig erholt versus komplett Liegen wie bei den klassischen Labormar-
ermüdet) bestimmt werden (vgl. Hecksteden kern (z. B. CK) bereits im Vorfeld erhobene a
et al. 2017). Erst wenn diese individuellen Base- priori-Verteilungen für große Stichproben so-
line-Normwerte vorliegen, kann der nächste wie zusätzlich eine Reihe von individuellen
Schritt zur Feinjustierung der Trainingssteue- Messwerten in erholtem und ermüdeten Zu-
rung mit einer gesteigerten Sicherheit vollzogen stand vor, so kann die Normwertindividuali-
werden. sierung und die Definition entsprechender
Korridore für „ermüdet“ und „erholt“ auch
Anforderung 3 Selbst für den Fall, dass eine mittels der „Bayes‘schen Statistik“ bzw. „Baye-
individuelle Baseline vorliegt, stellt sich die sianischen Statistik“ erfolgen (Meyer et al.
Frage, wie groß die Abweichung eines Parame- 2016, 2020; Hecksteden et al. 2017, 2018).
ters von der Norm sein muss, um für die Trai- Diese Form der Wahrscheinlichkeitsrechnung
ningssteuerung relevant zu sein. So kann ein definiert, ausgehend von einer gruppenbasier-
Leistungsabfall von 3 cm im Counter Movement ten a priori-Verteilung, eine individuelle a pos-
Leistungssteuerung
177 3
600

500
Kreatinkinase (U/l)

400

300

200

100

0
Population Messung 1 Messung 2 Messung 3 Messung 4 Messung 5

..      Abb. 3.81 Normwertindividualisierung am mehreren Messwiederholungen individuelle a


Beispiel der Kreatinkinase (CK). Die a priori-Verteilung posteriori-Korridore. Messwerte oberhalb des
der Gesamtpopulation ist zunächst sehr breit. Aus den rotfarbenen Korridors (z. B. > 300 U/l) zeigen für diesen
individuellen Messwerten im erholten (blau) und im Athleten im Rahmen der Trainingssteuerung
ermüdeten Zustand (orange) berechnen sich nach Regenerationsbedarf an (Meyer et al. 2016, 29)

teriori-Verteilung und damit individuelle Kor- Betrachtungskaskade von Psychometrie, Leis-


ridore für den erholten oder ermüdeten tung und Labormarkern sind hierzu ein erster
Zustand (. Abb. 3.81). möglicher Schritt.
Zusammenfassend besitzt das Monitoring
Anforderung 4 Liegen Daten aus unter- eine wichtige Funktion im Sinne einer Fein-
schiedlichen Messverfahren vor (multivariate justierung und Individualisierung der Trai-
Beurteilung), kann die Interpretation für die ningssteuerung. Vorsicht ist jedoch vor unse-
Trainingssteuerung erleichtert werden, wenn riösen Verfahren geboten, die den genannten
alle Parameter in der gleichen Richtung aus- Anforderungen nicht entsprechen. Die Wei-
schlagen (z. B. ein Abfall der Leistung im terentwicklung neuer Parameter und multiva-
Counter Movement Jump, ein Abfall der sub- riater Verfahren der Entscheidungsfindung
maximalen Herzfrequenz, hohe CK-Werte bleibt mit Spannung abzuwarten, obwohl
außerhalb der individuellen Norm, Muskel- reine „Blackbox-Entscheidungen“ auch in Zu-
schmerzen und geringe allgemeine Leistungs- kunft (glücklicherweise) utopisch bleiben
bereitschaft im KEB). Problematisch wird die und in der Sportpraxis zudem auf wenig Re-
Entscheidungsfindung jedoch, wenn die Ver- sonanz stoßen werden. Folglich kann für die
änderungen tendenziell unterschiedlich ausfal- Sportpraxis nur empfohlen werden, dass
len. Bei mehreren Parametern ist nicht immer Handlungsentscheidungen im Rahmen der
eindeutig festzulegen, wie eine Veränderung Trainingssteuerung zukünftig nicht vollends
zu interpretieren ist. Dies trifft zum Beispiel automatisiert, sondern stets im vertrauens-
auf die submaximale Herzfrequenz zu (s. Pra- vollen Diskurs zwischen Athlet und Trainer
xistipp). Zukünftig sind folglich die trainings- sowie dem sportwissenschaftlichen Betreuer-
wissenschaftlichen Bemühungen hinsichtlich stab auf der Basis der erhobenen Messwerte
einer multivariaten Betrachtung zu verstärken. getroffen werden sollten.
Einfache Entscheidungsbäume mit festgelegter
178 A. Ferrauti et al.

3.6  ufgaben zur Nachbereitung


A 5. Absolvieren Sie den Deutschen Moto-
des Kapitels rik-Test (DMT) 2-mal und reflektieren Sie
die Reliabilität der einzelnen Testverfah-
ren. Berechnen Sie die prozentualen
Leistungsveränderungen zwischen Pre-
und Post-Test. Welche Einzeltests weisen
3 die geringste Zuverlässigkeit auf?
6. Erstellen Sie eine valide Testbatterie für die
von Ihnen favorisierte Sportart. Zu
welchen Zeitpunkten sollte diese Testbat-
terie absolviert werden?
7. Benennen Sie allgemeine Leitlinien und
sportartspezifische Schwerpunkte der Trai-
ningssteuerung für eine Sportart Ihrer
Wahl und erstellen Sie einen Mikrozyklus
für diese Sportart.
8. Gestalten Sie für sich eine praktikable
Auswahl von Monitoring-Parametern und
dokumentieren Sie Ihr eigenes Training
über einen Zeitraum von zwei Wochen.
9. Richtig oder falsch?
55 Leistungssteuerung erfolgt sowohl aus
einer kurz- als auch einer langfristigen
Perspektive.
1. Nehmen Sie gemäß . Abb. 3.12 eine 55 Wichtige Eckpfeiler der Leistungssteue-
prozentuale Gewichtung der Leistungs- rung sind Wettkampfanalyse, Leis-
komponenten für die Sportarten Windsur- tungsdiagnostik und Trainingssteue-
fen, Bobfahren (Anschieber), Bogenschie- rung.
ßen, Handball und Badminton vor und 55 Zur täglichen Feinjustierung der
begründen Sie diese in kurzen Worten. Trainingssteuerung sind Trainingsdo-
Erläutern Sie in dem Zusammenhang die kumentation und zusätzliche Monito-
Interaktion zwischen technischen und ring-Daten hilfreich.
taktischen Komponenten. 55 Ist-Sollwert-Vergleiche von individuel-
2. Recherchieren Sie in der wissenschaftli- len leistungsdiagnostischen Befunden
chen Literatur Daten zum Belastungs- und mit alters- und geschlechtsspezifischen
Beanspruchungsprofil Ihrer favorisierten Normwerten erleichtern die individu-
Sportart, fassen Sie dieses tabellarisch elle Trainingssteuerung.
zusammen und leiten Sie hieraus grund-
legende Empfehlungen für die Leistungs-
Literatur
steuerung ab.
3. Befassen Sie sich mit dem Bereich „Sports Achten, J., & Jeukendrup, A. E. (2003). Heart rate monito-
Analytics“ auf der Basis aktueller Veröf- ring: Applications and limitations. Sports Medicine,
fentlichungen (z. B. Link 2017). 33(7), 517–538. https://doi.org/10.2165/00007256-
4. Besuchen Sie zwei Wettspiele aus zwei 200333070-00004
Allen, H., & Coggan, A. (2015). Wattmessung im Radsport
unterschiedlichen Sportarten auf regiona-
und Triathlon. Hamburg: spomedis.
ler oder nationaler Ebene und analysieren Althoff, T., Sosič, R., Hicks, J. L., King, A. C., Delp, S. L.,
Sie möglichst systematisch die Inhalte und & Leskovec, J. (2017). Large-scale physical activity
Dauer der Wettkampfvorbereitung. data reveal worldwide activity inequality. Nature,
Leistungssteuerung
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187 4

Krafttraining
Christian Raeder, Jo-Lâm Vuong und Alexander Ferrauti

4.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft – 189


4.1.1  aximalkraft – 192
M
4.1.2 Schnellkraft – 194
4.1.3 Reaktivkraft – 195

4.2 Biologische Grundlagen – 197


4.2.1  ufbau der Skelettmuskulatur – 197
A
4.2.2 Muskelquerschnitt und Muskelarchitektur – 198
4.2.3 Muskelfaserspektrum – 199
4.2.4 Neuromuskuläre Signalübertragung und
Muskelkontraktion – 202
4.2.5 Spinale und supraspinale Kraftregulation – 204
4.2.6 Intra- und intermuskuläre Koordination – 205
4.2.7 Kraft-Längen-Relation des Muskels – 207
4.2.8 Stiffness des tendomuskulären Systems – 209
4.2.9 Postactivation Potentiation (PAP) und Komplextraining – 211
4.2.10 Exzentrisches Krafttraining und Muskeldestruktion – 211
4.2.11 Energiebereitstellung beim Krafttraining – 213
4.2.12 Okklusion und Hypoxie im Krafttraining – 213

4.3 Anpassungseffekte durch Krafttraining – 214


4.3.1  euronale Adaptationen – 215
N
4.3.2 Muskelfaserhypertrophie – 216

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_4. Die
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bildungen mit der App scannen.

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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_4
4.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 221
4.4.1  aximalkrafttraining – 223
M
4.4.2 Schnellkrafttraining – 228
4.4.3 Funktionelles Krafttraining – 229

4.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 232

4.6 Trainingsprogramme – 241

4.7 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 246

Literatur – 246
Krafttraining
189 4
Überwinde den Widerstand! novative Interventionen. Exemplarisch sind das
Vibrationskrafttraining, das exzentrische Overlo-
Zusammenfassung ad-Training und das Okklusions- (bzw. besser
Kraft ist eine elementare Grundlage für jede Be- Blutflussreduktionstraining) zu nennen. Alle Trai-
wegung des Menschen und somit fundamentale ningsinterventionen bewirken Anpassungsme-
Basis sportlicher Handlungskompetenzen. Das chanismen (Reaktionen und Adaptationen) auf
vorliegende Kapitel liefert einen Überblick über teils verschiedenen physiologischen Funktions-
Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft, ebenen, einschließlich Veränderungen auf zellu-
über biologische Grundlagen des Krafttrainings, lär-molekularer Ebene. Aus der unendlichen Viel-
über Anpassungsvorgänge, Trainingsmethoden zahl an Trainingsformen werden konkrete
und Belastungsdosierung sowie über konkrete Trainingsbeispiele strukturiert nach grundsätzli-
Trainingsbeispiele. Krafttraining dient gleicher- chen Trainingszielen vorgestellt (. Abb. 4.1).
maßen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit wie
auch zur Verletzungsprophylaxe und schafft zu-
gleich Selbstvertrauen und ästhetische Zufrie- 4.1 Bedeutung und
denheit. Die Kraft basiert auf verschiedenen Er- Erscheinungsformen der Kraft
scheinungsformen (z. B. Maximalkraft und
Schnellkraft) und Kontraktionsformen der Mus- Die Kraft ist eine elementare Grundlage für
kulatur (z. B. statisch und dynamisch), die für die jede Bewegung des Menschen. Sportliche Leis-
Sportpraxis je nach Disziplin von unterschiedli- tungen können ohne ein Mindestmaß an mo-
cher Bedeutung sind. Grundlegende biologische torischer Kraft nur begrenzt realisiert werden,
Kenntnisse zum Verständnis von Kraft und Kraft- da komplexe Bewegungsleistungen (z. B. Än-
training beziehen sich unter anderem auf den derung von Bewegungsgeschwindigkeit bzw.
Aufbau der Muskulatur, die Muskelarchitektur, Bewegungsrichtung) nur durch die beschleu-
das Muskelfaserspektrum, die neuromuskuläre nigende Wirkung von Muskelkräften möglich
Signalübertragung und den Vorgang der Muskel- sind (Ehlenz et al. 2003). Somit muss der sport-
kontraktion. Neben den klassischen Trainingsme- motorischen Kraft im Gesamtgefüge der kon-
thoden zur Verbesserung der Maximalkraft, wie ditionellen Leistungskomponenten eine be-
dem Hypertrophietraining und dem IK-Training, sondere Stellung eingeräumt werden.
existieren zahlreiche weitere ergänzende und in- Krafttraining hat sich als ein integraler Be-

..      Abb. 4.1 Ein


Klassiker im Krafttrai-
ning – die Kniebeuge
mit freier Zusatzlast
190 C. Raeder et al.

standteil im leistungsorientierten Training bei- (Güllich und Schmidtbleicher 1999; Ehlenz


nahe jeder Sportart bzw. Disziplin etabliert et al. 2003).
(Fröhlich 2003). Aber auch im Freizeit- und
Gesundheitssport wird ein rein ausdauerorien- Kraft
tiertes Gesundheitstraining nicht der Vielfalt
Aus physikalischer Sicht beschreibt Kraft
an erstrebenswerten orthopädischen und me-
die mechanische Wechselwirkung zwi-
tabolischen Adaptationen gerecht (Boeckh-­
schen Massekörpern und ist die Ursache
Behrens und Buskies 2004; Freiwald und Grei-
für Bewegungsänderungen (Ehlenz et al.
4 wing 2016). Die positiven Wirkungen einer
2003). Kraft wird berechnet als Produkt aus
erhöhten Muskelkraft und einer Steigerung der
Masse und Beschleunigung und basiert
Skelettmuskelmasse werden an der folgenden
auf der Formel F = m · a mit F = Kraft [N],
Auflistung verdeutlicht (. Abb. 4.1):
m = Masse [kg] und a = Beschleunigung
Ziele des Krafttrainings:
[m · s−2].
55 Steigerung der sportartspezifischen
Aus funktioneller Sicht beschreibt
Leistungsfähigkeit
Kraft die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Sys-
55 Verletzungsprophylaxe durch Steigerung
tems, durch Muskeltätigkeit nennens-
von Stabilität und Belastbarkeit des Stütz-
werte Widerstände (> 30 % des individuel-
und Bewegungsapparates
len Kraftmaximums) zu überwinden
55 Rehabilitation durch schnellere Wiederher-
(konzentrische Kontraktion), ihnen nachge-
stellung von Muskel- und Gelenkfunktion
bend entgegenzuwirken (exzentrische
55 Voraussetzung für den Erhalt von Lebens-
Kontraktion) bzw. sie zu halten (isometri-
qualität im Alter in einfachen Alltagssitua-
sche Kontraktion; Steinhöfer 2015).
tionen
Die international standardisierte Maß-
55 Steigerung von Selbstbewusstsein, Sicher-
einheit der Kraft ist das Newton (N), welche
heitsgefühl und ästhetischer Zufriedenheit
als abgeleitete Größe durch die Basisein-
55 Erhöhung von Stoffwechselaktivität und
heiten Kilogramm (kg), Meter (m) und Se-
Energieumsatz auch in Ruhephasen
kunde (s) definiert wird: 1 N = 1 kg · m · s−2.
Dabei entspricht 1 N der zu generierenden
Kraft kann sowohl aus physikalischer als auch
konstanten Kraft, um eine ruhende Masse
aus rein funktionaler Sicht definiert werden.
von 1 kg in einer Sekunde gleichmäßig auf
Da die physikalische Kraft in direktem Zusam-
eine Geschwindigkeit von 1 m · s−1 zu be-
menhang zu ihren Determinanten Masse und
schleunigen (Martin et al. 1991).
Beschleunigung steht, kann eine Steigerung
der einwirkenden Kraft entweder durch eine
Erhöhung der Masse oder der Beschleunigung
(zeitliche Änderungsrate der Geschwindigkeit) Durch die Definition einer Mindestintensi-
erfolgen. Eine ausschließlich physikalische Be- tät von > 30 % des Kraftmaximums erfolgt die
trachtungsweise erscheint im Hinblick auf die Abgrenzung der Kraft von anderen konditio-
Konsequenzen für das Krafttraining jedoch als nellen Fähigkeiten (z. B. der Ausdauer). Dieser
nicht hinreichend. In den meisten Sportarten ungefähre Richtwert wird dadurch begründet,
werden komplexe Bewegungsleistungen maß- dass die Produktion von Kraftstößen oberhalb
geblich durch ein kompliziertes System von von 30 % des Maximums primär durch die
Muskelschlingen generiert. Dabei sind anthro- Maximalkraft und weniger durch energetische
pometrische, aber auch neuronale und tendo- Faktoren determiniert wird (Ehlenz et al. 2003;
muskuläre Einflussgrößen von Bedeutung Steinhöfer 2015).
Krafttraining
191 4
Beispiel: Abgrenzung von Kraft und Ausdauer

Ein Marathonläufer muss über eine längere Zeit wie- über einen bestimmten Zeitraum repetitiv hohe
derholt geringe Kraftstöße generieren, die unterhalb Kraftstöße gegen mittlere Widerstände realisieren
von 30 % des individuellen Kraftmaximums liegen. und dabei die ermüdungsbedingte Abnahme der
Hierbei sind primär die aerobe Ausdauer und die Er- Kraftimpulse möglichst gering halten. Während die
müdungstoleranz leistungsbestimmend. Demge- Höhe der Einzelkraftstöße vorwiegend von der Maxi-
genüber bewegt sich ein Gewichtheber am entge- malkraft abhängig ist, wird die generierte Kraftstoß-
gengesetzten Ende des Ausdauer-Kraft-Kontinuums, summe maßgeblich durch energetische und meta-
indem er einen Kraftstoß gegen einen maximalen bolische Faktoren determiniert. Somit sind Ausdauer
äußeren Widerstand produziert. Bei Kraftausdauer- und Kraft keine starren oder unabhängigen Konst-
leistungen wie etwa beim Rudern muss der Athlet rukte, sondern besitzen fließende Übergänge.

Die Wechselwirkung zwischen den von Mus- Gelenkwinkels hervorrufen, als dynamisch cha-
keln erzeugten endogenen Kräften mit von exo- rakterisiert (Komi 1994; de Marées 2002).
gen einwirkenden Kräften kann entweder eine Eine konzentrische Aktion der Muskulatur
statische (= isometrische) oder dynamische Mus- kennzeichnet das Überwinden eines Widerstandes
kelaktion hervorrufen (. Abb. 4.2). Die isometri- durch aktive Verkürzung bzw. Kontraktion des
sche Aktion beschreibt hierbei die Änderung der Muskel-Sehnen-Komplexes (dynamisch positive
Muskelspannung bei konstantem Abstand zwi- Arbeit; tendomuskuläre Spannung > externer Wi-
schen Muskelursprung und Muskelansatz, d. h., es derstand). Bei einer exzentrischen Aktion wird der
kommt zu einer Kraftentwicklung im Muskel, je- aktiv kontrahierte Muskel hingegen durch von au-
doch wird effektiv keine physikalische Arbeit ver- ßen einwirkende Kräfte verlängert bzw. gedehnt
richtet (Komi 1994; Steinhöfer 2015). Genauer (dynamisch negative Arbeit; tendomuskuläre
gesagt bewirkt eine isometrische Kontraktion eine Spannung < externer Widerstand; . Abb. 4.2; Hop-
interne Verkürzung der Muskelfaszikel, deren peler 2015; Steinhöfer 2015). Beispielsweise arbei-
Spannungskraft zu einer Dehnung der in Serie ge- tet der Armbeuger konzentrisch beim Hochzie-
schalteten elastischen Strukturkomponenten der hen des Körpers an einer Klimmzugstange und
Muskel-Sehnen-Einheit führt (Hoppeler 2015). exzentrisch beim kontrollierten Herablassen. Die
Exemplarisch können das Halten einer Last oder meisten sportlichen Bewegungen beinhalten
das Drücken gegen einen unüberwindbaren Wi- Mischformen verschiedener Kontraktionsarten
derstand als isometrische Muskelaktionsformen wie beispielsweise Springen oder Werfen (Komi
bezeichnet werden. Demgegenüber werden alle 1994; Ehlenz et al. 2003). Dabei werden kurze ex-
Muskelaktionen, die eine sichtbare Änderung des zentrische Muskelaktionen häufig mit anschließen-

..      Abb. 4.2 Struktu-


rierung der Kraft nach Kraft
Kontraktionsformen
(mod. nach Boeckh-­
Behrens und Buskies
2004, S. 21 und
Steinhöfer 2015, S. 67) statisch dynamisch
(haltend oder isometrisch) (bewegend)

exzentrisch exzentrisch-
konzentrisch
(negativ oder nachgebend, konzentrisch
(positiv oder überwindend,
Muskulatur wird trotz (Kombination aus negativer
Muskulatur kontrahiert)
Kontraktion gedehnt) und positiver Aktionsform)
192 C. Raeder et al.

den konzentrischen Aktionen im Rahmen eines und Kraftausdauer wird durch die Maximalkraft
Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) gekoppelt. beeinflusst, deren Verbesserung üblicherweise
Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ)
mit höheren Schnellkraft- und Kraftausdauer-
leistungen einhergeht (Pampus 2001).
Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ)
beinhaltet eine Kombination aus exzentri-
scher und konzentrischer Kontraktionsform 4.1.1 Maximalkraft
im Rahmen einer dynamisch-reaktiven
4 Arbeitsweise der Muskulatur (. Abb. 4.3).
Diese stellt eine besonders effiziente
Die Maximalkraft stellt die höchstmögliche Kraft
dar, die das neuromuskuläre System bei einer ma-
Aktionsform dar, da die konzentrische ximalen willkürlichen Kontraktion entfalten
Leistungsfähigkeit durch die vorausge- kann, und umfasst sowohl isometrische als auch
hende exzentrische Phase gesteigert wird. dynamisch konzentrische und exzentrische Kon-
Als Ursachen wirken (1.) gespeicherte traktionen (Steinhöfer 2015). Die konzentrische
Elastizitätskräfte der Muskel-Sehnen-Einheit Maximalkraft repräsentiert die maximale Ge-
und (2.) die spinale Reflexaktivität (mono- wichtslast, die unter definierten Arbeitsbedin-
synaptischer Dehnungsreflex) der exzent- gungen einmal über die gesamte Bewegungsamp-
risch gedehnten Muskulatur (Komi 1994; litude technisch einwandfrei bewegt werden
Güllich und Schmidtbleicher 1999). kann. In der deutschsprachigen Literatur wird
diese als 1er Wiederholungsmaximum (EWM) be-
zeichnet. Geläufiger ist die englischsprachige Be-
Eine Systematisierung der motorischen Kraft zeichnung des One Repetition Maximum (1 RM;
kann auch auf den zugrunde liegenden physio- Schmidtbleicher 2003). Die isometrische Maxi-
logischen und morphologischen Einflussgrößen malkraft (Maximal Voluntary Isometric Contrac-
erfolgen (. Abb. 4.3). Dabei wird die Kraft in tion, MVIC) wird dynamometrisch gegen einen
Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer äußeren unüberwindbaren Widerstand ermittelt
aufgegliedert, wobei die Maximalkraft die über- und stellt den höchsten Wert auf der Kraft-Zeit-
geordnete Basisfähigkeit bildet (Schmidtbleicher Kurve dar (. Abb. 4.4). Dabei liegen die maxima-
2003). Der Ausprägungsgrad von Schnellkraft len konzentrischen Kraftwerte aufgrund der hö-

..      Abb. 4.3 Hierar- Maximalkraft


chie der Kraftfähig-
keiten (mod. nach
Schmidtbleicher
2003) Schnellkraft Kraftausdauer

exzentrisch- exzentrisch-
isometrisch, isometrisch,
konzentrisch konzentrisch
konzentrisch konzentrisch
(DVZ) (DVZ)

Explosivkraft Reaktivkraft Impulsgröße


dynamisch real. Explosivkraft Impulsgröße Ermüdungs-
Kraftmaximum dynamisch real. Ermüdungs- widerstand
Kraftmaximum widerstand Reaktivkraft
Explosivkraft Explosivkraft
dynamisch real. dynamisch real.
Kraftmaximum Kraftmaximum

physiologische und morphologische Einflussgrößen


• tendomuskuläre Faktoren
• neuronale Faktoren
• anthropometrisch-biomechanische Faktoren
Krafttraining
193 4
..      Abb. 4.4 Kraft- 500
Zeit-Kurve bei tmax
maximaler isometri-
scher Kontraktion mit 400
den Schnellkraftpara-
metern Start-,
Explosiv- und 300
Maximalkraft (mod.
nach Bührle 1985, in F (N) Fmax
Steinhöfer 2015, S. 83) 200 ∆F
∆t
Startkraft (ST) = F30/t30
100 Explosionskraft (EXK) = ∆F/∆t
Schnellkraft (SK) = Fmax/tmax
∆F30

100 200 300 400 500


∆t30 t (ms)

heren koordinativen Anforderungen ca. 5–20 % rung der Muskulatur ist gewöhnlich nur durch
unter den isometrisch erzeugten Werten (Pampus eine zusätzliche Elektrostimulation möglich. Die
2001; Schmidtbleicher 2003). Bei exzentrischen daraus resultierende Kraft repräsentiert die Ab-
Maximalkontraktionen (z. B. beim Abbremsen solutkraft (Güllich und Schmidtbleicher 1999).
des Körpergewichts nach einem Sprung oder Exzentrische Maximalkontraktionen nähern sich
Richtungswechsel) werden höhere Kräfte erzeugt, in Bezug auf die Kraftwerte am ehesten der Ab-
die bis zu 45 % über dem isometrischen Maximal- solutkraft an (Steinhöfer 2015). Die Differenz
kraftwert liegen (Pampus 2001; Schmidtbleicher zwischen dem Kraftmaximum bei elektrischer
2003). Diese höheren Kraftwerte beruhen primär Stimulation (Absolutkraft) und bei maximal will-
auf der Integration zusätzlich kontrahierender kürlicher Aktivierung (isometrische Maximal-
Muskelfasern (Rekrutierung) sowie der Wirkung kraft) wird als Kraftdefizit bezeichnet und in Pro-
von passiven Elastizitätskräften und reflektori- zent zur isometrischen Maximalkraft angegeben.
scher Muskelaktivierung. Dabei kann das Kraftdefizit bis zu 45 % betragen.
Bei einer maximalen willkürlichen Kontrak- Es kann jedoch durch ein auf neuronale Adapta-
tion kann nicht das komplette Muskelkraftpoten- tionen ausgerichtetes Training auf bis zu 5 % re-
tial entfaltet werden. Eine vollständige Aktivie- duziert werden (Bührle 1985).

Exkurs: Elektrostimulation zur Diagnostik des Kraftdefizits

Die Elektrostimulation kann im Rahmen der hen und entsprechend als prozentuales Kraftdefizit
Twitch-Interpolationstechnik zur Erfassung der will- berechnet werden (Zatsiorsky und Kraemer 2008).
kürlichen Innervationsfähigkeit motorischer Einhei- Ein großes Kraftdefizit deutet auf eine unzurei-
ten während einer isometrischen Maximalkontrak- chende willkürliche Innervationsfähigkeit hin. Zur
tion eingesetzt werden (McKenzie et al. 1992). Reduktion des Kraftdefizits eignen sich vor allem
Hierzu erfolgt, nach Erreichung des isometrischen neuronale Kraftstimuli. Bei kleinem Kraftdefizit soll-
Maximalkraftplateaus, eine perkutane elektrische ten weitere Kraftsteigerungen eher durch Hypertro-
Stimulation des Muskelbauchs oder des entspre- phie angestrebt werden. Darüber hinaus ermöglicht
chenden motorischen Nervs mittels Oberflächen- die Twitch-Interpolationstechnik im Rahmen der Er-
elektroden, wodurch ein zusätzlichen Impuls oder müdungs- und Erholtheitsdiagnostik eine Differen-
Twich auf die willkürlich generierte Kraftentfaltung zierung zwischen zentraler und peripherer Ermü-
des Muskels gelegt wird (de Ruiter et al. 2004; Millet dung (McKenzie et al. 1992). Wenn das Kraftdefizit
et al. 2011). Die Höhe der durch Elektrostimulation ansteigt, kann ein Kraftverlust durch zentrale bzw.
zusätzlich generierten Kraft kann dabei indirekt als neuronale Ermüdungsmechanismen erklärt werden
Maß der willkürlichen Aktivierungsfähigkeit angese- (Byrne et al. 2004).
194 C. Raeder et al.

Schmidtbleicher (2003) konnte im Rahmen pro Zeiteinheit operationalisiert wird (Explosiv-


von Korrelationsanalysen aufzeigen, dass die kraft = ∆F · ∆t−1; Steinhöfer 2015). In zahlrei-
Zusammenhänge zwischen isometrischer, kon- chen Sportarten ist nicht die maximale Kraftent-
zentrischer und exzentrischer Maximalkraft bei faltung von entscheidender Bedeutung, sondern
r > 0,85 liegen (bei Krafttrainierten sogar bei die Fähigkeit, den eigenen Körper (z. B. beim
r > 0,90). Demzufolge kann ­angenommen wer- Sprint oder Sprung) bzw. ein Sportgerät (z. B.
den, dass alle Erscheinungsformen der Kraft an- den Speer oder Handball) in der verfügbaren
nähernd dem gleichen motorischen Grundver- Zeit auf eine möglichst hohe Endgeschwindig-
4 mögen unterliegen und sie einer gemeinsamen keit beschleunigen zu können (Wirth und
Dimension, der Maximalkraft, angehören. Schmidtbleicher 2007). In diesem Zusammen-
Diese wiederum wird maßgeblich durch den hang definiert Schmidtbleicher (2003) die
Muskelquerschnitt, das Muskelfaserspektrum Schnellkraft als die Fähigkeit des neuromuskulä-
sowie durch die willkürliche neuromuskuläre ren Systems, einen möglichst großen Impuls bzw.
Aktivierungsfähigkeit bestimmt (Schmidtblei- Kraftstoß in der zur Verfügung stehenden Zeit zu
cher 2003; Steinhöfer 2015). generieren. Die Höhe des Impulses (p) ist dabei
abhängig von der Masse des zu beschleunigen-
den Körpers, der Größe der erteilten Beschleuni-
4.1.2 Schnellkraft gung und der Zeit, in der diese Beschleunigung
auf den Körper einwirkt (p = m · a · t). Da die
Als Schnellkraft wird die Fähigkeit bezeichnet, Kraft physikalisch durch Masse mal Beschleuni-
möglichst hohe Kräfte schnell entfalten zu kön- gung (F = m · a) determiniert ist, ergibt sich für
nen (Pampus 2001). Nach Bührle (1985) kann den Kraftstoß: p = F · t.
dieses Vermögen in Form eines Schnellkraftin- Für einen maximalen Kraftstoßes muss da-
dexes durch Bildung des Quotienten aus Maxi- her ein möglichst hoher Kraftwert innerhalb des
malkraft (Fmax) und der zu ihrer Entwicklung zur Verfügung stehenden Zeitfensters entfaltet
benötigten Zeit (tmax) anhand der Kraft-Zeit- werden (Wirth und Schmidtbleicher 2007). Da
Kurve (. Abb. 4.4) abgeschätzt werden (Schnell- die mögliche Impulsdauer (Einwirkungsdauer
kraft = Fmax · tmax−1). Weitere Komponenten der der Kraft) durch die Struktur sportartspezifi-
Schnellkraft bilden die Startkraft, welche die ini- scher Bewegungsmuster (vor allem des Be-
tiale Kraftentwicklung in den ersten 30 ms reprä- schleunigungswegs) determiniert ist und die zu
sentiert (Startkraft = F30 · t30−1), sowie die Explo- beschleunigende Masse in der Regel konstant
sivkraft, welche durch den größten Kraftanstieg bleibt, kann folglich die Stärke der Beschleuni-

..      Abb. 4.5 Kraft- 500


Zeit-Kurven bei Fmax
unterschiedlichen
Lasten (mod. nach 400
Güllich und Schmidt-
bleicher 1999, S. 21
und Steinhöfer 2015, 300
S. 84)
F (N)

200 25 kg Last

10 kg Last
100

3,5 kg Last
100 200 300 400 500
t (ms)
Krafttraining
195 4
gung zur Realisation eines hohen dynamischen verlaufen die initialen Kraftanstiegsraten gegen
Kraftmaximums als leistungsbestimmend ange- unterschiedlich hohe bis unüberwindbare Las-
sehen werden (Schmidtbleicher 2003). ten annähernd gleich und beruhen primär auf
Ist der zu beschleunigende Widerstand ge- der Maximalkraft (. Abb. 4.5).
ring (z. B. Schlagwurf im Handball), so wird
der resultierende Kraftstoß maßgeblich durch
die Start- und Explosivkraft (Bestimmungs- 4.1.3 Reaktivkraft
größen des Kraftanstiegsverhaltens) bestimmt
(Schmidtbleicher 2003). Die hohe Bewegungs- Eine besondere Erscheinungsform der Kraft sind
geschwindigkeit behindert die vollständige In- die Leistungen, die im sogenannten Dehnungs-­
nervation aller Muskelfasern und die Bildung Verkürzungs-Zyklus (DVZ) realisiert werden.
mechanisch wirksamer Querbrücken zwischen Diese beruhen auf einer bestmöglichen reakti-
Aktin und Myosin. Das dynamisch realisierte ven Kopplung der exzentrischen und konzentri-
Kraftmaximum fällt demnach geringer aus schen Muskelaktionsform. Die Fähigkeit, inner-
(. Abb. 4.5; Wirth und Schmidtbleicher 2007). halb eines schnellen DVZ einen möglichst hohen
Zusätzliche nehmen mit steigender Bewegungs- Kraftstoß bzw. Impuls zu erzeugen, ist eine rela-
geschwindigkeit die Antagonistenaktivität (zur tiv eigenständige Kraftdimension und wird als
Gelenkprotektion und Bewegungskontrolle) Reaktivkraft bezeichnet (Schmidtbleicher 2003).
und der intramuskuläre Reibungswiderstand Reaktive Bewegungsleistungen kennzeichnen
(Viskosität) zu (Behm und Sale 1993). Die dy- sämtliche Sprint- und Sprungformen ebenso wie
namischen Krafthöchstwerte und die dafür alle Schuss-, Wurf-, Schlag- und Stoßbewegun-
benötigte Zeit steigen bei höheren Widerstän- gen (. Abb. 4.6; Güllich und Schmidtbleicher
den an (z. B. Kugel beim Kugelstoß, Start beim 1999). Komplexe Bewegungsabläufe integrieren
Sprint), da initial höhere Gegenkräfte für die zumeist mehrere hintereinandergeschaltete
Überwindung bzw. Beschleunigung der äuße- DVZ in verschiedenen Bewegungssegmenten,
ren Lasten entfaltet werden müssen. Daher wer- und die dadurch realisierte Reaktivkraft ermög-
den optimale Kraftstöße von zeitlich längerer licht höhere mechanische Leistungen. Aus-
Dauer zunehmend stärker durch die Maximal- schlaggebend für die bestmögliche Auslösung
kraft determiniert (. Abb. 4.5; Schmidtbleicher des DVZ ist eine individuell angemessene inter-
2003; Andersen und Aagaard 2006). Allerdings muskuläre Koordination.

Beispiel: Counter Movement Jump versus Squat Jump

Die Bedeutung der Reaktivkraft als eigenständige 55 die durch den Dehnungsreflex additiv wir-
Kraftdimension, basierend auf der bestmöglichen kende neuronale Aktivierung der Muskelfa-
Nutzung des Dehnungs-­Verkürzungs-­Zyklus sern, welche in der nachfolgenden konzentri-
(DVZ), kann exemplarisch bei maximalen Streck- schen Phase wirksam wird (Schmidtbleicher
sprüngen mit (Hocksprung; Counter Movement 2003; Bojsen-Moller et al. 2005).
Jump, CMJ) bzw. ohne (Kauersprung; Squat Diese tendomuskulären und neuronalen Eigenschaf-
Jump, SJ) vorausgehende Abwärtsbewegung des ten haben bei einem schneller ablaufenden DVZ eine
Körperschwerpunkts sowie bei Tief-Hochsprün- deutlich höhere Relevanz als bei langsamen (Gollhofer
gen (Drop Jump, DJ) verdeutlicht werden (Pam- 1987; Pampus 2001). Daher wird bei reaktiven Sprung-
pus 2001). Ursächlich für die höhere Leistung leistungen zwischen einem kurzen schnellen DVZ (<
beim CMJ gegenüber dem SJ sind primär: 200 ms Bodenkontaktzeit) und einem langen langsa-
55 die in Abhängigkeit von Dehnungsgeschwin- men DVZ (> 200 ms) unterschieden (Schmidtbleicher
digkeit und Bewegungsumfang in der exzentri- 2003). Ein Drop Jump bzw. der finale Abdruck beim
schen Phase, zusätzlich gespeicherte kinetische Weit- oder Hochsprung sind Beispiele für einen schnel-
Energie in den elastischen und kontraktilen len DVZ, während ein Counter Movement Jump oder
Strukturkomponenten der Muskel-Sehnen-Ein- ein Blocksprung im Volleyball aus tiefer Kniebeugung
heit (elastische Potenzierung) und überwiegend im langsamen DVZ realisiert werden.
196 C. Raeder et al.

4
a b c

..      Abb. 4.6 Beispiele für den DVZ in verschiedenen xion des Rumpfes bis zum Treffpunkt des Balles an. c
Sportarten. a Während der Oberkörperrotation wird Bei der beidhändigen Rückhand werden die Handge-
der M. pectoralis der Wurfarmseite durch die Trägheit lenksextensoren des Schlagarms beim Übergang von
der Diskusmasse kurz vor der finalen Wurfbewegung Aushol- zu Schlagbewegung kurzfristig gedehnt und
erst gedehnt und vor dem Abwurf reaktiv kontrahiert. das Handgelenk palmarflektiert. Hieran schließt sich
b Beim Volleyballaufschlag ist der Oberkörper extrem eine reaktive Kontraktion der Extensoren (Zuschnap-
dorsal flektiert und gleichzeitig rotiert, sodass die pen des Handgelenks) mit dem Ziel einer maximalen
gerade und schräge Bauchmuskulatur vorgedehnt Beschleunigung des Schlägerkopfes zum Treffpunkt
werden. Hieran schließt sich eine reaktive Ventralfle- des Balles an

Der entscheidende Unterschied zwischen Sportpraxis jedoch auch nachteilig sein, da die
beiden reaktiven Bewegungsformen ist, dass es kurze Zeit eine vollständige Innervation aller
beim kurzen DVZ zu einer intensiveren Reflex- Muskelfasern zur Erzeugung einer möglichst
auslösung durch die schnelle Dehnung der vor- hohen Kraftleistung limitiert. Außerdem wird
innervierten Muskulatur (exzentrische Kon- der Beschleunigungsweg bei geringerer Ge-
traktion) kommt (Bührle 1989). Hieraus lenkamplitude meist reduziert, sodass ein kur-
resultiert eine deutliche Kraftzunahme bei zer DVZ nicht zwangsläufig mit den größten
gleichzeitig relativ geringer Änderung der Kraftstößen und den daraus resultierenden
Muskellänge bzw. des Gelenkwinkels (Komi höchsten Sprung- und Wurfleistungen einher-
1994; Komi 2000). Zusätzlich werden die poten- geht (Steinhöfer 2015).
zierenden Elastizitätseigenschaften der In der Sportpraxis müssen daher für jede
Aktin-Myosin-Querbrücken (Short-Range Elas- Sportart und jede Bewegung individuell opti-
tic Stiffness; SRES) und des Titins bei schnellem mierte Kompromisslösungen gefunden wer-
DVZ optimal in den anschließenden Kraftstoß den, die einerseits alle neuromuskulären Mög-
integriert (Schmidtbleicher 2003). Beide Effekte lichkeiten der Reaktivkraftsteigerung nutzen,
fallen bei einem ­langsamen DVZ geringer aus ohne andererseits zu Lasten der biomechani-
(Bührle 1989; Laube und Müller 2004). schen Vorteile eines ausreichend hohen Be-
Das Ausmaß der DVZ-Wirksamkeit ist ab- schleunigungsweges zu gehen. In technisch
hängig vom Grad der muskulären Voraktivie- anspruchsvollen Sportarten muss zudem stets
rung und einem Optimum der auf den Muskel zwischen einer Optimierung von Bewegungs-
einwirkenden Dehnungsgeschwindigkeit (Goll- schnelligkeit und Bewegungspräzision abge-
hofer 1987). Ein zu kurzer DVZ kann in der wogen werden (. Abb. 4.6).
Krafttraining
197 4
Exkurs: Schnellkraft, Reaktivkraft und der DVZ

Schnellkraftleistungen sind primär von der kinetischer Energie in den elastischen Struktur-
willkürlichen Aktivierungsfähigkeit (hochfrequente komponenten der Muskel-Sehnen-Einheit
Innervation der Muskulatur), welche wiederum (elastische Potenzierung) und die zusätzliche
maßgeblich durch die Maximalkraft bestimmt wird, Auslösung des Dehnungsreflexes (Schmidtbleicher
sowie einer schnellen Kontraktionsfähigkeit 2003; Bojsen-Moller et al. 2005).
(optimal schnelle Kraftentfaltung unabhängig vom Reaktivkraftleistungen im langen DVZ werden
Maximalkraftniveau) abhängig (Bührle 1989; vornehmlich durch die dynamische Maximalkraft
Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015). bestimmt (Schmidtbleicher 2003). Demgegenüber
Reaktivkraftleistungen basieren primär auf der sind die elastische Potenzierung und der additiv
Schnellkraft. Insbesondere bei Bewegungsleistun- wirksame Dehnungsreflex von geringerer
gen, die innerhalb eines schnellen DVZ ablaufen, Relevanz. Die resultierende Kraftleistung wird
sind eine angemessene Voraktivierung und eine jedoch durch eine Verbesserung der biomechani-
optimal ausgeprägte Muskelsteifigkeit (Stiffness) in schen ­Rahmenbedingungen (Vergrößerung von
der exzentrischen Phase des DVZ leistungsrelevant Bewegungsamplitude bzw. Beschleunigungsweg)
(Bührle 1989). Hieraus resultieren eine Speicherung gesteigert.

4.2 Biologische Grundlagen (Linke und Pfitzer 2010). Diese sind im Ver-
gleich zu anderen Körperzellen große zylindri-
Jede aktive Bewegung erfordert die zentral- sche Zellen mit einem Durchmesser von
nervöse bzw. reflektorische Innervation der ca. 30–80 μm und einer Länge von bis zu 10 cm
Skelettmuskulatur (Ehlenz et al. 2003). Die und beinhalten zahlreiche Zellkerne (Nuklei),
Muskulatur kann somit als Exekutiv- oder Er- welche randständig unterhalb der Plasmamem-
folgsorgan von Bewegungen angesehen wer- bran (Sarkolemm) angeordnet sind (Hoppeler
den, deren Hauptfunktion die situativ ange- 2015). In der extrazellulären Matrix befinden
messene Erzeugung von Kraft ist (Hoppeler sich zusätzlich eingebettete Satellitenzellen.
und Billeter 2003). Ferner unterliegen Bewe- Diese noch undifferenzierten Zellen besitzen
gungsleistungen neuronalen Steuerungs- und eine bedeutsame Schlüsselfunktion für die Re-
Regelungsprozessen und basieren auf energe- generation der Muskelfaser, insbesondere nach
tischen Voraussetzungen (Konczak 2003). mechanischen Schädigungen (Toigo 2015).
Zum Verständnis von Kraftleistungen Auf der untersten hierarchischen Struk-
werden im Folgenden zunächst die Struktur- turebene des Skelettmuskels befinden sich die
und Funktionseigenschaften des Skelettmus- Myofibrillen (. Abb. 4.7). Sie sind innerhalb
kels beschrieben. Hierzu zählen der struktu- der Muskelfaser parallel angeordnet und be-
relle Aufbau der Skelettmuskulatur, der stehen in Längsrichtung aus den kleinsten
Muskelquerschnitt, seine Architektur und das funktionellen Einheiten der Myofibrille, den
Muskelfaserspektrum, der Mechanismus von Sarkomeren (Linke und Pfitzer 2010). Die
Muskelkontraktion und neuromuskulärer Si- Anzahl der parallel geschalteten Myofibrillen
gnalübertragung, spinale und supraspinale bestimmt die Kontraktionskraft, während die
Faktoren der Bewegungsregulation sowie aus- Anzahl der in Längsrichtung seriell angeord-
gewählte Aspekte der Energiebereitstellung. neten Sarkomere primär die Verkürzungsge-
schwindigkeit beeinflusst (Ehlenz et al. 2003).
Innerhalb des Sarkomers befinden sich die
4.2.1 Aufbau der Skelettmuskulatur
charakteristisch angeordneten kontraktilen Pro-
teine Myosin (dickes Filament) und Aktin (dün-
Der Skelettmuskel ist hierarchisch strukturiert
nes Filament; Caiozzo und Rourke 2006). Die
(. Abb. 4.7) und besteht aus einer Vielzahl an
Myosinfilamente sind in der A-Bande im Zent-
Muskelfaserbündeln, sogenannten Faszikeln,
rum des Sarkomers organisiert und beidseits mit
welche wiederum die Muskelfasern enthalten
198 C. Raeder et al.

..      Abb. 4.7 Morphologische Struktur der Skelettmuskulatur. a Hierarchische Organisation; b Längenverände-


rung des Sarkomers bei Dehnung bzw. Kontraktion (nach Linke und Pfitzer 2010)

dem Strukturprotein Titin assoziiert, welches an scheidend für die Realisation hoher Kraftleis-
den Enden des Sarkomers an der Z-Scheibe ver- tungen. Ein enger Zusammenhang zwischen
ankert ist (Linke und Pfitzer 2010). Innerhalb der dem Muskelquerschnitt der Oberschenkel-
I-Bande fungieren die Titinfilamente als moleku- muskulatur und der isometrischen Maximal-
lare elastische Federn und dienen der Zentrie- kraft ist bereits seit Langem bekannt (Maughan
rung der Myosinfilamente (Brenner 2010). Die et al. 1983). In der gleichen Untersuchung
Aktinfilamente verlaufen ausgehend von einer zeigte sich, dass Männer zwar über eine höhere
Hälfte der I-Bande über die Aktin-Myosin-­ Maximalkraft als Frauen verfügten, wurde
Überlappungszone bis an die Grenzen der diese jedoch zur Querschnittsfläche relativiert,
H-Zone (Caiozzo und Rourke 2006). Der Über- ergaben sich nur noch geringfügige Unter-
lappungsbereich kennzeichnet die kontraktile schiede.
Zone des Sarkomers (. Abb. 4.7). Im Querschnitt Der Vorteil eines gefiederten Muskels be-
zeigt sich dabei eine hexagonale Struktur, in der steht darin, dass eine höhere Anzahl von Fasern
jeweils ein Myosinfilament von je sechs Aktinfila- in das Muskelvolumen integriert werden kön-
menten und je drei bis sechs Titinfilamenten um- nen und dadurch der physiologische Quer-
geben ist (Brenner 2010; Linke und Pfitzer 2010). schnitt (pCSA) und die Maximalkraft ansteigen.
Chronische Krafttrainingsreize führen in der
Regel zu einem Anstieg von pCSA und Fiede-
4.2.2 Muskelquerschnitt und rungswinkel sowie zu einer Abnahme der Faser-
Muskelarchitektur länge und bewirken dadurch eine Kraftsteige-
rung (Aagaard und Bangsbo 2006). Andererseits
Der Muskelquerschnitt (Anzahl und Durch- weisen langfaserige Muskeln größere Verkür-
messer parallel angeordneter Fasern) ist ent- zungsgeschwindigkeiten auf, sodass bei zuneh-
Krafttraining
199 4
 xkurs: Muskelquerschnitt und Fiederungs-
E mit einer Erhöhung der Trainingsfrequenz ein-
winkel hergehen könnte (Maughan et al. 1983; Barry
et al. 2015).
Hinsichtlich der Muskelarchitektur unterschei-
det man in Abhängigkeit von der Muskelfaser-
ausrichtung zwischen einem anatomischen
(Anatomical Cross-Sectional Aerea, aCSA) und 4.2.3 Muskelfaserspektrum
einem physiologischen Querschnitt (pCSA;
Tricoli 2011). Bei einem ungefiederten Muskel Die Fasertypenverteilung im humanen Skelett-
(z. B. M. bizeps brachii) entspricht der aCSA dem
muskel bestimmt in hohem Maße Geschwin-
pCSA, da alle Muskelfasern von Ursprung zu
Ansatz parallel zur Kraftwirkungslinie angeord- digkeit und Leistung der Muskelkontraktion
net sind. Im Kontrast dazu verlaufen die Fasern (. Abb. 4.8; Toigo 2015). Grundsätzlich lassen
bei einem gefiederten Muskel (z. B. M. sich beim Menschen drei übergeordnete „reine“
quadrizeps femoris) in einem bestimmten Fasertypen hinsichtlich ihrer Funktionscharak-
Winkel (Fiederungswinkel α), relativ zur
teristika unterscheiden: die langsamen Typ-I-
kraftgenerierenden Achse, sodass diese nicht
ihr volles Kraftpotential auf die Aponeurose sowie die schnellen Typ-IIA- und Typ-IIX-Fa-
bzw. Sehne übertragen können. sern (Caiozzo und Rourke 2006; Tricoli 2011).
Die spezifischen Eigenschaften jedes Fasertyps
sind in . Tab. 4.1 zusammengefasst.
mender Muskelfiederung und abnehmender Typ-I-Fasern weisen geringere Kontrakti-
Faserlänge die Schnellkraft leiden kann (Tricoli onsgeschwindigkeiten, Kraftanstiegs- sowie Re-
2011; Toigo 2015). laxationsraten als Typ-II-Fasern auf, u. a. bedingt
Es wird angenommen, dass männliche durch eine unterschiedliche Myosinkonfigura-
Sportler mit größerer Muskelquerschnittsflä- tion und eine geringere Ca2+-ATPase-Aktivität
che und höherer Maximalkraft stärkeren Er- (Caiozzo und Rourke 2006). Aus energetischer
müdungsprozessen und Strukturschädigungen Sicht besitzen Typ-I-Fasern eine größere oxida-
nach intensivem Training ausgesetzt sind. In tive Kapazität (Volumendichte an Mitochond-
der Folge ist auch die Regeneration verzögert. rien und Kapillaren) und eine höhere aerobe
Da weibliche Sportlerinnen im Vergleich zu Enzymaktivität. Ferner benötigen Typ-I-Fasern
Männern eine geringere Maximalkraft aufwei- bei gleicher mechanischer Arbeit weniger ATP
sen, wird bei ihnen eine höhere Ermüdungsre- als Typ-II-Fasern; sie arbeiten folglich ökono-
sistenz und eine schnellere Regeneration er- mischer und ermüden langsamer (Hoppeler
wartet, welche in der praktischen Konsequenz und Billeter 2003; Caiozzo und Rourke 2006).

..      Abb. 4.8 Muskel- a b


biopsie aus dem M.
vastus lateralis eines
Schwimmers über die
Sprintdistanz a und
eines Radprofis vom
„Roller-Typ“ b. Der
höhere Anteil an
Typ-I-Fasern des
Ausdauersportlers ist
mittels myofibrillärer
ATPase-Färbung
hervorgehoben
(Hoppeler und Billeter
a
2003)
200 C. Raeder et al.

..      Tab. 4.1 Strukturelle und funktionelle Eigenschaften unterschiedlicher Fasertypen im menschlichen


Skelettmuskel (u. a. Pette und Staron 2000; Hoppeler und Billeter 2003; Steinhöfer 2015)

Strukturelle und funktionelle Eigen- Typ I Typ IIA Typ IIX


schaften

Durchmesser des Motoneurons ca. 30 μm ca. 40–60 μm ca. 70 μm

Rekrutierungsschwelle gering mittel bis hoch hoch


4 Durchmesser der Nervenfaser ca. 9 μm ca. 10–15 μm ca. 20 μm

axonale Leitungsgeschwindigkeit 30–40 m · s−1 40–90 m · s−1 70–120 m · s−1

Innervationsfrequenz bis 30 Hz bis 90 Hz bis 150 Hz

Muskelfaserleitungsgeschwindigkeit ca. 2,5 m · s−1 3,0–5,0 m · s−1 ca. 5,5 m · s−1

Querschnittsfläche 2000–4000 μm2 2000–6000 μm2 2000–10.000 μm2

Faserdurchmesser klein mittel groß

Kontraktionszeit ca. 120–170 ms 40–120 ms ca. 40 ms

Kontraktionsgeschwindigkeit langsam schnell sehr schnell

Relaxationsrate langsam schnell sehr schnell

Kraftproduktion (Kraft der Einzelfaser) gering mittel hoch

Ermüdungsresistenz hoch moderat bis gering gering

vornehmliche Stoffwechselaktivität aerob langzeitig anaerob kurzzeitig anaerob

maximale Einsatzdauer > Stunden < 30 min < 5 min

oxidative Kapazität hoch mittel gering

glykolytische Kapazität gering hoch hoch

Mitochondriendichte hoch mittel gering

Kapillardichte hoch mittel gering

Myoglobingehalt hoch mittel gering

Myosin-Isoform schwere Kette (MHC) MHC I MHC IIA MHC IIX

Myosin-ATPase-Aktivität gering mittel hoch


2+-ATPase-Aktivität gering hoch hoch
Ca

Ca2+-Kanäle im sarkoplasmatischen gering hoch hoch


Retikulum

Typ-II-­Fasern sind hingegen reich an Kreatin- Aus struktureller Sicht unterscheiden sich
phosphat und Glykogen und besitzen eine hö- die Muskelfasertypen sowohl durch ihre neu-
here glykolytische Kapazität infolge einer ver- ronale Ansteuerung (Durchmesser von Moto-
stärkten Aktivität der anaeroben Schlüsselenzyme neuron und Nervenfaser) als auch durch die
Laktatdehydrogenase (LDH), Phosphofruktoki- ihrer Strukturproteine. Typ-II-Fasern besitzen
nase (PFK) und Kreatinkinase (CK). einen höheren Anteil an schnellen Myosin-­
Krafttraining
201 4
Isoformen im Bereich der schweren Amino- lichen Aktivierung determiniert und ist weni-
säureketten (Myosin Heavy Chains, MHC). ger von der Fasertypenzusammensetzung ab-
Der menschliche Skelettmuskel enthält jedoch hängig, da die Erzeugung mechanischer
auch sogenannte Hybridfasern mit unter- Spannung bei langsamen und schnellen Mus-
schiedlich gemischten Myosin-Isoformen kelfasern annähernd identisch ist (Caiozzo
(Pette und Staron 2000; Andersen und Aagaard und Rourke 2006; Bogdanis 2012). Das charak-
2010; Tricoli 2011). Folglich kann an Stelle ei- teristische Leistungsmerkmal von Typ-II-­
ner eindeutigen Kategorisierung von Muskel- Fasern liegt vielmehr in der Fähigkeit begrün-
fasertypen eher von einem funktionalen Kon- det, bei gegebener Kraftentfaltung erheblich
tinuum zwischen schnellen und langsamen höhere Verkürzungsgeschwindigkeiten gene-
Muskelfasern ausgegangen werden (Hoppeler rieren zu können als Typ-I-Fasern (Fitts und
und Billeter 2003; Sargeant 2007). Widrick 1996). Dies spiegelt sich in einer un-
Die Maximalkraft wird vorrangig von der terschiedlichen Kraft-Geschwindigkeits- bzw.
Querschnittsfläche und dem Grad der willkür- Kraft-Leistungs-Relation wider . Abb. 4.9).
Praxistipp: Muskelfaseranteil und Training

Die Anteile an Muskelfasertypen sind vorrangig neuromuskulärer Stress, speziell beim Hyper-
genetisch determiniert. Durch Training können trophietraining, eine Transformation zugunsten
jedoch tendenzielle Verschiebungen in beide langsamerer Fasern (Linkstransformation der
Richtungen erfolgen. Typ-II-Fasern können MHC). Erst nach ausreichender Regeneration
sowohl bei hoher Kontraktionsgeschwindigkeit bzw. vermindertem mechanischen Stress
(Schnellkrafttraining) als auch bei hohem erfolgt eine Verschiebung zugunsten der
Widerstand (Maximalkrafttraining) angespro- schnelleren Fasern (Rechtstransformation der
chen werden. Indirekte Möglichkeiten bieten MHC). Für das Schnellkrafttraining ergibt sich
reflektorische Methoden (z. B. beim Vibrations- daraus als praktische Konsequenz: Dem
krafttraining) oder die externe Stimulation Muskelaufbau muss ein IK-Training folgen mit
(EMS-Training). Die Trainingsanpassungen anschließendem Tapering zur Sicherstellung
verlaufen meist stufenförmig. Zunächst bewirkt der Rechtstransformation.

2 5
langsam
schnell 2A
schnell 2X
1,5
Geschwindigkeit (L/s)

schnell 2X
Leistung (W/I)

1 2,5

schnell 2A

0,5

langsam

0 0
0 10 20 30 40 50 60 0 10 20 30 40 50 60
a Kraft (kN/m2) b Kraft (kN/m2)

..      Abb. 4.9 Kraft-Geschwindigkeits- a und Kraft-­Leistungs-­Relation b langsamer und schneller menschlicher


Einzelmuskelfasern (modifiziert nach Schiaffino und Reggiani 2011, S. 1472)
202 C. Raeder et al.

4.2.4 Neuromuskuläre tung des Neurotransmitters Acetylcholin


Signalübertragung und (ACh) in den synaptischen Spalt. ACh löst
Muskelkontraktion postsynaptisch eine lokale Permeabilitätser-
höhung für Na+-Ionen aus. Das dadurch ent-
Die Innervation einer Muskelfaser durch ein stehende postsynaptische Aktionspotential
Motoneuron (motorische Einheit) erfolgt auf wird in das Innere der Muskelfaser durch
elektrochemischem Weg an deren Kontakt- röhrenförmig transversal verlaufende Ein-
stelle, dem synaptischen Spalt. Hierbei bewirkt stülpungen (transversales tubuläres System,
4 ein eintreffender Nervenimpuls (Na+-getrie- T-Tubuli) weitergeleitet und bewirkt eine
benes Aktionspotential) am präsynaptischen Ca2+-Ausschüttung aus dem sarkoplasmati-
Endköpfchen eine kurzzeitige Erhöhung der schen Retikulum (Brenner 2010). Das ins
Ca2+-Konzentration durch spannungsgesteu- Sarkoplasma freigesetzte Ca2+ löst den Quer-
erte Ca2+-Kanäle (Brenner 2010). Die präsyn- brückenzyklus als Voraussetzung für eine
aptische Depolarisation führt zur Ausschüt- Muskelkontraktion aus.

Exkurs: Repolarisation und Muskelrelaxation

Nach Erreichen des maximalen Aktionspotentials Rücktransport der Ca2+-Ionen in das sarkoplasmati-
erfolgt die anschließende Wiederherstellung des sche Retikulum (SR). In der Folge werden die
Ruhemembranpotentials (Repolarisation) von Aktin-Myosin-Interaktionen inhibiert, und es kommt
ca. –80 mV durch schnelle Inaktivierung der zur Relaxation der Muskelfaser (Brenner 2010). Das
Na+-Kanäle und Öffnung der extrazellulär ausgerich- SR besitzt somit eine zentrale Schlüsselfunktion bei
teten K+-Kanäle. Ferner bewirken ein Cl–-Einwärts- der Aktivierung und Relaxation der Muskelfaser. Die
strom sowie eine ATP-abhängige Na+-K+-Pumpe Funktionalität dieses Mechanismus ist bei den
(Na+-K+-ATPase) eine Stabilisation und Aufrecht- Typ-II-­Fasern besser ausgeprägt und determiniert
erhaltung des Ruhepotentials (Linke und Pfitzer maßgeblich das Potential von Maximal- und
2010). ATP-abhängige Ca2+-Pumpen sorgen für den Schnellkraftleistungen (Caiozzo und Rourke 2006).

Bei der Muskelkontraktion gleiten die Aktin- Pfitzer 2010). Kontrahiert ein Sarkomer bis
und Myosinfilamente der in den Myofibrillen auf ca. 60 % seiner Ruhe- bzw. Gleichge-
seriell angeordneten Sarkomere aneinander wichtslänge, kommt es zur Kollision der Ak-
vorbei. Dieser charakteristische Vorgang wird tinfilamente im Bereich der M-Linie und der
daher auch als Gleitfilamentmechanismus be- Myosinfilamente mit der Z-Scheibe. Bei Sar-
zeichnet (. Abb. 4.7 und 4.10; Linke und Pfit- komerdehnung über die Gleichgewichtslänge
zer 2010). Bei aktiver Sarkomerverkürzung hinaus werden die Titinfilamente gedehnt
werden die Aktinfilamente weiter in die und erzeugen wichtige elastische Rückstell-
A-Bande in Richtung M-Linie gezogen, wo- kräfte (DVZ und Reaktivkraft, 7 Abschn. 4.1.3)
durch H-Zone und I-Bande gleichermaßen zur Aufrechterhaltung der Sarkomerintegrität
schmaler werden, während die Länge der (Brenner 2010).
A-Bande unverändert bleibt. Demgegenüber Molekulare Basis der Muskelkontraktion ist
werden bei einer Sarkomerdehnung die Aktin- die energieabhängige Interaktion zwischen My-
filamente aus der Anordnung der Myosinfila- osinkopf und Aktinfilament (Querbrückenzyk-
mente innerhalb der A-Bande herausgezogen, lus; 7 Exkurs: Feinregulation der Muskelkontrak-
wodurch das Ausmaß der Filamentüberlap- tion und . Abb. 4.10). Dabei wird unter
pung abnimmt. Entsprechend werden H-Zone Hydrolyse des am Myosinkopf gebundenen
und I-Bande gleichermaßen breiter, während energiereichen Adenosintriphosphats (ATP)
die Länge der A-Bande weiterhin konstant chemische Energie produziert, welche vom
bleibt (. Abb. 4.7b; Brenner 2010; Linke und Motorprotein Myosin in Muskelkraft zur akti-
Krafttraining
203 4

leichte Kette
Konverter

2 3
ATP-Spaltung niederaffine Bindung
ADP ADP
ATP Pi Pi

4
1
Ablösung
6 5
2. Kraftschlag 1. Kraftschlag
ADP hochaffine Bindung
Pi

2–4 nm 6–8 nm

..      Abb. 4.10 Der ATP-abhängige Querbrückenzyklus geht mit Aktin eine niederaffine Bindung ein (nieder-
(Brenner 2010): 1. Nach dem zweiten Kraftschlag (6.) affiner Aktomyosinkomplex). 4. Strukturumlagerungen
wird ein ATP-Molekül in dem aktiven Zentrum des im Myosinkopf bewirken eine Zunahme der Aktin-Myo-
Myosinkopfes gebunden, was zur Ablösung der sin-Affinität. 5. Durch Abspaltung von Pi aus dem
hochaffinen Bindung zwischen Myosinkopf und Zentrum des Myosinkopfes erfolgt eine Rotationsbewe-
Aktinfilament führt. 2. Die Hydrolyse von ATP in ADP gung des Hebelarms in Richtung M-Linie (erster
und anorganisches Phosphat (Pi) unter Abgabe eines Kraftschlag des Myosinkopfes und Verschiebung um
Wasserstoffprotons (H+) durch die ATPase-Funktion des ca. 6–8 nm). 6. Die Abspaltung von ADP aus dem
Myosinkopfes bewirkt ein Umklappen des Hebelarms in aktiven Zentrum induziert eine weitere Hebelarmrota-
Richtung Z-Linie zur erneuten Ausrichtung des tion des Myosinkopfes (zweiter Kraftschlag und
Myosinkopfes am Aktinfilament. 3. Der Myosinkopf Verschiebung um weitere 2–4 nm)

ven Längenänderung des Muskels eingesetzt bei wird den Regulatorproteinen Troponin-C
wird (Linke und Pfitzer 2010). Auch bei isome- und Tropomyosin, die den Aktinfilamenten an-
trischer Kraftentwicklung erfolgt der Querbrü- gelagert sind, eine bedeutsame Rolle zuteil. Bei
ckenzyklus, obwohl es hierbei zu keiner we- niedriger zytosolischer Ca2+-Konzentration wir-
sentlichen Veränderung von Muskellänge bzw. ken diese als Inhibitoren des Querbrückenzyklus,
Gelenkwinkel kommt. Hierbei bildet der Myo- da sie eine feste Anlagerung des Myosinkopfes
sinkopf immer an derselben Bindungsstelle am Aktinfilament verhindern (Linke und Pfitzer
zum Aktin eine mechanisch wirksame Quer- 2010). Eine erregungsbedingte Steigerung der
brücke, welche eine elastische Verformung des Ca2+-Konzentration bewirkt dagegen eine ver-
Myosinmoleküls im Bereich der Halsregion, stärkte Bindung von Ca2+-Ionen an die Troponin-
aber keine aktive Filamentverschiebung be- C-­Untereinheit, welches zu einer konformato-
wirkt (Linke und Pfitzer 2010). Der kontraktile rischen Umlagerung des Tropomyosinmoleküls
Mechanismus des Skelettmuskels kann dabei führt, in deren Folge die hochaffinen Bin-
auf molekularer Ebene in sechs elementare dungsstellen für die Myosinköpfe am Aktinfi-
Schritte eingeteilt werden (. Abb. 4.10; Caiozzo lament freigegeben werden können und somit
und Rourke 2006; Fitts 2008; Brenner 2010). der Querbrückenzyklus bei ausreichendem
Die Aktivität der Aktin-Myosin-­Interaktionen ATP-Vorrat ablaufen kann (Brenner 2010).
wird durch die Ca2+-Konzentration im Sarko- Bei Ermüdung und Akkumulation von Stoff-
plasma reguliert, um einer permanenten Kon- wechselendprodukten (ADP, Pi und H+) sind
traktion des Skelettmuskels bei ausreichendem Ca2+-Sensitivität und dadurch Kraftleistung
ATP-Angebot entgegenwirken zu können. Hier- verringert (Allen et al. 2008).
204 C. Raeder et al.

Exkurs: Feinregulation der Muskelkontraktion mit dem Rückenmark verbunden und besitzt
eine monosynaptische Verbindung mit den im
Aktuelle Forschungsergebnisse weisen auf eine Vorderhorn befindlichen efferent leitenden
mechano-sensitive Feinregulation der Muskelkon-
α-Motoneuronen (Noth 1994; Lehmann-Horn
traktion durch das Myosinmolekül hin (Linari et al.
2015). Demnach ruhen im relaxierten Muskel 2010). Bei plötzlicher Muskeldehnung (z. B.
(niedrige Ca2+-Konzentration) zahlreiche Myosin- während des DVZ) bewirken die afferent leiten-
köpfe inaktiv auf dem Myosinfilament, während nur den Spindelerregungen eine direkte Innervation
weniger als 5 % der Myosinköpfe durch Verwertung der α-Motoneurone des Agonisten (monosyn-
4 von ATP aktiviert sind. Bei niedriger äußerer Last
bewirken diese eine sofortige Muskelverkürzung.
aptischer Dehnungsreflex) und eine Inhibition
Dagegen kommt es erst bei höherer äußerer Last zu des α-Motoneurons des Antagonisten (rezip-
einer zusätzlichen Ca2+-induzierten Aktivierung der roke Antagonistenhemmung), wodurch die
„ruhenden“ Myosinköpfe. Dieser regulatorische Kontraktion verstärkt wird (Stone et al. 2007).
Mechanismus erlaubt eine bedarfsgerechte
Feinregulation der kontraktilen Kraftentfaltung.
Praxistipp: Der DVZ und spinale Bewegungs­
regulation

4.2.5  pinale und supraspinale


S Der im Zusammenhang mit der Reaktivkraft
Kraftregulation beschriebene Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus
(DVZ) nutzt die spinalen Faktoren der Bewe-
Die spinale Kraftregulation beruht auf neurona- gungsregulation zu einer Steigerung der
len Verschaltungen der Skelettmuskulatur mit Kontraktionskraft. Dabei ist die reflexbedingte
dem Rückenmark. Diese besitzen eine beson- mechanische Antwort des Muskels umso
dere Bedeutung bei der funktionellen Verarbei- größer, je schneller (z. B. Drop Jumps) und
tung von Längen- und Spannungsänderungen kra­ftvoller (z. B. Training mit exzentrischer
in der Muskel-Sehnen-Einheit (de Marées ­Überlast) der aktive Muskel gedehnt wird.
2002). Im Einzelnen spielen die Muskelspindeln
und die Golgi-Sehnenorgane als muskuläre Me-
chanorezeptoren eine wichtige Rolle. Innerhalb des Rückenmarks ist das α-Motoneuron
Die Muskelspindel ist parallel zu den Skelett- außerdem mit Interneuronen verbunden (den
muskelfasern (extrafusale Fasern) angeordnet Renshaw-Zellen), die bei zu starker Innervation
und misst fortwährend die Muskellänge bzw. im Sinne einer Schutzwirkung hemmend auf das
die Längenänderung (. Abb. 6.8). Sie enthält α-Motoneuron wirken (Feedback-Hemmung).
ebenfalls Muskelfasern, sogenannte intrafusale Die Empfindlichkeit der Renshaw-Zellen kann
γ-Fasern, die in ihren distalen Polbereichen zentralnervös verändert werden und ermöglicht
kontraktil sind. In der nicht kontraktilen Äqua- hierdurch eine Feinregulation der Kraft. Auch der
torialregion der Spindel befindet sich der deh- Dehnungssensor der Spindel besitzt eine zentral-
nungssensitive Rezeptor. Die Muskelspindel ist nervöse efferente Ansteuerung, um die Muskel-

Exkurs: Muskelkater und Störungen der spinalen Bewegungsregulation

Trainingsinduzierte Strukturschädigungen der und demzufolge die reflektorische Erregung der


Skelettmuskulatur (Mikrotraumata) verursachen eine α-Motoneurone verringern können (Nicol et al. 1996;
Reduktion der Reflexsensitivität der Muskelspindeln, Avela et al. 1999). Zusätzlich besitzen diese auch einen
deren Funktionseinschränkung nachhaltige inhibitorischen Einfluss auf die zentralnervöse
Störungen des DVZ und Einschränkungen der Reaktiv- Willküraktivität (Gandevia 2001; Amann 2012). Der
kraftleistung bewirken können (Byrne et al. 2004; adäquate Reiz für die Aktivierung der Nozizeptoren
Nicol et al. 2006). Der zugrunde liegende Mechanis- sind neben anaeroben Metaboliten (z. B. Laktat und
mus wird dabei in einer verstärkten Reizung der im H+-Ionen) vor allem Entzündungsmediatoren
Muskelgewebe befindlichen Nozizeptoren vermutet, (z. B. Prostaglandine, Bradykinine), deren Ausschüt-
welche die Ia-Afferenzen auf spinaler Ebene hemmen tung durch muskuläre Mikrotraumata verursacht wird.
Krafttraining
205 4
länge bedarfsgerecht voreinzustellen (Lehmann-­ onsmuster zu den spinalen α-Motoneuronen
Horn 2010; Sollwertregulation; Laube 2013). im Vorderhorn. In der Summe bewirkt dies
Die Golgi-Sehnenorgane (. Abb. 6.9) befin- eine präzise koordinierte Erregung der motori-
den sich im tendomuskulären Übergangsbereich schen Einheiten der bewegungsrelevanten Ske-
und reagieren speziell auf kontraktionsbedingte lettmuskulatur (Noth 1994; de Marées 2002;
Spannungsänderungen (Laube 2009). Bei hoher Powers und Howley 2009).
mechanischer Spannung (z. B. bei maximaler iso- Die supraspinale Bewegungskorrektur er-
metrischer Kontraktion) wirken die Ib-Afferen- folgt über zwei unterschiedliche Mechanismen.
zen der Sehnenorgane protektiv hemmend auf Ballistische Bewegungen (z. B. ein Medizinball-
die α-Motoneurone des homonymen Muskels wurf) beruhen bei der Ausführung auf einem in
(autogene Hemmung) (de Marées 2002). Dieser den kortikalen Arealen des Großhirns vorlie-
Effekt begründet auch das Prinzip der postisome- genden Programm. Sie werden ohne Feedback
trischen Relaxation beim Beweglichkeitstraining, ausgeführt (Open Loop) und führen erst nach-
nach dem der isometrisch vorkontrahierte Mus- träglich zu einer Beurteilung und ggf. zu einer
kel sich anschließend besser dehnen lässt Programmmodifikation. Bei langsamen Bewe-
(7 Kap. 6; Stone et al. 2007). Im Gegensatz zur gungen (z. B. Balancieren auf instabilen Unter-
Muskelspindel enthalten die Sehnenorgane keine lagen) basiert die Regelung auf der permanent
intrinsischen Muskelfasern und verfügen dem- ablaufenden funktionalen Verrechnung senso-
nach auch über keine efferente Innervation. rischer Rückmeldungen aus der Körperperi-
Zusammenfassend spielt dieses komplexe pherie nach dem klassischen Prinzip eines
System der spinalen Bewegungskontrolle (spe- Soll-/Istwert-Vergleichs (Closed Loop; de Ma-
ziell Muskelspindel und Golgi-Sehnenorgane) rées 2002; Konczak 2003; Laube 2009).
eine bedeutende Rolle bei der Steuerung von
Muskellänge und Muskelkraft sowie bei der Exkurs: Zentrale Ermüdung beim Krafttraining
sensorisch-motorischen Kontrolle und Stabili-
Eine zentrale Ermüdung wird vornehmlich durch
sierung von Gelenkwinkeln (Noth 1994; Leh- metabolische (z. B. Myokine, ggf. auch Serotonin-
mann-Horn 2010). Für die Trainingspraxis er- vorstufen) und/oder mechanische Faktoren
geben sich unmittelbare Zusammenhänge zum (z. B. Muskelschmerzempfinden) in der Peripherie
Krafttraining (z. B. Reaktivkrafttraining) und verursacht (MacDougall und Sale 2014; Toigo
2015). Dies verringert das Aktivierungsniveau
zum Beweglichkeitstraining (z. B. dynamisches
kortikaler Motoneurone und reduziert die
Dehnen und PNF-Methoden). Kraftleistung. Nach Passage der Blut-Hirn-Schranke
Die supraspinale Kraftregulation beruht können periphere Metaboliten neuromodulatori-
auf zentralnervösen Kontrollmechanismen. sche Wirkungen entfalten, die mit Erschöpfung,
Der zentrale Handlungsantrieb erfolgt im Müdigkeit, Benommenheit oder Lethargie sowie
einer negativen Gefühls- und Stimmungslage
limbischen System und in anderen kortikalen
assoziiert sind (Ament und Verkerke 2009; Vargas
Motivationsarealen, bevor es zum Abruf mo- und Marino 2014; Phillips 2015).
torischer Programmentwürfe im Assoziati-
onskortex kommt, welche nachfolgend in
konkrete Bewegungsprogramme im prämoto-
rischen Kortex umgesetzt werden. Unter Betei- 4.2.6 I ntra- und intermuskuläre
ligung von Kleinhirn und Basalganglien, wel- Koordination
che als Kontrollsysteme fungieren, werden die
Bewegungsprogramme feinjustiert und zum Die intramuskuläre Koordination bezieht sich
Motorkortex weitergeleitet, dem Exekutivor- auf die bedarfsgerechte Abstufung der Kon-
gan von Bewegungshandlungen. Über effe- traktionskraft eines Muskels. Diese wird vom
rente Nervenbahnen (Pyramidenbahn) und zentralen Nervensystem durch den Grad der
unter Mitwirkung der stützmotorischen Funk- Rekrutierung (Anzahl aktivierter motorischer
tion des Hirnstammes gelangen die Innervati- Einheiten) und Frequenzierung (Erregungs-
206 C. Raeder et al.

rate der Motoneurone) von motorischen Ein- Auch die Steigerung von Erregungsrate bzw.
heiten (ME) moduliert (Linke und Pfitzer Aktionspotentialfrequenz ermöglicht größere
2010; MacDougall und Sale 2014). Kontraktionskräfte (MacDougall und Sale 2014).
Im Allgemeinen sind alle Willkürkontraktionen
Intra- u. intermuskuläre Koordination des Skelettmuskels tetanischer Natur (Brenner
2010). Für die Erzeugung von tetanischen Dau-
Als „intramuskuläre Koordination“ wird
erkontraktionen sind bei den schnellen Typ-II-
die Qualität des zentralen Nervensystems
Fasern höhere Impulsraten erforderlich.
verstanden, innerhalb eines Muskels die
4 Anzahl der aktivierten motorischen
Die intermuskuläre Koordination bezieht sich
auf eine koordinativ bestmögliche Abstim-
Einheiten (Rekrutierung) und die
Erregungsrate bzw. Aktionspotentialfre-
quenz der Motoneurone von motorischen Praxistipp: Rekrutierung der Typ-II-Fasern
Einheiten (Frequenzierung) bedarfsge-
Die Rekrutierung von schnellen motorischen
recht zu modulieren. Einheiten erfolgt bei hohen Widerständen von
Als „intermuskuläre Koordination“ über 80–95 % des 1 RM. Sie kann jedoch auch
wird die Qualität des zentralen Nerven- bei moderaten Intensitäten unterhalb von 80 %
systems zur bestmöglichen Abstimmung des Kraftmaximums gesteigert werden:
55 wenn die Bewegung bei geringerer
mehrerer Muskeln (zwischen Agonisten
Intensität bis zum Muskelversagen
und Synergisten sowie zwischen Agonis- fortgesetzt wird,
ten und Antagonisten) innerhalb eines 55 wenn die Kraft bei geringerer Intensität
Bewegungsablaufs mit dem Ziel der maximal explosiv entfaltet wird,
Ökonomisierung und Leistungssteige- 55 wenn durch Applikation von Vibration eine
zusätzliche externe Stimulation erfolgt.
rung verstanden.

Mit ansteigendem Kraftbedarf nehmen Rekru-  xkurs: Warum zittert die Oberfläche des
E
tierung und Frequenzierung kontinuierlich zu. Muskels?
Die Reihenfolge der rekrutierten motorischen Bei submaximaler isometrischer Kontraktion
Einheiten (ME) folgt nach dem Größenprinzip (z. B. im Kniegelenksstrecker) beobachten wir,
und dem zugrunde liegenden Rekrutierungs- dass die Oberfläche des Muskels in ständiger
schwellenwert (Toigo 2015). Bei geringen Bewegung ist. Die Ursache besteht darin, dass
Kraftanforderungen werden die kleinen die an der Kraftproduktion beteiligten
motorischen Einheiten (ME) asynchron, d. h.
α-Motoneurone vom Typ-S (slow) rekrutiert. alternierend, aktiviert werden. Hierdurch kann
Diese besitzen den niedrigsten Schwellenwert die Muskelermüdung insgesamt verzögert
und innervieren die langsamen, ermüdungsre- werden, da die Relaxationsperiode einer ME
sistenten Typ-I-Fasern. Bei steigendem Wider- durch die Kontraktionsphase einer anderen ME
stand schalten sich zunächst die α-Motoneurone überlagert wird (MacDougall und Sale 2014).
vom Typ-FR (fast fatigue resistant) und schließ-
lich jene vom Typ-FF (fast fatigable) dazu, wel-
che die schnellen, jedoch rascher ermüdbaren mung mehrerer Muskeln innerhalb eines Be-
Typ-IIa- bzw. Typ-­ IIx-­
Fasereinheiten aktivie- wegungsablaufs. Sie kommt bei komplexen
ren. Bei etwa 80–95 % des Kraftmaximums sind mehrgelenkigen Kraftübungen (z. B. beim
weitgehend alle für die motorische Aufgabe funktionellen Krafttraining), aber auch bei
einsetzbaren ME rekrutiert. Bei abnehmendem sportartspezifischen Trainingsformen (z. B.
Kraftbedarf werden die Motoneurone sukzessiv Wurf-, Stoß- oder Sprungbewegungen) zum
in umgekehrter Reihenfolge derekrutiert (Mac- Tragen. Die Qualität der intermuskulären Ko-
Dougall und Sale 2014). ordination gilt jeweils nur für eine spezifische
Krafttraining
207 4
motorische Aufgabe und ist nur eingeschränkt sportartspezifische Techniken (z. B. Handball-
übertragbar auf anders strukturierte Bewe- wurf) stets ein ausreichender koordinativer
gungsleistungen. Für die Trainingspraxis be- Transfer initiiert werden muss (Gamble 2013;
deutet dies, dass zwischen mehrgelenkigen Raeder et al. 2015). Die intermuskuläre Koor-
komplexen Kraftübungen (z. B. Medizinball- dination besitzt enge Verwandtschaft zum
training) und dem Übertrag auf konkrete Schnelligkeitstraining (7 Kap. 5).

Exkurs: Vibrationskrafttraining

Das Vibrationskrafttraining besitzt wissenschaftlich Der Primäreffekt für die Muskulatur


nachweisbare Effekte (Luo et al. 2005). Inzwischen besteht in der Auslösung des tonischen
existiert eine Vielzahl an Trainingsgeräten, die auf Vibrationsreflexes, indem hochfrequente
verschiedenartige Weise eine hochfrequente Dehnungen den monosynaptischen
Vibration generieren (seitenalternierende, vertikale Muskelspindelreflex dauerhaft hintereinander
und stochastische Systeme) und die zur Ganzkör- auslösen. Hierdurch können auch die schwer
per- oder Teilkörpervibration (z. B. Vibrationshan- rekrutierbaren Typ-II-Fasern zur Kontraktion
tel) eingesetzt werden können. Die Idee, eine gebracht werden. Darüber hinaus existieren
Vibration als Trainingsreiz zu nutzen, geht auf den auch gesundheitssportlich positive Effekte
Weißrussen Viktor Nazarov zurück, der dieses von Vibrationstraining auf Knochendichte
Verfahren für die Raumfahrt zum Erhalt von (Osteoporoseprophylaxe) und theoretisch
Muskel- und Knochensubstanz unter Bedingungen auch auf die Regeneration (Durchblutungs-
der Schwerelosigkeit erfolgreich einsetzte. förderung, Lymphabfluss; Edge et al. 2009).

4.2.7 Kraft-Längen-Relation des lenkwinkels und ein muskuläres Drehmo-


Muskels ment (Torque) um das entsprechende Gelenk.
Das realisierbare Drehmoment wird hierbei
Die Kontraktionskraft eines Muskels ist ab- nicht nur durch die Kraft-Längen-Relation
hängig von seiner Länge. Dieser Zusammen- des Muskels, sondern auch durch Gelenkar-
hang kann durch die Kraft-Sarkomerlän- chitektur und Kraftübertragung (interner
gen-Kurve verdeutlicht werden und basiert Momentarm) bestimmt (. Abb. 4.11c). Der
auf dem unterschiedlichen Überlappungsgrad Gelenkwinkel der größten muskulären Kraft-
von Aktin und Myosin (. Abb. 4.11a). Unter entfaltung muss daher nicht zwangsläufig mit
physiologischen Bedingungen kann sich das dem Gelenkwinkel übereinstimmen, in dem
Sarkomer auf bis zu ca. 160 % seiner Optimal- das größte Drehmoment erzeugt wird. Dieser
länge im absteigenden Schenkel der Kurve hängt somit von muskulären (Filamentüber-
(Descending Limb) verlängern. Wird die iso- lappung, passive Elastizitätskraft) und artiku-
metrische Maximalkraft eines gesamten Mus- lären Faktoren (Größe des internen Moment-
kels gegen die Muskellänge aufgetragen, erhält arms) ab (Toigo 2015).
man die aktive Kraft-Muskellängen-Kurve Für die Trainingspraxis ergibt sich aus den
(. Abb. 4.11b). Mit zunehmender Muskel- beschriebenen Zusammenhängen einerseits
länge addieren sich abnehmende aktive Kon- die Konsequenz, beim Krafttraining möglichst
traktionskräfte und zunehmende passive Elas- die gesamte Bewegungsamplitude zu berück-
tizitätskräfte (insbesondere bedingt durch das sichtigen. Andererseits scheint ein konstanter
Titin) zur Gesamtkraft (Combined Tension) Widerstand (wie in der Praxis üblich und
des Muskels (Brughelli und Cronin 2007; kaum vermeidbar) unangemessen zu sein, da
MacDougall und Sale 2014). die relative Auslastung des Muskels im Be-
Beim dynamischen Krafttraining entsteht reich der Optimallänge unzureichend sein
durch Kontraktion eine Änderung des Ge- wird. Folglich existieren Trainingsgeräte mit
208 C. Raeder et al.

Exzenter (meist eine elipsoide Scheibe), wel- sportlichen Praxis werden jedoch üblicherweise
che den Lastarm und somit den Widerstand mehrgelenkige (multiartikulare) Trainingsfor-
im Gelenkwinkel der Optimallänge erhöhen. men bevorzugt. Hierbei stellt sich das Phäno-
Entsprechende Entwicklungen setzen sich men der Kraft-Längen-Relation noch weitaus
jedoch in der Praxis nur bedingt durch, weil sie komplexer dar und soll im Folgenden am Bei-
auf geführte eingelenkige (monoartikulare) Be- spiel der Kniebeuge (der „Mutter aller Kraft-
wegungsabläufe reduziert sind. In der leistungs- sport-Übungen“) vertieft werden.
Im Verlauf der Kniebeuge kommt es in den
4 Plateau
beteiligten Gelenken (Knie- und Hüftgelenk) in
region Descending verschiedenen Gelenkwinkeln zu einer unter-
limb
schiedlichen Aktivierung der Arbeitsmusku-
100 Ascending
limb 2,0 2,2 latur (Hahn 2011). Das Ausmaß der Muskel-
Passive aktivität wird von der Widerstandslast, den
Force (%)

force
1,7 Gelenkwinkeln und der Länge der externen
50
Lastarme determiniert (Bryanton et al. 2012;
Gottlob 2013). Der Lastarm ist dabei definiert
als der horizontale rechtwinklige Abstand zwi-
0 schen der vertikalen Lastwirkungslinie und dem
1,27 1,7 2,0 2,2 3,6
jeweiligen Gelenkdrehpunkt (. Abb. 4.12). Das
a Sarcomere length (µm)
Produkt aus Lastarm und äußerer Gewichtslast
ergibt das externe Drehmoment (Toigo 2015).
80
Combined
tension
60
Passive
Force (N)

tension
40

20 Active
tension

0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5
b Length (cm)

Optimum length
150 Active and
passive tension Knie-
Momentarm

100
Torque (Nm)

50
Hüft-Momentarm

0
0° 20° 40° 60° 80°
c Angle

..      Abb. 4.11 Beziehungen zwischen Kraft und


Sarkomerlänge a, Kraft und Muskellänge b sowie Dreh- ..      Abb. 4.12 Externe Momentarme, die auf Hüft-
moment und Gelenkwinkel (c; nach Brughelli und und Kniegelenk bei der Parallelkniebeuge einwirken
Cronin 2007, S. 809) (mod. nach Hartmann und Wirth 2014, S. 7)
Krafttraining
209 4
Exkurs: Die Kniebeuge und das „Residual Force Enhancement“ unter der Lupe

Bei der Kniebeuge nimmt mit zunehmender bewältigt als bei der 90°-Kniebeuge, da die reaktive
Beugetiefe das Drehmoment zu, da sich die Summe Beschleunigung aus dem tiefen Umkehrpunkt unter
der auf Knie- und Hüftgelenk wirkenden Lastarme Mitwirkung des DVZ die Überwindung des Totpunkts
vergrößert. Die höchste Quadrizepsaktivität wird begünstigt. Ferner kann es nach extremer Muskeldeh-
jedoch bereits zwischen 60–90° Knieflexion erreicht (in nung in der tiefen Position der Kniebeuge zu einer
tieferen Gelenkwinkelpositionen werden die Knie Potenzierung der isometrischen Kraft kommen, die
häufig v-förmig nach außen geschoben, was den auch als Residual Force Enhancement bezeichnet wird
Lastarm verkleinert). Bei etwa 80–90° Knieflexion (Herzog et al. 2006). Dies wird mit einer kalziumabhän-
befindet sich auch der sogenannte Totpunkt (Sticking gigen Zunahme der strukturellen Stabilität des
Point) der Kniebeuge, an dem die Übung häufig zum Titinfilaments mit nachfolgender Erhöhung der
Erliegen kommt (Escamilla 2001; Newton 2011; Kompf muskulären Stiffness und der passiven Kraft begründet
und Arandjelovic 2016). Bei der Tief- bzw. Parallelknie- (Herzog et al. 2015).
beuge werden jedoch teilweise höhere Lasten

Praxistipp: Die Kniebeuge und anschließende Utilisation elastischer


Energie eine fundamentale Bedeutung zu. Die
Für eine bestmögliche Beanspruchung von Regulation der Stiffness unterliegt neuronalen,
Knie- und Hüftmuskulatur ist bei adäquater kontraktilen und mechanischen Einflussgrö-
Bewegungstechnik und Mobilität ein Trai- ßen, deren Interaktion eine Leistungspotenzie-
ning mit großer Bewegungsamplitude zu rung beim Absprung (konzentrische Kontrak-
empfehlen. Aufgrund der höheren Muskel- tion) innerhalb des schnellen DVZ ermöglicht
beanspruchung (speziell im Hüftstrecker) (Ehlenz et al. 2003; Nicol et al. 2006).
und der höheren mechanisch-induzierten
Dehnungsspannung (Hüft- und Kniege- Stiffness
lenksstrecker) kann hier ein größeres adap-
Die Stiffness beschreibt den durch intrinsi-
tives Potential erwartet werden (Newham
sche Kräfte erzeugten Widerstand, den der
et al. 1988).
tendomuskuläre Komplex einer Längenän-
Die 90°-Kniebeuge und die Parallel­
derung durch äußere auf ihn einwirkende
kniebeuge besitzen hingegen für die
Kräfte entgegensetzt (Gollhofer 1987).
meisten Sportarten eine höhere Funktio-
Demnach kann man von einer hohen Stiff-
nalität, da die meisten Sprung- oder
ness sprechen, wenn bei Einwirkung und
Sprintstartbewegungen aus eher geringe-
Erzeugung hoher mechanischer Span-
ren Knieflexionen beginnen. Folglich sind
nungszustände (∆K/Q) nur geringe Mus-
Tiefkniebeuge und Kniebeugen mit gerin-
kellängen- bzw. Gelenkwinkeländerungen
gerer Amplitude in Abhängigkeit von
und damit Veränderungen des muskulären
Sportart, Trainingsziel und Saisonzeit-
Dehnzustandes (∆L/L0) provoziert werden.
punkt bzw. Zeitpunkt der Periodisierung
angemessen zu kombinieren. DK / Q
S=
DL / L 0

4.2.8 Stiffness des S - = Stiffness


tendomuskulären Systems ∆K - = Änderung der Kraft
Q - = Querschnittsfläche des Muskels
Der Muskelsteifigkeit (Stiffness) kommt insbe- ∆L - = Änderung der Muskellänge
sondere bei Reaktivkraftleistungen (z. B. beim L0 - = Ausgangslänge des Muskels
Drop Jump) für die kurzfristige Speicherung
210 C. Raeder et al.

Auf neuronaler Ebene spielen die zentralner- jedoch maßgeblich auch die Sehnen sowie
vös gesteuerte muskuläre Voraktivierung die im Muskelgewebe eingebetteten Apo-
(Feedforward Control) und die Stärke der spi- neurosen (Wilson und Flanagan 2008; Kui-
nalen Reflexinnervation (Feedback Control) tunen 2010). Die Sehnen werden während
vor bzw. während des Bodenkontakts bei Drop der exzentrischen Phase im schnellen DVZ
Jumps eine entscheidende Rolle. Es besteht ein stark gedehnt, während die Muskelfasern
Zusammenhang zwischen dem Grad der mus- annähernd isometrisch im Bereich ihrer op-
kulären Voraktivierung vor der Landung und timalen Myofilamentüberlappung kontra-
4 geringeren Bodenkontaktzeiten beim Drop hieren (Ishikawa und Komi 2008). Demnach
Jump (Arampatzis et al. 2001). Des Weiteren erzeugt der Muskelfaszikel die notwendige
kommt es zu einer Erhöhung der Sensitivität Gegenkraft, damit die Sehnen die elastische
der Muskelspindeln (Feedforward Control) Spannungsenergie in der kurzen Dehnungs-
und dadurch zu einer verstärkten Reflexinner- phase des schnellen DVZs speichern kön-
vation während der Bodenkontaktphase (Goll- nen, welche in der nachfolgenden konzentri-
hofer et al. 1984). Die Regulation der Stiffness schen Phase leistungspotenzierend wirksam
im schnellen DVZ wird auch als kurzzeitige wird.
reaktive Spannungsfähigkeit der kontraktilen In Hinblick auf die physische Leistungsfä-
Proteine im Aktin-Myosin-Komplex bezeich- higkeit können positive Zusammenhänge
net (Ehlenz et al. 2003). zwischen dem Grad der tendomuskulären
Auch mechanische Einflussgrößen der Stiffness und der isometrischen und konzent-
Muskel-Sehnen-Einheit tragen in hohem rischen Kraftanstiegsrate (Schnell-und Explo-
Maße zur Stiffness bei reaktiver Kraftentfal- sivkraft), dem realisierbaren Kraftmaximum,
tung bei (Kuitunen 2010). Dies betrifft vor- der maximalen Sprintgeschwindigkeit und
nehmlich das muskuläre Bindegewebe sowie der Laufökonomie aufgezeigt werden. Im Al-
die Titinfilamente, die bei aktiver Muskel- tersgang, bei Untrainierten sowie bei Athleten
dehnung zur Speicherung von elastischer im ermüdeten Zustand nimmt die Stiffness
Energie befähigt sind (Seiberl et al. 2015). signifikant ab (Kuitunen et al. 2002; Wilson
Zu den mechanischen Komponenten zählen und Flanagan 2008).

Praxistipp: Exzentrisches Krafttraining für die Sehne

Die Sehnen sind das Bindegewebe, das die (Arampatzis 2009; Douglas et al. 2017). Optimal
Muskeln mit den Knochen verbindet und adaptierte Sehnen können dabei das Verletzungs-
anschließend die Kraft vom Muskel auf den risiko senken sowie die Leistungsfähigkeit durch
Knochen überträgt. Aus trainingsphysiologischer eine Verbesserung der myofaszialen Kraftübertra-
Sicht ist es kaum möglich, Sehnen isoliert zu gung steigern. Exzentrische Kraftstimuli werden
trainieren, da jede Bewegungshandlung grund- darüber hinaus erfolgreich in der Rehabilitation
sätzlich eine Interaktion der Sehnen mit den von chronisch schmerzhaften und degenerativen
Muskelfasern hervorruft und somit die Mus- Sehnenerkrankungen (z. B. Achillo- oder Patel-
kel-Sehnen-Einheit immer in ihrer Gesamtheit la-Tendinopathien) eingesetzt.
beansprucht wird. Allerdings gibt es Hinweise, dass Beispiel: Heel-Drops (3 × 15 Wdh.): Stehe mit
der adäquate Reiz zur Adaptation von Sehnenge- den Fußballen auf einem erhöhten Untergrund
webe hohe mechanische und insbesondere (z. B. Treppenstufe). Lasse die Ferse langsam und so
exzentrische Kraftbelastungen sind, die, chronisch weit wie möglich (ggf. einbeinig oder mit Zusat­
und periodisiert verabreicht, sowohl qualitative zgewichten) exzentrisch nach unten gleiten. Das
(Sehnensteifigkeit) als auch quantitative Verbesse- Aufrichten kann bzw. sollte zunächst am Treppen-
rungen (Sehnenquerschnitt) bewirken können geländer mit Gewichtsentlastung erfolgen.
Krafttraining
211 4
4.2.9 Postactivation Potentiation als Komplextraining bezeichnet (Ebben 2002;
(PAP) und Komplextraining Baker und Newton 2005; Robbins 2005). Die
dahinter stehende Theorie besagt auch, dass
In vielen Sportarten wird versucht, den koordi- eine muskuläre Voraktivierung (z. B. Knie-
nativen Transfer von Kraftfähigkeiten in hohe beuge mit hoher Zusatzlast und wenigen Wie-
Bewegungsgeschwindigkeiten möglichst zeit- derholungen) mit einem zeitlich begrenzten
nah durch die unmittelbare Kopplung von Nachwirkungseffekt im Sinne einer Kraftsteige-
Krafttrainingsreizen und spezifischen Schnell- rung (Postactivation Potentiation, PAP) ein-
kraftübungen aus der jeweiligen Sportart zu hergeht (z. B. Verbesserung der Vertikalsprung-
optimieren. Diese Vorgehensweise wird auch leistung).

Exkurs: Postactivation Potentiation (PAP)

Die kurzfristige Steigerung der Sprungkraft durch Hinsichtlich der Komplexintervention der oberen
vorausgehende Kraftinterventionen konnte Extremität ist die Datenlage allerdings weniger
vielfach experimentell belegt werden (Young et al. eindeutig als bei der unteren Extremität. Offenbar
1998; Baker 2003). Der Effekt basiert auf molekula- scheint der PAP-Effekt bei koordinativ anspruchs-
rer Ebene auf einer optimierten Aktin-Myosin-In- vollen Techniken (z. B. dem Tennisaufschlag) nur
teraktion, einer verbesserten Erregbarkeit und bedingt geeignet zu sein, da möglicherweise
Rekrutierung der schnellen Muskelfasern und koordinativ störende Einflüsse entstehen (Ferrauti
insgesamt auf einem verbesserten neuromuskulä- und Bastiaens 2007). Keinesfalls darf die Voraktivie-
ren Signaltransfer (Güllich und Schmidtbleicher rung bereits so umfangreich sein, dass sich PAP
1996; Sale 2002; Tillin und Bishop 2009). und Ermüdung überlagern.

4.2.10 Exzentrisches Krafttraining beurteilen. Eine der wesentlichen Theorien zur


und Muskeldestruktion Erklärung von krafttrainingsinduzierten An-
passungen des Skelettmuskels ist die Muskel-
Beim exzentrisch akzentuierten Krafttraining destruktionstheorie. Diese besagt, dass nach
wird der Widerstand in der nachgebenden Phase vorausgegangener Schädigung und nach Ab-
der Bewegung gegenüber der konzentrischen schluss der Entzündungsreaktionen die Fusion
Phase erhöht. Ein derartiges Training steigert die von embryonalen Muskelzellen (Satellitenzel-
muskelmechanische Beanspruchung, ohne zu- len) mit der Muskelfaser während der Repara-
sätzlich das Herz-Kreislauf-­System zu belasten. turvorgänge bessere Voraussetzungen für eine
Die Folge ist eine vermehrte Muskeldestruktion, Muskelhypertrophie schafft (Peake et al. 2005;
basierend auf Mikrotraumata im Bereich der Sar- Spiering et al. 2008).
komere (Proske und Morgan 2001). Ursächlich In der Praxis kann das exzentrische Kraft-
hierfür ist die Tatsache, dass die Muskelfasern training am leichtesten beim Training an gän-
entgegen der haltenden Kontraktionskraft in die gigen Krafttrainingsmaschinen eingesetzt
Länge gezogen werden. Als Sekundärfolge treten werden. Obwohl einige Gerätehersteller be-
Entzündungsreaktionen, Muskelschmerz oder reits auf den Trend reagiert haben und die
Muskelkater auf (Delayed Onset of Muscle Sore- Programmierung einer elektronisch vorein-
ness, DOMS; Aoi et al. 2004; Ascensao et al. 2008; gestellten exzentrischen Zusatzlast anbieten,
Raeder et al. 2016). bedarf es nicht unbedingt derartiger techni-
Diese scheinbar negativen Effekte sind aus scher Hilfsmittel. Viel einfacher ist beispiels-
Sicht der Kraftadaptation durchaus positiv zu weise die Kombination von beidarmiger oder
212 C. Raeder et al.

1000 10
MS * MS
DS DS
800 EO 8 EO
FW FW

600 PJ 6 PJ
CK (U × L–1)

DOMS (cm)
4 400 4

200 2

0 0
a prä post 24 post 48 b post 24 post 48

..      Abb. 4.13 Auswirkungen verschiedener 2016, S. 961). Alle Protokolle unterscheiden sich
Ausführungen einer Trainingseinheit „Kniebeuge“ auf signifikant vom Ruhewert (Prä). MS = Multiple Sets;
a die Kreatinkinasekonzentration (CK) und b die DS = Drop Sets; EO = Eccentric Overload; FW = Flyw-
Entstehung von Muskelkater (DOMS) 24 (post 24) und heel YoYo Squat; PJ = Plyometric Jump (7 https://doi.
48 Stunden (post 48) nach dem Training (Raeder et al. org/10.1007/000-04y)

beidbeiniger konzentrischer mit einarmiger


bzw. einbeiniger exzentrischer Bewegungs-
phase (z. B. an der Beinpresse oder Leg-­
Extension-­Maschine). Im Freihanteltraining
sind exzentrische Overload-Belastungen nur
durch Partnerunterstützung zu realisieren
und führen dort zur stärksten Muskeldest-
ruktion gemessen an der CK-Konzentration
und dem Muskelkater (. Abb. 4.13; Raeder
et al. 2016).
Interessante Möglichkeiten für ein exzent-
risches Krafttraining bieten auch spezielle Seil-
zuggeräte an (z. B. Versa-Pulley und Flywheel).
Diese generieren die exzentrische Mehrbelas-
tung dadurch, dass der Seilzug während der
konzentrischen Phase beim Abwickeln ein
Schwungrad antreibt, welches diese Energie
zur potenzierten Aufwicklung des Seilzugs ..      Abb. 4.14 Exzentrisch akzentuierte Kniebeuge
mittels des Flywheels. Eigene Untersuchungen
nutzt (Yo-Yo-Effekt), sodass der Trainierende belegen die enorme metabolische Beanspruchung
mit höherer Kraft in die exzentrische Phase ge- eines solchen Trainings (Raeder et al. 2016) (7 https://
zogen wird (. Abb. 4.14). doi.org/10.1007/000-04x)
Krafttraining
213 4
4.2.11 Energiebereitstellung beim wird durch die ATPase-Reaktionen (ca. 70 %)
Krafttraining sowie die energieabhängigen Ca2+-ATPasen
(Rücktransport von Kalziumionen ins sarko-
Jede Kraftentwicklung erfordert die perma- plasmatische Retikulum) und Na+-K+-ATPa-
nente Bereitstellung von Energie in Form von sen (Wiederherstellung des Membranpotenti-
ATP (Adenosintriphosphat), welche inner- als) bestimmt (ca. 30 %). Da der intramuskuläre
halb des Querbrückenzyklus bei der Interak- ATP-Vorrat begrenzt ist, muss ATP kontinu-
tion zwischen Aktin und Myosin durch hyd- ierlich resynthetisiert werden. Diesbezüglich
rolytische Spaltung von ATP in ADP und Pi stehen dem Organismus verschiedene Mecha-
freigesetzt wird. Diese Reaktion wird durch nismen der Energiebereitstellung mit unter-
ein Enzym, die myofibrilläre MHC-ATPase, schiedlicher ATP-Produktionskapazität und
im aktiven Zentrum des Myosinkopfes kata- Energieflussrate (maximale ATP-Bildung pro
lysiert. Die Gesamtmenge des ATP-Bedarfs Zeiteinheit) zur Verfügung (7 Abschn. 7.2.1).

Exkurs: Besonderheiten der Energiebereitstellung beim Krafttraining

Die energiereichen Phosphate ATP und Kreatinphos- Die physiologischen Ursachen für das finale
phat (KP; anaerob-alaktazider Stoffwechsel) Muskelversagen sind wie folgt: Ein Anstieg von Pi
ermöglichen eine hohe Energieflussrate und sind und die Abnahme von ATP behindern Ca2+-Freiset-
vornehmlich bei kurzzeitig hochintensiven zung und -Wiederaufnahme aus dem sarkoplasma-
Krafteinsätzen wie beim Maximal- und Schnellkraft- tischen Retikulum (SR). Des Weiteren verursachen
training mit Anspannungszeiten unterhalb von 10 s die Anstiege der H+- und Pi-Konzentrationen eine
von Bedeutung (Stone et al. 2007). Abnahme der Ca2+-Sensitivität der kontraktilen
Bei erschöpfenden Krafteinsätzen mit Proteine (Troponin C) und beeinträchtigen die
submaximaler Intensität und mehreren Sätzen wie kontraktile Kraftentfaltung im Querbrückenzyklus.
beim Hypertrophietraining ermöglicht primär die Schließlich führen Veränderungen der intra- und
anaerob-laktazide Glykolyse die Aufrechterhaltung extrazellulären Ionenkonzentrationen zu Störun-
der Kontraktionsintensität bei gleichzeitiger gen in der Auslösung von Aktionspotentialen am
Akkumulation von Blutlaktat sowie intrazellulärem Sarkolemm bzw. in den T-Tubuli der Muskelfasern
H+-Ionenanstiegs und pH-Abfall (Haff und Triplett (Allen et al. 2008; Fitts 2008; Ament und Verkerke
2016). 2009; MacLaren und Morton 2012; MacDougall
und Sale 2014).

4.2.12  kklusion und Hypoxie im


O oder Gummibänder reduziert. Das Okklusi-
Krafttraining onstraining ist aufgrund seines japanischen
Erstbeschreibers in der Praxis auch unter
Das Okklusionstraining (besser: Blood Flow dem Begriff Kaatsu-Training bekannt. Der
Reduction bzw. Modulation Training) wird zugrunde liegende Wirkungsmechanismus
aktuell als eine neue Methode im Kraft- und besteht darin, dass die metabolische Auslas-
Ausdauertraining diskutiert. Im Krafttrai- tung der Muskelzelle durch eine Verschlech-
ning soll hierdurch die Muskelhypertrophie terung der Sauerstoffzufuhr, ähnlich einem
positiv beeinflusst werden. Hierzu wird die Training unter Hypoxiebedingungen, gestei-
Blut- und Sauerstoffzufuhr in die trainieren- gert wird. Durch den Blutrückstau können
den Extremitäten gezielt durch Manschetten zusätzliche Stoffwechselzwischenprodukte
214 C. Raeder et al.

akkumulieren und die lokale Wirksamkeit trophie und Maximalkraft bewirken kann. Bei
der Wachstumshormone verbessert werden. Untrainierten sowie in der Rehabilitation nach
Möglicherweise wird auch das aktivierte Fa- Sportverletzungen erscheint es aufgrund der
serspektrum zugunsten der schnellen Mus- schonenden Wirkung auf den Bewegungsap-
kelfasern moduliert (Loenneke und Pujol parat am ehesten attraktiv zu sein.
2009; Bagley et al. 2015).
Wie in vielen anderen Bereichen innova-
tiver Trainingsinterventionen verlangt auch 4.3 Anpassungseffekte durch
4 diese theoretisch plausible Methode zu- Krafttraining
nächst eine umfangreiche Prüfung ihrer
Wirkungsevidenz unter realen Trainingsbe- Regelmäßiges Krafttraining bewirkt Anpas-
dingungen in der Praxis. So konnte gezeigt sungsprozesse auf neuronaler und morpholo-
werden, dass Okklusion bei sehr moderater gisch-muskulärer Ebene, die sich in einer Er-
Trainingsintensität (20 % 1RM) tatsächlich höhung der Maximalkraft (Muskelquerschnitt,
die beschriebenen Effekte gegenüber einem neuronale Aktivierungsfähigkeit, intramusku-
identischen Training ohne Intervention be- läre Koordination), der Schnellkraft (Kraftbil-
wirkte. Andererseits fielen die intramuskulä- dungsgeschwindigkeit, reaktive Spannungsfä-
ren Reaktionen bei Anwendung des klassi- higkeit, Muskel- und Sehnenelastizität), der
schen Hypertrophietrainings mit höheren Kraftausdauer (Kapazität der energiebereitstel-
Lasten (65 % 1RM) ohne Okklusion signifi- lenden Systeme) sowie komplexer kraft-
kant höher aus (Suga et al. 2009). Möglicher- bzw. schnellkraftabhängiger Bewegungsabläufe
weise bewirkt eine Steigerung der internen (verbesserte intermuskuläre Koordination)
metabolischen Beanspruchung (Internal manifestieren (Schmidtbleicher 2003; Folland
Load) gleichzeitig eine notwendige Reduk- und Williams 2007).
tion der externen Belastung (External Load), Morphologische Adaptationen werden
sodass ein Nettogewinn an Hypertrophie- durch drei Wirkungsmechanismen ausgelöst,
wirkung ausbleibt. die jeweils über hormonelle Veränderungen
Zukünftige Studien werden zeigen, ob ein und durch die Bereitstellung von zusätzlichem
Okklusionstraining tatsächlich trotz geringe- genetischem Material (Satellitenzellaktivierung)
rer Last in einer kürzeren Zeit eine ähnlich zur Hypertrophie von Myofibrillen, kollagenen
hohe oder gar höhere Anpassung von Hyper- Bindegewebsstrukturen und Sarkoplasma, zu

..      Abb. 4.15 Über- Hypertrophie


Faserspektrum Hyperplasie
myofibrillen,Bindegewebe,
(u. a. GH, IGF-1, Insulin, Testosteron, MGF, IL-6)

sicht zu Wirkungsme- Sarkoplasma Linkstransformation Fusion Satellitenzellen


chanismen und
auto- und parakrinologische Effekte

Effekten beim Proteinbiosynthese


Satellitenzellaktivierung

Krafttraining
Endokrinologische,

Aminosäureverfügbarkeit

metabolische
mechanische Spannung Mikroschädigungen
Beanspruchung
(Mechanical Tension) (Muscle Damage)
(Metabolic Stress)

neuronale Adaptationen
intramuskuläre Koordination (Rekrutierung und Frequenzcodierung)
intermuskuläre Koordination (Agonisten- & Synergistenaktivierung,
Antagonistendeaktivierung)
Krafttraining
215 4
4.3.1 Neuronale Adaptationen

Die Zunahme von Maximal- und Schnellkraft-


leistungen in der frühen Trainingsphase nach
Beginn eines systematischen Krafttrainings
wird primär durch neuronale Adaptationen
bestimmt (Aagaard 2003). Diese beinhalten
Lerneffekte im Sinne einer verbesserten inter-
muskulären Koordination (z. B. vermehrte Ak-
..      Abb. 4.16 Neuronale (hier: Rekrutierung) und
morphologische Adaptationen (hier: Muskelfaser- tivierung von Agonisten und Synergisten und
hypertrophie) im Zeitverlauf eines mehrwöchigen reduzierte Koaktivierung der Antagonisten)
Krafttrainings und intramuskulären Koordination (Rekrutie-
rung und Frequenzierung aller für die spezifi-
sche Bewegungsaufgabe benötigten motori-
Veränderungen des Muskelfaserspektrums und schen Einheiten; . Abb. 4.16). Additiv führen
im Extremfall zur Muskelfaserneubildung aus diese neuronalen Adaptationen auch ohne
Satellitenzellen führen (. Abb. 4.15). Neuronale morphologische Veränderungen des Muskels
Adaptationen gehen der Muskelfaserhypertro- bereits zu einer verbesserten Kraftentwicklung
phie voraus (. Abb. 4.16). (Sale 2013).

Exkurs: Neuronale Adaptationen steigern die Kraft

1. Agonisten-Aktivierung: Trainingsstudien zeigen, eines bestimmten Bewegungsablaufs und


dass die myoelektrische Aktivität (via unterstützen somit die Arbeit des Agonisten
EMG-Messungen) des Agonisten in den ersten (Gottlob 2013).
3–4 Wochen eines Krafttrainings ansteigt. Dies 3. Antagonisten-Deaktivierung: Eine erhöhte
wird auf eine erhöhte Rekrutierung speziell Koaktivierung antagonistischer Muskeln geht
höherschwelliger motorischer Einheiten mit einer verbesserten Gelenkstabilität (z. B.
zurückgeführt (Gabriel et al. 2006; Folland und bei ungewohnten und komplexen Übungen
Williams 2007; Sale 2013). Da bei etwa 80–95 % wie der Tiefkniebeuge) einher und ist
des Kraftmaximums meist die Rekrutierungs- insbesondere bei erhöhten Stabilitätsanforde-
grenze erreicht ist, kann eine weitere rungen verstärkt ausgeprägt (Aagaard 2011;
Agonistenaktivierung nur über den Grad der Sale 2013). Allerdings verringert die Antago-
Erregungsfrequenz moduliert werden nistenaktivität aufgrund der reziproken
(MacDougall und Sale 2014; Toigo 2015). Hemmung die Netto-Kraftentfaltung des
Speziell explosive Krafteinsätze sowie Agonisten (Folland und Williams 2007). Somit
exzentrisches Training steigern die Entladungs- steht das Zentralnervensystem im Rahmen
frequenz der Motoneurone (Aagaard et al. komplexer Bewegungsaufgaben vor einem
2002; Sale 2013; MacDougall und Sale 2014). regulativen Dilemma zwischen erhöhter
2. Synergisten-Aktivierung: Eine angemessene Kraftproduktion und erhöhter Gelenkstabilität.
Aktivierung und Koordinierung aller an der Durch Verbesserung der intermuskulären Koor-
motorischen Aufgabe beteiligten Synergisten dination nimmt die als Schutzreflex zu
können die Kraftentfaltung erhöhen (Sale verstehende Antagonistenaktivität im
2013). Synergistisch wirkende Muskeln liegen Trainingsverlauf ab. Folglich weisen trainierte
dabei nicht primär in der Kraftwirkungslinie Kraftsportler eine geringere Koaktivierung des
und erfüllen daher größtenteils Hilfs- und Antagonisten im Vergleich zu Untrainierten auf
Stabilitätsfunktionen, d. h. sie liefern entspre- (Folland und Williams 2007).
chend geringere Kraftmomente innerhalb
216 C. Raeder et al.

4.3.2 Muskelfaserhypertrophie Stress

ruhende
Selbst- Satellitenzell- gestresste
Muskelfaser
Die Muskelfaserhypertrophie ist primär das erneuerung aktivierung Muskelfaser

Resultat einer Zunahme der Proteinbiosyn-


these, einer Abnahme oder Hemmung der Fusion zur Bildung
neuer Faser-
Fusion in Ersetzen der
Muskelfaser Myonuklei
Proteindegradation (Atrophie) oder einer Myonuklei

Kombination aus beiden Prozessen. Nach ei-


nem intensiven Krafttraining ist üblicherweise
4 die Proteinsynthese temporär erhöht. Über-
Satellitenzellen
Muskel- Muskel- Muskel-
steigt diese die Degradation, so ist die Netto- Muskelfaser hyperplasie hypertrophie reparatur

bilanz der Proteinsynthese positiv und die


..      Abb. 4.17 Mechanisch-induzierte Satellitenzell-
Muskelfaser hypertrophiert (Toigo 2006b; aktivierung im Skelettmuskel (Liu et al. 2007)
Fleck und Kraemer 2014).
Die Muskelfaserhypertrophie basiert pri-
mär auf einer Zunahme von Größe und An- der Zelle zwischen der Basalmembran und
zahl der Myofibrillen durch Einlagerung von dem Sarkolemm eingebetteten Satellitenzel-
Aktin-, Myosin- und Titinfilamenten. Dieser len (Petrella et al. 2008; Toigo 2015). Kraft-
Prozess wird als myofibrilläre bzw. sarkomere training bewirkt die Proliferation (Vermeh-
Hypertrophie bezeichnet und nimmt längere rung) der Satellitenzellen und deren
Zeit in Anspruch. Erste Veränderungen erge- Verschmelzung mit der Muskelfaser. Hier-
ben sich gewöhnlich erst nach etwa 4–5 Wo- durch wird die myonukleäre Domäne dem
chen (ca. 15–18 Trainingseinheiten) eines in- höheren Querschnitt der Faser angepasst und
tensiven Krafttrainings (Ehlenz et al. 2003). die transkriptionelle Kapazität der Faser (Pro-
Eine Querschnittszunahme der Muskelfaser teinbiosynthese) aufrechterhalten. Folglich
geht auch mit einer proportionalen Vergröße- sind für initiale Hypertrophieeffekte keine Sa-
rung des zytoskelettalen Gerüsts sowie der ex- tellitenzellen erforderlich, jedoch für die
trazellulären Matrix einher (sarkoplasmatische langfristige Aufrechterhaltung der Hypertro-
Faserhypertrophie), wodurch die Kraftübertra- phie (Baar und Wackerhage 2014; Toigo
gungsfähigkeit der Faser gesichert wird 2015). Die Satellitenzellen ermöglichen bei
(. Abb. 4.16; Schoenfeld 2010; MacDougall Strukturschädigungen auch die Reparatur ne-
und Sale 2014). krotischer Fasern (Remodellierung). Fusio-
Jede Muskelfaser (Muskelzelle) verfügt im nieren differenzierte Satellitenzellen mitein-
Gegensatz zu den übrigen Körperzellen über ander, können potentiell sogar neue
zahlreiche Zellkerne. Der Begriff der myonu- Muskelfasern entstehen (Hyperplasie), wo-
kleären Domäne bezeichnet innerhalb der hingegen die Integration in bereits vorhan-
Muskelfaser das Volumen (die Querschnitts- dene Fasern zur Hypertrophie beiträgt
fläche) der Faser in Relation zur Anzahl der (. Abb. 4.15 und 4.17; Liu et al. 2007; Petrella
Zellkerne. Folglich führt eine Muskelfaserhy- et al. 2008).
pertrophie ohne Änderung der Anzahl der Man unterscheidet zwischen radialer und
Zellkerne zu einer vergrößerten myonukleä- longitudinaler Faserhypertrophie. Bei der
ren Domäne (Toigo 2015). Erreicht die myo- radialen Hypertrophie werden die im Rah-
nukleäre Domäne ein oberes Limit, kann eine men der Proteinbiosynthese (. Abb. 2.26)
weitere Faserhypertrophie nur durch die neu synthetisierten Proteine bzw. Sarkomere
Fusion mit neuen Zellkernen erfolgen bei gleichbleibender Faserlänge radial bzw.
(. Abb. 4.17). Hierzu dienen die außerhalb parallel zueinander eingebaut mit entspre-
Krafttraining
217 4
chender Dickenzunahme der Muskelfaser. Exkurs: Sarkoplasmatische Faserhypertrophie
Demgegenüber werden bei der longitudina-
len Hypertrophie die Sarkomere der Länge Der Muskelquerschnitt wird zusätzlich durch
eine Zunahme der Zellflüssigkeit sowie von
nach bzw. in Serie eingebaut. Hierdurch
nichtkontraktilen Zellorganellen erhöht (z. B.
nimmt die Länge der Myofibrille bzw. der kollagene Strukturelemente, Bestandteile des
Muskelfaser zu, die Länge des einzelnen Sar- Zytoskeletts, Muskelglykogen). Dies bezeichnet
komers jedoch ab. Dabei begünstigt die ra- man als sarkoplasmatische Hypertrophie,
diale Hypertrophie die Zunahme der maxi- welche im Kontrast zur myofibrillären Hypertro-
phie nicht zu einem Anstieg der Muskelkraft
malen Muskelkontraktionskraft, während
führt. Kraftausdauertraining mit hoher
die longitudinale Hypertrophie die Erhö- Wiederholungszahl und stärkerer Einbindung
hung der maximalen Verkürzungsgeschwin- der anaeroben Glykolyse bewirkt nachfolgend
digkeit bzw. Muskelkontraktilität positiv be- eine vermehrte Glykogeneinlagerung und
einflusst. Im Allgemeinen ist der Großteil dadurch eine sarkoplasmatische Hypertrophie
(Glykogen bindet Wasser; MacDougall und Sale
der Muskelfaserhypertrophie auf einen par-
2014; Schoenfeld 2016).
allelen Einbau der zusätzlich synthetisierten
Sarkomere bis hin zum myofibrillären Split-
ting zurückzuführen (Toigo 2006a, 2015;
Schoenfeld 2010, 2016). Exkurs: Muscle Memory
Grundsätzlich kann die Muskelfaserhyper- Nach aktueller Literatur verfügt die Muskelzelle
trophie auf drei übergeordnete Mechanismen über ein „Erinnerungsvermögen“ hinsichtlich des
bzw. Stimuli zurückgeführt werden (. Abb. 4.15; Muskelfaserquerschnitts und der myonukleären
Schoenfeld 2010, 2016): Domäne. Folglich gelingt es ehemals gut
trainierten Kraftsportlern nach vorübergehender
55 mechanische Spannung (Mechanical
Athrophie (z. B. nach Verletzungen) rascher, den
Tension) Wiederaufbau der Skelettmuskelmasse herzustel-
55 Mikroschädigungen des Skelettmuskels len. Zellbiologische Erklärungsgrundlage hierfür
(Muscle Damage) ist die dauerhafte Verfügbarkeit der aktiven,
55 metabolische Beanspruchung (Metabolic während der bisherigen Trainingsbiografie aus
Satellitenzellen entstandenen Zellkernmasse.
Stress)
Diese bleibt bis zu 15 Jahre erhalten und erklärt,
wieso die Wiederherstellung der mononukleären
Exkurs: Myofibrilläres Splitting Domäne auf den ursprünglich hypertrophierten
Zustand schneller erfolgt (Gundersen 2016).
Innerhalb der Myofibrillen nimmt zunächst die
Packungsdichte kontraktiler Filamente bis zu
einer kritischen Größe zu, bevor es anschlie-
ßend zu einem „myofibrillären Splitting“ Mechanische Spannung (Mechanical Tension)
kommt, d. h. die Myofibrille teilt sich in zwei als Ursache für Hypertrophie Die durch
„Tochtermyofibrillen“ auf und erhöht deren Kontraktion oder Dehnung erzeugte mechani-
Anzahl in der Muskelfaser (MacDougall und
Sale 2014). Es wird vermutet, dass eine kritische
sche Spannung im Skelettmuskel wird als der
Größenzunahme der Myofibrille ungünstige wichtigste Auslöser der Faserhypertrophie an-
diagonale „Scherkräfte“ der peripheren gesehen (Schoenfeld 2016). Überschwellige
Aktinfilamente an den Z-Scheiben verursacht. mechanische Spannungsreize initiieren zellu-
Dies kann bei repetitiven Kontraktionen eine läre und molekulare Signalkaskaden bis hin
Ruptur der Z-Scheiben bewirken, bis schließlich
die komplette Myofibrille der Länge nach
zur Stimulation der Proteinbiosynthese. Der
geteilt wird (Folland und Williams 2007). zugrunde liegende Prozess wird als Mechano-
transduktion bezeichnet (Gonzalez et al.
218 C. Raeder et al.

2016). Die Sensoren für mechanische Reize trainingsinduzierte Strukturschädigungen


sind unter anderem dehnungsabhängige (Mikrotraumata) des Muskelgewebes (Scho-
Ca2+-Ionenkanäle und verschiedene memb- enfeld 2010). Deren Ausmaß ist maßgeblich
rangebundene Mechanosensoren (z. B. Integ- von Belastungsintensität und -dauer, Trai-
rine; s. u. a. Hornberger 2011; Philp et al. ningsmethode sowie Trainingszustand des
2011). Diese reagieren auf Größe und Dauer Athleten abhängig. Speziell intensive exzent-
der mechanischen Belastung. Da die größte rische Belastungsreize verursachen Mikro-
mechanische Spannung innerhalb exzentri- traumata. Diese finden sich vorwiegend in
4 scher Kontraktionen entfaltet werden kann, Typ-II-Fasern. Strukturelle Mikroschädi-
ist dies ein verstärkter Auslösemechanismus gungen werden vor allem auch bei unge-
(Schoenfeld 2010, 2016). wohnten Bewegungen und somit bei Untrai-
nierten bzw. Anfängern ausgelöst. Man
Mikroschädigungen (Muscle Damage) als Ur- findet sie nur noch in geringeren Ausmaß
sache für Hypertrophie Als zweite Ursache bei trainierten Kraftsportlern (Ide 2012;
für die Auslösung der Hypertrophie gelten Schoenfeld 2016).

Exkurs: Muskeldestruktion und exzentrische Belastung

Bei exzentrischer Arbeit steigt die mechanische Z-Scheiben (Morgan und Proske 2004; Proske und
Spannung der beteiligten Muskelfasern mit Allen 2005). Diese können sich sowohl longitudinal
zunehmender Dehnung an. Es entstehen hohe auf angrenzende Sarkomere als auch transversal auf
Zugkräfte auf die zytoskelettale Matrix insbeson- anliegende Myofibrillen ausbreiten (Toigo 2015).
dere im Bereich der Z-Scheiben (Enoka 1996; Byrne Starke mechanische Belastungen gehen auch mit
et al. 2004; Thiebaud 2012; Schoenfeld 2016). Auf einer Öffnung dehnungsabhängiger Ionenkanäle
die in Serie hintereinander geschalteten Sarkomere einher, welche neben der Membrandestruktion zu
wirken unterschiedlich hohe Kräfte ein, da sich die einem Verlust der Ca2+-Homöostase und folglich zu
Sarkomere an verschiedenen Bereichen ihrer Funktionseinbußen führen. Das Muskelenzym
Kraft-Längen-­Relation befinden (Toigo 2015). Kreatinkinase (CK) strömt vermehrt aus und wird im
Sarkomere mit geringer Filamentüberlappung Serum mit signifikant erhöhter Konzentration
werden stärker belastet. Die Ausbreitung von messbar (Proske und Allen 2005; Schoenfeld 2010,
Scherkräften innerhalb der Myofibrille führt 2016; Thiebaud 2012).
zunächst zu Mikroeinrissen im Bereich der

Mikrotraumata führen zu einer Entzün- beitragen (Toigo 2006b, 2015; Liu et al. 2007;
dungsreaktion, bei welcher neutrophile Granulo- Shortreed et al. 2008). Des Weiteren kommt es
zyten und Makrophagen in den Bereich der Ge- zur zu einer verstärkten Ödembildung und
webeschädigung infiltrieren. Dabei werden Schwellung am Ort der Gewebeschädigung, die
Entzündungsmediatoren (u. a. Zytokine) und mit erhöhtem Schmerzempfinden (Muskelkater
Wachstumsfaktoren (u. a. MGF, IGF-1, HGF) bzw. Muscle Soreness) assoziiert ist (Toigo 2015).
ausgeschüttet. Diese führen unter anderem zur
Aktivierung der Satellitenzellen (. Abb. 4.17), Metabolische Beanspruchung (Metabolic
die mit der beschädigten Muskelfaser fusionieren Stress) als Ursache für Hypertrophie Die me-
und somit entscheidend zur Muskelregeneration tabolische Beanspruchung beim Krafttraining
Krafttraining
219 4
bewirkt über biochemische und hydrostatische pothalamus die Sezernierung von GH und in
Veränderungen eine Muskelhypertrophie. Der der Peripherie die Ausschüttung von Wachs-
Primärreiz zur Auslösung von Hypertrophie ba- tumshormonen wie IGF-1 (aus der Leber) und
siert auf der Akkumulation von anaeroben Me- Testosteron (aus den Gonaden) ins Blut (Scho-
taboliten (Laktat, H+-Ionen und anorganisches enfeld 2013a). In der Summe führen diese peri-
Phosphat). Hierbei ist vor allem die Anhäufung pheren hormonellen Veränderungen zusammen
von H+-Ionen und der Abfall des pH-Werts in mit den lokal in der Muskelzelle produzierten
der Muskelzelle relevant. Chemosensitive Mus- Myokinen zur Auslösung anaboler Signalkaska-
kelafferenzen aus der Peripherie registrieren den und zur Aktivierung von Satellitenzellen
diese Veränderungen und verursachen im Hy- und Proteinbiosynthese (Schoenfeld 2013a, b).

Exkurs: Myokine, die Signalstoffe des Muskels

Als Myokine werden vom Muskel selbst produ- MGF, IL-6) verstärkt und/oder die Freisetzung
zierte hormonähnliche Signalstoffe bezeichnet, die katabol wirkender Myokine (u. a. TNF-α, Myostatin,
ihre Wirkung direkt vor Ort entfalten (autokrine MST) gehemmt wird (Pedersen und Febbraio 2008;
bzw. parakrine Wirkung). Zu den wichtigsten Laube 2013; Schoenfeld 2013b). Speziell IL-6
anabol wirksamen Myokinen zählen das MGF verfügt neben seiner anti-inflammatorischen
sowie das zu den Zytokinen gehörende IL-6 (Laube Wirkung über bedeutsame regulatorische
2013; Schoenfeld 2016). Es wird vermutet, dass Funktionen in der Proliferation und Fusion von
eine hohe metabolische Beanspruchung zu Satellitenzellen, wodurch die Faserhypertrophie
Hypertrophieeffekten beitragen kann, indem die begünstigt wird (Pedersen und Febbraio 2008;
Ausschüttung anabol wirkender Myokine (u. a. Serrano et al. 2008; Schoenfeld 2016).

Im Rahmen von erschöpfender submaximaler die metabolisch induzierte Hyperhydratation


Muskelarbeit bewirkt die andauernde kapillare an der Proliferation und Differenzierung von
Kompression zusätzlich eine Flüssigkeitsanrei- Satellitenzellen beteiligt zu sein (Schoenfeld
cherung im Interstitium, welche einen extra- 2016).
zellulären Druckgradienten erzeugt, der in der
Folge zu einer temporären Zunahme der Zell- mTOR als Schaltstelle zur Auslösung von Hypertro-
flüssigkeit und damit zur zellulären Anschwel- phie Eine für die Muskelproteinsynthese be-
lung führt (Schoenfeld und Contreras 2014). deutsame molekulare Schaltstelle bildet das Me-
Die Zellschwellung und der dadurch verän- chanistic Target of Rapamycin (mTOR) bzw. der
derte hydrostatische Druck werden über Volu- intrazelluläre mTOR-Komplex (. Abb. 2.17).
mensensoren registriert und gehen mit einem Eine Aktivierung von mTOR bewirkt nach weite-
Anstieg der Proteinbiosynthese und einem ren „flussabwärts“ ablaufenden Phosphorylie-
Rückgang der Proteindegradation einher rungskaskaden regulatorischer Proteine eine Er-
(Haussinger 1996; Lang et al. 1998; Schoenfeld höhung der Proteinbiosynthese. Daher wird
2016). Dieser Effekt kann bei Supplementie- mTOR auch treffenderweise als molekulare
rung durch Kreatinmonohydrat und die da- Schaltzentrale der zellulären Wachstumsregula-
durch bedingte zusätzliche Wassereinlagerung tion (Master Growth Regulator) bezeichnet. Die
zusätzlich verstärkt werden. Außerdem scheint Stimulation von mTOR kann dabei über ver-
220 C. Raeder et al.

schiedene Auslösemechanismen (Mechanical Andererseits wird mTOR im Rahmen von


Tension, Muscle Damage, Metabolic Stress) und metabolisch intensiven Trainingsreizen
die folgenden Signalwege erfolgen (Wackerhage (z. B. High-Intensity Intervall Training)
und Ratkevicius 2008): durch die zunehmende intrazelluläre AMP-­
1. Auf hormonellem Weg durch die Konzentration und die damit einhergehende
Ausschüttung von GH (Somatotropin), Aktivierung der AMP-Kinase (AMPK) ge-
IGF-1, Insulin, freiem Testosteron: Diese hemmt. Stark energieabhängige Prozesse wie
Hormone weisen nach einem erschöp- die Proteinbiosynthese werden prinzipiell
4 fenden Krafttraining einen vorüberge- blockiert, wenn der Energieumsatz der Mus-
henden Konzentrationsanstieg im Blut kelzelle anderweitig sehr hoch ist. Intensives
auf. Kraftausdauertraining bis zum Muskelversa-
2. Auf auto- und parakrinologischem Weg gen ist demnach zur Ausprägung der Hyper-
(MGF, IL-6): MGF wird aufgrund seiner trophie mitunter kontraproduktiv.
lokalen Wirksamkeit (autokrin bzw. para- Zusammenfassend kann gesagt werden,
krine) eine wichtigere Funktion zugeschrie- dass der mTOR-Komplex ein molekulares Si-
ben als dem von der Leber sezernierten und gnalübertragungssystem darstellt, welches
systemisch zirkulierenden IGF-1. den integrativen Einfluss von Wachstumsfak-
3. Durch Mechano- und Volumenrezeptoren: toren (u. a. IGF-1/MGF, Insulin), mechani-
Dieser Prozess vollzieht sich im Rahmen scher Stimulation, Aminosäuren sowie zellu-
der Mechanotransduktion durch spezifi- lären Energiebedingungen verrechnet und
sche membrangebundene Sensoren wie entsprechend die Proteinbiosynthese regu-
beispielsweise die Phospholipase D (PLD). liert (Wackerhage und Ratkevicius 2008; Baar
Diese ist im Bereich der Z-Scheibe des und Wackerhage 2014). Speziell hohe, jedoch
Sarkomers verankert und folglich beson- nicht vollends ermüdende Krafteinsätze in
ders mechanosensitiv. geringerer Dichte mit jedoch erhöhter Serien-
4. Durch die Präsenz bestimmter essentieller zahl, bei denen die mechanische Leistungsab-
Aminosäuren (insbesondere Leucin), die gabe über die Sätze nahezu aufrechterhalten
unabhängig von den übrigen Auslöseme- werden kann, sind folglich empfehlenswert
chanismen direkt mTOR aktivieren. (Schoenfeld 2016).

Praxistipp: Concurrent Training – ohne Nachteile für das Krafttraining möglich?

Im Kontrast zu reinen Ausdauerdisziplinen problematischer. Ein Interferenzeffekt beider


(z. B. Marathonlauf ) und Kraftsportarten (z. B. Trainingsinhalte kann auf zellulär-­molekularer
olympisches Gewichtheben) fordern die meisten Ebene die spezifische Trainingswirksamkeit stören.
Sportarten einen Ausdauer- und Kraftanteil. Die Bleiben gewisse Periodisierungsstrategien
synchrone Ausbildung von Kraft- und Ausdauer- unberücksichtigt, können insbesondere Kraft- und
fähigkeiten innerhalb einer Trainingsperiode wird Hypertrophie-Effekte durch gleichzeitiges
in der internationalen Fachliteratur als Concurrent Ausdauertraining gestört werden. In Anlehnung
Training bezeichnet (Murach und Bagley 2016). an Murach und Bagley (2016) und Baar und
Dies gelingt im Freizeitsport aufgrund der Wackerhaage (2014) können für die leistungs-
größeren Adaptationsreserven leichter. Im sportliche Praxis folgende Empfehlungen
Leistungssport hingegen ist die Koppelung beider ausgesprochen werden:
Trainingsziele (z. B. in einer Trainingseinheit oder 1. Hochintensive Ausdauereinheiten (HIIT)
zumindest an einem Trainingstag) weitaus sollten weitgehend am Morgen durchführt
Krafttraining
221 4

werden mit einer anknüpfenden Regenera- werden sollten, insbesondere keine


tionsphase von mindestens drei (erhöhte intensiven Ausdauerreize. Ferner sollte
AMPK-Aktivität im Blut nachweisbar) bis sechs unmittelbar nach dem Krafttraining und ggf.
Stunden, bevor ein Krafttraining im Rahmen vorm Schlafengehen (vor allem wenn
einer zweiten Trainingseinheit absolviert wird. Krafttraining am Nachmittag durchgeführt
Zudem sollte auf eine adäquate Nährstoffzu- wurde) leucinreiches Protein (z. B. BCAAs)
fuhr unmittelbar nach der HIIT-Einheit supplementiert werden, um die muskuläre
geachtet werden, da die AMPK speziell bei Proteinbiosynthese verstärkt zu stimulieren.
niedrigen Glykogenkonzentrationen im 3. Moderates Ausdauertraining kann unmittel-
Muskel aktiviert wird. bar vor dem Krafttraining absolviert werden,
2. Nach Krafttraining ist die zelluläre mTOR-Akti- ohne dabei die durch Krafttraining induzier-
vität für mindestens 18 Stunden erhöht, ten anabolen Signalkaskaden zu stören.
sodass innerhalb dieses Zeitraumes keine Allerdings ist auch hier eine Glykogendeple-
zusätzlichen Trainingsstimuli verabreicht tion zu vermeiden.

4.4 Trainingsmethoden und chen Responsematrix (u. a. das Erbgut) seine


Belastungsdosierung überaus spezifische Signaltransduktion mit
nachfolgender Adaptation hervorruft. Das be-
Das Ziel eines systematischen Krafttrainings deutet, dass ein identisches Training bei ver-
besteht in der Verbesserung einer oder mehre- schiedenen Athleten zu unterschiedlichen Effek-
rer Kraftdimensionen (Maximalkraft, Schnell- ten führen kann (. Abb. 4.18a). Folglich dürfen
kraft, Kraftausdauer). Hierzu werden spezifi- die Belastungsnormative für definierte Trai-
sche Trainingsmethoden empfohlen, die auf ningsmethoden lediglich als Groborientierung
unterschiedlichen Belastungsnormativen be- verstanden werden.
ruhen (7 Kap. 2). Im Krafttraining werden pri- Außerdem sei darauf hingewiesen, dass
mär folgende Belastungsnormative unterschie- eine isolierte Trainingswirkung (z. B. ein aus-
den (Tan 1999; Steinhöfer 2015): schließliches Hypertrophietraining) nicht
55 Belastungsintensität (externe Last [kg], existiert. Vielmehr verfügt jede Trainingsbean-
Auslastung der Maximalkraft [% 1 RM]) spruchung über ein komplexes Wirkungsspek-
55 Belastungsdauer (Zeitdauer eines Satzes trum auf verschiedene biologische Funktions-
[s]) bereiche (u. a. neuronales System, muskuläres
55 Belastungsumfang (Serien × Wiederho- System, endokrines System, Energie bereitstel-
lungen × Trainingslast) lendes System etc.). Initiale Kraftsteigerungen
55 Belastungsdichte (Pausenzeit zwischen gehen zunächst unabhängig von der gewählten
Wiederholungen und Serien [s]) Trainingsmethode mit Verbesserungen der in-
tra- und intermuskulären Koordination ein-
Toigo (2006a) schlägt für das Krafttraining zu- her. Langfristig können unterschiedliche Trai-
sätzliche mechano-biologische Determinanten ningsmethoden jedoch die Trainingswirkung
vor, wie beispielsweise die Kontraktionsart und in Richtung der gewünschten Kraftdimensio-
den Bewegungsumfang (ROM; . Abb. 4.18b). nen akzentuieren (Ehlenz et al. 2003).
Ferner postuliert er, dass der Trainingsstimulus Einen guten Überblick über die in der Pra-
erst auf der Basis einer individuell unterschiedli- xis verwendeten Trainingsmethoden mit ihren
222 C. Raeder et al.

..      Abb. 4.18 a Der a


Trainingsreiz (A) führt A e = f(x1...xi) ei sI C sI...i = f(e, m, ...)
erst unter Modulation
e5 s II
Trainingsstimulus (e) Signaltransduktion(en) (sI...i)
Mechano-biologische e4 s
durch die individuelle
Determinanten (x1...xi) e3 s IV
Responsematrix zu
spezifischen Signalen si
e2
(C) mit nachfolgender
e1
Adaptation (D) und
resultierenden Effekten
(E). b Klassische und
4 erweiterte mecha-
no-biologische Responsmatrix (m)
Deskriptoren im
Krafttraining (nach
B m = f(G, Y, S, A, M, T, H, N, I, ...) D a = f(s)
Toigo 2006a)
Genotyp (G) Adaptation (a)
Alter (Y)
Geschlecht (S)
Muskelarchitektur (A)
Muskuläres Subsystem (M)
Muskelanthropometrie (T)
Hormonstatus (H)
Nutritioneller Status (N)
Immunologischer Status (I)
E z = f(a)
Funktioneller und/oder
klinischer Effekt (z)

b
x 1 Höhe des Spannungswiderstands (z. B. in % des 1 RM)

klassische Deskriptoren

kompletter Satz von mechano-biologischen Deskriptoren


x 2 Anzahl Wiederholungen
x 3 Anzahl Sätze
x 4 Pause zwischen den Sätzen ((s) oder (min))
x 5 Anzahl Trainingseinheiten (pro (d) oder Woche)
x 6 Dauer der Trainingsperiode ((d) oder Wochen)
x 7 fraktionelle und temporale Verteilung der Kontraktionsarten
pro Wiederholung und Dauer (s) einer Wiederholung
neue Deskriptoren

x 8 Pause zwischen intermittierenden Wiederholungen ((s) oder (min))


x 9 Spannungsdauer ((s) oder (min))
x 10 Muskelerschöpfung
x 11 Bewegungsumfang (Range of Motion (ROM))
x 12 Erholungszeit zwischen den Trainingseinheiten ((h) oder (d))
x 13 anatomische Definition der Übungsausführung (Trainingsqualität)

spezifischen Belastungscharakteristika und wird für jede Trainingsmethode die relative In-
vornehmlichen Trainingswirkungen (unter tensität (bezogen auf das 1RM), die empfoh-
Vernachlässigung der reaktiven Methoden) lene Anzahl an Wiederholungen pro Serie und
liefert . Abb. 4.19 (Steinhöfer 2015). Hierbei die Ausführungsgeschwindigkeit angegeben.
Krafttraining
223 4
Exkurs: Velocity Based Training

Das Velocity Based Training verspricht eine objek- quantifiziert werden. Aufgrund der engen
tivere Kontrolle von Kraftleistung und Trainings- Beziehung zwischen % 1 RM und der Ausfüh-
belastung in Kraftdiagnostik und Krafttraining rungsgeschwindigkeit sind sowohl die indirekte
(Gonzales-Badillo und Sanchez-­Medina 2010). Prognose des 1 RM als auch die Einschätzung der
Durch die Messung der Bewegungsgeschwindig- momentanen submaximalen Trainingsbelastung
keit wird neben Wiederholungszahl und Last praxisnah möglich (Gonzales-Badillo und
(% 1 RM) eine wichtige zusätzliche Dimension Sanchez-Medina 2010). Auch der Geschwindig-
der Kraftleistung berücksichtigt. Bei gleicher Last keitsverlust innerhalb eines Trainingssatzes gibt
und Wiederholungszahl führt eine schnellere wichtige Auskünfte über den Ermüdungsverlauf.
Bewegungsausführung zu einer höheren So spricht eine Verlangsamung der Bewegung
mechanischen Leistung (Power Output). Mittels um 50 % bei der Kniebeuge dafür, dass das
Beschleunigungsaufnehmern im Smart Phone Muskelversagen unmittelbar bevorsteht
und entsprechenden Applikationen kann daher (Pareja-Blanco et al. 2017; Sanchez-Medina und
die Trainingsbelastung wesentlich genauer Gonzales-Badillo 2011).

4.4.1 Maximalkrafttraining schiedliches trainingsmethodisches Vorgehen


(Ehlenz et al. 2003).
Die Maximalkraft wird maßgeblich durch den
Muskelquerschnitt (Vergrößerung durch Hy- Hypertrophietraining Zur Stimulation der
pertrophietraining) und durch die neuronale Hypertrophie werden hohe mechanische
Aktivierungsfähigkeit (Erhöhung durch intra- Spannungsreize (60–90 % des 1 RM) in Kom-
muskuläres Koordinationstraining) bestimmt. bination mit einer möglichst hohen Span-
Deren Ausprägung erfordert jeweils ein unter- nungsdauer (20–50 s) und einer intraseriell

..      Abb. 4.19 Kraft- 100 %


trainingsmethoden in (1×)
der Übersicht (in maximale
Krafteinsätze neuronale Aktivierung
Steinhöfer 2015, S. 97, (klassisches Maximalkrafttraining/lK-Training)
modifiziert nach Tidow 90 % 90 %
und Wiemann 1994) (3×) (3×)
submaximale
Krafteinsätze Querschnittstraining
80 % 80 %
(mittlere Kontrak- (Hypertrophietraining)
(7×) (7×)
tionsgeschwindigkeit)

maximale 70 % 70 % Kontraktilitätstraining
Krafteinsätze (10×) (10×) (Schnellkraft-, Explosivtraining)
(hohe Kontraktions-
geschwindigkeit) 60 % 60 %

submaximale 60 % 60 %
Krafteinsätze Kraftausdauertraining
(Kontraktionsge-
schwindigkeit je
nach Trainingsziel) 30 % 30 %
224 C. Raeder et al.

weitgehenden Ausschöpfung der energierei- Exkurs: Trainingswirkungen Hypertrophie-


chen Phosphate sowie einer nachhaltigen Me- methoden
tabolitenakkumulation (u. a. H+, Pi, ADP,
Die vornehmlichen Trainingswirkungen der
AMP, Laktat) empfohlen. Hierzu besteht die
Hypertrophietrainingsmethoden äußern sich in
Standardmethode aus einem Mehrsatztraining einer Muskelquerschnittserhöhung der
mit 3–5 Serien und 6–12 Wiederholungen und langsamen Typ-I- und insbesondere schnellen
einer interseriellen Pausendauer von Typ-II-Fasern, in einer Vergrößerung der
ca. 2–5 min. Die Serienpause ist auf die Resyn- Kreatinphosphat- und Glykogenspeicher sowie
4 these von Kreatinphosphat ausgelegt, jedoch in einer Verbesserung des alaktaziden und
laktaziden Stoffwechsels durch entsprechend
nicht auf eine vollkommene metabolische Er- angepasste Enzymaktivität.
holung (Ehlenz et al. 2003; Schmidtbleicher
2003; Harre 2008; MacDougall und Sale 2014).
Neben der Standardmethode existieren wei- Darüber hinaus gibt es spezielle Strategien bzw.
tere Methoden, die geringfügig abweichende Intensivierungstechniken, die eine totale Mus-
Intensitäten und Ausführungsgeschwindigkei- kelerschöpfung im Rahmen des Hypertrophie-
ten vorsehen (. Tab. 4.2). trainings durch eine zusätzliche Steigerung der

..      Tab. 4.2 Klassische Hypertrophietrainingsmethoden in der Übersicht (mod. nach Ehlenz et al. 2003;
Hohmann et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015)

Hypertrophietraining (allgemeine Belastungsnormative):


Intensität: 60–90 % 1 RM; Wdh.: 6–20; Serien: 3–6; TUT = 20–50 s (bis zur lokalen Erschöpfung);
Tempo = langsam–zügig; Pause: 2–5 min

Methoden Intensität Wdh. Serien Tempo Pause

Standardmethode I 70–80 % 6–12 3–5 zügig 3–5 min


(konstante Lasten)

Standardmethode II 60–70–80–85–90 % 15–12–10–7–4 ca. 5 zügig 3–5 min


(ansteigende Lasten, 70–80–90–80–70 % 12–10–5–8–10
Pyramidenmethode)

extensive 60–70 % 12–20 3–5 langsam– 2–3 min


Bodybuilding-­Methode zügig

intensive 80–90(95) % 5–8 (3)5–7 langsam– 3–5 min


Bodybuilding-­Methode zügig

schnelligkeitsorien- 40–60 % 15–25 (schnelle 3–5 schnellst– 3–5 min


tierte Maximalkraftme- Bewegungsumkehr) möglich
thode

isometrische Methode 90–100 % 3 Winkelstellungen 2–5 o. A. 1–3 min


je 3–4 × 4–12 s

Intensität = % 1 RM; Wdh. = Wiederholungen pro Serie; Serien = Anzahl pro Trainingsübung; TUT = Time
under Tension (Spannungsdauer); Tempo = Ausführung; Pause = interserielle Pause
Krafttraining
225 4
mechanischen und metabolischen Stimuli be- intensive Einsatztraining“ genannt. Die Ausbe-
wirken (Ehlenz et al. 2003). Diese Methoden lastung im High-Intensity-Krafttraining wird
sind jedoch aufgrund ihrer Intensität eher Fort- dadurch erreicht, dass der Widerstand nach ei-
geschrittenen vorbehalten und erfordern zu- ner maximal möglichen Wiederholungszahl bis
meist die Unterstützung durch einen Trainings- zum Muskelversagen ohne nennenswerte Erho-
partner oder Coach (. Tab. 4.3). Exemplarisch lungspause sofort und in mehreren Stufen konti-
sei das High-Intensity-­Krafttraining bzw. „hoch- nuierlich verringert wird (Drop-Sätze).

Praxistipp: High-Intensity-Krafttraining bis zum vollständigen Muskelversagen – ist das sinnvoll?

Beim „Bankdrücken“ beispielsweise werden mit In der Sportpraxis wird daher oftmals ein
Partnerunterstützung nach dem Ablegen der Krafttraining bis zum Muskelversagen propagiert
Hantel in kürzester Zeit die äußeren Gewichts- (speziell im Bodybuilding), wobei von einer erhöhten
scheiben entfernt, und der Trainierende setzt Rekrutierung motorischer Einheiten und einem
seine Arbeit so lange fort, bis keine Scheiben stärkeren anabol-hormonellen Stimulus ausgegangen
mehr aufliegen (Reduktionssätze oder wird. Insbesondere für ein leistungssportliches Kollektiv
Drop-Sets). In der letzten Phase beendet der sollte ein derartiges Training punktuell eingeplant
Trainierende die Übung mit Liegestütz bis zum werden (Davies et al. 2016). Trotz der hohen akuten
vollständigen Muskelversagen. Trainingsunter- metabolischen Anforderungen liegt der gesamtkalori-
suchungen belegen, dass durch ein derartiges sche Umsatz deutlich unter jenem eines hochintensiven
Einsatztraining bei geringerem Trainingsvolu- Ausdauertrainings, sodass hemmende AMKP-bedingte
men und verkürzter Trainingsdauer ähnliche Effekte auf die mTOR-Aktivität (s. Concurrent Training,
Effekte bei der Entwicklung der Maximalkraft 7 Abschn. 4.3.2) nur bedingt zu befürchten sind.
möglich sind (Remmert et al. 2005, 2007).

In einigen Sportarten besitzt diese Ausbelas- kann. Ferner ist der energetisch und mögli-
tungsmethode an Stelle des Mehrsatztrainings cherweise koordinativ störende Einfluss eines
den Vorteil, dass hierdurch Trainingszeit für Mehrsatztrainings (z. B. auf das „Ballgefühl“)
andere wichtige Trainingsinhalte im Bereich abgeschwächt. In der Praxis eignen sich eher
von Technik und Taktik gewonnen werden komplexe und mehrgelenkige Übungen wie

..      Tab. 4.3 Intensivierungstechniken mit Partnerunterstützung im Rahmen des Hypertrophietrainings


(mod. nach Ehlenz et al. 2003; Hohmann et al. 2003)

Bezeichnung Ausführungsart

erzwungene Wiederholungen (Forced Reps) bei Erschöpfung noch 2–3 Wdh. mit Partnerhilfe

gewichtsreduzierende Wdh. (Drop Sets sukzessive Lastreduzierung ohne Serienpause


bzw. „Einsatz-Training“)

„brennende“ Wiederholungen (Burns) Fortsetzung bis zu unvollständiger Ausführung

gemogelte Wiederholungen (Cheatings) Fortsetzung bis zu unsauberer Ausführung

Negativwiederholungen Fortsetzung nur exzentrisch mit Partnerhilfe

Superserien (Doppel- bzw. Verbundserien) zwei unmittelbar aufeinander folgende Serien mit
verwandten Übungen (gleiche Muskelgruppen)

Vor- bzw. Nachermüdungsserien nach einer mehrgelenkigen Übung (z. B. Klimmzüge) folgt
eine eingelenkige (z. B. Bizeps-­Curl)
226 C. Raeder et al.

„Kniebeuge“ und „Bankdrücken“ (. Abb. 4.24 bedingungen verwendet, die eine möglichst
und 4.26). Durch die Fokussierung auf diese vollständige Rekrutierung und hohe Frequen-
beiden Übungen kann das Basis-­Krafttraining zierung des Motoneuronenpools bewirken.
nach der High-Intensity-­ Methode in nur Hierzu eignen sich Methoden der maximalen
15 min abgeschlossen werden. explosiven konzentrischen Krafteinsätze. Eine
hohe Rekrutierung erfolgt hierbei durch den
Intramuskuläres Koordinationstraining Das Einsatz einer hohen Trainingslast (ca. 85–90 %
intramuskuläre Koordinationstraining (IK-Trai- der Maximalkraft) und einen steilen initialen
4 ning) verfolgt das Ziel, die Funktionalität des Kraftanstieg. Dies verbessert nicht nur die Ma-
Skelettmuskels durch neuronale Aktivierungs- ximalkraft, sondern auch die Schnellkraft
prozesse zu steigern. Hierzu werden Belastungs- (Schmidtbleicher 2003).

Exkurs: Trainingswirkungen IK-Methoden

Trainingswirkungen der IK-Methoden beinhalten Explosivkraft (positiver Einfluss auf Schnellkraftleis-


die gesteigerte Rekrutierung und Frequenzierung tungen; Ehlenz et al. 2003). Ferner haben
motorischer Einheiten, eine Verringerung des insbesondere supramaximale exzentrische
Kraftdefizits (Kraftdifferenz zwischen willentlich Kontraktionen einen positiven Einfluss auf die
isometrischer und exzentrischer bzw. stimulierter Elastizität bzw. Stiffness des tendomuskulären
Maximalkontraktion), eine Verbesserung der Systems. Außerdem scheinen die IK-Methoden die
Relativkraft (Maximalkraftsteigerung ohne Reflexaktivierung sowie den spinalen und
nennenswerte Hypertrophiewirkung) sowie eine supraspinalen Inhibitionsabbau zu begünstigen
Verbesserung der Kraftanstiegsrate und somit der (Schmidtbleicher 2003).

Die Anzahl der Übungswiederholungen pro Das IK-Training kann auch durch maximale
Serie sollte gering und die Serienpausen ausrei- exzentrische Kontraktionen erfolgen (Eccentric
chend lang sein (3–5 min und mehr), um eine Overload Training). Bei exzentrischer Arbeits-
Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit von weise können etwa 20–50 % höhere Kraftwerte
Erregungsübertragung und elektromechanischer realisiert werden. Dies geht ohne eine nennens-
Kopplung sowie eine ausreichende Resynthese werte Erhöhung der metabolischen Beanspru-
von Kreatinphosphat zu gewährleisten (Ehlenz chung einher und basiert primär auf den passi-
et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Harre 2008). ven Elastizitätskräften des Muskels (Ehlenz
Grundsätzlich können die in . Tab. 4.4 darge- et al. 2003). Demzufolge sind bei kombiniert
stellten Methoden zur Verbesserung der neuro- konzentrischen und exzentrischen Trainings-
nalen Aktivierungsfähigkeit bzw. der intramus- formen supramaximale Lasten während der ex-
kulären Koordination angewendet werden. zentrischen Aktionsform notwendig.

Praxistipp: Exzentrisches Krafttraining

In der Praxis ist für das Training mit exzentrischer Über- sches Krafttraining auch mit speziell konstruierten Ma-
last bei komplexen Bewegungsleistungen mit der Frei- schinen oder Geräten wie beispielsweise Weight Re-
hantel (z. B. Nackenkniebeuge) unbedingt die Hilfe ei- leasern oder dem Flywheel-YoYo®-Squat möglich.
nes oder mehrerer Partner erforderlich, da die Überlast Letzteres kann dabei unabhängig von der Schwerkraft
nach Beendigung der exzentrischen Phase wieder ent- durch eine konzentrisch zu beschleunigende rotie-
fernt werden muss (Ehlenz et al. 2003). Einfacher kann rende Scheibe eine Überlast in der darauffolgenden
eine exzentrische Überlast an der Kraftmaschine durch exzentrischen Phase erzeugen, die insbesondere im
eine konzentrische bilaterale und exzentrische unilate- letzten Drittel des exzentrischen Bewegungsumfangs
rale Übungsausführung generiert werden (z. B. an der explosiv abgebremst werden muss (Norrbrand et al.
Kniestreckmaschine). Darüber hinaus ist ein exzentri- 2008; Norrbrand et al. 2010).
Krafttraining
227 4

..      Tab. 4.4 Methoden des intramuskulären Koordinationstrainings (IK-Methoden) basierend auf


maximalen explosiven Krafteinsätzen zur Verbesserung der Maximalkraft (mod. nach Ehlenz et al. 2003;
Hohmann et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015)

IK-Training (allgemeine Belastungsnormative):


Intensität: (85)90–100 % 1 RM; Wdh.: 1–5; Serien: 3–8; TUT = 5–15(20) s; Tempo = maximal–explosiv;
Pause: 3–5 min oder länger

Methoden Intensität Wdh. Serien Tempo Pause

quasimaximale 90–95–97–100 % 3–1–1–1 1 pro maximal– 3–5 min


Kontraktionen Last explosiv

maximale 100 % 1 5 maximal– 3–5 min


konzentrische explosiv
Kontraktionen

maximale 100 % 2 × 5–6 s 5 maximal– 3 min


isometrische explosiv
Kontraktionen

maximale > 100–150 % 3–6 3–5 langsames 2–3 min


exzentrische (supramaximal) Absenken
Kontraktionen

konzentrisch-­ 70–90 % 6–8 3–5 maximal– 5 min


exzentrisch explosiv
(schnellst-
mögliche
Bewegungs-
umkehr)

Explosivkraft- 50–95 % 1–2 5 maximal– 3–5 min


methode explosiv

IK-Methode 85–90–95–100 % 3–2–1–1 2–4 maximal– 3–4 min


mit ansteigen- 90–95–100 % 4–3–1 2–2–2 explosiv
den Lasten

Pyramidenme- 75–80–85–90–95–97,5–100 12–9–7–5–3–1–1 1 pro maximal– 3–5 min


thoden 80–90–95–97,5–100–95– 9–5–3–1–1–2–4–6–8 Last explosiv
(ansteigend 90–85–80
bzw. an- und
absteigend)

Intensität = % 1 RM; Wdh. = Wiederholungen pro Serie; Serien = Anzahl pro Trainingsübung; TUT = Time
under Tension (Spannungsdauer); Tempo = Ausführung; Pause = interserielle Pause

Das Pyramidentraining mit ansteigenden denbasis negativ auf die maximale Kraftent-
bzw. an- und abfallenden Lasten ist eine Kom- faltung in der Pyramidenspitze auswirken
binationsmethode. Die Pyramidenbasis zielt kann. Entgegen der üblichen Praxis ist dem-
auf Hypertrophie, die Pyramidenspitze vor- nach die Konfiguration der Pyramide (steiler
nehmlich auf die IK-Wirkung ab (Ehlenz et al. mit geringeren submaximalen Krafteinsätzen
2003). Diesbezüglich sei kritisch anzumerken, oder als Doppelpyramide) zu berücksichtigen
dass sich die Vorermüdung an der Pyrami- (Schmidtbleicher 2003).
228 C. Raeder et al.

4.4.2 Schnellkrafttraining führen (Ehlenz et al. 2003; Harre 2008; Haff und
Nimphius 2012; Steinhöfer 2015).
Schnellkraftmethoden dienen der Optimierung Im Schnellkrafttraining werden vor allem
hoher Kraftstöße, um den Körper bzw. Körper- die geschwindigkeitsorientierte Schnellkraftme-
segmente oder Sportgeräte in der verfügbaren thode I und die lastorientierte Schnellkraftme-
Zeit auf eine möglichst hohe Endgeschwindig- thode II sowie die sportart- bzw. wettkampfbe-
keit beschleunigen zu können (Steinhöfer zogene Methode mit anforderungsspezifischen
2015). Charakteristisch sind explosive Kraftein- Bewegungsmustern favorisiert (u. a. Antritte,
4 sätze. Interessanterweise kann ein Schnellkraft- Sprünge, Stöße/Würfe), deren strategische Kom-
training sowohl gegen moderate als auch gegen bination sich optimal in das langfristige Leis-
höhere Widerstände durchgeführt werden. tungstraining integrieren lässt (. Tab. 4.5).
Erfolgen die explosiven Krafteinsätze gegen Hinsichtlich der Verbesserung von reakti-
moderate Widerstände, so sind die realisierten ven Bewegungsleistungen, die einen Großteil
Kraftmaxima geringer und aufgrund der gerin- aller sportlichen Bewegungen ausmachen,
geren Kraftentfaltungsdauer vornehmlich von werden hauptsächlich die Reaktivkraftmetho-
Startkraft und Explosivkraft abhängig. Werden den im kurzen (z. B. Drop Jump) und langen
höhere Trainingslasten gewählt, so steigen die DVZ (z. B. Counter Movement Jump) ange-
dynamischen Kraftmaxima an und werden stär- wendet (Schmidtbleicher 2003). Eine beson-
ker durch die Maximalkraft determiniert dere Trainingsform stellt dabei die russische
(Schmidtbleicher 2003). Im Allgemeinen sollten Shock Method dar, bei der Tiefsprünge aus ei-
sich die Trainingslasten an den Widerständen der ner erhöhten Position (z. B. Turnkasten) im
wettkampf- bzw. disziplinspezifischen Schnell- langen DVZ absolviert werden (Verkhos-
kraftanforderungen orientieren (Harre 2008). Da hansky und Verkhoshansky 2011).
jedoch im langfristigen Leistungsaufbau die Mo- Grundsätzlich sollte das Schnellkrafttrai-
bilisation aller Adaptations- und Leistungsreser- ning im ermüdungsfreien Zustand zur Siche-
ven von Bedeutung ist und in vielen Sportarten rung qualitativer Explosivkrafteinsätze durch-
auch variable Widerstände zu überwinden sind, geführt werden und jegliche Anzeichen einer
empfiehlt es sich, das Schnellkrafttraining über sicht- bzw. spürbaren Reduzierung der Bewe-
eine möglichst große Lastbreite, üblicherweise gungsgeschwindigkeit sollten zum frühzeiti-
zwischen 30–70 % der Maximalkraft, durchzu- gen Übungsabbruch führen (Steinhöfer 2015).

Exkurs: Trainingswirkungen Schnellkraftmethoden

Die vornehmlichen Trainingseffekte der Schnell- tung, da die Ausbildung der schnellen Kontrak-
kraftmethoden beinhalten die Ausprägung einer tionsfähigkeit in konkrete Bewegungsabläufe
hohen Anfangsrekrutierung von Typ-II-Fasern integriert wird. Bei den Reaktivkraftmethoden
(neben Typ-I-Fasern) sowie einer lastabhängigen kommt es hauptsächlich zur Ausprägung der
Stoßinnervation mit einer oder mehreren reaktiven Spannungsfähigkeit infolge einer
Impulsserien der Motoneurone zur Erzeugung einer adaptiven Erhöhung der Elastizität bzw. Stiffness
hohen initialen und weiterführenden Kraftanstiegs- des tendomuskulären Apparats (reaktive Stiffness).
rate. Folglich kommt es zur Erhöhung der Ferner bewirkt Reaktivkrafttraining insbesondere
Kontraktionsschnelligkeit beider Fasereinheiten, im schnellen DVZ eine Verbesserung der Vor- und
welches sich vor allem in einer Verbesserung der Reflexaktivierung der Arbeitsmuskulatur sowie eine
Explosivkraft niederschlägt. Bei der sportartspezi- Förderung des Inhibitionsabbaus von motorischen
fischen Schnellkraftmethode verbessert sich Einheiten, speziell auf spinaler Ebene (Ehlenz et al.
außerdem die intermuskuläre Koordinationsleis- 2003; Schmidtbleicher 2003).
Krafttraining
229 4

..      Tab. 4.5 Methoden des Schnellkrafttrainings (Ehlenz et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015)

Methode Intensität Wdh. Serien Tempo Pause

Schnellkraftmethode I 30–50 % 6–12 3–5 maximal– 3–5 min


(konzentrisch explosiv
ballistisch)

Schnellkraftmethode II 50–70 % 4–8 3–5 maximal– 3–5 min


(konzentrisch) explosiv

sportartspezifische ohne bzw. 5–10 azykl.: maximal– 2–5 min


Schnellkraftmethode geringere oder 2–6 explosiv
höhere Wider- zykl.:
stände 5–10

Kontrastmethode initial 100 %, dann 5–7 (ca. 5–10 s 6–8 initial 3–5 min
Reduzierung auf intraserielle statisch,
30–40 % Pause) dann
explosiv

Reaktivkraftmethode I 100 % (ohne 6–12 (ca. 5–10 s 3–5 maximal– 5–10 min
(kurzer DVZ) Zusatzlast) intraserielle explosiv
Pause)

Reaktivkraftmethode II 100 % (ohne 6–12 (ca. 5–10 s 3–5 maximal– 5–10 min
(langer DVZ) Zusatzlast) intraserielle explosiv
Pause)

Intensität = % 1 RM; Wdh. = Wiederholungen pro Serie; Serien = Anzahl pro Trainingsübung; TUT = Time
under Tension (Spannungsdauer); Tempo = Ausführung; Pause = interserielle Pause; azykl. = azyklisch;
zykl. = zyklisch

4.4.3 Funktionelles Krafttraining abbilden, die in der jeweiligen Sportart häufig


vorkommen und dort leistungslimitierend
Das funktionelle Training bzw. funktionelle sind (Kontextualität).
Krafttraining ist ein sportwissenschaftlich Inzwischen existieren zahlreiche Ausprä-
nicht klar definierter Begriff, der jedoch in der gungen des funktionellen Trainings, die mit
Sportpraxis zunehmend weit verbreitet ist. Das sehr unterschiedlichen Zielsetzungen einge-
Angebot an funktionellen Trainingsmitteln setzt und propagiert werden. Beispielsweise
wächst stetig, und die Zahl der daran interes- werden im Rahmen des Rumpfkrafttrainings
sierten Freizeit- und Leistungssportler eben- vielfach destabilisierende Hilfsmittel (z. B. der
falls. Die Grundidee des funktionellen Trai- Pezziball) eingesetzt, um neben der Hauptar-
nings besteht in der Erkenntnis, dass eine rein beitsmuskulatur auch die umliegenden syner-
maschinengebundene und von Bewegungs- gistisch arbeitenden und tiefer liegenden,
richtung, -umfang und -geschwindigkeit starr meist zusätzlich stabilisierenden Muskeln an-
festgelegte Bewegungsausführung zunächst zusprechen (. Abb. 4.20). Hierdurch werden
unfunktionell sein muss, da sie in exakt dieser solche Muskeln koordinativ in die Gesamtbe-
Form in keiner Sportart und auch nicht unter wegung eingebunden, die auch in der realen
alltäglichen Bedingungen eingesetzt wird. Ein Trainings- und Wettkampfsituation helfend
sportartspezifisches Krafttraining sollte dem- und stabilisierend mitwirken. Neben dem Pez-
nach jene Bewegungsabläufe möglichst genau ziball sind auch einfache Seil/Griff-Kombina-
230 C. Raeder et al.

4
a b

..      Abb. 4.20 Funktionelle Liegestütze mit instabilem Widerlager (a mittels Pezziball, b als Sling-­Training mit
Seilen) (7 https://doi.org/10.1007/000-04w)

tionen ­geeignet, um ein variables funktionelles ningsmittel ermöglichen dynamische Ganz-


Ganzkörperprogramm nicht nur zur Rumpf- körperübungen. Speziell hierfür konzipierte
stabilisation, sondern auch für die Extremitä- Trainingsstätten wirken eher rustikal und spre-
tenmuskulatur durchzuführen. Dieses unter chen somit eine andere Zielgruppe an als das
dem Begriff des Sling-Trainings populäre „High-Tech“-Ambiente der gängigen Studios.
Ganzkörpertraining ist für die Praxis zahlrei- Exemplarisch sei in diesem Zusammen-
cher Sportarten von Interesse, da es vergleichs- hang die Kettlebell (auf Deutsch: Kugelhantel)
weise preisgünstig ist und mobil an jeder Trai- erwähnt, welche als Rundgewicht mit Griffbü-
ningsstätte, zu Hause oder unterwegs eingesetzt gel in unterschiedlichen Gewichtsstufen er-
werden kann (. Abb. 4.20). hältlich ist und zahlreiche komplexe Ganzkör-
Auch das Cross-Training kann dem funktio- perübungen ermöglicht (. Abb. 4.21). Hierbei
nellen Training zugeordnet werden. Hierbei werden zumeist reaktivkräftige und schwung-
werden bewusst abweichend von der etwas volle ein- oder beidarmige Beschleunigungen
künstlich-synthetischen Atmosphäre eines tra- der Hantel vorgegeben. Da die Bewegungen
ditionellen Krafttrainingsstudios Elemente der jeweils nicht nur die obere Extremitätenmus-
Militärausbildung mit Einflüssen aus der kulatur ansprechen, sondern stets auch die ko-
Leichtathletik und speziell dem Turnen kombi- ordinativ abgestimmte Arbeit der gesamten
niert und gleichzeitig Kraft, Ausdauer, Koordi- Muskelschlinge, ausgehend von den Beinen
nation und Beweglichkeit angesprochen. Tur- über den Rumpf bis hin zu den Schultern und
nerische Elemente werden beispielsweise als Armen, einfordert, wird hierbei auch von ei-
komplexe Ganzkörperübungen an einfachen nem Training in einer teilweise geschlossenen
Gerüststangen absolviert. Klassische Turnseile kinetischen Kette (Ross et al. 2001; Prokopy
dienen zum Hangeln, und motivierende Klein- et al. 2008) gesprochen (Closed versus Open
geräte aus dem Markt der funktionellen Trai- Kinetic Chain Training).

Exkurs: Closed versus Open Kinetic Chain Training

Krafttraining erfolgt entweder in geschlossenen, Bein-Curls) charakterisieren offene kinetische Ketten.


teilweise geschlossenen oder offenen kinetischen Geschlossene Ketten sind dann gegeben, wenn
Ketten. Der Körper symbolisiert dabei eine Kette, Hände und Füße das Körpergewicht oder Gegenge-
wobei die Kettenenden entweder fixiert sind wicht während der Übung tragen bzw. fixieren
(geschlossene Kette) oder frei beweglich bleiben (z. B. Liegestütz oder Kniebeugen). Hierbei erfolgt
(offene Kette). Isolierte Bewegungen an gängigen die Bewegungsausführung größtenteils durch die
Krafttrainingsmaschinen (z. B. Bizeps- oder Beteiligung mehrerer Gelenke (Ross et al. 2001;
Krafttraining
231 4

Prokopy et al. 2008). Praxisübliche Trainingspro- offener kinetischer Kette (z. B. Bank- und Schulter-
gramme der oberen und unteren Extremität sowie drücken) nachgewiesen werden (Chelly et al. 2010;
der Rumpfmuskulatur beinhalten häufig eine Fernández-­Fernández et al. 2013). Auch ein
Kombination beider Varianten. In der trainingswis- Krafttraining der oberen Extremität in teilweise
senschaftlichen Literatur existieren verschiedene offener kinetischer Kette wie bei Medizinballwürfen
Studien zur Wirksamkeit beider Varianten. So (Raeder et al. 2015) kann empfohlen werden (die
konnte gezeigt werden, dass ein Training der Kette öffnet sich nach dem Abwurf des Balles).
unteren Extremität in der geschlossenen Kette mit Demgegenüber stellten Prokopy et al. (2008) in
der Übung Kniebeuge deutlich höhere Sprung- einem Längsschnittvergleich heraus, dass ein
kraftleistungen hervorbrachte als ein Training in Sling-Training in geschlossener kinetischer Kette
der offenen Kette mit der Übung Kniestrecken höhere Leistungsverbesserungen in der resultieren-
(Blackburn und Morrisssey 1998; Augustsson und den Wurfgeschwindigkeit auslöste als ein
Thomeé 2000). Nach Verletzungen (z. B. nach konventionelles Krafttraining in offener kinetischer
vorderer Kreuzbandruptur) bietet jedoch ein Kette, welches die Autoren auf eine verbesserte
Krafttraining der Beinmuskulatur in offener Kette Schultergelenksstabilisation zurückführten. In der
einen guten Wiedereinstieg (Ross et al. 2001). Gesamtbetrachtung kann derzeit daher eine
Zur Verbesserung von Schlag- oder Wurfhärte Kombination von Trainingsvarianten für die obere
sind die Befunde in der Literatur weniger einheit- Extremität empfohlen werden. Abschließend sei
lich. So konnten signifikante Leistungsverbesserun- anzumerken, dass eine genaue Zuordnung aller
gen von Aufschlag- und Wurfgeschwindigkeit im Trainingsformen zum Closed bzw. Open Kinetic
Tennis und Handball durch ein Krafttraining in Chain Training mitunter nicht möglich ist.

..      Abb. 4.21 Einarmiges Reißen zur Kräftigung komplexer Muskelschlingen, bestehend aus Kniegelenks- und
Hüftstrecker, schräger Bauch-, Schulter- und Armmuskulatur
232 C. Raeder et al.

Nicht alle als funktionell propagierten Trai- des Krafttrainings ausgewählt. Zur Strukturie-
ningsformen tragen dieses Etikett zurecht. So rung wird nach fundamentalen Bewegungs-
ist die funktionelle Bedeutung innovativer leistungen unterschieden. Die Trainingsbei-
Trainingsmittel wie beispielsweise Sling-­ spiele sind nicht maschinengebunden, sondern
Trainer, Pezziball oder die Benutzung von bedienen sich grundsätzlich freier Gewichte:
Battling Ropes (Rope Training; . Abb. 4.22) 55 Niveauveränderungen des Körperschwer-
nicht immer gegeben, und die koordinativen punktes (z. B. Kniebeuge)
Anforderungen entfernen sich von den sport- 55 hüftziehende Bewegungen (z. B. Kreuz-
4 artspezifischen Bewegungsmustern. Anderer- heben)
seits sollte neben der funktionellen Betrach- 55 Druck- und Zugbewegungen in vertikaler
tung stets auch der motivationale Aspekt bei und horizontaler Ebene (z. B. Bankdrü-
der Beurteilung berücksichtigt werden. Erfah- cken, Klimmzug)
rungen mit Nachwuchssportlern zeigen, dass 55 Rotationsbewegungen des Körpers
derartige Trainingsmittel einen hohen Auffor- 55 Lokomotion (Fortbewegung des Körpers
derungswert zum regelmäßigen Training be- gegen Lasten, wie z. B. Ausfallschritte)
sitzen und allein deshalb sowie aufgrund der
vergleichsweise preisgünstigen Anschaffung in Vor dem Training mit Zusatzlasten ist stets ein
das Nachwuchstraining integriert werden soll- ausreichender Technikerwerb zur Vermeidung
ten. von Fehl- und Überbelastungen des Bewe-
gungsapparates erforderlich. Eine weitere
Strukturierungsebene zur systematischen Stei-
4.5 Ausgewählte gerung der Anforderungen besteht im Über-
Trainingsbeispiele gang von einer rein symmetrischen zur asym-
metrischen sowie von komplexer zur
Die folgenden Beispiele werden exemplarisch kontextualisierten Bewegungsausführung
aus der unendlichen Vielfalt an Möglichkeiten (. Abb. 4.23).

..      Abb. 4.22 Trai-


ning mit Battling
Ropes, eine Ganzkör-
perübung in
geschlossener
kinetischer Kette
(7 https://doi.
org/10.1007/000-04z)

Symmetrie – Asymmetrie – Komplexität – Kontextualität


allgemein spezifisch

..      Abb. 4.23 Strukturierung von Trainingsinhalten beim Krafttraining mit freien Gewichten, basierend auf
einem Kontinuum zwischen allgemeiner und spezifischer Bewegungsausführung
Krafttraining
233 4
kKT Beispiel 1 Vorhalte durchgeführt werden (Goblet Squat)
Kniebeuge (Squat) und eignet sich vor allem für Untrainierte oder
Wiedereinsteiger. Anspruchsvoller ist die nicht
Trainingsziel Die Kniebeuge bewirkt Niveauän- zentrierte Lasteinleitung in typischer Rack-Po-
derungen des Körperschwerpunkts (. Abb. 4.24). sition (Rack Squat), die üblicherweise mit der
Positive Transfereffekte können insbesondere auf Kettlebell absolviert wird. Alle Varianten sind
die Sprung-, Sprint- und Richtungswechselfähig- grundsätzlich in paralleler oder versetzter Fuß-
keit erwartet werden. Die primär beanspruchten stellung möglich.
Hauptbeweger-Muskeln (Prime Mover) sind die
Hüft- und Kniegelenksstrecker. Zusätzlich sind Besondere Hinweise Bei klassischer Aus-
eine Vielzahl an synergistisch wirkenden Muskeln führung im Parallelstand und bei zentrier-
aktiv, die wichtige Stabilisationsarbeit leisten und ter Widerstandseinleitung kann der Kraft-
somit die Funktion der Prime Mover begünstigen. aufbau symmetrisch ablaufen. Hierbei
Hierzu zählt vor allem die Rumpfmuskulatur. werden die höchsten Trainingslasten bewäl-
tigt. Dem Rumpf kommt hierbei vor allem
Variationen Man unterscheidet Nackenknie- eine Anti-Flexion-Funktion für die Wirbel-
beuge (Back Squat) und Frontkniebeuge (Front säule zuteil. Demgegenüber erfolgt in
Squat), die beide mit der Langhantel durchge- Schrittstellung sowie in nicht zentrierter
führt werden. Die Nackenkniebeuge ist Widerstandseinleitung der Kraftabfluss
­vorrangig hüftdominant, während die Front- weitgehend asymmetrisch. Der Rumpf
kniebeuge vornehmlich kniedominant ist. Letz- übernimmt jetzt deutlich komplexere Auf-
tere Variante kann auch mit zentrierter Last in gaben.

..      Abb. 4.24 Symme-


trische a und asymmet-
rische Kniebeuge b

b
234 C. Raeder et al.

kKT Beispiel 2 ausführung bewirkt die vermehrte Knieflexion


Lastheben (Deadlift) eine geringere Oberkörpervorlage bzw. Hüftfle-
xion und somit eine verstärkte Aktvierung der
Trainingsziel Das Lastheben (Hip Hinge) ist Kniegelenksstrecker. Hierbei kommt es zu-
eine hüftziehende Bewegung bei nur geringer nächst zu einer Parallelverschiebung des Ober-
bis keiner Niveauveränderung des Körper- körpers während des initialen Hebevorgangs,
schwerpunkts (. Abb. 4.25). Die funktionellen bevor es nach Passage des Kniegelenks zur Auf-
Transfereffekte ähneln der Kniebeuge. Die richtung des Oberkörpers durch aktive Hüft-
4 Prime Mover beinhalten neben den Kniestre- streckung kommt. Demgegenüber führt die sel-
ckern vor allem die Hüftgelenksstrecker (ischio- tenere Stiff-Leg-Variante zu einer erhöhten
crurale und gluteale Muskelgruppe). Da jene Beanspruchung der rückwärtigen Funktionsket-
über die gesamte Bewegungsamplitude stärker ten mit geringeren Lasten.
aktiviert werden, sind vor allem Verbesserungen
in der Antritts- und Sprintfähigkeit zu erwarten. Besondere Hinweise Das Lastheben kann
Zudem bewirkt der im Vergleich zur Kniebeuge auch in Schrittstellung mit asymmetrischer
höhere Lastarm eine gesteigerte Aktivierung der Kraftentfaltung erfolgen. Hierbei werden er-
Rückenmuskulatur sowie der Schulterblattstabi- höhte Anforderungen an die Becken- und Hüft-
lisatoren. stabilität der trainierenden Beinseite gestellt
(spez. bei einbeiniger Ausführung. Letzteres ist
Variationen Man unterscheidet zwei Varian- vornehmlich gut trainierten Athleten vorbehal-
ten des Lasthebens: die klassische Form und die ten. Die ballistische Form des Lasthebens, der
Ausführung mit nahezu gestreckten Beinen Kettlebell-Swing, dient vor allem der Explosiv-
(Stiff-Leg Deadlift). Bei klassischer Bewegungs- und Schnellkraftentwicklung.

..      Abb. 4.25 Sym-


a b
metrisches a und
asymmetrisches
Lastheben b
Krafttraining
235 4
kKT Beispiel 3 bilisierenden Aktivierung der diagonalen
Brustdrücken (Chest Press) Rumpfmuskulatur.

Trainingsziel Das Brustdrücken gehört zu den Variationen Das Schräg- und Negativbank-
horizontalen Druckbewegungen (. Abb. 4.26). drücken zählt zu den häufigsten Übungsvaria-
Positive Transfereffekte können auf Schnellkraft- tionen, wobei Erstere vermehrt den oberen An-
leistungen der oberen Extremität wie Wurf-, teil der Brustmuskulatur sowie die
Schlag- und Stoßbewegungen erwartet werden. Schultermuskulatur beansprucht, während die
Die Prime Mover umfassen vornehmlich die zweite Variante zunehmend die untere Brust-
Brust- und Armstreckmuskulatur sowie den vor- muskulatur belastet. Beim Negativbankdrücken
deren Anteil der Schultermuskulatur. Die tiefer kann die höchste Trainingslast bewegt werden.
liegende Rotatorenmanschette wirkt synergis- Wird das Brustdrücken als Liegestütz oder im
tisch. Bei klassisch symmetrischer Ausführung Stand mittels Seilzug oder pneumatischem Wi-
auf der Flachbank (sog. Bankdrücken; Bench derstand durchgeführt, leistet die Wirbelsäule
Press) werden kaum Anforderungen an die zusätzliche Antiextensionsarbeit. In Schrittstel-
Rumpfstabilität gesetzt. Bei einarmiger Ausfüh- lung oder bei unilateraler Ausführung wird zu-
rung (z. B. mit Kettlebell oder Kurzhantel) dem noch die Becken-, Hüft- und Wirbelsäulen-
kommt es bei reduzierter Last zusätzlich zur sta- stabilität adressiert.

..      Abb. 4.26 Sym- a


metrisches a und
asymmetrisches
Brustdrücken b

b
236 C. Raeder et al.

kKT Beispiel 4 gesamte Körper Stabilisationsarbeit leisten, vor


Überkopfdrücken (Overhead Press) allem im Bereich des Beckens zur Vermeidung
einer Hyperlordose.
Trainingsziel Das Überkopf- bzw. Schulter-
drücken zählt zu den vertikalen Druckbewegun- Variationen Neben der klassischen Ausfüh-
gen (. Abb. 4.27). Es leistet wichtige Zulieferar- rung mit der Langhantel im Parallelstand kann
beit für Wurf-, Schlag- und Stoßbewegungen der mit Kurzhanteln oder Kettlebells eine unilate-
oberen Extremität und ist zudem ein integraler rale Ausführung erfolgen. Hierdurch erhöhen
4 Übungsbestandteil des olympischen Gewicht- sich die koordinativen Anforderungen im
hebens. Darüber hinaus können beim Über- Schultergelenk (stärkere Aktivierung der Rot-
kopfdrücken, ähnlich wie beim Brustdrücken, atorenmanschette) und der Stabilisationsbedarf
verletzungspräventive Effekte auf das Zwei- von Wirbelsäule und Becken-Hüft-Region. Eine
kampfverhalten innerhalb sportspielspezifischer besondere Variante stellt das Schwungdrücken
Manöver erwartet werden (z. B. Schlagwurf (Push Press) dar, bei dem nach einer kurzen
oder Verteidigungsarbeit im Handball). Zu den Ausholbewegung der unteren Extremität die zu
Prime Movern zählen die gesamte Schultermus- bewegende Last explosiv über den Kopf gesto-
kulatur, die Armstreckmuskulatur, die Nacken- ßen wird. Dies trainiert den zeitlich orchestrier-
muskulatur sowie vereinzelte Faserzüge des auf- ten Kräftetransfer von unten nach oben (z. B. für
steigenden Trapezmuskels. Da der Kraftabfluss „Überkopf “-Sportler wie Handball-, Tennis
bis zu den Füßen in den Boden erfolgt, muss der oder Badmintonspieler).

..      Abb. 4.27 Sym-


a
metrisches a und
asymmetrisches
Überkopfdrücken b

b
Krafttraining
237 4
kKT Beispiel 5 Grad der Faserrekrutierung von einzelnen Mus-
Zugbewegungen kelanteilen. So werden z. B. beim breiten
Klimmzug vermehrt die äußeren Anteile des M.
Trainingsziel Zugbewegungen setzen sich aus latissimus dorsi trainiert, während mit engem
Übungen in vertikaler (z. B. Klimmzug; Pull-Up) Griff zunehmend die inneren Anteile bean-
und horizontaler (z. B. Rudern; Row) Bewegungs- sprucht werden. Bei beiden Varianten sollte eine
ebene zusammen (. Abb. 4.28). Ein direkter Aufrichtung des Beckens durch simultane Akti-
Leistungstransfer ist vorrangig in rückenbetonten vierung von Rumpf- und Glutealmuskulatur an-
Sportarten (z. B. Rudern oder Kanurennsport) ge- gestrebt werden.
geben. Zu den Prime Movern zählen vor allem Beim Training der horizontalen Zugbewe-
der breite Rückenmuskel (M. latissimus dorsi), gungen können grundsätzlich die gleichen va-
die Trapezmuskulatur, die Schulterblattstabilisa- riablen Griffpositionen und Griffweiten ange-
toren sowie die Armbeugemuskulatur. wendet werden. Bei unilateraler Ausführung,
z. B. einarmiges Rudern im Stand, wird zusätz-
Variationen Der klassische Klimmzug an der lich die diagonale Rumpfstabilität im Sinne ei-
Stange kann wahlweise mit breitem oder engem ner Antirotationswirkung adressiert. Beim
Griff sowie in verschieden Griffpositionen (pro- vorgebeugten Rudern gewinnt ergänzend vor
niert, neutral, supiniert) durchgeführt werden. allem die lumbale Rückenmuskulatur an Be-
Dies bewirkt einen partiell unterschiedlichen deutung.

..      Abb. 4.28 Sym-


a b
metrische a und asym-
metrische horizontale
Zugbewegungen b
238 C. Raeder et al.

kKT Beispiel 6 die Aktivierung des M. obliquus internus und


Rotationsbewegungen des Körpers die einseitige Innervation des M. transversus
eine ipsilaterale Rotation herbeiführen.
Trainingsziel Drehbewegungen ohne und
mit Zusatzlast stellen eine unverzichtbare Kom- Variationen Zu den klassischen Rotations-
ponente im leistungsorientierten Training dar übungen zählen der diagonale Chop (Kraftvek-
(. Abb. 4.29). Positive Transfereffekte sind für tor von oben nach unten) und diagonale Lift
Richtungswechselmanöver, Stoß-, Schlag- und (Kraftvektor von unten nach oben) sowie der
4 Wurfbewegungen zu erwarten. Zu den Prime rein horizontale Chop. Diese werden zumeist
Movern zählen der äußere schräge (M. obliquus am Seilzug, mit geeigneten Widerstandsbän-
externus abdominis) und innere schräge Bauch- dern oder auch mit der Langhantel (sog. Land-
muskel (M. obliquus internus abdominis) sowie mine Rotations) durchgeführt. Die Übungen
der quer verlaufende Bauchmuskel (M. trans- können wahlweise in verschiedenen Positionen
versus abdominis). Wirft man einen Blick auf (Kniestand, Halbkniestand, Stand etc.) beid-
die Muskelarchitektur der ventralen Rumpf- und einhändig absolviert werden, um je nach
wand, so verläuft ein Großteil der Muskelfaser- Zielsetzung mehr oder weniger Gelenke einzu-
anteile horizontal. Aus phylogenetischer Sicht beziehen. Wird eine ballistische Kraftentfaltung
scheint daher der Rotation des Rumpfes eine zur Entwicklung von Explosivkraft angestrebt,
enorme Bedeutung beigemessen zu werden. können Medizinbälle insbesondere im Rahmen
Dabei bewirkt die Kontraktion des M. obliquus von sportspezifischen Bewegungsabläufen ein-
externus eine kontralaterale Rotation, während gesetzt werden.

..      Abb. 4.29 Trai-


a b c
ningsbeispiele für den
Übungskomplex
Rotationsbewegun-
gen. Diagonaler Lift a,
diagonaler Chop b und
Landmine Rotations c
(7 https://doi.
org/10.1007/000-050)
Krafttraining
239 4
kKT Beispiel 7 ten Kraft- und Koordinationsanforderungen in-
Lokomotion (Fortbewegung des Körpers ge- nerhalb der unilateralen Standphase, wobei vor
gen Widerstand) allem die funktionelle Stabilität der Beinachse
und des Rumpf-Becken-Hüftkomplexes adres-
Trainingsziel Dieser Übungskomplex be- siert wird. Wird die Zusatzlast über Kopf gehal-
schreibt Trainingsinhalte, die eine Fortbewe- ten, wird zusätzlich die reaktive Schulterstabili-
gung des Körpers gegen Widerstand im Kont- tät trainiert, insbesondere bei unilateraler
rast zu rein ortsgebundenen Kraftübungen Ausführung. Druck-, Zug- und Rotationsbewe-
enthalten (. Abb. 4.30). Da bei Lokomotions- gungen der oberen Extremität können ebenfalls
übungen zusätzlich zum Körpergewicht eine in den lokomotorischen Übungskomplex integ-
Zusatzlast fortwährend abgebremst und wieder riert werden. Da es sich hierbei um sehr an-
beschleunigt werden muss, erhöhen sich die spruchsvolle Trainingsformen handelt, sind sol-
koordinativen Anforderungen hinsichtlich Ge- che Inhalte vorrangig trainierten Personen und
lenkkontrolle und Körperstabilität, vor allem Athleten vorbehalten. Eine besondere Form des
für die untere Extremität. Diese Trainingsin- ­lokomotorischen Krafttrainings bildet das Zug-
halte leisten daher im besonderen Maße einen widerstandstraining mittels Zugschlitten oder
koordinativen Leistungstransfer auf fundamen- elastischen Bändern. Ist der zusätzlich zum Kör-
tale Bewegungsleistungen wie dem Gehen, pergewicht beschleunigende Widerstand hoch,
Laufen, Springen und Sprinten. wird vorrangig das horizontale Kraftabdruck-
verhalten innerhalb der linearen oder lateralen
Variationen Aufgrund der Vielzahl an Kraft- Sprintbewegung entwickelt. Ist der Widerstand
übungen mit lokomotorischem Charakter sei klein, wird vornehmlich das reaktive Schnell-
klassischerweise nur auf Ausfallschritte multidi- kraftverhalten im Abdruck trainiert, da sich die
rektionaler Art (linear, lateral, diagonal) und resultierende Bewegungsgeschwindigkeit rapide
den Farmers Walk (Gehen mit schwerer Zusatz- erhöht. Letztere Übungsform kann daher kate-
last, z. B. Kurzhanteln in Händen) verwiesen. gorisch auch dem Schnelligkeitstraining zuge-
Bei beiden Übungsformen kommt es zu erhöh- ordnet werden (7 Kap. 5).

..      Abb. 4.30 Ausfallschritte in Vorwärtsbewegung als Trainingsbeispiel für den Übungskomplex Lokomotion
240 C. Raeder et al.

kKT Beispiel 8 Variationen In Horizontalebene bieten sich


Komplexe und kontextualisierte Kraftbelas- vor allem Übungsformen mit dem Seilzug (bes-
tungen ser noch mit dem Versa-Pulley) an, die nach in-
itialer Schnellkraftentwicklung aus der unteren
Trainingsziel Komplexe Kraftbelastungen be- Extremität mit einer Druck- oder Zugbewegung
inhalten vornehmlich Trainingsformen, welche für die obere Extremität enden, insbesondere in
die untere mit der oberen Extremität über die Kombination mit einer Rotation des Rumpfes.
myofaszialen Funktionsketten verbinden und Eine weitere komplexe Trainingsform stellt das
4 entsprechend den von unten nach oben gerichte- Medizinballtraining dar. Hierbei handelt es sich
ten Kräftetransfer optimieren. Kontextualisierte um kurze ballistische Krafteinsätze, sodass vor
Krafteinsätze zeichnen sich zusätzlich durch eine allem das explosive Kraftverhalten innerhalb
hohe dynamische Korrespondenz zur sportart- des Bewegungsablaufs entwickelt wird. Die
spezifischen Zielbewegung aus, vor allem hin- Programmgestaltung kann je nach Zielset-
sichtlich Kontraktionsform und Gelenkwinkel- zung äußerst variabel in verschiedenen Posi-
position der Arbeitsmuskulatur (. Abb. 4.31). tionen (z. B. sitzend, halbkniend, stehend)
Die Übungen werden meist mit Kettlebell, Kurz- sowie mit unterschiedlichen Wurfvektoren
hantel, Seilzug oder einem Slamball durchge- (horizontal, vertikal, diagonal) und Wurf-
führt. Die Trainingsanpassungen betreffen ins- techniken (unterhand, überhand, überkopf)
besondere die intermuskuläre Koordination. erfolgen.

..      Abb. 4.31 Trainingsbeispiele für komplexe und unilaterale horizontale Streck- und Rotationsbewe-
kontextualisierte Kraftbelastungen. Stoßen mit der gung von Bein- und Rumpfmuskulatur (b, rechts)
Langhantel a, diagonaler Überkopf-Slam (b, links), und Siehe Video in . Abb. 5.36
Krafttraining
241 4
kKT Beispiel 9 tensität und Reizvariation graduell anspruchs-
Rumpfkraft (Core-Training) voller und ermöglichen andererseits durch die
zunehmende Spezifizität (von links nach
Trainingsziel Das Rumpfkrafttraining bildet rechts) den koordinativen Transfereffekt auf
eine unverzichtbare und wichtige Ergänzung die Zielbewegung. So adressiert das Modell
für jeden Leistungssportler. Als Basisübungen neben den klassischen vorrangig statischen
dienen der Rücken-, Seit- und Unterarmstütz Stützvarianten zur Ausbildung einer soliden
(. Abb. 4.32). In allen Fällen ist auf eine opti- Körperkernbasis zusätzlich dynamische Stütz-
male Ganzkörperspannung zu achten und die und Bewegungsaufgaben sowie insbesondere
Ausführungsqualität zu kontrollieren. Je nach funktionale und teils hochintensive Bewe-
Trainingszustand sind verschiedene Schwie- gungsleistungen mit vorwiegend reaktiver
rigkeitsgrade möglich. Im Nachwuchsleis- Rumpfstabilisierung (. Abb. 4.33).
tungssport sind Körperstabilisationsübungen
vor allem im Alter des maximalen Größen-
wachstums (Peak Height Velocity Age) und 4.6 Trainingsprogramme
speziell bei großgewachsenen Athleten erfor-
derlich. Die Gestaltung effektiver Krafttrainingspro-
gramme ist aufgrund der Vielfalt an unterschied-
Variationen Ein Trainingsmodell zur anfor- lichen Trainingsmethoden und ihrer zugrunde
derungsorientierten Entwicklung von Rumpf- liegenden Belastungsdosierung ein komplexer
stabilität, Rumpfkraft und den Möglichkeiten Prozess. Die konkrete Programmgestaltung
der Übungsvariation zeigt . Abb. 4.33. Dieses sollte sich im Idealfall an einer individuellen Be-
Modell strebt dabei die optimale und vielsei- darfsanalyse des Sportlers hinsichtlich Trai-
tige Ausprägung der Rumpffunktion über ningsziel und Methodeninventar, Trainingssta-
mehrere aufeinander aufbauende Entwick- tus und Belastbarkeit sowie Verletzungshistorie
lungsstufen an. Die jeweiligen Trainingsinhalte unter Berücksichtigung der sportartspezifi-
werden einerseits durch ansteigende Reizin- schen Anforderungscharakteristik orientieren.
Daher ist es in diesem Kapitel kaum möglich,
für die verschiedenen Anwendungsfelder des
Sports und vielfältigen Trainingsszenarien spe-
zifische Trainingsprogramme zu entwickeln,
die jedem Sportler gerecht werden. Dennoch
a werden im Folgenden drei allgemeingültige
Krafttrainingsprogramme exemplarisch für ei-
nen Anfänger und Fortgeschrittenen sowie für
einen Spielsportler im Rahmen der saisonalen
Vorbereitungsperiode zur Groborientierung
vorgestellt (. Tab. 4.6, 4.7, und 4.8).
b Die Trainingsprogramme erstrecken sich
über einen Zeitraum von acht Wochen, sie be-
stehen aus einem umfangsorientierten Vorbe-
reitungszyklus und einem anschließenden In-
tensivierungszyklus von je vier Wochen Dauer.
Die Reizsetzung erfolgt progressiv mit variab-
c len Belastungskomponenten. Entlastungspha-
sen sind jeweils am Ende der Zyklen zur Er-
..      Abb. 4.32 Unterarmstütz a, Rückenstütz b und möglichung von Regeneration und Adaptation
Seitstütz c, jeweils mit höherem Schwierigkeitsgrad eingeplant. Konkrete Trainingsinhalte sind die
242 C. Raeder et al.

funktionelle Aufgaben der Rumpfmuskulatur (Core)


• Stabilisierung der Wirbelsäule
• Entwicklung sowie Kontrolle und Transfer von Kräften
• rigide Unterstützungsbasis zur kontrollierten (endgradigen) Bewegung
distaler Körpersegmente (Proximal Stability for Distal Mobility)

Trainingsmöglichkeiten zur Optimierung von Rumpfstabilität & Rumpfkraft

statisch statisch-reaktiv dynamisch dynamisch-funktional funktional-reakt


4
niedrige bis moderate moderate bis hohe
niedrige Belastung hohe Belastung
moderate Belastung Belastung Belastung

statische (multiplanare) statische (multiplanare) dynamische (multiplanare) symmetrische & Catch & Throw
Stützvarianten mit Stützvarianten mit Stützvarianten asymmetrische (z. B. Medizinball)
isometrischem Zug exzentrisch-reaktiven unter Fokussierung auf Bewegungsmuster:
Perturbationen Anti-Extension, Antiflexion, Hit & Kick
isometrische Anti-Lateralflexion 3D-Squat- & Hip-Hinge- (z. B. Tornado Ball)
Partnerübungen in z. B. durch elastische, & Anti-Rotation Bewegungen
verschiedenen partnerbasierte oder Swinging weights
Positionen instabile Reize bzw. 3D-Lifts & Chops, 3D-horizontale-Push- & (z. B. Kettlebells)
Widerstände in diagonale Rotations- Pull-Bewegungen
z. B. bodenbasiert, variierenden Positionen bewegungen in vari- 3D-Clean & Jerk,
Knie- und Halbkniestand, ierenden Positionen 3D-vertikale-Push- & Snatch & Derivative
offener und progressiv steigernde Pull-Bewegungen
geschlossener Stand, Trainingsbelastungen multidirektionale Krabbel- High-Speed-Push & Pull
Einbeinstand mit Fokus auf: und Rollbewegungen Tragen schwerer (z. B. Battle Ropes,
Gewichte in elastischer Widerstand)
Anti-Extension, Anti- Balance- und Reach- Lokomotion
flexion, Anti-Lateralflexion Bewegungen distaler Wrestling & Grappling
& Anti-Rotation Körpersegmente
Jump & Sprint

unspezifischer Reiz spezifischer Reiz


(niedriger Transfereffekt) (hoher Transfereffekt)

..      Abb. 4.33 Mehrstufiges Trainingsmodell zur anforderungsorientierten Entwicklung von Rumpfstabilität und
Rumpfkraft

in 7 Abschn. 4.5 dargestellten fundamentalen gestrebten Beanspruchungsempfinden ge-


Bewegungsleistungen. Diese werden in Form macht (z. B. @8 oder @9). Diese Angaben
von Haupt- und Nebenübungen vorgeschla- orientieren sich an der RPE-Skala (1–10) und
gen. Ergänzend kommen auch Übungen zum geben an, wie viele Wiederholungen nach Be-
Einsatz, die nicht aus 7 Abschn. 4.5 stammen. endigung des vorgegebenen Satzes noch mög-
Detaillierte Erläuterungen zur trainingsprakti- lich sein sollten. Ein @8 oder @9 würde dem-
schen Umsetzung finden sich zudem im Infor- entsprechend bedeuten, dass noch zwei oder
mationskasten innerhalb der Trainingspläne. eine weitere Wiederholung(en) möglich sind.
Zusätzlich zur prozentualen Intensitätsori- Dementsprechend erfolgt kein Training bis
entierung am 1 RM werden Angaben zum an- zum kompletten Muskelversagen.
Krafttraining
243 4

..      Tab. 4.6 Trainingsplan Hypertrophie für Anfänger

Trainingsplan Hypertrophie für Anfänger


Trainingserfahrung: Training mit Körpergewichtsübungen seit zwei Monaten
primäre Trainingsziele: Hypertrophie, Technikerwerb, Bewegungskontrolle, Belastungsgewöhnung
Trainingsfrequenz: 2-3 Einheiten/Woche
Warm Up
Vor Beginn der eigentlichen Übungen erfolgen Mobilisaonsübungen und bewegungsvorbereitende Übungen zur Akvierung der
beteiligten Muskeln. Bei komplexen, mehrgelenkigen Übungen sollten 3-5 Aufwärmsätze, bei einfacheren, eingelenkigen Übungen 2-3
Aufwärmsätze vorgeschaltet werden.

Vorbereitungs Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4


zyklus Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh
3x8@8
Hauptübungen (A) 65% 1 RM 2x8@7 67,5% 1 RM 3x8@8 67,5% 1 RM 65% 1 RM 2x8@6
1x8+@9
Nebenübungen (B) ca. 15 RM 2x12@7 ca. 15 RM 3x10@8 ca. 15 RM 3x12@8 ca. 15 RM 2x10@6

Nebenübungen (C) ca. 20 RM 2x15@7 ca. 20 RM 3x12@8 ca. 20 RM 3x15@8 ca. 20 RM 2x12@6

Intensivierungs Woche 5 Woche 6 Woche 7 Woche 8


zyklus Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh
3x8@8 3x8@8 3x8@9
Hauptübungen (A) 70% 1 RM 72,5% 1 RM 75% 1 RM 70% 1 RM 2x8@6
1x8+@9 1x8+@9 1x8+@9
Nebenübungen (B) ca.12 RM 3x10@8 ca.12 RM 3x10@8 ca.12 RM 3x10@8 ca.12 RM 2x8@6

Nebenübungen (C) ca. 15 RM 3x12@8 ca. 15 RM 3x12@8 ca. 15 RM 3x12@8 ca. 15 RM 2x10@6

Informaonen über den Trainingsplan


Das Trainingsprogramm ist in zwei Trainingseinheiten pro Woche unterteilt. In beiden Trainingseinheiten wird sowohl der Unter- als auch
der Oberkörper trainiert, wobei sich Druck- und Zugübungen für Unter- und Oberkörper pro Trainingseinheit abwechseln. In den
Trainingseinheiten werden die beiden Übungen abwechselnd trainiert, die mit dem gleichen Buchstaben gekennzeichnet sind. Im Rahmen
des Vorbereitungszyklus wird der Belastungsumfang progressiv gesteigert, wobei im Intensivierungszyklus vorrangig die
Belastungsintensität erhöht wird. Die letzte Woche beider Zyklen dient der Entlastung durch Redukon von Umfang und Intensität.

Trainingsinhalte
Einheit 1 Einheit 2
A1 Symmetrisches Lastheben Symmetrische Kniebeugen
A2 Symmetrisches Langhantel Brustdrücken Klimmzüge im Ristgriff mit Bandunterstützung
B1 Kurzhantel Überkopfdrücken Ausfallschrie linear
B2 Diagonale Rumpfrotaon am Seilzug Vorgebeugtes Rudern
C1 Isolaonsübung für vorderen Schultergürtel Isolaonsübung für hinteren Schultergürtel
C2 Isolaonsübung für Arm- und Beinstrecker Isolaonsübung für Arm- und Beinbeuger
244 C. Raeder et al.

..      Tab. 4.7 Trainingsplan Kraft und Hypertrophie für Fortgeschrittene

Trainingsplan Hypertrophie für Fortgeschri ene


Trainingserfahrung: Regelmäßiges Kratraining seit mehreren Jahren
hervorragende Bewegungskontrolle, auch komplexer Trainingsübungen
Erhöhung des Maximalkraniveaus
primäre Trainingsziele:
Hypertrophie
Trainingsfrequenz: 4-5 Einheiten/Woche
Warm Up
4 Vor Beginn der eigentlichen Übungen erfolgen Mobilisašonsübungen und bewegungsvorbereitende Übungen zur Akšvierung der beteiligten
Muskeln. Bei komplexen, mehrgelenkigen Übungen sollten 3-5 Aufwärmsätze, bei einfacheren, eingelenkigen Übungen 2-3 Aufwärmsätze
vorgeschaltet werden.

Vorbereitungs Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4


zyklus Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh
3x6@8
Einheiten 1 & 3 85% 6 RM 5x6@7 90% 6 RM 4x6@8 95% 6 RM 85% 6 RM 2x6@6
1x6+@9
Einheiten 2 & 4 12 RM 3X@9 12 RM 3X@9 12 RM 3X@9 12 RM 2x@8

Intensivierungs Woche 5 Woche 6 Woche 7 Woche 8


zyklus Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh

Einheiten 1 & 3 85% 3 RM 90% 3 RM 95% 3 RM 85% 3 RM 3x3@6

Einheiten 2 & 4 8 RM 3x@9 8 RM 3x@9 8 RM 3x@9 8 RM 2x@8

Informaonen über den Trainingsplan


Das Trainingsprogramm ist in vier Einheiten unterteilt, die alternierend zwischen vermehrt neuronaler und muskulärer Beanspruchung
wechseln. In allen Trainingseinheiten wird sowohl der Unter- als auch der Oberkörper trainiert. In den Einheiten mit erhöhter neuronaler
Beanspruchung (1 & 3) werden die Übungen nacheinander trainiert und in den Einheiten mit erhöhter muskulärer Beanspruchung (2 & 4)
können immer zwei Übungen im Wechsel absoviert werden. In den Einheiten 2 und 4 wird immer bis zum technischen Versagen trainiert, so
dass die Wiederholungszahl pro Satz durch die Vorermüdung abnimmt. Sobald im ersten Satz 15 Wiederholungen mit dem ermi§elten 12 RM
oder 10 Wiederholungen mit dem 8 RM erreicht werden, wird das Gewicht bei Oberkörperübungen um 2,5 kg und bei Unterkörperübungen
um 5 kg gesteigert.

Trainingsinhalte
Einheit 1 Einheit 2 Einheit 3 Einheit 4
Symmetrische Kniebeuge Asymmetrisches Lastheben Symmetrisches Lastheben Ausfallschri§e linear
Klimmzüge im Ristgriff Kurzhantel Überkopfdrücken Asymmetrisches Latziehen
Symmetrisches schräges Asymmetrische Kniebeuge Symmetrisches Langhantel Dynamischer asymmetrischer
Brustdrücken Vorgebeugtes asymmetrisches Rudern Überkopfdrücken Rückenstütz
vorgebeugtes Rudern Kurzhantel Brustdrücken Schräges Kurzhantel Brustdrücken
Isolašonsübung für Rumpfrotašon Symmetrisches Langhantel Isolašonsübung für Schulterbla›ixatoren
Isolašonsübung für gerade Bankziehen
Bauchmuskulatur Symmetrisches Langhantel Isolašonsübung für gerade
Isolašonsübung für Arm- und Beinbeuger Brustdrücken Bauchmuskulatur
Isolašonsübung für Rumpfrotašon
Isolašonsübung für Arm- und
Krafttraining
245 4

..      Tab. 4.8 Trainingsplan Pre-Season Sportspiele

Trainingsplan Pre-Season Sportspiele


Regelmäßiges Kratraining seit mehreren Jahren
Trainingserfahrung:
hervorragende Bewegungskontrolle und Technik bei komplexen Trainingsübungen
Verbesserung von Maximalkra und Schnellkra
primäre Trainingsziele: Erhöhung der Krabildungsrate
Transfer auf Sprint- und Wurfschnelligkeit
Trainingsfrequenz: 4-5 Einheiten/Woche
Warm Up
Vor Beginn der eigentlichen Übungen erfolgen Mobilisaonsübungen und bewegungsvorbereitende Übungen zur Akvierung der beteiligten Muskeln. Bei
komplexen, mehrgelenkigen Übungen sollten 3-5 Aufwärmsätze, bei einfacheren, eingelenkigen Übungen 2-3 Aufwärmsätze vorgeschaltet werden.

Vorbereitungs Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4


zyklus Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh

Wurf & Stoß (A) 2-3 Kg 2x6 2-3 Kg 3x6 2-3 Kg 4x6 2-3 Kg 2x6
SK
Einheiten

3x8@8
1&3

Hauptübungen (B) 12 RM 2X10@8 12 RM 3X10@9 10 RM 12 RM 2x8@6


1x8+@9
K

Nebenübungen (C) 15 RM 2x12@8 15 RM 3x12@9 15 RM 3x12@9 15 RM 2x10@6

Sprung & Sprint (A) 2x5 2x6 2x7 2x5


SK
Einheit
2&4

Hauptübungen (B) 10 RM 2x6@6 10 RM 3x6@7 10 RM 4x6@8 10 RM 2x6@6


K

Nebenübungen (C) 15 RM 2x12@8 15 RM 3x12@9 15 RM 3x12@9 15 RM 2x10@6

Intensivierungs Woche 5 Woche 6 Woche 7 Woche 8


zyklus Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh Intensität Sätze/Wdh

Wurf & Stoß (A) 4-5 Kg 3x5 4-5 Kg 4x5 4-5 Kg 5x5 4-5 Kg 3x5
SK
Einheiten
1&3

Hauptübungen (B) 8 RM 6 RM 4 RM 8 RM 3x3@6


K

Nebenübungen (C) 10 RM 3x8@8 10 RM 3x8@8 10 RM 3x8@8 10 RM 2x6@6

Sprung & Sprint (A) 3x4 4x4 5x4 3x4


SK
Einheit
2&4

Hauptübungen (B) 8 RM 3x4@6 8 RM 8 RM 8 RM 3x4@6


K

Nebenübungen (C) 10 RM 3x8@8 10 RM 3x8@8 10 RM 3x8@8 10 RM 2x6@6

Informaonen über den Trainingsplan


Vor Trainingsbeginn ist eine Kradiagnosk zur Besmmung der Trainingslasten erforderlich. Die Trainingseinheiten sind in einen Schnellkra-block (SK)
und einen Krablock (K) unterteilt. In den Einheiten 1 & 3 folgen nach Wurf- & Stoßübungen vorrangig Kraübungen für den Unterkörper, in Einheit 2 &
4 schließen nach Sprung- und Sprintübungen vornehmlich Kraübungen für den Oberkörper an. Die Übungen sind priorisiert in alphabescher
Reihenfolge durchzuführen. Übungen mit gleichem Buchstaben werden alternierend ausgeführt. Im SK-Block werden die Übungen explosiv mit
maximalem Kraeinsatz durchgeführt.

Trainingsinhalte
Einheit 1 Einheit 3
A1 Medizinball Rotaonswurf beidhändig Medizinball Rotaonsstoß einhändig
A2 Medizinballwurf überkopf vorlings Medizinballwurf überkopf rücklings
B1 Symmetrische Kniebeuge Symmetrisches Lastheben
B2 Asymmetrisches Lastheben Asymmetrische Kniebeuge
C1 Symmetrisches Überkopfdrücken Asymmetrisches Schwungdrücken
C2 Diagonaler Li Diagonaler Chop
Einheit 2 Einheit 4
A1 Reakve Sprünge linear & lateral Reakve Sprünge muldirekonal
A2 Widerstandssprints linear Widerstandssprints lateral
B1 Asymmetrisches Brustdrücken Symmetrisches Brustdrücken
B2 Klimmzug im Ristgriff (ggf.mit Bandunterstützung) Symmetrisches Rudern
C1 Asymmetrisches Rudern Asymmetrisches Latziehen
C2 Kelebell Swings Ausfallschrie muldirekonal
246 C. Raeder et al.

4.7 Aufgaben zur Nachbereitung 3. Welche zwei zentralen Mechanismen


des Kapitels führen zur Leistungserhöhung beim DVZ?
Beschreiben Sie diese mit den exakten
Fachtermini, auch unter Berücksichtigung
von . Abb. 6.8 in 7 Kap. 6.
4. Bestimmen Sie Ihr 1 RM beim Bankdrü-
cken und bestimmen Sie Ihre persönlichen
Belastungsnormative nach . Abb. 4.19 für
4 unterschiedliche Trainingsziele.
5. Absolvieren Sie die dargestellten Rumpf-
kraftübungen (KT Beispiel 9, . Abb. 4.32)
und entwickeln Sie für jede Übung drei bis
vier Schwierigkeitsgerade.
6. Was ist richtig?
  
Kraft …
55 … ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-­
Systems, durch Muskeltätigkeit (=
Innervations- und Stoffwechselprozesse
mit Muskelkontraktionen > 30 % des
individuellen Kraftmaximums) Wider-
stände zu überwinden (konzentrische
Kontraktion), ihnen entgegenzuwirken
(exzentrische Kontraktion) bzw. sie zu
halten (isometrische Kontraktion).
55 … ergibt sich aus der Addition von
Reaktivkraft, Explosivkraft, Schnell-
1. Absolvieren Sie eine Kniebeuge und kraft und Maximalkraft.
machen sich dabei den dynamisch-­ 55 … ist gleich Masse mal Beschleuni-
konzentrischen und dynamisch exzentri- gung, und es gilt: F [N] = m · a, dabei
schen Bewegungsanteil bewusst. Verharren entspricht 1 N (Newton) = 1 kg · m · s−2
Sie bei 90° isometrisch für 10 s in der 55 Das Kraftdefizit ergibt sich aus der
Halbkniebeuge und absolvieren Sie dann Differenz zwischen der individuellen
eine Parallelkniebeuge und eine Tiefknie- Maximalkraft und der Maximalkraft
beuge. Gelingt es Ihnen dabei, die Fersen eines Topathleten.
am Boden zu lassen? Versuchen Sie nun
eine einbeinige Kniebeuge. Welche Literatur
Faktoren sind hierbei leistungslimitierend?
2. Demonstrieren Sie in Zeitlupe einen Aagaard, P. (2003). Training-induced changes in neural
Schlagballwurf (beispielsweise vor einer function. Exercise and Sport Sciences Reviews, 31(2),
Gruppe von Schülern oder Kommilitonen). 61–67.
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Zu welchen Zeitpunkten und in welchen cise. In M. Cardinale, R. U. Newton, & K. Nosaka (Hrsg.),
Muskelgruppen bzw. Muskeln finden dabei Strength and conditioning – biological principles and
Dehnungs-Verkürzungs-Zyklen (DVZ) practical applications. Oxford: Blackwell & Wiley.
statt? Benennen Sie von unten nach oben Aagaard, P., & Bangsbo, J. (2006). The muscular system:
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4
253 5

Schnelligkeitstraining
Thimo Wiewelhove

5.1  edeutung und Erscheinungsformen


B
der Schnelligkeit – 255

5.2 Biologische Grundlagen – 263


5.2.1  nlage-, entwicklungs- und lernbedingte
A
Einflussgrößen – 265
5.2.2 Neuronale und tendomuskuläre Einflussgrößen – 266
5.2.3 Einflussgrößen im Kontext der Erscheinungsformen
der Schnelligkeit – 272

5.3 Anpassungseffekte durch Schnelligkeitstraining – 273


5.3.1  npassungen im Kontext der informatorischen
A
Schnelligkeit – 274
5.3.2 Anpassungen im Kontext der motorischen
Schnelligkeit – 274

5.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 276


5.4.1  usgewählte trainingsmethodische Leitlinien
A
zum Schnelligkeitstraining – 277
5.4.2 Trainingsbereiche und Methoden des
Schnelligkeitstrainings – 279
5.4.3 Reaktionstraining – 280
5.4.4 Antizipationstraining – 281
5.4.5 Frequenzschnelligkeitstraining – 282
5.4.6 Sequenzschnelligkeitstraining – 282

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_5.
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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_5
5.4.7  ntritts- und Sprintschnelligkeitstraining – 283
A
5.4.8 Aktionsschnelligkeitstraining – 283
5.4.9 Supramaximale Schnelligkeitsmethode – 285
5.4.10 Widerstandsmethode – 286
5.4.11 Kontrastmethode – 287
5.4.12 Koordinationsmethode – 288

5.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 291

5.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 318

Literatur – 318
Schnelligkeitstraining
255 5
Schnell wird, wer schnell trainiert!

Zusammenfassung charakterisiert werden, während komplexen sport-


Schnelligkeit ist eine koordinativ-konditionelle Fä- artspezifischen Schnelligkeitsleistungen auch ein
higkeit, basierend auf einem komplexen Geflecht konditionell-energetischer Fähigkeitscharakter un-
aus Leistungsvoraussetzungen, auf Reize schnellst- terstellt werden kann. Neben neuronalen und ten-
möglich zu reagieren und/oder Bewegungen mit domuskulären Leistungsvoraussetzungen sind
höchsten Geschwindigkeiten zu realisieren. Aus sensorisch-kognitive und psychische sowie an-
evolutionärer Sicht war die Fähigkeit zur schnellen lage-, entwicklungs- und lernbedingte Einflussgrö-
Fortbewegung überlebenswichtig. Heute ist die ßen in Abhängigkeit der sportartspezifischen Be-
Schnelligkeitsleistung ein zentraler leistungslimi- sonderheiten in unterschiedlichem Ausmaß von
tierender Faktor in vielen Sportarten. Das Kapitel Bedeutung. Zur Verbesserung der Schnelligkeit
liefert einen Überblick über Bedeutung und Er- existieren zahlreiche Trainingsbereiche und Metho-
scheinungsformen der Schnelligkeit, über biologi- den, die hinsichtlich der angestrebten Anpassungs-
sche Grundlagen für die Realisierung der Schnellig- vorgänge den verschiedenen Erscheinungsformen
keitsleistung sowie über Anpassungsvorgänge, der Schnelligkeit zugeordnet werden können.
Trainingsmethoden und Belastungsdosierung und Hierzu zählt beispielsweise das Training der ele-
stellt schließlich ausgewählte Trainingsbeispiele mentaren oder komplexen Schnelligkeit. Aus der
vor. Die Schnelligkeit kann in ihrer Reinform als pri- grenzenlosen Vielfalt an Trainingsformen werden
mär koordinativ-technisch akzentuierte Fähigkeit konkrete Trainingsbeispiele vorgestellt.

tung in vielen Sportarten ein zentraler


5.1 Bedeutung und leistungslimitierender Faktor ist. Oftmals ver-
Erscheinungsformen der langen die sportartspezifischen Anforderun-
Schnelligkeit gen von Athleten, schnellstmöglich zu laufen,
zu schwimmen oder zu fahren, Sportgeräte
Schnelligkeit ist für verschiedenste sportliche (z. B. Fußball, Speer, Tennisball, usw.) schnell
Tätigkeiten von Bedeutung. Dies betrifft insbe- und/oder weit zu schießen, zu werfen oder zu
sondere den wettkampforientierten Freizeit- schlagen, eine Drehung schnell auszuführen,
und Leistungssport, da die Schnelligkeitsleis- schnell zu beschleunigen, abzubremsen und
256 T. Wiewelhove

die Laufrichtung zu wechseln, schnell und/ Aufgrund ihrer komplizierten Struktur wird
oder hoch abzuspringen bzw. sich abzustoßen, die Schnelligkeit nicht einheitlich strukturiert
technische und taktische Aufgaben schnell oder definiert. Im Strukturmodell der motori-
umzusetzen oder Informationen in kürzester schen Fähigkeiten wird sie nach wie vor als ei-
Zeit zu verarbeiten und auf Reize schnell zu re- genständige konditionelle Fähigkeit angesehen
agieren. (Prieske et al. 2017; Krug et al. 2019). In ihrer
In der trainingswissenschaftlichen Literatur Reinform – als elementare Schnelligkeit be-
existieren unzählige schnelligkeitsverwandte Be- zeichnet – basiert sie jedoch vorrangig auf der
griffe und Systematisierungsversuche, die sich Qualität von Steuer- und Regelmechanismen
zwischen deutsch- und englischsprachigen Publi- des Zentralnervensystems und des Nerv-Mus-
5 kationen erheblich unterscheiden. Dies verdeut- kel-Systems (Olivier et al. 2008) und könnte so-
licht, wie differenziert die Schnelligkeit diskutiert mit auch als primär koordinativ-technisch ak-
wird. Während beispielsweise im deutschen zentuierte Fähigkeit charakterisiert werden
Sprachraum zwischen komplexer (d. h. von der (Hohmann et al. 2014). Ferner wird Schnellig-
Anforderungsstruktur der jeweiligen Sportart ab- keit auch durch informationelle Komponenten
geleiteter spezifischer Schnelligkeitsleistung) und determiniert und ist daher ebenso von senso-
elementarer motorischer Schnelligkeit unter- risch-kognitiven Funktionssystemen abhängig.
schieden wird, findet man in der englischsprachi- Die Grundstruktur dieses Kapitels orientiert
gen Literatur Begriffe wie Speed, Power, Quick- sich an dem in . Abb. 5.1 vorgeschlagenen Sys-
ness und Agility (Krug et al. 2019). tematisierungsmodell der Schnelligkeit.

informatorische Schnelligkeit motorische Schnelligkeit

elementare Schnelligkeit

zyklische azyklische
Einfach-
Frequenz- Sequenz-
reaktionen
schnelligkeit schnelligkeit

Reaktionsschnelligkeit Handlungs- Bewegungsschnelligkeit


schnelligkeit

komplexe komplexe
Richtungs-
komplexe zyklische azyklische
Agility wechselsprint-
Reaktionen Bewegungs- Bewegungs-
schnelligkeit
schnelligkeit schnelligkeit

Antizipations-
Schnelligkeitsausdauer
schnelligkeit

komplexe Schnelligkeit

..      Abb. 5.1 Modell der Erscheinungsformen der Schnelligkeit


Schnelligkeitstraining
257 5
Schnelligkeit 2007). Während sich Kraft-, Ausdauer- und Be-
Schnelligkeit ist eine koordinativ-kondi- weglichkeitsleistungen aufgrund ihrer spezifi-
tionell determinierte Fähigkeit, auf Reize schen anatomisch-­physiologischen Grundlagen
schnellstmöglich zu reagieren und/oder leicht voneinander abgrenzen lassen, gelingt eine
zyklische oder azyklische Bewegungen mit solch eindeutige Abgrenzung bei der Schnellig-
höchsten Geschwindigkeiten zu realisieren. keit nicht. So kann die elementare Schnelligkeit
als eine spezifische Fähigkeit innerhalb der ko-
ordinativen Leistungsvoraussetzungen aufgefasst
In einem ersten Strukturierungsansatz kann zwi- werden, während der komplexen Schnelligkeit
schen elementarer und komplexer Schnelligkeit aufgrund ihrer Beziehungen zu den anderen
unterschieden werden (. Abb. 5.1). Die elemen- konditionellen Fähigkeiten auch ein konditio-
tare Schnelligkeit findet vor allem in einfach nell-energetisch determinierter Fähigkeitscha-
strukturierten Bewegungsabläufen (z. B. alternie- rakter unterstellt werden kann. Die Schnelligkeit
rendes Hand- oder Fußtapping mit maximaler lässt sich also als eigenständige Fähigkeitsdimen-
Frequenz) ihren Ausdruck (Prieske et al. 2017), sion in das Konstrukt der allgemeinen sport-
bei denen die Anforderungen an die Kraftfähig- motorischen Fähigkeiten eingliedern. Aufgrund
keit per definitionem unter 30 % des individuell ihrer vielseitigen Fähigkeitsdimensionen nimmt
realisierbaren Kraftmaximums liegen. Im Sport sie dabei aber eine besondere Rolle ein.
sind solche weitgehend koordinativ bestimmten
„reinen“ Schnelligkeitsleistungen jedoch selten Elementare und komplexe Schnelligkeit
(Steinhöfer 2008), da disziplinspezifische Schnel-
Die elementare Schnelligkeit ist im Sinne
ligkeitsanforderungen meist enge Verwandt-
einer „reinen“ Schnelligkeit als grundle-
schaften insbesondere mit Kraft- (Maximalkraft,
gende Leistungsvoraussetzung zu verste-
Schnellkraft, Reaktivkraft) aber auch mit Aus-
hen. Sie findet ihren Ausdruck in einfach
dauer- (z. B. Schnelligkeitsausdauer) sowie Be-
strukturierten Bewegungsabläufen, ist stark
weglichkeitsleistungen (u. a. zur Vergrößerung
anlagebedingt und vorrangig abhängig von
des Beschleunigungsweges) aufweisen und ferner
der Qualität von Steuer- und Regelmecha-
von technischen Fertigkeiten mitgeprägt werden.
nismen des Zentralnervensystems und des
Nerv-Muskel-Systems (Schnabel et al. 2014;
Beispiel: 100-m-Sprint Prieske et al. 2017). Die komplexe Schnellig-
keit beinhaltet das Ausführen komplexer,
Der 100-m-Sprint gilt als die Schnelligkeitsdiszi- sportartspezifischer Bewegungen mit
plin schlechthin. Neben der Reaktions- und Sprint-
großer Bewegungsgeschwindigkeit. Sie ist
schnelligkeit spielen in der Beschleunigungsphase
jedoch Kraftfähigkeiten die entscheidende Rolle, abhängig von verschiedensten Leistungs-
während die Erreichung einer hohen Sprintge- voraussetzungen, zu denen neben der
schwindigkeit von der Bewegungstechnik mitbe- elementaren Schnelligkeit die Kraft-,
stimmt wird und die Minimierung des Geschwin- Ausdauer- und/oder Beweglichkeitsfähig-
digkeitsabfalls auf den letzten Metern durch die
keiten sowie die Koordination und Technik
Ausdauer beeinflusst wird (Olivier et al. 2008).
gehören (Prieske et al. 2017).

Komplexe, sportartspezifische Bewegun-


gen, die mit großer Bewegungsgeschwindigkeit In einem zweiten Strukturierungsansatz kann
durchgeführt werden, dürfen nicht mit „reinen“ zwischen Reaktionsschnelligkeit und Bewegungs-
Schnelligkeitsleistungen gleichgesetzt werden. schnelligkeit unterschieden werden (. Abb. 5.1),
Sie kommen auf der Basis verschiedenster Leis- da sie sowohl aus leistungsphysiologischer als
tungsvoraussetzungen zustande, zu denen auch auch sportpraktischer Sicht – aufgrund der in
die elementare Schnelligkeit gehört (Voss et al. Training und Wettkampf eindeutig abgrenzbaren
258 T. Wiewelhove

Belastungscharakteristika – weitgehend unab- Die Reaktionsleistung ist bei Einfachreaktionen


hängig voneinander sind (Hohmann et al. 2014). und komplexen Reaktionen abhängig von der
Muss auf einen Reiz in kürzest möglicher Zeit mit Art des externen Stimulus. So können taktile
einer willkürlichen Bewegung geantwortet wer- und akustische Signale grundsätzlich schneller
den, dann wird von Reaktionsschnelligkeit ge- verarbeitet werden als optische (Prieske et al.
sprochen. Dabei bezieht sich die reine Reaktions- 2017). Die Reaktionszeiten bei Einfachreaktio-
leistung lediglich auf die Zeitspanne, die von der nen auf taktile, akustische und optische Signale
Reizsetzung bis zur ersten willkürlichen Muskel- betragen in etwa 100, 120 und 150 ms. Bei Aus-
kontraktion verstreicht. Sie beschreibt somit die wahlreaktionen sind die Reaktionszeiten jedoch
Zeit, die benötigt wird, um nach dem Setzen eines deutlich länger und liegen in Abhängigkeit un-
5 Reizes eine Handlungsentscheidung zu treffen terschiedlichster Faktoren – z. B. erfolgen Re-
und das entsprechend ausgewählte Handlungs- aktionen mit den Armen schneller als mit den
programm zu beginnen. Da die Reaktionsschnel- Beinen – zwischen 300 bis über 1000 ms. Solche
ligkeit im Wesentlichen von den sensorisch-­ Zeitspannen stehen in Wettkampfsituationen
kognitiven Fähigkeiten (Informationsaufnahme häufig nicht zur Verfügung (z. B. Feldabwehr im
und -Verarbeitung) abhängig ist, wird sie auch im Volleyball), sodass selbst herausragende Reak-
Konzept der koordinativen Fähigkeiten als Reak- tionsleistungen nicht immer zum Erfolg führen
tionsfähigkeit berücksichtigt (Prieske et al. 2017). können (Steinhöfer 2008).
Bei Reaktionsleistungen sind ferner Ein- Reaktionsleistungen im Sport sind der Start
fachreaktionen und komplexe Reaktionen von- nach einem akustischen Reiz (z. B. in den leicht-
einander zu unterscheiden (Schnabel et al. athletischen Sprint- und Laufdisziplinen sowie im
2014). Bei Einfachreaktionen reagiert man auf Eisschnelllauf, Ski Alpin, Rudern und Schwim-
bekannte Signale mit festgelegten Handlungs- men) oder nach einem optischen Signal (z. B. im
programmen (z. B. der Sprintstart nach dem Motorsport). In den Spiel- und Kampfsportarten
Startschuss). Komplexe Reaktionen bzw. Wahl- sind solche Einfachreaktionen nicht von Bedeu-
reaktionen oder Auswahlreaktionen sind durch tung. Hier dominieren komplexe Reaktionen auf
vielfältige, mehr oder weniger vorhersehbare sich bewegende Objekte (z. B. Ball, Mit- und/oder
Signale bzw. Reize gekennzeichnet. Auf diese Gegenspieler, Fäuste des Gegners; Schnabel et al.
wird mit der möglichst effektivsten Bewegung 2014). Beispielsweise müssen Athleten in den
reagiert, wobei zwei oder mehr Handlungsmög- Rückschlagsportarten (Tennis, Badminton, usw.)
lichkeiten zur Verfügung stehen (z. B. Abwehr zunächst die Ballflugrichtung des gegnerischen
eines Elfmeters durch den Torwart). Schlages wahrnehmen, um im Anschluss die not-
wendigen Handlungsprogramme (u. a. Bewegung
Reaktionsschnelligkeit zum Ball, Ausholen) frühzeitig und in optimaler
Die Reaktionsschnelligkeit wird synonym Geschwindigkeit abzurufen. Die Ballflugrichtung
mit der Reaktionszeit verwendet und der gegnerischen Schläge ist dabei variabel bzw.
umfasst den Zeitraum, der vom Setzen nicht festgelegt – die Spielsituationen erfordern
eines Reizes bis zum Bewegungsbeginn also immer komplexe Reaktionsleistungen.
verstreicht. Sie wird durch die senso- Wenn die Reaktionsschnelligkeit nicht aus-
risch-kognitiven Prozesse der Signaliden- reicht, um Handlungssituationen erfolgreich zu
tifikation, Antwortauswahl und Vorberei- lösen – dies gilt vor allem für Sportarten, in de-
tung der Bewegungsantwort nen primär Auswahlreaktionen gefordert sind –
determiniert. Dabei wird zwischen steigt der Einfluss der Antizipationsschnellig-
Einfachreaktionen und komplexen keit auf die Reaktionsleistung. Der Stellenwert
Reaktionen – auch Wahl- oder Auswahl- der Antizipation ist insbesondere dann hoch,
reaktionen bezeichnet – unterschieden wenn vor dem eigentlichen Reiz genügend Zeit
(Olivier et al. 2008; Steinhöfer 2008). für eine Vorentscheidung (Handlungsvorweg-
nahme) bleibt, jedoch im Anschluss an das Sig-
Schnelligkeitstraining
259 5
nal der Zeitdruck extrem hoch ist (z. B. beim Antizipationsschnelligkeit
Return im Tennis, beim Strafstoß im Fußball Die Antizipationsschnelligkeit ist die
oder beim Strafwurf im Handball). mentale Fähigkeit, vorauszuahnen, was in
Ein Sportler, der voraussehen kann, was in bestimmten Spiel- bzw. Wettkampfsituatio-
bestimmten Spiel- bzw. Wettkampfsituationen nen passieren wird. Insbesondere im
passieren wird, ist gegenüber seinem Gegner Sportspiel hängt die Qualität von Reaktio-
im Vorteil. Eine solche Voraussage kann nen daher vor allem von der Antizipations-
selbstverständ­lich nicht exakt sein, dennoch: leistung ab. Erfolgreich antizipatorisch
Wenn der Athlet die möglichen Handlungsop- gemeisterte Spielsituationen setzen
tionen des Gegners und/oder des eigenen Mit- sportartspezifisches und situatives
spielers bzw. der eigenen Mitspieler auf eine Erfahrungswissen sowie Kenntnisse über
überschaubare Anzahl eingrenzen kann, ge- das Verhalten des Gegners bzw. Mitspielers
winnt er einen Vorteil. Dies ist allerdings auch voraus (Hottenrott und Neumann 2016).
mit einem gewissen Risiko verbunden, da eine
Antizipation stets auch zu vereinzelt falschen
Vorentscheidungen führt und bei falscher Vor- digkeit während der Bewegungsausführung. Da-
aussage ein erfolgreiches Umprogrammieren bei vollzieht sich die Bewegungsschnelligkeit im-
des vorweggenommenen Bewegungsablaufs mer in Raum und Zeit und manifestiert sich in
schwierig ist (Ferrauti et al. 2016). einer Ortsveränderung einzelner Körperteile, des
Antizipationsleistungen werden durch das gesamten Körpers oder eines Sportgeräts (Schna-
Wissen von der Sportart bzw. Disziplin und so- bel et al. 2014). Physikalisch wird sie als Ge-
mit im Wesentlichen durch das Trainingsalter schwindigkeit (v = s/t; v = Geschwindigkeit,
und die damit verbundene Wettkampferfahrung s = Weg, t = Zeit, Maßeinheit = Meter pro Sekunde
bestimmt. Hierbei spielt die Wahrnehmung eine bzw. m/s) oder Winkelgeschwindigkeit (ω = φ/t,
große Rolle. Sportler, die wichtige Schlüsselreize ω = Winkelgeschwindigkeit φ = Rotationswinkel,
(sog. Cues) kennen, können bei der Informati- t = Zeit, Maßeinheit = Rotationswinkel pro Se-
onsaufnahme die Signale optimal filtern und da- kunde bzw. °/s) definiert.
durch aus der riesigen Informationsmenge die
wichtigsten handlungsrelevanten Signale erken-
Bewegungsschnelligkeit
nen. Beispielsweise konnten Untersuchungen im
Tennis zeigen, dass sich Fortgeschrittene und Schnelligkeitsleistungen im Sinne der
Anfänger zum Zeitpunkt der gegnerischen Bewegungsschnelligkeit beziehen sich
Schlagausführung in ihrer selektiven Aufmerk- ausschließlich auf die motorische Kompo-
samkeit unterschieden. Der Blick der Anfänger nente der Bewegungsausführung und
driftete umher, ohne sich auf bestimmte Bewe- beinhalten die vom Nerv-Muskel-System
gungsmerkmale zu konzentrieren. Die fortge- erreichbaren höchsten Bewegungsge-
schrittenen Spieler fokussierten ihren Blick auf schwindigkeiten (Steinhöfer 2008;
den Schläger des Gegners und den unteren Teil Schnabel et al. 2014).
seines dominanten Arms. Die von diesem Be-
reich ausgehenden Schlüsselreize ermöglichten
es ihnen, Schlagart und vor allem Schlagrichtung Entsprechend der Strukturvarianten sportlicher
zu antizipieren (Kovacs et al. 2016). Handlungen wird ferner zwischen zyklischer
Im Gegensatz zur Reaktions- und Antizipati- und azyklischer Schnelligkeit unterschieden
onsschnelligkeit bezieht sich die Bewegungs- (. Abb. 5.1). Werden Bewegungsakte bzw. Bewe-
schnelligkeit ausschließlich auf die motorische gungszyklen schnellstmöglich und wiederholt
Komponente der sportlichen ­Handlung. Sie äu- hintereinander ausgeführt, spricht man von zykli-
ßert sich in einer vom neuromuskulären System scher Frequenz- oder Bewegungsschnelligkeit. Da
erreichbaren maximalen Bewegungsgeschwin- hierbei häufig eine Wegstrecke zurückgelegt wird,
260 T. Wiewelhove

Exkurs: Frequenzschnelligkeit

Frequenzschnelligkeit wird häufig als Synonym für eine bei einfachen Bewegungsabläufen erreichte
zyklische Bewegungsschnelligkeit gebraucht. Sie gibt maximale Bewegungsfrequenz aufgrund der höheren
an, mit welcher Frequenz (lat. für Häufigkeit) Anforderungen an die Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit
alternierende bzw. sich wiederholende Bewegungen und/oder Fertigkeitsausprägung jedoch nicht realisiert
(z. B. die Schrittfrequenz beim 100-m-Sprint, die werden. Beispielsweise ist das Erreichen höchster
Trittfrequenz beim Bahnradsprint oder die Beinschlag- Geschwindigkeiten im 100-m-Sprint nicht ausschließ-
frequenz beim 50-m-Kraulsprint) in einer Zeiteinheit lich von der Bewegungsfrequenz, sondern ebenso von
realisiert werden können (Olivier et al. 2008; der Bewegungsamplitude abhängig. Je nach Art der
Hottenrott und Neumann 2016). Die maximale Bewegung muss also zwischen der maximalen
Bewegungsfrequenz als Ausdruck grundlegender Bewegungsfrequenz und der Frequenz als einem
5 Schnelligkeit ist an einfache motorische Abläufe
gebunden und wird durch die Qualität neurophysio-
Element der komplexen zyklischen Schnelligkeitsleis-
tung unterschieden werden (Thienes 1998). Die
logischer Steuerungsprozesse bestimmt. Sie ist hierbei Frequenzschnelligkeit sollte folglich nicht als Synonym
weitgehend unabhängig von anderen motorischen für zyklische Bewegungsschnelligkeit verwendet
Leistungsfaktoren und kann daher als Subkategorie werden. Gleiches gilt für den Begriff Sequenzschnellig-
der elementaren Schnelligkeit angesehen werden. keit, der häufig synonym für schnelle azyklische
Innerhalb komplexer zyklischer Bewegungen kann Bewegungsprogramme gebraucht wird.

sprechen einige Autoren von Fortbewegungs- und Ückert 1999). Hierzu zählen Würfe,
schnelligkeit oder lokomotorischer Schnelligkeit Schüsse, (Ab-)Sprünge, Schläge oder Stöße. In
(Steinhöfer 2008). Unter disziplinspezifischen Ge- der Sportpraxis treten azyklische Bewegungen
sichtspunkten ist beispielsweise der leichtathleti- nicht immer, aber häufig in Kombination mit
sche Sprint oder der Sprint im Bahnradsport der zyklischen Bewegungselementen in Erschei-
zyklischen Schnelligkeit zuzuordnen. Ganz allge- nung. Beispielsweise wird die Sprung- oder
mein fällt aber z. B. auch der Trommelwirbel beim Wurfleistung beim leichtathletischen Weit-
Schlagzeugspielen in diese Kategorie. sprung bzw. Speerwurf durch den zyklischen
Azyklische Sequenz- oder Bewegungs- Anlauf begünstigt. Auch Fußballer erreichen
schnelligkeit ist die Schnelligkeitsleistung bei die höchsten Schussgeschwindigkeiten nicht
Einzelbewegungen, d. h., wenn Bewegungspro- ohne vorherigen Anlauf.
gramme einmalig ausgeführt werden. Azykli- Einige Erscheinungsformen der Schnelligkeit
sche Bewegungen haben also einen eindeutig lassen sich nicht eindeutig in eine der genannten
bestimmbaren Ausgangs- und Endpunkt (Joch Schnelligkeitsdimensionen einordnen. Sie sind

Exkurs: Theoretisches Systematisierungsmodell der Schnelligkeit und empirische Daten

Krug et al. (2019) sind der Frage nachgegangen, ob Gesamtergebnis einer konfirmatorischen Faktorenana-
sich die Systematisierung der Schnelligkeit mit den lyse folgte dieser Erkenntnis und zeigte, dass sich
Faktoren Reaktionsschnelligkeit, zyklische Schnellig- Reaktionsschnelligkeit (als übergeordneter Faktor von
keit, azyklische Schnelligkeit (zyklische und azyklische Einfach- und Wahlreaktion), Frequenzschnelligkeit und
Schnelligkeit wurden im Verlauf der Datenanalyse in willkürlich initiierte Schnelligkeit als eigenständige
einem Faktor integriert und als reaktive Schnelligkeit Faktoren nachweisen lassen, während die reaktive
benannt) und willkürlich initiierbare Schnelligkeit (d. h. Schnelligkeit keinen eigenen Faktor bildete (mögli-
Schnelligkeit bei nichtreaktiven Bewegungen aus cherweise weil hierzu zu wenige Tests eingesetzt
definierter Vorspannung oder relativer Ruhe) mit werden konnten). Basierend auf den ausgewerteten
empirischen Daten bestätigen lässt. In einem ersten korrelativen Beziehungen vermuten Krug et al. (2019)
Schritt ergab eine explorative Faktorenanalyse eine zudem, dass willkürlich initiierte und reaktive
Differenzierung der Reaktionsschnelligkeit in Schnelligkeit nicht unabhängig von Parametern der
Einfachreaktion und komplexe Reaktion. Das Schnellkraft sind.
Schnelligkeitstraining
261 5
entweder zu komplex oder stellen eher eine Leis- 3,8
n = 102
r = 0,44
tungsvoraussetzung für schnelle Bewegungen 3,6 p < 0,001

20-m-LS-Test (s)
dar, als dass sie eine eigenständige bzw. überge-
3,4
ordnete Schnelligkeitskategorie repräsentieren.
Hierzu zählen die Handlungs- und Richtungs- 3,2

wechselsprintschnelligkeit sowie die Beschleuni- 3,0


gungsleistung und die Schnelligkeitsausdauer.
2,8
Die Handlungsschnelligkeit ist die komple- 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0 11,0 12,0
xeste Schnelligkeitserscheinung. Sie bezieht sich RWS-Test (s)

auf die Fähigkeit, strategisch-taktische bzw. tech- ..      Abb. 5.2 Mittlerer Zusammenhang (r = 0,44)
nisch-taktische Handlungen in Abhängigkeit der zwischen der Leistung im 20-m-­Linearsprinttest
Spiel- bzw. Wettkampfsituation präzise sowie in (20-m-LS-Test) und in einem tennisspezifischen
optimaler Zeit und Intensität zu realisieren (Stein- Richtungswechselsprinttest (RWS-Test) bei 102
Nachwuchsleistungstennisspielerinnen und -spielern
höfer 2008). Die Handlungsschnelligkeit ist daher
vor allem in den Sportspielen und den Kampf-
sportarten eine wichtige Erscheinungsform der trainings die Leistung im RWS-Test positiv
Schnelligkeitsleistung. Die Komponenten der (Brughelli et al. 2008). Die Autoren vermuten,
Handlungsschnelligkeit sind die Reaktions- und dass die RWS im Vergleich zur linearen Sprint-
Antizipationsschnelligkeit sowie die zyklische schnelligkeit von einem komplexeren Geflecht
und azyklische Bewegungsschnelligkeit. Die aus Leistungsvoraussetzungen determiniert
Qualität der Handlungsschnelligkeit ist also ab- wird, zu denen neben der linearen Sprintfähig-
hängig vom Niveau der koordinativ-konditionel- keit vor allem verschiedene Kraftfähigkeiten ge-
len Fähigkeiten sowie der technisch-­taktischen hören (u. a. exzentrische Kraft der Kniebeuger;
Fertigkeiten und findet ihren Ausdruck in der für Brughelli et al. 2008; Jones et al. 2009).
die kognitiven Prozesse (d. h. Informationsauf- Die RWS ist insbesondere in den Sportspie-
nahme und Informationsverarbeitung) und für len eine wichtige Leistungsvoraussetzung, um
die motorische Lösung der Handlungsaufgabe den disziplinspezifischen Anforderungen ge-
benötigten Gesamtzeit (Weineck 2009; Schnabel recht zu werden (Nimphius et al. 2013). Folg-
et al. 2014; ). lich absolvieren Sportspielerinnen und -spieler
Die Richtungswechselsprintschnelligkeit im Rahmen einer Leistungsdiagnostik regel-
(RWS) beschreibt die Fähigkeit, die initiale mäßig RWS-Tests. Die Bewertung der Testleis-
Lauf- bzw. Sprintrichtung zu einem zuvor be- tung erfolgt meist anhand der erzielten Ge-
stimmten und bekannten Ort oder Raum samtzeit. Diese gibt jedoch keine differenzierte
schnellstmöglich zu ändern. Sie hebt sich hin- Auskunft darüber, ob die Testleistung auf der
sichtlich ihrer Komplexität ebenfalls von der Basis einer guten linearen Sprintfähigkeit und/
zyklischen Bewegungsschnelligkeit ab. Dies oder einer guten Richtungswechselfähigkeit
zeigt sich unter anderem in den Korrelationen zustande gekommen ist. Um dieser Problema-
zwischen der linearen Sprintfähigkeit und der tik konstruktiv zu begegnen, wurde die Be-
Leistung im RWS-­Test, die meist nur niedrig bis rechnung des sogenannten RWS-Defizits
moderat ausfallen (Brughelli et al. 2008). Eine (Change of Direction Speed Deficit) vorge-
Untersuchung mit 102 Nachwuchsleistungsten- schlagen. Das RWSD ergibt sich aus der im
nisspielerinnen und -spielern bestätigt diese RWS-Test erreichten Gesamtzeit abzüglich der
Befunde (. Abb. 5.2). Auch konnten Trainings- 0–10-m-Zwischenzeit im Linearsprinttest (Lo-
studien zeigen, dass ein Schnelligkeitstraining turco et al. 2018). Die Berechnung des RWSD
mit linearen Sprints die RWS nicht verbesserte. ermöglicht eine isolierte Identifikation der Fä-
Hingegen beeinflussten Richtungswechselläufe higkeit, bei einem Sprint schnell die Laufrich-
sowie verschiedene Formen des Sprungkraft- tung zu ändern (Nimphius et al. 2016).
262 T. Wiewelhove

Exkurs: Agility

Im angloamerikanischen Sprachraum wurde der von der Leistung in RWS-Tests ohne kognitive
Begriff Agility meist synonym mit der Richtungswech- Komponente ist (Farrow et al. 2005). Ferner sind
selsprintschnelligkeit verwendet. Aufgrund von weiter- Agility-Tests besser in der Lage, zwischen Leistungs-
entwickelten Strukturansätzen wird Agility aber und Amateursportlern zu differenzieren. Dies weist
mittlerweile von vielen Autoren als Fähigkeit definiert, daraufhin, dass das kognitive Element des Agility-Tests
basierend auf Wahrnehmungen bzw. kognitiven einen wichtigen leistungssensitiven Faktor darstellt
Prozessen schnellstmöglich auf einen Stimulus zu (Young et al. 2015). Zumindest im Kontext der RWS
reagieren (z. B. das Bewegungsverhalten des scheint es somit gerechtfertigt zu sein, die reine RWS
Verteidigers im Fußball) und in der Folge die Lauf- bzw. und die Agility als jeweils eigenständige Fähigkeitska-
Sprintrichtung zu verändern (Nimphius 2014). Damit tegorie darzustellen, wobei bei der reinen RWS noch
5 unterscheidet sich die Agility von der reinen RWS zwischen den Dimensionen Richtungswechselsprint-
dahingehend, dass eine kognitive Komponente als fähigkeit und Wendigkeit unterschieden werden kann.
Leistungsvoraussetzung hinzukommt. In der Folge Die Richtungswechselsprintfähigkeit betrifft die
wurden leistungsdiagnostische Tests entwickelt, die Leistung in RWS-Tests mit einem oder höchstens zwei
zusätzlich zum Richtungswechselsprint eine kognitive Richtungswechseln (z. B. 5-0-5-Test), während die
Leistungskomponente in die Testaufgabe integrieren Wendigkeit die Leistung bei RWS-Tests mit drei oder
(z. B. der Reactive Agility Test oder der Reaction and mehr „scharfen“ (d. h. 180°) und/oder „weichen“ (d. h. <
Action Speed Test for Soccer Goalkeepers; Farrow et al. 180°) Richtungswechseln beschreibt (z. B. L-Run-Test
2005; Knoop et al. 2013). Zusammenhangsanalysen oder T-Test; Gabbett und Sheppard 2013; Nimphius
ergaben, dass die Leistung in Agility-Tests unabhängig 2014).

Die Beschleunigungsfähigkeit repräsentiert geren Körpergewichts die gleichen Kräfte auf-


zwar keine eigenständige Schnelligkeitskatego- bringen kann wie sein Kontrahent (Scheid und
rie. Sie ist aber eine zentrale Leistungsvorausset- Prohl 2003).
zung für schnelle Bewegungen. Das bedeutet, Aus den physikalischen Zusammenhängen
dem eigenen Körper oder einem Sportgerät wird der enge Bezug der Beschleunigungsfähig-
durch ein zweckmäßiges Nutzen des Beschleu- keit zur Kraft deutlich. In diesem Sinne sind Be-
nigungswegs eine möglichst hohe Geschwin- schleunigungsleistungen auch keineswegs reine
digkeit zu verleihen, setzt immer Beschleuni- oder elementare Schnelligkeitsleistungen – sie
gung voraus. Die Beschleunigungsleistung wird können vielmehr als eine spezifische Form der
durch die Relation der eingesetzten Kraft und Schnellkraft angesehen werden (Steinhöfer
der zu beschleunigenden Masse bestimmt. Da 2008; Schnabel et al. 2014). Der Einfluss der
physikalisch die Kraft das Produkt aus Masse Kraft auf die Beschleunigungsleistung wird da-
und Beschleunigung ist, ergibt sich, dass die Be- bei umso leistungsbeeinflussender, je höher die
schleunigung als Quotient aus Kraft und Masse zu beschleunigenden Widerstände sind. Dies
definiert wird (a = v2 − v1/t2 − t1, a = Beschleu- gilt sowohl für zyklische (z. B. das Anschieben
nigung, s = Weg, t = Zeit, Maßeinheit = Meter eines Bobs) als auch für azyklische (z. B. das Sto-
pro Sekunde zum Quadrat bzw. m/s2; Joch und ßen einer Kugel) Bewegungen.
Ückert 1999; Scheid und Prohl 2003; Steinhöfer Die zyklische Variante der Beschleunigung
2008). Große Kräfte können daher bei gleicher spielt insbesondere bei kurzen Antritten und
Masse zu schnelleren Beschleunigungen führen Sprints eine Rolle, während sich die azyklische
als geringe Kräfte. Bei gleichem Körpergewicht Beschleunigungsleistung auf die Qualität von
könnte ein kräftigerer 100-m-Sprinter schneller Sprung-, Wurf-, Schlag- oder Schussbewegun-
beschleunigen als sein weniger kräftiger Kon- gen bezieht. Neben der Kraft können die Be-
trahent. Andersherum führen gleiche Kräfte bei schleunigungsleistungen hier im Zusammen-
unterschiedlichen Massen zu unterschiedlichen hang mit dem biomechanischen Prinzip der
Beschleunigungsleistungen. Beispielsweise hat „Länge des Beschleunigungswegs“ und dem
ein Hochspringer Vorteile, wenn er trotz gerin- Prinzip der „Anfangskraft“ gesehen werden
Schnelligkeitstraining
263 5
Exkurs: Der Zusammenhang zwischen Kraft- und Beschleunigungsleistungen

Müssen hohe äußere Widerstände maximal schnell beschleunigende Last ist (z. B. der Schläger im
beschleunigt werden, ergeben sich im Kraft-Zeit- Badminton), umso kürzer ist die Kraftbildungszeit
Verlauf hohe Kraftspitzen. Die Zeit bis zur bis zur Kraftspitze. Folglich beteiligen sich auch
maximalen Kraftentfaltung ist dabei so lang nicht alle zur Verfügung stehenden Muskelfasern
(>200 ms), dass alle Muskelfasern – selbst die bei der Erbringung der Beschleunigungsleistung,
schnellen Typ-II-Fasern – genügend Zeit haben, weshalb der Kraftimpuls insgesamt niedriger
sich an der Kraftbildung zu beteiligen. Solche ausfällt. Sind also die zu beschleunigenden
Beschleunigungsleistungen sind deshalb eindeutig Widerstände gering, ist vielmehr die Schnelligkeit
von der Schnell- bzw. deren Voraussetzung in Form und weniger die Kraft leistungsbestimmend
der Maximalkraft abhängig. Je geringer die zu (Scheid und Prohl 2003; Steinhöfer 2008).

(Joch und Ückert 1999). Aufgrund ihrer ver- intervallbasierten Sportarten (z. B. Fußball) wie-
gleichsweise kurzen Beschleunigungswege gilt derholte, kurze bis mittlere Beschleunigungs-
dies erst recht für azyklische Bewegungen. Das bzw. Schnelligkeitsleistungen mit teils hohen
bedeutet, maximale Beschleunigungsleistun- Krafteinsätzen bedeutsam. Hierbei sollte der er-
gen bei Sprüngen, Würfen, usw. sind neben der müdungsbedingte Geschwindigkeitsabfall nicht
eingesetzten Kraft insbesondere von der Länge nur während einer einzelnen Aktion, sondern
des Beschleunigungswegs sowie der im Sinne auch über die Wiederholungen hinweg möglichst
der „Anfangskraft“ eingesetzten Ausholbewe- gering sein. Es kommt also z. B. auf die Wieder-
gung abhängig. Die Qualität der Ausholbewe- holungssprintfähigkeit an.
gung kann ferner durch die biomechanischen
Prinzipien der „zeitlichen Koordination von
Schnelligkeitsausdauer
Teilimpulsen“ (7 Abschn. 4.2: Intermuskuläre
Koordination) und der „Muskelvordehnung“ Die Schnelligkeitsausdauer bezeichnet im
(7 Abschn. 4.1: DVZ) erklärt werden. weitesten Sinne die Fähigkeit, höchste
Die Schnelligkeitsausdauer wird nur von we- Bewegungsgeschwindigkeiten über einen
nigen Autoren als eigenständige Leistungsvoraus- längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu
setzung im Kontext der Schnelligkeitsdimension können und/oder sowohl bei einmalig als
beschrieben und ist daher auch nicht eindeutig auch bei mehrmals in kurzer Zeit hinterein-
definiert. Dies liegt u. a. an den trainingsmethodi- ander absolvierten Schnelligkeitsbelastun-
schen Überschneidungen, die sich vor allem aus gen den ermüdungsbedingten Geschwin-
energetischer Sicht zwischen der Schnelligkeits- digkeitsabfall möglichst gering zu halten.
ausdauer und dem Ausdauertraining ergeben. Im
weitesten Sinne kennzeichnet die Schnelligkeits-
ausdauer die Fähigkeit, höchste Geschwindigkei-
ten über einen längeren Zeitraum aufrechterhal- 5.2 Biologische Grundlagen
ten zu können bzw. den ermüdungsbedingten
Geschwindigkeitsabfall möglichst gering zu hal- Die Differenzierung der Schnelligkeit in Fähig-
ten. Diese Begriffsbestimmung bezieht sich vor keitsdimensionen ist notwendig, um unter-
allem auf einmalig absolvierte zyklische Bewe- schiedliche Methoden des Schnelligkeitstrai-
gungen, weshalb die Schnelligkeitsausdauer häu- nings auszuweisen und hinsichtlich ihrer
fig auch als Sprintausdauer bezeichnet wird. Sie Belastungscharakteristika zu definieren. Zu-
lässt allerdings offen, ob damit nur relativ kurze gleich darf die theoriegeleitete Abgrenzung von
(z. B. 100-m-Sprint) oder auch länger andau- Erscheinungsformen der Schnelligkeit nicht
ernde (z. B. 400-m-Lauf) Schnelligkeitsleistungen dazu führen, dass die Wechselbeziehungen der
gemeint sind (Steinhöfer 2008). Ferner sind in Schnelligkeitskomponenten untereinander au-
264 T. Wiewelhove

anlage-, entwicklungs- sensorisch-


neuronale tendomuskuläre
und lernbedingte kognitive und psychische
Einflussgrößen Einflussgrössen
Einflussgrößen Einflussgrößen

intramuskuläre Koordination Muskelfasertypen-


kalendarisches Alter Konzentration
(Rekrutierung und verteilung
(selektive Aufmerksamkeit)
Frequenzierung von
biologisches Alter motorischen Einheiten) Muskelfaserquerschnitt
Informationsaufnahme, -
verarbeitung, -steuerung intermuskuläre Koordination Kontraktions-
Geschlecht und -regelung (Zusammenwirken geschwindigkeit
verschiedener Muskeln)
Motivation, Muskel- und
Anthropometrie Willenskraft, Anstrengungs- Sehnenelastizität
5
Koaktivierung
bereitschaft und
Durchsetzungsvermögen Viskosität (intramuskulärer
Konstitution Reizleitungs- Reibungswiderstand)
geschwindigkeit
Wissen, Erfahrung, Muskellänge und
Erwartung und Extremitäten-Rumpf-
Technik Vorinnervation
Antizipationsfähigkeit Hebelverhältnisse

Talent mentale Stärke Reflexinnervation Energiebereitstellung

neuromuskuläre
Sozialisierung Lernfähigkeit Muskeltemperatur
Innervationsmuster

..      Abb. 5.3 Einflussgrößen auf die Schnelligkeit

ßer Acht gelassen werden. Außerdem muss be- durch den Aufbau der Skelettmuskulatur,
rücksichtigt werden, dass sowohl die informa- sprich den Muskelquerschnitt, die Muskelar-
torische als auch die motorische Schnelligkeit chitektur und das Muskelfaserspektrum sowie
in ihren unterschiedlichen Erscheinungen ver- ferner durch die Kraft-Längen-­ Relation des
schiedensten biologischen und zum Teil sozio- Muskels, die neuromuskuläre Signalübertra-
logischen Einflussgrößen unterliegen, die die gung und/oder die Energiebereitstellung be-
Qualität von Schnelligkeitsleistungen bestim- einflusst. Eine ausführliche Übersicht über die
men (Damerow 2005). Einflussgrößen auf die Schnelligkeit bzw. über
Soll schnell reagiert werden und/oder sol- die beteiligten Funktionssysteme des Organis-
len Bewegungen schnell ausgeführt werden, mus liefern Geese und Hillebrecht (1995);
stellt dies unterschiedliche, spezifische Anfor- Grosser (1991) und Weineck (2009). Sie diffe-
derungen an die Funktionssysteme des Orga- renzieren zwischen anlage-, entwicklungs- und
nismus. Diese werden aber häufig in ihrer Ge- lernbedingten sowie sensorisch-kognitiven, psy-
samtheit benötigt. Insofern existiert auch kein chischen, neuronalen und tendomuskulären Ein-
ausschließlich schnelligkeitsspezifisches biolo- flussgrößen (. Abb. 5.3), die in Abhängigkeit von
gisches System (Schnabel et al. 2014). Viel- sportart- oder bewegungsspezifischen Besonder-
mehr gelten zahlreiche der bereits in heiten in unterschiedlichem Ausmaß von Be-
7 Abschn. 4.2 besprochenen anatomisch-­ deutung sind. Die aus biologischer Perspektive
physiologischen Strukturen und Funktionen wichtigsten Einflussgrößen auf die Schnellig-
nicht nur für Kraft-, sondern im Wesentlichen keit werden im weiteren Verlauf dieses Kapi-
auch für Schnelligkeitsleistungen. So wird die tels – in Orientierung an die in . Abb. 5.3 vor-
Schnelligkeit beispielsweise unter anderem geschlagene Struktur – näher beschrieben.
Schnelligkeitstraining
265 5
Beispiel: African Sprinters

Die afrikanische Bevölkerung liefert in diesem Zusam- eine Mutation des ACTN3-Gens identifiziert. Das
menhang ein anschauliches Beispiel sogenannte R577X-Allel, das im Allgemeinen am
(vgl. 7 Abschn. 7.3). So haben die besten Langstre- seltensten bei Afrikanern auftritt, geht dabei mit einem
ckenläufer der Welt ihre Wurzeln im Osten des hohen Anteil an langsamen Muskelfasertypen einher.
Kontinents, während die besten Sprinter der Welt Hingegen weisen Afrikaner und Topsprinter das
westafrikanischer Herkunft sind. Nimmt man die höchste Vorkommen der nichtmutierten Version des
boykottierten olympischen Spiele von 1980 aus, dann ACTN3-Gens, das R577R-Allel, auf, das wiederum mit
gewann 1972 zum letzten Mal ein nicht dunkelhäuti- einem hohen Anteil an schnellen Muskelfasertypen
ger Sprinter Olympiagold über 100 Meter. verlinkt ist (Yang et al. 2003; Niemi und Majamaa 2005;
Einer der Gründe dafür könnte das α-Actinin-3- Pickering und Kiely 2017). Offenbar besitzt also vor
(ACTN3-)Gen sein. In Abhängigkeit der ethnischen allem die aus Westafrika stammende Bevölkerung den
Zugehörigkeit wurde bei etwa 20–50 % der Menschen „richtigen“ Genpool für den Sprintsport.

5.2.1  nlage-, entwicklungs- und les Zusammenwirken nervaler und muskulärer


A
lernbedingte Einflussgrößen Strukturen durch Training positiv beeinflusst
werden kann. Die Art und Weise dieses Zusam-
Einige der in . Abb. 5.3 genannten Faktoren, wie menwirkens wird durch die Schnelligkeitsleis-
beispielsweise die Muskelfasertypenverteilung, tungen bei sportlichen Bewegungen charakteri-
die Muskellängen, die Extremitäten-Rumpf-He- siert und spiegelt unter anderem die Qualität
belverhältnisse oder das Geschlecht, sind vor- neuromuskulärer Steuer- und Regelprozesse wi-
nehmlich oder vollständig genetisch festgelegt der (Bauersfeld und Voss 1992). Aufgrund des
und durch Training entweder gar nicht oder nur komplexen Zusammenspiels verschiedenster
noch bedingt veränderbar (Weineck 2009). Hier- Einflussgrößen lässt sich der Einfluss des Erbguts
aus erschließt sich, warum die Schnelligkeit nach auf eine Vielzahl von Schnelligkeitsleistungen
allgemeiner Auffassung stärker anlagebedingt wohl nicht eindeutig klären.
und in geringerem Umfang trainierbar ist als bei- Jenseits des 30. Lebensjahrs wirkt sich das
spielsweise die Kraft. fortschreitende Alter schließlich nachteilig
In welchem Maße die genetische Prädisposition auf die Schnelligkeitsleistung aus. Die Schnel-
die Leistung in schnelligkeitsdominierten Sport- ligkeit ist nämlich derjenige physische Leis-
arten mitbestimmt, ist jedoch weiterhin umstrit- tungsfaktor, der mit zunehmendem Alter am
ten. Während beispielsweise der enorme Einfluss frühesten und ausgeprägtesten abnimmt.
der Veranlagung auf die Leistung beim 100- und Dies hängt vorrangig mit der altersbedingten
200-m-Sprint außer Frage steht, scheint es, als Abnahme von Kraft- und koordinativen Fä-
seien die Gene bei sportlichen Bewegungen wie higkeiten zusammen, welche die Schnelligkeit
z. B. dem leichtathletischen Speerwurf weniger im Wesentlichen limitieren. Nichtsdestotrotz
bedeutsam für die Erreichung von Spitzenleis- kann die Reduktion von Schnelligkeitsleis-
tungen. Das bedeutet, je komplexer die Bewe- tungen auch im fortschreitenden Alter durch
gung und je höher die koordinative Anforderung entsprechendes Training zum Teil kompen-
ist, desto geringer ist der anlagebedingte Einfluss siert werden (Scheid und Prohl 2003; Wein-
auf die Schnelligkeitsleistung. Der Auffassung, eck 2009).
dass die Schnelligkeit vordergründig als Problem Ferner können anthropometrische Fak-
der Selektion und Talentfindung anzusehen ist, toren Schnelligkeitsleistungen beeinflussen.
kommt daher keine Allgemeingültigkeit zu. Viel- So lässt sich beobachten, dass vor allem
mehr zeigt sich aus Erfahrungen der Trainings- großgewachsene Tennisspieler aufgrund
praxis und aus Untersuchungen, dass ein optima- günstigerer Hebelverhältnisse die höchsten
266 T. Wiewelhove

Schlagschnelligkeiten aufweisen und somit ler eine meist exzellente RWS und Agilität
in der Lage sind, den Gegner unter Druck zu auf. Dies erscheint notwendig, um die nied-
setzen und dadurch auch mögliche Defizite rigeren Schlaggeschwindigkeiten als Folge
der eigenen Laufschnelligkeit kompensie- der ungünstigeren Hebelverhältnisse zu
ren. Umgekehrt weisen kleinere Tennisspie- kompensieren.

Beispiel: Sensorisch-kognitive und psychische Einflussgrößen

Auch sensorisch-kognitive oder psychische Faktoren scher Koaktivierungen begründet, die insbesondere
können die Schnelligkeit beeinflussen. Beispiels- dann auftreten können, wenn Athleten unter
weise kann eine optimal ausgeprägte Motivations- großem psychischem Druck stehen. In der Folge
5 und Konzentrationsfähigkeit sowie mentale Stärke versuchen Sportler, eine Bewegung, die normaler-
im Training und Wettkampf schnelligkeitsbegünsti- weise automatisch ausgeführt wird, willentlich zu
gend sein. Asafa Powell liefert in diesem Zusammen- beeinflussen. Dies bringt eine Verschlechterung der
hang ein anschauliches Beispiel. Dem mehrfachen Koordination im Moment der psychischen
Weltrekordhalter im 100-Meter-Lauf gelang es trotz Überforderung mit sich, und es setzt eine Dissozia-
Favoritenstatus nicht, eine Goldmedaille in einem tion bzw. Entautomatisierung der Bewegung ein
Einzelrennen bei olympischen Spielen oder (Weineck 2009). Es ist bekannt, dass Asafa Powell vor
Weltmeisterschaften zu gewinnen. Dies liegt bedeutenden Wettkämpfen unter extremer
womöglich in dem störenden Einfluss antagonisti- Anspannung und Schlaflosigkeit litt.

5.2.2 Neuronale und ständigen Systeme. Beispielsweise liegt der


tendomuskuläre Zellkörper von motorischen Nerven im Zent-
Einflussgrößen ralnervensystem, während sich ihre Nerven-
zellfortsätze im peripheren Nervensystem be-
Aus biologischer Sicht ist der besondere Ein- finden. Sensomotorische Prozesse beinhalten
fluss des neuromuskulären Systems bzw. des schließlich all das, was mit Bewegungen zu-
Nerv-Muskel-Systems auf die Schnelligkeits- sammenhängt. Hierzu gehören die Aufnahme
leistung hervorzuheben. Dabei spielen von Reizen aus der Umwelt über die bewusste
­zentralnervale, peripher nervale und sensomo- und unbewusste Verarbeitung von Informatio-
torische Prozesse eine wichtige Rolle. Zentral- nen und Erfahrungen bis hin zur Bewegungs-
nervale Prozesse sind Vorgänge, die im Zent- ausführung und deren Reflektion im Bewusst-
ralnervensystem, sprich im Gehirn und sein des Athleten (Bauersfeld und Voss 1992).
Rückenmark bzw. im spinalen und supraspina- Das neuromuskuläre System bzw. neuro-
len Anteil des Nervensystems, ablaufen. Peri- muskuläre Prozesse beinhalten demnach das
phere nervale Prozesse laufen außerhalb des Zusammenwirken von Nerven- und Muskelsys-
Zentralnervensystems, also im peripheren tem, was sowohl zentralnervale und peripher-
Nervensystem, ab. Das periphere Nervensys- nervale als auch muskelkontraktile Prozesse ein-
tem ist der Teil des Nervensystems, der nicht schließt. Zum neuromuskulären System gehören
zum zentralen Nervensystem gehört und somit unter anderen:
außerhalb des Schädels und des Wirbelkanals 55 Exterorezeptoren, die Reize bzw. Signale
liegt. Es wird durch die Rezeptoren und peri- von außen aufnehmen und somit an der
pheren Nervenfasern gebildet und verbindet Außenwahrnehmung des Menschen
das Zentralnervensystem mit den Effektoror- beteiligt sind,
ganen (z. B. Muskeln). Die Abgrenzung zwi- 55 Propriorezeptoren, wie beispielsweise
schen peripherem und zentralem Nervensys- Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgane,
tem erfolgt jedoch rein topografisch. Aus die Signale aus dem eigenen Körper
funktioneller Perspektive sind sie keine eigen- aufnehmen,
Schnelligkeitstraining
267 5
55 afferente und efferente Nervenfasern bzw. schen Präformierung vorgenommene Selektion
motorische Nerven/Motoneurone, widerspiegeln, bleibt unklar.
55 Synapsen und motorische Endplatten, Als ein weiterer schnelligkeitslimitierender
55 Muskeln bzw. Muskelfasern. Faktor sowohl im Kontext von Schnelligkeits- als
auch Schnellkraftleistungen ist die Kontraktions-
Das neuromuskuläre System ist dabei auf un- zeit bzw. Kontraktionsgeschwindigkeit der Mus-
terschiedliche Weise limitierend an schnellen kulatur zu nennen. Sie kennzeichnet die Zeit, die
Bewegungen und/oder Reaktionen beteiligt. So ein Muskel bei maximaler Aktivierung im erholten
nimmt die Nerven- bzw. Reizleitungsgeschwin- Zustand benötigt, um sich schnellstmöglich um ei-
digkeit als schnelligkeitslimitierender Faktor nen definierten Betrag zu verkürzen. Der Vorgang
eine solche Rolle ein. Sie gibt an, wie schnell der Kontraktion sowie der in diesem Zusammen-
elektrische Impulse entlang einer Nervenfaser hang ablaufende Gleitfilamentmechanismus und
weitergeleitet werden. Dabei weisen unter- Querbrückenzyklus wurde bereits in 7 Abschn. 4.2
schiedliche Nervenfasern aufgrund ihres un- beschrieben. Als schnelligkeitslimitierend für die
terschiedlichen Aufbaus verschiedene Nerven- Kontraktionszeit des Muskels, die von der Anzahl
leitgeschwindigkeiten auf. Ausschlaggebendes und der Geschwindigkeit der einzelnen Querbrü-
Kriterium ist dabei die Ausbildung der Mark- ckenverbindungen zwischen Aktin und Myosin
bzw. Myelinscheide. So leiten dünne unmyeli- innerhalb der einzelnen Muskelfasern abhängig
nisierte bzw. marklose Nervenfasern mit etwa ist, gelten unter anderem die Höhe der Kalzium-
1 m/s, während dicke myelinisierte bzw. mark- einströmung sowie die Geschwindigkeit der Hy-
reiche Fasern mit rund 100 m/s eine deutlich drolyse (d. h. Spaltung) von Adenosintriphosphat
schnellere Erregungsleitung ermöglichen. durch die Myosinköpfchen (Gold 2004).
Diskutiert wird, ob der Anteil schnell leiten- Aus funktioneller Sicht wird in diesem Zu-
der Nervenfasern als Teilvoraussetzung für sammenhang zwischen langsam kontrahieren-
schnelle Bewegungen genetisch präformiert ist. den Typ-I- sowie schnell kontrahierenden Typ-
Diesbezüglich konnten Untersuchungen zeigen, IIA- und Typ-IIX-­ Muskelfasern differenziert.
dass Sportler aus Schnellkraftsportarten und Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer
anderen Sportarten unterschiedliche Nerven- strukturellen, kontraktilen, metabolischen und
leitgeschwindigkeiten aufwiesen. Beispielsweise molekularen Charakteristika (. Tab. 4.1). Die
unterschieden sich leichtathletische Sprinter maximale Geschwindigkeit der Muskelkontrak-
deutlich von leichtathletischen Langstrecken- tion wird demnach in hohem Maße durch die
läufern und Gehern (Bauersfeld und Voss 1992). Muskelfasertypenverteilung im jeweiligen Ske-
Interessanterweise verfügten einerseits Schnell- lettmuskel bestimmt (vgl. 7 Abschn. 4.2.3:
kraftsportler mit guten Leistungen in ihren Dis- Muskelfaserspektrum). Untersuchungen der
ziplinen auch über vergleichsweise hohe Ner- Muskelfaserstruktur bei unterschiedlichen
venleitgeschwindigkeiten, während andererseits Sportlern belegen die Bedeutung eines hohen
Athleten mit hohen Nervenleitgeschwindigkei- Anteils schnellkontrahierender Muskelfasern
ten zum Teil keine herausragenden Leistungen für Sportarten bzw. Disziplinen mit hohen
erreichten (Bauersfeld und Voss 1992). Aller- Schnelligkeitsanforderungen. Beispielsweise er-
dings konnte keine Spitzenleistung bei niedri- reichen Sportler mit einem höheren Anteil an
gen Nervenleitgeschwindigkeiten beobachtet Typ-IIA- und Typ-IIX-Fasern kürzere Boden-
werden. Hieraus ergibt sich, dass die Nervenleit- kontaktzeiten bei Absprungbewegungen aus
geschwindigkeit eine wichtige, jedoch nicht die dem Lauf als Sportler mit höherem Anteil an
einzige Voraussetzung für schnelle Bewegungen langsamen Typ-I-­Muskelfasern (Bauersfeld und
ist. Inwieweit die genannten Untersuchungser- Voss 1992). Ganz allgemein zeigte sich, dass der
gebnisse auf eine Trainierbarkeit hinweisen Anteil an schnellzuckenden Muskelfasern posi-
oder lediglich eine basierend auf der geneti- tiv mit der Schnelligkeit bei Bewegungen korre-
268 T. Wiewelhove

liert (Weineck 2009). Dabei gilt allerdings auch


für die Muskelfasertypenverteilung, dass eine
große Anzahl an schnellen Muskelfasern zwar
eine notwendige Bedingung für hohe Schnellig-
keit ist, jedoch nicht ausschließlich die Schnel-
ligkeitsleistung des neuromuskulären Systems
bestimmt.
Die neuromuskuläre Steuerung schneller
Muskelkontraktionen erfolgt zunächst über die
Erregung von Motoneuronen, die ihren Ur-
5 sprung im Zentralnervensystem, sprich im Hirn-
stamm und im Vorderhorn des Rückenmarks,
haben. Dabei gilt, dass ein einzelnes Motoneuron
mitsamt aller der von ihm innervierten Muskel-
fasern als motorische Einheit bezeichnet wird.
Diese stellt für die Steuerung willkürlicher wie
unwillkürlicher Motorik eines Skelettmuskels die
kleinste funktionelle Einheit dar und besteht aus
einem α-Motoneuron, einem Axon bzw. Neu-
rit, der motorischen Endplatte sowie den über
die motorische Endplatte erregten Muskelfasern
(. Abb. 5.4; vgl. 7 Abschn. 4.2: Neuromuskuläre
Signalübertragung und Muskelkontraktion). Die
Zahl der vom Motoneuron innervierten Mus-
kelfasern ist dabei umso kleiner, je kleiner der
..      Abb. 5.4 Unterschiedlich große motorische
Muskel ist bzw. je feiner koordiniert die von ihm Einheiten (1, 2 und 3), illustriert am Beispiel des
ausgeführten Bewegungen sein müssen. Bei- Musculus biceps brachii
spielsweise bestehen die motorischen Einheiten
der Augen-, Zungen- oder Fingerspitzenmus- heiten unter anderem aus großen Motoneuronen
keln aus nur ca. 5–15 Muskelfasern. Indes wer- mit hohen Rekrutierungsschwellen und großer
den die Muskeln des Oberschenkels, die eher Entladungsfrequenz, Axonen mit großer Über-
grob koordinierte Bewegungen ausführen, von tragungs- bzw. Leitungsgeschwindigkeit sowie
Motoneuronen versorgt, die zwischen 100 und entsprechenden Fasern mit kurzen Kontrakti-
2000 Muskelfasern innervieren (de Marées 2003; onszeiten bzw. hohen Kontraktionsgeschwindig-
Gold 2004; Müller et al. 2015). keiten (7 Abschn. 4.2.3: Muskelfaserspektrum).
Muskelfasern einer motorischen Einheit wei- Motorische Einheiten wirken daher in ihrer Ge-
sen ähnliche Eigenschaften auf. Das bedeutet, samtheit und über ihren jeweiligen strukturellen
dass motorische Einheiten, die hohe Kontrakti- Aufbau mehr oder weniger schnelligkeitsbe-
onsgeschwindigkeiten erreichen, vorwiegend günstigend. Eine der wichtigsten neuromuskulä-
schnelle Typ-IIA- und Typ-IIX-Fasern innervie- ren Voraussetzungen für schnellstmögliche Be-
ren. Dabei unterscheiden sich die Muskelfasern wegungen kann daher im individuellen Anteil an
innerhalb einer motorischen Einheit zwar hin- großen motorischen Einheiten gesehen werden
sichtlich ihrer strukturellen, kontraktilen, meta- (Hohmann et al. 2014).
bolischen und molekularen Eigenschaften. Die Ferner wird diskutiert, inwieweit die bei
Variationsbreite innerhalb einer Einheit ist je- (schnellen) Bewegungen einsetzende Koaktivie-
doch geringer als im Vergleich zwischen unter- rung antagonistischer Muskeln als Bremskraft
schiedlichen motorischen Einheiten (Gold agiert und somit eine potentiell erreichbare Be-
2004). So bestehen „schnelle“ motorische Ein- wegungsgeschwindigkeit herabsetzt. Antagonis-
Schnelligkeitstraining
269 5
ten sind Gegenspieler der Agonisten, die wiede- steuert und ist für schnell(kräftige) Bewegungen
rum als diejenigen Muskeln bezeichnet werden, von wesentlicher Bedeutung (Steinhöfer 2008).
die am kräftigsten in eine bestimmte Bewegungs- Die intermuskuläre Koordination bezieht sich auf
richtung wirken. Eine Koaktivierung der Antago- die Fähigkeit neuraler Prozesse, Erregungs- und
nisten scheint daher für die Erreichung hoher Hemmungszustände der an schnellen Bewegun-
Bewegungsgeschwindigkeiten ungünstig zu sein gen beteiligten Muskulatur optimal abwechseln
(vgl. 7 Abschn. 4.1: Schnellkraft). Beispiels- lassen zu können. Dadurch entstehen einerseits
weise konnte bei älteren Menschen eine ver- ständige Spannungs- und Entspannungszustände
stärkte Kokontraktion gelenksumgebener Mus- in der Muskulatur – so sind schnell und vollstän-
keln festgestellt werden. Diese wurde insbesondere dig entspannte Muskeln optimal auf nachfol-
bei ballistischen Kontraktionen beobachtet und gende Spannungsphasen wie beispielsweise auf
wirkte sich negativ auf die Schnellkraftfähigkeit die Stützphasen beim Sprinten vorbereitet. Ande-
im Alter aus (Granacher und Gollhofer 2005). rerseits wird durch häufiges Wiederholen der
Hinsichtlich der Funktionalität der neuro- schnellen Bewegungen eine hohe koordinative
muskulären Bewegungssteuerung übernimmt Qualität erreicht. Intermuskuläre Koordination
die Koaktivierung von Muskeln indes eine wich- ist damit das (ideale) Zusammenspiel aller an ei-
tige Aufgabe. So kommt ihr einerseits eine ner Bewegung beteiligten Muskeln und manifes-
Schutzfunktion zu, indem sie als kompensatori- tiert sich in einem hohen Qualitätsgrad der Be-
scher Mechanismus zur Stabilisierung des Ge- wegungstechnik (Grosser 1991).
lenkkomplexes beiträgt (Granacher und Gollho- Aus neuromuskulärer Perspektive wirken
fer 2005). Andererseits dient sie bei schnellen noch zwei weitere physiologische Vorgänge in
Bewegungen der Präzisierung bzw. Stabilisierung Abhängigkeit des Trainingszustands mehr oder
und ggf. Abbremsung der Bewegung. Vor diesem weniger ­ schnelligkeitsbegünstigend, nämlich
Hintergrund scheint eine antagonistische Ko- die Voraktivierung bzw. Vorinnervation der
kontraktion im Sinne einer optimalen Bewe- Arbeitsmuskulatur sowie deren Reflextätigkeit
gungssteuerung durchaus zweckmäßig zu sein. bzw. Reflexinnervation (s. auch 7 Abschn. 4.2:
Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass bei Spinale und supraspinale Kraftregulation sowie
schnellen Bewegungen, die in der Feinstform Stiffness des tendomuskulären Systems). So ist
ausgebildet und in hoher koordinativer Qualität jeder Muskel, der in einem erlernten und somit
durchführbar sind, eine Koaktivierung antago- bereits bekannten Bewegungsprogramm invol-
nistischer Muskeln keinen bremsenden und in- viert ist und insofern auch nicht unvorhergese-
sofern auch keinen hemmenden Effekt auf die hen reagieren muss, vorinnerviert. Er antizipiert
Bewegungsgeschwindigkeit hat, sondern der prä-
zisen Bewegungsabstimmung dient (Gold 2004).
Beispiel: Vorinnervation
Im Sinne einer optimalen, schnelligkeitsbe-
günstigenden neuromuskulären Bewegungsko- Im Sprintlauf oder beim Absprung im leichtath-
ordination geschieht die Steuerung der Muskula- letischen Hoch-, Weit- oder Dreisprung wird
tur durch die sogenannte neuronale Aktivierung. bereits unmittelbar vor dem Aufsetzen des
Sie wird durch eine entsprechende Motivation Fußes zu Beginn der Stützphase unter anderem
die Sprunggelenksstreckmuskulatur vorge-
(mit Ausnahme des Dehnungsreflexes) ausgelöst
spannt. Dies wird unmittelbar vor dem
und bewirkt die in 7 Abschn. 4.2 im Kontext der Bodenkontakt vom Gehirn ausgehend
intra- und intermuskulären Koordination zu- gesteuert. Die Vorspannung entspricht dabei in
sammengefassten Mechanismen. Die intramus- etwa der Muskelaktivität bei maximaler
kuläre Koordination bezieht sich dabei auf die willkürlicher isometrischer Anspannung, wobei
die Aktivität beim Aufsetzen des Fußes bzw.
bedarfsgerechte Abstufung der Kontraktionsleis-
während der Stützphase mithilfe der Reflextä-
tung des Muskels. Diese wird vom Zentralner- tigkeit noch auf das Doppelte bis Dreifache der
vensystem durch den Grad der Rekrutierung und Vorinnervation ansteigt (Grosser 1991).
Frequenzierung von motorischen Einheiten ge-
270 T. Wiewelhove

im Prinzip das, was ihn erfahrungsgemäß er- Diese Muskeldehnung löst einen neurophysio-
wartet (Geese und Hillebrecht 1995). logischen Reflexmechanismus aus, der in Ab-
Einerseits wird im Sinne eines Schutzmechanis- hängigkeit von der Intensität der Muskeldeh-
mus durch die Voraktivierung eine plötzliche nung einen bedeutenden Einfluss auf die
Überdehnung der Muskulatur verhindert. An- Kraftentfaltung in der nach der Dehnung ein-
dererseits wird dadurch die Mehrzahl der moto- setzenden konzentrischen Phase hat.
rischen Einheiten schon rekrutiert oder zumin- Spinalmotorische Dehnreflexe, zu denen auch
dest nah an ihre Rekrutierungsschwelle gebracht, der Patellarsehnenreflex zählt, laufen wie folgt ab.
sodass diese auf den depolarisierenden Nerven- Jeder Muskel enthält Dehnungsrezeptoren, die als
impulseinstrom durch die Muskelspindelaffe- Muskelspindeln bezeichnet werden. Diese den pro-
5 renzen ohne Verzögerung antworten können priozeptiven Rezeptoren zugeordneten Muskel-
(Grosser 1991). Infolgedessen wird im Sprintlauf spindeln verlaufen parallel zur quergestreiften Ske-
sowie in den leichtathletischen Sprungdiszipli- lettmuskelfaser und bestehen aus einem nicht
nen trotz der extrem kurzen Stützphasen eine kontraktilen Mittelstück (dem dehnungsempfind-
optimale Kraftentfaltung erreicht. lichen Rezeptor) sowie zwei kontraktilen Endstü-
Neben der Voraktivierung spielt die musku- cken (den sogenannten intrafusalen Muskelfasern).
läre Reflextätigkeit als schnelligkeitsbegünsti- Bei einer Dehnung des Skelettmuskels spannen sich
gender Faktor eine wichtige Rolle. Bei vielen auch die Muskelspindeln, während sie sich bei einer
Bewegungen geht der überwindenden bzw. Kontraktion entspannen (de Marées 2003). Wird
konzentrischen oder positiv beschleunigenden ein Muskel im Verlauf einer exzentrischen Phase
Phase eine nachgebende bzw. exzentrische oder gedehnt, so erhöhen die Dehnungsrezeptoren der
bremsende Phase (auch als Ausholphase oder Muskelspindeln ihre Impulssalven über schnelle,
Amortisationsphase benannt) voraus. In der ex- als Ia-Afferenzen bezeichnete Nervenfasern, die
zentrischen Phase wird die Arbeitsmuskulatur wiederum mit dem Hinterhorn des Rückenmarks
zwar innerviert. Die Kraftbildung ist jedoch ge- verbunden sind. Diese Erregungen werden über im
ringer als die Kräfte, die von außen wirken, so- Rückenmark liegende Synapsen auf motorische
dass die Muskulatur zu einem mehr oder weni- Vorderhornzellen geleitet, die als Motoneuronen
ger schnellen und umfänglichen Nachgeben über schnelle Aα-Nervenfasern die Arbeitsmusku-
gezwungen wird. Sie dehnt sich also mehr oder latur innervieren. Mit ausreichend großen Spindel-
weniger schnell und intensiv (Grosser 1991). erregungen kommt es schließlich zur Kontraktion

..      Abb. 5.5 Patellar-


sehnenreflex a und
Achillessehnenreflex b.
In Beispiel b unterstüt- Rückenmark
zen die Reflexe die
konzentrische sensorischer
Kontraktionskraft Eingang
De

während der Stütz-


hn

phase bei reaktiven


un
g

Sprungbewegungen
Ko

motorischer
ntr

Ausgang Muskelspindel
ak
on

tio
kti

n
ra
nt
Ko

motorische
Endplatte
g
un
hn
De

a b
Schnelligkeitstraining
271 5
des gedehnten Muskels (. Abb. 5.5, Grosser 1991; heit) abhängig (de Marées 2003). Je weiter und
de Marées 2003; Müller et al. 2015). schneller ein Muskel gedehnt wird, desto größer
Die Erregungsfrequenz der Muskelspindeln ist die von den Muskelspindeln erzeugte Innerva-
ist dem Ausmaß der Dehnintensität proportional tionsfrequenz sowie die in der Folge hervorgeru-
und somit sowohl von der Größe der Dehnung fene Kontraktionsspannung des zuvor gedehnten
(Längenzunahme) als auch von der Dehnungs- Muskels. Diese der Dehnung entgegengesetzte
geschwindigkeit (Längenzunahme pro Zeitein- Kontraktionskraft hat dabei einerseits eine
Exkurs: Azyklische und zyklische Zeitprogramme

Am Beispiel des reaktiven Nieder-Hoch-Sprungs


(. Abb. 5.6) und der Tappingfrequenz entwickelten
Bauersfeld und Voss (1992) bereits vor einigen
Dekaden das Konzept der sogenannten azyklischen
und zyklischen Zeitprogramme als Ausdruck der
elementaren Schnelligkeit. Nach ihrer Ansicht ist die
Schnelligkeit eine elementare Leistungsvorausset-
zung, die primär durch die Qualität neuromuskulärer
Innervationsprogramme bestimmt wird. Voss et al.
(2007) gehen davon aus, dass diese den Zeitprogram-
men zugrunde liegende Programmsteuerung im
spinalen Nervensystem gespeichert ist und vom
Bewusstsein unabhängig abläuft. Sie begründen dies
unter anderem mit der spezifischen Muskelaktivität,
die über ein Elektromyogramm bei Drop Jumps ..      Abb. 5.6 Reaktiver Nieder-Hoch-Sprung am
aufgezeichnet wurde. Untersuchungen konnten Beispiel des Drop Jump
jedoch zeigen, dass solch reaktive Sprungformen
nicht ausschließlich auf spinaler, sondern auch auf
supraspinaler Ebene gesteuert werden (Prieske et al. natürlich nicht ausschließlich nur muskulär mit einem
2017). Auch Hohmann et al. (2014) benennen über hohen Anteil schneller Muskelfasern begründbar.
die Zeitprogrammtheorie hinausgehende neurologi- Entscheidend ist wohl eher das Innervationsverhalten
sche, aber auch kognitive und peripher motorische bei reaktiver Arbeit (Steinhöfer 2008), wie die
Einflussgrößen auf zyklische und azyklische Schilderungen zu den Zeitprogrammen von
Schnelligkeitsleistungen. Demnach ließe sich die Hohmann et al. (2014) verdeutlichen. Dies scheint
elementare Bewegungsschnelligkeit auch auf sowohl für azyklische als auch für zyklische
Einflüsse kortikaler und subkortikaler Strukturen Bewegungen zu gelten.
sowie reflektorisch ausgelöster Muskelkräfte und Die Bedeutung der elementaren Zeitpro-
elastischer Speicherkräfte in den Sehnen, Bändern gramme im Kontext trainingswissenschaftlicher
und Muskeln zurückführen (Hohmann et al. 2014; Schnelligkeitsbegriffe und Systematisierungsver-
Prieske et al. 2017). suche ist unumstritten. Gleichwohl wurde in den
Zur Realisierung kurzer Zeitprogramme letzten Jahren vermehrt Kritik an ihrem Ausschließ-
benötigen laut Bauersfeld und Voss (1992) unter lichkeitsanspruch hinsichtlich abgeleiteter
anderem Reizleitungsgeschwindigkeit, Muskelfaser- Trainingsmethoden geübt (Steinhöfer 2008). Diese
struktur, intermuskuläre Koordination, Vorinnervation Kritik ist angesichts der Komplexität von Bewe-
und Reflextätigkeit einen bestimmten Ausprägungs- gungsschnelligkeitsleistungen in der sportlichen
grad. Folgerichtig merken Hohmann et al. (2014) Praxis berechtigt. So ist die elementare Schnellig-
hierzu an, dass elementare Schnelligkeitsfähigkeiten keit in ihrer Reinform nur schwer zu isolieren, da
im Sinne des Zeitprogrammmodells mit den gleichen beispielsweise, bezogen auf die Schnelligkeitsan-
biologischen Mechanismen begründet werden, die forderungen in einer Vielzahl von Sportarten, enge
ganz allgemein allen Kraft- und Schnelligkeitsleistun- Verwandtschaften zu Kraftfähigkeiten bestehen.
gen zugrunde liegen. So kann zum Beispiel eine gute Ein Konzept, nach dem Schnelligkeit unabhängig
Leistung im Nieder-Hoch-Sprung bereits ausschließ- von Kraft und Querschnitt des Muskels auf
lich auf neuromuskulärer Ebene mit einem hohen gespeicherten Bewegungs- bzw. Zeitprogrammen
Anteil schnell kontrahierender Muskelfasern erklärt basiert, scheint den komplexen sportartspezifi-
werden. Schnelles Bewegungsverhalten ist aber schen Anforderungen nicht gerecht zu werden.
272 T. Wiewelhove

Schutzfunktion vor Überdehnungen und min- (Wiewelhove et al. 2019), die Aktivierung spezi-
dert somit das Risiko von Verletzungen. Ande- fischer bzw. stabilisierender Muskelgruppen mit-
rerseits bringt der spinalmotorische Dehnreflex tels entsprechender Hilfsmittel (z. B. Thera-Band)
den gedehnten Muskel bereits vor der konzent- (vgl. 7 Abschn. 3.3) oder das dynamische Deh-
rischen Phase in einen für die zu leistende Arbeit nen (Larson 2014).
nützlichen Erregungs- bzw. Spannungszustand.
So findet die Arbeitsmuskulatur im unmittelba-
 eispiel: Muskeltemperatur und Sprintleis-
B
ren Anschluss an eine Vordehnung im Sinne der tung im Fußball
intramuskulären Koordination günstigere Erre-
gungsbedingungen vor als bei Bewegungen, die Mohr et al. (2004) konnten nachweisen, dass die
5 keine exzentrische Vordehnphase aufweisen. Da- Muskeltemperatur von Fußballspielern, die sich
bei gilt: Je höher die Reflexaktivität ist, desto ef- während der Halbzeitpause eines Fußballspiels
passiv erholten, absank. Die Abnahme der
fektiver ist die intramuskuläre Koordination und
Muskeltemperatur ging mit einer reduzierten
desto kraftvoller ist die assoziierte konzentrische Sprintleistung zu Beginn der zweiten Halbzeit
Muskelaktivität (Grosser 1991). einher. Bei den Spielern, die während der
Zusätzlich wird bei einer reflektorischen Halbzeitpause ein kurzes und moderates
Kontraktion des Agonisten die Kontraktion Re-Warm-up absolvierten, waren zu Beginn der
zweiten Halbzeit sowohl Muskeltemperatur als
seines Gegenspielers über Ia-inhibitorische
auch Sprintleistung auf einem Niveau, das mit
Interneurone gehemmt. Ia-inhibitorische In- dem bei Spielbeginn vergleichbar war.
terneurone sind Kollaterale der Ia-Afferenzen.
Sie innervieren α-Motoneurone von antago-
nistisch wirkenden Muskeln und verhindern
über diese dessen Kontraktion. Ia-­Afferenzen 5.2.3  influssgrößen im Kontext
E
regeln also nicht nur die Spannung des Ur- der Erscheinungsformen der
sprungsmuskels, sondern hemmen auch seine Schnelligkeit
Antagonisten. Man spricht dabei von rezipro-
ker Antagonistenhemmung (de Marées 2003). Bei den schnelligkeitsbeeinflussenden Faktoren
Das bedeutet, dass durch eine Muskeldehnung findet man eine größere Einigkeit im Vergleich
reflektorische Mechanismen ausgelöst werden, zur Vielfalt der Schnelligkeitsbegriffe und Syste-
die einem potentiell schnelligkeitsmindernden matisierungsversuche (Scheid und Prohl 2003).
Einfluss antagonistischer Kokontraktionen Allerdings sollte die Benennung der Einfluss-
entgegenwirken können. faktoren auch unter Berücksichtigung der Er-
Schließlich setzt eine hohe Reaktions- und scheinungsformen der Schnelligkeit erfolgen.
Bewegungsschnelligkeit eine optimale Muskel- So liefern Geese und Hillebrecht (1995); Grosser
temperatur voraus. Da durch ein Aufwärmen (1991) sowie Weineck (2009) ein zwar umfang-
(Thermogenese) unter anderem der intramus- reiches Bedingungsgefüge aus schnelligkeits-
kuläre Reibungswiderstand (Viskosität) herabge- beeinflussenden Faktoren (. Abb. 5.3). Dieses
setzt wird und die Geschwindigkeit der Reizlei- ist jedoch lediglich nach unterschiedlichen
tung zunimmt, werden Reaktionsfähigkeit sowie Faktorenstufen strukturiert und nimmt nicht
neuromuskuläre Steuerungsprozesse verbessert Bezug auf die unterschiedlichen Erscheinungs-
(Weineck 2009). Zum Erreichen individuell best- formen der Schnelligkeit. Martin et al. (1993)
möglicher Schnelligkeitsleistungen – aber auch sowie Scheid und Prohl (2003) unternehmen
zur Reduzierung des Verletzungsrisikos – ist hingegen den Versuch, die Einflussgrößen den
demnach eine adäquate Trainings- und Wett- unterschiedlichen Schnelligkeitsformen zuzu-
kampfvorbereitung erforderlich. Zusätzlich zur weisen. Dieser Versuch soll in . Abb. 5.7 auf-
Thermogenese kann das Warm-up weitere schnel- gegriffen werden, indem der informatorischen
ligkeitsbegünstigende Komponenten beinhalten. und der motorischen Schnelligkeit ihre jeweils
Hierzu zählen unter anderen das Foam-Rolling wichtigsten Einflussgrößen zugeordnet werden.
Schnelligkeitstraining
273 5
..      Abb. 5.7 Einfluss-
informatorische motorische
größen auf die Schnelligkeit Schnelligkeit
informatorische und
die motorische Alter Veranlagung und Alter
Schnelligkeit

Konzentration Motivation, Willenskraft


und mentale Stärke

E
Wissen, Erfahrung und Erwartung intramuskuläre Koordination
I
N
F
L intermuskuläre Koordination
Erregungsfähigkeit der U
Exterorezeptoren S
(Auge, Ohr, Haut, Nase, Mund) S
G Anteil großer motorischer Einheiten
R
Ö
ß
E Koaktivierung
afferente und efferente N
Reizleitungs- und
-verarbeitungsgeschwindigkeit
Vor- und Reflexinnervation

Energiebereitstellung
und Muskeltemperatur

5.3 Anpassungseffekte durch thoden und -mittel sowie Belastungsnormative


Schnelligkeitstraining zielgerichtet ausgewählt werden (Steinhöfer
2008; Weineck 2009). Selbst zyklische und azy-
Aufgrund der vielen, vorrangig genetisch ge- klische Zeitprogramme im Sinne neuromusku-
prägten Einflussgrößen auf den konditionell-­ lärer Innervationsprogramme können durch
koordinativ bestimmten Leistungsfaktor geeignete T­ rainingsmaßnahmen durchbrochen
Schnelligkeit (u. a. sind der Anteil großer moto- und optimiert werden (Bauersfeld und Voss
rischer Einheiten bzw. schneller Muskelfasern 1992; Steinhöfer 2008).
und die davon abhängige Koordinations-, Reiz- !!Achtung!
leitungs- und Muskelkontraktionsgeschwindig- Jeder wird durch Schnelligkeitstraining
keit weitestgehend genetisch festgelegt) sowie schneller – aber nicht jeder wird durch
der damit einhergehenden relativ festen Inner- Schnelligkeitstraining schnell.
vationsmuster (Zeitprogramme) könnte man
davon ausgehen, dass die Reaktions- und Bewe- In nahezu jeder Sportart muss schnell reagiert
gungsschnelligkeit vergleichsweise wenig trai- und/oder müssen Arme und/oder Beine
nierbar ist. In Anbetracht der Komplexität von schnell bewegt werden. Darum ist ein Schnel-
Schnelligkeitsleistungen in der Sportpraxis kann ligkeitstraining fester Bestandteil im Trainings-
diese resignative Einschätzung aus trainings- programm von Athleten aus verschiedensten
wissenschaftlicher Perspektive jedoch nicht Disziplinen. Dies gilt, abgesehen von den typi-
geteilt werden. Komplexe Schnelligkeitsleistun- schen schnelligkeitsdeterminierten Sprint-,
gen sind vielmehr durch Schnelligkeitstraining Sprung- und Wurfdisziplinen, vor allem auch
gut zu verbessern, wenn Trainingsinhalte, -me- für solche Sportarten, in denen die konditio-
274 T. Wiewelhove

nellen Fähigkeiten in den letzten Jahren ins matorischen Reaktionsschnelligkeit finden da-
Zentrum der leistungslimitierenden Faktoren her vorrangig auf der Ebene der sensorisch-ko-
gerückt sind (z. B. Fußball, Handball, usw.). gnitiven Einflussgrößen statt.
Dabei intendiert ein Schnelligkeitstraining un-
ter anderem eine Integration der im Rahmen Praxistipp: Sportartspezifisches Reaktions-
eines konventionellen Krafttrainings erworbe- und Antizipationstraining
nen Kraftfähigkeiten in sportartspezifische Be-
Untersuchungen zeigen, dass selbst
wegungsmuster (Beaudette und Brown 2015).
hochtrainierte Spitzensportler ihre
Beispielsweise nutzt dem Hochspringer ein ho-
sportartspezifische Reaktions- und
hes Maximalkraftniveau nur dann, wenn davon
Antizipationsschnelligkeit durch gezieltes
5 seine sprungspezifische Bewegungskoordina-
Training weiter verbessern können.
tion profitiert. Insofern kann das Training der
Voraussetzung ist die Verwendung
Schnelligkeit auch als eine Verzahnung von
komplexer, sportart- bzw. anforderungs-
(Schnell-)Kraft- und Koordinationstraining
spezifischer Trainingsformen, bei denen die
betrachtet werden (Olivier et al. 2008). Die
sensorisch-kognitiven Fähigkeiten
durch ein Schnelligkeitstraining bewirkten An-
wettkampfnah geschult werden. Hierzu
passungen unterscheiden sich deshalb auch
zählen beispielsweise sogenannte Small-Si-
nicht grundsätzlich von denen des Kraft- und
ded-Games (SSGs) im Fußball oder
Koordinations- bzw. Techniktrainings.
Basketball (z. B. drei gegen drei auf einem
Basketballhalbfeld), bei denen komplexe,
5.3.1  npassungen im Kontext
A disziplinspezifische Stimuli unter hohem
der informatorischen Zeitdruck verarbeitet werden müssen. Es
wird angenommen, dass das Training der
Schnelligkeit
Reaktions- und Antizipationsleistung mit
Übungsformen, die sportartspezifische
Nerven- bzw. Reizleitungsgeschwindigkeiten,
Stimuli beinhalten, einen besseren
Übertragungszeiten an den Synapsen und Re-
Übertrag in die Wettkampfsituation
flexzeiten sind vorrangig durch erbdominante
gewährleisten und folglich die Wettkampf-
Prozesse geprägt und daher nur bedingt trai-
leistung messbar verbessern (Serpell et al.
nierbar. Verbesserungen der Reaktionszeiten
2011; Young und Farrow 2013).
sind deshalb auch nur durch eine verbesserte
sensorisch-kognitive Leistungsfähigkeit zu er-
zielen (Olivier et al. 2008). Die Reaktion guter
Sportler wird durch Aufmerksamkeits- und 5.3.2  npassungen im Kontext
A
Informationsverarbeitungsprozesse bestimmt, der motorischen
die sich zusammen mit der Wettkampferfah- Schnelligkeit
rung in der Antizipationsschnelligkeit manifes-
tieren (Steinhöfer 2008). Das möglichst früh- Elementare Schnelligkeitsleistungen im Kon-
zeitige Erkennen und Bewerten einer Situation text der motorischen Bewegungsschnelligkeit
ermöglicht die vorbereitende Programmierung werden – wie die Leistung bei Einfachreak-
der Bewegung und verbessert hierdurch die tionen – ebenfalls als primär anlage- und ent-
Reaktionsleistung (vgl. 7 Abschn. 5.1). Schnel- wicklungsbedingt beschrieben, da sie von der
lere, sportartspezifische Reaktionen von Pro- Qualität des Zusammenspiels der Steuer- und
fisportlern kommen nicht dadurch zustande, Regelmechanismen des Zentralnervensys-
dass sie schneller reagieren, sondern dass ih- tems und des Nerv-Muskel-Systems abhängen
nen aufgrund einer erfolgreichen Antizipation (Hohmann et al. 2014; Prieske et al. 2017).
für die Reaktion mehr Zeit zur Verfügung steht Aufgrund ihrer Nähe zu den koordinativen Fä-
(Olivier et al. 2008). Anpassungen der infor- higkeiten entwickeln sich elementare Schnel-
Schnelligkeitstraining
275 5
ligkeitsfähigkeiten daher insbesondere im Ver- eine optimale wechselseitige Aktivierung und
lauf des Kindes- und Jungendalters positiv. Sie Hemmung der beteiligten Muskeln möglich
können also optimal ausgeprägt werden, wenn (7 Abschn. 5.2). Für die Realisierung maxima-
sie vor allem frühzeitig sowie gezielt mithilfe ler Abfluggeschwindigkeiten von Wurf- oder
eines elementaren Schnelligkeitstrainings trai- Schlaggeräten (z. B. Speer, Kugel, Ball) müssen
niert werden (Hohmann et al. 2014). Viele die beteiligten Muskeln in Abhängigkeit von
Autoren plädieren deshalb für die forcierte ihrem Einsatz im zeitlichen Verlauf, der für
Durchführung eines elementaren Schnellig- die jeweilige Kraftentfaltung optimalen Win-
keitstrainings bereits im präpuberalen Al- kelstellung und der Größe des zu beschleu-
ter. Nur so könne die langfristig angestrebte nigenden Widerstandes koordiniert werden
Schnelligkeitsleistung optimiert und dem Ri- (Olivier et al. 2008). Weiterführende, durch
siko einer unvollständigen Ausprägung der Koordinations- und Techniktraining bewirkte
elementaren Schnelligkeit vorgebeugt werden. Anpassungseffekte können 7 Abschn. 8.3 ent-
Im Allgemeinen werden präpuberale und pu- nommen werden.
berale Phasen bis zum Abschluss der biologi- Müssen mittlere bis hohe Widerstände
schen Reifung als optimale Zeitfenster für ein beschleunigt werden (z. B. der eigene Körper
gezieltes Training von Schnelligkeitsleistungen beim Sprintstart oder beim schnellen Rich-
angesehen (Prieske et al. 2017). Bauersfeld und tungswechsel im Sportspiel sowie die Kugel im
Voss (1992) fordern sogar, dass das Kinder- Kugelstoßen), nimmt der Einfluss der Schnell-
und Jugendtraining in allen Bereichen schnel- bzw. Maximalkraft auf die Schnelligkeitsleis-
ligkeitsorientiert gestaltet wird. Ob sich die tung zu. Eine Verbesserung der Schnellkraft
elementare Schnelligkeit auch nach der Pubes- wird durch ein Training mit hohen Belas-
zenz steigern lässt und inwieweit eine mangel- tungsintensitäten (d. h. intramuskuläres Ko-
haft ausgebildete elementare Schnelligkeit die ordinationstraining bzw. als IK-Training be-
komplexen Schnelligkeitsfähigkeiten beein- zeichnet), aber auch durch ein Training mit
trächtigt und damit auch indirekt und langfris- mittleren Lasten (d. h. Schnellkrafttraining)
tig die Leistung in schnelligkeitsorientierten sowie durch ein Reaktivkrafttraining erreicht
Disziplinen limitiert, konnte bislang nicht ein- (vgl. 7 Abschn. 4.4, Olivier et al. 2008). Die
deutig geklärt werden (Hohmann et al. 2014). in diesem Zusammenhang bewirkten neuro-
Zyklische und azyklische Schnelligkeits- nalen und morphologisch-tendomuskulären
leistungen verbessern sich hauptsächlich durch Anpassungseffekte können 7 Abschn. 4.3 ent-
eine Anpassung der inter- und intramuskulä- nommen werden. Bei schnelligkeitsbezoge-
ren Koordination. Beispielsweise konnten Stei- nem Krafttraining sollte aber immer auch der
gerungen der zyklischen Frequenzschnelligkeit koordinative Transfer zwischen der Trainings-
durch sportartspezifische Trainingsformen er- übung und der Zielbewegung berücksichtigt
reicht werden (Thienes 1998). Ähnliches wird werden.
für die azyklische Sequenzschnelligkeit an-
genommen (Gold 2004). Dies wäre vergleich- Beispiel: Anpassungen der Laufschnelligkeit
bar mit Befunden für das Krafttraining, die
Verbesserungen der Laufschnelligkeit können
Anpassungen der Kraftleistung besonders zu
durch unterschiedliche Interventionsmaßnah-
Beginn des Trainings mit einer verbesserten men im Training nur in geringem Maße erreicht
intermuskulären Koordination erklären (vgl. werden. Untersuchungen belegen jedoch, dass
7 Abschn. 4.3). Zur Erreichung höchster Lauf- sich sowohl durch einen schnelligkeitsorientier-
und Abfluggeschwindigkeiten bei Sprint-, ten als auch durch einen kraftorientierten
Trainingszyklus bereits nach kurzer Zeit
Sprung- und Wurfbewegungen ist die optimale
erkennbare Verbesserungen erzielen lassen
Koordination verschiedener Muskelgruppen (Seitz et al. 2014; Ferrauti et al. 2016). Diese sind
erforderlich. Beispielsweise ist eine Erhöhung zwar gering und betragen nur in etwa 3–5 %.
der Schrittfrequenz im Sprintlauf nur über
276 T. Wiewelhove

Andererseits entspricht dies einem Raumge- um das vorhandene Schnelligkeitspotential leis-


winn von mehr als drei Metern während eines tungswirksam auszuschöpfen (Bauersfeld und
100-m-Sprints, was bereits ausreicht, um von
den hinteren Rängen auf die Medaillenplätze
Voss 1992). Allerdings werden sich auch kaum
vorzurücken. Selbst in den Sportspielen, bei langfristige Fortschritte hinsichtlich komplexer
denen über kurze Distanzen gesprintet wird, Schnelligkeitsleistungen einstellen, wenn nicht
kann bereits der Zugewinn von wenigen parallel Kraftfähigkeiten oder koordinative Vo-
Zentimetern eine bessere Schlag-, Schuss-, raussetzungen geschult werden. Plisk (2008)
Wurf- oder Zweikampfposition ermöglichen.
empfiehlt in diesem Zusammenhang ein hierar-
chisch strukturiertes Vorgehen zur Ausbildung
der Schnelligkeit, bei dem zu Beginn die techni-
Praxistipp sche Vervollkommnung der Zielbewegung(en)
5 im Vordergrund steht und anschließend die
Sehr allgemein gefasst sind Anpassungs-
Schnelligkeit durch ein konkretes Schnellig-
spielräume bei komplexen Erscheinungs-
keitstraining sowie schließlich durch Kraft-, Be-
formen der Bewegungsschnelligkeit
weglichkeits- und Ausdauertraining ausgeprägt
größer als bei isolierten bzw. elementaren
wird (Prieske et al. 2017).
Schnelligkeitsleistungen; bei Bewegun-
Für die Auswahl geeigneter Schnelligkeits-
gen, bei denen höhere Widerstände
übungen ist ferner ein umfassendes Verständnis
überwunden werden müssen, größer als
des jeweiligen disziplin- bzw. wettkampfspezifi-
bei einfach strukturierten Bewegungsab-
schen Anforderungsprofils und der daraus ab-
läufen gegen kleine Widerstände sowie
geleiteten Schnelligkeitsanforderungen grund-
bei motorischen und antizipatorischen
legend (vgl. 7 Abschn. 3.2: Belastungs- und
Schnelligkeitsformen größer als bei
Beanspruchungsanalysen). Darüber hinaus
Reaktionsleistungen.
müssen die Einflusshöhen verschiedener leis-
tungsbestimmender und voneinander unab-
hängiger Komponenten auf komplexe sport-
5.4 Trainingsmethoden und motorische Schnelligkeitsanforderungen im
Belastungsdosierung Sinne einer Leistungsstrukturanalyse identi-
fiziert werden. (vgl. 7 Abschn. 3.2: Leistungs-
Für die Trainingspraxis sei an dieser Stelle er- strukturanalysen). Basierend hierauf können
wähnt, dass die komplexen sportartspezifischen entsprechende Trainingsziele und Trainingsin-
Schnelligkeitsanforderungen immer ein viel- halte definiert und priorisiert werden.
seitiges Schnelligkeitstraining verlangen. So ist Obwohl neuronalen Prozessen bei Schnel-
aufgrund der engen Verwandtschaften zwischen ligkeitsleistungen eine hohe Bedeutung zu-
komplexen Schnelligkeitsleistungen und den kommt, orientiert sich das Schnelligkeitstrai-
anderen motorischen Hauptbeanspruchungs- ning an die spezielle Form des Trainings
formen ein sportartspezifisches Schnelligkeits- konditioneller – d. h. energetisch determinier-
training nur im fein abgestimmten Zusammen- ter – Leistungsvoraussetzungen. Es bedient
wirken der unterschiedlichen Trainingsarten sich also der klassischen, in 7 Kap. 2 beschrie-
(d. h. Kraft-, Beweglichkeits-, Ausdauer-, Ko- benen Trainingsmethoden. Beispielsweise
ordinations- und Techniktraining) erfolgver- wird im leichtathletischen Sprinttraining nach
sprechend. Zum Beispiel ist das Training der den Regeln der Wiederholungsmethode pro
Schnelligkeit wenig wirksam oder sinnvoll, zehn maximal schnell gesprintete Meter eine
wenn nicht im Techniktraining die erforderli- Pausenlänge von ein bis zwei Minuten veran-
chen Bewegungsmuster entwickelt wurden und schlagt. Diese Faustregel hat ihren Ursprung in
die Hauptelemente der Bewegung beherrscht Erfahrungswerten, basiert aber auch auf der
werden. Die richtige Bewegungsausführung zum Auffüllen der Energiedepots und zur Nor-
bzw. -technik ist die notwendige Bedingung, malisierung der Herzfrequenz benötigten Zeit.
Schnelligkeitstraining
277 5
Ähnliches gilt für die als optimale Sprintdauer quenz haben, dass Leistungssteigerungen
angegebene Zeit. Sie orientiert sich an der alak- durch ein Schnelligkeitstraining ausbleiben
taziden Energiebereitstellung und damit an der (Haugen et al. 2014; Prieske et al. 2017).
Zeitspanne, in der Kreatinphosphat als Ener-
gielieferant zur Verfügung steht (6–10 s; Bau-
ersfeld und Voss 1992).
Im Sinne der Wiederholungsmethode wird 5.4.1 Ausgewählte
in den Wiederholungs- bzw. Serienpausen (bei trainingsmethodische
azyklischen Übungen wird das Training meist Leitlinien zum
in Kurzserien organisiert) eine (nahezu) voll- Schnelligkeitstraining
ständige Erholung gewährleistet und daher in-
nerhalb einer Trainingseinheit auch kein Wie- Zur Verbesserung der Schnelligkeit sowie aus
derholungsmaximum, sondern ein -optimum verletzungspräventiven Gründen ergeben sich
angestrebt. Dies gilt als notwendige Vorausset- nach Bauersfeld und Voß (1992); Beaudette
zung, da Schnelligkeitsanforderungen die in- und Brown (2015); Hohmann et al. (2014);
tendierten spezifischen Anpassungen nur dann Prieske et al. (2017); Schnabel et al. (2014) so-
auslösen, wenn Bewegungen mit möglichst ho- wie Steinhöfer (2008) für jegliches Schnellig-
her Bewegungsgeschwindigkeit bzw. -intensität keitstraining einige allgemein gültige trai-
realisiert werden. Bei unzureichender Erho- ningsmethodische Leitlinien und Grundsätze:
lung treffen die nervalen Impulsmuster auf 55 Als wesentlicher Grundsatz gilt, dass zur
Muskeln, die u. a. Mängel in der Energiebereit- Sicherung der neurophysiologischen
stellung aufweisen und damit die Impulse nicht Anpassungen maximale und supramaximale
wie erforderlich verarbeiten können (vgl. Intensitäten im Schnelligkeitstraining
. Abb. 2.9). Ein Erreichen der notwendigen dominieren. Das heißt, sowohl Reaktionen
(supra-)maximalen Intensitäten wäre dann als auch Aktionen sind mit (supra-)maxima-
nicht möglich. So können submaximale Inten- ler Geschwindigkeit auszuführen. Ein Quali-
sitäten von ca. 90 % der maximal erreichbaren tätsverlust sollte immer zum Abbruch der
Bewegungsgeschwindigkeit bereits zur Konse- Trainingseinheit bzw. Übung führen.
55 Schnelligkeitstraining ist daher grundsätzlich
im Zustand optimaler Leistungsbereitschaft
Praxistipp: Pausengestaltung im Schnellig- und Leistungsfähigkeit durchzuführen.
keitstraining 55 Die Bewegungstechnik muss erlernt und
beherrscht sein, bevor sie schnelligkeitsbe-
Während für Leichtathleten das lange Warten im tont trainiert wird. Nur technisch „richtige“
Training zwischen einzelnen schnelligkeitsbet-
onten Belastungen völlig normal ist, möchten
Programme sollten mit höchster Ge-
Sportspieler „langweilige“ Pausen meist lieber schwindigkeit durchgeführt werden. Das
umgehen und möglichst viel der Trainingszeit heißt, die Übungen sollten entweder nicht
aktiv nutzen. Notwendige Erholungspausen zu kompliziert sein, oder bei komplizierten
während des Schnelligkeitstrainings werden Übungen sind ausschließlich solche
daher insbesondere aus Gründen der Trainingsat-
traktivität oft nicht beherzigt. Mit aktiven Pausen,
anzuwenden, die exakt beherrscht werden.
die abwechslungsreiche, koordinative, niedrigin- Dadurch kann die Konzentration voll auf
tensive Zusatzaufgaben beinhalten, kann das die Ausführungsgeschwindigkeit der
Problem der scheinbaren Zeitverschwendung Bewegung und weniger auf die Bewegungs-
umgangen werden. Gleichzeitig ermöglicht es technik gelenkt werden.
den Sportspielern, sich ausreichend zu erholen
und eine maximale Motivation und Bewe-
55 Das Schnelligkeitstraining liegt nach
gungsgeschwindigkeit im Trainingsverlauf gründlicher Belastungsvorbereitung
aufrechtzuerhalten. (Warm-up; vgl. 7 Abschn. 3.3) im ersten
Teil der Trainingseinheit oder ist in
278 T. Wiewelhove

gesonderten Trainingseinheiten durchzu- nicht frühzeitig durch die längere Anwen-


führen. Es sollten keine ermüdenden dung ein und derselben Inhalte, Methoden
Tätigkeiten vorausgegangen sein. Intensi- und Belastungen bzw. durch das häufige
ves statisches Dehnen sollte im Rahmen Wiederholen gleicher Anforderungen
der Trainingsvorbereitung entweder Schnelligkeitsstereotype („Geschwindig-
vermieden oder in ausreichendem keitsbarrieren“) herausbilden.
zeitlichem Abstand zum Hauptteil des 55 Die hohen neuromuskulären, senso-
Trainings durchgeführt werden, da es den risch-kognitiven und/oder psychischen
Grundtonus der Muskulatur senkt und in Anforderungen erlauben nur eine geringe
einer akuten Reduktion der Schnelligkeits- Anzahl maximaler Versuche innerhalb
5 und Schnellkraftleistung resultieren kann einer Trainingseinheit und erfordern im
(vgl. 7 Kap. 6). Anschluss angemessene Regenerationszei-
55 Schnelligkeitstraining erfordert eine hohe ten. Gerade ein Schnelligkeitstraining
Motivation, Konzentration und Willens- kann durch unzureichende Erholungszei-
stärke des Athleten. Die bewusste Mit- ten zu mittel- und langfristigen Ermü-
arbeit des Sportlers, die Identifikation mit dungs- und Übertrainingserscheinungen
der Trainingsaufgabe und eine hohe führen, die den Erfolg der Trainingsmaß-
Konzentrationsfähigkeit sind Vorausset- nahmen verhindern.
zungen für den Trainingserfolg. 55 Reaktions- und Antizipationsschnellig-
55 Schnelligkeitsübungen dürfen während keit, azyklische und zyklische Schnellig-
der Ausführungsdauer nicht zu Ermü- keit sowie Handlungsschnelligkeit und
dungserscheinungen (d. h. zu einem Agility sind spezifische und relativ
offensichtlichen Geschwindigkeitsverlust) eigenständige Erscheinungsformen der
führen. Folglich ist der Umfang des Schnelligkeit. Zu ihrer Entwicklung
Schnelligkeitstrainings vergleichsweise bedürfen sie daher einer differenzierten
gering. Bei einsetzender Ermüdung sollte Trainingsmethodik. Dabei sind die
die Übung unterbrochen oder beendet Verbindungen zum Krafttraining sowie
werden. Pausen zwischen den Übungen zum Koordinations- und Techniktraining
müssen so lang sein, dass der Athlet vor zu berücksichtigen.
der nächsten Belastung (nahezu) vollstän- 55 Für die Ausbildung der elementaren
dig erholt ist und bei einer folgenden Schnelligkeit ist vor allem der Zeitab-
Wiederholung wieder die Geschwindigkeit schnitt bis zum Abschluss der biologischen
bzw. Zeit (oder die Anzahl der Versuche Reifung günstig, weil das Zentralnerven-
pro Zeiteinheit) der vorangegangenen system in den frühen Lebensjahren gut auf
Übung erreicht. Schnelligkeitsreize anspricht und die
55 Schnelligkeitstraining verlangt einen Ansteuerung schneller Muskelfasern
oftmaligen Wechsel zwischen maximalen problemloser möglich ist. Dem Schnellig-
und supramaximalen Intensitäten auch keitstraining sollte daher besondere
innerhalb einer Trainingseinheit sowie Aufmerksamkeit im Nachwuchstraining
einen häufigen Übungswechsel, damit sich geschenkt werden.
Schnelligkeitstraining
279 5
Exkurs: Schnelligkeitsstereotyp („Geschwindigkeitsbarriere“)

Basierend auf den Überlegungen von Ozolin keit zu überbieten, sondern diese auch auf dem
(1978) wird angenommen, dass sich durch die neuen Niveau zu halten. Hierbei stehen Metho-
längere Anwendung ein und derselben Inhalte, den mit erleichterten (z. B. Bergabläufe,
Methoden und Belastungen über die Gewöh- Schleppläufe, körpergewichtsentlastendes
nung ein Schnelligkeitsstereotyp herausbildet, Sprungtraining usw.) und variierenden Bedingun-
der die Weiterentwicklung der Schnelligkeit gen (d. h. systematischer und alternierender
erschwert oder sogar verhindert (Tabchnik Wechsel zwischen erleichterten, erschwerten
1992; Cissik 2005). Das ständige Wiederholen [z. B. Zugwiderstandsläufe] und normalen
einer Bewegung im gleichen – wenn auch Bedingungen) sowie ein Kontrast- bzw. Komplex-
maximalen oder supramaximalen – Tempo training (vgl. 7 Abschn. 4.2: Postactivation
sowie der akzentuierte Einsatz einseitiger Potentiation (PAP) und Komplextraining) im
Schnelligkeitsübungen könne die räumlichen Mittelpunkt (Tabchnik 1992; Voss et al. 2007;
und zeitlichen Merkmale der Bewegung so Weineck 2009).
verfestigen, dass trotz weiterer Erhöhungen der Es ist allerdings nicht geklärt, ob das Konzept
Trainingsanforderungen anstelle von Trainings- der „Geschwindigkeitsbarriere“ aus biologischer
fortschritten eine Stagnation in der Schnellig- Perspektive Gültigkeit besitzt und, wenn ja, ob es
keitsentwicklung und damit eine sogenannte auch für nichtleichtathletische Schnelligkeitsdis-
„Geschwindigkeitsbarriere“ eintrete (Coh et al. ziplinen relevant ist. So absolvieren Sprinter in
2011). Eine derartige „Geschwindigkeitsbar- jeder Woche ihres Trainings zahllose Sprints. Dies
riere“ kann demnach nur verhindert werden, gilt jedoch nicht für beispielsweise Fußballer,
indem stets neue und variierende Trainingsreize Handballer oder Basketballer. In Sportarten mit
eine zu starke und vor allem zu frühe Verfesti- komplexerem Beanspruchungsprofil im Vergleich
gung des dynamischen Schnelligkeitsstereotyps zu den leichtathletischen Schnelligkeitsdiszipli-
unterbinden (Weineck 2009; Schnabel et al. nen werden schnelligkeitsbetonte Bewegungen
2014). im Training in viel geringerer Dichte bzw.
Kommt es trotz allem zum Eintreten einer Häufigkeit und in größerer Variationsbreite
„Geschwindigkeitsbarriere“, werden zu ihrer absolviert. Das Konzept der „Geschwindigkeits-
Überwindung solche Methoden und Inhalte barriere“ ist daher für nichtleichtathletische
vorgeschlagen, die es dem Athleten ermöglichen Sportarten womöglich völlig unbedeutend (Cissik
sollen, nicht nur die eigene Maximalgeschwindig- 2005).

5.4.2 Trainingsbereiche und lehnt sind (z. B. Schnell- oder Reaktivkrafttrai-


Methoden des ning), sei auf die 7 Kap. 4, 6, 7 und 8 verwiesen.
Schnelligkeitstrainings Kongruent zu den Erscheinungsformen
der Schnelligkeit existieren in der trainings-
Schnelligkeitsleistungen können durch einen wissenschaftlichen Literatur ebenso zahlreiche
Methodenmix aus den Bereichen des Schnellig- Benennungen sowie Systematisierungsversu-
keits- und beispielsweise Kraft- oder Technik- che von Schnelligkeitstrainingsmethoden. In
trainings verbessert werden. Im Folgenden Anlehnung an das in . Abb. 5.1 dargestellte
wird ausschließlich ein Überblick über spezielle Modell der Erscheinungsformen der Schnellig-
Schnelligkeitsmethoden gegeben. Bezüglich keit ergibt sich die in . Abb. 5.8 vorgeschla-
schnelligkeitsbeeinflussender Trainingsmetho- gene Strukturierung von Trainingsbereichen
den, die anderen Beanspruchungsformen ent- und Methoden des Schnelligkeitstrainings.
280 T. Wiewelhove

Reaktraions-
Training der training
informatorischen
Schnelligkeit
Antizipations-
training

zyklisches
Frequenzschnelligkeits supramaximale
elementares -training Schnelligkeitsmethode
Schnelligkeits-

5 training azyklische
Sequenzschnelligkeits- Widerstandsmethode
training
Training
der motorischen
Schnelligkeit
zyklisches Antritts- und
Sprintschnelligkeit- Kontrastmethode
komplexes training
Schnelligkeits-
training azyklisches
Aktionsschnelligkeits- Koordinationsmethode
training

..      Abb. 5.8 Trainingsbereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings

5.4.3 Reaktionstraining solviert, sodass die Ermüdung gering bleibt.


Bei eindeutig erkennbarer Verlangsamung der
Im Reaktionstraining soll die reine Reaktionsfä- Reaktionszeiten erfolgt der Abbruch des Re-
higkeit als Grundlage für spezifische Reaktionen aktionstrainings. Damit die reine Reaktions-
im Wettkampf geschult werden. Die Übungen fähigkeit isoliert trainiert wird, beinhalten die
erfolgen in aller Regel kombiniert mit anderen Übungen keine Möglichkeiten zur Handlungs-
Leistungsvoraussetzungen, da Reaktionsan- antizipation. Einfache Reaktionshandlungen
forderungen in der Wettkampfpraxis üblicher- sind beispielsweise Starts aus unterschiedlichen
weise mit einer Bewegung bzw. Handlung ein- Körperpositionen, Richtungswechsel und An-
hergehen (Schnabel et al. 2014). Folglich soll ein tritte auf unterschiedliche Signale sowie unter
Reaktionstraining das Abrufen von Handlungs- Zeitdruck Bälle fangen, abwehren oder weiter-
programmen auf äußere Signale hin verbessern, spielen. Eine solch allgemeine Schulung der
wobei zum Beispiel für leichtathletische Sprin- Einfachreaktionsleistung entspricht den Wett-
ter oder für Schwimmer akustische Reize (u. a. kampfanforderungen im leichtathletischen
Startschuss, Zuruf, Handklatsch) wichtiger sind Sprint oder im Schwimmen. Zur Vorbereitung
als taktile oder visuelle und für Sportspieler oder für spätere Komplexreaktionen könnte sie
Kampfsportler visuelle Reize (u. a. Aktionen auch für Sportspieler und Kampfsportler nütz-
des Gegners, Ballflugrichtung) wichtiger sind lich sein, reicht aber keinesfalls aus (Steinhöfer
als taktile oder akustische. Reaktionsübungen 2008). Es ist ein sportspiel- bzw. kampfsportspe-
werden unter hohem Zeitdruck bei ausreichend zifisches Reaktions- und Antizipationstraining
langen Wiederholungs- und Serienpausen ab- komplexer Handlungen notwendig.
Schnelligkeitstraining
281 5
Praxistipp: Reaktionstraining komplexen Reaktionen ist also vor allem das
Ergebnis einer verbesserten Antizipations-
Es gibt keine überzeugende trainingswissen- schnelligkeit, die wiederum in engem Zusam-
schaftliche Evidenz, dass die reine Reaktions- menhang mit der Wettkampferfahrung und
leistung durch Trainingsinterventionsmaß- Wahrnehmungsleistung steht. Beim Antizipa-
nahmen deutlich verbessert werden kann. tionstraining handelt es sich folglich um ein Re-
Auch deshalb wird angenommen, dass sie aktionstraining, das im Rahmen des Technik-
nur bedingt trainierbar ist (Plisk 2008). und Taktiktrainings stattfindet. Da die
Untersuchungen zeigen aber, dass reine technische, strategische und kognitive Wissens-
Reaktionszeiten auf unterschiedliche Stimuli erweiterung Voraussetzung für antizipatives
bei Spitzensportlern (z. B. Fußballtorhüter) Agieren ist, lässt sich die Antizipationsschnel-
kürzer sind als bei untrainierten Personen ligkeit nur im Zusammenhang mit Technik und
(Ando et al. 2001). Nuri et al. (2013) konnten Taktik trainieren. Das Antizipationstraining ist
zudem belegen, dass sich die Reaktionsleis- daher auch Bestandteil des Trainings der Hand-
tung sportartspezifisch ausprägt. Im Vergleich lungsschnelligkeit (Schnabel et al. 2014). Unter
von Sprintern und Volleyballern reagierten erleichterten Bedingungen (z. B. reduzierte
die Sprinter schneller auf akustische Signale, Ballfluggeschwin­digkeiten, Reaktionen mit nur
während die Volleyballer eine bessere zwei Handlungsmöglichkeiten usw.) erwerben
Leistung bei komplexen Reaktions- und Spieler und Kampfsportler zunächst die Fähig-
Antizipationsaufgaben zeigten. In Relation keit, Schlüsselreize zu erkennen und einzuord-
zur Trainings- und Wettkampferfahrung in nen. Im Vergleich zum Reaktionstraining ist
einer bestimmten Sportart lässt sich also eine der Zeitdruck erst einmal deutlich reduziert.
Reduzierung der spezifischen Reaktionsleis- Mit zunehmendem Können werden Erleichte-
tung erwarten. Ein reines Reaktionstrainings rungen schrittweise abgebaut und die Komple-
sollte daher möglichst anforderungsspezi- xität, Variabilität und Wettkampfspezifität neh-
fisch organisiert werden. men zu (Steinhöfer 2008). Zudem sollte ein
Antizipationstraining überwiegend solche
Übungen enthalten, die die nachträgliche Über-
5.4.4 Antizipationstraining prüfung der Wahlreaktionsentscheidungen er-
möglichen. Dies kann zum Beispiel auch mit-
Da komplexe Reaktionsleistungen in den Sport- hilfe eines Videotrainings erfolgen, bei dem
spielen oder den Zweikampfsportarten teils frühzeitig aus den vermittelten Informationen
unter extremem Zeitdruck erfolgen, muss anti- Handlungen bzw. Wettkampfsituationen vor-
zipiert werden. Die Steigerung der Leistung bei hergesagt werden müssen (Olivier et al. 2008).

Beispiel: Antizipationstraining

Broadbent et al. (2015) fassen in ihrer Übersichts- auch mit einem rein videobasierten Antizipations-
arbeit zusammen, dass ein Antizipationstraining training gelingen kann, belegen die Untersuchun-
zur Entwicklung und Verbesserung von Wahrneh- gen von Gabbett et al. (2007) und Williams et al.
mungs- und Entscheidungsverhalten von Sportlern (2002, 2003). Hockey-, Tennis- und Softball-Spieler
beiträgt und somit auch die sportartspezifische schauten sich jeweils teilweise verdecktes
Leistungsfähigkeit steigern kann. Die Autoren Videomaterial an, bei dem sie durch das Identifizie-
weisen darauf hin, dass ein Antizipationstraining ren von bestimmten Bewegungshinweisen die Ball-
nur dann sinnvoll und wirksam ist, wenn sich die flugrichtung vorhersagen sollten. Es verbesserte
Übungsinhalte so nah wie möglich am Beanspru- sich sowohl die im Labor getestete Antizipations-
chungsprofil der jeweiligen Sportart orientieren. schnelligkeit als auch die unter wettkampfspezi-
Nur so könne ein optimaler Transfer in die fischen Feldbedingungen erfasste Antizipations-
Wettkampfpraxis sichergestellt werden. Das dies leistung der Sportler.
282 T. Wiewelhove

5.4.5 Frequenzschnelligkeitstrai- fachen Basisübungen realisierten Bewegungsfre-


ning quenzen auf sportartspezifische Schnelligkeits-
aufgaben ist nicht belegt. Thienes (1998) zeigte
Die Ausbildung der elementaren zyklischen allerdings trainingsbedingte Leistungsverbesse-
Frequenzschnelligkeit erfolgt vorrangig durch rungen bei sportartspezifischen Bewegungsab-
den Einsatz einfacher, kleinmotorischer und läufen, die unter anderem durch supramaximale
grundlegender (Basis-)Bewegungen, die tech- Belastungen (z. B. ergabläufe) unterstützt wur-
nisch in der Feinkoordination beherrscht den (7 Abschn. 5.4.9; Olivier et al. 2008).
werden. Zudem wird durch verringerte Wi-
derstände eine hohe Bewegungsfrequenz ange-
5 strebt bzw. durch methodische Hilfen eine zu- 5.4.6 Sequenzschnelligkeitstrai-
nächst nicht realisierbare Bewegungsfrequenz ning
erzwungen (Voss et al. 2007; Olivier et al. 2008;
Schnabel et al. 2014). In der Sportpraxis kön- Es gelten dieselben Voraussetzungen und trai-
nen Finger-, Hand-, Arm- und Beintappings in ningsmethodischen Hinweise, die bereits im
unterschiedlichen Positionen bzw. Lagen (im Kontext des Frequenzschnelligkeitstrainings
Stehen, Sitzen oder Liegen), Skippings, kleine beschrieben wurden. Beispielsweise können
Hoppings, simple Leiterdrills oder Arm- und durch die Verringerung des Bewegungswider-
Beinkurbeln ausgeführt werden (Hohmann stands (z. B. Körpergewichtsentlastung) eine
et al. 2014; Prieske et al. 2017). schnellere Bewegungssequenz oder kürzere Bo-
Während herausragende Bewegungsfre- denkontaktzeiten erreicht werden. Einfache,
quenzen beispielsweise bei Beintappings teil- kleinmotorische azyklische Bewegungsaufga-
weise mehr als 15 Hz betragen (Krug et al. 2019), ben ohne größere äußere Widerstände und im
fallen die Bewegungsfrequenzen bei sportart- kurzen DVZ sind unter anderem Prellsprünge
spezifischen komplexen zyklischen Bewegun- (mit oder ohne Unterstützung durch beispiels-
gen meist deutlich geringer aus. So erreichen die weise eine „Sprungspinne“), angefallene und
besten leichtathletischen Sprinter im Mittel eine geprellte Liegestütze aus dem Kniestand oder
Schrittfrequenz von vergleichsweise geringen angefallene und geprellte Wandstütze aus dem
4,8 Hz (Salo et al. 2011). Ein Transfer von in ein- Stand (Hohmann et al. 2014; Prieske et al. 2017).

Beispiel: Plyometrisches Training

Plyometrisches Training beinhaltet Übungen mit Sprintleistung durch ein plyometrisches Training
meist einfachen, kleinmotorischen Sprüngen, die zu verbessern, ist eine nicht mehr als 10-wöchige
im kurzen DVZ bei kürzesten Bodenkontaktzeiten Trainingsintervention mit mindestens 18
realisiert werden. Eine Metaanalyse von Saez de Trainingseinheiten und ca. 80 Sprüngen pro
Villarreal et al. (2012) zeigt, dass plyometrisches Einheit notwendig. Plyometrische Horizontal-
Sprungtraining selbst bei Spitzensportlern zu sprünge haben einen größeren Leistungstransfer
praxisrelevanten Verbesserungen der Sprintzeiten auf die Sprintleistung als Vertikalsprünge.
führt. Die mittlere Verbesserung der Sprintleis- Sprungübungen mit Zusatzlast besitzen keinen
tung liegt bei etwa 1 %. Dies erscheint gering, Benefit hinsichtlich der Verbesserung der
kann aber vor allem für die Leistung bei kurzen Antritts- und Sprintschnelligkeit (Saez de Villarreal
Sprints und Antritten relevant sein. Um die et al. 2012).
Schnelligkeitstraining
283 5
5.4.7 Antritts- und schnelligkeitstraining aber auch ausgezeichnet
Sprintschnelligkeitstraining in spielsportspezifische Übungs- und Spielfor-
men mit und ohne Ball integrieren (z. B. Lei-
Aufgrund der hohen Sportartspezifität liegt es ter- und Pendelsprints über unterschiedliche
auf der Hand, dass das Antritts- und Sprint- Entfernungen mit oder ohne Ball oder [si-
schnelligkeitstraining die zentrale Trainings- muliertem] Schlag, Schuss, Pass, und/oder
methode für alle Sprintlaufdisziplinen reprä- Zweikampf, Sternsprints, bei denen stets zum
sentiert. Aber auch der leichtathletische Ausgangspunkt zurückgekehrt wird, Rück-
Weitsprung profitiert vom Training der An- wärts- und Seitwärtsläufe, usw.; Scheid und
tritts- und Sprintschnelligkeit. Obwohl Sport- Prohl 2003; Prieske et al. 2017).
spieler meist nur kurze Antritte über wenige Das Antritts- und Sprintschnelligkeitstrai-
Meter absolvieren, kann selbst hier neben dem ning zielt in den Sportspielen auch auf eine
Antrittsschnelligkeitstraining ein zusätzliches Verbesserung der Richtungswechselsprint-
Training der Sprintschnelligkeit empfohlen schnelligkeit ab und ist Bestandteil des Trai-
werden, da ein positiver Transfer zwischen die- nings der Handlungsschnelligkeit und Agility.
sen beiden Trainingsformen wahrscheinlich ist Bei sehr anforderungsnahen Trainingsformen
(Steinhöfer 2008). Unter Berücksichtigung des mit Ball und ggf. Schläger muss berücksichtigt
Anforderungsprofils im Sportspiel sollte die werden, dass der Spieler höchstem Zeitdruck
Gewichtung aber zugunsten eines Trainings ausgesetzt ist. So darf beispielsweise ein Ten-
der Beschleunigungsleistung erfolgen. Im nisspieler nur mit größter Anstrengung das
Sinne der komplexen zyklischen Bewegungs- Trainerzuspiel bzw. den Ball erreichen. Der
schnelligkeit können die allgemeinen methodi- Schlagerfolg gerät als Trainingsziel teilweise in
schen Belastungsorientierungen der Antritts- den Hintergrund. Die ­ Belastungsdosierung
und Sprintschnelligkeitsmethode im Übrigen lässt sich hierbei jedoch weniger gezielt steu-
auch auf das Sprinttraining auf dem Rad für ern als bei beispielsweise leichtathletisch ori-
beispielsweise Bahnradsportler, auf das Sprint- entiertem Beschleunigungs- und Sprinttrai-
training im Wasser für Schwimmsportler und ning (Steinhöfer 2008).
Wasserballer oder auf das Sprinttraining auf
dem Wasser für Kanuten und Ruderer übertra-
gen werden, obschon die speziellen sportart- 5.4.8 Aktionsschnelligkeitstrai-
spezifischen Anforderungscharakteristika und ning
Rahmenbedingungen bei der Belastungsdosie-
rung berücksichtig werden müssen. Die komplexe azyklische Bewegungsschnellig-
Jeder Antritt/Sprint wird mit maxima- keit hängt in vielen Disziplinen aufgrund feh-
ler Intensität absolviert. Bei einem Abfall der lender oder geringerer äußerer Bewegungswi-
Beschleunigungsleistung bzw. bei einem Ge- derstände nicht von der Maximalkraft ab
schwindigkeitsabfall werden die Pausen ver- (z. B. Boxschläge, Schlagwürfe im Handball,
längert, oder das Training wird abgebrochen. Aufschläge im Tennis oder Angriffsschläge im
Im Antrittsschnelligkeitstraining werden Volleyball; Hohmann et al. 2014). Das Training
kurze Streckenlängen von 10–20 m gewählt, der komplexen azyklischen Schnelligkeit bein-
im Sprintschnelligkeitstraining Streckenlän- haltet daher sportartspezifische Bewegungs-
gen von 30–50 m nach ggf. fliegendem Start akte wie Würfe, Schläge, Schüsse, Stöße, Kick-
mit submaximaler Vorbeschleunigung. In der bewegungen, Fechthiebe, Drehungen, Finten,
Leichtathletik erfolgen Antritte und Sprints Tanzschritte, usw., die mit maximalem Bewe-
aus unterschiedlichen Startpositionen (Tief- gungstempo absolviert werden (d. h., sie müs-
start, Hochstart, usw.) vorwärts-­linear. In den sen technisch in der Feinkoordination be-
Sportspielen lässt sich ein Antritts- und Sprint- herrscht werden; Hohmann et al. 2014; Prieske
284 T. Wiewelhove

et al. 2017). Zu unterscheiden ist das Üben von chen Sportlern die Gefahr der Innenrotation im
schnellen azyklischen Bewegungen, bei denen Kniegelenk bei instabiler Landung besteht. Mit
die Anforderungen an die Kraftfähigkeiten zunehmendem Leistungsniveau kann das
über 30 % des individuell realisierbaren Kraft- Sprungkrafttraining durch variable Sprungpar-
maximums liegen (z. B. Sprünge, Kugelstoßen, cours (beid- und einbeinige Linear- und Lateral-
usw.). Hier gelten die in 7 Kap. 4 ausführlich mehrfachsprünge durch die Koordinationsleiter
behandelten Trainingsmethoden und Belas- oder über Hürden), Tiefsprünge von Erhöhun-
tungsdosierungen (z. B. Schnellkrafttraining gen oder Sprungfolgen mit zusätzlicher Ge-
oder Reaktivkrafttraining, die auf der Naht- wichtsbelastung (z. B. Gewichtsweste) ergänzt
stelle zwischen komplexem Schnelligkeits- und werden. Ferner ist ein begleitendes Rumpfkraft-
5 Krafttraining angesiedelt sind). training sinnvoll, da schnelle Lauf-, Sprung-,
Wurf-, Schuss- und Schlagaktivitäten nur auf der
Praxistipp: Verletzungs- und Überlastungs- Basis einer soliden Ganzkörperstabilisation ver-
prävention letzungsfrei und effizient umgesetzt werden
können.
Aufgrund der positiven Transferwirkungen
sowie im Sinne der Verletzungs- und Praxistipp: Sprung- und Reaktivkrafttraining
Überlastungsprävention sollte das
Training der Antritts-, Sprint- und Aktions- Eine Untersuchung von de Villarreal et al.
schnelligkeit stets mit einem ergänzenden (2008) sowie eine Übersichtsarbeit von de
Krafttraining einhergehen. Dies ist Villarreal et al. (2009) liefern Hinweise für
angesichts der enormen Belastungen, die die Trainingsplanung und Periodisierung
bei maximal schnell absolvierten komple- eines Sprung- und Reaktivkrafttrainings.
xen Bewegungen auf den aktiven und Um die Sprungleistung messbar zu
passiven Bewegungsapparat einwirken, verbessern, ist eine Trainingshäufigkeit
dringend zu empfehlen. Zahlreiche von zwei Trainingseinheiten über einen
Untersuchungen und Übersichtsarbeiten Zeitraum von mindestens zehn Wochen
bestätigen, dass kraftorientierte Präven- notwendig. Eine Erhöhung der Trainings-
tionsprogramme das Verletzungs- und häufigkeit auf vier Trainingseinheiten pro
Überlastungsrisiko bei Kindern, Jugend- Woche bringt keinen messbaren Vorteil
lichen und Erwachsenen und in unter- bei der Entwicklung der Sprungleistung.
schiedlichsten Sportarten reduzieren Im Sinne der Trainingseffizienz sind
(Goode et al. 2015; Soomro et al. 2015; demnach zwei Trainingseinheiten pro
Al Attar et al. 2017; Andersson et al. 2017). Woche optimal. Gleiches gilt im Übrigen
für den Transfer des Sprungtrainings auf
die Entwicklung der 20-m-Sprintleistung.
So kann ein Sprung- und Reaktivkrafttraining Ferner sind mindestens 50 Bodenkonakte/
die Entwicklung und Verbesserung nicht nur der Sprünge pro Trainingseinheit notwendig,
Antritts- und Sprintschnelligkeitsleistung, son- um positive Effekte zu erzielen. Trainings-
dern auch der komplexen azyklischen Schnellig- programme, die viele verschiedene
keitsleistung unterstützen. Insbesondere im Ju- Sprungvarianten sowie hochintensive
gendbereich sollte hierbei aber zunächst die Sprünge (z. B. Drop Jumps) beinhalten,
Technik von Absprung und Landung isoliert und resultieren insgesamt in der größten
in einfachen Vorübungen (z. B. beid- und einbei- Zunahme der Sprung- und Reaktivkraft-
nige Sprünge auf Erhöhung mit Landungskont- leistung (Fleck und Kraemer 2014).
rolle) optimiert werden, da speziell bei weibli-
Schnelligkeitstraining
285 5
5.4.9 Supramaximale dern) oder durch eine Verringerung von An-
Schnelligkeitsmethode triebsflächen oder Gewichten von Sportgeräten
(z. B. leichtere Wurfgeräte oder kleinere Über-
Ziel des Trainings der motorischen Schnel- setzungen im Radsport) erfolgen (Voss et al.
ligkeit ist es, die realisierbare Bewegungsge- 2007). Beispiele für ein supramaximales Schnel-
schwindigkeit zu erhöhen und gleichzeitig die ligkeitstraining zur Verbesserung der zykli-
Bewegungssicherheit zu stabilisieren – zwei Ziel- schen Bewegungsschnelligkeit sind Bergabläufe
setzungen, die sich gegenseitig stören oder sogar oder Sprints mit Zugunterstützung. Ein supra-
ausschließen. Mit zunehmender Stabilisierung maximales Schnelligkeitstraining zu Steigerung
könnte es nämlich, wie bereits beschrieben, zu der azyklischen Bewegungsschnelligkeit bein-
einer Balance zwischen den energetischen Vo- haltet Entlastungshilfen wie beispielsweise die
raussetzungen und deren Abrufbarkeit durch Verwendung von leichteren Wurfgeräten und
Steuerprogramme kommen, die eine Weiter- Schlägern sowie (reaktive) Sprungübungen mit
entwicklung nicht mehr zulässt, da sie sich auf einer Sprungspinne oder Partnerunterstützung.
dem vorhandenen Leistungsniveau gefestigt hat Die Belastungsdosierung orientiert sich an
(7 Abschn. 5.4.1: Geschwindigkeitsbarriere). der des komplexen Schnelligkeitstrainings. Al-
Aus diesem Grund gilt es, solch unerwünschte lerdings empfehlen Kratky et al. (2009) und
dynamische Schnelligkeitsstereotype bei unter- Prieske et al. (2017), bei supramaximalen Sprints
schiedlichen Bewegungen zu verhindern bzw. auf die Anweisung zu maximalem Bewegungs-
zu durchbrechen und bestehende Steuerpro- tempo zu verzichten. So könne sich der Athlet
gramme hin zu kürzeren Zeitprogrammen zu trotz der künstlich herbeigeführten hohen Be-
verändern (Voss et al. 2007; Steinhöfer 2008). wegungsgeschwindigkeiten auf die Umsetzung
Nach Voss et al. (2007) verlangt der Wechsel der Technikelemente konzentrieren. Voss et al.
zu kürzeren Zeitprogrammen ein energetisches (2007) weisen ferner darauf hin, dass eine per-
„Überpotential“ (d. h. ein höheres energetisches manente Kontrolle der Bewegungsausführung
Niveau als das, das zur späteren Programmreali- notwendig ist. So stelle eine Entlastung auch im-
sierung notwendig ist). Ein solches energetisches mer eine Gefahr in der Form dar, dass erleich-
Überpotential kann durch die Verringerung des terte Bedingungen in etwas nicht Gewolltem
Bewegungswiderstandes simuliert werden. Das resultieren – und zwar, wenn zum Beispiel ein
bedeutet, die supramaximale Schnelligkeitsme- Sportler beim Üben in der Sprungspinne die
thode versucht, den Sportler hinsichtlich der elastischen Eigenschaften der Gummiseile pas-
energetischen Anforderungen zu entlasten, in- siv nutzt und sich nicht mehr aktiv an der Be-
dem eine die Bewegung unterstützende Kraft wegungsausführung beteiligt. Supramaximales
ausgeübt wird. Dies hat vor allem im Nach- Schnelligkeitstraining erfordert daher einen ho-
wuchstraining eine besondere Bedeutung, da hen Bewusstseinsgrad und eine permanente
das für einen Programmwechsel notwendige Überprüfung der anvisierten Trainingseffekte.
energetische Überpotential hier schon aufgrund In Sportarten mit komplexem Anforde-
der entwicklungsbedingten Voraussetzungen rungsprofil (z. B. Sportspiele und Zweikampf-
oftmals nicht realisiert werden kann. So haben sportarten) ist aufgrund der Vielseitigkeit des
Kinder geringere Kraftvoraussetzungen als Er- disziplinspezifischen Schnelligkeitstrainings
wachsene – selbst unter relativer Bezugnahme die Gefahr der Bildung einer Geschwindig-
auf das Körpergewicht (Voss et al. 2007). keitsbarriere gering. Zwar sind Verbesserun-
Eine Erleichterung kann durch eine Entlas- gen der motorischen Schnelligkeitsleistung
tung des Gesamtsystems über Gewichtsentlas- durch gezielte Trainingsreize grundsätzlich
tung oder Verringerung des Bewegungswider- positiv zu bewerten. Gerade für Sportspieler
stands, durch eine Erhöhung der horizontalen stellt sich jedoch die Frage, ob Aufwand und
Bewegungsgeschwindigkeit (z. B. Zugunter- Nutzen bei der supramaximalen Schnellig-
stützung beim Laufen, Schwimmen oder Ru- keitsmethode in einem günstigen Verhältnis
286 T. Wiewelhove

stehen – zumal nicht eindeutig geklärt ist, ob Möglichkeiten zur Erschwerung der Bewe-
eine Verkürzung von Zeitprogrammen auf- gungsbedingungen im Sinne der Widerstands-
grund der komplexen Schnelligkeitsanforde- methode sind die Erhöhung des Gewichts des
rungen für Sportspieler überhaupt notwendig Gesamtsystems (z. B. mithilfe von Gewichtswes-
ist. Daher sind allenfalls trainingspraktisch ten oder Gewichtsmanschetten) und/oder des Be-
leicht zu realisierende Entlastungsübungen wegungswiderstandes (z. B. Zugwiderstand beim
(z. B. Bergabläufe) als ergänzende Trainings- Laufen oder Schwimmen mittels Zugschlitten
formen empfehlenswert (Steinhöfer 2008). oder Widerstandsbändern, Schleppwiderstände
beim Rudern, Bergaufsprints oder Partnerübun-
gen) sowie die Vergrößerung von Antriebsflä-
5.4.10 Widerstandsmethode chen (z. B. Flossen oder größere Blattflächen im
5 Rudern) oder Gewichten von Sportgeräten (z. B.
Die Widerstandsmethode dient der Entwick- schwerere Wurfgeräte oder Schläger; Voss et al.
lung und Verbesserung komplexer Bewe- 2007). Die Belastungsdosierung orientiert sich an
gungsschnelligkeitsleistungen, indem unter er- derjenigen des Antritts- und Sprintschnelligkeits-
schwerten Bedingungen bzw. bei Vergrößerung sowie Aktionsschnelligkeitstrainings. Dabei ist
des Bewegungswiderstandes trainiert wird. zu beachten, dass die verwendeten Widerstände
Zusatzwiderstände werden allerdings eher mit unter 30 % des individuell realisierbaren Kraft-
dem Kraft- als mit dem Schnelligkeitstraining maximums liegen, um das Widerstandstraining
in Verbindung gebracht, da eine Erhöhung trotz der engen Verwandtschaften vom (Schnell-)
des Bewegungswiderstandes zwangsläufig mit Krafttraining abzugrenzen. Das bedeutet auch,
einer Verringerung der Bewegungsgeschwin- dass die erschwerten Bedingungen die maxi-
digkeit einhergeht. Auf den ersten Blick unter- male Bewegungsgeschwindigkeit um nicht mehr
scheidet sich daher die Wirkungsweise von als 10 % reduzieren sollten (Prieske et al. 2017).
Krafttraining grundlegend von der des Schnel- Studien und Praxiserfahrungen zeigen, dass ein
ligkeitstrainings. Allerdings visiert sowohl das Schnelligkeitstraining nach der Widerstandsme-
Schnelligkeitstraining als auch das Krafttrai- thode zu ähnlich positiven Effekten führt wie ein
ning eine Entwicklung des neuromuskulären herkömmliches Schnellkrafttraining.
Systems an (Voss et al. 2007).
Die Widerstandsmethode zielt in diesem
Zusammenhang auf die Veränderung der An- Praxistipp: Zugwiderstandsläufe
steuermechanismen der motorischen Einheiten
Zahlreiche Studien belegen, dass die
ab. Es wird eine höhere Rekrutierungsrate von
Verwendung von Zusatzlasten im Sprinttrai-
insbesondere schnell kontrahierenden Muskel-
ning langfristig die Laufleistung verbessern.
fasern angestrebt. Dies ist vor allem bei schnel-
Galpin (2018) empfiehlt einen gemischten
len Antritten und Bewegungen unter hohem
Trainingsansatz, bei dem variierend mit
Zeitdruck erforderlich. Das Innervationspro-
hohen, moderaten und niedrigen Zugwider-
gramm muss sofort mit Beginn der Bewegung
ständen trainiert wird. Diesbezüglich fanden
möglichst viele schnelle motorische Einheiten
Bachero-Mena und Gonzalez-Badillo (2014)
synchron aktivieren. Ein Krafttraining mit ma-
heraus, dass für eine Steigerung der Antritts-
ximalen explosiven konzentrischen Kraftein-
schnelligkeit bzw. der Beschleunigung auf
sätzen führt zu einer Verbesserung der Rekru-
den ersten 30 m solche Lasten am wirksams-
tierungsrate schneller Muskelfasern (vgl.
ten waren, die in etwa 20 % des Körperge-
7 Abschn. 4.4: Maximalkrafttraining). Ver-
wichts des Athleten entsprachen. Hingegen
gleichbare Effekte hat auch das Training mit
wurde eine Erhöhung der Schrittlänge durch
schnell entwickelten hohen Muskelzugspan-
Widerstände erreicht, die ca. 5–12,5 % des
nungen, die unter anderem durch leichte Zu-
Körpergewichts des Athleten entsprachen.
satzlasten zustande kommen (Voss et al. 2007).
Schnelligkeitstraining
287 5
Exkurs: Zusatzlast versus Entlastung

Schnelligkeitstübungen unter Zuhilfenahme von Widerstand werden jedoch keine hohen


Zusatzlasten (z. B. Zugwiderstandsläufe und Kraftspitzen erzeugt. Aktuelle Befunde zeigen aber,
Sprünge mit Gewichtsweste) sind in der dass ein Entlastungstraining
Sportpraxis weit verbreitet. Da der Fokus der (z. B. Zugunterstützungsläufe) ebenfalls zu
Widerstandsmethode auf der Erhöhrung des positiven und verglichen zur Widerstandsmethode
Bewegungswiderstandes liegt, wird die Erreichung ähnlichen Anpassungen der komplexen
einer maximalen Bewegungsgeschwindigkeit Schnelligskeitsleistung führen kann (Girold et al.
(diese nimmt durch die verwendeten Zusatzlasten 2006; Argus et al. 2011; Upton 2011). Die
erzwungenermaßen ab) vernachlässigt. Dies Trainingstheorie des Unterstützungstrainings
entspricht auf den ersten Blick nicht den beruht dabei auf dem Prinzip der Spezifität (Galpin
trainingsmethodischen Grundsätzen eines 2018). Hiermit ist gemeint, dass ein regelmäßiges
Schnelligkeitstrainings. Dennoch belegen Training mit Übergeschwindigkeiten dem Sportler
zahlreiche Studien den positiven Einfluss eines ermöglichen soll, seine Schnelligkeitsleistung auf
Widerstandstrainings auf die Entwicklung und das erzwungene Geschwindigkeitsniveau zu
Verbesserung der Schnelligkeits- und steigern. Das zunächst nur unter erleichterten
Schnellkraftleistung bei Sprint- und/oder Bedingungen erreichte Geschwindigkeitsniveau
Sprungbelastungen (West et al. 2013; Bachero- kann also schließlich unter „normalen“
Mena und Gonzalez-Badillo 2014; Gil et al. 2018; Bedingungen abgerufen werden. Anpassungen
Rodriguez-Osorio et al. 2019). werden vorrangig auf der Ebene der neuronalen
Die durch ein Training nach der Einflussgrößen vermutet und entsprechen somit
Widerstandsmethode induzierten Adaptationen dem Charakter eines „reinen“
spiegeln sich dabei vor allem in Anpassungen Schnelligkeitstrainings.
tendomuskulärer Einflussgrößen wider und äußern Obwohl das Konzept der supramaximalen
sich in einer Steigerung der Schnelligkeitsmethode nicht neu ist, wurde
schnelligkeitsspezifischen Kraftkomponenten (d. h. dessen Effektivität bislang in nur wenigen
Schnell- und Maximalkraft). Das Training mit Trainingsstudien dokumentiert. Aufgrund der
Zusatzlasten wirkt sich daher vor allem auf solche unzureichenden Evidenz empfiehlt Galpin (2018)
Bewegungsabläufe positiv aus, die von einer einen ausgewogenen Einsatz von Zusatzlasten
raschen Kraftbildungsgeschwindigkeit bzw. und Entlastungen im Schnelligkeitstraining.
Beschleunigung bei vergleichsweise hohen Dieser kann in Abhängigkeit des Alters und der
Bewegungswiderständen abhängig sind (z. B. disziplinspezifischen Schnelligkeitsanforderungen
kurze Antritte oder Sprints, bei denen das eigene unterschiedlich akzentuiert werden.
Körpergewicht möglichst schnell überwunden Beispielsweise sollte dem Schnelligkeitstraining
werden muss). unter erleichterten Bedingungen vor allem im
Aus trainingsmethodischer Perspektive steht Nachwuchstraining besondere Aufmerksamkeit
die supramaximale Schnelligkeitsmethode in geschenkt werden, da das Zentralnervensystem
scheinbarem Widerspruch zum Training mit in den frühen Lebensjahren gut auf
Zusatzlasten. Eine Entlastung ermöglicht zwar die Schnelligkeitsreize anspricht und die
Erreichung von supramaximalen Ansteuerung schneller Muskelfasern
Geschwindigkeiten. Durch den reduzierten problemloser möglich.

5.4.11 Kontrastmethode und Sprintschnelligkeits- sowie Aktionsschnel-


ligkeitstrainings und wird in 7 Abschn. 4.2 im
Die Kontrastmethode (auch als Komplextrai- Kontext des Krafttrainings unter dem Begriff
ning oder Contrast Loading bezeichnet) kom- Komplextraining behandelt. Es wird versucht,
biniert die trainingsmethodischen Inhalte der Bewegungsgeschwindigkeiten durch eine un-
Widerstandsmethode mit denen des Antritts- mittelbare Koppelung von Widerstandsübun-
288 T. Wiewelhove

gen mit spezifischen Schnelligkeitsübungen führter, maximal schneller Bewegungen mög-


unter „normalen“ und/oder erleichterten Be- lich ist – schnell wird, wer schnell trainiert.
dingungen zu optimieren. Die Schnelligkeitsleistung wird aber vor
Die dahinterstehende Trainingstheorie be- allem bei komplexen Bewegungen in erhebli-
sagt, dass eine neuromuskuläre Voraktivierung chem Maß durch die Bewegungskoordination
(z. B. ein 30-m-Linearsprint mit Gewichts- und -technik mitbestimmt. Während mittels
weste) im Sinne der Postactivation Potentiation Intensitätsmethoden die Geschwindigkeit be-
(PAP) eine kurzfristig optimierte Aktin-Myo- reits gelernter Bewegungsmuster verändert
sin-Interaktion, eine verbesserte Erregbarkeit werden soll, wird mit der Koordinationsme-
und Rekrutierung schneller Muskelfasern und thode auf die Entwicklung und Verbesserung
5 insgesamt einen verbesserten neuromuskulä- schneller Bewegungen im motorischen Lern-
ren Signaltransfer bewirkt. Dieser Nachwir- prozess abgezielt. Die Schnelligkeit bei kom-
kungseffekt geht für gewöhnlich mit einer zeit- plexen Bewegungsabläufen wird meist nicht
lich begrenzten Leistungssteigerung bei durch die maximale Geschwindigkeit be-
schnellen, unter normalen Bedingungen absol- grenzt, mit der einzelne Bewegungsteile iso-
vierten Bewegung einher, wenn zuvor die glei- liert ausgeführt werden können, sondern viel-
che oder eine verwandte Bewegung unter er- mehr durch die koordinative Kopplung
schwerten Bedingungen durchgeführt wurde. mehrerer schnell auszuführender Bewe-
Die jeweiligen Pausenlängen müssen so ge- gungselemente. Ziel der Koordinationsme-
wählt werden, dass die durch die Voraktivie- thode ist es deshalb, einzeln herausgebildete
rungsübung induzierte Ermüdung abgeklun- schnelle Bewegungen zu einer komplexen Be-
gen ist, der Nachwirkungseffekt aber noch wegung zusammenzufügen, ohne dass die
anhält (Fleck und Kraemer 2014). Teilbewegungen an Geschwindigkeit verlie-
ren (Joch und Ückert 1999).
Unter der Koordinationsmethode versteht
5.4.12 Koordinationsmethode man daher die Anwendung von spezifischen
Übungen, die darauf abzielen, das Zusam-
In Anlehnung an Joch und Ückert (1999) sowie menspiel von Agonisten und Antagonisten
Steinhöfer (2008) können die bislang beschrie- bei Sprint-, Sprung-, Wurf- und Schlagbe-
benen Trainingsbereiche und Methoden zur wegungen im Sinne spinaler Verschaltungen
Entwicklung und Verbesserung der motori- besser zu koordinieren. Der Wechsel von
schen Schnelligkeit als Intensitätsmethoden Anspannung und Entspannung, hohen und
zusammengefasst werden, da sie durch die wie- geringen Kraftstößen, großen und kleinen Be-
derholte Ausführung der Bewegung mit maxi- wegungsamplituden, langsamen und schnel-
mal möglicher Geschwindigkeit gekennzeich- len Bewegungsfrequenzen sowie einfachen
net sind. Intensitätsmethoden basieren also auf und komplexen Bewegungen trainiert jeweils
der Annahme, dass eine Verbesserung der akzentuiert unterschiedliche koordinative
Schnelligkeit auf der Grundlage häufig ausge- Anforderungen der angesteuerten Schnellig-
Schnelligkeitstraining
289 5
keitsleistungen (Steinhöfer 2008). Bewährte schen Leitlinien für ein Schnelligkeitstraining.
Trainingsübungen sind unter anderem Koor- Aufgrund der teils niedrigeren Intensitäten im
dinationsläufe (z. B. Läufe durch die Koordi- Vergleich zu den Intensitätsmethoden können
nationsleiter), Steigerungsläufe, Sprungläufe, aber mitunter höhere Wiederholungszahlen
Treppenläufe und vielfältige Übungen des und kürzere Pausenzeiten realisiert werden.
Lauf- bzw. Sprint- und Sprung-ABCs. Grund- Eine enge Verwandtschaft zum Techniktrai-
sätzlich gelten auch hier die trainingsmethodi- ning ist erkennbar.

Exkurs: Schnelligkeitsausdauertraining

Für die Verbesserung der Schnelligkeitsausdauer und Schnelligkeitstraining. Die Schnelligkeitsaus-


kommt ein Methodenmix aus Schnelligkeits- dauer stellt zwar die größte Leistungsreserve im
und Ausdauertraining infrage. Zur Verbesserung Hochleistungsalter dar. Sie erfordert aber auch
der Sprintausdauer werden beispielsweise deshalb ein besonders systematisches und
Sprints von ca. 12–30 s Dauer mit möglichst individuelles Vorgehen. Trainingsmethodische
maximaler Intensität absolviert – dies entspricht Fehler können schwerwiegende Auswirkungen auf
Streckenlängen von ungefähr 120–300 m. Das die Entwicklung und Aufrechterhaltung der
heißt, es werden sogenannte Überdistanzen Schnelligkeitsleistung haben (Hohmann et al.
gesprintet, die rund 120 % der Wettkampfstre- 2014). Beispielsweise können sich 100- oder
cke entsprechen. Die Trainingssteuerung erfolgt 200-m-Sprintzeiten von bereits herausragenden
nach dem Prinzip der Wiederholungsmethode. 60-m-Sprintern durch ein Schnelligkeitsausdauer-
Ein weiteres Beispiel zur Verbesserung der training verbessern. Gleichzeitig kann es zu
Sprintausdauer ist das Absolvieren von erheblichen Einbußen bei der 60-m-Sprintzeit
sogenannten Unterdistanzen (z. B. 60–80 Meter) kommen. Auch können zu kurze Pausen im
bei gleichzeitig geringeren Wiederholungs- und intervallbasierten Schnelligkeitsausdauertraining
Serienpausen. Das Trainingsprinzip orientiert zu extrem hohen Ermüdungsaufstockungen und
sich stärker an den Regeln der Intervallmethode raschen Laktatanstiegen führen, sodass sowohl die
(lohnende Pausen). technomotorische Trainingsleistung als auch die
Aufgrund der biologischen und trainingsme- Aufmerksamkeitsleistung zu schnell nachlassen. In
thodischen Überlappungen mit dem Ausdauertrai- der Folge sinken die realisierbaren Trainingsum-
ning wird für eine vertiefte Betrachtung des Schnel- fänge und die Regenerationsphasen zwischen den
ligkeitsausdauertrainings auf 7 Kap. 7 verwiesen. Trainingseinheiten reichen nicht aus (Steinhöfer
An dieser Stelle sei aber erwähnt, dass es bei der 2008). In der Praxis der Sportspiele ist zudem
Entwicklung und Verbesserung der Schnelligkeits- problematisch, dass das Schnelligkeitstraining
ausdauer nicht alleine um die Auswahl angemesse- primär als Schnelligkeitsausdauertraining
ner Übungen geht, sondern vielmehr um eine praktiziert wird. Aufgrund unterschiedlicher
individuell verträgliche und wirksame Mischung Anpassungen ist dies für die Schnelligkeitsentwick-
verschiedener Methoden aus dem Kraft-, Ausdauer- lung eher kontraproduktiv.
290 T. Wiewelhove

Exkurs: Trainingscharakteristika des Schnelligkeitstrainings

Die in der trainingswissenschaftlichen Literatur Bewegungstempo unterliegen sie erheblichen


angegebenen Belastungsnormative (d. h. Anzahl Schwankungen und sollten unter Berücksichtigung
der Wiederholungen pro Serie, Anzahl der Serien der sportartspezifischen und übungsorganisatori-
pro Trainingsübung/-einheit, Pausendauer schen Besonderheiten sowie aktueller evidenzba-
zwischen den Wiederholungen und Serien) dienen sierter Trainingsempfehlungen überprüft und
der groben Orientierung bei der Steuerung des angepasst werden. In der trainingswissenschaft-
Schnelligkeitstrainings. Sie basieren jedoch mehr lichen Literatur finden sich die in . Tab. 5.1
auf Plausibilitätsannahmen als auf empirischer skizzierten Trainingscharakteristika. Fraglich ist vor
Evidenz und scheinen teils willkürlich festgelegt zu allem die teils riesige Spanne von Wiederholungen,
sein. Abgesehen von der Intensität bzw. vom Serien und Pausendauer.
5
..      Tab. 5.1 Trainingscharakteristika der Bereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings

Dimen- Trainingsme- Trainingsbereiche Inten- Wdh. Serien Pausen


sion thodisches und Methoden sität
Prinzip

informa- Wiederho- Reaktionstraining 100 % 5–12 1–3 WP: variabel


torische lungsprinzip SP: 1–3 min
Schnel- (vollständige
ligkeit Pausen) Antizipationstraining 100 % 5–12 1–3 WP: variabel
SP: 1–3 min

motori- Frequenzschnellig- 100 % 2–3 1–3 WP: 50 s–3 min


sche keits-training SP: 3–5 min
Schnel-
ligkeit Sequenzschnellig- 100 % 4–10 1–3 WP: 10–20 s
keitstraining SP: 3–5 min

Antritts- und 100 % 2–8 1–4 WP: 1–3 min


Sprintschnelligkeits- SP: 4–10 min
training

Aktionsschnelligkeits- 100 % 6–12 1–5 WP: 10–90 s


training SP: ≈ 2 min

supramaximale 105– 2–12 1–5 WP: 10 s–3 min


Schnelligkeitsme- 110 % SP: 2–10 min
thode

Widerstandsmethode 100 % 2–12 1–5 WP: 10 s–3 min


SP: 2–10 min

Kontrastmethode 100 % 2–12 1–5 WP: 10 s–3 min


SP: 4–12 min

Koordinationsme- 90– va- varia- variabel


thode 100 % ria- bel
bel

Wdh. = Wiederholungen pro Serie; WP = Pausendauer zwischen den Wiederholungen; SP:


Pausendauer zwischen den Serien; ÜD = Überdistanzmethode; DU = Unterdistanzmethode
Schnelligkeitstraining
291 5
5.5 Ausgewählte Praxistipp: Sportartspezifisches und indivi-
Trainingsbeispiele dualisiertes Schnelligkeitstraining

Schnelligkeitstraining sollte immer den


Die folgenden Beispiele sind exemplarisch aus
sportartspezifischen Anforderungen und
der grenzenlosen Vielfalt an Möglichkeiten
Wettkampfstrukturen gerecht werden. Dies
des Schnelligkeitstrainings ausgewählt. Zur
gilt im Übrigen auch für alle anderen
Strukturierung werden die Übungen nach
Fähigkeitsbereiche. Während für Marathon-
den Trainingsbereichen und Methoden des
läufer ein Schnelligkeitstraining kaum eine
Schnelligkeitstrainings sowie unter Bezug-
Rolle spielt, sollte bei Mittelstreckenläufern
nahme auf die jeweiligen Erscheinungsformen
der Anteil des Schnelligkeitstrainings am
der Schnelligkeit sortiert. Es werden sowohl
Gesamttrainingsumfang bereits deutlich
sportartübergreifende als auch sportart- bzw.
höher liegen. Auch benötigt ein Fußballspie-
disziplinspezifische Trainingsbeispiele vor-
ler auf der Außenposition andere Trainings-
gestellt. Dabei kann es auch zu Mischformen
inhalte als ein Fußballtorwart. So muss ein
kommen. Beispielsweise kann eine komplexe
Außenstürmer beispielsweise in der Lage sein,
Reaktions- oder eine Antizipationsaufgabe mit
im Spiel wiederholt schnell zu sprinten,
einem kurzen Antritt oder Sprint kombiniert
während sich ein Weltklasse-Torwart vor allem
werden und so auch zu einer Agility-Übung
durch eine herausragende Reaktions- und
werden. Aus methodischer Sicht wird für ein
Antizipationsschnelligkeit sowie azyklische
sportartspezifisches und adressatengerechtes
Bewegungsschnelligkeit auszeichnet.
Schnelligkeitstraining zudem eine Vielzahl
Ferner muss der sportartspezifische
von Hilfsmitteln benötigt. Hierzu zählen unter
Wettkampfkalender bei der Trainingsplanung
anderen:
berücksichtigt werden. Da Leichtathleten
55 Stoppuhr
oder Kampfsportler meist an nur wenigen
55 Trillerpfeife, Startklappe
Wettkämpfen pro Jahr teilnehmen, kann sich
55 Langkästen bzw. Turn- oder Sprungkästen,
die systematische Entwicklung der Schnellig-
Turnbänke, Turnmatten
keit über mehrere Monate erstrecken.
55 Reaktionsbälle
Sportspieler sehen sich hingegen mit einer
55 Klettverschlussgurte
deutlich höheren Wettkampfdichte konfron-
55 Radarmessgerät
tiert. Im Rahmen einer Saisonvorbereitung
55 verschiedene leichte und schwere Wurfge-
und erst recht während der Saison steht
räte (Tennisbälle, Schlagbälle, Vortex,
daher deutlich weniger Zeit für eine gezielte
Medizinbälle, usw.)
Verbesserung von Schnelligkeitsfähigkeiten
55 Hütchen, Pylonen, Markierungsmatten,
zur Verfügung (Prieske et al. 2017). Folglich
Markierungsstreifen
sind aus den unterschiedlichen Möglichkeiten
55 Koordinationsleiter, Gymnastikreifen,
und Trainingsbeispielen des Schnelligkeits-
Hürden, Softhürden
trainings ganz unterschiedliche sportartspezi-
55 elektronisches Lichtschrankensystem
fische Trainingsprogramme abzuleiten, die
55 Zugschlitten, Widerstandsbänder
sich in Abhängigkeit der disziplinspezifischen
55 Gewichtswesten, Gewichtsmanschetten,
Rahmenbedingungen als Makro-, Meso- oder
Sandbags
sogar nur als Mikrozyklen organisieren lassen.
55 Zugbänder, Sprungspinne
Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Planung
der Trainingsprogramme im Sinne eines
individualisierten Schnelligkeitstrainings auch
immer auf leistungsdiagnostischen Ergebnis-
sen basieren sollte (vgl. 7 Kap. 3).
292 T. Wiewelhove

kST Beispiel 1: kST Beispiel 2:


Einfachreaktion mit einbeinigem Steigsprung Einfache Reaktionsspiele mit einem Ball

Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung


der Reaktionsschnelligkeit bei Einfachreaktio- der Reaktionsschnelligkeit bei Einfachreaktio-
nen. nen.

Trainingsablauf Auf ein akustisches Signal Trainingsablauf Der Sportler fängt einen fal-
hin absolviert der Sportler einen einbeinigen lenden Ball auf. Die Signalgebung erfolgt über
Steigsprung auf einem Langkasten oder auf ei- das Fallenlassen des Balles (optischer Reiz). Der
ner Turnbank (. Abb. 5.9). Die Signalgebung Trainer oder Übungspartner hält den Ball in der
5 erfolgt zum Beispiel mit einer Startklappe, Hand. Der Handrücken zeigt nach oben. Der
Trillerpfeife, auf Zuruf oder per Handklat- Sportler berührt mit seiner Hand, mit der der
schen. Der Sportler konzentriert sich auf eine Ball gefangen werden soll, den Handrücken des
schnellstmögliche Reaktion. Der Sprung er- Trainers/Partners und konzentriert sich auf eine
folgt im kürzesten zeitlichen Abstand zur Sig- schnellstmögliche Reaktion. Sobald der Ball
nalgebung möglichst explosiv. fallgelassen wird, muss der Sportler versuchen,
den Ball noch vor dem Auftreffen auf dem Bo-
Variationen Statt eines akustischen Reizes den aufzufangen.
kann die Signalgebung über ein optisches oder
taktiles Signal erfolgen. Anstelle eines Steig- Variationen Zur Erschwerung der Übung
sprungs können andere Bewegungsprogramme kann der Trainer/Partner zwei Bälle festhalten
gefordert werden (z. B. ein- und beidbeinige Ho- (einen Ball in der linken und einen Ball in der
rizontal-, Vertikal- oder Lateralsprünge, kurze rechten Hand). Der Sportler berührt entspre-
Antritte aus unterschiedlichen Positionen ggf. chend mit seinen beiden Händen die Handrü-
mit Richtungswechseln und/oder als Wett- cken des Trainers/Partners. Der Trainer/Partner
kampfform gegeneinander, usw.). kann nun entweder einen der beiden Bälle oder

..      Abb. 5.9 Einfachreaktion mit einbeinigem Steigsprung


Schnelligkeitstraining
293 5
..      Abb. 5.10 Einfache a
Reaktionsspiele mit zwei Bällen

beide Bälle gleichzeitig loslassen (. Abb. 5.10a).


Die Übung kann ebenso mit einer großräumige-
ren motorischen Aktion verknüpft werden, in-
dem der Sportler einige Meter vom Trainer/
Partner entfernt steht. Sobald der Ball losgelas-
sen wird, sprintet der Sportler los und versucht
den Ball aufzufangen (. Abb. 5.10b). In Abhän-
gigkeit des Abstands zwischen Trainer/Partner
und Sportler darf der Ball einmal auf dem Bo-
den aufkommen oder muss direkt aus der Luft
gefangen werden.

kST Beispiel 3: ..      Abb. 5.11 Einfaches Duellspiel


Einfache Duellspiele

Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung schen. Die Sportler konzentrieren sich auf eine
der Reaktionsschnelligkeit bei Einfachreaktio- schnellstmögliche Reaktion. Es können meh-
nen. rere Paare gleichzeitig gegeneinander antreten.
Nach einigen Wiederholungen wechseln die
Trainingsablauf Zwei oder mehr Sportler/ Paarungen.
Partner knien vor einem Turnkasten, legen
eine Hand oder beide Hände auf den Kasten- Variationen Ausgangsstellung (z. B. sitzend,
deckel und haben das Ziel, nach einem akusti- stehend, liegend) und Gegenstände können vari-
schen Signal als Erster einen auf dem Kasten- ieren. Gleiches gilt für die geforderte Bewe-
deckel liegenden Gegenstand (z. B. Ball) zu gungsantwort (z. B. Berührung mit dem Fuß).
berühren oder zu ergreifen (. Abb. 5.11). Die Durch die Schaffung eines Zählsystems kann die
Signalgebung erfolgt mit einer Startklappe, Übung zudem als Wettkampfform durchgeführt
Trillerpfeife, auf Zuruf oder per Handklat- werden.
294 T. Wiewelhove

kST Beispiel 4: Variationen Der Sportler kann aus unter-


Komplexreaktionen mit kurzen Richtungs- schiedlichen Ausganspositionen starten (z. B.
wechselsprints liegend, halbkniend, usw.). Zur Erschwerung
der Übung wird die Anzahl der Hütchen er-
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung höht. Auch kann das akustische Signal variiert
der Reaktionsschnelligkeit bei Wahlreaktio- werden, indem eine Zahl oder die Art des Sig-
nen. nals (Trillerpfeife, Handklatschen, Finger-
schnippen, Handzeichen, Fußzeichen, usw.)
Trainingsablauf Der Sportler steht in fronta- mit einer Farbe verknüpft wird. Die Schwierig-
ler Stellung an einer Startlinie. In diagonalem, keit kann zusätzlich erhöht werden, indem ge-
5 kurzem Abstand (ca. 2–4 m) von der Startlinie genteilige Bewegungsausführungen gefordert
entfernt liegen zwei farblich unterschiedliche werden (z. B. bei Zuruf „Rot“ zum blauen Hüt-
(z. B. blaue und gelbe) Hütchen oder Pylonen chen sprinten und andersherum). Die Übung
auf dem Boden. Der Sportler konzentriert sich kann mit mehreren Stationen auch als Wett-
auf eine schnellstmögliche Reaktion. Auf Zu- kampfform gegeneinander durchgeführt wer-
ruf (z. B. „Blau“) sprintet der Sportler im kür- den.
zest möglichen zeitlichen Abstand zur Signal-
gebung um das Hütchen herum und zurück
zur Startlinie (. Abb. 5.12).

..      Abb. 5.12 Komplexreaktion mit Richtungwechselsprint


Schnelligkeitstraining
295 5
kST Beispiel 5: abgestimmt sein, dass der Spieler unter hohem
Komplexe Reaktionsspiele mit Bällen Zeitdruck steht, die Aufgabe aber lösen kann.

Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung Variationen Der Sportler hat die Augen ge-
der Reaktionsschnelligkeit bei Wahlreaktionen schlossen oder steht mit dem Rücken zum Trai-
bzw. der Agility. ner/Partner, öffnet die Augen auf Zuruf oder
dreht sich auf Zuruf um, wählt den richtigen
Trainingsablauf Sportler und Trainer/Part- Ball aus und fängt ihn auf (. Abb. 5.13b). Zur
ner stehen sich in kurzem Abstand gegenüber. weiteren Erschwerung der Übung wird die An-
Der Sportler konzentriert sich auf eine schnellst- zahl der Bälle erhöht. Beispielsweise können
mögliche Reaktion. Der Trainer/Partner wirft drei gleichfarbige Ballpaare hochgeworfen wer-
drei Bälle, die sich farblich unterscheiden (z. B. den, und auf Zuruf müssen zwei Bälle gefangen
blau, gelb und rot), in die Luft. Auf Zuruf durch werden. Auch kann das akustische Signal vari-
den Trainer/Partner (z. B. „Rot“) muss der iert werden, indem eine Zahl oder die Art des
Sportler den passenden Ball auswählen und vor Signals (Trillerpfeife, Handklatschen, Finger-
dem Auftreffen auf dem Boden auffangen schnippen) mit einer Farbe verknüpft wird.
(. Abb. 5.13a). Das akustische Signal muss so

a b

..      Abb. 5.13 Komplexe Reaktionsspiele mit Bällen. a Grundversion, b Variante


296 T. Wiewelhove

kST Beispiel 6: durchqueren. Erfolgt vor dem Eintritt in die Lei-


Frequenzsprints durch die Koordinationsleiter ter eine Beschleunigungsphase oder wird der
Sportler von zwei Partner an den Armen durch
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung die Leiter gezogen, können höhere Bewegungs-
der elementaren zyklischen Frequenzschnellig- frequenzen erzwungen werden. In . Abb. 5.15
keit. sind verschiedene Laufmuster dargestellt, die
bei optimaler Bewegungstechnik und -koordi-
Trainingsablauf Der Sportler startet vor der nation als Frequenzsprints durch die Koordina-
ersten Sprosse der Leiter und sprintet mit höchst- tionsleiter absolviert werden können.
möglicher Schrittfrequenz, kurzen Bodenkon-
taktzeiten und geringer Bewegungsamplitude mit
5 jeweils einem Bodenkontakt pro Feld durch die
Koordinationsleiter (. Abb. 5.14). Die Schritt-
länge wird durch die Größe der Felder begrenzt.

Variationen Die Schrittfrequenz kann weiter


gesteigert werden, indem der Sportler zwei oder
drei Schritte pro Feld absolviert. Es muss aber
immer eine optimale Bewegungstechnik ge-
währleistet sein. Die Übung kann mit mehr oder
weniger starkem Kniehub durchgeführt werden.
..      Abb. 5.14 Frequenzsprint durch die Koordina-
Sportspieler und Kampfsportler können die Lei-
tionsleiter
ter auch im Seitwärts- oder Rückwärtslaufen

..      Abb. 5.15 Laufmuster für Frequenz- linker Fuß


rechter Fuß
sprints durch die Koordinationsleiter
Schnelligkeitstraining
297 5
kST Beispiel 7: Variationen Die Tappings können in unter-
Tappings auf der Stelle (Nähmaschine) schiedlichen Positionen (stehend, sitzend, lie-
gend, im Liegehang; . Abb. 5.16b, c), Körper-
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung schwerpunkthöhen und Kniewinkeln sowie
der elementaren zyklischen Frequenzschnel- auf unterschiedlichen sportartspezifischen
ligkeit. Untergründen (z. B. Rasen) und unter Kör-
pergewichtsentlastung (z. B. durch das Ab-
Trainingsablauf Der Sportler realisiert über stützen auf zwei Turnkästen) absolviert wer-
die Vorstellung der schnellen und rhythmischen den. Anstelle von Tappings können Skippings
Bewegungsaktivität einer Nähmaschine hoch- mit und ohne Armeinsatz durchgeführt wer-
frequente Beintappings auf der Stelle. Die Füße den. Ebenso können Hand-, Arm oder Fin-
heben minimal vom Boden ab. Dadurch werden gertappings in unterschiedlichen Positionen
kurze Bodenkontakt- und Hubzeiten erreicht. absolviert werden.
Die Arme bewegen sich nicht mit (. Abb. 5.16a).

a b c

..      Abb. 5.16 Tappings im Stehen a, Sitzen b und Liegen c


298 T. Wiewelhove

kST Beispiel 8: aber in der Waden- und Oberschenkelmusku-


Fußgelenkssprünge latur – während des gesamten Bodenkontakts
aufrechterhalten werden. Der Absprung er-
Trainingsziel Ausbildung kurzer Zeitpro- folgt prellend aus dem Fußgelenk. Ziel ist es,
gramme bei einfachen reaktiven Bewegungen. bei möglichst geringer Bodenkontaktzeit
möglichst hoch zu springen.
Trainingsablauf Der Sportler absolviert
beidbeinige, prellende und in kurzen Serien Variationen Die Fußgelenkssprünge können
aufeinanderfolgende Sprünge in gestreckter als Seilspringen sowie vorwärts, rückwärts oder
Körperposition durch (. Abb. 5.17b). Die seitwärts durch eine Koordinationsleiter oder
Landung erfolgt jeweils auf dem Fußballen. über (Soft-)Hürden absolviert werden. In der
5 Während des Bodenkontakts sind die Knie Koordinationsleiter erfolgt ein Bodenkontakt
nicht oder nur wenig gebeugt (. Abb. 5.17a). pro Feld. Geschulte Sportler können die Fußge-
Im Fußgelenk darf nicht nachgegeben werden, lenkssprünge einbeinig durchführen. Auch kön-
und die Fersen dürfen nicht passiv auf den Bo- nen Sprungvariationen absolviert werden
den „durchschlagen“. Eine hohe Muskelspan- (z. B. Prellhopser, Anhocksprünge, Scheren-
nung muss im ganzen Körper – insbesondere sprünge, Jumping Jacks, usw.; . Abb. 5.17c, d).

a b

c d

..      Abb. 5.17 Prellsprünge. a, b Landung und Sprung, c, d Variationen


Schnelligkeitstraining
299 5
kST Beispiel 9: muss im ganzen Körper – insbesondere aber in
Nieder-Hoch-Sprünge (Drop Jumps) der Waden- und Oberschenkelmuskulatur –
während des gesamten Bodenkontakts auf-
Trainingsziel Ausbildung kurzer Zeitpro- rechterhalten werden. Der Absprung erfolgt
gramme bei einfachen reaktiven Bewegungen. prellend aus dem Fußgelenk. Ziel ist es, bei
möglichst geringer Bodenkontaktzeit möglichst
Trainingsablauf Nach dem Abfallen von ei- hoch zu springen.
ner Erhöhung springt der Sportler beidbeinig
vertikal ab (. Abb. 5.18a). Das Abfallen erfolgt Variationen Nieder-Hoch-Sprünge können
aus gestreckter Körperposition ohne Beugung von unterschiedlichen Fallhöhen durchgeführt
der Knie. Auch ein Abspringen sollte vermie- werden. Die Fallhöhe darf allerdings nur so
den werden. Die Landung erfolgt auf dem Fuß- noch sein, dass ein „Durchschlagen“ der Fer-
ballen. Während des Bodenkontakts sind die sen vermieden werden kann. Ansonsten muss
Knie nicht oder nur wenig gebeugt. Im Fußge- die Fallhöhe wieder reduziert werden. Unter-
lenk darf nicht nachgegeben werden und die suchungen deuten darauf hin, dass sich die
Fersen dürfen nicht passiv auf den Boden Trainingswirkung durch Fallhöhen von mehr
„durchschlagen“. Eine hohe Muskelspannung als 40 cm nicht weiter erhöht.

..      Abb. 5.18 Drop Jumps, a Grundversion


300 T. Wiewelhove

kST Beispiel 10: Nach den Landungen erfolgt der darauffolgende


Geprellte Liegestütze (Plyo Push-Ups) Liegestütz jeweils prellend mit möglichst gerin-
ger Bodenkontaktzeit. Gleichzeitig sollten sich
Trainingsziel Ausbildung kurzer Zeitpro- die Hände nach dem Abdruck bei gestreckten
gramme bei einfachen reaktiven Bewegungen Armen möglichst weit vom Boden entfernen.

Trainingsablauf Der Sportler absolviert beid- Variationen Zur Erleichterung der Übung
armige, angefallene, prellende und in kurzen können angefallene geprellte Liegestütze aus
Serien aufeinanderfolgende Liegestütze dem Kniestand oder mit einem Kasten
(. Abb. 5.19a). Die Liegestütze werden so aus- (. Abb. 5.19b) sowie angefallene geprellte
geführt, dass sich die Hände vom Boden lösen. Wandstütze (. Abb. 5.19c) absolviert werden.
5

..      Abb. 5.19 Plyo Push-Ups, a in der Standard-Liegestützposition, b mit Erhöhung, c als Wandstürz
Schnelligkeitstraining
301 5
kST Beispiel 11: (. Abb. 5.20a). Der Sportler kann sich vorstel-
Reaktive Medizinball-Brustpässe len, dass der Ball extrem heiß ist und er ihn
deshalb schnellstmöglich wieder loslassen will.
Trainingsziel Ausbildung kurzer Zeitpro- Das Gewicht des Medizinballs (ca. 1–3 kg)
gramme bei einfachen reaktiven Bewegungen. muss den Leistungsvoraussetzungen des Ath-
leten angepasst werden.
Trainingsablauf Der Sportler steht frontal in
kurzem Abstand vor einer Wand und absol- Variationen Neben dem Brustpass können
viert in kurzen Serien aufeinanderfolgende re- zum Beispiel auch Medizinball-Seitwürfe
aktive Brustpässe mit einem Medizinball bei und -Überkopfwürde durchgeführt werden
geringer Bewegungsamplitude gegen die Wand (. Abb. 5.20b, c).

..      Abb. 5.20 Reaktive Medizinballwürfe, a Brustpass, b Überkopf-, c Seitwurf


302 T. Wiewelhove

kST Beispiel 12: Variationen Die Starts können beispielsweise


Start Drills aus dem Liegen, aus der Schrittposition ohne
(Hochstartstellung) oder mit einseitigem Hand-
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung kontakt auf dem Boden, aus einer parallelen
der Antrittsschnelligkeit. Fußstellung heraus ohne oder mit einseitigem
Handkontakt auf dem Boden, aus dem Anfallen
Trainingsablauf Der Sportler startet aus un- (Fallstart), aus der Drehung oder fliegend erfol-
terschiedlichen Startpositionen, versucht maxi- gen (. Abb. 5.21a–c). Die Starts können ohne
mal schnell zu beschleunigen und eine kurze oder – als Kombination aus Reaktions- und An-
Strecke von ca. 10–20 m in der kürzest mögli- trittsschnelligkeitstraining – mit akustischem,
chen Zeit zurückzulegen (. Abb. 5.21). taktilem oder optischem Startsignal erfolgen.
5

a b

..      Abb. 5.21 a–c Varianten von Start Drills


Schnelligkeitstraining
303 5
kST Beispiel 13:
Sprint Drills

Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung


der Antritts- und/oder Sprintschnelligkeit.

Trainingsablauf Der Sportler startet aus un-


terschiedlichen Startpositionen, versucht maxi-
mal schnell zu beschleunigen und eine Sprint-
strecke von ca. 30–50 m in der kürzest möglichen
Zeit zurückzulegen (. Abb. 5.22). Zur Steige-
rung der Motivation sollten die Sprintzeiten bei- ..      Abb. 5.22 Sprint Drill
spielsweise mittels Lichtschrankensystem erfasst
und dokumentiert werden. tigem Handkontakt auf dem Boden, aus dem
Anfallen (Fallstart), aus der Drehung oder flie-
Variationen Die Starts können beispiels- gend erfolgen. Die Starts können ohne oder –
weise aus dem Liegen, aus der Schrittposition als Kombination aus Reaktions- sowie An-
ohne (Hochstartstellung) oder mit einseitigem tritts- und Sprintschnelligkeitstraining – mit
Handkontakt auf dem Boden, aus einer paral- akustischem, taktilem oder optischem Start-
lelen Fußstellung heraus ohne oder mit einsei- signal erfolgen.
304 T. Wiewelhove

kST Beispiel 14: (. Abb. 5.23). Zur Steigerung der Motivation


Richtungswechsel- und Wendigkeitssprints sollten die Richtungswechselsprintzeiten bei-
spielsweise mittels Lichtschrankensystem er-
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung fasst und dokumentiert werden.
der Richtungswechselsprintfähigkeit und Wen-
digkeit. Variationen Die Starts können aus unter-
schiedlichen Positionen ohne oder mit Start-
Trainingsablauf Der Sportler startet aus signal erfolgen (ST Beispiel 12 und 13). Es
unterschiedlichen Startpositionen, versucht kann aus zahlreichen Richtungswechselsprint-
maximal schnell zu beschleunigen und meh- mustern ausgewählt werden, die mehr oder
rere kurze bis mittlere Sprintstrecken (5–20 m) weniger sportartspezifisch sind und entweder
5 in kürzest möglicher Zeit zurückzulegen. Die die Richtungswechselsprintfähigkeit oder die
Sprintstrecken werden durch weiche (≤90°) Wendigkeit trainieren. Zudem können unter
und/oder scharfe (≥180°) Richtungswechsel anderem Liniendrills, Hütchendrills, Leiter-
unterbrochen. Die Richtungswechsel sollten drills oder Hürdendrills mit unterschiedlichen
ebenfalls in kürzest möglicher Zeit erfolgen, Laufmustern (Vorwärts-, Rückwärts- und Seit-
indem der Sportler maximal schnell abbremst wärtsläufe) absolviert werden. In . Abb. 5.24
und im Anschluss an den Richtungswech- sind beispielhaft der 20-m-Shuttle, S-, L-Run-,
sel wieder maximal schnell beschleunigt T-Run- und Cone-Spin-Drill dargestellt.

..      Abb. 5.23 Richtungswechselsprint


Schnelligkeitstraining
305 5
20 m

Start

Start 20-m-Shuttle-Drill

10 m

30 m
S-Drill

Start

L-Run-Drill

10 m

5m

10 m

T-Run-Drill

Cone-Spin-Drill
10 m

10 m

Start

Start

..      Abb. 5.24 Richtungswechsel- und Wendigkeitssprintmuster


306 T. Wiewelhove

kST Beispiel 15: den Stimulus möglichst schnell zu reagieren, ab-


Agility Drills zubremsen und die Laufrichtung zu ändern. Zur
Steigerung der Motivation sollten bei definier-
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung ten Sprintstrecken die Sprintzeiten beispiels-
der Agility. weise mittels Lichtschrankensystem erfasst und
dokumentiert werden.
Trainingsablauf Der Sportler absolviert An-
tritte bzw. Sprints und ändert als Antwort auf Variationen Es kann aus zahlreichen Sprint-
einen Stimulus schnellstmöglich die Sprintrich- und Bewegungsmustern ausgewählt werden, die
tung (. Abb. 5.25). Dabei versucht er, jeweils mehr oder weniger sportartspezifisch sind sowie
maximal schnell zu beschleunigen, die Sprint- weiche (≤90°) und/oder scharfe (≥180°) Rich-
5 strecke möglichst schnell zurückzulegen, auf tungswechsel beinhalten.

Lichtschranke Änderung der


Start initiiert den Stimulus Sprintrichtung
auf einer Leinwand projizierter
sportspezifischer Stimulus
4m

4m 4m
4m

..      Abb. 5.25 Reactive Agility Drills


Schnelligkeitstraining
307 5
kST Beispiel 16: gerung der Motivation sollten Weiten- oder Ziel-
Weitwurf orientierungen gegeben und die Wurfweiten er-
fasst und dokumentiert werden (z. B. mithilfe
Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung von markierten Zonen).
der azyklischen Schnelligkeit bei wurfverwand-
ten Bewegungen. Variationen Es kann aus dem Stand oder aus
vorbereitenden Bewegungen (Anlauf, Angleiten,
Trainingsablauf Der Sportler wirft unter- Drehung) und mit unterschiedlichen Wurfgerä-
schiedliche Wurfgeräte so weit, wie er kann ten (z. B. Tennisball, Handball, Baseball, Frisbee,
(. Abb. 5.26). Die Wurfbewegung sollte tech- Vortex, Medizinball, Stein, Kugel, Ring, Schlag-
nisch exakt ausgeführt werden bzw. in ihrer ball, Speer, Diskus, usw.) geworfen werden. Es
Grobform sicher beherrscht werden. Vor allem kann auch so hoch wie möglich geworfen wer-
etwas leichtere Wurfgeräte können bei instabiler den. Zur Verbesserung der Differenzierungsfä-
Technik technische Fehler provozieren. Zur Stei- higkeit kann zudem auf Vorgabe auf unter-
schiedlich weit entfernte Ziele geworfen werden.

kST Beispiel 17:


Radar

Trainingsziel Entwicklung und Verbesserung


der azyklischen Schnelligkeit bei sportartspezi-
fischen Bewegungen.

Trainingsablauf Der Sportler wirft, schießt


oder schlägt das jeweilige Sportgerät mit höchst-
möglicher Geschwindigkeit. Die Bewegung
sollte technisch exakt ausgeführt werden bzw. in
ihrer Grobform sicher beherrscht werden.
Würfe, Schüsse oder Schläge erfolgen auf ein
Ziel (z. B. Tor im Handball oder Fußball; Auf-
schlagfeld im Tennis). Die erreichten Wurf-,
Schuss- oder Schlaggeschwindigkeiten werden
mithilfe eines Radarmessgeräts erfasst und do-
kumentiert.

Variationen Schüsse, Würfe und Schläge


können aus dem Stand oder aus vorbereiten-
den Bewegungen (z. B. Anlauf, Absprung,
usw.) absolviert werden. Zur Verbesserung der
Differenzierungsfähigkeit kann zudem auf
Vorgabe unterschiedlich schnell geworfen, ge-
..      Abb. 5.26 Weitwurf mit unterschiedlichen Bällen schossen oder geschlagen werden.
308 T. Wiewelhove

kST Beispiel 18: stand absolviert werden. Zur organisatorischen


Zugunterstützungssprints Umsetzung von Zugunterstützungssprints ste-
hen zahlreiche Hilfsmittel bzw. Seilzugsysteme
Trainingsziel Verbesserung der Antritts- und/ zur Verfügung (u. a. verschiedene Tubes oder
oder Sprintschnelligkeit. der ivo TRAINER®).
Trainingsablauf Der Sportler wird über ein Variationen Zugunterstützungssprints kön-
Band, durch das er mit einem Trainingspartner nen über unterschiedliche Distanzen absol-
und einem Gewicht oder mit einem Helfer ver- viert werden. Bei kürzeren Distanzen steht
bunden ist, geschleppt (. Abb. 5.27). Er er- das Training schneller Antritte im Mittel-
reicht dadurch Schrittfrequenzen und Laufge- punkt. Bei längeren Distanzen wird die maxi-
5 schwindigkeiten, die über seinem normalen male Sprintgeschwindigkeit trainiert. Auf-
Sprintvermögen liegen. Der Sportler sollte sich grund der hohen Belastungsintensität sollten
vorrangig auf die korrekte Ausführung der die Streckenlängen aber nicht viel mehr als
wichtigsten Technikelemente konzentrieren. 30 m betragen. Die Zugunterstützungssprints
Aufgrund der supramaximalen Intensität soll- können zudem aus unterschiedlichen Start-
ten Zugunterstützungssprints in völlig ausge- positionen begonnen werden (z. B. Tiefstart
ruhtem und ausreichend aufgewärmten Zu- oder Hochstart).

..      Abb. 5.27 Zugunterstützungssprints mit verschiedenen Hilfsmitteln und Partnerunterstützung


Schnelligkeitstraining
309 5
kST Beispiel 19: lange Gerade als Auslauf zur Verfügung stehen,
Bergabsprints damit der Athlet seine erhöhte Laufgeschwin-
digkeit ohne gesteigertes Verletzungsrisiko ab-
Trainingsziel Verbesserung der Sprintschnel- bremsen kann.
ligkeit.
Variationen Bergabsprints können über un-
Trainingsablauf Der Sportler sprintet eine terschiedliche Distanzen und Streckenneigun-
leicht abschüssige Strecke hinab (. Abb. 5.28). gen absolviert und aus unterschiedlichen Start-
Er erreicht dadurch Schrittfrequenzen und positionen (z. B. Tiefstart oder Hochstart)
Laufgeschwindigkeiten, die über seinem nor- begonnen werden. Aufgrund der hohen Belas-
malen Sprintvermögen liegen. Der Sportler tungsintensität sollten die Streckenlängen aber
sollte sich vorrangig auf die korrekte Ausfüh- nicht viel mehr als 30 m betragen. Die Übung ist
rung der wichtigsten Technikelemente konzen- zudem – aus dem Sprint heraus – fliegend aus-
trieren. Aufgrund der supramaximalen Intensi- führbar. Es muss allerdings beachtet werden,
tät sollten Bergabläufe in völlig ausgeruhtem dass zu starke Streckenneigungen gefährliche
und ausreichend aufgewärmtem Zustand ab- Stürze verursachen können.
solviert werden. Zudem sollte eine ausreichend

..      Abb. 5.28 Bergabsprint


310 T. Wiewelhove

kST Beispiel 20: heraus prellend auf dem Fußballen abspringen.


Vertikale und horizontale Sprünge mit Kör- Ziel der Entlastung ist es, dass Bodenkontaktzei-
pergewichtsentlastung ten von unter 140 ms erreicht werden. Diese kön-
nen beispielsweise mithilfe einer Kontaktmatte
Trainingsziel Verbesserung der azyklischen erfasst und dokumentiert werden. Die Sprung-
Bewegungsschnelligkeit bzw. Entwicklung kur- techniken sowie das kurze Zeitprogramm beim
zer Zeitprogramme bei verschiedenen Sprung- Drop Jump müssen sicher beherrscht werden.
formen.
Variationen Es können Weitsprünge und
Trainingsablauf Unter Gewichtsentlastung Dreisprünge mit Anlauf sowie Nieder-Hoch-
absolviert der Sportler maximal hohe und/oder Sprünge und ein- und beidbeinige Sprungse-
5 weite Sprünge bei möglichst kurzen Bodenkon- rien (z. B. beidbeinige Hürdensprünge, Sprung-
taktzeiten, ohne dass dabei hohe Bodenreakti- läufe, Einbeinsprünge, Wechselsprünge, usw.)
onskräfte auftreten (. Abb. 5.29). Die Körperge- absolviert werden. Horizontale Sprungserien
wichtsentlastung kann durch Partner- oder können entweder auf dem Laufband mit Ent-
Gerätehilfen (z. B. Sprungspinne) erfolgen und lastung über einen Gummizug oder über eine
ermöglicht die Erreichung kürzester Absprung- Rollschiene mit einer beweglichen Rollenauf-
zeiten. Der Sportler darf die Körpergewichtsent- hängung eingesetzt werden, falls diese zur Ver-
lastung allerdings nicht passiv nutzen, sondern fügung steht.
sollte bewusst aus einer extremen Vorspannung

..      Abb. 5.29 Vertikalsprünge mit Körpergewichtsentlastung


Schnelligkeitstraining
311 5
kST Beispiel 21:
Schläge mit leichteren Schlaggeräten

Trainingsziel Verbesserung der azyklischen


Bewegungsschnelligkeit bzw. Entwicklung
kurzer Zeitprogramme bei verschiedenen
Schlagformen.

Trainingsablauf Mit leichteren Schlaggerä-


ten als dem Wettkampfgerät absolviert bzw.
simuliert der Sportler maximal schnelle
Schläge (. Abb. 5.30). Beispielsweise kann
ein Tennisspieler mit einem Badminton-
schläger maximal schnelle Schläge imitieren.
Die Schlagbewegung sollte technisch exakt
ausgeführt werden bzw. in ihrer Grobform
sicher beherrscht werden. Leichtere Schlag-
geräte können bei instabiler Technik techni-
sche Fehler provozieren.

Variationen Der Sportler kann die unter-


schiedlichen sportartspezifischen Schläge simu-
lieren (z. B. Vorhand, Rückhand, Aufschlag und
Schmetterball im Tennis).
..      Abb. 5.30 Simulierter Tennis-Aufschlag mit einem
Badminton-Schläger
312 T. Wiewelhove

kST Beispiel 22: Stroops®) oder einem Partner wird dem Athleten
Widerstandssprints das Sprinten erschwert. Dabei ist die maximale
aktive Mitarbeit des Sportlers notwendig. Die
Trainingsziel Verbesserung der Antritts- und Bewegungsfrequenz sollte über der des Wett-
Sprintschnelligkeit sowie der horizontalen Be- kampfs liegen und ggf. kontrolliert werden. Es ist
schleunigungsfähigkeit. zu beachten, dass die erschwerten Bedingungen
die maximalen Bewegungsgeschwindigkeiten
Trainingsablauf Der Sportler muss beim um nicht viel mehr als 10 % reduzieren sollten.
Sprinten gegen einen zusätzlichen Widerstand
arbeiten (. Abb. 5.31). Er erreicht dadurch hohe Variationen Widerstandsprints können über
Muskelzugspannungen, wodurch sich die Rek- unterschiedliche Distanzen absolviert (ca.
5 rutierungsrate schneller Muskelfasern verbes- 5–20 m) und aus unterschiedlichen Startposi-
sert. Mittels verschiedenster Gerätehilfen tionen begonnen werden (z. B. Tiefstart oder
(z. B. Tubes, Schleppschlitten, ivo TRAINER®, Hochstart).

..      Abb. 5.31 Widerstandssprints mit unterschiedlichen Hilfsmitteln und Partnerunterstützung


Schnelligkeitstraining
313 5
kST Beispiel 23: kST Beispiel 24:
Bergaufsprints Frequenzsprints mit Gewichtsmanschetten

Trainingsziel Verbesserung der Antritts- und Trainingsziel Verbesserung der Frequenz-


Sprintschnelligkeit sowie der horizontalen Be- schnelligkeit beim Sprinten.
schleunigungsfähigkeit.
Trainingsablauf Der Sportler absolviert ei-
Trainingsablauf Der Sportler sprintet eine an- nen Frequenzsprint durch Hindernisse hin-
steigende Strecke hinauf (. Abb. 5.32). Er er- durch und trägt dabei an den Sprunggelenken
reicht dadurch hohe Muskelzugspannungen, wo- Gewichtsmanschetten (. Abb. 5.33). Die Ge-
durch sich die Rekrutierungsrate schneller wichtsmanschetten sollten ein Gewicht von in
Muskelfasern verbessert. Es ist die maximale ak- etwa 0,1–1,0 kg haben und so befestigt wer-
tive Mitarbeit des Sportlers notwendig. Die Be- den, dass sie trotz schneller Bewegungen nicht
wegungsfrequenz sollte über der des Wettkampfs verrutschen können. Der Sportler durchsprin-
liegen und ggf. kontrolliert werden. Es ist zu be- tet maximal schnell eine Bahn mit flachen
achten, dass die erschwerten Bedingungen die Hindernissen oder eine Koordinationsleiter.
maximalen Bewegungsgeschwindigkeiten um Der Hindernisabstand ist variabel, sollte aber
nicht viel mehr als 10 % reduzieren sollten. eine Schrittverkürzung erzwingen. Die Fre-
quenzen sollten durch Zeitmessung kontrol-
Variationen Bergaufsprints können über un- liert werden.
terschiedliche Distanzen absolviert (ca. 5–20 m)
und aus unterschiedlichen Startpositionen be- Variationen Frequenzsprints mit Ge-
gonnen werden (z. B. Tiefstart oder Hochstart). wichtsmanschetten sind als Beschleuni-
Die Übung ist außerdem als Beschleunigungs- gungslauf oder – aus dem Sprint heraus –
lauf oder – aus dem Sprint heraus – fliegend aus- fliegend ausführbar. Das Gewicht der
führbar. Zudem können auch Treppen hinaufge- Manschetten oder der Abstand der Hinder-
sprintet werden. Bei Treppensprints sollte aber nisse kann variiert werden. Auch können an-
berücksichtigt werden, dass durch die Stolperge- dere Bewegungsformen über bzw. durch die
fahr das Sturz- und Verletzungsrisiko zunimmt. Hindernisse ausgeführt werden (z. B. Knie-
hebelauf, Kreuzlauf, Rückwärtslauf). Im
Sinne der Kontrastmethode können Fre-
quenzsprints mit Gewichtsmanschetten mit
Antritts- und Sprintschnelligkeitsübungen
unter „normalen“ und/oder erleichterten Be-
dingungen gekoppelt werden.

..      Abb. 5.32 Bergaufsprint ..      Abb. 5.33 Frequenzsprints mit Gewichtsmanschetten


314 T. Wiewelhove

kST Beispiel 25: rutierungsrate schneller Muskelfasern verbes-


Vertikale und horizontale Sprünge mit Zusatzlast sert. Mittels verschiedenster Gerätehilfen
(z. B. Gewichtsweste, Sandbag, Tubes) wird dem
Trainingsziel Verbesserung der azyklischen Athleten das Springen erschwert. Dabei ist die
Bewegungsschnelligkeit. maximale aktive Mitarbeit des Sportlers not-
wendig. Die Sprung- und Landetechniken müs-
Trainingsablauf Der Sportler absolviert ma- sen sicher beherrscht werden.
ximal hohe und/oder weite Sprünge und muss
dabei gegen einen zusätzlichen Widerstand ar- Variationen Es können Counter Movement
beiten (. Abb. 5.34). Er erreicht dadurch hohe Jumps, Squat Jumps und Nieder-Hoch-Sprünge
Muskelzugspannungen, wodurch sich die Rek- sowie Sprungserien absolviert werden.
5

..      Abb. 5.34 Vertikale Sprünge


mit Zusatzlast
Schnelligkeitstraining
315 5
kST Beispiel 26: schwereren Geräten begonnen. Zur Steigerung
Würfe mit schwereren Wurfgeräten der Motivation sollten Weiten- oder Zielorien-
tierungen gegeben und die Wurfweiten erfasst
Trainingsziel Verbesserung der Wurfschnel- und dokumentiert werden (z. B. mithilfe von
ligkeit. markierten Zonen).

Trainingsablauf Der Sportler absolviert Variationen Es kann aus der Wurfauslage


Wurfübungen mit schwereren Wurfgeräten als bzw. aus dem Stand oder aus vorbereitenden Be-
das Wettkampfgewicht bzw. mit anderen wegungen (z. B. Anlauf, Angleiten, Drehung,
schweren Wurfgeräten (. Abb. 5.35). Die Absprung) geworfen werden. Als schwerere
Wurfbewegung sollte technisch exakt ausge- Wurfgeräte eigenen sich beispielsweise (Medi-
führt werden bzw. in ihrer Grobform sicher be- zin-)Bälle, Kugeln, Disken, Hantelscheiben,
herrscht werden. Zudem sollte auf eine mög- Keulen, Stäbe, Speere, Steine oder Sandsäck-
lichst explosive Bewegungsausführung geachtet chen. Im Sinne der Kontrastmethode können
werden. Damit die Technik der Bewegungsaus- Würfe mit schwereren Wurfgeräten mit Wurf-
führung kaum beeinflusst wird, werden die übungen unter „normalen“ und/oder erleichter-
Wurfübungen zunächst nur mit geringfügig ten Bedingungen gekoppelt werden.

..      Abb. 5.35 Medizinballwürfe (https://doi.org/10.1007/000-052)


316 T. Wiewelhove

kST Beispiel 27: vollständige Fuß-, Knie- und Hüftstreckung


Sprint-ABC bzw. Körperstreckung, ein hoher Kniehub, ein
starkes Anfersen des von hinten nach vorn
Trainingsziel Ökonomisierung der Lauf- bzw. schwingenden Beines und eine leichte Oberkör-
Sprinttechnik sowie Verbesserung des Zusam- pervorlage. Zu den Übungen des Sprint-ABCs
menspiels einzelner Muskeln und Muskelgrup- zählen Fußgelenksarbeit, Skippings, Kniehebe-
pen sowie einzelner Körperteile und Teilbewe- lauf, Storchengang und Anfersen (. Abb. 5.36).
gungen beim Sprinten.
Variationen Übungen des Sprint-ABCs kön-
Trainingsablauf Der Sportler trainiert ein- nen mit unterschiedlichen Schrittfrequenzen
zelne, wesentliche Elemente der Lauftechnik. durchgeführt werden. Zur Unterstützung der
5 Übungen des Sprint-ABCs sollten dabei immer Ganzkörperstreckung kann eine Streckung der
technisch exakt ausgeführt werden (z. B. sollte Arme nach oben erfolgen. Die Übungen kön-
eine Oberkörperrücklage vermieden werden). nen zudem wechselseitig oder einseitig absol-
Erst bei technisch einwandfreier Ausführungs- viert werden. Außerdem kann aus allen Koor-
qualität darf die Ausführungsgeschwindigkeit dinationsläufen in den Sprint übergegangen
bzw. Bewegungsfrequenz erhöht werden. Das werden. Dies ermöglicht einen Transfer der
bedeutet auch, dass beispielsweise eine Erhö- während des Koordinationslaufs geübten
hung der Schrittfrequenz nicht mit einer Ver- Merkmale in den Sprintlauf. Beispielsweise
schlechterung der technischen Ausführung ein- kann ein flüssiger Übergang aus dem Kniehe-
hergehen darf. Auch ist darauf zu achten, dass belauf in den Sprint erfolgen. Dazu behält der
sich die Arme wechselseitig zu den Beinen in Sportler die Frequenz des Kniehebelaufs bei
leicht gebeugter Haltung bewegen. Für eine gute und vergrößert kontinuierlich die Schrittlänge.
Lauftechnik sind verschiedene Kriterien von Oberkörpervorlage, Ballenlauf sowie Fuß-,
Bedeutung. Hierzu zählen der Ballenlauf, eine Knie- und Hüftstreckung bleiben erhalten.

..      Abb. 5.36 Skip-


pings, Kniehebelauf,
Storchengang und
Anfersen (https://doi.
org/10.1007/000-
051)
Schnelligkeitstraining
317 5
kST Beispiel 28: weise eine Steigerung der Sprunghöhe nicht
Sprung-ABC mit einer Verschlechterung der technischen
Ausführung einhergehen darf. Unterschied-
Trainingsziel Ökonomisierung der Lauf- liche Armeinsätze sollten mit den Sprungbe-
bzw. Sprint- und Sprungtechnik sowie Verbes- wegungen koordiniert werden. Zum Sprung-
serung der reaktiven (Sprung-)Fähigkeiten ABC zählen folgende Übungen: Sprunglauf,
bzw. Schulung wesentlicher Bewegungsmerk- Einbeinsprünge, Wechselsprünge, Hopser-
male des Abspringens und Landens, lauf, Prellhopser, Prellsprünge, Steigsprünge
und Froschhüpfer (. Abb. 5.37).
Trainingsablauf Der Sportler absolviert un-
terschiedliche ein- und beidbeinige sowie ver- Variationen Die Sprungformen können ein-
tikale und horizontale Sprungformen. Diese und beidbeinig, vorrangig vertikal oder mit
sollten immer technisch exakt ausgeführt horizontaler Komponente sowie aus dem
werden. Beispielsweise muss die Rumpfmus- Stand oder dem Anlauf absolviert werden. Zu-
kulatur stark angespannt werden. Bei vielen dem können Sprunghöhen und -weiten (auch
Sprungformen ist zudem ein möglichst kur- innerhalb einer Sprungserie) sowie ggf. die Be-
zer Bodenkontakt erforderlich. Aufgrund der wegungsschnelligkeit (z. B. beim Sprunglauf)
teils hohen Beanspruchungen des aktiven variiert werden. Wechselsprünge können in
und passiven Bewegungsapparats sollte un- unterschiedlichen Rhythmen durchgeführt
bedingt auf eine angemessene Landetech- werden (z. B. re-re-li-­li-re-re-li-li-etc. oder re-
nik hingearbeitet werden. Erst bei technisch re-re-li-li-li-re-re-re-li-li-li-etc.). Es kann über
einwandfreier Ausführungsqualität darf die unterschiedlich hohe und weit voneinander
Sprunghöhe und/oder Sprungweite erhöht entfernte Hindernisse gesprungen werden.
werden. Das bedeutet auch, dass beispiels-

..      Abb. 5.37 Sprung-


lauf, Einbeinsprünge,
Prellhopser und
Froschhüpfer
318 T. Wiewelhove

5.6 Aufgaben zur Nachbereitung Schwimmsport fähig waren? Diskutieren


des Kapitels Sie in diesem Zusammenhang kritisch,
inwieweit genetische bzw. anlagebedingte
Faktoren, aber auch soziologische bzw.
traditionell-gesellschaftliche Aspekte
Höchstleistungen in unterschiedlichen
schnelligkeitsdeterminierten Sportarten
bzw. Disziplinen beeinflussen.
4. Benennen Sie allgemeine trainingsmetho-
dische Leitlinien zum Schnelligkeitstrai-
5 ning.
5. Erstellen Sie ein vierwöchiges, schnellig-
keitsspezifisches Trainingsprogramm für
eine ausgewählte Sportart bzw. Disziplin
mit dem Ziel, eine spezifische, schnellig-
keitsdeterminierte Bewegung zu verbes-
sern (z. B. Schlagwurf im Handball,
Richtungswechselsprintschnelligkeit im
Fußball, Beschleunigungsleistung im
100-m-Sprint).
6. Ermitteln und dokumentieren Sie Ihre
Leistung im Standweitsprung und im Jump
& Reach Test. Absolvieren sie beim Jump &
Reach Test verschiedene Varianten (z. B.
ohne und mit Anlauf, ein- und beidbeini-
ger Absprung nach Anlauf) und finden Sie
heraus, mit welcher Variante Sie die
höchste Sprunghöhe erreichen. Recher-
1. Diskutieren Sie den Fähigkeitscharakter chieren Sie aus der Literatur Normwerte
und die Erscheinungsformen der Schnel- für die Leistung im Standweitsprung und
ligkeit mithilfe der trainingswissenschaft- im Jump & Reach Test und vergleichen Sie
lichen Literatur und erläutern Sie die Ihre erreichten Werte mit den ermittelten
verschiedenen Optionen zur Einordnung Normwerten. Recherchieren Sie aus der
der Schnelligkeit in die allgemeine sport- Literatur außerdem den Zusammenhang
motorische Leistungsfähigkeit. zwischen der Sprungleistung und der
2. Fassen Sie die aus Ihrer Sicht wichtigsten Sprintleistung.
Einflussgrößen auf die informatorische und
motorische Schnelligkeit zusammen und
erstellen Sie eine Prioritätenliste von Literatur
Einflussgrößen auf die Schnelligkeitsleis-
tung in einer Sportart bzw. Disziplin Ihrer Al Attar, W. S., Soomro, N., Sinclair, P. J., Pappas, E., &
Wahl. Diskutieren Sie hierbei auch, Sanders, R. H. (2017). Effect of injury prevention
inwieweit die Einflussgrößen trainierbar programs that include the nordic hamstring exer-
cise on hamstring injury rates in soccer players: A
bzw. von der Veranlagung abhängig sind. systematic review and meta-analysis. Sports Medi-
3. Warum gewann zum letzten Mal 1972 ein cine, 47, 907–916.
nicht dunkelhäutiger Sprinter Olympiagold Andersson, S. H., Barh, R., Clarsen, B., & Myklebust, G.
über 100 m, während Schwarzafrikaner (2017). Preventing overuse shoulder injuries
bislang selten zu Höchstleistungen im among throwing athletes: A cluster-randomised
Schnelligkeitstraining
319 5
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323 6

Beweglichkeitstraining
Hubert Remmert

6.1  edeutung und Erscheinungsformen der


B
Beweglichkeit – 324

6.2 Biologische Grundlagen – 325


6.2.1  elenkstrukturen und Beweglichkeit – 326
G
6.2.2 Muskelphysiologische Grundlagen und Dehneffekte – 327
6.2.3 Bindegewebe und Nervensystem – 330

6.3 Anpassungseffekte durch Dehnen – 334

6.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 335


6.4.1  elastungsdosierung – 338
B
6.4.2 Anforderungsgerechtes Beweglichkeitstraining – 338

6.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 339

6.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 343

Literatur – 343

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_6
324 H. Remmert

Sport ist Bewegung! Bewegung braucht Be- reitung) und langfristige (Erreichen endgradiger
weglichkeit! Aber wie viel Beweglichkeit erfor- Gelenkwinkel) Ziele. Langfristig gesehen wirken
dern unterschiedliche sportliche Aktivitäten? sämtliche Methoden ähnlich gut. Als Muskel-
Beweglichkeit und Stabilität sind die zwei Sei- kater- und Verletzungsprophylaxe ist alleiniges
ten einer Medaille. Dehnen ungeeignet, wichtiger sind Maßnahmen
der aktiv-dynamischen Bewegungsanbahnung.
Zusammenfassung Moderne Warm-up-Programme berücksichtigen
Ausreichend beweglich ist, wer seine/ihre (sport- die Funktionalität sportartspezifischer Bewe-
lichen) Tätigkeiten ökonomisch und (weitgehend) gungsmuster zur Aktivierung, Mobilisierung und
widerstandsfrei ausführen kann. Die Beweglich- Stabilisierung.
keit als eine der fünf motorischen Hauptbean-
spruchungsformen rückt demnach immer dann
in den Aufmerksamkeitsfokus, wenn sie unzurei- 6.1 Bedeutung und
6 chend ausgeprägt ist und bewegungslimitierend Erscheinungsformen der
wirkt. Der Beweglichkeit sind durch Gelenk- und
Beweglichkeit
Bindegewebsstrukturen, Muskellängen und
-massen sowie äußere Faktoren wie Temperatur
Ein „beweglicher“ Athlet wird nicht über ab-
und Tageszeit Grenzen gesetzt, die sich insbe-
solute Normen, sondern disziplinspezifische
sondere hinsichtlich der Flexibilität oder Dehnfä-
Anforderungen und seine individuelle Mor-
higkeit von Muskulatur und Bindegewebe durch
phologie definiert. So sind Basketballspieler
Training beeinflussen lassen. Wie mobil und/oder
anders beweglich als Hürdensprinter und dies
stabil Athleten in einzelnen Gelenksystemen sein
nicht nur global (in allen Gelenksystemen),
müssen, wird durch die sportartspezifischen An-
sondern auch segmental (einzelne, leistungs-
forderungen an die spezielle Beweglichkeit vor-
bestimmende Systeme betreffend). Es gibt nur
gegeben. Mobilität und Stabilität können konkur-
wenige Hochleistungsdisziplinen, in denen
rierende Trainingsziele darstellen, die nicht immer
eine allgemein maximale Beweglichkeit gefor-
unter dem Aspekt der langfristigen Athleten-
dert ist (z. B. Rhythmische Sportgymnastik),
gesundheit bedient werden (z. B. Rhythmische
i. d. R. benötigen sportliche Leistungen eine
Sportgymnastik). Maßnahmen des Dehnens wir-
hinreichend große (optimale) Beweglichkeit in
ken kurz- und langfristig auf die Vergrößerung der
spezifischen Gelenksystemen.
möglichen Bewegungsradien, ohne jedoch den
(durch die in den Sarkomeren liegenden Struktur-
proteine der Titinmoleküle induzierten) inneren Beweglichkeit ist die Fähigkeit, willkürliche
Spannungswiderstand der Muskulatur nachhaltig Bewegungen mit großen Schwingungs-
zu beeinflussen. Dieser ist vom unwillkürlichen weiten in den beteiligten Gelenksystemen
Spannungstonus aufgrund von reflektorischen auszuführen. Limitierend wirken dabei die
Verschaltungen zu unterscheiden. Der unwillkür- knöchernen Strukturen der Gelenke
liche Spannungstonus ist neurogener Natur und (Gelenkigkeit) und die Eigenschaften der
kann unterschiedliche Ursachen (z. B. Schmerzen Muskeln, Sehnen, Bänder und des
aufgrund von Entzündungen, Verletzungen etc.) Bindegewebes (Flexibilität, Dehnfähigkeit).
haben. Das Erreichen größerer Gelenkwinkel
nach dem Dehnen wird vorrangig auf eine kurz-
und langfristige Adaptation der Schmerzrezep-
toren zurückgeführt. Die Vielfalt der möglichen Im Allgemeinen hat das „Dehnen“ die Zielset-
Dehninterventionen (statisches und dynamisches zung, die Flexibilität kurz- und langfristig zu
Dehnen, komplexe PNF-Methoden) bietet auf- beeinflussen. Extreme und umfangreiche
grund spezifischer Anpassungseffekte adäquate Dehninterventionen in frühen Entwicklungs-
Trainingsmethoden für kurz- (Wettkampfvorbe- phasen, in denen die Verknöcherung des Ske-
Beweglichkeitstraining
325 6
lettsystems noch nicht abgeschlossen ist, wir- Praxistipp
ken zudem auf die Gelenkigkeit – jedoch
häufig um den Preis einer verminderten Stabi- Aus sportpraktischer Perspektive wäre eine
lität insbesondere in nachsportlichen Lebens- Einteilung in Eigen- und Fremddehnung
phasen, wenn die Trainingsumfänge zur Siche- sinnvoller: Eigendehnungen können „aktiv“
rung der ausgleichenden Muskelkräfte durch eigene Muskelkraft oder „passiv“ mit
nachlassen (Bsp.: Hypermobilität der Wirbel- Hilfsmitteln wie Wänden und Griffstangen
säule im Frauenturnen). Beweglichkeit ist also realisiert werden, Fremddehnungen nur
immer im Kontext von Stabilität zu beurteilen mithilfe von Partnern (Wydra et al. 1999).
(Remmert 2007).
Meist wird in allgemeine (globale) und
spezifische (segmentale), aktive und passive
sowie statische und dynamische Beweglich- 6.2 Biologische Grundlagen
keit differenziert (. Abb. 6.1). Die allgemeine
Beweglichkeit beschreibt eine „normale“ Be- Beweglichkeitsleistungen hängen von ver-
weglichkeit für den Alltag und grundlegende schiedenen exogenen (äußeren, personexter-
sportliche Aktivitäten. Spezifische sportliche nen) und endogenen (inneren, personinter-
Anforderungen verlangen eine spezielle Mo- nen) Faktoren ab (. Abb. 6.2). Die exogenen
bilität in bestimmten Gelenksystemen wie Faktoren wirken global auf Gelenkigkeit und
etwa die Spreizfähigkeit in den Hüftgelenken Flexibilität. Tageszeit, Außentemperatur und
beim Hürdensprinter. Aktiv werden Gelenk- einwirkende Kräfte beeinflussen die Beweg-
positionen durch Einsatz der eigenen, antago- lichkeit als Ganzes. Die inneren Wirkfaktoren
nistisch kontrahierenden Muskulatur einge- lassen sich präziser den beiden Dimensionen
nommen, die passive Beweglichkeit wird der Beweglichkeit zuordnen. Die hochgradig
durch den Einsatz äußerer Kräfte bestimmt trainierbare Flexibilität hängt unmittelbar von
und ermöglicht die Einnahme extremerer Ge- der aktuellen Dehnfähigkeit der Muskeln, Seh-
lenkpositionen. Zuletzt wird zwischen stati- nen, Bänder und Gelenkkapseln ab. Diese wird
scher und dynamischer Beweglichkeit unter- wiederum massiv von neurophysiologischen
schieden: Statische Gelenkpositionen werden Bedingungen wie Erregung und Ermüdung,
über einen längeren Zeitraum beibehalten, antagonistischen Kräften und den jeweils herr-
bei der dynamischen Beweglichkeit werden schenden Stoffwechselbedingungen beein-
Bewegungsendpositionen dagegen nur kurz- flusst. Die (mechanische) Gelenkigkeit wird
zeitig, rhythmisch hintereinander (intermit- durch Gelenkstrukturen und umgebende Mus-
tierend) eingenommen. kelmassen limitiert, ist im Erwachsenenalter

Beweglichkeit

allgemein spezifisch
durchschnittliches Niveau an Beweglichkeit spezielle Beweglichkeitsanforderungen im Sport

statisch dynamisch statisch dynamisch

aktiv passiv aktiv passiv aktiv passiv aktiv passiv

..      Abb. 6.1 Formen der Beweglichkeit (Thienes 2000, S. 34)


326 H. Remmert

Beweglichkeit

endogene Faktoren exogene Faktoren

Dehnfähigkeit Gelenkigkeit äußere Kräfte


von Muskeln, Sehnen, (mechanische Außen- (Partner,
Bändern, Gelenkkapseln Beweglichkeit) temperatur Schwerkraft,
beeinflussbar kaum beeinflussbar Massenträgheit)

neurophysiologische Tageszeit
antagonis-
Bedingungen Stoffwechsel
tische Kraft
(emotionaler Erregungs- (Blutlaktat, Kör-
bei aktiver
zustand, Koordinationsver- pertemperatur)
Dehnung
6 mögen, Ermüdungsgrad)

anthropogene
Gelenk- Umfang der
Voraussetzungen
struktur Muskelmassen
(Alter, Geschlecht)

..      Abb. 6.2 Einflussfaktoren der Beweglichkeit (Maehl 1986, S. 11)

nicht mehr beeinflussbar, ggf. im höheren Al- Im Altersgang verfestigt sich ganz allgemein
ter durch Anpassungs- und Verschleißprozesse das Gewebe, Konsequenz ist eine stetige Ab-
zusätzlich eingeschränkt sowie bei Frauen und nahme der Beweglichkeit. Frauen weisen dabei
Männern grundsätzlich unterschiedlich ausge- im Vergleich zu Männern eine geringere Gewe-
prägt. bedichte auf und sind damit grundsätzlich in al-
len Altersgruppen beweglicher. Bei Inaktivität
vermindert sich die Beweglichkeit rasant, regel-
Praxistipp
mäßige alltägliche und sportliche Beanspru-
chungen reduzieren jedoch die entwicklungsbe-
Kurzfristig beeinflussbare Wirkfaktoren
spielen eine besondere Rolle im Beweglich-
dingten Negativeffekte auf ein Minimum, wie
keitstraining. Trainingsplanung und -um-
z. B. aktive Turnerinnen und Turner weit jenseits
gebung lassen sich beispielsweise gezielt
des Rentenalters beweisen. „Die Trainierbarkeit
auf Tageszeit und Außentemperatur aus-
der Beweglichkeit ist unabhängig von Alter und
richten, sodass Beweglichkeitseinschrän-
Geschlecht“ (Olivier et al. 2008, S. 251).
kungen nach Inaktivitätsphasen oder bei
niedrigen Umgebungstemperaturen kom- 6.2.1  elenkstrukturen und Be-
G
pensiert werden können. Eine ausrei- weglichkeit
chende Vorbereitung des Organismus
durch physiologisch wirksames Aufwärmen Die anatomische Beweglichkeitsgrenze eines
und neuronale Aktivierungsmaßnahmen ist Gelenks wird von seiner knöchernen Struktur
auch im Beweglichkeitstraining notwendig. bestimmt. Das Schultergelenk beispielsweise
Zudem sollten starke muskuläre Erschöp- ist ein sogenanntes Kugelgelenk und besitzt
fungszustände berücksichtigt werden. Im damit größere Freiheitsgrade in seinen Bewe-
Anschluss an belastende Trainingsmaßnah- gungsmöglichkeiten als das Ellenbogengelenk,
men sind vorsichtig dosierte, regenerativ das als Scharniergelenk auf eine einfache
wirksame Dehninterventionen anzuraten. Beuge- und Streckbewegung beschränkt ist.
Das Kniegelenk, ein Kondylengelenk, weist
Beweglichkeitstraining
327 6
..      Abb. 6.3 Unter-
Elle
schiedliche Formen
dominierender Oberarm-
knochen
Gelenkhemmungen: a
Knochen-, b Massen-, c
Muskel-, d Bänderhem-
mung (Klee und
Wiemann 2005, S. 23)
b

a Ellenbogen

c d

wiederum im Prinzip die Bewegungsmöglich- lenk (. Abb. 6.3c). Darüber hi­naus sind Mas-
keiten eines Scharniergelenks auf, lässt aber in senhemmungen der Muskulatur wie bei Body-
bestimmten Beugewinkeln auch Rotations- buildern möglich (. Abb. 6.3b).
und Gleitbewegungen zu.
Je höher die Freiheitsgrade eines Gelenks Praxistipp
sind, desto effektiver muss es durch umgebende
Muskeln, Sehnen, Bänder und Kapseln ge- Aus diesen strukturell-physiologischen
schützt werden. Diese „weichen“ Strukturen Gegebenheiten lässt sich eine wichtige
bestimmen die physiologische Beweglichkeits- Konsequenz für das praktische Training
grenze des Gelenks. Bewegungshemmungen ableiten (Wiemann 1993): Nur dort, wo
durch Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke bzw. Gelenksysteme in ihrer
Kapseln (. Abb. 6.3) wirken dabei stets zusam- Reichweite durch die muskuläre Ruhe-
men. Im Ellenbogengelenk wird die Grenze der spannung eingeschränkt werden (Muskel-
Beweglichkeit vorrangig durch die knöcherne hemmung), ist eine Verbesserung der
Hemmung bestimmt (. Abb. 6.3a), der Kapsel- Dehnfähigkeit der Muskulatur durch Deh-
und Bandapparat verhindert eine Überstre- nungsmaßnahmen möglich und sinnvoll.
ckung. Das Kniegelenk wird dagegen haupt-
sächlich durch die so genannte Bänderhemmung
geführt (. Abb. 6.3d), die aufeinandertreffen- 6.2.2  uskelphysiologische
M
den Gelenkflächen sind für eine vorrangig knö- Grundlagen und Dehneffekte
cherne Hemmung zu klein. Muskuläre Hem-
mungen resultieren aus der passiven Ein gesunder, nicht kontrahierter Muskel setzt
Ruhespannung (7 Abschn. 6.2.2) eines Muskels einer erzwungenen Dehnung die sogenannte
und finden sich dort, wo ein Muskel mehr als „Ruhespannung“ entgegen, die mit dem
ein Gelenk überspannt wie beispielsweise die Grad der Dehnung exponentiell ansteigt
Beugemuskulatur von Fingern und Handge- (. Abb. 6.4). In vollkommen entspannter,
328 H. Remmert

..      Abb. 6.4 Ruhe-


spannungs-Dehnungs-
kurve (Wiemann 2000,
S. 96)

physiologischer
Ruhe-Dehnungsspannung

Dehnbereich
Ruhelänge

experimenteller
6 Dehnbereich

90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200
Dehnungsgrad (%)

Exkurs: Effekte von Muskeldehnungen

Am Verhalten der Ruhespannungs-­Dehnungskurve tativ dominiert. Da sowohl die kontraktilen als


lassen sich die kurz- und langfristigen Effekte eines auch die passiven Strukturproteine an wiederholte
Dehntrainings erläutern. Kurzfristig sorgt eine Belastungen durch Wachstum (Hypertrophie) adap­
akute Muskeldehnung für ein moderates Absenken tieren, steigen die passiven „Rückstellkräfte“ bei
der passiven Ruhespannung, weshalb sich ein ge- strukturellen Anpassungen des Muskels auf Bean-
dehnter Muskel vergleichsweise entspannt und „lo- spruchungen verhältnismäßig stärker an. Diese An-
ckerer“ anfühlt (. Abb. 6.5). Diese kurzfristigen Ef- passungsreaktionen zeigen sich sowohl auf Deh-
fekte sind neben der akuten Einstellung der nungen als auch auf wiederholte Kontraktionen.
Schmerzrezeptoren auf die Dehnreize vornehmlich Kraft- und Dehntraining führen also in der Muskel-
auf Verformungen des Muskel- und Sehnengewe- zelle zu ähnlichen Wachstumsprozessen. Demzu-
bes zurückzuführen, die nach 15 bis 60 Minuten folge setzen (nach Dehn- oder Krafttraining) hyper-
vollständig abgeklungen sind (Viskoelastizität). trophierte Muskeln einer Dehnung zwar größere
Langfristig regelmäßige Dehnungen führen passive Ruhespannungen entgegen, bewahren
sowohl (1) zu einer Erhöhung der Ruhespannung oder erweitern jedoch gleichzeitig ihre Dehnfähig-
als auch (2) zu einer größeren Gelenkreichweite keit im Rahmen der motorischen Beanspruchung.
(. Abb. 6.6). Innerhalb eines Sarkomers sind die Ein Dehn- wie auch ein Krafttraining über vollstän-
kontraktilen Myosinfilamente durch Titinmoleküle dige Bewegungsamplituden führen mittel- und
mit den Z-Scheiben verbunden. Titin sorgt dafür, langfristig zur Gewöhnung der Schmerzrezeptoren
dass sich ein Sarkomer nach einer Dehnung wieder an endgradige Gelenkpositionen und ermöglichen
zur Ausgangslänge zusammenzieht (. Abb. 6.7). sukzessiv die Ausweitung der Gelenkreichweiten.
Jedes einzelne Myosinmolekül wird nun von sechs Eine Längenanpassung der Muskulatur ist durch
Titinmolekülen umringt, wodurch das Titin quanti- Dehnprogramme nicht zu erreichen.
Beweglichkeitstraining
329 6

100

Zunahme der submaximalen


95 Dehnungsspannung von 21,1 %
Dehnungsspannung (%)

durch 60 Minuten Pause

90
Zunahme der submaximalen Dehnungs-
spannung von 13,3 % durch 15 Minuten Pause

85
Zunahme der submaximalen Dehnungsspannung von 4 % durch 3 Minuten Pause
80
Abnahme der submaximalen Dehnungsspannung von 22,2 % durch 4 Dehnungen

0 10 20 30 40 50 60 70
Zeit (min)

..      Abb. 6.5 Die Abnahme der submaximalen Dehnungsspannung durch vier Dehnungen und der
Wiederanstieg nach 3, 15 und 60 min (Klee und Wiemann 2002, S. 8)

..      Abb. 6.6 Verände- 140


rung der Ruhespan-
nung durch ein 120
10-wöchiges Dehntrai- Zunahme der maximalen
Dehnungsspannung (Nm)

ning: Vt = vor der Dehnungsspannung


100
Trainingsphase,
Nt = nach der
80
Trainingsphase (Klee
Zunahme der submaximalen
2003, S. 174)
60 Dehnungsspannung

40

20 Vt
Nt
0
0° 20° 40° 60° 80° 100° 120° 140°
Hüftbeugewinkel

..      Abb. 6.7 Schematische Darstellung des Z-Scheibe Titin M-Linie


Dehnungsgrad:
Sarkomers bei Dehnung: ge = gering
elastische, he = hoch elastische (PEVK), 106,4 %
ne = nicht elastische (mit dem Myosin
gekoppelte) Region des Titinfilaments ge he ge ne
(Wiemann und Klee 2000, S. 7) ca. 130 %

160,6 %

Aktin Myosin
330 H. Remmert

i. d. R. mittlerer Gelenkposition ist kein „Mus- gungssteuerung erst ermöglicht. Sie sind nur
keltonus“ messbar, insofern können Dehnin- kurzfristig und in geringem Maße plastisch
terventionen auch nicht Tonus senkend wirken verformbar und kehren bei nachlassenden
(Klee 2006). Der hoch adaptive Muskel passt Kräften schnell in ihre Ausgangslage zurück.
sich dagegen in seiner Länge an seine Haupt- Die strukturelle Länge von Sehnen bleibt auch
beanspruchungsmuster an, sodass z. B. die bei wiederholten Dehninterventionen unver-
„funktionale Länge“ der ischiocruralen Mus- ändert, ansonsten könnten die Sehnen ihren
kulatur bei vorwiegend sitzender Tätigkeit ge- mechanischen Aufgaben nicht nachkommen.
genüber der menschlichen „Normallänge“ ab- Sie passen sich ebenso wie die Muskeln an
nimmt (entwicklungsgeschichtlich gesehen ist mechanische Belastungen an, benötigen dazu
der Mensch ein aufrechter Fußgänger). Eine aber deutlich längere Zeiträume. So kann es
entsprechend kurze Ischiocruralmuskulatur bei hohen Kraftzugewinnen in kurzer Zeit
produziert damit beim aufrechten Gang ein durchaus dazu kommen, dass ein Missver-
6 Grundmaß an Spannung, da diese Haltung be- hältnis zwischen aktiver Kraftmobilisierung
reits einer erzwungenen Dehnung entspricht. und passiver Belastungsverträglichkeit mit
Bei akuten oder chronischen Schädigungen entsprechendem Verletzungspotenzial ent-
kommt es sogar dazu, dass eine erhöhte elekt- steht.
rische Aktivität der gelenkumschließenden Bänder sind Verbindungen zwischen knö-
Muskulatur (u. a. bedingt durch reflektorische chernen Strukturen wie z. B. die Kreuz- und Sei-
Verschaltungen) für eine Schonhaltung betrof- tenbänder des Kniegelenks. Gegenüber den Seh-
fener Gelenksysteme sorgt. Einer derart dauer-
innervierten und -kontrahierten Muskulatur Exkurs: Bewegungssteuerung
muss mit therapeutischen Maßnahmen entge-
gengewirkt werden. Ein Dehntraining wirkt Bewegungen werden durch das Zusammenspiel
unter Umständen kontraproduktiv und von zentralem Nervensystem (ZNS) mit der aus-
führenden Muskulatur gesteuert (Koordination).
schmerzverstärkend.
Der Informationsaustausch vollzieht sich über
die Nervenbahnen des peripheren Nervensys-
tems, deren Zellkörper im Rückenmark und in
den Spinalganglien liegen.
6.2.3  indegewebe und Nerven-
B
system
Wie die kontraktile Muskulatur adaptieren auch nen sind Bänder deutlich elastischer und in
die passiven Bindegewebsstrukturen an Belas- vielfältigere Zugrichtungen belastbarer. Gelenk-
tungen. Sie werden stärker und damit zugfester, kapseln wiederum enthalten nur wenige elasti-
womit eine Erhöhung der ­mechanischen Be- sche Fasern, sind insgesamt fester und umschlie-
lastbarkeit bei gleichzeitiger Zunahme der pas- ßen die Gelenke. Bänder und Gelenkkapseln
siven Dehnungsspannung einhergeht. Im Kon- zusammen begrenzen die Gelenkbeweglichkeit
text des Beweglichkeitstrainings sind davon und sollten i. d. R. nicht über ihre natürliche Be-
hauptsächlich die Sehnen, Bänder, Gelenkkap- weglichkeit hinaus gedehnt werden, was grund-
seln und Muskelfaszien betroffen. sätzlich in gewissen Grenzen möglich ist. Die
Sehnen bestehen aus in Längsrichtung an- Folge einer erhöhten Gelenkbeweglichkeit sind
geordneten Kollagenfasern und ermöglichen jedoch höhere mechanische Freiheitsgrade und
eine effiziente Kraftübertragung der Muskeln damit strukturelle Instabilitäten, die durch die
auf das Skelettsystem. Sie puffern hohe Kraft- aktive Muskulatur kompensiert werden müssen.
spitzen ab, was eine feinmotorische Bewe- Mit Ausnahme von Beweglichkeitseinschrän-
Beweglichkeitstraining
331 6
kungen als Folge länger dauernder Immobilisie- tur direkter auf Längenänderungen reagiert
rungen ist das gezielte Dehnen des Bänder-Kap- und insgesamt in einen „angespannten“ Zu-
sel-Apparates demnach kritisch zu sehen. stand versetzt wird. Eine gegenteilige Deakti-
Das Gerüst der Skelettmuskulatur wird durch vierung des ZNS führt zu tiefen Entspan-
die parallel-elastischen Bindegewebe gebildet, nungszuständen und Desensibilisierung der
insbesondere die Muskelfaszien als äußere Mus- Rezeptoren. Je nach Sportart, Disziplin und
kelhüllen. Faszien spielen bei der Kräftevertei- Trainings- bzw. Wettkampfsituation muss der
lung und -übertragung eine wichtige Rolle und entsprechend optimale Erregungszustand des
ermöglichen Verschiebungen der Muskelfasern ZNS gefunden bzw. herbeigeführt werden.
innerhalb der Muskulatur. Die Kollagenfasern Die peripheren Nervenleitungen sind
der Faszien sind scherengitterartig angeordnet i. d. R. gemischter Natur und leiten efferente
und können so ohne eigene Längenveränderun- Impulse an die Muskulatur, afferente Informa-
gen auf Dehnungen der Muskulatur reagieren. tionen fließen zurück an das Zentralnerven-
Kräftige Muskelbündel üben einen unter Um- system. Sie sind wie das Bindegewebe dehnbar,
ständen hohen inneren Druck auf die umgeben- je nach Art in unterschiedlichem Ausmaß von
den Faszien aus, was sich in einem erhöhten pas- bis zu 20 % ihrer Ursprungslänge. Nervenbah-
siven Dehnungswiderstand bemerkbar macht. nen können durch traumatische Ereignisse
Bei hohen myofaszialen Spannungen können überdehnt werden und reißen, jedoch
Faszien durch gezielte physiotherapeutische ­existieren neben ihren besonderen strukturel-
Techniken gedehnt werden, wobei mögliche Er- len Eigenschaften (Anordnung, Lage zu den
klärungsansätze wissenschaftlich bislang unzu- Gelenken, Elastizität und Plastizität) verschie-
reichend erforscht sind. Nichtsdestotrotz erfreut dene Schutzmechanismen in Form reflektori-
sich der undifferenzierte Einsatz von „Faszienrol- scher Verschaltungen zur autonomen Bewe-
len“ im Sport zunehmender Beliebtheit. gungssteuerung.
Der Aktivierungszustand des ZNS beein- Je nach Lage peripherer Nerven werden
flusst die Dehn- und Belastbarkeit der Musku- diese bei Dehnübungen bis zur Schmerz-
latur global. Eine hohe zentralnervöse Akti­ grenze strapaziert. So wird beispielsweise der
vierung führt zur Sensibilisierung der vom Rückenmark bis in den Fuß hineinzie-
Muskelspindeln, wodurch die Skelettmuskula- hende Ischiasnerv bei Dehnungen der hinte-

Exkurs: Reflexmechanismen

Muskelspindeln (. Abb. 6.8) sind in Reflexbögen Wirkungen der α- (efferente Nervenbahnen vom
integriert, die die Muskelkräfte bei ziel- und ZNS zum Muskel) und γ-Motoneurone addieren
stützmotorischen Halte- und Bewegungsaufgaben (α-γ-Koaktivierung). Damit lassen sich bei
kontrollieren. Die Anzahl der Muskelspindeln pro kontrahierter Muskulatur äußerlich wirkende
Muskel steigt mit dem Grad an feinmotorischen Kräfte reflektorisch korrigieren. Über
Aufgaben, für die dieser Muskel zuständig ist, an. γ-Motoneurone können Muskelkontraktionen
Ihre jeweilige Sensibilität wird durch je nach auch unwillkürlich ausgelöst werden, wenn sie die
Muskelspindeltyp spezifische γ-Motoneurone intrafusalen Muskelfasern erregen und die
gesteuert, die die intrafusalen Muskelfasern durch Muskelspindel wiederum für eine Aktivierung der
Dehnung des sensorischen Zentrums dieser Fasern zugehörigen α-Motoneurone sorgt (γ-Schleife).
(intrafusale Vorspannung) verändern. Dadurch Rückmeldungen an das ZNS (Reafferenzen)
wird gewährleistet, dass Muskelspindeln auch bei erfolgen über die Typ-Ia- (Längenänderung und
Kontraktionen des Muskels ihre sensorische deren Geschwindigkeit) und Typ-II-Nervenbahnen
Empfindlichkeit behalten, wobei sich die (Längenänderung). Die Kontrolle von Muskellän-
332 H. Remmert

Muskelspindel Muskels verbunden, Rezeptor und Effektor liegen


also im gleichen Organ. Die Erregung des
α-Motoneurons löst eine Kontraktion der
zugehörigen Muskelfasern aus (Bsp.: Patellarseh-
motorische nenreflex).
g-Faser
kDehnungsreflex durch intrafusale
(efferent) Kontraktion
Die intrafusalen Fasern der Muskelspindel können
durch Erregung der γ-Motoneurone kontrahieren,
wobei deren zentraler sensorischer Teil gedehnt
(afferent) und die Muskelspindel gereizt wird. Reflektorisch
laufen gleichen Prozesse an wie bei einer äußerlich
erzwungenen Muskeldehnung: Der gleiche Muskel
6 sensor.
kontrahiert.
Ia-Faser
Reziproke Hemmung der Antagonisten
Afferente Signale der Muskelspindeln erreichen
auch die Interneurone im Rückenmark, wobei hem-
mende Interneurone die Antagonisten kontrahier-
ter Muskeln hemmen. Eine Dehnung eines
motorische kontrahierten Muskels führt damit sowohl zu
g-Faser dessen reflektorischer Kontraktion (Eigenreflex) als
auch zur Hemmung des Antagonisten.
Die Golgi-Rezeptoren (. Abb. 6.9) oder -or-
gane finden sich v. a. in den Gelenkkapseln und
Muskel-Sehnen-Übergängen. Sie sind mit der Mus-
intrafusale Fasern kulatur in Serie geschaltet und mit jeweils einer
Dehnungs- = Längendetektoren vergleichsweise langsam leitenden Ib-Nervenfaser
verbunden, deren afferente Entladungsrate durch
..      Abb. 6.8 Muskelspindel eingebettet Zunahme der Dehnungsspannung (Kontraktion
zwischen quergestreiften Muskelfasern (Müller des Muskels oder Zunahme der Zugbelastung am
et al. 2015, S. 417) Sehnenende) ansteigt. Als sensibler Messfühler der
Dehnungsspannung können sie den gedehnten
Muskel in endgradigen Extrempositionen hemmen
genänderungen, die sowohl durch Kontraktionen und so als Schutzmechanismus vor struktureller
als auch durch Dehnungen bei Einwirkung äußerer Überlastung fungieren. Als Auslöser akuter reflek-
Kräfte induziert werden, ist für die allgemeine torischer Schutzmechanismen sind die Golgi-Re-
Haltungs- und Bewegungskoordination von zeptoren jedoch aufgrund der geringen Leistungs-
überragender Bedeutung. Hieraus ergeben sich geschwindigkeit ihrer Ib-Fasern nur bedingt
etliche Reflexmechanismen: geeignet. Vom ZNS werden sie hemmend und för-
dernd innerhalb komplexer funktionaler Muskel-
ketten verschaltet (autonome und Antagonisten-­
Dehnungsreflex durch Muskeldehnung Hemmung), ihre eigentliche Bedeutung „liegt
(monosynaptischer Eigenreflex) wahrscheinlich in der Kontrolle der Kontraktions-
Die afferenten Ia-Nervenfasern der Muskelspindel kraft zum gleichmäßig gesteuerten Bewegungsab-
sind über nur eine Synapse (monosynaptisch) lauf“ (Freiwald 2009). Eine autonome reflektorische
direkt mit den Motoneuronen des gleichen Schutzwirkung entfalten Golgi-Rezeptoren vor-
Beweglichkeitstraining
333 6

Golgi-Sehnen-Organ nehmlich dann, wenn die erwarteten sensorischen


Rückkopplungen nicht mit den tatsächlichen über-
einstimmen. So sind die hemmenden und aktivie-
Muskelfasern renden Reflexmechanismen während willkürlicher
dynamisch-schnellkräftiger Bewegungen nicht ak-
tiv, jedoch bei dabei unvorhersehbaren Verände-
afferente rungen der Muskelspannung wie beim Treten auf
Nervenfasern ein Hindernis oder in ein Loch.

dendritische
Nervenendigungen

Sehnenfasern

..      Abb. 6.9 Golgi-Sehnen-Organ (Müller et al.


2015, S. 464)

ren Oberschenkelrückseite mitgedehnt, wobei dass diese Reflexe umfassend an der komplexen
die Zuschreibung des zunehmenden Schmerz- feinmotorischen Bewegungssteuerung beteiligt
gefühls zur Muskulatur oder zur Nervenbahn sind und nur als akute Schutzmechanismen vor
häufig wenig eindeutig ausfällt. Das Schmerz- Überspannungen fungieren, wenn diese uner-
empfinden stellt einen wichtigen Schutzme- wartet auf den Sportler einwirken.
chanismus vor Überlastungen dar.
In Muskeln, Sehnen, Gelenkkapseln und der Praxistipp
Haut liegen eine Vielzahl unterschiedlicher Re-
zeptoren zur Messung von Spannungs- und Län- Für die Trainingspraxis ist von Bedeutung,
genänderungen der Muskulatur. Wichtigste Ver- dass beim Dehnen die induzierten Span-
treter sind die parallel zur Arbeitsmuskulatur nungs- und Längenänderungen von Mus-
liegenden Muskelspindeln, die muskuläre Län- kulatur und Bindegewebe vom Sportler
genänderungen und deren Geschwindigkeit re- antizipiert werden und demzufolge die Re-
gistrieren, sowie die im Bindegewebe (Gelenk- zeptoren kein Missverhältnis zwischen Er-
kapseln, Bänder, Muskel-­Sehnen-­Übergänge) wartung und Ausführung erkennen. Dem-
liegenden Golgi-­Rezeptoren, die Dehnungsspan- nach wird also auch keine reflektorische
nungen der Muskel-Sehnen-­ Einheit überwa- Verschaltung provoziert. Das diesbezüglich
chen. Bei Überschreitung hinreichender Reiz- lange kritisch beurteilte dynamische Deh-
schwellen (Tempo und Höhe von Spannungs- und nen („Reiß- und Zerrgymnastik“) gilt längst
Längenänderungen) lösen sie autonome Kon- als rehabilitiert. Genau so wenig kann die
traktionen gedehnter Muskeln, Hemmungen der Reflexaktivität durch statische Dehnungen
Antagonisten und/oder die Entspannung kontra- („Stretching“) unterdrückt werden.
hierter Muskeln aus. Heute geht man davon aus,
334 H. Remmert

6.3 Anpassungseffekte durch 55 Die funktionelle Länge eines Muskels und


Dehnen dessen Ruhespannung verändert sich lang-
fristig nicht.
Dem Dehnen wurden mit dem Aufkommen 55 Die Gelenkreichweite erhöht sich auf-
der „Stretching-Welle“ in den 70er-Jahren des grund einer Zunahme der Schmerztole-
20. Jahrhunderts eine Fülle von Trainingswir- ranz gegenüber Dehnungsspannungen.
kungen unterstellt, die insbesondere die stati-
schen Dehnmethoden in den Rang einer Ge- zz Verkürzung der Regenerationszeit
sundheitslehre erhoben haben und das 55 Ein verbesserter Abtransport von Stoff-
eigentliche Ziel eines Beweglichkeitstrainings, wechselprodukten oder eine verbesserte
die sportartspezifische Optimierung der Ge- „Entspannung“ ist nicht nachgewiesen.
lenkreichweiten, in den Hintergrund gedrängt 55 Subjektives Erholungsempfinden ist nicht
haben. Statisches Stretching gehörte seitdem objektivierbar.
6 zu einem gesunden, sicheren Sporttreiben ein-
fach dazu und wurde aggressiv gegen die bis zz Schutz vor Muskelverletzungen
dahin üblichen Methoden des dynamischen 55 Eine Erhöhung der Schmerztoleranz ge-
Dehnens im Sport positioniert (u. a. Hoster genüber Dehnungsspannungen kann ei-
1987). „Richtiges“ Dehnen, also statisches nen gegenteiligen Effekt haben.
Stretching, erweitert die Muskellänge und be- 55 Eine Verstärkung des Bindegewebes ver-
hebt so muskuläre Dysbalancen, schützt vor bessert möglicherweise den Schutz vor
Verletzungen, verhindert Muskelkater und be- spannungsbedingten Muskelverletzungen.
schleunigt die Regeneration – so lauteten die 55 Muskelkater wird nicht verhindert oder re-
damaligen Annahmen. Heute muss man kons- duziert und kann sogar verstärkt werden.
tatieren, dass von diesen unterstellten Trai-
ningswirkungen nur wenige nachgewiesen zz Behebung von muskulären Dysbalancen
werden konnten und sich vor allem die ver- 55 Die funktionelle Muskellänge bleibt erhal-
schiedenen Dehnmethoden als prinzipiell ten, stattdessen sollte die „abgeschwächte“
gleichwertig und sicher erwiesen haben. Eine Muskulatur gekräftigt werden.
zusammenfassende Gegenüberstellung ergibt
folgendes Bild (u. a. Wiemann 2000 und Klee Dehnübungen sind generell zur akuten Verlet-
2006): zungsprophylaxe ungeeignet, da die bei Muskel-
55 Vergrößerung der Gelenkreichweite dehnungen auftretenden hohen Muskelspannun-

Exkurs: Muskuläre Dysbalancen

Zur Thematik der „muskulären Dysbalancen“ muss an (. Abb. 6.10). Ein Beweglichkeitstraining des in
dieser Stelle ergänzt werden, dass die dargestellten seiner funktionellen Länge ungünstig eingestellten,
Erkenntnisse über die fibrilläre Struktur der „verkürzten“ muskulären Partners innerhalb eines
Muskelfaser (Titin) sowie die Befunde zur Wirkung balancegestörten Gelenksystems verspricht kaum
von Beweglichkeits- und Krafttraining auf Ruhespan- Erfolge, da die Umfänge zur Neujustierung der
nung und Muskellänge ein Umdenken in der Gelenkposition vor dem Hintergrund der dominie-
Bewertung und Behandlung muskulärer Ungleichge- renden Alltagsbelastung und -haltung nicht
wichte erfordern. Ursachen arthromuskulärer ausreichen. Erfolgversprechender ist ein gezieltes
Ungleichgewichte können ungünstige Körperhaltun- Krafttraining des schwächeren Gegenspielers, der
gen (z. B. durch vorwiegend sitzende Tätigkeiten) dann aufgrund seiner höheren Ruhespannung das
oder auch einseitige Kraftausprägungen sein Spannungsdefizit reduzieren kann.
Beweglichkeitstraining
335 6

..      Abb.
6.10 Mo-
dell eines
einfachen
arthromusku- A AA
lären Systems
zur Verdeut-
lichung der
arthromusku- Position B Position M Position S
lären Balance- = Balanceposition
position. A: 100
Agonist. AA: 90
Antagonist
80
(Wiemann
Dehnungsspannung (Nm)

70 Agonist (A)
2000, S. 111)
60 Antagonist (AA)

50
40
30
20
10
0
60° 70° 80° 90° 100° 110° 120°
Gelenkwinkel

gen häufig die der eigentlichen sportlichen schluss an niedrig intensive kardiale
Anforderungen übersteigen und muskuläre Ver- Belastungen (Auslaufen) und Lockerungs-
letzungen sogar noch begünstigen können. Ein übungen. Insbesondere statische Dehnungen
„Ausdehnen“ von Muskelschmerzen ist vor die- reduzieren die Durchblutung der Muskulatur
sem Hintergrund besonders kritisch zu hinterfra- erheblich, sodass z. B. Laktat nicht optimal
gen. Langfristig betrachtet passt sich jedoch das ausgeschwemmt wird.
Bindegewebe an Dehnreize an, es wird stärker,
zugkräftiger und somit belastungsresistenter. Im
Kontext von Beweglichkeitstraining ist daher eher 6.4 Trainingsmethoden und
von einer langfristigen Verletzungsprophylaxe Belastungsdosierung
auszugehen (Herbert und Gabriel 2002; Marschall
und Ruckelshausen 2004; Thacker et al. 2004). Zum Training der Beweglichkeit, in engerem
Auch Muskelkater kann durch Dehnen Sinne der Dehnfähigkeit der Muskulatur,
nicht verhindert werden, kann diesen im Ge- kommen in der Praxis je nach Zielsetzung
genteil sogar alleinig auslösen (Klee 2006; Frei- unterschiedliche Methoden zum Einsatz, de-
wald 2009). Zur Nachbereitung belastender ren resultierende Wirkungen jedoch haupt-
Trainingseinheiten sollte nur leicht im subma- sächlich kurzfristig zu unterscheiden sind.
ximalen Intensitätsbereich (statisch oder dyna- Die längerfristigen Effektivitätsunterschiede
misch) gedehnt werden, am besten erst im An- zwischen sämtlichen Methoden sind gering,
336 H. Remmert

PNF-Methoden (propriozeptive neuromuskuläre Faszilitation)

dynamisches statisch AC-Stretching: CR-Stretching: CR-AC-Stretching:


Dehnen (DD) Dehnen (SD) Antagonist wird bei (1) Zielmuskel wird (1) Zielmuskel wird
Dehnung vor (2) Dehnung vor (2) AC-Stretching
angespannt angespannt angespannt
(1)
1 (1)
1

(2) (2)
6

..      Abb. 6.11 Die fünf gebräuchlichsten Dehnmethoden (Klee und Wiemann 2002, S. 4)

sodass alle als in etwa gleich geeignet für die Die Methoden des dynamischen und stati-
in den meisten sportlichen Disziplinen ge- schen Dehnens (auch als dynamisches und sta-
stellten Anforderungen gelten können (Wie- tisches Stretching bezeichnet) sind in vielen
mann 2000). Die auffälligsten und in der Sportarten, insbesondere in den Sportspielen,
Sportpraxis relevanten Unterschiede beste- die gebräuchlichsten, da sie einfach anzuleiten
hen zwischen den akuten Trainingswirkun- und auszuführen sind. Die komplizierteren
gen der statischen und dynamischen Dehn- PNF-Dehnmethoden (propriozeptive neuro-
methoden, was bei der zeitlichen Platzierung muskuläre Fazilitation) haben sich in Studien
von Dehninterventionen im Warm-up oder als besonders effektiv darin erwiesen, die Ge-
Cool-down zu beachten ist (Opplert und Ba- lenkreichweite kurzfristig zu verbessern (Klee
bault 2018). 2003). Sie nutzen in Kombination mit den ei-
Klee und Wiemann (2002) fassen die wich- gentlichen Dehnungen kontrastierende Kon-
tigsten Methoden zusammen: dynamisches traktionen und Entspannungsphasen von Ago-
Dehnen (rhythmisch federndes Dehnen), sta- nisten bzw. Antagonisten, u. a. um die
tisches Dehnen („Stretching“, gehaltenes Deh- Reflexaktivitäten der zu dehnenden Muskeln
nen), Antagonisten-Kontraktions-­Stretching zu reduzieren. Dieser Erklärungsansatz kann
(„AC“, bei der gehaltenen Dehnung wird der jedoch als widerlegt gelten (7 Abschn. 6.2.3).
muskuläre Gegenspieler aktiv angespannt), Im Gegenteil: Beim Einsatz der PNF-­Methoden
Kontraktions-Relaxations-­Stretching („CR“, der zeigen sich die höchsten elektrischen Aktivie-
Muskel wird angespannt, dann kurz entspannt rungen der zu dehnenden Muskulatur (Frei-
und anschließend gedehnt) und die Kombina- wald 2009). Zudem erfordern sie hinsichtlich
tionen aus CR- und AC-Stretching (erst wird Körpergefühl und Muskelsinn größere Vorer-
der Muskel angespannt, dann bei Kontraktion fahrungen. Langfristig verbessern alle Dehn-
des Gegenspielers gedehnt; . Abb. 6.11). methoden die Beweglichkeit.
Beweglichkeitstraining
337 6
Praxistipp

Für viele Sportler ist eher interessant, ob auch . Abb. 6.12). Diese sind zwar re-
mit dem Einsatz bestimmter Dehnme- versibel (7 Abschn. 6.2.2), lassen den
thoden Nachteile verbunden sind. Viel- Einsatz von gehaltenen Dehnungen in
fach nachgewiesen sind diesbezüglich Aufwärmprogrammen jedoch kritisch er-
deutliche Schnelligkeits- und Schnell- scheinen (Remmert 2003, 2007). Da die
krafteinbußen bis in zweistellige Pro- sportliche Leistung von geschmeidigen
zentbereiche als Akutreaktion auf gehal- Bewegungen im Rahmen der geforder-
tene, passive Dehnungen (statisches ten Gelenkreichweiten unzweifelhaft
Stretching) (Nelson et al. 2005; Simic profitiert, plädiert Freiwald (2009) für ein
et al. 2013; Oliveira et al. 2018; siehe differenziertes Dehnen im Warm-up. Die

Static Jump Counter Movement Jump

Little & Williams (subm.)

Young & Behm (2003)

Church et al. (2001)

Cornwell et al. (2002)

Young & Elliot (2001)

McNeal et al. (2001 + 2003)

Knudson et al. (2001)

Cornwell et al. (2001)

90 95 100 105 110


Sprunghöhe (in % der Sprunghöhe ohne Stretching)

..      Abb. 6.12 Effekte von Stretching-­Programmen auf Schnellkraftleistungen (Bösing et al. 2014, S. 87;
mod. nach Shrier 2004, S. 269)

für die Schnellkraftproduktion unmittel- mer Gelenkpositionen notwendige Mus-


bar verantwortlichen Muskelpartien soll- keln dagegen durchaus statisch, wenn
ten mit dynamischen Dehnungen vorbe- auch mit relativ kurzer Haltedauer (Bei-
reitet werden (Peck et al. 2014; Oliveira spiele: Hochspringer, Hürdensprinter,
et al. 2018), andere zur Einnahme extre- Turner; Behm und Chaouachi 2011).
338 H. Remmert

Statisches Dehnen ermöglicht dem Sportler 6.4.1 Belastungsdosierung


ein langsames, kontrolliertes „Hineindehnen“
bis zu endgradigen Dehnpositionen, weshalb Allgemeingültige Belastungsnormative (Trai-
es einen festen Platz in der Trainings- und ningsdauer, -umfang, -intensität, -dichte
Wettkampfvorbereitung vieler Sportler und und -häufigkeit) zu den unterschiedlichen
Sportarten hat. In Kenntnis der negativen Dehnmethoden fehlen in der Literatur, sodass
Kurzzeitwirkungen ist es jedoch notwendig, Intensitätsabstufungen eher anhand qualitati-
zwischen einem statischen Dehnprogramm ver Kriterien vorgenommen werden. Marschall
und dem Beginn der Leistungsproduktion (1999) empfiehlt beispielsweise zur Bestim-
eine zusätzliche Aufwärmphase der „Reakti- mung der Reizintensität die Orientierung an
vierung“ mit „tonisierenden“ Übungen einzu- der absoluten Dehngrenze (= Schmerzgrenze):
bauen (Faigle 2000). Entsprechend ritualisiert Eine maximale Intensität wäre demnach sofort
werden heute entsprechende Aufwärmrouti- nach Erreichen der Endposition wieder aufzu-
6 nen mit durchaus beachtlichem Zeitbedarf lösen, eine submaximale dagegen über längere
besonders in den Sportspielen „abgespult“: Zeit gerade noch tolerabel. Das Überschreiten
allgemeines Aufwärmen, Stretching, „Toni- einer hinreichenden Dehnschwelle wäre nach
sierung“, spezifisches Aufwärmen. Die Bevor- dieser Klassifikation mit einem deutlichen
zugung des aktiv-dynamischen Dehnens im wahrnehmbaren Dehngefühl verbunden. In je-
Aufwärmen ist auch aus zeitökonomischen dem Fall bestimmt das subjektive (Schmerz-)
Gründen anzuraten. Dynamisches Dehnen Empfinden die mögliche Intensität einer Deh-
fördert zudem die Durchblutung der Musku- nung. Zur individuellen Intensitätsbestim-
latur und damit deren Aktivierungs- und Ent- mung können subjektive Skalen ähnlich der
spannungsfähigkeit. Auf extreme Dehnposi- BORG-Skala (Borg 1982, S. 378) herangezogen
tionen, die weit über die in der Zielsportart werden.
auftretenden Bewegungsreichweiten hinaus- Empfehlungen zu Wiederholungszahlen
gehen, sollte generell während des Aufwär- beim dynamischen Dehnen, zur Haltedauer
mens verzichtet werden. beim statischen Dehnen oder zu Trainingshäu-
Statisches Dehnen behält einen promi- figkeiten variieren ebenfalls, sodass kaum allge-
nenten Platz im sportlichen Training an an- meingültige Handreichungen gegeben werden
derer Stelle. Statische Dehnmethoden sind können. Die in . Tab. 6.1 zusammengefassten
besonders geeignet, die muskuläre Wahr- Eckwerte gelten erfahrungsgemäß als wirksam
nehmung zu schulen und daher für Sportan- für die angegebenen kurz- und längerfristigen
fänger, Kinder und Jugendliche grundsätz- Ziele. Grundsätzlich muss zur Erweiterung von
lich zu empfehlen. Bewegungsamplituden Gelenkreichweiten dauerhafter und umfangrei-
und Dehngrenzen können gerade über stati- cher gedehnt werden als zur kurzfristigen
sche Dehnmethoden ideal wahrgenommen Vorbereitung auf anschließende Belastungen
werden, da ein vorsichtiges Herantasten an (Langzeit- vs. Kurzzeitdehnprogramm).
die Beweglichkeitsgrenzen ermöglicht wird.
Ein ruhiges und konzentriertes Stretching
wirkt positiv auf das autonome Nervensys- 6.4.2 Anforderungsgerechtes Be-
tem und damit psychisch entspannend (Wie- weglichkeitstraining
meyer 2003), ist damit in eigenständigen
Einheiten zum Beweglichkeitstraining oder Die Inhalte eines sportartspezifischen Beweg-
(mit Einschränkungen, 7 Abschn. 6.3) zum lichkeitstrainings ergeben sich aus den Anfor-
Ausklang anstrengender Trainingsmaßnah- derungen an besonders beanspruchte Gelenk-
men zu empfehlen. systeme. Die Literatur bietet umfassende
Beweglichkeitstraining
339 6

..      Tab. 6.1 Ziele und allgemeine Belastungsnormative des Dehntrainings (Bösing et al. 2014)

Dehnung Ziele Belastungsnormative

statisch Verbesserung der Beweglichkeit intensiv, bis 45 s (i. d. R. 10–20 s),


4 Serien, 3 ×/Woche

Vorbereitung auf Belastungen, die maximale submaximal bis intensiv, 10–20 s,


Bewegungsreichweiten erfordern 3 Serien

dynamisch Verbesserung der Beweglichkeit intensiv, 10–20 Wiederholungen,


4 Serien, 3 ×/Woche

Vorbereitung auf Belastungen, die submaximale submaximal, 10 Wiederholungen,


Bewegungsreichweiten oder hohe Muskelspannung 2 Serien
erfordern

Übungssammlungen zu Mobilisierungs-, Deh- einsetzen, die ihrem subjektiven Gefühl am


nungs- und Kräftigungsübungen mit methodi- ehesten entsprechen:
schen Empfehlungen und teilweise auch mus- 55 Individuelle Gewohnheiten und Rituale
kelphysiologischen Begründungen (u. a. Klee können beibehalten werden, zumal experi-
und Wiemann 2005; Freiwald 2009). . Tab. 6.2 mentelle Befunde keine Ableitung eindeu-
zeigt ein exemplarisches Mobilisierungs-, tiger „Rezepte“ ermöglichen.
Dehn- und Kräftigungsprogramm für die 55 Dehnen zur Vor- und Nachbereitung von
Hüftgelenke, deren Beweglichkeit in vielen In- Training und Wettkampf hat nach wie vor
dividual- und Mannschaftssportarten gefor- seine Rechtfertigung (beispielsweise als
dert ist (. Abb. 6.13). Muskel-Check), die Bedeutung für Leis-
tungssteigerung und Verletzungsprophy-
laxe scheint jedoch geringer zu sein als bis-
6.5 Ausgewählte lang vermutet.
Trainingsbeispiele 55 Als Dehntechniken sind Kombinationen
von PNF-Methoden und dynamischen
Das Training der Beweglichkeit ist ein in viel- Dehntechniken bzw. funktionalen Kom-
fach kontrovers diskutiertes und wenig empi- plexübungen (Movement Preps) zu emp-
risch gesichertes Anwendungsfeld. Viele Emp- fehlen. Letztere sollten möglichst wett-
fehlungen und Einschätzungen beruhen auf kampfnah sein und vorrangig das
subjektiven Erfahrungen, wie die vorangehen- Bewegungsausmaß und weniger die -ge-
den Ausführungen verdeutlicht haben. Ein- schwindigkeit betonen.
deutige Trainingshinweise können demnach 55 Von zu langen insbesondere rein stati-
nur bedingt und mit aller Vorsicht ausgespro- schen Dehninterventionen vor Wett-
chen werden. Letztendlich sollten Sportler aus kampfbeginn ist abzuraten. Der Übergang
Disziplinen, in denen es nicht auf eine Maxi- zum Wettkampf sollte stets durch Laufar-
mierung der Bewegungsreichweiten ankommt, beit mit Integration schnellkräftiger Bewe-
sondern auf die Herstellung optimal hinrei- gungen erfolgen.
chender Beweglichkeitsfähigkeiten, eine posi-
tive Einstellung zum Beweglichkeitstraining Eine Maximierung der Beweglichkeit ist für die
entwickeln und die Techniken und Methoden meisten Athleten nicht anzustreben, da die Sta-
340 H. Remmert

..      Tab. 6.2 Übungsprogramm zur Hüftbeweglichkeit (Freiwald 2009, S. 354–366)

Methoden-
Abbildung Anweisung Wirkung
empfehlung
1 Hüftbeugung in Rückenlage

Die hinteren Oberschenkel Erhalt und SD


werden umfasst und zum Verbesserung der
Körper gezogen. Hüftbeugefähigkeit.

6
2 Dehnung der Abduktoren und der Gesäßmuskulatur im Langsitz

Mit dem Ellenbogen wird Verbesserung der SD


der gegenüberliegende Adduktionsfähigkeit CR
Oberschenkel zur Gegen- der Hüftgelenke.
seite gedrückt.

3 Hüftbeugung mit Außenrotation im Sitzen an der Wand

Ein Bein wird gebeugt über Verbesserung von SD


das andere geschlagen Beuge-, Außenrota-
und an Knie- und Sprung- tions- und Adduk-
gelenk fixiert. Die Dehnung tionsfähigkeit der
wird durch Heranziehen Hüftgelenke.
des unteren Beines ver-
stärkt.

4 Dehnung der Waden-und hinteren Oberschenkelmuskulatur in Rückenlage

Der hintere Oberschenkel Verbesserung der (SD)


des nach oben gestreck- Hüftbeugefähigkeit AC
ten Beins wird bei aktiver bei gestrecktem CR-AC
Fußbeugung umfasst und Kniegelenk.
dosiert zum Körper hin-
gezogen.
Beweglichkeitstraining
341 6

..      Tab. 6.2 (Fortsetzung)

Methoden-
Abbildung Anweisung Wirkung
empfehlung
5 Dehnung der Waden-und hinteren Oberschenkelmuskulatur im Stand

Bei gestreckt aufgelegtem Verbesserung der SD


Bein wird der Fuß aktiv Hüftbeugefähigkeit DD
gebeugt und der Ober- bei gestrecktem AC
körper in gerader Haltung Kniegelenk.
nach vorn gelehnt.

6 Hüftstreckung im Schrittkniestand

Die Hüfte wird bei aufrecht Verbesserung der SD


gehaltenem Oberkörper Hüftstreckfähigkeit. (DD)
aktiv nach vorn geschoben.

7 Dehnung der Adduktoren im Sitzen mit gebeugten Kniegelenken

Die Knie werden mit den Verbesserung der SD


Ellenbogen bei geradem Abduktionsfähigkeit DD
Rücken nach außen-unten der Hüftgelenke bei PNF
gedrückt. Das Becken darf gebeugten Knie-
nicht nach hinten kippen. gelenken.

8 Dehnung der Adduktoren im seitlichen Ausfallschritt

Das Körpergewicht wird Verbesserung der SD


auf das gebeugte Bein Abduktionsfähig- (DD)
verlagert, wobei das keit der Hüftgelen-
Becken bei aufrechtem ke bei gestrecktem
Oberkörper nach seitlich- Kniegelenk.
unten geschoben wird.
342 H. Remmert

bilität wichtiger Gelenksysteme zur Sicherung


der passiven Belastungsverträglichkeit Vorrang akzelerierter Nachwuchssportler sollten
hat. Dies kann am Beispiel der Schultergelenke zu einem vorsichtigen Umgang mit dem
in den Hand-Sportspielen verdeutlicht werden, Thema Dehnen anregen. Oft ist eine ge-
die etwa durch schnellkräftige Armzüge und zielte Kräftigung der Muskulatur sinnvol-
unkontrollierbare Gegnereinwirkungen extrem ler als ein zeitaufwändiges Dehnpro-
beansprucht werden (Rebound-Zweikämpfe im gramm, zumal der Erhalt der je nach
Basketball, blockierte Schlagwürfe im Hand- Disziplin notwendigen Bewegungsreich-
ball) und durch eine gut ausgeprägte Muskula- weiten auch durch das sportartspezifi-
tur entsprechend geschützt sein müssen. Eine sche Koordinations- und Krafttraining si-
außergewöhnliche spezielle Beweglichkeit ist chergestellt wird (Remmert 2007).
hier nicht erforderlich, da z. B. eine Maximie-
rung von Ausholbewegungen wie etwa im
6 Speerwurf in den schnell wechselnden Situatio- „Was für das konditionelle Training schon
nen der Sportspiele unproduktiv wäre. lange gilt, sollte auch für das Beweglichkeits-
training gefordert werden: eine gezielte Durch-
Praxistipp führung im Rahmen eigenständiger Einheiten,
in denen die individuell notwendigen Schwer-
Ein ganzheitliches Beweglichkeitstrai- punkte durch Dehnen, Mobilisieren, Kräftigen
ning besteht neben Muskeldehnungen und spezifische koordinative Übungsanteile
aus spezifischem Mobilisierungs-, Kraft- gesetzt werden können. Beweglichkeitsschu-
und Koordinationstraining. Gerade die lung sollte nicht länger als ‚Anhängsel‘ von
konstitutionellen Voraussetzungen vieler Auf- oder Abwärmen gelten“ (Bösing et al.
2014).
Beweglichkeitstraining
343 6
6.6 Aufgaben zur Nachbereitung nahmen erachten Sie zur Erreichung der
des Kapitels spezifischen Anforderungen an die Gelenk-
reichweiten in ihrem Beispiel für besonders
bedeutsam?
4. Absolvieren Sie an zwei aufeinanderfolgen-
den Tagen zur jeweils gleichen Tageszeit
und nach gleicher Aufwärmroutine jeweils
ein passiv-statisches und ein aktiv-dynami-
sches Dehnprogramm für die unteren
Extremitäten und die Hüftregion (z. B. mit
Übungen aus . Tab. 6.2). Ermitteln Sie
anschließend ihre Beweglichkeitsleistung
mit dem Rumpfbeugetest (7 Abschn. 3.4,
. Abb. 3.56) und überlegen Sie, welche
Bedeutung verschiedene Reflexmechanis-
men im Dehntraining haben könnten.
5. Erläutern Sie die Ausführungsweisen der
unterschiedlichen Dehnmethoden und
diskutieren Sie Einsatzmöglichkeiten des
statischen Dehnens (Stretching) in der
sportlichen Praxis anhand seiner spezifi-
schen Vor- und Nachteile.
6. Wie würden Sie die Beweglichkeitsfähigkeit
eines Sportlers beurteilen? Diskutieren Sie
Vor- und Nachteile verschiedener Test- und
Screening-­Verfahren vor dem Hintergrund
der Problematik einer „normalen“ Beweg-
1. Ermitteln und dokumentieren Sie (mit lichkeit.
einer Excel-Grafik) die Veränderlichkeit
Ihrer persönlichen Beweglichkeit im
Tagesverlauf mithilfe des Rumpfbeugetests Literatur
(7 Abschn. 3.4, . Abb. 3.56) durch
mindestens sieben über den Tag verteilte Behm, D. G., & Chaouachi, A. (2011). A review of the
Einzelmessungen nach unterschiedlichen acute effects of static and dynamic stretching on
Aktivitäten. Welche Rückschlüsse ziehen performance. European journal of applied physio-
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Sie hinsichtlich möglicher Einflussfaktoren Borg, G. (1982). Psychophysical bases of perceived
von Beweglichkeitsleistungen daraus? exertion. Medicine and science in sports and exer-
2. Warum kann ein Dehntraining alleine cise, 14(5), 377–381.
nicht zur Verlängerung eines Muskels Bösing, L., Bauer, C., Remmert, H., & Lau, A. (2014).
führen, wenn doch die Anpassung der Handbuch Basketball. Technik – Taktik – Training.
Das offizielle Lehrbuch des DBB (2. Aufl.). Aachen:
Muskellänge in relativ kurzer Zeit möglich Meyer & Meyer.
ist und z. B. bei Ruhigstellung von Gelenk- Faigle, C. (2000). Athletiktraining Basketball. Reinbek:
systemen (z. B. Eingipsen des Fußgelenkes Rowohlt Taschenbuch.
in Spitzfußstellung) tatsächlich auftritt? Freiwald, J. (2009). Optimales Dehnen. Sport – Präven-
3. Diskutieren Sie am Beispiel einer selbst tion – Rehabilitation (2. Aufl.). Balingen: Spitta.
Herbert, R. D., & Gabriel, M. (2002). Effects of stretching
gewählten Sportdisziplin den Zusammen- before and after exercising on muscle soreness and
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344 H. Remmert

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345 7

Ausdauertraining
Florian Hanakam und Alexander Ferrauti

7.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Ausdauer – 346


7.1.1  rundlagenausdauer versus sportartspezifische Ausdauer – 348
G
7.1.2 Kurz, Mittel- und Langzeitausdauer – 350

7.2 Biologische Grundlagen – 351


7.2.1  rundlagen des Energiestoffwechsels – 351
G
7.2.2 Energieumsatz und Substratverwertung im Ausdauersport – 360
7.2.3 Energiestoffwechsel bei Intervallbelastung – 365

7.3 Anpassungseffekte durch Ausdauertraining – 368


7.3.1 I nternistisch-präventivmedizinische Anpassungseffekte – 369
7.3.2 Genetisch bedingte Anpassungseffekte (African Runners) – 371
7.3.3 Trainingsbedingte Anpassungen der maximalen
Sauerstoffaufnahme – 372

7.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 376


7.4.1  auermethode – 377
D
7.4.2 Intervallmethode – 379
7.4.3 Wiederholungsmethode – 382
7.4.4 Kleinfeldspiele – 383
7.4.5 Belastungsdosierung – 384

7.5 Ausgewählte Trainingsprogramme – 392

7.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 400

Literatur – 401

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_7
346 F. Hanakam und A. Ferrauti

When your legs get tired run with your heart!

Zusammenfassung
Die Ausdauer und das Ausdauertraining sind
aus Sicht des Energiestoffwechsels und des kar-
diopulmonalen Systems für den Leistungs- und
Gesundheitssport von höchster Bedeutung. Das
Kapitel liefert einen Überblick über die Bedeu-
tung und Erscheinungsformen der Ausdauer
und über ausgewählte biologische Grundlagen
zum Verständnis des Ausdauertrainings. Hier-
bei wird speziell dem Energiestoffwechsel und
der Substratverwertung (Kohlenhydrat- und ..      Abb. 7.1 Der Hawaii-Triathlon. Ein Höhepunkt im
Fettstoffwechsel) bei verschiedenen Ausdauer- Leben eines Ausdauersportlers
belastungen viel Aufmerksamkeit gewidmet.
7 Ausdauertraining bewirkt auf verschiedenen volumen) und ist in mit ihren spezifischen
Funktionsebenen zahlreiche Anpassungsvor- Ausprägungen für zahlreiche Sportarten leis-
gänge. Diese beziehen sich auf das kardiopulmo- tungslimitierend . Abb. 7.1. Dort erfüllt eine
nale System, den Energie- und Fettstoffwechsel gute Ausdauer nach Zintl (1997) verschiedene
sowie auf mitochondriale, zirkulatorische und Funktionen:
hämatologische Anpassungen. Auch den gene- 55 Aufrechterhalten einer möglichst hohen
tischen Ursachen unter anderem für die Über- bzw. optimalen Belastungsintensität über
legenheit der afrikanischen Langstreckenläufer eine vorgegebene Belastungsdauer bei
wird ein spezielles Teilkapitel gewidmet. Für die allen zyklischen Ausdauerdisziplinen
Sportpraxis werden die typischen Ausdauer- (z. B. Langstreckenlauf, Radsport,
trainingsmethoden und die Möglichkeiten der Schwimmen und Triathlon).
Belastungsdosierung beschrieben. Dabei wird 55 Erhöhung der Belastungsverträglichkeit
speziell der Trainingssteuerung mittels Herz- gegenüber intensiven teilweise azyklischen
frequenz und den zugrunde liegenden Formeln Beanspruchungen in Training und
detaillierte Aufmerksamkeit geschenkt. Konkrete Wettkampf unter anderem in den Sport-
Trainingsbeispiele runden das Kapitel ab. spielen und in den Zweikampfsportarten
(z. B. Fußball und Boxen).
55 Stabilisierung koordinativer Elemente
7.1 Bedeutung und sowie der sportlichen Technik trotz hoher
Erscheinungsformen der Belastungsintensitäten und -umfänge in
Ausdauer allen technisch-kompositorischen Sport-
arten (z. B. Eiskunstlaufen und Turnen),
Die Ausdauer ist eine der zentralen konditio- aber auch in technisch anspruchsvollen
nellen Fähigkeiten. Sie ermöglicht, eine Belas- Sportspielen (z. B. Tischtennis und Tennis).
tung physisch und psychisch möglichst lange
aufrechtzuerhalten (Ermüdungswiderstands- Die Ausdauer kann hinsichtlich ihrer Erschei-
fähigkeit) und sich nach Abbruch der Belas- nungsform nach verschiedenen Kriterien unter-
tung möglichst rasch zu erholen teilt werden. Hollmann und Hettinger (2000)
(Regenerationsfähigkeit). Die Ausdauer basiert unterscheiden nach Umfang der beteiligten
im Wesentlichen auf zentralen (Leistungsfähig- Muskelmasse zwischen der lokalen und der
keit des kardiopulmonalen Systems) und peri- allgemeinen Ausdauer, nach der dominanten
pheren metabolischen Voraussetzungen in Energiebereitstellung zwischen der aeroben und
der Skelettmuskulatur (u. a. Mitochondrien- anaeroben Ausdauer und nach der vorwiegenden
Ausdauertraining
347 7
..      Abb. 7.2 Erscheinungsformen der Ausdauer
Ausdauer (dyn = dynamische, stat =
statisch; modifiziert nach Zintl 1997;
Hollmann und Hettinger 2000) lokale Ausdauer allgemeine Ausdauer

aerob anaerob aerob anaerob

dyn stat dyn stat dyn stat dyn stat

Arbeitsweise der Muskulatur zwischen der dyna- zur vollständigen Ausschöpfung der maxi-
mischen und statischen Ausdauer (. Abb. 7.2). malen Sauerstoffaufnahme und darüber hin-
Hottenrott und Hoos (2013) unterscheiden aus muss der Organismus den Energiebedarf
zusätzlich nach der Zeitdauer der Wettkampf- zunehmend auch auf anaerobem Weg (ohne
belastung, nach Wechselbeziehungen zu anderen Sauerstoff) decken. Mit Verbesserung der Aus-
konditionellen Fähigkeiten (z. B. Schnellkraft- dauerleistungsfähigkeit steigt die maximale
und Schnelligkeitsausdauer) sowie nach der Spe- Sauerstoffaufnahme an, sodass der Übergang
zifität der Ausdauerbeanspruchung. von rein aerober zu partiell anaerober Energie-
bereitstellung erst bei höherer Intensität erfolgt
zz Umfang der beteiligten Muskelmasse (7 Abschn. 7.2).
Die Unterscheidung zwischen der lokalen und Die exakte Quantifizierung der beteiligten
allgemeinen Ausdauer ist von Relevanz, da das Stoffwechselwege ist aufgrund der fließenden
kardiopulmonale System bei fortwährender metabolischen Übergänge methodisch nicht
dynamischer Arbeit kleiner Muskelgruppen möglich (Heck und Schulz 2002). Bezogen auf
nicht leistungslimitierend wirkt. Andauernde die klassischen leichtathletischen Laufdiszipli-
Bizeps-Curls mit geringen Gewichten wer- nen kann jedoch – eine individuell maximale
den folglich nur mit geringen Anstiegen der Ausbelastung vorausgesetzt – allein aufgrund
Herzfrequenz einhergehen. Demgegenüber der Belastungsdauer eine grobe Schätzung der
treten lokale Faktoren in der Arbeitsmus- beteiligten Stoffwechselwege vorgenommen
kulatur (z. B. Ausmaß von Kapillarisierung werden (. Abb. 7.3).
und Myoglobingehalt, der aerobe und anae-
robe Enzymbesatz sowie der Glykogen- und zz Arbeitsweise der Skelettmuskulatur
Kreatinphosphatgehalt) stärker in den Vor- Die Unterscheidung zwischen dynamischer
dergrund. Auch wenn der Grenzbereich zwi- und statischer Ausdauer steht in engem
schen beiden Varianten kaum punktgenau Zusammenhang zur Energiebereitstellung,
zu definieren ist, werden Größenordnungen da bei statischer Muskelkontraktion die Blut-
zwischen 1/6 und 1/7 bzw. <15 % der Skelett- zirkulation und damit die Sauerstoffzufuhr
muskulatur angegeben (Zintl 1997; Hollmann durch den Muskelinnendruck gedrosselt wird.
und Hettinger 2000). Dies entspricht in etwa Die rein statische Ausdauer kann demnach
der Muskelmasse einer Extremität. eher durch eine Verbesserung der statischen
Maximalkraft erreicht werden. Nur wenige
zz Art der Energiebereitstellung Sportarten beinhalten rein statische Ausdau-
Nach der vorrangigen Art der Energiebe- erbeanspruchungen. Hier können beispiels-
reitstellung wird zwischen der aeroben und weise das Bogenschießen und phasenweise der
anaeroben Ausdauer unterschieden. Bei aero- alpine Skilauf sowie das Ringen oder Windsur-
ben Beanspruchungen wird die notwendige fen genannt werden.
Energie vorwiegend durch die Oxidation der Hingegen ist bei dynamischer Arbeitsweise
Nährstoffe mit Sauerstoff (aerob) bereitge- auch bei höheren Belastungsintensitäten durch
stellt. Bei steigender Belastungsintensität bis den Wechsel von Spannung und Entspannung
348 F. Hanakam und A. Ferrauti

100%
10–15
80% 15–25 aerob
mmol/l LA anaerob
mmol/l LA
60%
10–15
(%)

mmol/l LA
40%
5–10
20% mmol/l LA
2–3
mmol/l LA
0%
100 200 400 800 1.000 1.500 5.000 10.000 Marathon
Laufstrecke (m)

..      Abb. 7.3 Geschätzte prozentuale Anteile der aeroben und anaeroben Energiebereitstellung und der
Blutlaktatkonzentrationen (LA) in den leichtathletischen Wettkampfstrecken (modifiziert nach Zintl 1997, S. 34)

7 (Pumpwirkung der Muskulatur für den venö- demnach vorrangig beim dynamischen Einsatz
sen Rückstrom zum Herzen) eine ausreichende größerer Skelettmuskelanteile im submaxima-
Sauerstoffzufuhr für den aeroben Stoffwechsel len Intensitätsbereich gefordert bzw. trainiert.
gewährleistet. Die meisten zyklischen Ausdau- Trainingsmethode der ersten Wahl zur Verbes-
ersportarten sind durch eine überwiegend serung der Grundlagenausdauer ist die exten-
dynamische Muskelkontraktion gekennzeich- sive Dauermethode. Dabei können verschiedene
net (z. B. Walking, Laufen, Skilanglauf). Aller- Sportarten bzw. Aktivitäten eingesetzt werden.
dings sind auch in dieser Sportartengruppe
vereinzelt statische Elemente vorhanden (z. B.  eispiele: Sportarten und Aktivitäten zur
B
im Radsport beim Bergauffahren). Verbesserung der Grundlagenausdauer
Interessant sind Sportarten, in denen sich
dynamische und kurzfristig statische Muskel- 55 Laufen/Jogging
kontraktionen abwechseln. Hier sind neben 55 Gehen/Walking/Nordic Walking
den Zweikampfsportarten sicher auch die 55 Fahrradfahren
Sportspiele vertreten (z. B. Abwehrarbeit mit 55 Inlineskating
tiefem Körperschwerpunkt im Basketball und 55 Schwimmen/Aqua Jogging
Handball oder die Handgelenksmuskulatur 55 Skilanglauf
beim Volleytraining im Tennis). 55 Rudern/Kanu/Kajak
Folglich ergeben sich in Abhängigkeit 55 Aerobic/Step-Aerobic
des Beanspruchungsprofils einer Sportart 55 Ergometertraining (Fahrrad, Laufband,
vielfältige Kombinationsmöglichkeiten und Stepper, Elypsentrainer o. Ä.)
Mischformen der energetischen und neuro- 55 Sportspielmodifikationen wie
muskulären Ausdauerbeanspruchung. Kleinfeldspiele oder Kardiotennis bzw.
Kalorientennis

7.1.1 Grundlagenausdauer versus


sportartspezifische Die Ausdauer gilt jedoch nicht nur in den
Ausdauer klassischen Ausdauerdisziplinen als eine
wichtige Leistungsvoraussetzung. In den
Die Grundlagenausdauer kann entsprechend Zweikampfsportarten, den Sportspielen,
. Abb. 7.4 auch als allgemeine, aerobe, dynami- aber ebenso im alpinen Skisport und in den
sche Ausdauer bezeichnet werden. Sie wird technisch-kompositorischen Sportarten ist
Ausdauertraining
349 7
..      Abb. 7.4 Grundlagenausdauer als Grundlagenausdauer
allgemeine, aerobe, dynamische
Ausdauer (dyn = dynamisch, stat =
statisch) lokale Ausdauer allgemeine Ausdauer

aerob anaerob aerob anaerob

dyn stat dyn stat dyn stat dyn stat

eine angemessene Kombination von Grund- schen Anforderungen an die Rumpfmuskula-


lagenausdauer und sportartspezifischer Aus- tur (z. B. bei Zweikämpfen) verdeutlichen,
dauer von elementarer Bedeutung. In vielen dass ein rein zyklisches Grundlagenausdauer-
Sportarten kommt der sportartspezifischen training nach der extensiven Dauermethode
Ausdauer eine besondere Bedeutung für die den Anforderungen an die sportspielspezifi-
Belastungstoleranz während intensiver Trai- sche Ausdauer nicht vollends gerecht werden
ningseinheiten oder Wettkampfphasen zu. kann (Ferrauti et al. 2016).
Demgegenüber sichert eine gute Grundla-
genausdauer eine rasche Regeneration zwi- Praxistipp
schen einzelnen Trainingseinheiten und im
Turnierverlauf. Die Unterscheidung zwi- Das Ausdauertraining einzelner Sportarten
schen der Grundlagenausdauer und der muss stets auch in ausreichendem Masse
sportartspezifischen Ausdauer spiegelt sich sportartspezifisch am jeweiligen Beanspru-
auch in der vielfältigen Entwicklung ver- chungsprofil ausgerichtet werden und
schiedener Verfahren der sportartspezifi- dabei sowohl die hauptsächlich
schen Ausdauerleistungsdiagnostik wider. beanspruchte Arbeitsmuskulatur, die inter-
Hierbei werden die Besonderheiten des und intramuskuläre Koordination und die
Beanspruchungsprofils verschiedener Sport- jeweiligen Stoffwechselwege
arten bestmöglich abgebildet, um auf diese berücksichtigen. Ein Transfer der Ausdauer-
Weise die Validität der Ergebnisse zu stei- leistungsfähigkeit (z. B. vom Schwimmen
gern (7 Abschn. 3.4.9 und 3.4.10). zum Radsport oder vom Marathon zum
Ein Beispiel für die Bedeutung der sport- Fußball) ist folglich nur eingeschränkt
artspezifischen Ausdauer ist die azyklische, möglich. Dies besitzt auch Implikationen
intervallförmige und metabolisch wech- für die Ausdauerleistungsdiagnostik, denn
selnde Beanspruchung der Sportspiele. Der die Ergebnisse allgemeiner und sportart-
regelmäßige Wechsel von teilweise intensi- spezifischer Leistungsdiagnostik
ven bis hochintensiven Belastungsphasen korrelieren nur bedingt miteinander. Die
und nachfolgenden Erholungspausen, der Korrelation der Maximalleistungen bei
variable Einsatz verschiedener Muskelgrup- Laufbandergometrie und dem Hit-&-Turn-
pen (einschließlich Rumpf- und Armmusku- Tennistest beträgt beispielsweise nur
latur), die besonderen Anforderungen an die ca. r = 0,7 (Ferrauti et al. 2011).
intermuskuläre Koordination bei verschie-
denen Bewegungstechniken (z. B. Kopfbälle,
Würfe oder Schläge) und Lauftechniken Historisch betrachtet unterliegen die Empfeh-
(z. B. Side-Steps, Rückwärtslauf oder Tap- lungen zum Ausdauertraining in den Sport-
ping), der Einbezug auch der schnellen Mus- spielen erheblichen Schwankungen, sodass
kelfasern bei teilweise hoher Rekrutierung nach einer vorübergehenden Fokussierung auf
(intramuskuläre Koordination) und die stati- überwiegend aerobe Trainingsinhalte zum
350 F. Hanakam und A. Ferrauti

Exkurs: Metabolische Beanspruchung in den Sportspielen

Alle Stoffwechselwege werden in unregelmäßiger Stürmer in der Angriffszone sowie bei Auswechslun-
und unvorhersehbarer Form beansprucht. So gen, in der Pause zwischen den Ballwechseln oder
dominiert bei kurzwährenden Aktivitäten wie einem dem Seitenwechsel werden Laktatmoleküle sowie
einzelnen Tackling, einem Kurzsprint in den Kohlenhydrate (Glukose aus Muskel- und Lebergly-
Strafraum, einem kurzen Ballwechsel im Tennis oder kogen) und Fette (intramuskuläre Triacylglyzerine
Badminton die anaerob-alaktazide Energiebereit- und freie Fettsäuren aus den peripheren Fettspei-
stellung unter Einsatz von Kreatinphosphat (KP) zur chern) oxidiert und dienen der aeroben ATP-Syn-
ATP-Resynthese. Bei längeren intensiven Spielpha- these, die wiederum zur KP-Resynthese benötigt
sen wie fortwährendem Pressing, bei Ballverlusten wird. Die Fette spielen gegenüber den Kohlenhydra-
in der gegnerischen Hälfte und nachfolgender ten insgesamt eine geringere Bedeutung für die
Abwehrarbeit, bei Tempogegenstößen oder langen Energiebereitstellung und werden nur bei längeren
intensiven Ballwechseln geht diese fließend über in Pausen (z. B. in der Halbzeitpause) verstoffwechselt
die anaerobe Glykolyse. In ruhigeren Spielphasen (Ferrauti et al. 2001a).
wie beim Passspiel im Mittelfeld, beim Verweilen der

7
Ende des letzten Jahrtausends (Gerisch und s) und anaerobe Lang­zeitausdauer (60–120 s)
Weber 1992) die hochvolumige extensive Dau- vor. Damit wird die für KZA dominierende
ermethode als Trainingsmittel der ersten Wahl Energiebereitstellung hervorgehoben: die anae-
derzeit zunehmend gegenüber spezifischen robe Glykolyse.
Methoden sowie Methoden des hochintensi-
ven Intervalltrainings (HIIT) in den Hinter- Praxistipp
grund rückt.
Maximale Belastungen unterhalb von zwei
Minuten werden durch die anaerobe
7.1.2  urz, Mittel- und
K Glykolyse begrenzt. Bei Wettkämpfen mit
Langzeitausdauer einer höchstmöglichen Belastungsin-
tensität oberhalb von zwei Minuten
Ein sehr ursprünglicher Systematisierungsan- begrenzt die aerobe Energiebereitstellung
satz der Trainingswissenschaft ist die Untertei- die Leistung. Folglich müssen
lung der Ausdauer nach Belastungsdauer des 800-m-Läufer beide Energiebereitstel-
jeweiligen Wettkampfes. Weil physische und lungswege gleichermaßen optimieren
psychische Anforderungen in Abhängigkeit (. Abb. 7.3).
vom Zeitfaktor erheblich divergieren, ist diese
Systematisierungsform sehr anwendungsori-
entiert. Wettkämpfe über eine Zeitdauer von 2–10 min
Alle Wettkampfanforderungen zwischen werden der Kategorie Mittelzeitausdauer
35 s und 2 min werden unter dem Sammelbe- (MZA) zugeordnet. Beanspruchungen, bei
griff der Kurzzeitausdauer (KZA) zusammenge- denen die Belastungsdauer oberhalb von 10 min
fasst. Die KZA wird von einigen Autoren weiter liegen, werden der Langzeitausdauer (LZA)
unterteilt. So schlagen Hollmann und Hettinger zugeordnet. Zur weiteren Unterteilung wird die
(2000) die Begriffe anaerobe Kurzzeitausdauer LZA in vier weitere Subkategorien aufgeteilt
(10–20 s), anaerobe Mittelzeitausdauer (20–60 (. Tab. 7.1).
Ausdauertraining
351 7

..      Tab. 7.1 Kategorisierung der Ausdauerbeanspruchungen nach Zeitdauer und Zuordnung typischer
Wettkampfdisziplinen (mod. nach Zintl und Eisenhut 2009)

Kurzzeitausdauer 35 s – 2 min 400-m-Lauf 200 m Freistil

Mittelzeitausdauer 2 min – 10 min 3000-m-Lauf 400 m Freistil

Langzeitausdauer I 10 min – 35 min 10.000-m-Lauf 1500 m Freistil

Langzeitausdauer II 35 min – 90 min Halbmarathon 5 km Freiwasser

Langzeitausdauer III 90 min – 6 h Marathon Triathlon, Olymp. Distanz

Langzeitausdauer IV länger als 6 h 100-km-Lauf Triathlon, Langdistanz

Exkurs: Kurz-, Mittel- und Langzeitausdauer

Eine Einteilung der Ausdauer nach maximaler Laufzeit benötigen (Zuordnung zu Mittelzeitaus-
Belastungsdauer ist ein praktikabler und anwen- dauer).
dungsbezogener Ansatz. In der Umsetzung kommt Für viele Sportspiele, aber auch Individual-
es jedoch immer wieder zu Unschärfen: Bei den sportarten, ist eine zeitliche Strukturierung
klassischen Individualsportarten wie Schwimmen wenig hilfreich und zum Teil auch nicht möglich.
und Leichtathletik können geschlechtsspezifische Beispielsweise ist:
und leistungsspezifische Unterschiede zu 55 die Wettkampfdauer in vielen Sportarten
divergierender Einteilung führen. Exemplarisch variabel und unvorhersehbar (z. B. Tennis,
dafür kann der 800-m-Lauf der Frauen genannt Judo, Volleyball),
werden: Während eine geringe Anzahl von 55 die Spieldauer und Wettkampfdauer im
Top-Athletinnen schneller als 2 min laufen kann Sportspiel häufig nicht identisch (z. B. im Fußball),
(Zuordnung zu Kurzzeitdauer), wird die überwie- 55 durch Regelstrukturen (z. B. Spielerwechsel) die
gende Anzahl von Läuferinnen eine längere Zeitdauer der Ausdauerbelastung sehr variabel.

7.2 Biologische Grundlagen 7.2.1 Grundlagen des


Energiestoffwechsels
Langwährende körperliche Aktivitäten stellen
besondere Anforderungen an den Energiestoff- Energetische Grundvoraussetzung für jede
wechsel. Im Zusammenhang mit dem Ausdau- Muskelkontraktion ist die Kalzium- und
ertraining werden in diesem Kapitel daher alle ATP-abhängige Interaktion zwischen Myosin-
unverzichtbaren biologischen Grundlagen zu kopf und Aktinfilament (Querbrückenzyklus;
den im Ausdauertraining relevanten Stoff- . Abb. 4.10). Dabei liefert das energiereiche
wechselwegen und den Kompartimenten Adenosintriphosphat (ATP) die chemische
gelegt, in denen diese ablaufen. Darüber hinaus Energie, die zur aktiven Längenänderung oder
sollen die energiereichen Substrate und in dem isometrischen Spannungsentfaltung des Mus-
Zusammenhang speziell der Fettstoffwechsel kels eingesetzt wird (Brenner 2010; Linke und
bei körperlicher Belastung dargestellt werden. Pfitzer 2010).
352 F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Abb. 7.5 Stoffwechsel-


wege der ATP-Resynthese 1. anaerob - alaktazider Prozess:
(Zintl 1997, S. 44) Kreatinphosphat + Adenosindiphosphat Kreatin + Adenosintriphosphat
(KrP) (ADP) (Kr) (ATP)

2. anaerob - laktazider Prozess (= anaerobe Glykolyse):


Glukose (Glykogen) Laktat + ATP

3. aerober Prozess (= aerobe Glykolyse, oxidativer Glykogenabbau):


Glucose (Glykogen) + O2 CO2 + H2O + ATP

4. aerober Prozess (= Lipolyse, oxidativer Fettabbau):


freie Fettsäuren + O2 CO2 + H2O + ATP

..      Abb. 7.6 Kreatin/ Zytoplasma Mitochondrium


Kreatinphosphat-Shuttle
Muskelkontraktion
7 (modifiziert nach Müller-Wohl-
fahrt et al. 2004, S. 76) ATP ADP + Pi Kreatinphosphat ADP

mitochondriale
Kreatinkinase
Kreatinkinase

ATP Kreatin ATP

oxidative
Phosphorylierung

Fortwährende Muskelkontraktionen bewir­ siert und läuft im Zytoplasma der Muskelzelle


ken die Akkumulation von Stoffwechselend- ab (. Abb. 7.6). Bei hoher ATP-Bildungsrate ist
produkten, insbesondere ADP, Pi und H+, auch die KP-Konzentration (25 mmol/l Mus-
welche durch verschiedene Stoffwechselwege kel) bereits nach wenigen Sekunden erschöpft
mit unterschiedlicher energetischer Flussrate (Müller et al. 2015).
und Effizienz rephosphoryliert werden können Im Rahmen des Kreatin-/Kreatinphos-
(Zintl 1997; . Abb. 7.5 und 7.6). phat-Shuttles wird das im Zytoplasma ange-
häufte Kreatin an der Mitochondrienmembran
zz Anaerob-alaktazider Prozess durch die mitochondriale Kreatinkinase erneut
Das in der Muskelzelle verfügbare ATP (ca. zu Kreatinphosphat phosphoryliert. Hierzu
4 mmol/l Muskel) ist bereits nach wenigen wird das im Rahmen der oxidativen Phos-
Kontraktionen verbraucht. Unverzüglich greift phorylierung entstandene ATP verwendet
der Muskel auf eine indirekte ATP-Reserve, das (. Abb. 7.6). Bei intensiver Intervallarbeit
Kreatinphosphat (KP) (engl. Phosphocreatine, wird demnach das während der Belastung
PCr, oder Creatine Phosphate, CP) zurück. verbrauchte Kreatinphosphat in den Pausen
Dieser anaerob-alaktazide ­ Stoffwechselweg zwischen den Belastungen auf aeroben Wege
wird durch das Enzym Kreatinkinase syntheti- durch den oxidativen Glykogen- oder Fettab-
Ausdauertraining
353 7
bau erneut aufgebaut. Durch intervallartiges lich hierfür wirken eine Vergrößerung des
Training kann die anaerob-alaktazide Ener- KP-Speichers und eine Aktivitätssteigerung
giebereitstellung verbessert werden. Ursäch- der Enzyme ATPase und Kreatinkinase.

Exkurs: Steigerung der anaerob-alaktaziden Kapazität durch Kreatinsupplementation?

Kreatinmonohydrat ist ein vielfach verwendetes bran und steht im Zytosol dann für die nächste
Nahrungsergänzungsmittel (Ferrauti und Muskelkontraktion bereit. Nach einer maximalen
Remmert 2003). Kreatin ist überwiegend in der Belastung dauert es etwa 30–60 s, bis die Hälfte,
Skelettmuskelzelle zu finden, wo es in Form von und etwa 5 min, bis nahezu der gesamte
Kreatinphosphat (KP) gespeichert wird Kreatinphosphatspeicher resynthetisiert ist (Tesch
(. Abb. 7.6). Im Zytosol katalysiert die dortige et al. 1989). Der beschriebene Regelkreis wird
Kreatinkinase im Rahmen der anaerob-alaktaziden auch als Kreatin/Kreatinphosphat-Shuttle
Energiebereitstellung mittels Kreatinphosphat die bezeichnet (Juhn und Tarnopolsky 1998). Die
rasche ATP-Resynthese (KP + ADP ⇌ Kreatin + vermehrte orale Zufuhr von Kreatinmonohydrat
ATP). KP fungiert somit als kurzfristiger Energie- kann den Kreatin/Kreatinphosphat-Shuttle
puffer (Soderlund et al. 1992; Casey et al. 1996). zusätzlich aktivieren und auf diesem Wege die
Etwa 70 % der KP-­Speicher in den Typ-II-Fasern Verfügbarkeit von KP im Rahmen der ana-
sind nach 10 s maximaler Kontraktion verbraucht erob-alaktaziden Energiebereitstellung erhöhen.
(Hultman et al. 1991). Zur Resynthese von Hierdurch wird das Einsetzen der anaeroben
Kreatinphosphat wird das in den Mitochondrien Glykolyse verzögert. Beim Krafttraining kann
durch oxidative Phosphorylierung generierte ATP hierdurch theoretisch eine höhere Wiederholungs-
benötigt (Sahlin et al. 1979). Die mitochondriale zahl anaerob-alaktazid realisiert werden. Beim
Kreatinkinase katalysiert die Transphosphorylase- Intervalltraining werden längere Belastungspha-
reaktion von ATP zu KP zwischen der inneren und sen anaerob-alaktazid und in den Erholungspau-
äußeren Mitochondienmembran. Das rephosphor- sen eine effizientere Nutzung des Kreatin/
ylierte KP passiert die äußere Mitochondrienmem- Kreatinphosphat-Shuttles möglich.

zz A
 naerob-laktazider Prozess (anaerobe Belastungsintensität und entsprechend hoher
Glykolyse) glykolytischer Flussrate insbesondere bei limi-
Innerhalb der anaeroben Energiebereitstellung tierter oxidativer Kapazität in den Mitochond-
setzt noch während der laufenden KP-­Nutzung rien das anfallende NADH/H+ nicht sofort
die anaerobe Glykolyse ein. Hierunter wird oxidiert werden kann, hilft sich der Organis-
der Abbau von Glykogen (Speicherform der mus, indem er Pyruvat zu Laktat reduziert.
Glukose) ohne Sauerstoff unter Bildung von Dabei wird NADH/H+ zu NAD+ oxidiert. Bei
Laktat verstanden (anaerob-laktazide Energie- ausreichender Verfügbarkeit von NAD+ kann
bereitstellung). Bei maximalen Belastungen die glykolytische Flussrate zunächst aufrechter-
wird die Glykolyse bereits nach wenigen halten werden. Die sich in der Muskelzelle
Sekunden aktiv; bei submaximalen Intensitä- anreichernde Milchsäure verringert jedoch den
ten nach 8–9 (Zintl 1997). Der Vorteil der Gly- Intrazellulären pH-Wert. Hierdurch wird im
kolyse besteht in der hohen energetischen Sinne einer Eigenhemmung die glykolytische
Flussrate von ca. 3,0 mmol ATP/min (Hoh- Enzymaktivität, speziell jene der Phosphofruk-
mann et al. 2002; . Abb. 7.7). Nachteilig ist die tokinase (PFK), gesenkt. Die Belastungsintensi-
unökonomische Energieausbeute, denn aus tät und die glykolytische Flussrate werden
1 Mol Glukose werden nur 2 Mol ATP gewon- reduziert und das Gleichgewicht mehr in Rich-
nen (. Abb. 7.8). tung des Pyruvats und dessen oxidativem
Beim Ablauf der Glykolyse bis zur Brenz- Abbau verschoben. Laktatmoleküle werden aus
traubensäure (Pyruvat) entsteht das Redukti- der Muskelzelle in das Blut ausgeschwemmt
onsäquivalent NADH/H+. Da bei hoher und dort leicht im Kapillarblut messbar.
354 F. Hanakam und A. Ferrauti

Exkurs: Laktat

Die biologische Rolle von Laktat geht weit über die der oxidativen Energiebereitstellung zugeführt wird
übliche Verwendung als Marker einer anaeroben (Wahl et al. 2009). Zusätzlich wird Laktat eine
Stoffwechselaktivität hinaus (Wahl et al. 2009). steuernde und regulierende Signalfunktion bei
Biochemisch wird Laktat dann gebildet, wenn die Gewebsanpassungen zugewiesen. Arbeitsgruppen
Pyruvatproduktion die oxidative Abbaurate im sprechen bereits von einem „Lactormone“ (Gladden
Zitratzyklus übersteigt, und ist nicht zwangsläufig 2008; Hashimoto und Brooks 2008). Laktat
nur das Resultat anaerober Bedingungen. Die stimuliert als Signalmolekül unter anderem die
Blutlaktatkonzentration wird durch zahlreiche Angiogenese (Gefäßneubildung; Beckert et al.
Faktoren beeinflusst (z. B. aerobe Kapazität, max. 2006). Darüber hinaus besitzt es akut regulierende
Laktatproduktionsrate, LDH-Aktivität, Muskelfaser- Funktionen wie die Regulation von Sympathikus-
profil, metabolische Laktatelimination, Füllungsgrad tonus und neuronaler Signaltransduktion (Philp
der Glykogenspeicher, Blutzirkulation, pH-Wert und et al. 2005; Wahl et al. 2009). Anpassungsprozesse
Laktattransportkinetik). Laktat wird heute als ein durch intensive Trainingseinheiten belaufen sich
wichtiger Stoffwechselmetabolit angesehen, der auch in einer gesteigerten Transportkapazität und
zwischen unterschiedlichen Kompartimenten dadurch verbesserten pH-Regulation des entspre-
transportiert, den pH-Wert reguliert und schließlich chenden Gewebes (Pufferkapazität).
7

Energie + Pi Muskelglykogen

1 ATP
ADP ADP
Glukose-6-phosphat
1 ATP, Phosphofruktokinase
Fruktose-1,6-bisphosphat
4,4 3,0
1,0
0,4 0,4
ATP-Bildungsrate (mmol/min) 2 Triosen
4 ATP
KP Glykogen Glykogen Glykogen freie
Muskel Muskel Leber Fettsäuren Brenztraubensäure Milchsäure
anaerob aerob aerob aerob
(Pyruvat) Laktat- (Laktat)
375 dehydrogenase

Mitochondrium:
Zitratzyklus und
Energieabgabe (kJ/min)

KP
oxidative Phosphorylierung
250
Gesamtenergieabgabe

anaerob aerob ..      Abb. 7.8 Grobdarstellung der Glykolyse ausge-


125
Glykolyse hend vom Muskelglykogen bis zur Gleichgewichts-
reaktion der Laktatdehydrogenase (LDH) zwischen
Glykogen- und
Fettsäureabbau
Pyruvat und Laktat
Belastungsdauer (log)

..      Abb. 7.7 ATP-Bildungsrate bzw. Energieflussrate


Dauer wie beim Bahnradsport. Bei kürzerer
unterschiedlicher anaerober und aerober Stoffwech- Belastungsdauer (z. B. beim 100-m-­Sprint in
selwege (Badtke 1995; Neumann et al. 1998; der Leichtathletik) liegt LA trotz der maximalen
Hohmann et al. 2002, S. 54) energetischen und glykolytischen Flussrate auf-
grund der kürzeren Akkumulation­ sdauer
Die höchsten Blutlaktatkonzentrationen ebenso wie bei längerer Belastungsdauer (z. B.
(LA) von über 20 mmol/l werden bei KZA-Bela- beim 5000-m-Lauf) aufgrund der überwiegend
stungen von Weltklasseathletinnen und -athle- aeroben Energiegewinnung auf niedrigerem
ten gemessen. Dies betrifft beispielsweise die Niveau (. Abb. 7.3). Im Marathonlauf kommt
leichtathletischen Mittelstrecken 400 und 800 m, die anaerobe Glykolyse nur in Phasen einer
aber auch andere zyklische Maximalbeanspru- plötzlichen Tempoverschärfung oder beim End-
chungen großer Muskelgruppen über 1–2 min spurt zum Tragen. Beim Freizeitsportler liegen
Ausdauertraining
355 7
die LA beim Zieleinlauf nach 42,195 km auf- Die Eliminationsrate liegt im Falle hoher LA
grund der extrem langen Belastungsdauer und laut Zintl (1997) bei ca. 0,5 mmol/l/min.
der relativ geringen Energieflussrate nahe dem Eine aktive Erholung als rein aerobe Arbeit
Ruhewert (1–2,5 mmol/l). großer Muskelgruppen wie das klassische Aus-
In den Sportspielen schwankt LA aufgrund laufen oder Ausradeln mit geringer Intensität
der teilweise unvorhersehbaren und gegner- und (>50 % der V̇ O2max) bewirkt eine signifikant
taktikabhängigen Beanspruchung erheblich. Im beschleunigte Laktatelimination (. Abb. 7.10).
Fußball konnten deutliche intraindividuelle und Im Anschluss an ein intensives Intervalltraining
spielzeitabhängige Schwankungen festgestellt fiel LA innerhalb einer 15 min passiven Erho-
werden. Einzelne Spieler erreichen bereits Mitte lung von ca. 10 auf ca. 5 mmol/l ab (0,33 mmol/
der ersten Halbzeit ca. 10 mmol/l, andere Mitspie- min). Ein 15-minütiges moderates Auslaufen
ler liegen zeitgleich bei ca. 2 mmol/l (Ferrauti et al. beschleunigte die Elimination im gleichen Zeit-
2006). Im Mittel lag LA in einem Trainingsspiel raum auf ca. 3 mmol/l (0,5 mmol/min).
bei 4–5 mmol/l. In der Halbzeitpause und gegen Regelmäßige anaerob-laktazide Beanspru-
Ende des Spiels war ein signifikanter Abfall zu chungen verursachen Anpassungsprozesse, die
verzeichnen (Ferrauti et al. 2006; 7 Abschn. 12.4). die Toleranz gegenüber hohem LA steigern.
Im Tennis hängt LA wesentlich von der vielfach Dies ist primär auf eine verbesserte Pufferka-
zufälligen Reihenfolge kürzerer und längerer pazität zurückzuführen. Puffer bewirken die
intensiver Ballwechsel ab (. Abb. 7.9). Einzel- Neutralisation von Säuren und Basen und
werte erreichen demnach über 8 mmol/l. Im Mit- dadurch eine verbesserte Stabilisation des
tel über ein gesamtes Match werden jedoch auch pH-Wertes in der Körperflüssigkeit und im
unter Turnierbedingungen nur Werte zwischen 3 Muskelgewebe. Einen wesentlichen Anteil an
und 4 mmol/l gemessen (Ferrauti et al. 2016; der Pufferkapazität besitzt das Bikarbonat. Das
7 Abschn. 12.6). ins Blut übertretende LA wird überwiegend
Die Laktatelimination erfolgt während durch das Plasma-Bikarbonat abgepuffert.
und/oder nach der Belastung durch Wieder- Durch Training kann die Pufferkapazität ver-
aufbau von Glykogen im Rahmen der Gluko- größert werden (McGinley und Bishop 1985).
neogenese in der Leber (Cori-Zyklus) und Auch die orale Zufuhr von Natrium-Bikarbo-
durch oxidative Verstoffwechslung im Herz- nat kann die Leistung bei hochintensiver Inter-
muskel und in der unbelasteten Muskulatur. vallarbeit steigern (Krustrup et al. 2015).

..      Abb. 7.9 Verlauf 8


BW 6 s intensiv 20 s Pause
der Blutlaktatkonzent- 7
BW 24 s intensiv + 20 s Pause
ration (LA) über acht 6
Ballwechsel (BW) in 5
LA (mmol/l)

einem simulierten 4
Tennismatch beste- 3
2,5 mmol/l
hend aus unterschied- 2 Ruhe LA
lich langen intensiven 1,0 mmol/l
1
Ballwechseln
15:0 30:0 40:0 Seitenwechsel 15:0 30:0 40:0 (t)
(modifiziert nach
Ferrauti et al. 2016, 8
S. 24). 7
6
LA (mmol/l)

5 4,5 mmol/l
4
3
2 Ruhe LA
1,0 mmol/l
1

15:0 30:0 40:0 Seitenwechsel 15:0 30:0 40:0 (t)


356 F. Hanakam und A. Ferrauti

Time: p = 0.001; Interaction: p = 0 . 0 2 0 T ime : p = 0.001; Interaction: p = 0.001


a b
14 100
PAS PAS
12 ACT ACT
80
10
60
(mmol·l –1 )

(%)
6 40
4
20
2

0 0
Pre Training Post Training Post Recovery Post 0' 3' 6' 9' 12' 15'

..      Abb. 7.10 Anstieg und nachfolgende Elimination tensiven Intervalltraining bei passiver (PAS) und
von Blutlaktat ((A) sowie relative Blutlaktatelimination aktiver (ACT) Erholung in Form eines moderaten
(B) relativer Verlauf ) während bzw. nach einem hochin- Auslaufens (Wiewelhove et al. 2018)

7
zz A
 erober Prozess (aerobe Glykolyse,
..      Tab. 7.2 Physiologischer Brennwert und
oxidativer Glykogenabbau)
kalorisches Äquivalent der Grundnährstoffe
Der oxidative Abbau von Kohlenhydraten (Gly-
kogen oder Glukose) und Fetten (freie Fettsäu-
ren) zu Kohlendioxid und Wasser liefert bei
geringerer energetischer Flussrate (0,4–
1,0 mmol ATP/min) einen vollständigen und
ökonomischen Abbau der Nährstoffe zu
ATP. Wenn bei geringerer Beanspruchung
weniger Energie pro Zeiteinheit benötigt wird sche Äquivalent wesentlich darüber, welche
und die zelluläre Verfügbarkeit von Sauerstoff Nährstoffe primär verstoffwechselt werden, da
ausreichend hoch ist, greift der Organismus auf die Verfügbarkeit von Sauerstoff einen ent-
diesen Stoffwechselweg zurück. Aus einem Mol scheidenden Engpass darstellt. Aufgrund des
Glukose werden bei vollständigem oxidativen hohen kalorischen Äquivalents der Kohlenhy-
Abbau im Rahmen von Zitronensäurezyklus drate werden diese eher bei höherer Intensität
und Atmungskette in den Mitochondrien 38 und die Fette eher bei geringerer Intensität und
ATP gewonnen. 1 mol Fettsäuren (z. B. Palmi- ausreichender Sauerstoffverfügbarkeit ver-
tinsäure mit 16 C-Atomen) liefert 130 ATP stoffwechselt. Dies liegt an der Sauerstoffarmut
(Zintl 1997). Neben Kohlenhydraten und Fet- des Fettsäuremoleküls.
ten können auch Aminosäuren als Bausteine Der aerobe Glykogenabbau verläuft bis
der Proteine oxidativ verstoffwechselt werden. zum Pyruvat identisch wie bei der anaeroben
Im Vergleich von Kohlenhydraten, Fetten Glykolyse (Müller et al. 2015). Anstelle der
und Proteinen liegt der physiologische Brenn- Reduktion von Pyruvat zu Laktat erfolgt bei
wert (Energiegehalt pro Gramm Nährstoff) geringerer glykolytischer Flussrate jedoch die
bei den Fetten am höchsten (. Tab. 7.2). Da oxidative Decarboxylierung von Pyruvat
die Oxidation der drei Nährstoffe jedoch (Abspaltung von 2 H-Atomen und von CO2)
unterschiedlich viel Sauerstoff erfordert, zu aktivierter Essigsäure (Acetyl-CoA). Auch
unterscheidet sich das kalorische Äquivalent der Abbau der Fettsäuren im Rahmen der
(Energieproduktion pro Liter Sauerstoff) vom β-Oxidation und der Abbau der Aminosäuren
physiologischen Brennwert (. Tab. 7.2). Unter als Bausteine der Proteine führen (teilweise)
körperlicher Belastung entscheidet das kalori- zur Bildung von Acetyl-CoA. Das C2-Molekül
Ausdauertraining
357 7
..      Abb. 7.11 Energie Lipide Kohlenhydrate Proteine
freisetzende Stoff- Stärke, Glykogen
Fette, Öle Peptide
wechselwege der Zucker (Pentosen,
Phospholipide
eukaryotischen Zelle Hexosen)
(Müller et al. 2015,
Aminosäuren
S. 28)
Glukose u. a.
Fettsäuren
ß-Oxidation Glykolyse

Pyruvat

Zytosol
CO2
CO2
Acetyl-CoA

Mitochondrium
Zitratzyklus CO2

CO2 Sauerstoff

O2
Wasserstoff
Atmungskette
ADP Elektronen
oxidative 2H+ O2–
Phosphorylierung Energie

ATP H2O

Acetyl-CoA wird nun in den Zitronensäure- mobilisation und Substratabbau sollen anhand
zyklus eingeschleust und verbindet sich von . Abb. 7.12 im Folgenden zusammenge-
zusammen mit Oxalsäure (C4-Molekül) zu fasst werden. Hierbei wird der Übergang von
Zitronensäure (C6-Molekül). Diese wird im Ruhe zu einer intensiven 30-­minütigen Dau-
Verlauf des Zitronensäurezyklus sukzessive erbelastung zugrunde gelegt. Die Beschrei-
abgebaut (CO2 und H-Abspaltung), und der bung folgt im Wesentlichen der Arbeit von
frei werdende Wasserstoff im Rahmen der Brouns (1993).
Atmungskette in einer „gesteuerten“ Knallgas- 1. Anaerob-alaktazide Energiebereitstellung
reaktion auf Sauerstoff unter Bildung von im Zytoplasma der Muskelzelle: Durch das
Wasser übertragen. Die maximale Sauerstoff- Enzym Kreatinkinase erfolgt während der
aufnahme ist für die Effizienz dieser biologi- ersten Muskelkontraktionen die Rephos-
schen Endoxidation von herausragender phorylierung von ADP zu ATP durch KP.
Bedeutung. Die dabei frei werdende Energie 2. Anaerob-laktazide Energiebereitstellung im
geht zwar überwiegend als Wärme verloren. Zytoplasma der Muskelzelle: Im Rahmen
Der verbleibende Teil dient jedoch zur oxidati- der Glykolyse wird das Muskelglykogen in
ven Phosphorylierung von ATP aus ADP Glukosemoleküle gespalten, die über
(. Abb. 7.11). Pyruvat bis zu Laktat abgebaut werden.
Die Komplexität der skizzierten Stoffwech- 3. Aerobe Glykolyse (oxidativer Glykogen-
selwege, die Kompartimente, in denen sie abbau): Bei geringerer glykolytischer
stattfinden, und die Reihenfolge von Substrat- Flussrate und zeitlich etwas verzögert
358 F. Hanakam und A. Ferrauti

Fettgewebe Leber

5
7

Gefäße

Muskel
7 8
3

6 GL
ZZ+AK 2
KP ATP
1

..      Abb. 7.12 Kompartimente und Reihenfolge der Substratverstoffwechselung zur Energiebereitstellung unter
körperlicher Belastung (zu Punkt 1–8 s. Text).

erfolgt bei ausreichender Sauerstoffver- deten Glukosemoleküle stabilisieren den


fügbarkeit die oxidative Decarboxylie- Blutzuckerspiegel.
rung von Pyruvat zu Acetyl-CoA und 6. Intramuskuläre Lipolyse: Triglyzeride
dessen Einschleusung in die Mitochond- (Synonym: Triacylglyzeride oder Neutral-
rien zur Endoxidation im Zitronensäure- fette) sind in geringem Ausmaß auch
zyklus und in der Atmungskette. intramuskulär gespeichert und beteiligen
4. Glukose-Uptake und Verstoffwechslung sich leisten einen Anteil an der Energie-
aus dem zirkulierenden Blut: Mit geringer bereitstellung. Hierzu werden die Trigly-
zeitlicher Verzögerung steigert sich die zeride in Glyzerin und Fettsäuren
Durchblutung der Arbeitsmuskulatur und gespalten.
zirkulierende Plasmaglukose wird ver- 7. Periphere Lipolyse: Auch in der Peripherie
mehrt in die Muskelzelle aufgenommen nimmt die Lipolyse im viszeralen Fett und
und als Substrat für die aerobe Energiebe- im Unterhautfettgewebe zu. Die periphere
reitstellung verwendet. Fettmobilisation wird ebenso wie die
5. Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Kohlenhydratmobilisation durch die
Leber: Der sich nach wenigen Minuten Stresshormone (speziell Adrenalin) aktiviert.
einstellende Abfall der Blutzuckerkonzentra- 8. Die Spaltprodukte Glyzerin und freie
tion wird durch Chemorezeptoren registriert Fettsäuren nehmen im Blutplasma signifikant
und durch die Ausschüttung von Katechol- zu und werden von der Muskelzelle aufge-
aminen (Stresshormonen) kompensiert. nommen. Im Rahmen der β-Oxidation im
Diese aktivieren die Glykogenolyse in der Zytoplasma werden die Fettsäuren zu
Leber und die dabei gespaltenen sowie die Acetyl-­CoA abgebaut und in den Zitronen-
im Rahmen der Glukoneogenese neugebil- säurezyklus der Mitochondrien eingeschleust.
Ausdauertraining
359 7
Beispiel: Unterzuckerung und Hungerast

Viele Athleten in der Sportpraxis klagen über häufiger betroffen als Frauen, und nervöse
plötzlich eintretende Leistungsverluste in Training Wettkämpfer klagen häufiger als entspannte und
und Wettkampf. Die Begleitsymptome sind coole Athleten. Der Grund mag an der höheren
leichter Schwindel, Koordinationseinbußen, adrenergen Stimulation nervöser Männer auf die
Kaltschweißigkeit und Heißhunger nach Glykogenolyserate liegen. Auch unter Hitzebedin-
Süßigkeiten. Das Phänomen ist auf den Abfall der gungen steigt das Risiko, da hier der Kohlenhy­
Blutzuckerkonzentration unter eine individuelle dratverbrauch höher liegt. Der Moment des
Sensitivitätsschwelle zurückzuführen. Wenn also Eintretens ist bei Dauerbelastungen erst nach ca.
das Leberglykogen aufgrund von langandauern- zwei Stunden Belastungsdauer zu befürchten.
den Belastungen verbraucht ist und den Entweder er stellt sich schleichend ein (z. B. bei
Blutzuckerspiegel bei fortwährendem Gluko- zyklischen Ausdauerbelastungen mit konstantem
se-Uptake der Muskelzelle nicht mehr stabilisieren Energieumsatz), oder er stellt sich urplötzlich und
kann, reagiert der Körper mit den beschriebenen ohne Vorwarnung ein (bei plötzlichem Anstieg
Symptomen. Eigene Messungen haben ergeben, des Energieumsatzes beim Anstieg während der
dass diese „Hypoglykämieschwelle“ sich bei Bergetappe, bei einer Tempoverschärfung im
einigen Athleten erst bei einem Abfall der Marathon oder zu Beginn einer zweiten Trainings-
Blutzuckerkonzentration vom nüchternen oder Wettkampfbelastung nach kurzer Pause).
Normalwert um 80–100 mg/dl auf ca. 40 mg/dl Tennisspieler klagen häufig zu Beginn des
einstellt; andere Athleten verspüren bereits Doppels (zweites Match eines Mannschaftswett-
Einschränkungen bei ca. 60 mg/dl. Männer sind kampfes) über den plötzlichen Hungerast.

Praxistipp: Kohlenhydrate vor, während,


zwischen und nach der Belastung Belastung Kohlenhydrate in
schmackhafter Form zuzuführen (als Gel,
Auch wenn das „Image“ von reife Banane, gelöst im Sportgetränk, in
Kohlenhy­draten und insbesondere Zucker der Halbzeitpause oder beim
in der aufgeklärten Allgemeinbe- Seitenwechsel im Tennis). Nutzen Sie die
völkerung in der jüngeren Vergangenheit Pause zwischen zwei Belastungen zur
erheblich gelitten hat, im Leistungssport Aufnahme von kurz- und mittelkettigen
und insbesondere bei Ausdauerbe- Kohlenhydraten (Oligosaccharide mit
lastungen ist eine ausreichende hohem glykämischen Index) mittels
Kohlenhydratzufuhr unverzichtbar Trockenkuchen, Milchreis mit Früchten
(7 Abschn. 9.4.2). Je höher die Muskel- oder kohlenhydratreichen Getränken.
und Leberglykogenspeicher vor Beginn Hypoglykämisch sensible Athleten oder
von Training- und Wettkampf durch ihre Betreuer sollten Kohlenhydrate in der
komplexe, langsam verdauliche, notwendigen Darreichungsform stets
faserreiche Kohlenhydrate (z. B. vorhalten. Stellt sich trotzdem ein akuter
stärkehaltige Lebensmittel mit niedrigem Hungerast ein, so hilft der Konsum
glykämischen Index) gefüllt wurden, zuckerhaltiger Nahrungsmittel (z. B. zwei
umso länger kann eine hohe Leistungs- bis drei Schokoriegel mit Coca-Cola) und
fähigkeit aufrechterhalten und umso beseitigt die Symptome nach ca.
später wird sich eine Unterzuckerung 5–10 min. Koffein in Coca-Cola oder im
einstellen. Nutzen Sie ferner jede Espresso vermag die Mobilisationsge-
Möglichkeit, bereits während der schwindigkeit zusätzlich zu steigern.
360 F. Hanakam und A. Ferrauti

Nach Beendigung der Belastung sind die Der gesamtkalorische Umsatz wird primär
genannten Prozesse teilweise rückläufig. Die int- durch Belastungsintensität, Belastungsdauer
ramuskulären Triglyzeridspeicher werden durch und durch das Körpergewicht bestimmt. Auch
die aus der Peripherie aufgenommenen Fettsäu- der Umfang der beteiligten Arbeitsmuskulatur
ren neu aufgebaut. Überschüssig in der Periphe- (allgemeine Ganzkörper-Ausdauerbelastungen
rie mobilisierte Substrate werden erneut in den steigern den Energiebedarf) und das Geschlecht
Leber- und Fettzellen abgespeichert. Das Mus- (Männer haben aufgrund der gewöhnlich höhe-
kelglykogen kann durch oral zugeführte Kohlen- ren Muskelmasse einen höheren Energieumsatz)
hydrate über den peripheren Zulieferweg schon beeinflussen den gesamtkalorischen Umsatz.
während der Belastung geschont und je nach Intervallbelastungen weisen im Vergleich zu
Belastungsintensität sogar neu gebildet werden. Dauerbelastungen spezifische Auswirkungen auf
Problematisch wird die Situation, wenn die Kalorienumsatz und Substratverwertung auf,
Belastung bei unverminderter Intensität länger und auch der psychische Stress unter Wett-
andauert. Es droht eine Hypoglykämie, die kampfbelastung besitzt einen nicht zu unter-
landläufig auch als „Hungerast“ bzw. „Unter- schätzenden Einfluss (Ferrauti 1999).
7 zuckerung“ bezeichnet wird. Während die Der Ruheumsatz beträgt ungefähr 1 kcal/h/
Fettreserven des Organismus weitgehend uner- kg Körpergewicht (7 Abschn. 11). Dabei wer-
schöpflich sind, besteht aufgrund der begrenz-
ten Kohlenhydratspeicher (ca. 300–500 g
Muskelglykogen, ca. 100 g Leberglykogen, der Metabolisches Äquivalent (MET)
Trainierte besitzt größere Glykogenspeicher) Ein MET ist definiert als die Sauerstoff-
die Gefahr, dass bei fortwährendem Gluko- aufnahme im Sitzen unter
se-Uptake aus dem Blut in die Muskelzelle der Ruhebedingungen, entsprechend 3,5 ml
Blutzuckerspiegel durch das Leberglykogen O2/kg Körpergewicht/min. Dies
nicht mehr stabilisiert werden kann. entspricht in etwa 1,0 kcal/kg
Körpergewicht/h. Ein normaltrainierter
Mann mit einem Körpergewicht von
7.2.2 Energieumsatz und 80 kg wird folglich ca. 80 kcal während
Substratverwertung im einer Stunde in sitzender Tätigkeit
Ausdauersport verbrauchen (Jetté et al. 1990; McArdle
et al. 1991). Ausgehend von diesem
Die quantitative Verwertung von Muskel- Basiswert kann nun jede körperliche
und Leberglykogen sowie von Blutglukose Aktivität in der hierfür benötigten Anzahl
und Fetten als Energiequelle für langandau- an METs beschrieben werden, indem die
ernde zyklische Ausdauerbeanspruchungen Sauerstoffaufnahme bei dieser Aktivität
ist vom Trainingszustand sowie von der durch den oben genannten Ruheumsatz
Dauer und Intensität der Belastung abhängig dividiert wird. Das Metabolische
(Brouns 1993). Bei Ausdauerbelastungen Äquivalent einer Belastung ist folglich
üblicher Dauer wird die benötigte Energie – der Multiplikationsfaktor des
abgesehen von geringfügigen Anteilen des Ruheumsatzes. Hierzu findet man in der
Proteinstoffwechsels – hauptsächlich aus den Literatur zahlreiche Angaben für
beiden wichtigsten Energiequellen, den Koh- vielfältige Tätigkeiten, die jedoch nicht
lenhydraten und Fetten, freigesetzt. Diese immer auf experimentellen
beiden Energiequellen werden immer in Untersuchungen basieren, sondern
einem belastungsabhängigen Mischungsver-
hältnis genutzt (Brouns 1993).
Ausdauertraining
361 7
den nach unseren Messungen ca. zwei Drittel
oftmals auch auf Schätzungen. Leichter der Energie durch Fette und ca. ein Drittel
Hausarbeit werden beispielsweise 2 MET, durch Kohlenhydrate bereitgestellt (Ferrauti
Gartenarbeit 4 MET, Schneeschaufeln 5 1999). Unter körperlicher Belastung steigt der
MET und Holzhacken 6 MET zugeordnet. Energieumsatz je nach Art und Intensität der
Gemäß der Höhe des MET werden Belastung an. Die einfachste Form zur
verschiedene Klassifikationen für leichte Beschreibung des gesamtkalorischen Umsatzes
(<4 MET), mittlere (4–6 MET), schwere verschiedener Aktivitäten ist die Angabe des
(6–8 MET), sehr schwere (8–10 MET) und Metabolischen Äquivalents (engl. metabolic
übermäßig schwere (>10 MET) equivalent, abgekürzt als MET).
Aktivitäten unterschieden (Jetté et al. Aus diesen Basisgrößen können nun für ver-
1990; McArdle et al. 1991). Das schiedene Aktivitäten die gesamtkalorischen
metabolische Äquivalent kann in gleicher Brutto- und Nettoangaben für eine realistische
Weise zur Beschreibung der körperlichen Belastungsdauer berechnet werden. So werden
Leistungsfähigkeit und zur Charakte- beispielsweise in einem 90-minütigen Fußball-
risierung der Trainingsintensität (z. B. % spiel (Trainingsspiel mit gut trainierten Sport-
von METmax) benutzt werden. Individuelle studenten und einem mittleren Körpergewicht
Limitationen dieser Messgröße ergeben von 80 kg) brutto, also einschließlich des
sich beispielsweise bei Personen mit Ruheumsatzes, ca. 5630 kJ (Minimum 4430,
einem hohen Anteil an Körpermuskulatur Maximum 7290) bzw. 1340 kcal (Minimum
(höherer kalorischer Ruheumsatz) und 1050, Maximum 1750) verbraucht (Ferrauti
natürlich durch die Ausführungsqualität et al. 2006). Der Bruttoumsatz eines zweistün-
sportlicher Aktivitäten. Exemplarisch sind digen Trainingseinzels über drei Sätze mit
einige grobe Orientierungswerte aus der männlichen Turniertennisspielern (Körperge-
Literatur bzw. aus eigenen wicht ca. 80 kg, regionale Klasse) entspricht in
Untersuchungen mittels portabler etwa dem eines vierstündigen Golfspiels über
Spirometrie und indirekter Kalorimetrie 18 Loch im Dreier-Flight (ca. 4200 kJ bzw.
speziell zum Tennis, Fußball und Golf in 1000 kcal). Unter realen Turnierbedingungen
alphabetischer Reihenfolge benannt ist jedoch in allen Fällen von deutlich höheren
(Jetté et al. 1990, Ferrauti et al. 1997, Werten auszugehen (Ferrauti 1999; Ferrauti
Ferrauti 1999; Ferrauti et al. 2006). et al. 1997, 2001b).
Die Angaben für die klassischen zyklischen
Metabolische Äquivalente
Ausdauersportarten werden selbstverständlich
ausgewählter Sportarten
neben der sehr unterschiedlichen Belastungs-
Alpiner Skilauf: 5–9 dauer im Wesentlichen von der Belastungsin-
Badminton Einzel: 4–5 tensität bestimmt. Ein gemütlicher Jogginglauf
Basketball: 11,1 eines 80 kg schweren Läufers über 60 min wird
Boxen: 13 in etwa mit einem Energieumsatz von ca.
Fußball: 10–12 3000 kJ bzw. 700 kcal einhergehen. In der glei-
Golf: 2–4 chen Zeit verbraucht eine 60 kg schwere Läufe-
Jogging (9 km/h): 8–10 rin 2250 kJ bzw. 540 kcal. Ein zügiger
Krafttraining: 3–6 Marathonlauf eines 80 kg schweren Läufers
Tennis Einzel: 6–10
(Endzeit 3:15 h) wird hingegen bereits mit
einem Energieumsatz in Höhe von ca. 13.000 kJ
Walking (5 km/h): 3–4
bzw. über 3000 kcal einhergehen. Während
einer langen und schweren Tour-de-France-­
362 F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Abb. 7.13 Arbeits-


vermogen (links) und
Serumkonzentration an glykogenreich
100 2000
freien Fettsäuren (FFS,
glykogenarm
rechts) in Abhangigkeit

Arbeitsvermögen (% max)
vom Fullungsgrad der 75 1500

Serum FFS (µmol/l)


Glykogenspeicher. Im B
Hintergrund ein
Querschnitt durch die 50 1000
glykogenreiche A
Skelettmuskulatur.
Muskelglykogen wird in 25 500
Form von Starkekornern
(C) zwischen den
Mitochondrien (B) 0 0
0 30 60 90 120 [min] 0 30 60 90 120 [min]
innerhalb der Muskel- a b
fasern (A) gespeichert C

(modifiziert nach Brouns,


7 1993 und Wagenmakers
et al. 1991)

Etappe mit bis zu sechs Stunden Dauer ist mit wechsel angekurbelt. Durch vermehrte Lipolyse
einem Umsatz von bis zu 30.000 kJ bzw. über im Körperfett steigt die Serumkonzentration
7000 kcal zu rechnen (Müller et al. 2015). von freien Fettsäuren (FFS) und freiem Glyzerin
Der Füllungsgrad von Leber- und insbeson- deutlich stärker an (. Abb. 7.13). Folglich ist
dere Muskelglykogen beeinflusst in hohem auch von einer vermehrten Aufnahme und Oxi-
Masse den Energieumsatz, die Substratverwer- dation von FFS in der Muskelzelle auszugehen,
tung und hierdurch das Leistungsvermögen des was aufgrund der oben beschriebenen Zusam-
Athleten. Vergleichende Untersuchungen von menhänge mit einer Reduktion des Leistungs-
Wagenmakers et al. (1991) in Glykogenverarm- vermögens einhergeht (. Abb. 7.12 und 7.13).
ten und -angereichertem Zustand belegen,
!! Achtung: Hohe Laktatwerte sind (auch)
dass bei selbstgewählter Belastungsintensität
ein Indikator für Leistungsfähigkeit
die Ausschöpfung der Maximalleistung wäh-
rend einer zweistündigen Dauerbelastung mit Die Beteiligung der energiereichen Substrate
entleerten Glykogenspeichern (z. B. durch eine am gesamtkalorischen Umsatz hängt aufgrund
intensive Dauerbelastung am Vortrag mit der oben beschriebenen Zusammenhänge sehr
anschließender kohlenhydratfreier Diät) konti- stark von der Belastungsintensität ab (Romijn
nuierlich von 70 auf 40 % gesenkt werden muss, et al. 1993). Bei geringer Belastung überwiegt
während im Glykogen angereicherten Zustand der Fettstoffwechsel absolut und prozentual
die Leistung bei 80 % der Maximalleistung bis an der Energiebereitstellung. Dabei werden
zum Belastungsende stabilisiert werden kann vorrangig die über das Blut zugeführten Plas-
(. Abb. 7.13). Interessanterweise hat diese Gly- mafettsäuren aus den peripheren Fettspei-
kogen-Mangelsituation Konsequenzen auf alle chern oxidiert (. Abb. 7.14). Erst bei mittlerer
übrigen Mechanismen der Substratmobilisation Belastungsintensität deckt der Kohlenhydrat-
und Substratverwertung (. Abb. 7.12). So sinkt stoffwechsel aus Muskelglykogen und Plasma-
die Blutglukosekonzentration aufgrund des Gly- glukose (aus der hepatischen Glykogenolyse)
kogenmangels in der Leber (reduzierte Glyko- in etwa die Hälfte des Energieumsatzes. Der
genolyse), und auch die Blutlaktatkonzentration absolute Fettumsatz erreicht bei 65 % der
ist als Folge der eingeschränkten muskulären V̇ O2max sein Maximum, wobei gleichermaßen
Glykolyse signifikant verringert. Zur Kompen- die intramuskulären und die peripheren Fette
sation der Energiedefizite wird der Fettstoff- eingesetzt werden. Bei hoher Intensität sinkt
Ausdauertraining
363 7
..      Abb. 7.14 Beteiligung
350 Muskelglykogen
verschiedener Substrate des Kohlenhydrate
Kohlenhydrat- (blaue Plasmaglukose
300 Plasmafettsäuren
Farbtöne) und Fettstoffwech- Fette
sels (gelb Farbtöne) an der intramuskuläre Triglyzeride
250
Energiebereitstellung in

(cal/kg/min)
Abhängigkeit von der 200
Belastungsintensität (modi-
fiziert nach Romijn et al. 1993). 150
Der absolute kalorische
Fettumsatz unterliegt einer 100
negativen U-Funktion im
Verhältnis zur Intensität 50
(gestrichelte Linie). Der
gesamtkalorische Umsatz 0
nimmt linear zu 25 % 65 % 85 %
.
VO2max

der absolute Fettumsatz erneut ab, und das


Fettstoffwechsel auf. Von höherer
Muskelglykogen deckt den Großteil des Ener-
Relevanz für die Praxis ist jedoch der
giebedarfs (Romijn et al. 1993; . Abb. 7.14).
absolute Fettumsatz, der sich bei
Mit zunehmender Belastungsdauer steigt bei
mittleren Intensitäten einstellt.
mittlerer Intensität der Beitrag der Plasmafett-
55 Submaximale Intensitäten senken den
säuren sowie der Plasmaglukose, und jener des
absoluten Anteil der Fettverbrennung.
Muskelglykogens fällt ab (van Loon et al. 2003).
Allerdings kann diese Reduktion
Praxistipp: Regeln und Empfehlungen zum teilweise durch den verstärkten
„Fettburning“ im Ausdauersport Nachbrenneffekt (Excess Postexercise
Oxygen Consumption bzw. EPOC)
Der Büchermark mit naiv-populär kompensiert werden.
ausgerichteten Buchtiteln wie „Fettburning – 55 Die Fettverbrennung setzt bereits nach
so einfach schmilzt das Fett weg“ sowie wenigen Minuten körperlicher Belas-
zahlreiche Hochglanz-Journale widmen sich tung ein. Das Ausmaß der Fettverbren-
seit Jahren dem hohen öffentlichen Interesse, nung steigt allerdings mit zunehmender
die eigene Körperkomposition durch Belastungsdauer bis auf ein Plateau an.
Reduktion des Körperfettanteils zu 55 Beanspruchungen großer Muskelgrup-
optimieren. Dabei werden mitunter auch pen (z. B. Rudern, Cross-Trainer) sind
falsche Empfehlungen bzw. Fehlinterpre- gegenüber dem Fahrradfahren bei
tationen physiologischer Zusammenhänge gleicher relativer Belastung zur Steige-
propagiert. Im Folgenden sollen daher einige rung der Fettverbrennung überlegen.
gesicherte Fakten zu dieser spannenden 55 Durch Auslassen einer Nahrungs-/
Thematik zusammengefasst werden: KH-Zufuhr vor einer körperlichen Be-
55 Die absolute Fettverbrennung folgt lastung bzw. bei Glykogenverarmung
einer negativen U-Funktion zur sowie unter Koffeinzufuhr kann der
Reizhöhe mit einem Maximum, dass in Fettumsatz bei submaximaler Belas-
Abhängigkeit von Reizdauer, Trainings- tung gesteigert werden. Dies begrün-
zustand und Geschlecht zwischen 45 det langsame morgentliche Nüchtern-
und 70 % der V̇ O2max differiert. läufe von Ausdauerathleten zum
55 Geringe Belastungsintensitäten Fettstoffwechseltraining. Allerdings
weisen prozentual den höchsten
364 F. Hanakam und A. Ferrauti

zz Der Nachbrenneffekt
geht dies zulasten der Leistung und da- Für die Sportpraxis ist die Erkenntnis inte-
mit des gesamtkalorischen Umsatzes. ressant, dass auch kürzere und intensivere
55 Krafttraining ist aufgrund des geringen Belastungen einen nennenswerten Beitrag
gesamt- und fettkalorischen Umsatzes zur Fettverbrennung leisten können. Viel-
für eine direkte Gewichtsregulation we- fach ist das unzureichende Zeitbudget von
niger gut geeignet. Krafttraining kann Trainierenden im Freizeitsport handlungs-
jedoch langfristig einen positiven Effekt leitend. Muss die Ausdauereinheit daher
durch eine Erhöhung der aktiven Kör- aus Zeitgründen auf 30–45 min gekürzt
permasse mit konsekutiver Steigerung werden, kann die Belastungsintensität
des Ruheumsatzes erzielen. aus verschiedenen Gründen hoch gehal-
55 Frauen besitzen spezifische Nachteile ten werden, sofern dies der Trainingsplan
hinsichtlich der Lipolyse im Gesäß- und und die Belastungsverträglichkeit zulassen.
Oberschenkelbereich, jedoch einen hö- Einerseits ist hierdurch von einer stärkeren
heren Fettumsatz unter Belastung. Ursa- Reizsetzung für Anpassungsprozesse des
7 chen hierfür sind beispielsweise die ge- Herz-Kreislauf-Systems und einem höhe-
ringere Katecholaminsekretion und der ren gesamtkalorischen Umsatz auszugehen;
höhere Anteil an Typ-I-Muskelfasern. andererseits werden nach intensiveren Trai-
55 Lokale Hitze, Kompression, Kontrak- ningseinheiten auch nach Belastungsende
tion oder elektrische Muskelstimula- noch nennenswert höhere Energie- und Fett-
tion besitzen keinen lokalen Einfluss umsätze erzielt. Verständlicherweise sind
auf die Lipolyse. Deren Aktivierung viele Stoffwechselmechanismen aufgrund
erfolgt stets systemisch über zirkulie- der nachhaltigen Enzymaktivierung und der
rendes Adrenalin im Körperkreislauf. erforderlichen Regulationsprozesse bei der
55 Freizeitrelevante Sportspiele wie Tennis Umstellung auf Ruhebedingung noch bis zu
und Fußball besitzen aufgrund ihres In- zwei Stunden aktiv und sind energetisch rele-
tervallcharakters und der hohen Stress- vant (. Abb. 7.15). Dieses Phänomen wird
stimulation Nachteile für den Fettstoff- umgangssprachlich auch als „Nachbrenn-
wechsel. Sie können diesen Nachteil effekt“ bezeichnet. Er basiert auf der über-
durch ihre strukturgegebene bzw. mo- schießenden Nachatmung von Sauerstoff,
tivationsbedingte lange Belastungs- sodass in Fachkreisen von der „Excess Post
dauer kompensieren. Exercise Oxygen Consumption“ bzw. kurz
55 Weniger eine Maximierung des Fettum- EPOC gesprochen wird.
satzes, sondern eine Maximierung des In eigenen Untersuchungen mittels indi-
gesamtkalorischen Umsatzes sollte im rekter Kalorimetrie (eine der Messmethoden
Freizeitsport angestrebt werden, wenn zum Energie- und Substratstoffwechsel)
dieser mit dem Ziel der Gewichtsreduk- ergaben sich höhere EPOC- und speziell
tion betrieben wird. höhere Fettoxidationsraten im Anschluss an
55 Es ist eine möglichst lange Reizdauer (1. intensive Trainingseinheiten nach der Dauer-
Priorität) mit möglichst hoher Reizhöhe methode oder nach der Intervallmethode
(2. Priorität) anzustreben. Bei limitier- (z. B. Fahrradergometrie bei 70 % im Ver-
tem Zeitbudget (30 min) darf die Trai- gleich zu 40 % der V̇ O2max) sowie bei
ningseinheit auch intensiver sein (s. Aktivitäten mit großen Muskelgruppen
EPOC). (Ruderergometrie; . Abb. 7.15).
Ausdauertraining
365 7
Exkurs: von der indirekten Kalorimetrie zur „Metabolic Power“

Zur Messung von Energieumsatz und Substrat- Hyperventilation des Sportlers erhöht. Insgesamt
oxidation existieren verschiedene indirekte und übertrifft die gemessene CO2-Menge in den
direkte Verfahren. Die einfachste Methode ist Belastungspausen somit die Menge des aktuell
die auf Atemgasanalysen basierende „indirekte durch die Oxidationsprozesse entstandenen CO2
Kalorimetrie“. Bei der indirekten Kalorimetrie erheblich. Zu Beginn der Belastungspausen steigt
wird von einer stöchiometrischen Beziehung der RQ folglich zunächst für kurze Zeit erheblich
zwischen der Aufnahme von O2, dem Abatmen an (Mellerowicz 1979; Chamari et al. 1995).
von CO2 und dem kalorischen Ausmaß der Die als direkte Kalorimetrie bezeichnete
dabei freiwerdenden Energie ausgegangen. Der „Tracer“-Technologie ist deutlich aufwendiger
Quotient aus Sauerstoffaufnahme und Kohlen- und basiert auf der Infusion isotopenmarkierter
dioxidabgabe wird auch als respiratorischer Substrate (sog. direkte Kalorimetrie). Um
Quotient (RQ) bezeichnet. Dieser beläuft sich beispielsweise quantitative Aussagen zur
bei reiner Kohlenhydratverbrennung auf 1,0, Fettsäureoxidation treffen zu können, wird
bei reiner Fettverbrennung auf 0,7 und bei 13C-markierte PalmitinsÄure als Tracer verab-

gleichmäßiger Verteilung beider Substrate zu je reicht, die in Form von 13CO2 nach Belastung
50 % auf 0,85. Die Ursache für diese Unter- ausgeatmet und quantifiziert werden kann.
schiede liegt im geringen Sauerstoffgehalt der Aktuell entwickelt sich diese methodisch auf-
Fettsäuremoleküle begründet und kann aus wendige und zum Teil laborabhängige Messme-
den Reaktionsformeln bei der Substratoxida- thodik in eine Richtung mit einer höheren
tion abgeleitet werden (vgl. de Marées 2002): praktischen Anwendbarkeit. Grundlage hierfür ist
die frühe Erkenntnis, dass der energetische
Glucose: C6H12O6 + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O Bedarf einer Laufbewegung und auch der Einfluss
Fettsäure (Beispiel): C55H102O6 + 77,5 O2 von positiven und negativen Beschleunigungen
→ 55 CO2 + 51 H2O weitgehend genau rechnerisch abgebildet wer-
Die spirometrisch gemessene Sauerstoffauf- den können (Di Prampero et al. 2005). Unter
nahme kann nun entsprechend des RQ auf Koh- „Metabolic Power“ wird in jüngerer Zeit der aus
lenhydrat- und Fettoxidation aufgeteilt und mit Laufstrecke und Laufgeschwindigkeit sowie
dem jeweiligen kalorischen Äquivalent verrech- Geschwindigkeitsänderungen resultierende Ener-
net werden. Methodenkritisch ist hierbei zu giebedarf in einer Sportart verstanden, wobei
berücksichtigen, dass neben metabolischen inzwischen versucht wird, dies auch auf die
Gründen auch andere Ursachen einen Einfluss auf Mannschafts- und Rückschlagspiele zu übertra-
den RQ besitzen. Intervallbelastungen erschwe- gen (Di Prampero und Osgnach 2018a, b). Basie-
ren die Interpretation des RQ. Dieser ist in solchen rend auf den Weg-/Zeitbezogenen Daten aus
Fällen nämlich nicht nur Ausdruck der aktuellen modernen Tracking Verfahren soll der Energie-
Verbrennungsvorgänge („Metabolischer RQ“) bedarf eines jeden Spielers online und ohne
sondern spiegelt in erster Linie die momentanen zusätzlich störende Messinstrumente während
Ventilationsverhältnisse wider („Ventilations-RQ“). Wettspiel und Training erfasst werden können.
Nur bei Ruheatmung und bei Arbeiten im Steady Ungeklärt ist jedoch bislang, wie der erhebliche
State entspricht der ventilatorische RQ dem energetische Bedarf in Zweikämpfen, Sprüngen,
metabolischen RQ und beschreibt das momen- Schüssen, Schlägen und Würfen miteinbezogen
tane Verhältnis zwischen CO2-Produktion und werden kann, da diese aufwendigen Aktivitäten
O2-Verbrauch. Nach Belastungsende dauert die kaum automatisiert erfasst werden können und
Abatmung von CO2 länger an, während die deren Energiebedarf allenfalls als konstanter Kor-
O2-Aufnahme rasch abfällt. CO2-Abgabe und RQ rekturfaktor miteinbezogen werden kann.
werden in dieser Phase zusätzlich durch die

7.2.3 Energiestoffwechsel bei beschreiben und zu erklären sind (überwie-


Intervallbelastung gend basierend auf dem aeroben Energiestoff-
wechsel der Prozesse 3 und 4 in . Abb. 7.5),
Während die Abläufe im Energiestoffwechsel stellt eine Intervallbelastung mit wechselnden
bei zyklischen Ausdauerbelastungen nach der Intensitäten deutlich komplexere Anforderun-
Dauermethode vergleichsweise einfach zu gen an die Energiebereitstellung. Je nach den
366 F. Hanakam und A. Ferrauti

.Abb.
.       7.15 Verlauf der
Fettoxidation nach FE = Fahrradergometrie
Belastungsende in 6 R = Ruderergometrie
Abhängigkeit vom D = Dauermethode
lnt = lntervallmethode

Fettoxidation (kJ/min)
Trainingsinhalt. Bei •
intensiver Fahrradergo- Zahlenwerte = % VO2max
metrie nach der 4
Dauermethode (rote
Linie) sowie nach
Ruderergometrie
(schwarze Linie) waren 2 FED70
RD55
EPOC und Fettoxidation
FEInt30/80
gegenüber moderater
FED55
Fahrradergometrie (blaue FED40
Linie) noch lange nach 0
Belastungsende erhöht 0 20 40 60 80 100 120 (min)
(Schnittka et al. 2006)

7 Anforderungen an die energetische Flussrate stoffwechslung von Glukose (bei längeren


während der Belastungsphasen (vom maxima- extensiven Intervallphasen). In den dazwi-
len „All-out“-Kurzsprint über 20 m bis hin zu schengeschalteten aktiven oder passiven Pau-
einem 1000-m-Lauf nach der extensiven Inter- sen kommt es zur Oxidation von Laktat-,
vallmethode) und je nach Art und Länge der Glukose- und Fettsäuremolekülen bei gleich-
Belastungspausen (aktiv bei moderater Intensi- zeitiger Rephosphorylierung von Kreatinphos-
tät oder vollkommen passiv) und der Länge phat und Adenosinphosphat (. Abb. 7.16).
der Serienpausen greifen alle Stoffwechselpro- Bei kurzen intensiven Intervallen über-
zesse in einem unterschiedlichen Mischungs- nimmt der anaerob-alaktazide Stoffwechsel
und Wechselverhältnis ineinander (. Abb. 7.5). den größten Anteil am Energiefluss. In den
Setzt man das Beanspruchungsprofil der Pausen obliegt vorrangig dem aeroben Glyko-
Sportspiele ebenfalls mit einer ausdauerrelevan- genabbau die Aufgabe der oxidativen Phosho-
ten Intervallbelastung gleich, dann werden die rylierung im Kreatin/Kreatinphosphat-­Shuttle
energetischen Abläufe noch diffuser, da sich (. Abb. 7.6). Solange die Belastungsintervalle
kurze Sprintbelastungen mit längeren submaxi- ausreichend kurz und die Pausenintervalle
malen Phasen und zwischengeschalteten passi- ausreichend lang sind, kann dieser wechselsei-
ven und aktiven Erholungsphasen in einem tige Ablauf den Energiebedarf decken.
unvorhersehbaren Muster abwechseln. Die dar- Bei intensiven submaximalen Intervallen
aus resultierenden mittleren und maximalen längerer Dauer wird die anaerobe Glykolyse
Stoffwechselgrößen sowie deren individuelle während der Belastung einen zusätzlichen nen-
Variationen unter Trainings- und simulierten nenswerten Beitrag leisten. In der darauffolgen-
bzw. realen Turnierwettspielbedingungen wur- den Pause werden die gebildeten Laktatmoleküle
den verschiedentlich bereits für Fußball und Ten- ebenfalls in den oxidativen Stoffwechsel einge-
nis publiziert (Ferrauti et al. 2001a, b, c, 2006). schleust. Bei stetiger Wiederholung entsprechen-
Das Grundprinzip des Energiestoffwech- der Intervalle mit hoher glykolytischer Flussrate
sels bei Intervallbelastungen besteht in der verringert die in der Muskelzelle angereicherte
Nutzung der energiereichen Phosphate zu Milchsäure den intrazellulären pH-Wert. Hier-
Beginn der Belastungsphasen (anaerob-alakta- durch wird die anaerobe Glykolyse gehemmt
zider Stoffwechsel) sowie einem fließenden und stattdessen der aerobe Glykogenabbau unter
Übergang zur anaerob-laktaziden Glykolyse Einbußen der Leistungsfähigkeit forciert. In der
(bei längeren intensiven Belastungsphasen) darauffolgenden Pause bleiben der aerobe Gly-
bei gleichzeitig zugeschalteter aeroben Ver- kogen- und Laktatabbau aktiviert.
Ausdauertraining
367 7
Belastung Pause

anaerob-alaktazid aerober Fettabbau


?

anaerobe Glykolyse aerober Glykogenabbau


+

aerober Glykogenabbau aerober Laktatabbau

..      Abb. 7.16 Typische Stoffwechselwege und maximale Intervallsprints; rote Pfeile = intensive
Kombinationsmöglichkeiten bei unterschiedlich submaximale Intervalle mittlerer Länge; grüne Pfeile =
gestalteten Intervallbelastungen. Blaue Pfeile = kurze lange extensive Intervalle

Bei langen extensiven Intervallen domi- auszugehen. Spannend und kontrovers dis-
niert der aerobe Glykogenabbau sowohl kutiert ist die Frage, ob sich der Fettstoff-
während der Belastung als auch in den Pau- wechsel auch bei intensiver Intervallarbeit
sen. Gleichzeitig ist in den Pausen auch von während der Pausen an der Energiebereit-
einer Beteiligung des aeroben Fettabbaus stellung beteiligt.
Exkurs: Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate

Schon früh widmeten sich verschiedene skandinavi- Kreatinphosphat (KP) und anschließend durch die
sche Forscher dem Vergleich des Energiestoffwech- anaerobe Glykolyse. In den Pausen wiederum
sels zwischen intensiver Intervallarbeit und steigt die Acetyl-CoA-­Produktion aus der ß-Oxida-
kontinuierlicher Dauerbelastung. Diese Studien wur- tion von FFS an. Gleichzeitig wird der Umbau von
den größtenteils auf dem Fahrradergometer durch- Pyruvat aus der Glykolyse zu Oxalacetat gefördert.
geführt (Åstrand et al. 1960; Essén 1978). Hierbei Aus dem Acetyl-CoA der ß-Oxidation und dem
ergaben sich keine großen Unterschiede hinsichtlich Oxalacetat der Glykolyse entsteht Zitronensäure in
der Substratverwertung (der RQ lag jeweils zwi- den Mitochondrien gegen Ende der Pause. Diese
schen 0,87 und 0,90). Essén (1978) folgerte hieraus, passiert die Mitochondrienmembran und hemmt
dass der Energiestoffwechsel bei intensiver Intervall- im Zytoplasma die Glykolyse zu Beginn der erneu-
arbeit weitgehend jenem bei moderater kontinuier- ten Belastungsphase. Dieser von Randle et al.
licher Beanspruchung entspricht und begründet die (1963) erstmals beschriebene Fettsäure-­Glukose-­
hohe Beteiligung des Fettstoffwechsels bei Intervall- Zyklus beschreibt die Schnittstelle zwischen Koh-
arbeit durch folgenden Mechanismus: lenhydrat- und Fettstoffwechsel und wird populär
Während der Belastungsphasen erfolgt die durch die Grundregel beschrieben, dass Fette nur
Energiebereitstellung zunächst durch die energie- im Feuer der Kohlenhydrate verbrennen.
reichen Phosphate Adenosintriphosphat (ATP) und

Im Rahmen eigener Untersuchungen (Fer- Eine Übertragung der im Exkurs beschrie-


rauti et al. 2001a) erreichte der RQ bei einer benen Mechanismen auf die realen Bedingun-
intervallförmigen Belastung in einem Tennis- gen der Sportart Tennis ist folglich nur bedingt
wettkampf deutlich höhere Werte (0,94) als bei möglich. Die vermehrte Kontraktion der
einer kontinuierlichen Laufbelastung mit identi- schnelleren und glykolytisch aktiveren Mus-
scher Sauerstoffaufnahme auf dem Laufband kelfasern vom Typ II b beim Tennis und in
(0,88). Gemäß der indirekten Kalorimetrie anderen Sportspielen sowie die erhöhte Adre-
ergibt sich nach 120 min Belastungsdauer da­ nalinausschüttung intensivieren möglicher-
raus ein relativer Anteil der Fettoxidation an der weise die aerobe und anaerobe Glykolyse unter
Energiebereitstellung von ca. 50 % beim Laufen Verstoffwechselung von Kohlenhydraten (Wei-
und ca. 30 % beim Tennis und eine höhere abso- cker und Strobel 1994). Auch die höhere Lak-
lute Umsatzrate (. Abb. 7.17). tatkonzentration erschwert in den Sportspielen
368 F. Hanakam und A. Ferrauti

25 80
a b
Laufen

20 Tennis ** **
60
Fettoxidation (kcal/min)

** **

Fettoxidation (%)
15 **
** **
** 40
10

20
5

0 0
0 30 60 90 120 (min) 0 30 60 90 120 (min)

7 ..      Abb. 7.17 Verlauf der absoluten a und prozentua- identischer durchschnittlicher Sauerstoffaufnahme
len b Fettoxidation während eines zweistündigen (Ferrauti 1999; Ferrauti et al. 2001a)
Tenniseinzels und einer Laufbandbelastung mit

die Einschleusung des aus der ß-Oxidation von


FFS entstammenden Acetyl-CoA in den Zitrat- Ausdauersport speziell unter Stressbe-
zyklus und erfordert primär die oxidative Lak- dingungen (Turnierwettspiel, nervöse Spieler)
tatelimination während der Pausen (Ferrauti eine leistungslimitierende Bedeutung zu.
et al. 2001a). Ein objektiver Vergleich des Subs- Aus gesundheitssportlicher Sicht kann es von
tratstoffwechsels zwischen kontinuierlicher Interesse sein, dass sich die Fettoxidation bei
und intervallförmiger Belastung ist folglich nur Intervallarbeit weniger an der Energiebereit-
unter Betrachtung der gesamten sportartspezi- stellung beteiligt als bei kontinuierlicher
fischen Beanspruchungen möglich. Einschrän- moderater Dauerbelastung. Dieser
kend ist jedoch zu berücksichtigen, dass neben eventuelle Nachteil kann jedoch durch eine
metabolischen Gründen auch untersuchungs- ausreichend lange Spiel- bzw.
methodische Ursachen für die vergleichs- Belastungsdauer problemlos kompensiert
weise hohen respiratorischen Quotienten im werden. Bereits nach zweistündiger Spielzeit
Tenniswettkampf verantwortlich sein können. übersteigt der Kalorienumsatz aus Fetten
Aktuell widmet sich eine Gruppe junger Nach- beim Tennis (202 kcal) jenen während einer
wuchsforscher mit neuartigen Zugängen der einstündigen Laufbeanspruchung (152 kcal).
Aufklärung des Energiestoffwechsels auch in den
Rückschlagspielen, auch unter Anwendung des
„Metabolic Power“ Prinzips (Hoppe et al. 2018a;
7.3 Anpassungseffekte durch
Edel et al. 2019). (s. 7 Exkurs zu den Messmetho-
den zum Energie- und Substratstoffwechsel).
Ausdauertraining

Praxistipp: Energiestoffwechsel und was Ein einmaliges Ausdauertraining bewirkt akute,


bringt’s für die Sportpraxis? unmittelbare Effekte (Reaktionen), die bei regel-
mäßiger Durchführung zu chronischen Effekten
Aus leistungssportlicher Sicht kommt einer (Adaptationen) führen. Reaktionen und Adap-
ausreichenden Kohlenhydratzufuhr vor, tationen sind sowohl lokal in der Arbeitsmusku-
während und nach der Belastung in den latur als auch übergreifend und systemisch
Sportspielen und bei Intervallarbeit im durch allgemeine Veränderungen im Organis-
mus nachweisbar (. Tab. 7.3). Ursächlich für die
Ausdauertraining
369 7

..      Tab. 7.3 Effekte von aerober körperlicher Aktivität und Ausdauertraining (aus Thiel et al. 2017, S. 25,
nach ACSM et al. 2010 und Mujika 2012)

spezifische Wirkung des aeroben Ausdauertrai- (z. B. bessere sympathovagale Balance im auto-
nings, beispielsweise in Abgrenzung zum Kraft- nomen Nervensystem) und immunologischer
training, ist primär der dauerhaft erhöhte Ebene nachweisbar (z. B. Senkung der Infektan-
Sauerstoffbedarf und der hohe gesamtkalorische fälligkeit).
Umsatz bei der Oxidation der Nährstoffe. In der Summe sind diese Anpassungseffekte
Das vorliegende Kapitel befasst sich mit sowohl für den Leistungssport (Erhöhung der
den chronischen Anpassungseffekten durch maximalen Sauerstoffaufnahme und dadurch
regelmäßiges Ausdauertraining (. Tab. 7.3). In der Ausdauerleistungsfähigkeit) als auch aus
der Arbeitsmuskulatur stehen Kapillarisie- internistisch-präventivmedizinischer Sicht von
rung, Erhöhung von Mitochondrienvolumen herausragender Bedeutung. Neben der Vorbeu-
und Myoglobingehalt, aerobe und anaerobe gung von Zivilisationserkrankungen wie der
Enzymaktivierung sowie die Zunahme von koronaren Herzkrankheit, dem metabolischen
energiereichen Phosphaten und Muskelglyko- Syndrom und dem Altersdiabetes ist auch eine
gengehalt im Vordergrund. Senkung der Inzidenz vereinzelter Krebserkran-
Allgemein-systemische Anpassungseffekte kungen nachweisbar (Thiel et al. 2017; . Tab. 7.3).
sind auf morphologischer (z. B. Herzvolumen
und Knochendichte), kardiozirkulatorischer
(z. B. Ökonomie und Variabilität der Herztätig- 7.3.1 Internistisch-
keit, Senkung von peripherem Gefäßwiderstand präventivmedizinische
und systolischem Blutdruck), metabolischer Anpassungseffekte
(z. B. Optimierung des Lipoproteinprofils und
der Insulinsensitivität), hämatologischer (z. B. „Ausdauersport ist das bessere Medikament!“
verminderte Adhäsivität und Aggregabilität der Zahlreiche prospektive epidemiologische Unter-
Thrombozyten und verbesserte Fließeigenschaf- suchungen belegen eine Senkung des relativen
ten des Blutes), endokrinologischer (z. B. Verrin- Risikos für das Auftreten von Zivilisationser-
gerung des Katecholaminspiegels), vegetativer krankungen bei Personen mit hoher Ausdauer-
370 F. Hanakam und A. Ferrauti

leistungsfähigkeit und/oder einem hohen 1986; Sandvic et al. 1993; Blair et al. 1996; Leon
freizeitkalorischen Umsatz (s. auch 7 Kap. 11). et al. 1997) soll im Folgenden eine für diesen
Stellvertretend für die Vielzahl an entsprechen- Untersuchungsansatz repräsentative Kohorten-
den Untersuchungen der vergangenen Deka- studie aufgrund ihrer extrem langen Laufzeit
den (u. a. Morris et al. 1973; Paffenbarger et al. von 16 Jahren etwas genauer vorgestellt werden.

Exkurs: Prospektive epidemiologische Untersuchungen

Die Epidemiologie widmet sich den grundsätz- von Risikofaktoren über eine längere Zeit
lichen Gesetzmäßigkeiten über gesundheitsbezo- beobachtet. Aus der Anzahl der in diesem
gene Zustände und Abhängigkeiten in großen Zeitraum Erkrankten kann das Risiko einer
Populationen. Dabei wird unter anderem die bestimmten Gruppe von Exponierten (z. B. Rau-
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter cher) gemessen und als relatives Risiko im
Erkrankungen (Inzidenzrisiko) auch im Zusammen- Verhältnis zu einer Vergleichsgruppe (z. B. Nicht-
hang mit soziologischen Attributen (z. B. gesunde raucher) ausgedrückt werden. Bei prospektiven
7 oder aktive Lebensweise bzw. Risikofaktoren)
quantifiziert. Meistens liegen Beobachtungsstu-
Kohortenstudien liegt das Studienende weit in der
Zukunft und zwischen Beginn und Ende der Studie
dien mit prospektiver Ausrichtung zugrunde. Bei werden die in diesem Zeitraum liegenden
prospektiven Kohortenstudien werden definierte Ereignisse registriert und auf die Ergebnisse einer
Gruppen von Menschen mit und ohne Exposition Eingangsuntersuchung bezogen

Sandvik und Mitarbeiter untersuchten zu Erkrankung zu versterben, war folglich in den


Beginn der 1970er-Jahre über 2000 männliche ausdauerleistungsstärkeren Quartilen (nach
norwegische Firmenmitarbeiter im Alter von Adjustierung nach anderen Risikofaktoren) um
40–60 Jahren und registrierten deren Ausdauer- die Hälfte geringer als im ausdauerschwächsten
leistungsfähigkeit mittels aufsteigender Fahrrad- Quartil 4. Die Schutzwirkung bestand in etwas
ergometrie. Gemäß der maximal erreichten abgeschwächter Form für das leistungsstärkste
Leistung wurde die Gesamtpopulation in vier Quartil auch gegenüber anderen Erkrankungen
gleich große Kohorten aufgeteilt (Fitnessquar- und Sterbeursachen („All cause mortality“;
tile). Die Fitnessquartile (1 = höchste und . Abb. 7.18). Es gilt somit zusammenfassend:
4 = geringste Fitness) unterschieden sich in zahl- „Ausdauersport ist das bessere Medikament!“
reichen weiteren Charakteristika. Im Quartil mit
der höchsten Fitness fanden sich unter anderen 10
geringere Werte für Body-­Mass-­Index, Ruhe-
kumulative Mortalität (%)

4 = Quartil mit der geringsten Leistung 4


8 1 = Quartil mit der höchsten Leistung
puls, systolischen Blutdruck und Lipoproteine. 3

Dort waren auch die wenigsten Raucher und die 6


sportlich aktivsten Probanden zu finden. 2
4
In den darauffolgenden 16 Jahren starben 271 1
der knapp 2000 in die Studie aufgenommenen 2

Personen, darunter die Hälfte an einer 0


Herz-Kreislauf-Erkrankung. Die Aufteilung die- 0 2 4 6 8 10
Follow-up (Jahre)
12 14 16

ser Verstorbenen nach der Zugehörigkeit zu den


Fitnessquartilen war sowohl hinsichtlich der ..      Abb. 7.18 Kumulative, kardiovaskulär bedingte
Gesamtmortalität als auch hinsichtlich der Herz- Mortalitätsrate in Abhängigkeit von der Ausdauerleis-
Kreislauf-­Erkrankungen (in Klammern) eindeu- tungsfähigkeit bei 1960 norwegischen Männern
zwischen 40 und 60 Jahren. Dargestellt sind die
tig: 61 (45) in Quartil 4, 45 (32) in Quartil 3, 26 kumulativen Todesfälle in vier Fitnessquartilen während
(38) in Quartil 2 und lediglich 13 (11) in Quartil einer 16-jährigen Follow-up-phase (modifiziert nach
1. Das relative Risiko, an einer Herz-­Kreislauf-­ Sandvik et al. 1993)
Ausdauertraining
371 7
7.3.2 Genetisch bedingte signifikant mit der Ausdauerleistungsfähigkeit
Anpassungseffekte (African assoziiert sind. Der Genetik kommt nach
Runners) Schätzungen ein Anteil von ca. 40–50 % an der
Höhe der V̇ O2max zu (Blume et al. 2018).
Die Ausdauerleistungsfähigkeit wird durch Die Diskussion über den genetischen
zahlreiche Faktoren bestimmt. Dabei spielen Anteil für die Entwicklung herausragender
anthropometrische, biomechanische, physio- Ausdauerleistungen führt unweigerlich zur
logische und psychologische Voraussetzungen Frage nach der Überlegenheit der afrikani-
eine Rolle. Darüber hinaus sind auch geneti- schen Langstreckenläufer. Der überragende
sche Einflüsse unbestritten (Blume et al. 2018). Erfolg von Mittel- und Langstreckenläufern
Andererseits unterscheiden sich die Ausdauer- aus dem ostafrikanischen Hochland ist
sportler in den verschiedenen Disziplinen in bekannt und wird durch unzählige Athleten
ihrem Phänotypus erheblich. Radsportler, insbesondere aus Äthiopien und Kenia in
Schwimmer, Ruderer und Läufer besitzen voll- den Besten- und Medaillenlisten der vergan-
kommen verschiedene Körperbaumerkmale, genen Dekaden dokumentiert. Offenbar
sodass ein grundsätzliches „Ausdauergen“ ver- besitzen Ostafrikaner daher die „richtigen“
mutlich nicht existieren kann. Trotzdem wird Gene für den Ausdauersport (Blume et al.
seit Langem der genetisch bedingte Anteil von 2018).
Ausdauerleistungsfähigkeit und deren Trai- Interessanterweise besitzen jedoch auch
nierbarkeit diskutiert und erforscht. Dies Ostafrikaner eine erhebliche genetische Varia-
erfolgt unter anderem durch Familienstudien tion, sodass mit Ausnahme der Hautfarbe kaum
(z. B. Zwillingsstudien). von einem übergreifenden genetischen Finger-
In Familienstudien wird das Auftreten abdruck gesprochen werden kann. Genauere
bestimmter Merkmale (Ausdauerphänotypen Analysen bestätigen allerdings, dass die meisten
wie beispielsweise eine hohe maximale Sauer- Topläufer aus sehr eng begrenzten geografischen
stoffaufnahme) innerhalb einer Population mit Regionen in Äthiopien und Kenia entstammen,
ähnlichen (Familie) oder identischen Erbanla- in denen die Ausprägung eines bestimmten
gen (eineiige Zwillinge) untersucht. Als berühm- Genoms möglicherweise in der Stammesge-
teste und aussagekräftigste Familienstudie gilt schichte einen Selektionsvorteil ergab. Der gene-
die HERITAGE-Studie (HEalth, RIsk factors, tische Vorteil dieser Läufer wirkt sich weniger
exercise Training And GEnetics) nach Bouchard metabolisch sondern eher anthropometrisch
et al. (1995). Ein wichtiges Ergebnis dieser Stu- aus. Der hohe Körperschwerpunkt in Verbund
die bestand in dem Nachweis, dass sowohl die mit einem vergleichsweise geringen Gewicht der
maximale Sauerstoffaufnahme (V̇ O2max) als unteren Extremitäten wird als Ursache für die
auch die Trainierbarkeit der V̇ O2max in weiten nachweislich bessere Laufökonomie im Ver-
Teilen genetisch determiniert sind. gleich zu weißhäutigen Spitzenläufern diskutiert
In anderen Studien wurde der Zusammen- (. Abb. 7.19).
hang zwischen dem Auftreten von Genen oder Pacing-Analysen sprechen jedoch dage-
Genpolymorphismen und der Ausprägung gen, dass der genetische Einfluss auf den Kör-
ausdauerrelevanter physiologischer Phänoty- perbau als alleinige Ursache für die
pen untersucht. Sogenannte Kandidatengene Überlegenheit afrikanischer Läufer angese-
sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Gen- hen werden darf. Zwar zeigten sich keine nen-
produkte einen engen Zusammenhang zur nenswerten Unterschiede zwischen der
Ausdauerleistung bzw. der V̇ O2max aufweisen V̇ O2max europäischer und afrikanischer Spit-
(Blume et al. 2018). Inzwischen sind mehr als zenläufer; afrikanische Läufer sind jedoch in
250 Gene mit sportbezogener Relevanz im der Lage, einen prozentual höheren Anteil der
Rahmen der „Human Gene Map“ bekannt, bei V̇ O2max im Rennverlauf dauerhaft einzusetzen
denen davon ausgegangen wird, dass einige (Pitsiladis et al. 2007; . Abb. 7.20). Dies mag
372 F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Abb. 7.19 Sauerstoffbedarf bzw. 300 **


Laufökonomie bei unterschiedlichen Afrikaner
Europäer *
Laufgeschwindigkeiten von weiß- und

V O2 (ml/kg0,66/min)
schwarzhäutigen Spitzenläufern (mod. nach
Harley und Noakes 2007, S. 170) 200

100


0
10 12 14 16
Laufgeschwindigkeit (km/h)

..      Abb. 7.20 Lauf-


Laufintensität (% VO2max)

geschwindigkeit und
7 prozentuale Ausschöp- . 100 *
fung der V̇O2max im *
Rennverlauf von
weiß- und schwarz- 90
häutigen Spitzenläu-
fern (mod. nach Afrikaner
80 Europäer
Coetzer et al. 1993)
Laufgeschwindigkeit (m/min)

400

**
350 **

300

0 5 10 15 20 25
Distanz (km)

auch an den nachweislich hohen Trainings- 7.3.3  rainingsbedingte


T
umfängen und -intensitäten liegen. Anpassungen der maximalen
Zusammenfassend ist der genetische Ein- Sauerstoffaufnahme
fluss auf die Ausdauerleistungsfähigkeit und
die Trainierbarkeit unbestritten. Dies kann Für das Erbringen von langwährenden Ausdau-
zum Teil die Überlegenheit von Läufern aus erleistungen müssen große Mengen an Sauerstoff
dem ostafrikanischen Hochland erklären, von der Umgebungsluft in die arbeitende Skelett-
wobei vor allem günstige Körperbaumerkmale muskelzelle transportiert werden. Die hierfür
die Laufökonomie verbessern. Darüber hinaus verantwortliche Sauerstofftransportkaskade
sind jedoch auch trainingsbezogene und sozio- beginnt durch die Arbeit der Atemmuskulatur,
logische Aspekte (Tradition, soziale Anerken- wodurch die atmosphärische Luft in die Lungen-
nung und der resultierende riesige Talentpool) alveolen strömt (Konvektion). In den Alveolen
zu berücksichtigen (Pitsiladis et al. 2007). findet per Diffusion ein Gasaustausch statt,
Ausdauertraining
373 7
sodass Kohlendioxid abgeatmet und Sauerstoff schnittlich Trainierten (z. B. von 35 auf 55 ml/
vom Blut aufgenommen werden kann. Das hier- min/kg) oder vom durchschnittlich Trainierten
durch arterialisierte Blut gelangt über die Lun- zum Hochausdauertrainierten (z. B. von 55 auf
genvene in das linke Herz und von dort über die 75 ml/min/kg). Es stellt sich dabei die Frage nach
Aorta in den Körperkreislauf. Die dabei trans- der Bedeutung jedes einzelnen Elements der Sau-
portierte Sauerstoffmenge ist abhängig vom erstofftransportkaskade für diese Anpassung und
Herzminutenvolumen (Herzfrequenz × Schlag- nach den zugrunde liegenden Mechanismen.
volumen) und vom Erythrozytengehalt (Hämo- Dies wird im Folgenden ausgehend von den Mito-
globingehalt) des Blutes (Hoppeler 2018). chondrien in der Peripherie bis zur Anpassung
Bei maximaler aerober Auslastung werden von Funktion und Kapazität der Lunge bespro-
95 % des aufgenommenen Sauerstoffs von der chen. Hierbei wird im Wesentlichen auf den Bei-
Arbeitsmuskulatur für energieliefernde Pro- trag von Hoppeler (2018) Bezug genommen.
zesse verbraucht. Hierzu wird der Sauerstoff in
einem dichten Kapillarnetz vom arteriellen zz Mitochondriale Anpassungseffekte
Zufluss bis zum venösen Abfluss parallel zu den Die Biogenese zusätzlicher Mitochondrien ist
Muskelfasern transportiert. Die Aufenthalts- die zentrale Anpassung des Athleten auf regel-
dauer der Erythrozyten im Kapillarbett beträgt mäßiges Ausdauertraining. Das Mitochondri-
beim Menschen unter Belastung nur ca. 0,5 s, envolumen der Skelettmuskulatur weist eine
sodass in dieser Zeit die Diffusion von Sauer- enge Übereistimmung mit der V̇ O2max und der
stoff in die Muskelzelle bzw. in die Mitochond- mechanischen Leistung im Dauerleistungsbe-
rien erfolgen muss. Besonders günstig ist dabei reich auf (Hoppeler 2018). Primärreiz für die
der Umstand, dass der Sauerstoffpartialdruck in hierfür erforderliche Proteinbiosynthese ist bei
den Mitochondrien sehr gering ist, da Sauerstoff Ausdauerbelastungen eine langandauernde
dort schnell verbraucht wird. Der Sauerstoff metabolische Störung. Diese bewirkt eine Stei-
folgt somit einer Partialdruckkaskade bis zu den gerung der Transkriptionsrate der relevanten
Mitochondrien (Hoppeler 2018). Gene mit nachfolgend erhöhtem mRNA-Gehalt
Die maximale Sauerstoffaufnahme eines Ath- in den Muskelzellen. Zur Steigerung der Gen-
leten wird durch alle Elemente der Sauerstoff- transkription bis zur Neubildung von Mito-
transportkaskade bestimmt. Sie kann durch chondrien werden durch Ausdauertraining
Training, unabhängig von den bereits beschriebe- mehrere Signale ausgelöst und über eine kom-
nen genetisch bedingten Einflussgrößen, um ca. plexe Informationskette (Signalkaskade) weiter-
30–40 % zunehmen. Dies entspricht in etwa der geleitet, in der das Regulatorprotein PGC-1α
Entwicklung vom Untrainierten zum durch- eine bedeutsame Schnittstelle einnimmt.

Exkurs: PGC-1α, Schnittstelle für die mitochondriale Biogenese

Ein wichtiger Koordinator und Aktivator der mito- 55 Kalziumabhängige Veränderungen: Die Kontrak-
chondrialen Biogenese ist das Regulatorprotein tion der Muskelzelle verlangt eine Kalziumfrei-
PGC-1α. Dieses reagiert auf verschiedene Primär- setzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum,
signale, die im Rahmen eines komplexen regulato- sodass bei Ausdauerbelastungen ein dauerhafter
rischen Geschehens zusammenwirken und nach Kalziumanstieg in der Muskelzelle vorliegt.
Hoppeler (2018) im Folgenden aufgelistet werden: 55 Freisetzung von Sauerstoffradikalen: Bei dau-
55 Veränderungen im ATP-Energiestatus und erhaft hohem Energieumsatz werden ver-
Aktivierung der Adenosinmonophosphat-Ki- mehrt reaktive Sauerstoffderivate gebildet
nase (AMPK): Die dauerhafte Abnahme von (z. B. Wasserstoffperoxid, H2O2), welche
ATP bei gleichzeitiger Zunahme von ADP und neben zellschädigenden Effekten auch wich-
AMP und die dadurch bedingte Abnahme des tige genregulative Funktionen besitzen.
ATP/AMP-Quotienten führen zur Aktivierung 55 Senkung des Sauerstoffpartialdrucks in der Mus-
der AMPK. kelzelle: Hypoxie beeinflusst die PGC-1α Aktivität.
374 F. Hanakam und A. Ferrauti

zz Mikro- und Makrozirkulation Grundvoraussetzung für die Kapillarspros-


Größere Mengen an Mitochondrien können sung (Hoppeler 2018). Die VEGF Wirkung
einen größeren Anteil an ATP durch die Oxi- wird im weiteren Verlauf durch die Freiset-
dation der Nährstoffe regenerieren. Hierzu ist zung von PDGF (Platelet Derived Growth
eine stöchiometrisch festgelegte Menge an Factor) unterstützt (. Abb. 7.21).
Sauerstoff erforderlich, die mittels Mikro- und Durch regelmäßiges Ausdauertraining an
Makrozirkulation in erhöhtem Umfang der der Dauerleistungsgrenze nimmt die Größe
Skelettmuskelzelle zugeführt werden muss. des Kapillarbetts im Verlauf von zwei Monaten
Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die um bis zu 30 % zu. Derzeit spricht einiges
Erweiterung des Kapillarbetts, die der Vergrö- dafür, dass die beschriebenen Effekte durch
ßerung des Mitochondrienvolumens zeitlich Steigerung der Trainingsintensität in den par-
vorausgeht, im Umfang der Anpassung jedoch tiell anaeroben Bereich (s. High-Intensity-In-
geringer ist (Hoppeler 2018). Die Erweiterung tervall-Training) sowie durch Verschärfung
des Kapillarbetts kann durch zwei Mechanis- der Umgebungsbedingungen (z. B. Hypoxie)
men erfolgen: die Neusprossung von Kapilla- gesteigert werden können.
7 ren (. Abb. 7.21) und die Intussuszeption Entsprechende Veränderungen der Mikro-
(Einwachsen periendothelialer Zellen in vor- zirkulation beeinträchtigen auch die Makrozir-
handene Kapillaren). Für diese sogenannte kulation. So muss das Gefäßbett der
Angiogenese (Umstrukturierung oder Neubil- zuführenden arteriellen Gefäße (Arterien,
dung des Gefäßnetzwerkes) sind wie bei der kleine Arterien und Arteriolen, . Abb. 7.22)
mitochondrialen Biogenese komplexe physio- den gewachsenen Bedürfnissen in der Periphe-
logische Voraussetzungen erforderlich. rie angepasst werden. Es kann als gesichert
Im Zentrum steht die Erhöhung des angenommen werden, dass Ausdauertraining
endothelialen Wachstumsfaktors VEGF den Durchmesser der Arterien vergrößert und
(Vascular Endothelial Growth Factor), bei- deren Wandstärke verringert. Periphere Arte-
spielsweise bedingt durch lokale Hypoxie. rien sprechen auf Training besser an als herz-
VEGF spielt bei der Angiogenese eine Schlüs- nahe (z. B. die Karotiden). Diese peripheren
selrolle. Er wird in der Skelettmuskelzelle Anpassungen sind sicher auch ein wesentlicher
produziert und vermehrt die Proliferation Teil des antiatherogenen Effektes von Ausdauer-
und Migration von Endothelzellen, eine training (Hoppeler 2018).

..      Abb. 7.21 Sche- Hypoxie vaskuläre Stabilisierung


matische Darstellung Schubspannung durch Rekrutierung von
der Teilschritte bei der Perizyten und glatten
Angiogenese (NO = Produktion Muskelzellen
angiogener MMP-Aktivierung Endothelzell-
Stickstoffmonooxid;
Faktoren und Abbau proliferation und
VEGF = Vascular extrazellulär Meratrix Ausbildung eines
Endothelial Growth PDGF
Kapillarlumens
Factor; MMP = NO-, VEGF-vermittelte Endothelzell-
Matrix-Metalloprotei- Vasodilatation/ migration
nase; PDGF = Platelet Permeabilität 
Derived Growth
Factor) (nach Schmidt
et al. 2010, S. 605)
Ausdauertraining
375 7
kleine Arteriolen terminale Kapillaren Exkurs: Leistungssteigerung durch Doping
Arterien Arteriolen
Die Einnahme des Hormons Erythropoietin
(kurz: Epo) und/oder die Transfusion von
Eigenblut erhöhen Hämoglobinkonzentration
und Hämoglobingehalt und wirken bei
Ausdauerbeanspruchungen leistungssteigernd.
Epo wirkt als Wachstumsfaktor für die
Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten)
während der Blutbildung. Hierdurch steigt auch
..      Abb. 7.22 Hierarchische Struktur des arteriellen der Hämatokrit (prozentualer Anteil zellulärer
Netzwerkes (nach Schmidt et al. 2010, S. 607) Bestandteile des Blutes). Durch zahlrei-
che Dopingfälle im Profisport erlangte
Erythropoietin eine negative Bekanntheit,
zz Hämoglobingehalt obwohl es auch bei der Therapie von Erkran-
Der Hämoglobingehalt des Blutes beeinflusst kungen eingesetzt wird. Die Ausdauerleistung
wesentlich die Sauerstofftransportkapazität steigt durch entsprechende Dopingpraktiken
um bis zu 30 % an. Entsprechend der Zunahme
zur Arbeitsmuskulatur und ist demnach
der totalen Hämoglobinmasse steigt auch die
ebenfalls eine limitierende Größe der Sauer- V̇ O2max (Hoppeler 2018).
stoffaufnahme. Genau genommen ist der
totale Hämoglobingehalt (tHb-mass) von
Bedeutung. Dieser wird durch die Hämoglo- zz Herz
binkonzentration und das Blutvolumen Das Herzminutenvolumen (Schlagvolumen ×
bestimmt (tHb-mass = Hämoglobinkonzent- Herzfrequenz) ist die wichtigste Determinante
ration × Blutvolumen). für die V̇ O2max. Es wird beim Ausdauertrai-
Regelmäßiges Ausdauertraining vergrößert nierten primär durch eine Vergrößerung des
in erster Linie das Blutvolumen. Hochausdau- Schlagvolumens erhöht, da die maximale
ertrainierte erreichen im Vergleich zu Untrai- Herzfrequenz durch Training unverändert
nierten ein um ca. 40–50 % höheres bleibt. Die Vergrößerung des Schlagvolumens
Blutvolumen, während die Hämoglobinkon- durch Training basiert hauptsächlich auf den
zentration durch Training unter normalen zwei folgenden Mechanismen:
Umgebungsbedingungen (Normoxie) und 55 ein größeres enddiastolisches Volumen
ohne unerlaubte Hilfsmittel kaum beeinflusst (Füllung des linken Ventrikels) als Folge
werden kann (Schmidt und Prommer 2010; einer verbesserten Dehnbarkeit des linken
Hoppeler 2018). Ventrikels und einer rascheren Relaxation
Durch Höhenexposition kann zusätzlich während der Diastole und dadurch einer
auch die Hämoglobinkonzentration gestei- günstigeren Saugwirkung
gert werden (Hoppeler 2018). In der Praxis 55 die Entwicklung einer Herzhypertrophie
wird jedoch zumeist nicht in der Höhe trai- im Sinne einer Größenzunahme von
niert, um die Trainingsintensität ausrei- Herzvolumen und Wandstärke; hierfür ist
chend hoch zu erhalten. Durch das Prinzip die Ausschüttung spezifischer Myokine
„Live high – train low“ werden die Anpas- (Muskelhormone) verantwortlich
sungseffekte der dauerhaften Höhenexposi-
tion auf die Hämoglobinkonzentration und Der altersbedingte Abfall der V̇ O2max ist hin-
die Trainingseffekte unter Normoxie auf das gegen weniger durch einen Abfall des Schlag-
Blutvolumen kombiniert. Hierdurch kann volumens, sondern primär durch die erhebliche
die tHB-mass besonders effektiv gesteigert Reduktion der maximalen Herzfrequenz
werden. bedingt (Hoppeler 2018).
376 F. Hanakam und A. Ferrauti

zz Lunge und Atmung einer einzelnen Einheit. Das ergibt sich bereits
In den Lungenalveolen erfolgt der Gasaus- aus der Notwendigkeit, intensive Belastungen
tausch zwischen der atmosphärischen Luft vor- und nachzubereiten. Erwärmungsphase
und dem Organismus entsprechend eines und Cool-down finden meist im GA-1-Bereich
Druckgradienten. Sauerstoff wird dabei an die statt. Dazwischen werden häufig weitere Trai-
Erythrozyten in den Lungenkapillaren gebun- ningsbereiche kombiniert. Ferner gehört auch
den. Die Lungendiffusionskapazität ist beim ein begleitendes Krafttraining (z. B. plyometri-
Menschen ausreichend hoch, sodass diese sches Training und Rumpfstabilisationstrai-
auch bei maximaler Auslastung keine limitie- ning) zum festen Trainingsprogramm eines
rende Größe für die Ausdauerleistung darstellt. leistungsorientierten Läufers (Ferrauti et al.
Dies kann dadurch belegt werden, dass der 2010). Nachfolgend werden die vier wichtigsten
Sauerstoffpartialdruck im Blut auch beim Trainingsbereiche kompakt beschrieben:
Erreichen der V̇ O2max nur bei wenigen Hoch-
ausdauertrainierten abfällt. Allerdings gibt es zz Regeneration/Kompensation (ReKom)
derzeit keine gesicherten Hinweise dafür, dass Synonym: Kompensation (Ko)
7 die Diffusionskapazität der Lunge trainierbar 55 Reizintensität: niedrig
ist (Hoppeler 2018) Andererseits zeigen prak- 55 Reizdauer: gering
tische Erfahrungen, dass Qualität und Quanti- 55 Trainingsziel: Regeneration nach intensi-
tät der Atmung (u. a. Atemtiefe, Atemfrequenz ven Ausdauertrainingseinheiten, Wett-
und Atemrhythmus) sehr wohl durch koordi- kämpfen oder zur aktiven Erholung
native Gewöhnung und durch Anpassungsef- innerhalb einer Trainingseinheit zwischen
fekte der Atemhilfsmuskulatur durch Training zwei Intervallen.
verbessert werden können.
Praxistipp: ReKom

7.4 Trainingsmethoden und Wird eine ReKom-Einheit an den Folgetagen


Belastungsdosierung nach einem intensiven Wettkampf (z. B.
nach einer High-Impact-Sportart wie
Ausdauertrainingsbereiche ermöglichen eine Fußball oder Langstreckanlauf)
Charakterisierung des Trainings und werden durchgeführt, so bietet sich ein Training in
häufig in vier Belastungsbereiche unterteilt: einer alternativen, weniger reaktiven
55 Regeneration/Kompensation (ReKom) Sportart wie Schwimmen oder Radfahren
55 Grundlagenausdauer 1 (GA 1) an. Würde in der ReKom-Einheit erneut viel
55 Grundlagenausdauer 2 (GA 2) und gelaufen, könnte eine weitere Muskeldes-
55 wettkampfspezifisches Ausdauertraining truktion den Regenerationsprozess
(WSA). verlängern. Im Langstreckenlauf wird in
diesem Zusammenhang von Junk-Miles
Synonym zum Begriff Trainingsbereich wird gesprochen, wenn Trainingskilometer
auch von Zonen oder Trainingszonen gespro- gesammelt werden, die hinsichtlich des
chen. Die einzelnen Trainingsbereiche können Trainingsziels keinen Nutzen bringen.
in einer einzelnen Trainingseinheit isoliert In allen weniger reaktiven Low-Impact-
absolviert werden (z. B. ein zehn Kilometer lan- Sportarten, wie Schwimmen, Skilanglauf,
ger Dauerlauf im GA-1-­Bereich). Üblich ist im Inlineskaten und Radfahren, kann die
Trainingsalltag jedoch die Kombination von ReKom-Einheit problemlos auch in der
zwei oder mehr Trainingsbereichen innerhalb eigentlichen Sportart durchgeführt werden.
Ausdauertraining
377 7
zz Grundlagenausdauertraining 1 (GA 1) Neben den vier vorgestellten Belastungszonen
Synonym: GLA 1 (ReKom, GA 1, GA 2, WSA sowie GA1/2) exis-
55 Reizintensität: niedrig bis mittel tieren eine Vielzahl weiterer Belastungszonen
55 Reizdauer: mittel bis hoch und Subkategorien, welche sportartspezifisch
55 Trainingsziel: Verbesserung des aeroben divergieren. Beispiele hierfür sind GA 1 extensiv
Ausdauerleistungsfähigkeit und GA 1 intensiv (z. B. im Schwimmsport)
sowie GA 1 kurz, mittel und lang (z. B. in der
Der Grundlagenausdauerbereich 1 ist in der Leichtathletik). Auch international besteht keine
Regel der Trainingsbereich, in dem die höchsten Einigung bezüglich einer einheitlichen Taxono-
Gesamt-Trainingsumfänge im Ausdauersport mie. Das sogenannte Norwegische Modell,
absolviert werden. In einigen Ausdauersportar- bestehend aus fünf Trainingszonen (Seiler und
ten wird in diesem Trainingsbereich bis zu 90 % Tönnessen 2009), wird häufig verwendet und
der gesamten Trainingszeit verbracht. deshalb an dieser Stelle vorgestellt (. Tab. 7.4).
Die einzelnen Trainingsbereiche bieten eine
zz Grundlagenausdauertraining 2 (GA 2) Orientierung, charakterisieren das eigentliche
Synonyme: Entwicklungsbereich (EB); GLA 2 Training aber noch nicht in ausreichendem
55 Reizintensität: mittel bis hoch Maße. Dafür eignen sich besser die Trainings-
55 Reizdauer: mittel methoden. Als klassische Trainingsmethoden
55 Trainingsziel: Verbesserung des aerob-an- werden die Dauermethode (DM) und die Inter-
aeroben Mischstoffwechsels vallmethode (IM) unterschieden, der auch die
Wiederholungsmethode im erweiterten Sinne
zz Wettkampfspezifisches Ausdauertrai- zugeordnet werden kann (. Abb. 2.3). . Tab. 7.5
ning (WSA)
bietet eine Übersicht über alle gebräuchlichen
Synonym: Wettkampfausdauer (WA) Trainingsmethoden und deren Unterkategorien.
55 Reizintensität: hoch Diese werden nachfolgend detailliert vorgestellt:
55 Reizdauer: gering bis mittel
55 Trainingsziel: Verbesserung der anaeroben
Ausdauerleistungsfähigkeit 7.4.1 Dauermethode
Exkurs: Sweet Spot schlechter als Polarized
Wie der Name schon treffend beschreibt, ist
Ein weiterer Trainingsbereich, der im Trainingsall- das Kennzeichen der Dauermethode eine
tag Anwendung und in der Literatur Erwähnung Belastung ohne Pause bei weitestgehend aero-
findet, ist der Bereich zwischen GA 1 und GA 2. ber Energiebereitstellung. Als Dauermethode
Dieser wird häufig als GA 1/2 bezeichnet. Im werden Trainingseinheiten auch dann noch
englischsprachigen Bereich wird vom sog. Sweet
bezeichnet, wenn sich kurze Pausen beispiels-
Spot gesprochen. Ein Training in diesem
Intensitätsbereich soll besonders wirksam sein, weise beim Radfahren an einer Ampel oder
was aus unserer Sicht kritisch zu sehen ist. bei der Wende im Rudern ergeben. Es wird
Fälschlicherweise trainieren besonders die kontinuierliche Dauermethode (extensive
Freizeitsportler anteilig zu viel in diesem und intensive DM) von der variablen Dauer-
Trainingsbereich und optimieren dadurch weder
methode (Fahrtspiel, Tempowechselmethode)
die Grundlagenausdauer 1 noch die Grundlagen-
ausdauer 2. Dieser häufig begangene Trainings- unterschieden (. Abb. 7.23, 7.24 und 7.25).
fehler wird durch den Satz: „Das Schnelle zu
langsam und das Langsame zu schnell“ gut zz Extensive Dauermethode
beschrieben. Anstelle dessen fokussiert der von Charakteristika:
Seiler und Kjerland (2006) favorisierte „Polarized
55 Mindestintensität 50 % der maximalen
Training“ Ansatz auf eine stärkere Kontrastierung
der Trainingsintensitäten mit einem hohen Anteil Herzfrequenz (HFmax)
an GA1. 55 Höchstintensität 70 % (80 % bei Hochleis-
tungssportlern) der HFmax
378 F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Tab. 7.4 Fünfstufiges Modell zur Festlegung von Trainingszonen mit den im deutschsprachigen Raum
gebräuchlichen Trainingsbereichen (mod. nach Seiler und Tönnessen 2009)

.
Zone VO2 [ % max] Laktat [mmol/l] % der Hfmax Trainingsbereiche

1 45 – 65 0,8 – 1,5 55 – 75 Rekom & GA 1

2 66 – 80 1,5 – 2,5 75 – 85 GA 1 & GA 1/2

3 81 – 87 2,5 – 4,0 85 – 90 GA 1/2 & GA2

4 88 – 93 4,0 – 6,0 90 – 95 WSA

5 94 – 100 6,0 – 10,0 95 – 100 WSA


7
zz Intensive Dauermethode
..      Tab. 7.5 Ausdauertrainingsmethoden und Charakteristika:
deren Varianten in der Übersicht
55 Die intensive Dauermethode ähnelt der
Methoden Varianten extensiven Dauermethode sehr. Der
Unterschied besteht in einer höheren
Dauermethoden extensive Dauermethode Belastungsintensität bei zumeist geringerem
intensive Dauermethode Trainingsumfang (. Abb. 7.24).
Fahrtspiel
55 Mindestintensität ca. 70 % der HFmax
Tempowechselmethode
55 Höchstintensität 85 % (90 % bei Hochleis-
Intervallmethoden extensive Intervallme- tungssportlern) der HFmax
thode 55 Blutlaktatkonzentration ≈ 2,5 mmol/l bis
intensive Intervallme-
thode
4 mmol/l
hochintensives
Intervalltraining (HIIT) Trainingswirkung:
Wiederholungsmethode 55 Kapillarisierung und Vergrößerung des
Kleinfeldspiele (Small
Mitochondrienvolumens
Sided Games)
55 Verbesserung der maximalen Sauerstoff-
aufnahme
55 Verbesserung des aerob-anaeroben
55 Belastungsdauer: kurz (ReKom) bis Mischstoffwechsels
mehrstündig (Fettstoffwechseltraining) 55 Entwicklung der Grundlagenausdauer 2
55 Blutlaktatkonzentration < 2 mmol/l (GA 2)

Trainingswirkung: zz Fahrtspiel (Synonym: Fartlek) und


55 Kapillarisierung Tempowechselmethode
55 Vergrößerung des Mitochondrienvolu- Der ursprüngliche schwedische Name Fartlek
mens wurde zunächst nur in Schweden und für das
55 Verbesserung der Fettstoffwechselaktivität Laufen verwendet. Später wurde der Name
55 Entwicklung und Erhalt der Grundlagen- auch auf andere Sportarten übertragen. Bei der
ausdauer (GA 1) Tempowechselmethode wird ähnlich wie beim
Ausdauertraining
379 7
Zoom
Kurve Einstellungen
zurücksetzen
Vollbild SportZonen

HF (S/min) Herzfrequenz (S/min)


200 182
0% 00:00:00
180 164
160 0% 00:00:00
146
140
97% 02:09:03
120 127
100 3% 00:04:19
109
80
0% 00:00:07
60 91
00:00:00 00:20:00 00:40:00 01:00:00 01:20:00 01:40:00 02:00:00 02:13:45

..      Abb. 7.23 Herzfrequenzverlauf während eines langen Dauerlaufs nach der extensiven Dauermethode im
GA-1-Bereich

Zoom SportZonen
Kurve Einstellungen Vollbild
zurücksetzen
Herzfrequenz (S/min)
HF (S/min)
200 181
0% 00:00:00
180 163

160 12% 00:43:35


145
140
36% 02:05:32
120 127

100 47% 02:45:44


109
80
3% 00:10:23
60 91
00:00:00 00:29:24 00:58:48 01:28:12 01:57:36 02:27:00 02:56:24 03:25:48 03:55:12 04:24:36 04:54:00 05:23:24 05:52:55

..      Abb. 7.24 Herzfrequenzverlauf während einer kombinierten Trainingseinheit (Koppelraining): zunächst


extensive Dauermethode auf dem Rad, dann intensive Dauermethode beim Laufen

Fahrtspiel ein Wechsel zwischen unterschied- Trainingswirkung:


lichen Intensitäten durchgeführt. Diese wer- 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoff-
den jedoch vor dem Training geplant. Deshalb aufnahme
wird zum Teil auch der Begriff planmäßiges 55 Verbesserung des aerob-anaeroben
Fahrtspiel verwendet. Mischstoffwechsels
55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereit-
Charakteristika: stellung
Das Fahrtspiel ist durch einen unplanmäßi- 55 Entwicklung der Grundlagenausdauer 1
gen Wechsel von Belastungsintensitäten und 2 (GA 1 und GA 2)
gekennzeichnet (. Abb. 7.25). In einigen Aus-
dauersportarten ergibt sich der Intensitäts-
wechsel bereits durch die Topografie, 7.4.2 Intervallmethode
wechselnde Bodenbeläge und Wind, wenn die
Geschwindigkeit relativ konstant gehalten wird. Die Intervallmethode beschreibt eine Trainings-
55 Mindestintensität im Durchschnitt ca. form mit einem festgelegten Wechsel aus Bela-
60 % der HFmax stungs- und Erholungsphasen. Kennzeichen der
55 Höchstintensität 85 % (90 % bei Hochleis- Intervallmethode ist die nicht vollständige Pause,
tungssportlern) der HFmax die auch als „lohnende“ Pause bezeichnet wird
55 stark ondulierende Blutlaktatkonzentratio- und den ersten raschen Abfall der Herzfrequenz
nen zwischen 3 und 6 mmol/l umfasst (De Marées 2002). Die wiederkehrende
380 F. Hanakam und A. Ferrauti

HF (S/min)
200

175

150

125

100

75

50

00:00:00 00:15:00 00:30:00 00:45:00 01:00:00 01:15:00 01:29:25

..      Abb. 7.25 Herzfrequenzverlauf während eines Fahrtspiels

7
Belastung verursacht eine sukzessive Aufsto- werden alle Intervalle, die schneller als im
ckung der Ermüdung und soll somit die Ermü- Renntempo absolviert werden (bzw. schneller
dungswiderstandsfähigkeit erhöhen. als die Dauerleistungsgrenze sind), als inten-
Die Historie des Intervalltrainings reicht
mindestens 100 Jahre zurück. Namhafte Mittel-
Exkurs: Intervallmethode
und Langstreckenläufer wie Hannes Kohlemai-
nen, Paavo Nurmi und Rudolf Harbig Ein 10.000-m-Läufer mit aktueller Bestleistung
trainierten nach einem intervallartigen Prinzip. von 30:00 min wird diese Leistung niemals im
Dabei wechselten sich Strecken mit hoher Training realisieren können. In Form von
Geschwindigkeit und relativ langen Pausen ab. 10 × 1000 m in 3:00 min bewältigt er die
Gesamtstrecke von 10 km in 30 min durchaus.
Der tschechische Ausnahmeläufer Emil Záto-
Somit lassen sich in Intervallform weitaus
pek optimierte die bestehenden Methoden. Er höhere Trainingsumfänge mit hoher Intensität
veränderte den Trainingsumfang (höherer realisieren als mit der Dauermethode. Dies gilt
Gesamtumfang), die Intensität (geringere für alle Ausdauersportarten.
Intensität) und insbesondere die Pause (kürzer
und aktiv) gegenüber seinen Vorgängern. In
der Folgezeit wurde die Methode von vielen sive Intervalle bezeichnet und alle langsame-
erfolgreichen Sportlern anderer Sportarten ren Geschwindigkeiten als extensive Intervalle.
übernommen, wie zum Beispiel dem Skilang- Ebenfalls uneinig ist die Literatur bei der Ein-
lauf, Rudern und Schwimmen (Laursen und teilung von Intervalltraining nach Belastungs-
Buchheit 2019). dauer. Gebräuchliche Bezeichnungen sind
Eine Unterteilung von Intervalltraining Kurz-, Mittel- und Langzeitintervalle. Sehr
kann nach Belastungsintensität oder nach kurze Sprint-Intervalle werden als Sprint-Wie-
Belastungsdauer erfolgen. Bezüglich der Belas- derholungs-Intervalle und ein entsprechendes
tungsintensität wird in extensive und inten- Training als Intervallsprint-­Training bezeich-
sive Intervalle unterschieden (. Abb. 7.26 net (Laursen und Buchheit 2019).
und 7.27). Eine einheitliche und sportartüber-
greifende Abgrenzung zwischen extensiv und zz Extensive Intervallmethode
intensiv existiert nicht. In der Trainingspraxis Charakteristika:
erfolgt die Abgrenzung beispielsweise über 55 mittlere Intensität 60–80 % der HFmax
die Zielgeschwindigkeit oder Leistung, die im 55 Blutlaktatkonzentration < 6 mmol/l
Wettkampf realisiert werden soll. In dem Fall 55 relativ hoher Umfang
Ausdauertraining
381 7
Zoom
Kurve Einstellungen zurücksetzen
Vollbild SportZonen

HF (S/min) Herzfrequenz (S/min)


200
182
0% 00:00:00
180 164
160 50% 00:36:53
146
140
40% 00:29:51
120 127
100 9% 00:06:52
109
80
0% 00:00:09
60 91
00:00:00 00:15:00 00:30:00 00:45:00 01:00:00 01:14:10

..      Abb. 7.26 Herzfrequenzverlauf während eines extensiven Intervalltrainings

Zoom
Kurve Einstellungen Vollbild SportZonen
zurücksetzen
HF (S/min) Herzfrequenz (S/min)
200 182
15% 00:07:06
180 164

160 35% 00:16:29


146
140
40% 00:18:51
120 127

100 9% 00:04:25
109
80
0% 00:00:13
91
00:00:00 00:10:00 00:20:00 00:30:00 00:40:00 00:47:20

..      Abb. 7.27 Herzfrequenzverlauf während eines intensiven Intervalltrainings

Trainingswirkung:
55 Verbesserung der maximalen Sauerstoff- schwimmen zu können. Doch gerade bei
aufnahme Jogging-Anfängern wird Pausieren oder
55 Verbesserung des aerob-anaeroben Gehen als Schwäche angesehen. Dabei ist
Mischstoffwechsels die extensive Intervallmethode der ideale
55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereit- Ausgangspunkt für viele weitere darauf
stellung aufbauende Trainingsmethoden.
55 Entwicklung der Grundlagenausdauer 2
(GA 2) zz Intensive Intervallmethode
Charakteristika:
Praxistipp: extensives Intervalltraining 55 mittlere Intensität 80–90 % der HFmax
55 Blutlaktatkonzentration > 4–6 mmol/l
Aller Anfang ist schwer. Gute Vorsätze 55 geringer bis mittlerer Umfang
scheitern oftmals nicht am inneren
Schweinehund, sondern an der falschen Trainingswirkung:
Trainingsmethode. Die extensive 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoff-
Intervallmethode eignet sich nämlich aufnahme
ideal, um zum Beispiel den „Dauerlauf“ 55 Verbesserung des aeroben und insbeson-
vorzubereiten oder im Schwimmen dere des anaeroben Stoffwechsels
dauerhaft eine längere Strecke am Stück 55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereit-
stellung
382 F. Hanakam und A. Ferrauti

55 Laktatkompensation (schneller Abbau) 55 Blutlaktatkonzentration 4–10 mmol/l


55 Laktattoleranz (Leistung aufrechterhalten 55 mittlerer Umfang (30–45 min)
trotz hoher Laktatkonzentrationen)
Trainingswirkung:
zz Hochintensives Intervalltraining (HIIT) 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoff-
In jüngerer Zeit wird in der Trainingspraxis aufnahme
speziell in den Sportspielen zunehmend der 55 Verbesserung des aeroben und anaeroben
Begriff des hochintensiven Intervalltrainings Stoffwechsels
(HIIT) verwendet. Inhaltlich ähnelt das HIIT 55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereit-
der extensiven und intensiven Intervallme- stellung
thode. Die vorgeschlagenen Trainingsproto- 55 Laktatkompensation und -toleranz
kolle beinhalten demnach in gleicher Weise 55 Ausdauerverbesserung der sportspielspe-
verschiedene Mischformen aus überwiegend zifischen Arbeitsmuskulatur
aeroben oder vermehrt anaeroben Belastungs-
intervallen. Dabei soll ein möglichst hoher Praxistipp: Intervalltraining oder Dauerme-
7 prozentualer Anteil der maximalen Sauerstoff- thode?
aufnahme intervallartig über einen längeren
Das Intervalltraining entwickelte sich aus
Zeitraum eingesetzt werden, wobei die Belas-
der Trainingspraxis heraus und wurde erst
tungsphasen zwischen 15 und 300 s andau-
anschließend als HIIT zum Forschungsfeld
ern. Während die klassische Intervallmethode
für die Sportwissenschaft. Als
jedoch primär auf zyklische Belastungsformen
Forschungsfrage wird dabei häufig
(z. B. Schwimmen und Laufen) bezogen war,
untersucht, ob die Dauermethode oder
werden beim HIIT neben linearen Laufaktivi-
die Intervallmethode effektiver ist.
täten auch variable Parcours unter Einbau
Weiterhin ist die Praxis der Wissenschaft
von sportspielspezifischen Bewegungsmustern
voraus: Erfolgreiche Sportler im
oder (Kleinfeld-) Spielen absolviert. Nachweis-
Ausdauersport trainieren sowohl mit der
lich können in den Sportspielen durch HIIT-­
Intervallmethode als auch mit der
Protokolle in kürzerer Zeit ähnliche Effekte
Dauermethode.
erzielt werden wie nach der zeitaufwendigeren
Intervalltraining oder Dauermethode?
extensiven Dauermethode (Laursen und Buch-
Diese Frage dürfen weiterhin (dumme?)
heit 2019).
Sportwissenschaftler stellen. Für
Das Intervallsprint-Training (IST) oder
erfolgreiche Praktiker gibt es kein
Repeated-Sprint-Ability-Training (RST) kann
entweder oder, sondern nur ein Für und
vom HIIT abgegrenzt werden. Mit sehr kurzen
Wider, das je nach Sportart,
„All-out“-Belastungen über beispielsweise 5 s
Saisonzeitpunkt und Trainingsziel
kann dieses trotzdem im erweiterten Sinne
abgewogen werden muss.
dem Ausdauertraining zugeordnet werden
und geht mit ganz spezifischen metabolischen
und muskelmechanischen Belastungen einher
(7 Kap. 2, . Abb. 2.5) (Wiewelhove et al. 2016).
Den umfassendsten Überblick über sportspiel- 7.4.3 Wiederholungsmethode
spezifische HIIT Trainingsprotokolle lieferten
aktuell Laursen und Buchheit (2019). Bei der Wiederholungsmethode werden
höchste Belastungsintensitäten bei geringer
Charakteristika (je nach Protokoll sehr unter- Wiederholungszahl und vollständiger Pause
schiedlich): erreicht. Wie lang die Pause bei einer „voll-
55 mittlere Intensität 80–90 % der HFmax ständigen Pause“ sein muss, bietet jedoch
Ausdauertraining
383 7
häufig Anlass zur Diskussion. Richtet man Zielstellungen wechseln. Die Methode zeich-
die Pause nach der Herzfrequenz, so kommt net sich vor allem durch ihre Effizienz aus, da
es oft zu einer Akkumulation der Blutlaktat- die Verknüpfung von unterschiedlichen Trai-
konzentration, und die Leistung muss redu- ningsinhalten naturgemäß eine erhebliche
ziert oder sogar abgebrochen werden. Somit Zeitersparnis darstellt. Die allgemein hohe
richten sich viele Trainer nach der Formel: Spezifität wird jedoch durch die oft deutlichen
So kurz wie möglich und so lang wie nötig, Unterschiede zu den Rahmenbedingungen
um die angestrebte Anzahl von Wiederho- von Meisterschaftsspielen limitiert, u. a. unter-
lungen ohne nennenswerten Leistungsver- schiedliche Aufgaben, Positionen, Laufwege,
lust realisieren zu können. Das führt in der Laufstrecken und Geschwindigkeiten. Zusätz-
Praxis innerhalb einer Trainingsgruppe zu lich ist die konkrete Belastungs- und Bean-
individuell unterschiedlich langen vollstän- spruchungsstruktur von Spielformen kaum im
digen ­Pausen trotz gleicher Belastungsdauer. Detail vorherzusagen, und die Quantifizierung
Athleten mit gutem Körpergefühl können die der (individuellen) Anforderungen stellt trotz
Pausendauer über das subjektive Belastungs- jüngerer technologischer Entwicklungen selbst
empfinden steuern. im Profisport noch eine große Herausforde-
rung dar. Demnach ist eine individuelle Inten-
Charakteristika: sitätssteuerung ausgeschlossen (Laursen und
55 höchste Belastungsintensitäten (90–100 % Buchheit 2019).
der maximalen Leistungsfähigkeit)
55 Blutlaktatkonzentration > 6 mmol/l Charakteristika:
55 vollständige Pausen zwischen den einzel- 55 Belastungsmanipulation durch Aufgaben-
nen Belastungen und Regeländerungen, Spieleranzahl und
55 geringer Trainingsumfang pro Trainings- Feldgröße
einheit 55 spezifische, aber quasi-chaotische Belas-
tungsstruktur
Trainingswirkung: 55 zahlreiche Be- und Entschleunigungen
55 Verbesserung des aeroben und insbeson- 55 Belastung kaum standardisierbar; sehr
dere des anaeroben Stoffwechsels hohe individuelle Variabilität
55 Laktatkompensation (schneller Abbau) 55 Belastungsdauer üblicherweise zwischen
55 Laktattoleranz (Leistung aufrechterhalten, 2–4 min pro Spielform
trotz hoher Laktatwerte) 55 Pausen zwischen den Spielformen oft
zwischen 90 s und 4 min (Laursen und
Buchheit 2019)
7.4.4 Kleinfeldspiele
Trainingswirkung:
Die Methode der Kleinfeldspiele (engl. Small-­ 55 abhängig von organisatorischen und
Sided Games) ist besonders in den Spielsport- technisch-taktischen Rahmenbedin­
arten weit verbreitet und erfreut sich hier gungen
großer Begeisterung. Sie basiert auf dem Trai- 55 geringere Beanspruchung (relative
ningsprinzip der (wettkampf-)spezifischen Herzfrequenz, Blutlaktatkonzentration
Belastung, wobei technisch-taktische Elemente und Anstrengungsempfinden) bei
der Sportart mit den speziellen konditionellen zunehmender Spielerzahl, bei Reduzie-
Anforderungen kombiniert werden. Der rung der Spielfeldgröße und bei Abwe-
inhaltliche Schwerpunkt kann jederzeit flexi- senheit von Traineranweisungen
bel zwischen spielerischen und konditionellen (Laursen und Buchheit 2019)
384 F. Hanakam und A. Ferrauti

Anpassungseffekte verschiedener 7.4.5 Belastungsdosierung


Trainingsmethoden
Bei der Vielzahl unterschiedlicher Ausdau- Die Belastungssteuerung ist ein Teil der Trai-
ertrainingsmethoden und Unterformen darf ningssteuerung und beschäftigt sich in besonde-
die entscheidende Frage nicht aus den rem Maße mit der individuellen Regulation
Augen verloren werden: Welche Trainings- während des Trainingsprozesses. Dazu stehen
methode führt zu welchen Adaptionen? die Steuerungsgrößen Umfang, Dauer, Intensität,
Dabei sind Anpassungseffekte von eher zen- Häufigkeit, Dichte und Bewegungsfrequenz zur
tralen Komponenten des Herz-Kreis- Verfügung. Im Ausdauersport erfolgt die prakti-
lauf-Systems (z. B. Herz und Lunge), die sche Umsetzung der Belastungsdosierung häufig
speziell mit einer Verbesserung der maxi- mithilfe biologischer Messgrößen wie Herzfre-
malen Sauerstoffaufnahme einhergehen quenz und Laktat, aber auch mittels Kadenz,
(V̇ O2max), von Anpassungen in der Periphe- Schritt- oder Schritt-Atemrhythmus (Buskies
rie (z. B. Muskulatur und neuromuskuläres et al. 1993), Fortbewegungsgeschwindigkeit und
System) sowie von vorrangig psychischen Leistung (Watt) sowie mittels des subjektiven
7 Anpassungen (z. B. Belastungsverträglich- Belastungsempfindens (z. B. nach der RPE-Skala;
keit) zu unterscheiden (. Tab. 7.6). Hanakam 2011, 2015). Nachfolgend werden

..      Tab. 7.6 Eigene Darstellung mit den angenommenen Anpassungseffekten von verschiedenen
Trainingsmethoden im Ausdauertraining auf unterschiedlichen Funktionsebenen des Organismus (– =
geringe, ± = mittlere, + = gute ++ = sehr gute Trainingswirkung)

Extensive Variable High-Intensity-Interval-Training


Parameter Dauer- Dauer- Intervallsprint-
methode methode Training
(Fahrtspiel)
Kleinfeld-Spiele Laufparkur Laufbahn

Herz- .
VO2max + + + + + ±
Kreislauf

Kapillarisierung ++ + + + + ±

Mitochondrien ++ + + + + ±

Glykol. Flußrate - + ± ± ± +
Muskel Kreatinphosphat
& KPreg - + ± ± - +

Schnellkraft - + ± + - +

Intramuskuläre
Koord. - + ± ± - +

Intermuskuläre
Koordination Koord. - + + ± ± +
& Schnellig-
keit Sportartspez.
Technik - ± + ± - -

Belastungsverträg-
Psyche ± + + + + +
lichkeit
Ausdauertraining
385 7
häufig eingesetzte Methoden der Belastungsdo- ten genutzte Methode (Hanakam 2015).
sierung vertieft betrachtet. Die Vielzahl von Aus- Moderne Sportuhren unterstützen durch eine
dauersportarten und deren individuelle Vielzahl an Features das Training nach der Herz-
Belastungsdosierung machen eine vollständige frequenz. Trotzdem kommt es aufgrund interin-
Auflistung an dieser Stelle unmöglich. dividueller Besonderheiten und Unkenntnissen
zu Missverständnissen und fehlerhafter Anwen-
zz B
 elastungsdosierung mittels Herzfre- dung dieser Methode.
quenz Die Herzfrequenz eines Erwachsenen kann
Belastungsdosierung mittels Herzfrequenzkont- sich unter Belastung gegenüber dem Ruhewert
rolle ist weltweit die wahrscheinlich am häufigs- mehr als verdreifachen. Die maximale Herz-

Exkurs: Herzfrequenzformeln zur Belastungsdosierung

Sollwerte für die Steuerung des Grundlagenaus- Empfehlungen zur Berechnung der
dauertrainings nach Herzfrequenz basieren auf Maximalfrequenz
verschiedenen Formeln, in denen unterschied- 55 Männer und Frauen: 220 – Lebensalter
liche Faktoren wie das Lebensalter, die Ruheherz- 55 Frauen: 220 oder 226 – Lebensalter
frequenz, die maximale Herzfrequenz, das 55 Männer trainiert: 205 – (0,5 × Lebensalter);
Geschlecht und der Trainingszustand berücksich- Männer untrainiert: 214 – (0,8 × Lebensalter)
tigt werden. Die Formelvielfalt führt zu erheb- 55 Frauen trainiert: 211 – (0,5 × Lebensalter);
lichen Unterschieden in der Trainingssteuerung, Frauen untrainiert: 209 – (0,7 × Lebensalter)
sodass in der Praxis Verunsicherung über die
angemessenen Richtwerte existiert. Problema-
tisch ist, dass der Einfluss der Trainingsdauer in
Beispiel: 50 Jahre, HFRuhe 60 S/min, HFmax
den gängigen Formeln nicht berücksichtigt wird. 170 S/min
55 170 – Lebensalter (Baum 1971) = 120 S/min
Allgemeine Trainingsempfehlungen (in 55 180 – Lebensalter (Hollmann 1993) = 130 S/min
Abhängigkeit vom Lebensalter) 55 HfRuhe+ 80 % (Hfmax-HfRuhe) (Karvonen et al.
55 170 – 1/2 Lebensalter ± 10 S/min 1957) = 148 S/min
55 180 – Lebensalter 55 Hfmax-(0,45∗HfRuhe) (Zintl und Eisenhut 2009)
55 180 – Lebensalter ± 5 S/min = 138 S/min
55 200 – (Lebensalter × 0,7) 55 Trimming 130 (Palm 1984) = 130 S/min

Variable Trainingsempfehlung (in Abhän-


gigkeit von Ruhe- und Maximalfrequenz)
HFRuhe + Intensität (%) × (HFmax – HFRuhe)
(Karvonen et al. 1957)

frequenz sinkt mit zunehmendem Alter und ist Individuelle Sollwerte zur Trainingsherz-
individuell sehr unterschiedlich. Dafür werden frequenz orientieren sich entweder an der
unterschiedliche Gründe angeführt, die von maximalen Herzfrequenz (Spanaus 2002) oder
Pollock et al. (1993) gut in einer Multifaktoren- an der Herzfrequenzreserve (HFR; Karvonen
theorie beschrieben werden. Hierin liegt eine et al. 1957). Die daraus resultierenden Trai-
der Ursachen für die Vielzahl formelgeleiteter ningsbereiche können prozentual berechnet
Empfehlungen begründet (Exkurs: Herzfre- werden.
quenzformeln zur Belastungsdosierung).
386 F. Hanakam und A. Ferrauti

Exemplarisch ergeben sich für eine Person Um das Phänomen zu erforschen und insbe-
mit einer maximalen Herzfrequenz von 200 S/ sondere zu quantifizieren, wurde eine breit ange-
min, einer Ruheherzfrequenz von 50 S/min und legte Studie mit 135 Freizeitläufern beiderlei
einer entsprechenden HFR von 150 S/min fol- Geschlechts durchgeführt. Diese mussten an drei
gende Vorgaben für definierte Trainingsbereiche: Untersuchungstagen einen Dauerlauf mit 85 %,
ii ReKom 90 % und 95 % der Dauerleistungsgrenze über
50–60 % von 100–120 S/min
HFmax bzw. 45 min durchführen. Im Abstand von jeweils
35–50 % HFR 9 min wurde die Herzfrequenz notiert. Das
Ergebnis der Studie verdeutlicht anschaulich den
GA 1 60–80 % von 120–160 S/min
HFmax bzw. Cardio Drift (. Abb. 7.28). Ferner wird deutlich,
50–70 % HFR dass gleichaltrige weibliche Läuferinnen mit glei-
chem relativem Leistungsvermögen und eben-
GA 2 80–90 % von 160–180 S/min
HFmax bzw.
falls gleicher relativer Ausbelastung über deutlich
70–85 % HFR höhere Trainingsherzfrequenzen verfügen. Auch
als sehr gering belastend empfundene Trainings-
7 WSA 90–100 % von
HFmax bzw.
180–200 S/min
einheiten führen nach 45 min Dauer bei Män-
85–100 % HFR nern (ca. 150 S/min) und Frauen (ca. 160 S/min)
im mittleren Lebensalter zu erstaunlich hohen
Zusätzliche Unsicherheit bereitet vielen Aus- Herzfrequenzen (. Abb. 7.28).
dauersportlern das seit vielen Jahren bekannte Welche Konsequenzen ergeben sich aus
Phänomen der ansteigenden Herzfrequenz bei dem Cardio Drift für die Sportpraxis?
längerer Belastung, der sogenannte Cardiac 55 Bei konstanter Belastungsintensität steigt
Drift oder Cardio Drift. Beide Begriffe meinen die Herzfrequenz.
das Gleiche, nämlich den Anstieg der Herzfre- 55 Bei konstanter Herzfrequenz kommt es zu
quenz bei Dauerbelastungen trotz konstanter einer Geschwindigkeitsreduktion.
Intensität. Die Begrifflichkeit geht auf Ekelund
(1967) zurück, der bereits 1967 das Phänomen Soll der metabolische und koordinative Trai-
beschrieb. ningsreiz während der gesamten Trainings-
Die Ursache von Cardio Drift beruht wei- dauer erhalten werden, resultiert aus den
testgehend auf zwei Phänomenen: Befunden die Empfehlung, dass spätestens nach
55 Dehydration (Wasserverlust durch Schweiß 30 min Dauerlauf die angestrebte Zielherzfre-
führt zur Eindickung des Blutes) und quenz um ca. 5 S/min erhöht werden muss,
55 Hyperthermie (um den Körper zu kühlen nach weiteren 30 min noch einmal 4 S/min,
wird der Blutfluss vermehrt in die Periphe- anschließend 3, 2 und 1 S/min pro 30 min (5, 4,
rie geleitet). 3, 2, 1-Regel). Weil der Cardio Drift immer
einen exponentiellen Verlauf aufweist und sich
Beide Phänomene verursachen eine Reduktion bei längeren Belastungen als Parallele zur
des Schlagvolumens. Um während einer längeren x-Achse beschreiben lässt, kann das Grundprin-
Ausdauerbelastung ein konstantes Herzminuten- zip der 5, 4, 3, 2, 1-Regel auch auf andere Aus-
volumen über den gesamten Zeitraum aufrecht dauersportarten übertragen werden.
erhalten zu können, muss das zunehmend ver- In den Sportspielen nimmt die Belastungs-
ringerte Schlagvolumen kompensiert werden. steuerung mithilfe von Herzfrequenzmonito-
Dementsprechend reagiert der Körper auf das ren erheblich zu, seit nicht mehr zwingend
verringerte Schlagvolumen mit einer Erhöhung eine Armbanduhr getragen werden muss. Das
der Herzfrequenz. Ferner mag auch die redu- war aus Gründen der Verletzungsgefahr (z. B.
zierte Sauerstoffverfügbarkeit bei ggf. höherem im Basketball oder Handball) nicht in allen
Bedarf (bei zunehmender Aktivierung der Fett- Spielformen möglich. Moderne Herzfrequenz-
oxidation) eine Rolle spielen (Hanakam 2015). messung im Sportspiel erfolgt inzwischen über
Ausdauertraining
387 7
190
180
weiblich
170
Hf (S/min)

männlich
160
150
140
130
9 18 27 36 45 9 18 27 36 45 9 18 27 36 45 (min)
85 % 90 % 95 %

..      Abb. 7.28 Herzfrequenzverhalten (Hf ) von 95 % der Dauerleistungsgrenze (Geschwindigkeit bei


insgesamt 135 Freizeitläufern beiderlei Geschlechts einer Blutlaktatkonzentration von 4 mmol/l; Hanakam
während einer Dauerbelastung mit 85 %, 90 % und 2015)

Herzfrequenzgurte, die ihre Daten online über ren, weil die Herzfrequenzkinetik zeitlich ver-
eine Team-Software z. B. auf das Smartphone zögert erfolgt. Die nachträgliche Messung der
des Trainers senden. Somit kann kontrolliert Trainings- und Wettspielbeanspruchung über
werden, ob der angedachte Trainingsbereich ein definiertes Zeitfenster ist jedoch möglich
von den Spielern realisiert wird, und über und kann rückblickend wertvolle Informatio-
Änderung der Spielform interveniert werden. nen auch für die Sportspiele liefern.
Zusammenfassend weist die Herzfrequenz
verschiedene Vor- und Nachteile für die Praxistipp: Herzfrequenzmessung am Hand-
Belastungsdosierung im Ausdauertraining gelenk
auf. Die meisten Vorteile ergeben sich für ein
Training nach der extensiven und intensiven In der täglichen Praxis mit Athleten erweist
Dauermethode, sofern die Referenzwerte sich die Bestimmung der Herzfrequenz über
individuell anhand von Grenzwerten (Ruhe- Uhren, die unmittelbar am Handgelenk
herzfrequenz und maximale Herzfrequenz) messen, als häufig etwas unzuverlässig.
und submaximalen Erfahrungswerten evalu- Dies ist konträr zur Erwartungshaltung, die
iert worden sind. Feste formelgeleitete Vorga- durch unterschiedliche Hersteller geweckt
ben sind hingegen extrem fehlerbehaftet. wird. Daher raten wir bislang noch, einen
Schließlich sind die Belastungsdauer (Cardio Brustgurt zu verwenden, auch wenn sich
Drift) und auch die Umgebungstemperatur dadurch mögliche Nachteile wie
(bei über 25 °C erfolgt ein weiterer Anstieg Wundscheuern oder das Gefühl, eingeengt
um ca. 5 S/min) zu berücksichtigen (Hana- zu sein, ergeben.
kam 2015). Im Gegensatz zur reinen Steue-
rung nach Laufgeschwindigkeit besitzt die
Herzfrequenz den Vorteil, dass sie wind-, zz Belastungsdosierung mittels
bodenbelag- und topografieunabhängig die Geschwindigkeit
momentane kardiozirkulatorische Bean- Ein probates Mittel zur Steuerung der Belas-
spruchung quantifiziert. Problematisch ist tungsintensität ist die Geschwindigkeit. Mit-
hingegen der Einsatz bei allen Intervallme- hilfe von Wegstreckenmarkierungen und der
thoden und auch bei der variablen Dauerme- Stoppuhr, Tachos oder zunehmend genau mit-
thode. Speziell kurze Belastungsspitzen, wie tels GPS kann die Geschwindigkeit sehr exakt
beispielsweise beim Intervallsprint-Training, gesteuert werden. Als Referenz wird dabei je
sind hinsichtlich der aktuellen Beanspru- nach Trainingsziel ein Trainingsbereich defi-
chung im jeweiligen Erfassungsmoment aus niert. Dies erfolgt beim Laufen beispielsweise
der Herzfrequenz nur schwer zu interpretie- über eine prozentuale Berechnung anhand der
388 F. Hanakam und A. Ferrauti

10-km-­ Bestleistung (Hottenrott und Zülch nen Trainingsbereiche prozentual bestimmt


1998; Joch 2004) oder der Angabe von Trai- (7 Abschn. 12.1).
ningsbereichen je nach angestrebter Leistung Im Rudern und im Kanu- und Kajak-Sport
(Steffny 2004; . Tab. 7.7). kann die Intensität ebenfalls über die
Im Radsport werden mit Tachos die aktuelle Geschwindigkeit gesteuert werden, indem die
Geschwindigkeit und die durchschnittliche aktuelle Geschwindigkeit auf 500 m hochge-
Geschwindigkeit angezeigt. So kann beispiels- rechnet wird. Zudem wird die Zugfrequenz in
weise eine GA-1-Einheit mit einem vorgegebe- Anzahl der Schläge pro Minute angezeigt.
nen Durchschnittswert gefahren werden. Technische Geräte ermöglichen eine
Eine Belastungsdosierung im Schwim- sehr exakte Bestimmung der Geschwindig-
men wird von den meisten Sportschwimmern keit. Äußere Einflussfaktoren wie Hitze,
ebenfalls über die Zeiten und somit indirekt Wind, kupiertes Gelände, aufgeweichter
über die Geschwindigkeit gesteuert. Die Belas- oder schneebedeckter Untergrund, schlechte
tungszonen (BZ) werden über die Zielge- Sichtverhältnisse oder Strömungsgeschwin-
schwindigkeit angegeben, oder es werden Tests digkeit erschweren allerdings die Intensi-
7 über verschiedene Distanzen geschwommen tätssteuerung mithilfe der Geschwindigkeit
und die Belastungsintensität für die einzel- erheblich.

..      Tab. 7.7 Trainingsbereiche und -methoden für eine exemplarische Zielzeit von 50 min für einen
10-km-Lauf, modifiziert nach Joch (2004)

Trainingsbereich Trainingsmethode Streckenlänge Zeit


[m] [min pro km]

ReKom Dauermethode Unter 10.000 m 07:09 - 06:40

GA 1 Dauermethode 3000 m - 10.000 m 06:15 - 05:53


GA 1 Dauermethode über 10,000 m 07:09 - 06:40

GA 2 Intervallmethode 1000m - 3000 m 05:33 - 05:16


GA 2 Intervallmethode 400 m - 1000 m 05:16 - 05:00
GA 2 Dauermethode über 3000 m 05:33 - 05:53

SA Wiederholungsmethode 100m - 400 m 04:21 - 04:10

WSA Wiederholungsmethode 1000m - 3000 m 05:16 - 05:00


WSA Wiederholungsmethode 400 m - 1000 m 05:00 - 04:46
WSA Intervallmethode 100m - 400 m 04:33 - 04:21

S Wiederholungsmethode bis 100 m maximal

ReKom (Regenerations- und Kompensationbereich)


GA 1 (Grundlagenausdauerbereich 1)
GA 2 (Grundlagenausdauerbereich 2)
SA (Schnelligkeitsausdauer)
WSA (Wettkampfspezifische Ausdauer)
S (Schnelligkeit)
Ausdauertraining
389 7
zz Belastungsdosierung mittels Leistung Wattmessung im eigentlichen Sinne nicht statt,
Im Radsport und bei Ruder-Ergometern kann sondern es wird ein Watt-Wert berechnet (Vance
die leistungsbezogene Belastungssteuerung auf 2016). Das führt zu erheblichen Problemen in
eine lange Tradition zurückblicken. Seit eini- der Belastungssteuerung. Zudem sollte bei der
gen Jahren bietet die Industrie auch für den Trainingssteuerung über die Leistung immer das
Laufsport Wattmess-Systeme an, und die Trai- Körpergewicht berücksichtigt werden. Gewichts-
ningswissenschaft widmet sich diesem Thema veränderungen können die Trainingssteuerung
(Vance 2016). Ein erheblicher Vorteil gegen- erheblich beeinflussen – die relative Leistung
über anderen Verfahren ist die unmittelbare (Watt pro Kilogramm) ist deutlich aussagekräfti-
Rückkopplung des Systems. Das ist besonders ger als die absolute Wattleistung.
bei Intensitätsänderungen und allen kurzen Während die Wattmessung im Rahmen der
Strecken sehr hilfreich. Trainingssteuerung und Belastungsdosierung
Als ein Maß zur Belastungsdosierung im im Radsport bereits etabliert ist, steht dieser
Radsport hat sich die Orientierung an der Ansatz im Laufsport noch in den Anfängen.
Functional Threshold Power (FTP) etabliert Die wesentlichen Vorteile des Verfahrens lie-
(. Tab. 7.8). Hiermit ist die Leistung gemeint, gen in der unmittelbaren Anzeige der Leistung,
die durchschnittlich über einen Zeitraum von sodass es für alle kurzzeitigen Belastungen gut
einer Stunde erbracht werden kann. In der Pra- geeignet ist. Ferner ist eine Differenzierung der
xis werden häufig kürzere Tests durchgeführt absoluten und relativen Leistung sehr präzise
und darüber die Stundenleistung berechnet möglich. Nachteilig wirken sich die unzurei-
(Hunter und Coggan 2015). chende Messgenauigkeit beim Laufen und die
In der Trainingspraxis ergeben sich Probleme kostenintensive Ausstattung im Radsport aus
mit der Wattmessung im Radsport aufgrund von (z. B. SRM-System).
Messungenauigkeiten. Im Laufen findet eine

..      Tab. 7.8 Ableitung von Trainingsleistungen in Watt für definierte Trainingsbereiche anhand der
Functional Threshold Power (FTP)

FTP 300
(Functional Threshold Power)

klassische Einteilung nach Hunter Allen

typische Fahrt-/ Belastungsdauer


Bereich Ziel % von FTP errechnete Werte
Intervalldauer gesamt
ReKom < 165 1 Aktive Regeneration <55 < 165 30-90 min bis 90 min

GA 1 Lang 168-198 2 Ausdauer 56-75 168 - 225 60-300 min 60-300 min

GA 1 Kurz 201-225 3 Tempo 76-90 228 - 270 60-180 min 60-180 min

GA 1/2 228-270 4 Laktatschwelle 91-105 273 - 315 8-30 min 20-60 min

.
GA 2 273-315 5 VO2max 106-120 318 - 360 3-8 min 15-40 min

WSA 318-360 6 Anaerobe Kapazität 121-150 363 - 450 30 s - 3 min 5-15 min

7 Neuromuskuläre Leistung Maximal > 450 < 30 s 2-5 min


390 F. Hanakam und A. Ferrauti

zz B
 elastungsdosierung mittels des subjektive Empfindungen, Wahrnehmungen
subjektiven Belastungsempfindens und Gefühle während einer Belastung.
Löllgen (2004) beschreibt das subjektive Belas- Die klassische lineare RPE-Skala besteht
tungsempfinden treffend mit der empfundenen aus 15 Einzelstufen mit einem numerischen
Anstrengung, die eine Versuchsperson, ein Bereich von 6 bis 20. Jedem Skalenwert kann –
Sportler oder ein Patient während einer Belas- mit zehn multipliziert – die Herzfrequenz eines
tung wahrnimmt. Lange bevor Messmethoden jungen Menschen zugeordnet werden (Borg
und Apparaturen wie Pulsuhren, Spiroergomet- 1970). Den Vorteil gegenüber einer isolierten
rie, Blutlaktatanalytik etc. zur Verfügung stan- Betrachtungsweise der Herzfrequenz sieht
den, beschränkte sich die Intensitätssteuerung Borg in folgendem Aspekt: Das Anstrengungs-
einzig auf Geschwindigkeitsmessung und das empfinden ist eine individuelle Messgröße und
subjektive Belastungsempfinden. Trainingsemp- hat einen deutlich geringeren Streubereich als
fehlungen wie „locker“ oder „ruhig“ (Lydiard die Herzfrequenz. In Situationen, in denen die
1999) mussten genügen, um die Belastungssteu- maximale Herzfrequenz nicht bestimmt wer-
erung vorzunehmen. Interessanterweise reichen den kann, ermöglicht das Anstrengungsemp-
7 diese beiden Steuerungsgrößen – Zwischenzei- finden zusammen mit der Herzfrequenz eine
ten und Belastungsempfinden – im Hochleis- Abschätzung der maximalen Herzfrequenz
tungssport anscheinend bis heute aus, um durch Extrapolieren (Borg 2004).
Weltbestleistungen zu erzielen. Von vielen Spit- In der Praxis funktioniert die Belastungsdo-
zenläufern aus Äthiopien und Kenia ist bekannt, sierung mithilfe des subjektiven Belastungsemp-
dass sie gänzlich ohne moderne Apparaturen findens unter der Voraussetzung, dass der
auskommen (Lamberts et al. 2004). Ausgehend Sportler über die Skala aufgeklärt wurde und
von diesem „Trainieren nach Gefühl“ entwickel- mehrfach darüber sein Training gesteuert hat,
ten verschiedene Wissenschaftler normierte weitestgehend gut (. Tab. 7.9). Für Kinder und
Skalen. Jugendliche empfehlen sich vereinfachte Skalen,
Konzipiert wurden die heute eingesetzten die sich am Notensystem mit Zahlen von 1–5
Skalen zunächst im Bereich der Psychophysik. orientieren oder mit Symbolen/Emojis arbeiten.
Diese wissenschaftliche Disziplin wird auch als Ein mögliches Problem besteht hingegen im
Psychophysiologie bezeichnet und untersucht Phänomen der „sozialen Erwünschtheit“, d. h. es
gesetzmäßige Wechselbeziehungen zwischen kann vorkommen, dass ein Sportler mit höherer
physikalischen Reizen und dem psychischen Intensität arbeitet als der Trainer vorgibt, um auf
Empfinden. Unterschiedliche Formeln zur diese Weise eine besondere Leistungsfähigkeit
Bestimmung des Anstrengungsempfindens des zu demonstrieren. Vorteilhaft sind wiederum
Psychophysikers Stevens setzte der schwedi- die kostengünstige Realisierung und die Schu-
sche Forscher Gunnar Borg in der Ergometrie lung von Körpergefühl und Belastungsempfin-
ein. Sein Ziel bestand darin, ein Verfahren zu den bereits im Kindes- und Jugendalter.
entwickeln, mit dem im klinischen Alltag die
maximale Intensität ohne Ausbelastung des zz Ausdauertraining mit Musik
Patienten abgeschätzt werden konnte. Es wurde Technische Innovationen erlauben die ungestörte
eine Skala benötigt, die linear mit der Leistung Kombination von Ausdauertraining und Musik-
auf dem Fahrradergometer ansteigt und somit konsum. Auf der anderen Seite mehren sich im
eine ebenfalls lineare Beziehung zur Herzfre- Zusammenhang mit erschöpfungsbedingten
quenz und Sauerstoffaufnahme aufweist. Die Unfällen beim Marathon kritische Stimmen, die
von Borg daraufhin entwickelte RPE-Skala vor der Gefahr einer motivational bedingten
(Ratings of Perceived Exertion; Borg 1970; Überbeanspruchung durch Musik warnen. Wir
Borg und Noble 1974) ist eine numerische untersuchten demnach den Einfluss von Musik
Skala zur Abschätzung des subjektiven Belas- im Training von Ausdauersportlern und Spiel-
tungsempfindens. Die Skala bündelt mehrere sportlern, letztere mit deutlich geringerer Aus-
Ausdauertraining
391 7

..      Tab. 7.9 Die RPE-Skala zur Schätzung des Anstrengungsempfindens nach Borg (2004) mit der Original-
bezeichnung (Borg und Noble 1974)

7 sehr,sehr leicht very, very light


8
9 sehr leicht very light
10
11 recht leicht fairly light
12
13 etwas anstrengend somewhat hard
14
15 anstrengend hard
16
17 sehr anstrengend very hard
18
19 sehr, sehr anstrengend very, very hard
20

dauerleistung. Die Probanden absolvierten an 120


zwei Versuchstagen eine Dauerbelastung auf 100
dem Laufband mit einer Geschwindigkeit von
80 90
jeweils 90 % ihrer aerob-anaeroben Schwelle (v4) 80 79
73
(min)

bis zum erschöpfungsbedingten Abbruch. Im 60


Cross-over-Design erfolgte die Belastung mit 40
oder ohne Konsum einer selbst gewählten
Musikauswahl und Lautstärke mittels Kopfhörer. 20
Mit Musik nahm die Laufzeit bis zum 0
erschöpfungsbedingten Abbruch um ca. 10 % zu; A S A S
die Laufzeit bis zum Erreichen eines submaxima- ..      Abb. 7.29 Zeitdauer bis zum erschöpfungsbe-
len Belastungsempfindens (RPE-Skala 15) war dingten Abbruch einer Laufbelastung bei 90 % der
ebenfalls verlängert. Demgegenüber blieben die Geschwindigkeit an der aerob-anaeroben Schwelle
physiologischen Parameter (Herzfrequenz und (v4) mit und ohne Musikkonsum bei Ausdauerathleten
Blutlaktatkonzentration) durch die Musik unver- (A) und Spielsportlern (S)
ändert. Die Verbesserungen traten in beiden
Stichproben gleichermaßen auf (. Abb. 7.29). Für die Sportpraxis ergeben sich hieraus
Interessanterweise führte in einer anderen Studie interessante Optionen, aber auch Gefahren.
eine minimale Musikmanipulation (Taktfre- Offenbar gelingt es durch Musik zumindest bis
quenz) nicht zu einer entsprechenden Verände- zu einer submaximalen Intensitätswahrneh-
rung der Schrittfrequenz. Die Untersuchung mung, den damit verbundenen Diskomfort
wurde allerdings mit Sportstudierenden und durch Auslenkung auf den externen Fokus
nicht mit Tänzern durchgeführt. Musik zu verdrängen. Gleichzeitig werden kör-
392 F. Hanakam und A. Ferrauti

pereigene Ermüdungssignale (schwere Atmung)


Herzfrequenz
akustisch überlagert. Hierdurch können Trai-
ningsumfang, -intensität und -motivation (z. B.
bei der Wiederholungsmethode oder in den
Pausen eines Intervalltrainings) gesteigert wer- RPE

den. Allerdings sind die damit verbundenen


gesundheitlichen Gefahren (z. B. Ignoranz von Geschwindigkeit
Ermüdungssignalen, Gefahren im Straßenver-
kehr) unbedingt ernst zu nehmen. Wattleistung

zz M
 ethoden der Belastungsdosierung im
Vergleich
Die unterschiedlichen Methoden der Belas-
tungsdosierung gehen mit Vor- und Nachtei-
len einher. Aus der hohen Anzahl von
Anstieg Abfahrt in die Pedale
7 verschiedenen Ausdauersportarten und Trai- treten
ningsmethoden ergeben sich entsprechend
viele unterschiedliche Möglichkeiten der ..      Abb. 7.30 Herzfrequenz, subjektives Belastungs-
empfinden (RPE), Geschwindigkeit und Wattleistung
Trainingssteuerung. Je nach Geländeprofil
beim Radfahren während einer Ausfahrt mit Anstieg,
resultieren unterschiedliche Auslenkungen Abfahrt und in der Ebene (Friel 2013)
der jeweils gewählten Methode (Friel 201;
. Abb. 7.30). Die Entscheidung für die jewei- Namen Matwejew verbunden, der als Begrün-
lige Belastungsdosierung ist unter anderem der der Periodisierung bezeichnet wird
abhängig von: (7 Abschn. 2.3). Als Erster formulierte er die
55 der Erfahrung des Athleten und dem drei Phasen der Herausbildung, Stabilisierung
jeweiligen Leistungsstand und die Phase des zeitweiligen Verlustes (Mat-
55 der Umgebungstemperatur wejew 1972).
55 den topografischen Gegebenheiten
55 den finanziellen Mitteln
55 der Belastungsdauer (z. B. beim Intervall-
training)

7.5 Ausgewählte
Trainingsprogramme

Periodisierung bezeichnet „gedankliches


Vorausbestimmen des Trainings mit seinen
Zielen, Aufgaben, Inhalten und seiner Orga-
nisation“ (Schnabel et al. 2003). Die Ursprünge
der modernen Periodisierung beruhen auf Bezüglich der Planung von Training wird die
retrospektiver Analyse des Trainings erfolg- kurz-, mittel- und langfristige Periodisierung
reicher Athleten und sind stark mit dem unterschieden. Die häufigste Planungseinheit
Ausdauertraining
393 7
im Ausdauersport ist der Halbjahres- oder Jah- weise ein halbes Jahr vor dem Leistungshö-
resplan. Innerhalb eines Jahres werden in der hepunkt auch unspezifisch durch Radfahren,
Regel ein oder zwei Leistungshöhepunkte for- Skilanglauf oder Inline-Skating trainieren.
muliert. Während in den Sportspielen die Im weiteren Verlauf sollte die Anzahl der
Struktur des Jahresplanes stark von der Anset- Laufkilometer steigen und relativ nah vor
zung von Liga- und Pokalspielen geprägt dem Wettkampf sollte selbst der Lauf-Unter-
ist, bestimmen in den Individualsportarten grund und das Streckenprofil häufig im Trai-
vielfach die Jahreszeiten den Wettkampfplan. ning simuliert werden (z. B. flache
Beispielhaft können die klimatisch guten asphaltierte Strecke). Ähnliches gilt für die
Bedingungen bei einem Frühjahrs- oder Entwicklung der Wettkampfgeschwindig-
Herbstmarathon, die Abhängigkeit vom Schnee keit.
im Skilanglauf und die optimalen Temperatu- Unter Experten wird dabei stets auch die
ren für Triathlon-­ Wettkämpfe im Sommer Gesamtverteilung der Intensitäten während
genannt werden. der Vorbereitung diskutiert. Zahlreiche Ath-
leten folgen dem Prinzip des Polarized Trai-
Praxistipp ning, wonach der weit überwiegende Anteil
an Trainingsvolumen im Grundlagenbe-
Die Planung eines Wettkampfjahres reich (ca. 80 %) mit intensiven Anteilen (ca.
erfolgt in aller Regel in umgekehrter 20 %) kombiniert wird, während der mittlere
Reihenfolge. Das bedeutet, dass vom Intensitätsbereich (Threshold Model) nicht
Leistungshöhepunkt ausgehend berücksichtigt wird (Seiler und Kjerland
(z. B. Frühjahrsmarathon) das Jahr 2006).
rückwärts geplant wird. In Spielsportarten fällt die Saisonvorberei-
tung üblicherweise recht kurz aus, und es
müssen stets konditionelle als auch tech-
Die einzelnen Phasen eines Wettkampfjahres nisch-taktische Elemente zeitgleich trainiert
bauen systematisch aufeinander auf und wer- werden. Häufig fehlt die Zeit für ein klassi-
den häufig wie folgt bezeichnet: sches ­Grundlagentraining, sodass schon früh-
55 allgemeine Vorbereitungsphase zeitig Intervallmethoden (mit und ohne Ball)
55 spezielle Vorbereitungsphase verwendet werden. Die Intensität der Inter-
55 unmittelbare Wettkampfvorbereitungs- valleinheiten wird dabei üblicherweise pro-
phase gressiv gesteigert und die Intervalldauer
55 Wettkampfphase und kontinuierlich verkürzt (z. B. von 3–4-min-In-
55 Übergangsphase tervallen bis hin zu 45–30-sekündigen) Belas-
tungen mit Richtungswechsel kombiniert mit
Jeder Phase werden spezielle Ziele, Metho- zusätzlichen Ausdauertrainingsreizen durch
den und Inhalte zugeordnet. Allgemeiner Kleinfeldspiele.
Konsens besteht in der zunehmenden Spezi- Exemplarisch werden nachfolgend Trai-
alisierung des Trainings mit Annäherung an ningspläne für leistungsorientierte Sportler aus
den Hauptwettkampf. Ein Marathonläufer dem Bereich Langstreckenlauf und Triathlon
kann sein Herz-Kreislauf-System beispiels- vorgestellt (. Tab. 7.10, 7.11, 7.12 und 7.13).
7
394

..      Tab. 7.10 Marathon: Jahresübersicht eines leistungsorientierten Marathonläufers mit zwei Leistungshöhepunkten im Jahr (Frühjahrs- und Herbstmarathon)

Monat November Dezember Januar Februar März April Mai


KW 45 46 47 48 49 50 51 52 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Wettkämpfe Crosslauf Crosslauf 5 km und 10 km 10 km und HM Halbmarathon Marathon
F. Hanakam und A. Ferrauti

Unmittelbare
Phase Regeneration Erholung Allgemeine Vorbereitungsphase Spezielle Vorbereitungsphase Wettkampfvorberei- Wettkampfphase Übergang
tungsphase (UWV)
Regeneration Allgemeine Athletik (Koordination, Regeneration
und Beweglichkeit, Technik, Kraft), Spezifische und
Allgemeine Athletik und spezifische Wettkampfspezifische
Inhalte/ kompen- unspezifisches Ausdauertraining Ausdauer im kompensa-
Ausdauer im Laufen (GA1, GA1-2, GA2) Ausdauer (WSA, GA1)
Schwerpunkte satorisches (Skilanglauf, Rad/MTB, Schwimmen, Laufen (GA1-2, GA 2) torisches
Training Aquajogging), Ausdauer im Laufen Training
(GA1, KA1) (REKOM)
(REKOM)
Erhöhung Erhöhung der allgemeinen Leistungsgrundlagen Erhöhung der speziellen Ausprägung der Wettkampfleistung Erholung
Ziele Leistungsvorraussetzungen

Monat Juni Juli August September Oktober November


KW 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
Wettkämpfe 5 km 10 km 10 km und HM Marathon Regeneration
Unmittelbare
Phase Allgemeine Vorbereitungsphase Spezielle Vorbereitungsphase Wettkampfphase Übergang
Wettkampfvorbereitung
Allgemeine Athletik und
unspezifisches Allgemeine Athletik und spezifische
Inhalte/ Ausdauertraining (Inline- spezifische Ausdauer im Ausdauer im Wettkampfspezifische
Laufen Laufen (GA1-2, Ausdauer (WSA, GA1) REKOM
Schwerpu Skating, Rad/MTB,
nkte Schwimmen, Aquajogging), (GA1, GA1-2, GA 2) GA2)
Ausdauer im Laufen (GA1,
Erhöhung der allgemeinen Erhöhung der speziellen
Ziele Ausprägung der Wettkampfleistung Erholung
Leistungsgrundlagen Leistungsvorraussetzungen
Ausdauertraining
395 7

..      Tab. 7.11 Marathon: Wochenübersicht eines leistungsorientierten Marathonläufers. Dargestellt ist je


eine Woche aus der allgemeinen Vorbereitungsphase (oben), der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung
(Mitte) sowie der Wettkampfwoche

Allgemeine Vorbereitungsphase

Trainingseinheit 1 Trainingseinheit 2

Montag Regenerationslauf oder Aquajoggen (ReKom)


60 min

Dienstag Einlaufen 15 min, 15 min Lauf ABC, 90 min Radfahren oder 60 min
3 Steigerungen über 150 m, Aquajogging (ReKom)
4 5 × 2000 m in Halbmarathonrenntempo, 10 min
Auslaufen

Mittwoch extensiver Dauerlauf (GA 1) 80 min

Donnerstag extensiver Dauerlauf für 1:45 h: 90 min Radfahren oder 60 min


60 min (GA 1) und 45 min (GA 2 untere Grenze) Aquajogging (ReKom)

Freitag extensiver Dauerlauf Regenerationslauf oder


(GA 1) 80 min, 5 × 150 m Berganläufe (KA 2) Aquajoggen (ReKom) 60 min

Samstag 16 km Crescendolauf
(4 km GA 1, 4 km GA 1–2, 4 km GA 2, 4 km GA 1)

Sonntag langer Dauerlauf 30 km (GA 1)

Unmittelbare Wettkampfvorbereitungsphase

Trainingseinheit 1 Trainingseinheit 2

Montag Regenerationslauf oder Aquajoggen (ReKom)


60 min

Dienstag Einlaufen 15 min, Regenerationslauf oder


15 min Lauf ABC, Aquajoggen (ReKom) 45 min
3 Steigerungen über 150 m,
6–8 × 1200 m in 10-km-Renntempo,
10 min Auslaufen

Mittwoch extensiver Dauerlauf (GA 1) 80 min

Donnerstag extensiver Dauerlauf für 1:45 h:


60 min (GA 1) und 45 min (GA 2 untere Grenze)

Freitag Regeneration (Massage) Regenerationslauf oder


Aquajoggen (ReKom) 60 min

Samstag Einlaufen 15 min,


15 min Lauf ABC,
3 Steigerungen über 150 m,
3 × 5 km in Marathonrenntempo (GA 2),
10 min Auslaufen

Sonntag extensiver Dauerlauf 80 min (GA 1)


(Fortsetzung)
396 F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Tab. 7.11 (Fortsetzung)

Wettkampfwoche Marathon

Trainingseinheit 1 Trainingseinheit 2

Montag Regeneration (Massage) Regenerationslauf oder


Aquajoggen (ReKom) 45 min

Dienstag extensiver Dauerlauf


(GA 1) 45 min

Mittwoch Einlaufen 15 min, Regenerationslauf oder


15 min Lauf ABC, Aquajoggen (ReKom) 45 min
3 Steigerungen über 150 m,
5 km Tempodauerlauf in Marathonrenntempo (GA
1–2/GA 2),
10 min Auslaufen

7 Donnerstag Regenerationstag (Massage)

Freitag extensiver Dauerlauf (GA 1) 40 min

Samstag Einlaufen 15 min,


10 min Lauf ABC,
3 × 150 m in Marathonrenntempo,
5 min Auslaufen

Sonntag Marathonwettkampf
Ausdauertraining

..      Tab. 7.12 Triathlon: Jahresübersicht eines leistungsorientierten Triathleten mit einer durchschnittlichen Jahres-Trainingsdauer von ca. 15 h/Woche mit dem
Saisonziel Triathlon-Langdistanz (HM = Halbmarathon, KA = Kraftausdauer, KD = Kurzdistanz, LD = Langdistanz, SD = Sprintdistanz, TL = Trainingslager)

Monat November Dezember Januar Februar März April Mai Juni


KW 45 46 47 48 49 50 51 52 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
Wettkämpfe 10 km 15 km 10 km 15 km HM TL TL KD MD SD LD
Phase Allgemeine Vorbereitungsphase Spezielle Vorbereitungsphase Unmittelbare Wettkampfvorbereitungsphase Wettkampfphase
Ziele Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit verbessern Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit verbessern Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit verbessern Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit stabilisieren
Belastungsverträglichkeit erhöhen Belastungsverträglichkeit erhöhen Entwicklung der höchsten maximalen Entwicklung der Top-Form
disziplinspezifische Koordination verbessern disziplinspezifische Koordination verbessern Sauerstoffaufnahme (VO2 max) hohe Energieflussrate bei geringer
allgemeine Kraftleistungen verbessern spezifische Kraftleistung verbessern Realisation höchster Trainingsumfänge im Blutlaktatkonzentration
Beweglichkeit erhalten/verbessern (bei Bedarf) Beweglichkeit erhalten/verbessern (bei Bedarf) Jahresverlauf (Trainingslager) Wettkampfroutinen entwickeln
hohe Radumfänge in der Aeroposition realisieren

Inhalte viel unspezifisches Ausdauertraining vermehrt disziplinspezifisches Ausdauertraining mit hohe Umfänge GA 1 und geringe bis mittlere viel sportartspezifisches Ausdauertraining
(MTB, Ruderergometer, Aquajogging, Skilanglauf) zunehmenden Anteilen Radtraining Umfänge (Koppeltraining)
spezifisches Ausdauertraining mit dem Schwerpunkt unspezifisches Ausdauertraining beibehalten (MTB, WSA, sehr geringe Umfänge GA 1/2 und GA 2 Freiwasserschwimmen
Schwimmen & Laufen Ruderergometer, Aquajogging, Skilanglauf) (bipolares Training) hohe Umfänge GA 1 und mittlere Umfänge GA 1/2
Zirkeltraining Kraft (KA) Koordinationstraining in allen drei Spezialdisziplinen geringe Anteile unspezifisches Ausdauertraining und GA 2
Muskelaufbautraining Koordinationstraining überwiegend im Schwimmen Wettkämpfe bestreiten
zunehmend Koppeltraining Rad-> Lauf Krafttraining reduzieren/streichen
Maximalkrafttraining
7 397
398 F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Tab. 7.13 Triathlon: Wochenübersicht eines leistungsorientierten Triathleten mit einer durchschnitt-
lichen Jahres-Trainingsdauer von ca. 15 h/Woche mit dem Saisonziel Triathlon-Langdistanz

KW 47– Allgemeine Vorbereitungsphase

Trainingseinheit 1 Trainingseinheit 2

Montag 15′ Erwärmung auf dem Ruder-Ergometer


5′ Gelenksmobilisation
4 Sätze Kraftausdauer als Zirkeltraining mit je 2
Übungen für die Arme, Beine und den Rumpf

Dienstag 400 m Einschwimmen 90′ MTB (GA 1/KA)


10 × 100 m (25 m Technik, 75 m Kraul GA 1)
4 × 400 m GA 1 mit wechselnden Lagen
8× 100 m (25 m Aquajogging, 75 m Kraul GA 1)
200 m Ausschwimmen

7 Mittwoch Nüchternlauf 14 km GA 1
6× 50 m Steigerungslauf mit 2′ Trabpause

Donnerstag Spinning-Kurs 1

Freitag 400 m Einschwimmen


8× 25 m Technik
8× 50 m Technik
4× 25 m gesteigertes Tempo
8× 50 m Schnelligkeitsausdauer (SA)
200 m locker mit beliebigen Lagen
8× 100 m GA 1
200 m Ausschwimmen

Samstag 200 m Einschwimmen 19 km Dauerlauf GA 1


4× 800 m GA 1 mit wechselnden Lagen
6 × 50 m (15 m maximaler Sprint, 35 m ReKom)
400 m Ausschwimmen

Sonntag 2 h Skating als extensives Fahrtspiel

KW 14 – Unmittelbare Wettkampfvorbereitungsphase

Trainingseinheit 1 Trainingseinheit 2

Montag 15′ Einlaufen


5′ Gelenksmobilisation
4 Sätze Maximalkrafttraining mit je 2 Übungen
für die Arme, Beine und den Rumpf
Ausdauertraining
399 7

..      Tab. 7.13 (Fortsetzung)

Dienstag 400 m Einschwimmen 15′ Einlaufen


10× 100 m (25 m Technik, 75 m Kraul GA 1) 10′ Lauf ABC
8× 100 m intensive Intervalle 6× 1 km intensive Intervalle
5 × 400 m GA 1 10′ Auslaufen
200 m Ausschwimmen

Mittwoch Nüchternlauf 18 km GA 1

Donnerstag 90′ Rad, intensive Intervalle

Freitag 200 m Einschwimmen 4 h Rad, Fettstoffwechseltraining


3× 10 × 100 m GA 1
200 m Rücken locker
6× 50 m (15 m Sprint, 35 m ReKom)
600 m Ausschwimmen

Samstag 400 m Einschwimmen 30 km Fettstoffwechsellauf


8× 50 m Technik
5 × 200 m GA 2
2× 800 m GA 1

Sonntag Koppeltraining GA 1: 3 h Rad + 12 km Lauf

KW 24 – Wettkampfphase

Trainingseinheit 1 Trainingseinheit 2

Montag Ruhetag

Dienstag 400 m Einschwimmen 2 km Einlaufen


10 × 100 m (25 m Technik, 75 m Kraul GA 1) 3 × 4 km GA 1/2
6 × 200 m GA 1/2 2 km Auslaufen
4 × 400 m GA 1
200 m Ausschwimmen

Mittwoch 1:30 h Rad ReKom

Donnerstag 4 x 20′ Rad im Langdistanz-Tempo

Freitag 400 m Einschwimmen


8 × 50 m Technik
5 × 200 m GA 2
2 × 800 m GA 1

Samstag Freiwasserschwimmen 24 km Lauf in der Wettkampfge-


45′ Dauermethode als extensives Fahrtspiel schwindigkeit der Langdistanz
2 × ca. 200 m Startsimulation (schnelles
Anschwimmen und dann das WK-Tempo der
Langdistanz)

Sonntag Koppeltraining GA 1: 4 h Rad + 10 km Lauf


400 F. Hanakam und A. Ferrauti

7.6 Aufgaben zur Nachbereitung 4. Zeichnen Sie den typischen Ermüdungs-


des Kapitels verlauf der verschiedenen Ausdauertrai-
ningsmethoden in ein einfaches
x/y-Diagramm.
5. Erläutern Sie differenziert die Ursachen für
den Erfolg von Langstreckenläufern aus
dem ostafrikanischen Hochland.
6. Richtig oder falsch?
55 Musik eignet sich gut zur Steuerung des
Trainings, weil die subjektiv empfun-
dene Belastung geringer ist und
Dauerbelastungen mit Musik länger
toleriert werden.
55 Die von Karvonen entwickelte Formel
zur Bestimmung der Trainingsherzfre-
7 quenz berücksichtigt die Ruheherzfre-
quenz, die Maximalfrequenz und die
Herzfrequenzvariabilität.
55 Eine stetige Reduktion der Laufge-
schwindigkeit beim Training mit
konstanter Herzfrequenz kann durch
das Phänomen „Cardiac Drift“
beschrieben werden.
55 Die RPE-Skala wurde an der Blutlaktat-
konzentration validiert und gilt als
praktikables Verfahren der Trainings-
steuerung in vielfältigen Ausdauer-
sportarten.
1. Absolvieren Sie einen 45-min-Lauf auf der 7. Welche Aussagen zum Fahrtspiel
Laufbahn oder im Gelände und steuern Sie treffen zu?
Ihr Lauftempo so, dass Sie die Beanspru- 55 Das Trainingsprinzip besteht in einer
chung auf der RPE-Skala (. Tab. 7.9) für spielerischen Ausdauerbelastung, wobei
jeweils 15 min als 9 („sehr leicht“), 13 der Läufer mit den meisten Punkten
(„etwas anstrengend“) oder 17 („sehr ermittelt wird.
anstrengend“) empfinden. 55 Das Trainingsziel besteht unter
2. Kontrollieren Sie nach jedem Abschnitt anderem in einer verbesserten Anpas-
Ihre Herzfrequenz und berechnen Sie die sungsfähigkeit des Metabolismus auf
prozentuale Ausschöpfung ihrer maximalen wechselnde Intensitäten.
Herzfrequenz und der Herzfrequenzreserve, 55 Die Leistungsfähigkeit bei einer
nachdem Sie vorher Ruhe- und Maximal- Intervall-Sprintbelastung kann durch
frequenz bestimmt bzw. berechnet haben. ein Fahrtspiel besser als durch die
3. Reflektieren Sie die relevanten Stoffwech- extensive Dauermethode gesteigert
selwege in den drei Abschnitten gemäß werden.
. Abb. 7.5 und schätzen Sie das metaboli- 55 Die Trainingsanpassungen bestehen in
sche Äquivalent und den kalorischen der Verbesserung der glykolytischen
Umsatz sowie die anteilige Verstoffwech- Flussrate sowie der intra- und inter-
slung von Kohlenhydraten und Fetten in muskulären Koordination.
den jeweiligen Abschnitten.
Ausdauertraining
401 7
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405 8

Techniktraining
Arno Krombholz

8.1  edeutung und Erscheinungsformen von Technik und


B
Koordination – 406

8.2 Bewegungsanalyse und Technikleitbilder – 409


8.2.1 E rmittlung und Ableitung von Technikleitbildern und
Sollwerten – 411
8.2.2 Funktionale Analysen sportlicher Technik – 415
8.2.3 Morphologische und biomechanische Analysen sportlicher
Technik – 416

8.3  iologische Grundlagen und Modelle des


B
Techniktrainings – 419
8.3.1  iologische Grundlagen der Motorik und des motorischen
B
Lernens – 419
8.3.2 Informationsverarbeitende Ansätze – 421
8.3.3 Systemdynamische Ansätze – 423
8.3.4 Ansätze der Effektkontrolle – 426

8.4 Ziele und Methoden des Techniktrainings – 427


8.4.1  oordinationstraining – 433
K
8.4.2 Bewegungskorrektur – 441
8.4.3 Videofeedback – 445

8.5 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 451

Literatur – 451

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_8. Die
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bildungen mit der App scannen.

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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_8
406 A. Krombholz

Der Mensch lernt immer und überall. Er kann nicht stätten, Wetter) sowie den Besonderheiten der
nicht lernen, auch wenn kein Lehrer oder Trainer in Sportart, ggf. des Sportgerätes und den Voraus-
seiner Nähe ist! Lehrer und Trainer sind Wegbeglei- setzungen des Sportlers beeinflusst (. Abb. 8.1).
ter, die dem Lernenden helfen, Umwege und Sack- Schließlich wird gesondert auf spezifische Vor-
gassen zu vermeiden. gehensweisen (z. B. Bewegungskorrektur, Vi-
deofeedback) eingegangen, die in der Trainings-
Zusammenfassung praxis häufig zur Anwendung kommen.
Techniktraining findet in einem Kontinuum zwi-
schen der Ausrichtung an einer spezifischen
Wettkampftechnik und dem Training allgemei- 8.1 Bedeutung und
ner koordinativer Fähigkeiten statt. Vor dem Erscheinungsformen von
Hintergrund informationsverarbeitender An- Technik und Koordination
sätze der motorischen Steuerung und Kontrolle
sind Technikleitbilder und deren Herleitung eine Die Frage, wie der Mensch Bewegungen effizi-
essentielle Grundlage für das Techniktraining. ent lernt und trainiert, stellt bis heute die viel-
Aus der Außenperspektive sind biomechani- leicht größte Herausforderung für die (Sport-)
sche, morphologische und funktionale Heran- Wissenschaft sowie die Trainingspraxis im
gehensweisen leitend für die Technikanalysen.
8 Zur Erfassung der inneren Prozesse und Disposi-
Sport dar (. Abb. 8.1). Das Lernen und Trai-
nieren von sportlichen Techniken ist nicht
tionen bei der motorischen Steuerung und Kon- nur eine wesentliche Leistungskomponente in
trolle sowie dem Lernen und Trainieren sportli- wettkampforientierten Settings, sondern findet
cher Bewegungen gibt es unterschiedliche auch im Kontext von freizeit- oder gesundheits-
Modelle und Erklärungsansätze, die exempla- sportlichen Aktivitäten ohne Wettkampforien-
risch aufgegriffen werden. Die methodischen tierung statt (z. B. Sport mit behinderten und/
Vorgehensweisen des Techniktrainings richten oder chronisch kranken Menschen, . Abb. 8.2).
sich an der effizienten Realisierung sportlicher Gleichfalls kann auch eine ökonomische und
Techniken im Wettkampf, im Alltag und in der verletzungsfreie Bewältigung von Alltagssitua-
Freizeit aus (z. B. Leistungssport, Rehabilitations- tionen leitend für ein (sportliches) Techniktrai-
sport, Behindertensport). Sie werden maßgeb- ning sein (z. B. im Reha- oder Seniorensport).
lich von den Rahmenbedingungen (z. B. Sport-

..      Abb. 8.1 Florian


Preuss bei einem
Flatspin 360 (Foto:
The Audi Nines 2018)
Techniktraining
407 8

..      Abb. 8.2 Techniktraining findet in unterschied- Techniken/Sportarten erlenen und/oder perfektionie-


lichen Settings in verschiedenen Lebensspannen statt. ren (Fotos: Andrea Bowinkelmann, © LSB NRW)
Auch im höheren Lebensalter kann man noch neue

Daher ist ein sehr weiter Blickwinkel auf In den Publikationen der Sportwissenschaft
das Techniktraining angemessen, der ver- findet man eine große Bandbreite von Be-
schiedene Zielsetzungen und Methoden in den griffsbestimmungen und Systematisierungs-
unterschiedlichen Anwendungsbereichen be- versuchen in Zusammenhang mit Techniktrai-
rücksichtigt. In einem ersten Schritt sollen die ning, welche unter anderem durch eine mehr
bestimmenden Begriffe im Kontext von Tech- oder weniger ausgeprägte Verankerung in den
niktraining als Grundlage für die Darstellungen sportwissenschaftlichen Teildisziplinen (Be-
in den nachfolgenden Kapiteln erläutert und de- wegungswissenschaft, Trainingswissenschaft,
finiert werden. Sportmedizin, Sportpsychologie, Sportpäda-
gogik, Sportdidaktik) begründet ist und zwei
Begriffsabgrenzung: sportliche Tech-
niken und sportliche Bewegungen unterschiedliche Betrachtungsweisen erken-
nen lässt (. Abb. 8.4):
Die Begriffe sportliche Techniken und sport-
55 Die Innenperspektive fokussiert auf die in-
liche Bewegungen bzw. Bewegungshand-
ternen (physiologischen) Prozesse sowie
lungen und Aktionen werden in diesem Ka-
deren Funktionalität in Ausrichtung auf
pitel kontextbezogen synonym gebraucht.
die situativ angepasste Lösung einer Bewe-
In Anlehnung an Neumaier und Krug (2003)
gungsaufgabe.
wird in den folgenden Abschnitten somit
55 Die Außenperspektive betrachtet die sicht-
auch keine Abgrenzung von Bewegungs-
baren Aspekte der Bewegung in Ausrich-
lernen und Techniktraining vorgenommen,
tung auf die situativ angepasste Lösung ei-
da Techniktraining immer das Lernen von
ner Bewegungsaufgabe, die sich in Form
Bewegungen beinhaltet und damit auch
von qualitativen und quantitativen Bewe-
alle Aspekte der Bewegungskoordination
gungsmerkmalen erfassen lassen.
subsumiert. Das Gleiche gilt für die kontext-
bezogene Benennung der anleitenden Per-
Sportliche Techniken können sich simultan
sonen (Trainer oder Lehrer) sowie die Adres-
und sukzessiv aus mehr oder weniger vielen
saten (Trainierende bzw. Lernende).
Teilkomponenten zusammensetzen (Kromb-
holz 2009). Die Spezifik einer Technik ergibt
sich durch das Handlungsziel, welches durch
408 A. Krombholz

die individuellen Voraussetzungen der Person, Koordinative Fähigkeiten


die Rahmenbedingungen (z. B. Bodenbelag, Koordinative Fähigkeiten sind relativ verfes-
Wetter, Gegner) und ggf. das Sportgerät be- tigte generalisierte Verlaufsqualitäten von
stimmt wird. Bewegungen, die auf internen Informations-
verarbeitungs-, Steuer- und Regelprozessen
Sportliche Techniken und Technikele-
mente basieren. Sie sind die Voraussetzung für die
optimale Ausführung ganzer Gruppen
Sportliche Techniken verfolgen das Ziel
sportlicher Techniken und differenzieren
der optimalen Lösung einer (sportlichen)
sich in Ausrichtung auf die Rahmenbedin-
Bewegungsaufgabe in einem spezifischen
gungen der Sportarten sowie das Leistungs-
Kontext (Rahmenbedingungen, Sportge-
niveau (Meinel und Schnabel 2007).
rät). Sie beinhalten die spezifische simul-
tane oder sukzessive Kombination von
Teilkomponenten, die als Technikele-
mente beschreibbar sind und durch in-
terne Dispositionen und Prozesse be-
stimmt werden.

8
Die im deutschsprachigen Raum üblichen
Differenzierungen zwischen sportmotori-
schen Fertigkeiten und (koordinativen) Fä-
higkeiten sind in der Trainingspraxis kaum
zielführend abgrenzbar und in einem Konti-
nuum zwischen der Allgemeinheit bzw. Über-
tragbarkeit koordinativer Fähigkeiten und
der Spezifität von Zieltechniken zu verorten
..      Abb. 8.3 Ballmitnahme/Dynamic Power Position
(7 Abschn. 8.4). Somit stehen sportmotori- im Fußballtraining: Training der (koordinativen)
sche Fertigkeiten auch in einem unmittelba- Fähigkeiten mittels der sogenannten Agility-Leiter
ren, kaum abgrenzbaren Zusammenhang zu mit dem Ziel einer Verbesserung der (sportlichen)
den sportlichen Techniken (. Abb. 8.3). Da- Technik der Ballannahme aus der Bewegung. Die
her wird in den folgenden Darstellungen le- Übergänge zwischen koordinativen Fähigkeiten,
Fertigkeiten oder Technik sind fließend. Insbesondere
diglich zwischen sportlichen Techniken und die Unterscheidung zwischen Fertigkeit und
koordinativen Fähigkeiten unterschieden. (sportlicher) Technik ist kaum trennscharf zu
In der englischsprachigen Literatur sind der definieren
Gebrauch und die Abgrenzung der Begriffe
ähnlich unscharf (sportliche Fertigkeiten = Aus informationstheoretischer Sicht ist für
Motor Skills; sportliche Fähigkeiten = Motor das Verständnis der internen Dispositionen
Abilities). Den Begriff Sports Technique fin- und Prozesse das Konstrukt einer Bewegungs-
det man eher im biomechanischen Kontext. vorstellung als Grundlage für die Betrachtung
Techniktraining
409 8
der Steuerung und Kontrolle sportlicher Tech- informationsverarbeitenden Ansätzen der
niken zielführend, um die internen Aspekte Steuerung und Kontrolle von Bewegungen
beim Techniktraining als zentrale Instanz ab- schlussfolgern (7 Abschn. 8.3): Ist die Bewe-
zubilden (7 Abschn. 8.3). gungsvorstellung einer handelnden Person
komplett und funktional angemessen in Bezug
Bewegungsvorstellung (Synonym:
interne Repräsentation der Bewe- auf die Bewegungsaufgabe bei den herrschen-
gung) den Umgebungsbedingungen, dann kann
In der Bewegungsvorstellung des Sport- man die Bewegung ausführen, sofern es keine
lers sind alle ihm zugänglichen impliziten internen oder externen Hindernisgründe gibt
(unbewussten) und expliziten (bewuss- (z. B. unzureichende physische Voraussetzun-
ten) Informationen über den Bewegungs- gen, fehlende Motivation, Krankheit, defektes
ablauf bzw. die sportliche Technik zusam- oder ungeeignetes Material).
mengefasst. Eingeschlossen sind auch die
eigenen Bewegungserfahrungen mit un-
terschiedlichen sensorischen Anteilen 8.2 Bewegungsanalyse und
(z. B. optisch, akustisch, kinästhetisch), Technikleitbilder
aber auch rein kognitive Aspekte (Grosser
und Neumaier 1982; Krombholz 2009). Einen Überblick der bewegungswissen-
schaftlichen Betrachtungsweisen sportlicher
Technik verschafft . Abb. 8.4. In einem Kon-
tinuum zwischen Außenaspekten und In-
Eine Bewegungsvorstellung hat einen sehr
nenaspekten sportlicher Bewegungen sind
komplexen Charakter: In ihr sind alle Aspekte
auf der linken Seite die morphologischen,
einer Bewegungshandlung mit den kinästhe-
biomechanischen und funktionalen Ana-
tischen, taktilen, vestibulären, visuellen und
lysen zu verorten, welche in diesem Kapitel
auditiven Anteilen sowie der sprachlichen
im Zusammenhang mit der Ableitung von
Kodierung derart miteinander verknüpft,
Technikleitbildern erläutert werden. Auf
dass die zeitlichen und dynamischen Relatio-
der rechten Seite der Abbildung finden sich
nen der Bewegung als Gesamtbild repräsen-
die Erklärungsansätze der Motorik, welche
tiert sind. Die Modalitäten können, vor allem
sich auf die internen Dispositionen und
in Bezug auf die visuellen Aspekte, außen-
Prozesse der Steuerung, Kontrolle und Ver-
orientiert sein (Außensicht) oder aus der In-
änderung sportlicher Techniken beziehen.
nensicht heraus erfolgen (Meinel und Schna-
In 7 Abschn. 8.3 werden exemplarisch die
bel 2007). Meist entsteht beim Erwerb der
systemdynamischen, informationsverarbei-
Grundstruktur einer Technik zunächst eine
tenden und effektorientierten Erklärungsan-
Vorstellung aus der Außensicht ohne wesent-
sätze der Motorik dargestellt.
liche Bewegungsempfindungen (z. B. beim
Betrachten von Sollwerten). Im weiteren Trai-
Morphologie
ningsprozess bildet sich die Innensicht auf-
grund der Wahrnehmung und Verarbeitung Lehre von der äußeren Form bzw. Gestalt
bewegungsbegleitender sensorischer Infor- von Dingen und Erscheinungen. In der
mationen heraus, welche auch als Bewegungs- sportlichen Praxis übliche Betrachtungs-
gefühl bezeichnet wird. weise des äußeren Bewegungsablaufs
Demnach kann man für das Trainieren (Meinel und Schnabel 2007).
sportlicher Techniken in Ausrichtung an den
410 A. Krombholz

..      Abb. 8.4 Bewegungswissen-


schaftliche Betrachtungsweisen Dispositionen
Bewegungsmerkmale
sportlicher Techniken (nach Roth & Prozesse
und Willimczik 1999; Krombholz
2009; Hossner et al. 2013) funktionale informationsver-
Analysen arbeitende Ansätze

Außenperspektive

Innenperspektive
biomechanische Sportliche Ansätze der
Analysen Effektkontrolle
Techniken

morphologische systemdynamische
Analysen Ansätze

Steuerung, Anpassung und Veränderung sportlicher Techniken

..      Abb. 8.5 Unterschiedliche Körperpositionen in derselben Phase der Technik Kurzschwung beim alpinen
Skilauf

Die optimale Realisierung einer sportlichen Zieltechnik


Technik bildet sich in der Zieltechnik ab, Die Zieltechnik ist die situative Anpassung
welche im Extremfall für jeden Sportler in- der sportlichen Technik an die individuel-
dividuell und situativ bestimmt werden muss len Voraussetzungen des Sportlers. Sie lässt
(Neumaier 1997) und von nachstehenden Fak- qualitative und quantitative Veränderun-
toren abhängig ist: gen eines allgemeinen Technikleitbildes
55 Voraussetzungen des Sportlers (anthropo- bzw. Sollwerts nicht nur zu, sondern kann
metrische, physische, psychische) diese ausdrücklich erforderlich machen
55 Rahmenbedingungen (Martin et al. 1991; Neumaier 1997;
55 ggf. Sportgerät Neumaier und Krug 2003; Krombholz
55 (sport-)medizinische, gesundheitliche As- 2009).
pekte
55 Ausrichtung der Technik am Bewegungsziel
55 koordinative und sportartspezifische An-
forderungen Zieltechniken weisen somit immer eine gewisse
55 konditionelle Anforderungen inter- und intraindividuelle Bandbreite auf
55 psychische Anforderungen (. Abb. 8.5). Loosch (2002) spricht in diesem
Techniktraining
411 8
Zusammenhang von der Dialektik zwischen Trainingspraxis. Abweichungen bzw. Streuun-
Variabilität und Stabilität. So kann sich Sta- gen der Bewegung besitzen möglicherweise
bilität bei Bewegungen ungünstig auswirken, auch eine Art Erkenntnisfunktion in der Ori-
wenn Variabilität zum Beispiel in Anpassung entierung des Sportlers innerhalb der Aus-
der Technik auf wechselnde Umgebungsbedin- führungsbedingungen einer Bewegung und
gungen (z. B. Wind, Wellen, gegnerische Spie- sind somit grundlegend für die Entwicklung
ler) angebracht wäre. Genauso müssen jedoch von stabilen Resultaten. Daher stellt beim
bestimmte Aktionen und Funktionen auch Techniktraining die Abgrenzung von Fehlern
bei variablen Umgebungsbedingungen stabil zu notwendigen bzw. tolerablen Variationen
sein, um ein optimales Resultat der Bewegung von Merkmalsausprägungen eine wesentli-
zu erzielen. Loosch (2002) formuliert einen che Herausforderung bei der Beurteilung der
Klassifikationsansatz von Variabilität, der die Istwerte sportlicher Techniken in der Aus-
nachstehenden unterschiedlichen Funktionen richtung an Sollwerten dar (Schöllhorn et al.
von Variabilität voneinander abzugrenzen ver- 2015).
sucht:
55 Variabilität als Fehler
55 Variabilität als Anpassung 8.2.1  rmittlung und Ableitung
E
55 Variabilität als Kompensation von Technikleitbildern und
55 Variabilität als Prinzip der Bewegungs- Sollwerten
steuerung
55 Variabilität als Prinzip des Erwerbs und Ein Technikleitbild bzw. ein Sollwert fokus-
der Optimierung sportlicher Techniken siert vornehmlich auf die Aspekte der Au-
ßensicht und kann in Form von Bildreihen
Variabilität ist somit offenbar ein spezifischer (. Abb. 8.6), Videosequenzen oder auch live,
Ausdruck der Flexibilität, Individualität und z. B. durch den Trainer, erfolgen und ggf.
Anpassungsfähigkeit des Menschen und da- mit unterschiedlichen Zusatzinformationen
mit von großem Interesse für die Sport- und versehen werden (z. B. grafische Verdeut-

..      Abb. 8.6 Technik-


darstellung als
Serienbild-­Montage
(Foto: DSV 2012, S. 29)
412 A. Krombholz

lichung von Gelenkwinkeln). Technikleit- Technikleitbild (Synonyme: sporttech-


nisches Leitbild, Technikmodell)
bilder haben sich im Kontext des Technik-
trainings etabliert, um eine Orientierung Ein Technikleitbild beschreibt die Vorstel-
für eine Idealtechnik zu schaffen, die zum lung über das nach momentanem
Beispiel als Sollwert in Lehrwerken abgebil- Wissensstand optimale Lösungsverfahren
det wird (Neumaier und Krug 2003). Jedoch einer sportlichen Bewegungsaufgabe als
ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand die personenunabhängige Vorgabe für das
detaillierte Darstellung einer universellen Techniktraining. Das Technikleitbild
Idealtechnik, welche sich in einem Technik- beschreibt somit die relativ beste, nicht
leitbild widerspiegelt, kaum definierbar, son- aber die absolut beste Ausführungsform
dern bestenfalls für ein abstraktes Universal- eines sportartspezifischen Bewegungsab-
individuum bei weitgehend standardisierten laufs für ein abstraktes Universalindivi-
Bedingungen näherungsweise bestimmbar duum bei weitgehend standardisierten
(Krombholz 2009). Bedingungen (Nitsch und Neumaier 1997).

Sollwerte lassen sich in einem Kontinuum


8 zwischen einem allgemeinen Technikleitbild
und einer spezifischen Zieltechnik verorten
(. Abb. 8.7). Eine Sollwertdarstellung richtet

Technikleitbild Zieltechnik

Sollwert
Rahmentrainingsplan
Nachwuchsförderung

Sollwert
Lehrplan Sport
Schule

..      Abb. 8.7 Verortung von Sollwerten in einem (Fotos: Andrea Bowinkelmann, © Landessportbund
Kontinuum zwischen einem personenunabhängigen Nordrhein-Westfalen)
Technikleitbild und der individuellen Zieltechnik
Techniktraining
413 8
Regelwerk (z. B. Hochsprung: einbeiniger Absprung,
Langlauf klassische Technik: Schlittschuh-
Systematische Beobachtung und Analyse sportlicher schritte sind verboten, Basketball: Schrittre-
Techniken von Spitzensportlern und Freizeitsportlern
gel).
Praktisch-methodische Erfahrungen und/oder Bei einer Ableitung von Technikleitbildern
Plausibilitätsbetrachtungen von Lehrern und Trainern auf der Basis der Beobachtung und Analyse der
Funktionale Analysen sportlicher Technik
Techniken von Spitzensportlern erfordern die
besonderen athletischen und sportartspezi-
Morphologische und biomechanische Analysen sowie fischen Voraussetzungen der Spitzensportler
mathematische Modellierungen sportlicher Technik
ggf. eine zielgruppenspezifische Anpassung
der erfassten Merkmale für die Darstellung ei-
..      Abb. 8.8 Vorgehensweisen bei der Ableitung von
Technikleitbildern und Sollwerten nes Technikleitbildes. Des Weiteren findet sich
gerade im Hochleistungsbereich eine zum Teil
sich demnach mehr oder wenig stark an den starke interindividuelle Streuung von sport-
Voraussetzungen der Sportler, der Sportge- lichen Techniken bei gleichen Bewegungsauf-
räte und/oder der Umgebungsbedingungen gaben wieder. Diese müsste bei der Bestim-
aus und kann daher kaum exakte (nummeri- mung von Techniksollwerten berücksichtigt
schen) Merkmale als Grundlage für das Tech- werden. Zudem wäre es auch möglich, sport-
niktraining, sondern lediglich einen Orien- liche Techniken der jeweiligen Zielgruppen zu
tierungsbereich liefern (Neumaier und Krug analysieren (z. B. Freizeitsportler, jugendliche
2003). Sportler). Jedoch muss man bei dieser Vorge-
Vor diesem Hintergrund ist für das Tech- hensweise von einer stark ausgeprägten inter-
niktraining eine unreflektierte Übernahme von und darüber hinaus auch intraindividuellen
Technikdarstellungen aus Lehrwerken oder Streuung der sportlichen Techniken ausgehen.
anderen Quellen wenig angemessen. Vielmehr Daher müssten größere Stichproben für die
bedarf es ihrer kritischen Überprüfung in Aus- Bewegungsanalyse zugrunde gelegt werden.
richtung auf die Adressaten und die Rahmen- Praktisch-methodische Erfahrungen so-
bedingungen der Sportart. Im Folgenden soll wie Plausibilitätsbetrachtungen von Lehrern,
aufgezeigt werden, welche prinzipiellen Vorge- Lehrbuchautoren und Trainern können die
hensweisen bei der Ableitung bzw. Ermittlung anderen Verfahren ergänzen oder auch die
von Technikleitbildern unterschieden werden alleinige Grundlage für die Ermittlung von
können . Abb. 8.8 (Roth 1996; Neumaier Techniksollwerten in einer Sportart sein. Dies
1997; Neumaier und Krug 2003; Krombholz ist vor allem in Sportarten der Fall, in denen
2009). noch wenig gesicherte biomechanische Be-
In vielen Sportarten hat das Regelwerk funde vorliegen. In diesem Zusammenhang
einen erheblichen Einfluss auf die sportliche hat sich herausgestellt, dass eine systematische
Technik und damit auch auf die Entwick- Koordinierung von Expertenwissen hilfreich
lung von Technikleitbildern. Diese Regle- ist, um die Erkenntnisse aus den vielfach sub-
mentierungen können sich auf das Material jektiven Plausibilitätsbetrachtungen zusam-
(z. B. Hockey, Ski alpin) oder auch auf Kri- menzuführen und abzustimmen (Krombholz
terien der Bewegungsausführung beziehen 2009).
414 A. Krombholz

Exkurs: Modellierung von Technikleitbildern durch qualitative Bewegungsanalysen von Freizeitsportlern

Bei der Ableitung von Technikleitbildern kann tät der Erkenntnisse zu gewährleisten. So konn-
auch eine Analyse sportlicher Techniken durch ten beispielsweise im Rahmen von Analysen der
systematische Bewegungsanalysen (größerer Technik Kurzschwung im alpinen Skilauf (n =
Stichproben) zu verwertbaren Erkenntnissen füh- 560), bei der 35 Bewegungsmerkmale erfasst
ren (Krombholz 2009). Eine vorausgehende Be- wurden, mithilfe einer konfirmatorischen Fakto-
stimmung maßgeblicher Merkmale auf der Basis renanalyse vier latente Faktoren (Körperhaltung,
von Plausibilitätsbetrachtungen und/oder biome- Skistellung, Skisteuerung, Spurbild) mit jeweils
chanischer Erkenntnisse wäre für eine Fokussie- drei Items personenunabhängig und situations-
rung auf ausgewählte Merkmale bei den Bewe- unspezifisch im Sinne eines Technikleitbildes
gungsanalysen zielführend. Jedoch sind derartige identifiziert werden (. Abb. 8.9, Herrmann et al.
Verfahren sehr aufwendig, da man größere Stich- 2017).
proben anstreben müsste, um die externe Validi-

Ober-
.97 körper

Körper .84 Tal-


konstanz
.80
8 .69
Arme

.76 Ski-
.96 stellung

Stellung .96 Skibreite

.92 Unter-
schenkel
.71 .69
Skienden
.97

Steuer .89 Druck

.90
.65
.58 Kanten
.65
Rhythmus
1.00

Fahrt .86 Korridor

.80
Tempo

..      Abb. 8.9 Ableitung eines Technikleitbildes Kurzschwung auf der Basis der Analyse von Freizeitsportlern
(Herrmann et al. 2017; Foto: Kililan Kimmeskamp)
Techniktraining
415 8
8.2.2 Funktionale Analysen (Wollny 2007). Der Kern einer solchen Heran-
sportlicher Technik gehensweise ist nach Göhner (1992) dadurch
charakterisiert, dass man nach den Bestand-
Ein weiteres Verfahren, welches sich als sehr teilen bzw. den Technikelementen einer sport-
praktikabel erwiesen hat, stellt die deduktive lichen Technik sucht, die wesentlich zum Er-
Ermittlung von Strukturen sportlicher Techni- reichen des Bewegungsziels beitragen. Diese
ken dar. Dieses ist ebenfalls in Ergänzung zu Bestandteile machen die funktionalen Ele-
den anderen aufgezeigten Verfahren zu sehen mente bzw. Funktionsphasen aus, die sich ggf.
und stützt sich unter anderem auf die Erfas- hierarchisch ordnen lassen (z. B. Absprung bei
sung grundlegender Strukturen sportlicher einem Salto vorwärts). Alle Bewegungsphasen
Bewegung sowie die funktionale Belegung von erfüllen eine bestimmte Teilfunktion und sind
Bewegungsmerkmalen. durch funktionale Beziehungen miteinander
Funktionale Betrachtungsweisen fassen verknüpft. Diese Phasenstruktur stellt auch
menschliche Bewegungen als zielgerichtete eine zeitliche Gliederung dar (Meinel und
Handlungen auf, bei denen jede einzelne Ak- Schnabel 2007). Bei azyklischen Bewegungen
tion eine zweckhafte, sinnbezogene (Teil-) geht man von einer Dreiteilung aus, die bei
Leistung zur Bewältigung vorgegebener Situa- komplexen Bewegungen noch weiter unter-
tions- oder Problemkonstellationen darstellt teilt werden kann.

Beispiel: Grundstruktur der sportlichen Technik Handstützüberschlag

Für die azyklische Technik eines Handstützüber- ursächliche Beziehungen zwischen den Phasen
schlags zeigt . Abb. 8.10 exemplarisch eine spezifiziert werden. Aufgrund der komplexen
ablauforientierte Grundstruktur. Trotz der zeitlich Phasenstruktur der Technik ist eine Unterteilung
strukturierten, ablauforientierten Ausrichtung der Vorbereitungsphase und der Hauptphase
können funktionale Zusammenhänge über geboten.

V1 V2 V3 H1 H2

Anlaufen Anhüpfen Absenken Handstütz Überschlag Aufkommen


Vorbereitungsphase Hauptphase Endphase

..      Abb. 8.10 Grundstruktur einer sportlichen Technik am Beispiel eines Handstützüberschlags


416 A. Krombholz

In Erweiterung dieser Grundstruktur mit 8.2.3 Morphologische und


funktionsbezogenen Untergliederungen entwi- biomechanische Analysen
ckelt Göhner (1992) ein Funktionsphasenkon- sportlicher Technik
zept, welches eine differenzierte Analyse auch
sehr simultankomplexer Techniken ermöglicht. Betrachtet man sportliche Techniken vor dem
Göhner (1992) geht davon aus, dass bestimmte Hintergrund der morphologischen und bio-
Phasen oder Elemente einer Bewegung gene- mechanischen Bewegungsanalyse zur Erfas-
rell auch spezifische Funktionen erfüllen müs- sung von Technikmerkmalen, so lassen sich
sen, um sie als eigenständig herauszuheben. daraus zwei Anwendungsfelder ableiten (Gros-
Die Funktionen können im Hinblick auf das ser und Neumaier 1982):
Bewegungsziel oder auch in Bezug auf andere 55 Ableiten, Analysieren und Vergleichen von
Phasen gegeben sein. Diese funktionstragenden Technikleitbildern und Sollwerten
Bestandteile werden als grundlegende Analyse- 55 Analysieren des momentanen Entwick-
einheiten der sportlichen Bewegung angesehen lungsstandes des Bewegungsniveaus ei-
und Funktionsphasen genannt. Der Ansatz nes Sportlers im Trainingsprozess (per-
von Göhner (1979, 1992, 2002) ist durch die sonenspezifische und situative (Ziel-)
Wozu-Frage geprägt und beinhaltet als Schwer- Technik)
punkt die Funktionsanalyse der sportlichen
8 Techniken. Eine Funktionsanalyse soll die Bei der Analyse von Bewegungsstrukturen
zweckgerichteten Bestandteile (Aktionen) auf- sollte neben der Ermittlung der funktionalen
decken, um diesen anschließend Funktionen Grundstruktur der Technik auch die Fein-
zuzuordnen. Göhner (2002) unterteilt die Ana- struktur erfasst werden, um daraus wesentli-
lyse in drei Erkenntnisschritte: che Bewegungsmerkmale differenziert ableiten
1. Analyse der Bewegungsaufgabe und der und/oder messen zu können. Eine detaillierte
Rahmenbedingungen Analyse der Feinstruktur sportlicher Tech-
2. (objektive) Erfassung der Bewegung niken beinhaltet die Erfassung qualitati-
3. funktionale Belegung der funktionalen ver und quantitativer Bewegungsmerkmale
Bestandteile (. Abb. 8.11 und 8.12).

..      Abb. 8.11 Teilbereiche der


Grundstruktur der sportlichen Technik
Bewegungsstruktur sportlicher
Techniken (Grundstruktur,
Feinstruktur)
Funktionsphasenkonzept

Feinstruktur der sportlichen Technik

Qualitative Bewegungsmerkmale … quantitative Bewegungsmerkmale

Merkmale des Sportlers und ggf. des Sportgerätes


Merkmale des Resultats
Techniktraining
417 8
Feinstruktur einer sportlichen Technik

Qualitative Merkmale Quantitative Merkmale

Bewegungsrhythmus Bewegungskopplung Kinematische Dynamische


komplex

- Phasenverschiebung Merkmale Merkmale


- Schwungübertragung
- Rumpfeinsatz translatorisch/ translatorisch/
- Kopfsteuerung rotatorisch rotatorisch

Bewegungs- Bewegungs- Längenmaße Masse


fluss umfang
Zeitmaße Kraft
elementar

Bewegungs- Bewegungs- Lagemerkmale Impuls


präzision stärke Geschwindigkeiten …
Bewegungs- Bewegungs- Beschleunigungen
konstanz tempo …

..      Abb. 8.12 Qualitative und quantitative Bewegungsmerkmale (mod. nach Meinel und Schnabel 2007;
Krombholz 2009)

Analysen der Feinstruktur sportlicher Training beurteilt werden. Die Analyse er-
Techniken können mit mehr oder weniger fordert jedoch Erfahrung und Wissen über
aufwendigen Messverfahren durchgeführt die Bewegungsstruktur, die der Beobachtung
werden. Schon Grosser und Neumaier (1982) unterzogen wird (Loosch 1999). Eine solche
machen deutlich, dass es erhebliche Über- morphologische Betrachtungsweise von Be-
schneidungen bezüglich der differenzierten wegungen ist gleichermaßen beschreibend
Feinstruktur einer Bewegung gibt. So lassen und erklärend. Roth und Willimczik (1999)
sich beispielsweise zwischen den qualitativen heben die nach wie vor große Bedeutung des
Merkmalen Bewegungspräzision, Bewegungs- morphologischen Ansatzes in der Sportpra-
tempo und Bewegungsumfang bei deren Ope- xis hervor und bescheinigen ihm, mit einer
rationalisierung direkte Verbindungen zu den Ausrichtung auf die äußere Struktur der
kinematischen Längenmaßen, Zeitmaßen, Bewegung, ein tragfähiges Konzept für Be-
Lagemerkmalen und Geschwindigkeitsmerk- wegungsanalysen darzustellen, obwohl auf-
malen sowie den Beschleunigungen herstellen grund der fortschreitenden digitalen Techno-
(. Abb. 8.12). logien komplexe biomechanischen Analysen
Liegt ein ausgewogenes, funktionales mit überschaubarem finanziellem und or-
Verhältnis in der Ausprägung aller Merk- ganisatorischem Aufwand in der Trainings-
male vor, so ist die sportliche Technik effizi- praxis einsetzbar sind. Trotzdem sollte stets
ent (quantitativ) und/oder wirkt als Ganzes eine Abwägung zwischen Kosten/Aufwand
harmonisch (qualitativ; Meinel und Schna- und Nutzen erfolgen, um einer inflationären
bel 2007). Vor allem die sogenannten ele- Verankerung von digitalen Hilfsmitteln im
mentaren qualitativen Bewegungsmerkmale Techniktraining vorzubeugen.
können ohne großen messtechnischen Auf- Andererseits können sehr komplexe und
wand beschrieben und beispielsweise im schnelle sportliche Bewegungen nur unzurei-
418 A. Krombholz

chend durch das bloße Auge in allen Details angewandten markerbasierten (optischen) Me-
erfasst werden. Eindimensionale Videoanaly- thode, bei der reflektierende Marker auf die Haut
sen (z. B. in Super Slow Motion) liefern hierzu des Probanden geklebt werden (. Abb. 8.13b),
zwar wichtige Hilfestellungen, ermöglichen je- kommen in jüngster Vergangenheit durch den
doch nicht die Ableitung von umfangreichen technologischen Fortschritt auch immer mehr
quantitativen kinematischen Größen. Folglich markerlose Motion-Capturing-Systeme zum
können zur biomechanischen Bewegungsana- Einsatz (Abrams et al. 2011). Somit werden ent-
lyse zusätzlich Verfahren der dreidimensiona- weder die Silhouette eines Athleten oder die re-
len Bewegungserfassung eingesetzt werden. flektierenden Markerpunkte vom Hintergrund
Diese ermöglichen es, auch komplexe mensch- extrahiert und in ein mathematisches Modell
liche Bewegungen in computergenerierte ma- des Menschen integriert. Anschließend können
thematische Modelle zu überführen. Die Auf- vielfältige Segmentcharakteristika und kinema-
zeichnung von dreidimensionalen Bewegungen tische Parameter (z. B. Gelenkwinkelstellungen,
kann mittels optischer Verfahren, Infrarot, Ul- Bewegungsumfänge sowie Rotations- und Seg-
traschall, magnetischer oder inertialer Verfah- mentgeschwindigkeiten) aus diesem Modell be-
ren erfolgen (Menache 2000). Neben der häufig rechnet werden (Wollny 2007).

8 Beispiel: Der schnelle Arm im Tennis

Im Rahmen eines vom Bundesinstitut für Sportwis- phase) sowie höhere Winkelgeschwindigkeiten in
senschaft (BISp) geförderten Projekts mit dem Kurz- der Knieextension des hinteren Beins, der Schulter-
titel TenServe – der schnelle Arm im Tennis erfolgten innenrotation und der Ellenbogenextension (Be-
umfangreiche kinematische Bewegungsanalysen der schleunigungsphase) bei der schnelleren Aufschlag-
Aufschlagbewegung im Tennis. Zur Vorbereitung gruppe. Darüber hinaus wurde die Kinematik der
wurden Ranglistenspieler mit 90 reflektierenden Aufschlagbewegung im Seitenvergleich (Aufschläge
Markern an definierten Gelenkpunkten beklebt von der Einstand-Seite bzw. Vorteil-Seite) untersucht.
(. Abb. 8.13b). Mithilfe eines markerbasierten Mo- Dabei wurde deutlich, dass die Spieler von rechts
tion-Capturing-Systems, bestehend aus acht Infra- und links erstaunlicherweise zwei völlig unterschied-
rotkameras, wurden anschließend verschiedene Auf- liche Aufschlagbewegungen realisieren. Dies liegt
schlagtechniken aufgezeichnet, dreidimensional daran, dass die Spieler ihre Ausgangsposition nur
modelliert und hinsichtlich kennzeichnender kine- unzureichend an die veränderte Zielperspektive an-
matischer Parameter analysiert (. Abb. 8.13a). Die passen und ihre Fußposition fälschlicherweise an der
Ergebnisse einer vergleichenden Betrachtung von Grundlinie ausrichten. Die identifizierten Ergebnisse
schnellen und langsamen Aufschlägern zeigen eine werden für die Trainingsmethodik aufbereitet und an
größere Lateralflexion des Rumpfes (Vorbereitungs- die Sportpraxis vermittelt.

..      Abb. 8.13 Nachwuchstennis-


a b
spieler nach der Fixierung
reflektierender Marker b und
Beispiel für die Modellierung
eines Spielers in der sogenannten
Trophy Position bei maximaler
Knieflexion und Lateralflexion des
Rumpfes a (https://doi.
org/10.1007/000-053)
Techniktraining
419 8
8.3  iologische Grundlagen und
B nen neurophysiologische Prozesse und Anpas-
Modelle des Techniktrainings sungsvorgänge statt, die zu mechanischen Re-
sultaten führen. Daher werden im Folgenden
Geht man von einem weitreichenden Ver- zunächst die neurophysiologischen Aspekte
ständnis der Sportmotorik als Teildisziplin der beim Lernen und Ausführen sportlicher As-
Bewegungswissenschaft aus, so werden dort pekte überblicksartig skizziert. Anschließend
die Perspektiven von Dispositionen und Pro- werden exemplarisch Aspekte von informa-
zessen der motorischen Kontrolle, des motori- tionsverarbeitenden, systemdynamischen und
schen Lernens und der motorischen Entwick- effektorientierten Ansätzen dargestellt.
lung gleichermaßen berücksichtigt.
Sportmotorik 8.3.1  iologische Grundlagen der
B
Die Sportmotorik befasst sich aus einer Motorik und des
funktionalen Perspektive mit den internen motorischen Lernens
Dispositionen und Prozessen der Bewe-
gungskontrolle sowie deren Veränderun- Koordinierte Bewegungen und somit auch
gen auf verschiedenen Zeitskalen im sportliche Techniken basieren auf einem abge-
Kontext der motorischen Kontrolle, des stimmten Zusammenspiel von Nervensystem
motorischen Lernens sowie der motori- und Muskulatur unter den gegebenen Umstän-
schen Entwicklung (Hossner et al. 2013). den. Um die neuronale Kontrolle von Motorik
zu verstehen, kann man in Anlehnung an Scott
(2008) zunächst eine Grobeinteilung vorneh-
men: Das Nervensystem entspricht der Steuer-
Im sportwissenschaftlichen Kontext stehen und Kontrollinstanz, während die Muskulatur
unterschiedliche Modelle zur Kontrolle und die ausführende Einheit darstellt. Das Nerven-
Steuerung von Bewegungen sowie zum mo- system selbst kann wiederum in einen willent-
torischen Lernen weitgehend isoliert neben- lich kontrollierbaren Teil und weitere unwill-
einander und führen zu einem Argumen- kürliche Bereiche unterteilt werden (Konczak
tationswettstreit, der nicht selten in einem 2003). Der willentlich kontrollierbare Teil des
überzogenen Absolutheitsanspruch mündet Nervensystems zur motorischen Kontrolle ent-
(Birklbauer 2006). Der Verfasser teilt die Auf- spricht den motorischen Arealen im Gehirn,
fassung von Roth und Willimczik (1999), dass alle weiteren involvierten Teile des zentralen
es keine guten oder schlechten und auch keine (z. B. Kleinhirn, Rückenmark) und des peri-
allein richtigen und falschen Konzepte, Mo- pheren (z. B. somatosensorische Rezeptoren)
delle bzw. Theorien gibt. „Jede Perspektive leis- Nervensystems werden den unwillkürlichen
tet vielmehr einen eigenständigen und wertvol- Bereichen zugeordnet.
len Beitrag zur Aufklärung der sportbezogenen Stark vereinfacht dargestellt, laufen von der
Bewegungsphänomene. Welche theoretischen Planung bis zur Ausführung einer koordinier-
Vorgehensweisen und welche Methoden im ten Bewegung folgende Prozesse ab: Im prä-
Einzelfall angemessen sind, hängt vor allem motorischen und supplementär-motorischen
davon ab, was analysiert werden soll, d. h. wor- Kortex werden unter Beteiligung weiterer Ge-
auf sich das Forschungsinteresse richtet“ (Roth hirnareale Bewegungshandlungen geplant und
und Willimczik 1999, S. 12). initiiert, bevor vom primären motorischen
Bei der Realisierung sportlicher Techniken Kortex ein entsprechender motorischer Befehl
finden auf der Grundlage interner Dispositio- an die Muskulatur gesendet wird.
420 A. Krombholz

Dieser Befehl wird vom Motorkortex infolge eines Konsolidierungsprozesses im


über den Hirnstamm und die Pyramiden- Langzeitgedächtnis abgespeichert werden.
bahn zum Rückenmark geleitet und gelangt Neuronal drückt sich Gedächtnis als Aktivi-
über die absteigenden Nervenbahnen des Rü- tätsmuster oder -verhältnis der beteiligten
ckenmarks zu den motorischen Nervenzellen Neurone aus. Gedächtnisbildung im Zuge
(α-Motoneurone). Über ihre Nervenzellfort- von (motorischen) Lernprozessen kann folg-
sätze (Axone) sind die α-Motoneurone direkt lich dadurch entstehen, dass sich das Input-­
mit den Muskelfasern verbunden und übertra- Output-­Verhältnis der beteiligten Neurone
gen den motorischen Befehl über die motori- verändert. Dabei verändert sich zunächst die
schen Endplatten letztendlich auf die Muskula- Übertragung von Information an den Syn-
tur. Diese Prozesse werden auch als motorische apsen: Synapsen speichern also Erinnerun-
Steuerung, Feedforward-Kontrolle oder Open- gen. Diese veränderte Übertragung basiert
Loop bezeichnet. sowohl auf Verstärkung (Langzeitpotenzie-
Allerdings laufen parallel zur Bewegungs- rung) als auch Schwächung (Langzeitdepres-
steuerung weitere Prozesse ab, die der Feinjus- sion) synaptischer Übertragung. Damit diese
tierung und Kontrolle von Bewegungshand- Veränderungen nicht wieder verloren gehen,
lungen dienen. So sendet der Motorkortex sondern langfristig abgespeichert (d. h. im
seinen motorischen Befehl nicht nur über das Langzeitgedächtnis konsolidiert) werden,
8 Rückenmark und die α-Motoneurone zur bedarf es neben den genannten funktionel-
Muskulatur, sondern gleichzeitig auch zu ver- len auch strukturellen Veränderungen. Das
schiedenen anderen Gehirnarealen. Dies sind bedeutet, dass während der Phase der Ge-
die Schleifen Motorkortex-Stammhirn (Ba- dächtniskonsolidierung, wenn das Kurzzeit-
salganglien)-Zwischenhirn (Thalamus) sowie gedächtnis in ein Langzeitgedächtnis um-
Motorkortex-Kleinhirn (Cerebellum)-Zwi- gewandelt wird, neue Proteine synthetisiert
schenhirn. werden müssen. Durch die Bildung neuer
Diese Schleifen dienen dazu, die Bewe- Proteine an den modifizierten Synapsen
gungsrichtung und -amplitude (Stammhirn) wird also gewährleistet, dass die temporären
sowie die motorische Feinkoordination (Klein- Veränderungen an den Synapsen langfristig
hirn) zu optimieren. Zusätzlich liefern zahlrei- beibehalten werden. Ein weiterer Mechanis-
che somatosensorische Rezeptoren (z. B. Mus- mus besteht darin, dass durch die Synthese
kelspindeln) in der Peripherie während und neuer Proteine neue Dendriten und Synap-
nach der der Bewegungsausführung Rückmel- sen gebildet oder bestehende Synapsen zer-
dungen zum somatosensorischen Kortex und stört werden. Die Ausbildung eines Langzeit-
tragen somit zur neuronalen Kontrolle von gedächtnisses bedeutet also Synthese neuer
Bewegungen bei, sofern die Bewegungsdauer Proteine und Ausbildung neuer neuronaler
nicht zu kurz ist. Die beschriebenen Prozesse Schaltkreise (. Abb. 8.14; zum vertiefenden
nennt man Regelung, Feedback-Kontrolle oder Studium s. Engel 2018, 7 Kap. 25). Es wird
Closed-loop. angenommen, dass die neuronalen Ver-
Lernen allgemein und somit auch mo- änderungen beim motorischen Lernen eng
torisches Lernen basiert auf neuronaler mit einer phasischen Dopaminausschüttung
Plastizität und der langfristigen Abspeiche- verknüpft sind, die vor allem durch überra-
rung von Informationen im Gehirn. Senso- schende Bewegungserfolge und/oder uner-
rische Erfahrungen werden dabei zunächst wartete Belohnungen ausgelöst werden (Beck
im Kurzzeitgedächtnis abgelegt, bevor diese und Beckmann 2010).
Techniktraining
421 8
neue Synapse alte Synapse neue Synapse neue Synapse noch neue Synapse
gebildet geht verloren gestärkt vorhanden, aber geschwächt gestärkt
Axon a b c d e
Dendrit

Synapsen

Axone
Ausgangssituation neue Erfahrung/ Erfahrung/Training über Eliminierung Erfahrung wiederholt/
Lernen einen längeren Zeitraum der Erfahrung Neulernen

..      Abb. 8.14 a–e Umbildung von Synapsen in der Großhirnrinde durch Lernen und Gedächtnis (nach Engel
2018, 7 Kap. 25, S. 972)

Ebenso wie bei der neuronalen Steuerung len (Bezzola et al. 2011). Allerdings treten
und Kontrolle von Bewegungshandlungen Anpassungen im Rahmen von motorischen
sind bei den neuronalen Vorgängen moto- Lernen nicht nur im Gehirn, sondern auch
rischen Lernens verschiedene Bereiche und hinsichtlich der Rekrutierung und Frequen-
Instanzen des Nervensystems involviert. So zierung der spinalen, d. h. im Rückenmark
treten funktionelle und strukturelle Anpas- gelegenen α-Motoneuronen auf (Del Vecchio
sungen im motorischen und somatosensori- et al. 2019).
schen Kortex, im Kleinhirn sowie im Stamm-
hirn auf (Seidler 2010; Buch et al. 2017). Des
Weiteren konnte gezeigt werden, dass neuro- 8.3.2 Informationsverarbeitende
nale Plastizität nicht nur die Nervenzellen Ansätze
(graue Substanz), sondern auch die Nerven-
bahnen bzw. -fasern (weiße Substanz) betrifft Die Grundannahme der informationsverarbei-
(Steele und Zatorre 2018). In Zusammenhang tenden Ansätze (Synonyme: kognitive Ansätze,
mit der Ausbildung neuer Verschaltungen im informationstheoretische Ansätze) ist die Steu-
Motorkortex spricht man auch von kortikaler erung und Kontrolle von Bewegungen durch
Plastizität und kortikalen Karten. Kortikale eine zentrale, höhere Instanz (z. B. motorischer
Karten bezeichnen Gehirnareale, die bei der Kortex). Schmidt (1975) und Schmidt und Lee
Ausführung bestimmter Bewegungshandlun- (2011) führen in der Schematheorie (Syno-
gen eine erhöhte Aktivität aufweisen, sodass nym: Theorie generalisierter motorischer Pro-
man davon ausgeht, dass es sich hierbei um gramme) die Ansätze der Programmtheoreti-
spezifische neuronale Netze handelt. In die- ker (Open-Loop-Kontrolle, z. B. Keele 1968)
sem Zusammenhang konnte beispielsweise und der Regelkreistheorien zusammen (Clo-
gezeigt werden, dass ein dreimonatiges Jon- sed-Loop-Kontrolle z. B. Adams 1971; Meinel
gliertraining zu strukturellen Veränderun- und Schnabel 1976).
gen in den Gehirnbereichen führte, die für
visuomotorische Aufgaben zuständig sind Grundlagen:
(Draganski et al. 2004). Ebenso führten 40 55 (Allgemeine) Motorikprogramme werden
Stunden Golftraining bei 40-60-jährigen An- durch zeitlich strukturierte Impulse an die
fängern zu einer Zunahme an grauer Subs- relevanten Muskelgruppen (Impuls-­
tanz in den aufgabenspezifischen Hirnarea- Timing-­Hypothese) für eine Klasse von
422 A. Krombholz

Bewegungen definiert. Als Invarianten sensorischen Wahrnehmungen gebildet


werden die Sequenzierung (Reihenfolge (Bewegungsgefühl). Bei zukünftigen Ver-
der Muskelkontraktionen), die relative Im- suchen kann dann direkt auf die Parame-
pulsdauer und die relative Impulsstärke trisierung sowie die erwarteten sensori-
(der Krafteinsatz) unterschieden schen Wahrnehmungen zugegriffen
(z. B. Klasse der Wurfbewegungen, Hand- werden (Recognition-Memory, Wieder-
stütz-Überschläge). erkennungsgedächtnis).
55 Ein (allgemeines) Motorikprogramm wird
in Ausrichtung auf eine Zieltechnik, in Ab- Folgerungen für die Trainingspraxis:
hängigkeit von der Intention sowie den 55 Bewegungen von kurzer Dauer
Ausgangsbedingungen, durch die Anpas- (< 200 ms) werden programmgesteuert
sung der dynamischen und zeitlichen Pa- ausgeführt. Beispiel: Schlagbewegung
rameter spezifiziert (spezifische Pro- beim Aufschlag im Tennis, Startsprung
grammvariante, z. B. in der Anpassung der beim Schwimmen.
Wurfweite). 55 Bewegungen von längerer Dauer
55 Weitere Parameter eines (allgemeinen) (> 200 ms) erfahren Bewegungsanpassun-
Motorikprogramms, welche eine variable gen durch einen Sollwert-Istwert-Ver-
Spezifizierung erfahren könnten, sind die gleich auch während der Bewegungsaus-
8 Muskelauswahl und damit auch die Rich- führung. Beispiel: Handstand, Standwaage.
tung der Aktivität (z. B. rechte oder linke 55 In Bezug auf das Entscheidungsverhalten
Hand, Wurf über Kopf oder seitlich vom im Sport muss zunächst ein bestimmtes ge-
Körper). neralisiertes Motorikprogramm bestimmt
55 Bei Bewegungen von sehr kurzer Dauer werden (Was-Entscheidung), bevor die
(< 200 ms: Open-Loop) werden nach der Programmvariante in Ausrichtung auf die
Bewegungsausführung auf der Grundlage Intention sowie die Ausgangsbedingungen
des Bewegungsergebnisses regelhafte Be- festgelegt wird. Beispiel: Soll beim Volley-
ziehungen zwischen den Programmpara- ball der Ball über das Netz gespielt werden,
metern, der Intention und den Ausgangs- muss zunächst die Technik bestimmt wer-
bedingungen gebildet. Bei zukünftigen den (Pritschen oder Angriffsschlag), bevor
Versuchen kann dann direkt auf gespei- z. B. die Richtung und die Ballgeschwin-
cherte Parametrisierung zugegriffen wer- digkeit spezifiziert werden.
den (Recall-Memory, Erinnerungsge- 55 Externe Rückmeldungen zum Bewegungs-
dächtnis). ergebnis und/oder Bewegungsablauf kön-
55 Bei Bewegungen von längerer Dauer nen die internen Rückmeldungen des
(> 200 ms: Closed-Loop) werden nach, Sportlers ergänzen, um die regelhaften Be-
aber auch während der Bewegungsaus- ziehungen zwischen den allgemeinen mo-
führung (Bewegungsergebnis, sensori- torischen Programmen, den Programm-
sche Informationen) regelhafte Beziehun- parametern und den erwarteten
gen zwischen den Motorikprogrammen sensorischen Wahrnehmungen zu bilden.
und den spezifischen Programmparame- Beispiele: Videofeedback, Korrekturen
tern in Bezug zu der Intention, den Aus- durch den Trainer, biomechanische Zu-
gangsbedingungen und den erwarteten satzinformationen.
Techniktraining
423 8
 raxistipp: Vereinfachungsprinzipien beim Techniktraining (Technikerwerbstraining; Wiemeyer
P
und Wollny 2017)

Die nachstehend aufgezeigten Vereinfa- schwindigkeit, hohem muskulärem


chungsprinzipien basieren auf den Vorstel- Krafteinsatz): leichtere Sportgeräte, Bewe-
lungen der Informationsverarbeitungsan- gungsausführung mit reduziertem Tempo
sätze, zum Beispiel der Schematheorie Übungsreihen verbinden Vereinfa-
(Schmidt 1975), und sind die Grundlage für chungsprinzipien miteinander:
die Gestaltung von Übungsreihen: 55 serielle Übungsreihen (Programmverkür-
55 Programmverkürzung (Verringerung der zung durch das Training einzelner
Bewegungskomplexität): Weitsprung-Ab- Technikelemente)
sprung 55 funktionelle Übungsreihen (Programmver-
55 Verringerung der Programmbreite kürzung und Veränderung der variablen,
(Verringerung der Bewegungsorganisa- austauschbaren Bewegungsparameter),
tion): Rudern ohne Schlitten beginnend mit der Hauptfunktionsphase
55 Vereinfachungsprinzip der Unterstützung 55 Übungsreihe nach dem Prinzip der
der strukturellen, nicht austauschbaren verminderten Lehrhilfe (Vereinfachungs-
Bewegungsmerkmale (orientierungs- und/ prinzip der Veränderung der variablen
oder bewegungsunterstützende Maßnah- austauschbaren Bewegungsparameter;
men): akustische Absprunghilfe beim vom Einfachen zum Komplexen)
Skisprung 55 Übungsreihe nach dem Prinzip der gradu-
55 Vereinfachungsprinzip der Veränderung ellen Annäherung (Vereinfachungsprinzip
der variablen, austauschbaren Bewe- der Veränderung der variablen austausch-
gungsparameter (bei geringer Bewe- baren Bewegungsparameter; vom
gungsdauer, großer Bewegungsge- Leichten zum Schweren)

Die Grenzen der informationsverarbeitenden 8.3.3 Systemdynamische Ansätze


Erklärungsansätze für das menschliche Han-
deln sind unter anderem in deren starker Aus- Systemdynamische Ansätze beschreiben Ge-
richtung an der Funktion eines Computers setzmäßigkeiten und Prinzipien sportlicher
begründet. Ein solcher arbeitet seriell, schnell Bewegungen, die sich auf ein heterarchisch
und fehlerfrei. Diese Attribute treffen auf (Antonym: hierarchisch) geordnetes selbst-
das informationsverarbeitende System Mensch organisiertes System stützen. Im Mittelpunkt
kaum zu: Dieses System arbeitet mit vielen der Betrachtungen stehen komplexe Systeme
parallelen Verschaltungen, einer relativ lang- (hier: der sich bewegende Mensch). Diese er-
samen Nervenleitgeschwindigkeit (im Ver- füllen die nachfolgend aufgelisteten Vorausset-
gleich zur Leitgeschwindigkeit von Elektronen zungen für die Selbstorganisation, die im Zen-
in einem Medium) sowie einer großen fehler- trum der systemdynamischen Ansätze stehen
verursachenden Varianz. Außerdem wird von (Birklbauer 2006):
den Kritikern angezweifelt, dass eine ausge- 55 Sie sind offen und führen einen ständigen
prägte Präskription der Bewegungsdetails von Energie- und Informationsaustausch mit
einer zentralen Programmierung samt deren der Umgebung, um Ordnungszustände
Parametrisierung ausgehen kann (Hossner aufbauen und stabil halten zu können.
et al. 2013). Aus diesem Desiderat leiten sich 55 Sie zeigen ein nichtlineares Verhalten ge-
unter anderem die auf der Systemdynamik ba- genüber den Anfangsbedingungen (kleine
sierenden Ansätze ab (z. B. Konnektivismus, Ursachen können große Wirkungen
Synergetik). ­haben).
424 A. Krombholz

Viele Erkenntnisse der Systemdynamik wurden zu erzielen (. Tab. 8.1; zum vertiefenden Stu-
in der Physik (z. B. Thermodynamik) gewon- dium s. Künzell 1996; Schöllhorn et al. 2009,
nen und anschließend auf lebendige Systeme 2015).
übertragen. Die Grundgedanken im Bereich Grundlagen:
der Sportmotorik gehen unter anderem auf 55 Bewegungen sind durch die selbstorgani-
Bernstein (1987) zurück, der die zielführende sierte Entstehung von geordneten Struktu-
Bewältigung einer Bewegungsaufgabe an die ren (Emergenz) charakterisiert und diffe-
Auswahl angemessener Lösungsmöglichkeiten renzieren sich in (relativ) stabile und
sowie die Überwindung der überflüssigen Frei- (relativ) instabile Zustände (. Abb. 8.15).
heitsgrade knüpft. Zu diesem Zweck wird eine Sie entwickeln sich in Abhängigkeit von
Variabilität der Bewegungsparameter erzeugt externen Parametern selbständig in Rich-
(Suchtstreuung), um die optimale Anpassung tung stabiler Zustände (z. B. Übergang
der Bewegungshandlung in Ausrichtung auf vom Gehen zum Laufen in Abhängigkeit
die Intention und die Ausgangsbedingungen von der Geschwindigkeit, Regulation der

..      Tab. 8.1 Beispiele zu dem aus der Systemdynamik abgeleiteten differenziellen Lernen bei der Annahme
im Volleyball und des Sprints in der Leichtathletik (mod. nach Beckmann und Gotzes 2009; Römer et al. 2009)
8
Aufgabe Veränderte Parameter

Volleyball: unteres Zuspiel nach beliebigem Übersprin- Anfangsbedingungen


gen eines Hindernisses (z. B. Kastenteil, Turnmatte)

Volleyball: unteres Zuspiel mit unterschiedlicher Bewegungsumfänge/-richtungen der Aktionen,


Häufigkeit auf unterschiedliche Ziele Bewegungsgeschwindigkeiten/-beschleunigungen,
Endbedingungen

Leichtathletik: Kniehebelauf mit unterschiedlicher Bewegungsumfänge/-richtungen der Aktionen,


Knieführung und Frequenz auf unterschiedlichem Bewegungsrhythmus, Durchführungsbedingungen
Untergrund (z. B. Tartan, Sand, Gras)

vom
Laufen
zum
Gehen
Gehen Laufen

Gehen Laufen
vom
Gehen
zum
Laufen

..      Abb. 8.15 Stabile Zustände und instabile das menschliche System relativ lange in dem
Übergänge zwischen dem Gehen und Laufen in bestehenden Bewegungsmuster. Daher findet der
Abhängigkeit von der Geschwindigkeit als variablem Wechsel des Bewegungsmusters bei unterschied-
Parameter. Beim Wechsel der Bewegungsmuster lichen Geschwindigkeiten statt (Hystereseeffekte;
(vom Gehen zum Laufen und umgekehrt) verharrt nach Hossner et al. 2013)
Techniktraining
425 8
Körperposition und Skibelastung bei un- internen Vorgänge auf mikroskopischer
terschiedlichen Schneearten). Ebene sehr komplex sind.
55 Das System als Ganzes (hier der Mensch) 55 Die Voraussetzung für die Erfassung stabiler
weist Ordnungsprinzipien auf, an die sich Systemzustände ist die Identifikation geeigne-
die Systemteile in Abhängigkeit von exter- ter Ordnungsparameter, die das Bewegungs-
nen Parametern selbstorganisiert einem muster hinreichend genau charakterisieren.
Optimum annähern. 55 Bewegungsschwankungen werden zugelas-
55 Bei (bzw. kurz vor) dem Übergang in ei- sen, ja sogar initiiert und nicht korrigiert.
nen anderen stabilen Systemzustand sind
veränderte (instabile) Bewegungsmuster Die Kritik an den systemdynamischen An-
beobachtbar und wurden empirisch nach- sätzen leitet sich vor allem daraus ab, dass die
gewiesen. grundlegenden Phänomene vom Unbelebten
(Physikalischen) auf den Menschen übertragen
Folgerungen für die Trainingspraxis (Birklbauer werden. So wird beispielsweise die intentionale
2006; Schöllhorn et al. 2009): Ausrichtung sportlicher Bewegungshandlun-
55 Die Veränderung der (Kontroll-)Parame- gen kaum berücksichtigt (Nitsch und Munzert
ter ist eine grundlegende Vorgehensweise 1997). Außerdem werden unfunktionale oder
bei der Gestaltung von Techniktraining. gar gesundheitsgefährdende Bewegungsmuster
55 Differenzen zwischen den Bewegungsaus- nicht hinreichend erklärt (z. B. falscher Laufstil,
führungen können durch folgende Verän- der zu Schädigungen der Gelenke führen kann).
derungen von Parametern erzeugt werden: Zudem sind die Effekte von Modelllernen (z. B.
55 Variation der Anfangs-, Durchfüh- oberservatives Training) im Kontext der Theo-
rungs- und Endbedingungen rie kaum schlüssig begründbar. Die empirischen
55 Variation der Bewegungsumfänge von Überprüfungen beziehen sich vielfach auf wenig
Aktionen komplexe und/oder zyklische Bewegungen. Da-
55 Variation der Bewegungsgeschwindig- her besteht in Bezug auf komplexe azyklische
keit und Bewegungsbeschleunigung Bewegungen weiterer Forschungsbedarf in Be-
55 Variation des inneren und äußeren Be- zug auf die Fragestellung, ob fremd- oder selbst-
wegungsrhythmus organisierte Aneignung effizienter ist (Schöll-
55 Das Verhalten des Systems lässt sich durch horn et al. 2015). Schließlich stellt die valide
wenige Ordnungsprinzipien auf makros- Ermittlung der Ordnungs- und Kontrollpara-
kopischer Ebene beschreiben, obwohl die meter eine große Herausforderung dar.

Beispiel: Aufmerksamkeitsfokus

Der Aufmerksamkeitsfokus (AF, Focus of Attention) im Aufmerksamkeit durch geeignete Instruktionen,


Kontext von motorischem Lernen und Techniktrai- Hinweise oder Rückmeldungen auf einen
ning bezieht sich auf die bewusste Lenkung der externalen Fokus zu lenken. Im Vergleich zu einem
Aufmerksamkeit, entweder auf die eigene Bewe- internalen AF konnte dadurch der Lernprozess
gungsausführung (internaler AF) oder das Bewe- beschleunigt und die Bewegungsqualität im
gungsziel bzw. -ergebnis (externaler AF). Beispiels- Hinblick auf Genauigkeit, Beständigkeit und
weise kann man bei einem Volleyball-Angriffsschlag Gleichgewicht stärker verbessert werden.
seine Aufmerksamkeit darauf lenken, den Ball mit Zusätzlich beeinflusst ein externaler AF die
gestrecktem Arm zu treffen (= internaler AF auf das Bewegungskoordination und führte zu einer
Strecken des Arms) oder darauf, den Ball am höchsten erhöhten Bewegungseffizienz. Trotz der zahlrei-
Punkt zu treffen (= externaler AF auf den Ball). chen Befunde ist ein systematischer Übertrag auf
Eine Vielzahl an Studien aus den letzten 20 die Trainingspraxis bisher allerdings kaum erfolgt
Jahren zeigte für verschiedenste Sportarten, dass und stellt eine zukünftige Aufgabe für die
es im Lernprozess meistens von Vorteil ist, die Trainingswissenschaft dar (Wulf 2013).
426 A. Krombholz

8.3.4 Ansätze der Effektkontrolle 55 Die Auslösung der Aktion in einer Situation
erfolgt durch den antizipierten Effekt (Situa-
Die effektorientierten Sichtweisen der moto- tion – antizipierter Effekt – Aktion = S-A-E).
rischen Steuerung und Kontrolle beinhalten 55 Während der Bewegung finden komplexe,
grundlegende Aspekte der informationsver- dynamische Wechselbeziehungen zwi-
arbeitenden sowie auch der systemdynamischen schen antizipativen und reafferenten Kon­
Ansätze. Allerdings rückt der zu erzielende trollmechanismen statt.
Effekt der sportlichen Bewegungshandlung in
den Fokus der Präskription und des Kontroll-  eispiel: Effektkontrolle sportlicher Techni-
B
prozesses (. Abb. 8.16). Daher bedarf es keiner ken beim Volleyballaufschlag
repräsentativen motorischen Programme wie
beispielsweise bei der Schematheorie. Die Anti- Ein Volleyballspieler (Person) erkennt einen
zipation von Effekten ist ausreichend, um zielge- annahmeschwachen Spieler im gegnerischen
Hinterfeld (Situation). Er plant zunächst einen
richtetes Verhalten zu initiieren. Die Bewegung Aufschlag genau auf diesen Spieler (intendier-
selber sowie deren Parameter sind emergent (im ter Effekt), aber wegen der Unruhe in der
Unterschied zu programmgesteuert; zum vertie- Sporthalle sowie seiner Nervosität aufgrund des
fenden Studium s. Hossner et al. 2013; Hossner knappen Spielstandes möchte er den Aufschlag
nur sicher im gegnerischen Hinterfeld
8 und Künzell 2003; Scherer und Bietz 2015).
platzieren (antizipierter Effekt und Anpassung
der Aktion). Er schlägt mit einem Ass auf (realer
Grundlagen: Effekt). Den folgenden Aufschlag möchte er
55 Der Fokus der sportlichen Bewegungs- wieder als Ass auf denselben Annahmespieler
handlung liegt auf den antizipierten Effek- platzieren (intendierter und antizipierter Effekt).
ten der gesamten Bewegung oder auch von Der Ball geht jedoch ins Aus (realer Effekt).
Teilbewegungen (resultative bzw. prozes-
suale Effekte). Diese können sich auf Ver-
änderungen in der Umwelt, des Sportgerä- Folgerungen für das Techniktraining:
tes und/oder auf körperbezogene Effekte 55 Beim Technikerwerbstraining können in
beziehen (z. B. Zielerreichung bei Tor- der Regel noch keine Effekte intendiert
schüssen, erhöhte Muskelspannung einzel- und antizipiert werden, da noch keine Re-
ner Muskelgruppen). ferenzwerte vorliegen. Der Lernende steht

Verstärkung

Vergleich: Übereinstimmung

Person & Intendierter Antizipierter Realer


Aktion
Situation Effekt Effekt Effekt
Vergleich Vergleich: Abweichung

Anpassung

Modifikation

..      Abb. 8.16 Effektorientiertes Modell zur Steuerung, Kontrolle und zum Lernen von Bewegungen (mod. nach
Hoffmann 1993; Scherer und Bietz 2015)
Techniktraining
427 8

..      Tab. 8.2 Beispiele von Effekterfahrungen im Techniktraining (mod. nach Bietz und Scherer 2015)

Maßnahme/Aufgabe Effektbezug Intendierter Lerneffekt

Leichtathletik: Kugelstoßen mit prozessual und personen- Intensivierung von Bein- und
fixiertem Stoßarm bezogen Rumpfeinsatz

Handball: Zielwerfen aus unterschied- resultativ und umweltbe- Differenzierung und Anpassung
lichen Ausgangspositionen zogen der Wurfbewegung

Skilauf: Schneekontakt halten beim resultativ/prozessual und Anpassung der regulierenden


Kurvenfahren in einer Wellenbahn gerät-/umweltbezogen Grundposition und der Aktionen

vor einem „Kontrolldilemma“ (Scherer Techniktraining


2014), bevor er seine ersten Bewegungs- Techniktraining umfasst alle Aspekte der
erfahrungen machen kann oder ggf. auf Entwicklung einer sportlichen Technik mit
Transferprozesse zurückgreifen kann. dem Ziel ihrer erfolgreichen Anwendung
55 Geübte Sportler können oft schon vor dem in spezifischen Handlungssituationen
Eintreten der realen Effekte, auf der Basis (z. B. Wettkampf, Training, Freizeit, Alltag,
der Situationsanalyse und der antizipierten Rehabilitation). Es reicht von der Bestim-
Effekte, die Erfolgswahrscheinlichkeit von mung des Trainingsziels, der Auswahl und
Aktionen einschätzen. Anwendung der Methoden der Kontrolle
55 Nach Eintreten der realen Effekte, die in der Ergebnisse bis hin zur Abstimmung
Teilen schon während der Bewegung er- bzw. Verbindung des Techniktrainings mit
fahrbar sind, werden unterschiedliche Ver- dem Konditions- und Taktiktraining sowie
gleichsmechanismen aktiviert. Sie können dem psychologischen Training (Neumaier
die S-A-E-Strukturen modifizieren, sofern und Krug 2003; Krombholz 2009).
Abweichungen zwischen den antizipierten
Effekten und den realen Effekten wahrge-
nommen werden, oder verstärken, wenn
keine Abweichungen identifiziert wurden. Die in . Abb. 8.17 dargestellte Strukturierung
55 Die Vermittlung von Effekterfahrungen des Techniktrainings soll als Orientierung für
kann sich auf die Umwelt, das Sportgerät die Planung und Durchführung von Technik-
und die Person beziehen (Kombinationen training verstanden werden. In Ausrichtung
sind möglich). Sie kann prozessual oder auf das Leitziel des Techniktrainings werden
resultativ erfolgen (. Tab. 8.2). für die praktische Realisierung die Arten und
55 Für die Ausbildung von S-A-E-Relationen methodischen Vorgehensweisen bestimmt.
ist die Varianz aller Komponenten einzu- Kombinationen der Arten sowie auch der
beziehen. Nur dann kann man erwarten, methodischen Vorgehensweisen von Technik-
dass sich stabile und zugleich flexible training sind nicht nur tolerabel, sondern not-
funktionale Strukturen bilden. wendig, um das Leitziel des Techniktrainings
konsequent und individualisiert zu verfolgen.
Die Erfassung bzw. Analyse von Besonder-
heiten der Sportart und/oder der konkreten
8.4  iele und Methoden des
Z Bewegungsaufgabe ist der erste Schritt bei der
Techniktrainings Planung von Techniktraining. In diesem Zu-
sammenhang sind auch die Rahmenbedin-
Dem Techniktraining gehen Überlegungen zur gungen der Ausübung, die personalen Vor-
Bestimmung von Zielen und Methoden voraus. aussetzungen und ggf. die Besonderheiten des
428 A. Krombholz

..      Abb. 8.17 Das


Besonderheiten der Sportart/einer Bewegungsaufgabe
Leitziel, die Arten und
die methodischen
Vorgehensweisen des Arten des Techniktrainings
Techniktrainings Training zum Erwerb der Grundstruktur (Technikerwerbstraining)
richten sich an den Präzisierungs-/Automatisierungstraining
Besonderheiten der Situations-/Entscheidungstraining

Rahmenbedingungen
Sportart, den Variationstraining
personalen Vorausset- Wettkampftraining
Sportgerät

zungen, den Rahmen-


bedingungen und ggf. Leitziel des
dem Sportgerät aus Techniktrainings:
(mod. nach Neumaier Effiziente Realisierung
und Krug 2003) sportlicher Techniken
z. B. im Wettkampf, im Alltag,
in der Freizeit

Methodische Vorgehensweisen beim Techniktraining

Person

Sportgerätes zu analysieren und bei der Trai- Rahmenbedingungen relevant und können
ningsplanung zu berücksichtigen. So macht durch ein verbindliches Regelwerk maß-
es einen nicht zu vernachlässigenden Unter- geblich beeinflusst werden (z. B. einseitiger
schied, ob ich einen Volleyballaufschlag in Gebrauch eines Hockeyschlägers, Regle-
einer relativ standardisierten Situation in der mentierungen der Skitaillierungen im alpi-
Halle oder bei windigen Verhältnissen im Sand nen Skilauf, Schrittregel beim Basketball
ausführe bzw. einen Slalomparcours auf frisch oder Handball).
gewalzter Piste oder bei variablen Schnee- und
Geländesituationen bewältige: In Ausrichtung auf die Zielsetzung des Tech-
55 Die Rahmenbedingungen beziehen sich niktrainings bestimmen die Arten des Tech-
auf die beeinflussenden Umweltfaktoren niktrainings die Hauptinhalte und schließlich
(z. B. Witterungsverhältnisse bei auch die maßgeblichen methodischen Vorge-
­Outdoorsportarten) sowie Vorgaben hensweisen.
durch das Regelwerk, aber auch durch die Polarisierend können bei den Arten des
institutionellen Rahmenbedingungen Techniktrainings das Training zum Erwerb
(z. B. Techniksollwerte in den Lehrwerken der Grundstruktur einer sportlichen Technik
von Fachverbänden). sowie das Wettkampftraining gegenüberge-
55 Die personalen Voraussetzungen beinhal- stellt werden. Darüber hinaus können weitere
ten anthropometrische, physische Aspekte grundlegende Trainingsarten leitend für die
(z. B. konditionelle, koordinative, sportart- Planung des Techniktrainings sein:
spezifsche Voraussetzungen) und psychi- 55 Präzisierungstraining mit einer Fokussie-
sche Aspekte (z. B. Motivation, Ängste). rung auf den Effekt und/oder den Ablauf
55 Die Besonderheiten des Sportgerätes sind der sportlichen Technik
in Bezug auf eine optimale Leistungser- 55 Automatisierungstraining in konstanten,
bringung des Sportlers bei den gegebenen aber auch variablen Situationen
Techniktraining
429 8
55 Entscheidungstraining in Anpassung an als Paradigma für die Gestaltung von Technik-
unterschiedliche Situationen training angesehen werden (zum vertiefen-
55 Variationstraining in Anpassung an Geg- den Studiums. Martin et al. 1991; Meinel und
ner und/oder Situation (antizipierend oder Schnabel 2007; Wiemeyer und Wollny 2017).
reagierend) Grundsätzlich sollte man dem Primat der
Zielorientierung beim (Technik-)Training
Eine Kombination mit dem gezielten Training stets folgen und jederzeit die weiteren Schritte
koordinativer und konditioneller Fähigkeiten der Trainingsplanung und deren Umsetzung

Exkurs: Techniktraining als Komplextraining

Der Begriff des Komplextrainings stammt aus dem 2007; Raeder et al. 2015). So kann beim Training nach
Krafttraining und besagt, dass sich verschiedene dem Serienprinzip die Serienpause zum wiederhol-
Trainingsmethoden in einer Trainingseinheit synerge- ten Einbau der Intervention verlängert werden. Dies
tisch und effektoptimierend ergänzen können sind zur Steigerung der Schnellkraftkomponente
(z. B. Maximalkrafttraining gefolgt von Schnellkraft- üblicherweise bewegungsverwandte Übungen mit
training). Dies wird unter anderem auf einen schwereren Gewichten (z. B. Medizinballwürfe als
möglichen Nachwirkungseffekt zurückgeführt (PAP, Voraktivierung für Handballwürfe). Alternativ sind
Robbins 2005). Im Techniktraining der Sportspiele jedoch zur Steigerung der Bewegungsgeschwindig-
wird die Optimierung von Wurf-, Schlag- oder keit auch Interventionen mit leichteren Gewichten
Schussbewegungen daher vereinzelt durch möglich (z. B. Badminton-Clear-Schläge als
Interventionen begleitet (Ferrauti und Bastiaens Voraktivierung für den Tennis-Aufschlag).

ist möglich und je nach Zielsetzung des Tech- kritisch reflektieren und evaluieren (Kontrolle
niktrainings und dem Niveau der Sportler auch der Lernergebnisse), um nicht in unreflek-
sehr effizient (z. B. Entscheidungstraining mit tierte methodische Gewohnheiten zu verfallen
zunehmender Ermüdung, Automatisierungs- (… das habe ich schon immer so gemacht und
training mit höheren Lasten, Variationstrai- es hat immer funktioniert!).
ning bei hohem Komplexitätsdruck). Vor dem Hintergrund der unterschied-
Die in Abbildung . Abb. 8.17 dargestellte lichen Erklärungsansätze zur motorischen
Abfolge der Arten von Techniktraining darf je- Steuerung, Kontrolle und zum motorischen
doch nicht als zwingende Reihenfolge im Sinne Lernen wird nachfolgend eine Strukturierung
eines Phasen- bzw. Stufenmodells missverstan- von methodischen Vorgehensweisen des Tech-
den werden, auch wenn beim Lernen sport- niktrainings vorgestellt, die sich als pragmati-
licher Techniken eine grundlegende Phasen- sche Lösung für die Trainingspraxis versteht
struktur durchaus leitend sein kann: So lassen (. Abb. 8.18).
sich Bewegungsaufgaben kaum variieren oder Die in . Abb. 8.18 dargestellten grundle-
situationsgerecht anpassen, wenn die Grund- genden Vorgehensweisen können zum einen
strukturen der Technik noch nicht beherrscht abgrenzend und zum anderen variabel in einem
werden. Jedoch wird das Technikerwerbs- Kontinuum zwischen den aufgezeigten Polen
training in vielen Natur- und Spielsportarten verortet werden. Sie können miteinander kom-
von Beginn an von situationsbezogenen Ent- biniert werden oder auch als leitendes Prinzip
scheidungsprozessen begleitet. Damit können in der Trainingspraxis Anwendung finden.
die gängigen Phasen- bzw. Stufenmodelle der In der Regel richtet sich ein Techniktrai-
Trainings- und Bewegungswissenschaft zwar ning an den Technikleitbildern bzw. Sollwer-
als eine brauchbare Orientierung, nicht aber ten der jeweiligen Sportart aus (7 Abschn. 8.2).
430 A. Krombholz

..      Abb. 8.18 Metho-


Besonderheiten der Sportart/einer Bewegungsaufgabe
dische Vorgehenswei-
sen beim Techniktrai-
ning grundlegende Vorgehensweisen

Rahmenbedingungen
techniknah … technikfern
variabel … monoton

Sportgerät
elementhaft synthetisch … ganzheitlich analytisch

Spezifische Vorgehensweisen

Koordinationstraining
Bewegungskorrektur & Videofeedback
Mentales Training

Hilfsmittel

Person

..      Abb. 8.19 Technik-


8 spezifisches Kondi-
tionstraining im
alpinen Skilauf in
Ergänzung zum
Training im Schnee

Jedoch kann im Sinne einer breitbandigen weise höhere Trainingsumfänge zu erzielen. Da-
sportlichen Ausbildung, zum Beispiel im Kin- bei kann die Zieltechnik mehr oder weniger ex-
der- und Jugendtraining, durchaus auch der akt simuliert werden. So kann Techniktraining
Transfer zu Techniken aus anderen Sportar- beispielsweise auch mit Konditionstraining
ten oder auch zu unspezifischen Bewegungs- kombiniert werden (oder umgekehrt).
formen leitend sein (z. B. unterschiedliche Techniktraining kann monoton mit vie-
Sportspiele, verschiedene Sportgeräte im Ka- len Wiederholungen bei möglichst standar-
nusport bzw. Schneesport, allgemeine koordi- disierten Rahmenbedingungen stattfinden
native Bewegungsaufgaben in allen Sportarten; oder auch gezielt variabel gestaltet werden.
. Abb. 8.19). Im Kontext von variablem Techniktraining
Außerdem kann Techniktraining auch bei können sowohl die Parameter der Rahmen-
veränderten Rahmenbedingungen und ggf. mit bedingungen (z. B. Gegnerverhalten, Um-
anderen Sportgeräten stattfinden, um beispiels- weltbedingungen) als auch die Bewegungs-
Techniktraining
431 8
Exkurs: Variables und monotones Techniktraining

In einem Kontinuum zwischen monotonem und des Technikleitbildes, Korrekturen im Sinne eines
variablem Training können Zuordnungen zu den Soll-Ist-Vergleichs, Bewegungsbeschreibungen,
informationsverarbeitenden bzw. systemdynami- Bewegungserklärungen, Bewegungsanweisungen
schen Ansätzen hergestellt werden. Da jedoch auch zugeordnet.
bei den informationsverarbeitenden Ansätzen der Dem variablen Training werden Vorgehens-
Aspekt der Variabilität bedeutsam ist, können weisen wie z. B. Provozieren von instabilen
unterschiedliche methodische Vorgehensweisen Zuständen, Veränderungen der Bewegungsspiel-
zwischen den beiden Polen verortet werden. Eine räume, Prozesse der Selbststeuerung und
eindeutige Zuordnung zu speziellen Modellen bzw. Selbstregulation, Korrekturen und Demonstratio-
übergreifenden Ansätzen kann und soll hieraus nen nur im Sinne der Aufgabenstellung (und
nicht zwingend abgeleitet werden (. Abb. 8.20). nicht bezogen auf ein Technikleitbild), Bewe-
Dem monotonen Training werden überwie- gungsaufgaben zugeordnet (Krombholz und Ott
gend Vorgehensweisen wie z. B. Demonstrationen 2015).

Informationsverarbeitungsansätze Systemdynamische Ansätze


Modelle zur Kontrolle und
Steuerung von Bewegungen

des Technikleitbilds Demonstration der Aufgabenstellung


der Abweichungen vom Technikleitbild Korrekturen der Aufgabenstellung
v. a. durch Situationsveränderungen Variabilität Provozieren v. instabilen Zuständen
monotones variables
Kontinuum der methodischen Vorgehensweisen
Trainieren Trainieren
Selbststeuerung Orientierung am
Bewegungsbeschreibungen individuellen Optimum

Orientierung am Bewegungsanweisungen
Technikleitbild
Bewegungsaufgabe

..      Abb. 8.20 Methodische Vorgehensweisen im Kontinuum zwischen monotonem und variablem Training

parameter variiert werden (z. B. simultane führt diese Vorgehensweise bei schnellen und
und sukzessive Aktionen, die zusätzlich zu komplexen Techniken vielfach zu Überforde-
der Technik ausgeführt werden, oder auch rungen, vor allem beim Training zum Erwerb
die Reduzierung der Komplexität von Aktio- der Grundstruktur und insbesondere, wenn
nen). die Bewegungen kaum langsamer und/oder
Eine weitere Vorgehensweise beim unter vereinfachten Bedingungen ausgeführt
Techniktraining richtet sich an der Bewe- werden können (z. B. Rotationssprünge). In
gungsstruktur der sportlichen Technik aus Anlehnung an die Konzeptionen zu den Bewe-
(7 Abschn. 8.2). So können sportliche Tech- gungsstrukturen bzw. -phasen von sportlichen
niken als Ganzes trainiert werden. Jedoch Techniken können auch Technikelemente iso-
432 A. Krombholz

Exkurs: Neue Wege im Techniktraining: Gehirnstimulation

Sportliche Bewegung wird in den motorischen während eine Gruppe tDCS über den motorischen
Arealen des Gehirns initiiert und im Rahmen von Gehirnarealen erhielt, eine Kontrollgruppe allerdings
motorischem Lernen und Techniktraining auch nur eine Scheinstimulation. tDCS führte dazu, dass
zentralnervös abgespeichert. Somit ist es nahelie- das Gleichgewicht signifikant länger gehalten
gend zu versuchen, die für Bewegungslernen werden konnte und dass die Ausschläge auf dem
relevanten Bereiche des Gehirns besonders Wackelbrett geringer ausfielen. Diese Effekte traten
empfänglich zu machen. Eine relativ neue Technik, auch noch dann auf, als an einem zweiten Tag keine
die genau dazu eingesetzt wird, ist die transkraniale tDCS erfolgte. Insgesamt ist die Studienlage zu
Gleichstrom-Stimulation (Transcranial Direct Current Effekten von tDCS beim Erlernen und Trainieren
Stimulation, tDCS). In einer entsprechenden Studie komplexer Bewegungsaufgaben und sportlicher
hatten Teilnehmerinnen zur Aufgabe, ihr Gleichge- Techniken allerdings noch gering (Kaminski et al.
wicht stehend auf einem Wackelbrett zu halten, 2016).

liert trainiert werden, sofern dies in funktio- der Fachliteratur häufig als eigenständige Be-
naler Ausrichtung an der Zieltechnik möglich reiche des Sportunterrichts bzw. des Trainings
ist (z. B. Absprungphase beim Weitsprung, angesehen werden und über eine lange Tradi-
8 Ausholphase beim Tennisaufschlag). Eine tion in den sportwissenschaftlichen Publikatio-
Kombination der beiden Vorgehensweisen im nen verfügen. Aufgrund der großen Bedeutung
Sinne einer Ganz-Teil-Ganz-Methode ist, vor im Kontext der Trainingspraxis werden in die-
allem vor dem Hintergrund einer Binnendif- sem Kapitel nachfolgend die Aspekte des Ko-
ferenzierung beim Training mit heterogenen ordinationstrainings, der Bewegungskorrektur
Gruppen, sinnvoll. und des Videofeedbacks dargestellt und erläu-
Spezifische Vorgehensweisen verstehen sich tert. Zum vertiefenden Studium des mentalen
als eine Bündelung unterschiedlicher Maßnah- Trainings sei auf die einschlägige sportwissen-
men, die im Rahmen von Techniktraining eine schaftliche Literatur verwiesen (z. B. Eberspä-
herausgehobene Bedeutung besitzen, da sie in cher 2012; Mayer und Hermann 2015).

..      Abb. 8.21 Methodische Hilfsmittel im Schneesport (a), Einsatz von Seilen bei einer Partnerübung zur
Verbesserung des Kantens beim alpinen Skilauf (b; Foto: DSV 2012, S. 84)
Techniktraining
433 8
Methodische Hilfsmittel unterstützen das
Techniktraining und dienen einer Optimie-
rung des Lernprozesses auch vor dem Hinter-
grund einer ökonomischen Trainingsgestaltung,
insbesondere bei größeren Trainingsgruppen
(. Abb. 8.21). Der Einsatz von Hilfsmitteln sollte
stets kritisch in Bezug auf die Aufwand- bzw.
Kosten-Nutzen-Relation betrachtet werden.

8.4.1 Koordinationstraining
..      Abb. 8.22 Training mit älteren Menschen (Kopp-
Die intra- und intermuskuläre Koordination lungsfähigkeit, Gleichgewichtsfähigkeit; Foto: Andrea
ist ein Fundament aller zielgerichteten Bewe- Bowinkelmann | © LSB NRW)
gungshandlungen (7 Kap. 4 und 5), also auch
von sportlichen Techniken. Koordinative Fä- In einem erweiterten Verständnis sind
higkeiten sind in der gesamten Lebensspanne die positiven Einflüsse von Koordinations-
trainierbar und weisen ein hohes Maß an in- training auch in Bezug auf die konditionellen
ter- und intraindividueller Variabilität auf. Die Fähigkeiten augenscheinlich und umfassen
große Bedeutung koordinativer Aspekte bezieht neben der Kraft und Schnelligkeit sogar die
sich jedoch nicht nur auf sportliche Bewegun- Anforderungen im Bereich des Ausdauer-
gen im Leistungssport, sondern auch auf unter- trainings (Hottenrott und Hoos 2013; Stein-
schiedliche Anwendungsbereiche im Freizeit-, höfer 2015). So erhöhen gut ausgeprägte ko-
Schul-, Gesundheits- und Behindertensport so- ordinative Fähigkeiten Bewegungsökonomie
wie darüber hinaus auch im Rahmen der mo- (energetisch) und Leistung (neuromuskulär)
torischer Arbeits- und Alltagsanforderungen, für Ausdauer, Kraft und Schnelligkeitsanfor-
z. B. bei älteren Menschen (. Abb. 8.22). derungen (7 Kap. 4, 5 und 7).

Exkurs: Koordinationstraining zwischen Generalität/Transferabilität und Spezifität

Rostock und Zimmermann (1997) publizierten ein Die Qualität des Handlungsvollzugs (der sportli-
Konzept, welches in Bezug auf die oftmals chen Technik) kann nur dann verbessert werden,
dogmatische Abgrenzung zwischen (allgemeinem) wenn Techniktraining und (koordinatives)
Koordinationstraining und Fertigkeitstraining (im Fähigkeitstraining sinnvoll aufeinander abgestimmt
Folgenden Techniktraining) vermittelt. Sie werden. Die Trainingsformen sind mit fließenden
verstehen Koordination als ein Konstrukt, welches Grenzen in einem Kontinuum angeordnet
durch das Zusammenwirken von sportlichen . Abb. 8.23). Nach Auffassung von Rostock und
Techniken und koordinativen Fähigkeiten vor dem Zimmermann (1997) weisen die generalisierten
Hintergrund der energetischen Leistungsvoraus- koordinativen Fähigkeiten ein hohes Maß an
setzungen des Sportlers geprägt ist und die Transferabilität auf und sind damit eine wesent-
bewegungsregulative Qualität einer (sportlichen) liche Grundlage für den Erwerb von sportlichen
Handlung kennzeichnet. Techniken. Die positiven Effekte sind jedoch in
434 A. Krombholz

beide Richtungen möglich. So kann das Training allgemeine Koordination und spezifische Technik
sowohl als fähigkeitsorientiertes Techniktraining als gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille
auch im Sinne eines technikorientierten Fähigkeits- darstellen. Koordinativ-­konditionelles Grundlagen-
trainings ausgerichtet sein. Die von Rostock und training hat den erwünschten Nebeneffekt der
Zimmermann (1997) dargestellten Differenzierun- Verbesserung der sportlichen Techniken. Genauso
gen sind jedoch sehr kleinschrittig und widerspre- beeinflusst Techniktraining auch die koordinativ-­
chen in Teilen der Grundidee eines Konzeptes mit konditionellen Fähigkeiten. „Eines ist ohne das
fließenden Übergängen. Trotzdem kann man der andere nur begrenzt effektiv“ (Steinhöfer 2015,
Aussage von Steinhöfer (2015) folgen, dass S. 300).

..      Abb. 8.23 Koordi- Fähigkeitstraining Techniktraining


GENERALITÄT/TRANSFERABILITÄT

nationstraining im
Kontinuum zwischen
Generalität und
Spezifität (mod. nach
Rostock und Zimmer-

SPEZIFITÄT
mann 1997)

technik-
8 fähigkeits-
bezogen
(monoton)
orientiert
technikorientiert (variabel)
fähigkeits- technik- technik-
bezogen gerichtet spezifisch

In den sportwissenschaftlichen Teildiszipli- der Informationsaufnahme und -verarbeitung,


nen findet man sehr unterschiedliche Sichtwei- welcher der nervösen und muskulären Steue-
sen und Strukturierungsvorschläge von Koor- rung vorausgeht.
dination. Im engeren, physiologischen Sinne
beschreibt Koordination das Zusammenwir- Koordination im Sport
ken von Zentralnervensystem und Skelettmus- Koordination ist das Zusammenwirken
kulatur innerhalb eines gezielten Bewegungs- von gezielter Informationsaufnahme und
ablaufs (Hollmann 1990). Bernstein definiert der Verarbeitung von Informationen
die Koordination der Bewegung als „die Über- sowie der darauf folgenden, nervösen
windung der überflüssigen Freiheitsgrade des Steuerung mit anschließender muskulärer
sich bewegenden Organs, mit anderen Worten, Ausführung mit dem Ziel, eine Bewe-
seine Umwandlung in ein steuerbares System. gungshandlung effektiv und ökonomisch
Kürzer gesagt ist die Koordination die Organi- in Anpassung an die gegebenen Umge-
sation der Steuerbarkeit des Bewegungsappa- bungsbedingungen (Objekte und
rates“ (Bernstein 1987, S. 181–182). Voigt und Ereignisse) auszuführen (Bernstein 1987;
Westphal (1995) erweitern das Verständnis Voigt und Westphal 1995; Nitsch und
von Koordination um den, nicht nur aus der Munzert 1997).
Sicht der Sportspiele, sehr wichtigen Aspekt
Techniktraining
435 8
In den 1960er-Jahren bildete das Konstrukt der psychischen Wohlbefindens, aber auch eine
Gewandtheit die äußerlich beobachtbaren As- Prophylaxe von Verletzungen. Daher kann
pekte der internen koordinativen Aspekte zur der Eindruck entstehen, dass Koordinations-
schnellen und zweckmäßigen Lösung motori- training eine motorische Allzweckwaffe dar-
scher Aufgaben ab (Meinel 1960; Meinel und stellt. Jedoch sind viele dieser weitreichenden
Schnabel 2007). In den 1970er-Jahren erfolgten Effekte, insbesondere die psychologischen,
differenzierte Operationalisierungen des für kaum durch seriöse Studien belegbar. Die
die Trainingspraxis kaum umsetzbaren Kons- unterschiedlichen Konzeptionen, die zum Ko-
trukts der Gewandtheit unter anderem in den ordinationstraining publiziert wurden, lassen
Publikationen von Blume (1978) und Hirtz zwei unterschiedliche Sichtweisen erkennen
(1977). Sie wurden sowohl deduktiv auf der (. Abb. 8.24):
Basis von Theorien zur Motorik als auch in- 55 eine Fokussierung auf die individuellen
duktiv auf der Basis umfassender sportmotori- Fähigkeiten des Sportlers sowie
scher Tests und Beobachtungen hergeleitet. Die 55 die Analyse der situativen Anforderungen
Bedeutung des Trainings der koordinativen Fä- an den Sportler.
higkeiten war weitgehend unbestritten und mit
den folgenden grundlegenden Zielsetzungen Im Folgenden werden stellvertretend für diese
verknüpft: unterschiedlichen, sich jedoch nicht ausgren-
55 Verbesserung der Steuerungsfähigkeit (Be- zenden Konzepte die Modelle nach Blume
wegungsqualität und/oder Bewegungser- (1978) sowie nach Neumaier (1999) dargestellt
gebnis) (weitere Ansätze finden sich z. B. in den Publi-
55 Verbesserung der Adaptionsfähigkeit kationen von Hirtz 1977; Hossner 1995, 2004;
(fremd- und selbstbestimmt) Roth 1982). Beide hier dargestellten Ansätze
55 Verbesserung der motorischen Lernfähig- ergänzen sich in ihrer Ausrichtung auf die Ad-
keit (Grad der Schnelligkeit und der Qua- ressatengruppe, den Anforderungen der Be-
lität des Lernens). wegungsaufgabe sowie die Trainingsziele. Der
fähigkeitsorientierte Ansatz geht von klar iso-
Darüber hinaus werden auch weitere, zum lierbaren, spezifischen koordinativen Teilvor-
Teil sehr spekulative, positive Effekte des Trai- aussetzungen und Potentialen des Individuums
nings koordinativer Fähigkeiten beschrieben. aus, die aufgrund ihrer Generalität einen Mehr-
Dazu zählen unter anderen die Verbesserung wert für viele Sportarten besitzen sollen (Blume
von Gedächtnis- und Lernleistungen und des 1978).

..      Abb. 8.24 Sichtweisen von Individuelle Situative


Koordinationstraining Fähigkeiten Anforderungen
des Sportlers an den Sportler

Fähigkeitsorientiertes Anforderungsorientiertes
Koordinationsmodell Koordinationsmodell
z. B. Blume 1978 z. B. Neumaier 1999

Situative Individuelle
Verfügbarkeit Verfügbarkeit
436 A. Krombholz

Definitionen der koordinativen Fähig-


keiten (mod. nach Blume 1978; Meinel
und Schnabel 2007) mus) einer Bewegung in der eigenen
Bewegungstätigkeit zu realisieren.
55 Differenzierungsfähigkeit: Fähigkeit
55 Umstellungsfähigkeit: Fähigkeit, wäh-
zum Erreichen einer hohen Feinab-
rend des Handlungsvollzugs, auf der
stimmung einzelner Bewegungspha-
Grundlage wahrgenommener oder an-
sen und Teilkörperbewegungen, die in
tizipierter Situationsveränderungen,
großer Bewegungsgenauigkeit und
das Handlungsprogramm den neuen
Bewegungsökonomie zum Ausdruck
Gegebenheiten anzupassen und moto-
kommt.
risch umzusetzen oder es eventuell
55 Gleichgewichtsfähigkeit: Fähigkeit, den
durch ein völlig neues und adäquates
gesamten Körper im Gleichgewichts-
Handlungsprogramm zu ersetzen und
zustand zu halten oder während und
die Handlung auf völlig andere Weise
nach umfangreichen Körperverlage-
fortzusetzen.
rungen diesen Zustand beizubehalten
oder wiederherzustellen.
55 Kopplungsfähigkeit: Fähigkeit, Teilkör-
perbewegungen (z. B. Extremitäten,
Die klar umrissenen, wenngleich auch
nicht immer trennscharfen Fähigkeitsbereiche
8 Kopf, Rumpf ) untereinander und in Be-
ermöglichen nicht nur die Realisierung geziel-
ziehung zu der Gesamtbewegung
räumlich, zeitlich und dynamisch funk-
ter und differenzierter Trainingsmaßnahmen,
tional aufeinander abzustimmen.
sondern auch die Entwicklung ganzer Testbat-
55 Orientierungsfähigkeit: Fähigkeit zur
terien zur Ermittlung von sportmotorischen
Bestimmung und zielangepassten Ver-
Entwicklungspotenzialen von Kindern und
änderung der Lage und Bewegung des
Jugendlichen (z. B. Bös 2017). Die Trainings-
Körpers in Raum und Zeit, in Bezug auf
maßnahmen des fähigkeitsorientierten Koor-
ein festgelegtes Aktionsfeld (z. B. Spiel-
dinationstrainings sind entweder ergänzend
feld, Skipiste, Turngeräte) und/oder ein
zum Techniktraining zu verorten, oder sie
sich bewegendes Objekt (z. B. Ball,
werden als eigenständiger Inhaltsbereich der
Gegner, Partner).
motorischen Fähigkeiten, vor allem im Kin-
55 Reaktionsfähigkeit: Fähigkeit zur
der- und Jugendtraining sowie im Training mit
schnellen Einleitung und Ausführung
älteren Menschen, angesehen.
zweckmäßiger motorischer Aktionen
Trainingsmaßnahmen in Ausrichtung an das
auf mehr oder weniger komplexe Sig-
fähigkeitsorientierte Koordinationsmodell sto-
nale (z. B. Aktionen des Gegners).
ßen in wesentlichen Bereichen jedoch immer
55 Rhythmisierungsfähigkeit: Fähigkeit, ei-
wieder an ihre Grenzen (. Abb. 8.25):
nen von außen vorgegebenen Rhyth-
55 Die koordinativen Fähigkeiten sind vielfach
mus zu erfassen und motorisch umzu-
zu wenig spezifisch in Bezug auf konkreten
setzen. Außerdem die Fähigkeit, einen
Anforderungen an sportliche Techniken in
verinnerlichten Rhythmus (in der eige-
unterschiedlichen Situationen, insbeson-
nen Vorstellung existierenden Rhyth-
dere auf höherem Leistungsniveau.
55 Wesentliche Parameter sportartspezifi-
scher Anforderungen in den Sportarten
Techniktraining
437 8
bleiben unberücksichtigt (z. B. situative sich primär an den typischen koordinativen
­Druckbedingungen in den Sportspielen, Leistungsvoraussetzungen von motorischen
psychischer Belastungsdruck). Aufgabenstellungen ausrichtet. Die ent-
scheidende Abgrenzung zu dem fähigkeits-
Daher entwickelten Neumaier und Mech- orientierten Konzept besteht in der engen
ling (1995) und in der Weiterführung Neu- Orientierung an den sportlichen Techniken
maier (1999) ein alternatives Strukturmo- und Anforderungen bzw. Aufgaben in den
dell zum Koordinationstraining, welches Sportarten.

a b

..      Abb. 8.25 Gleichgewichtsanforderungen in zungsfläche, b beim Riesenslalom durch die wirken-


unterschiedlichen Sportarten: a beim Turnen auf dem den Kurvenkräfte (Fotos: a Andrea Bowinkelmann ©
Schwebebalken, bedingt durch die schmale Unterstüt- LSB NRW; b DSV 2012, S. 48)

Exkurs: Modulares Konzept nach Hossner (1995, 2004)

In dem Modell von Hossner (1995, 2004) werden Grundlagen dieses Konzeptes sowie die
Aspekte des Koordinationstrainings, der Folgerungen für die Trainingspraxis kurz
funktionalen Bewegungsanalyse sowie der skizziert:
Dispositionen und Prozesse der Steuerung und 55 Grundannahme: Eine Ausgangssituation (S) ist
Kontrolle von sportlichen Techniken zusammen- so zu verändern, dass ein bestimmter Effekt
geführt. Er orientiert sich bei der Ableitung des (E) eintritt. Die dazu notwendige Situations-
modularen Konzeptes an einer effektorientierten veränderung ist durch eine motorische Aktion
modularen Bewegungskontrolle im Sinne der (R = Response) herbeizuführen. SRE-Modelle
SRE-Modelle (Situation, Response, Effekt, sind spezifisch in Ausrichtung auf einen Ef-
z. B. Modell der antizipativen Verhaltenskont- fekt. Es wird von einer Koexistenz mehrerer
rolle; Hoffmann 1993). Nachfolgend werden die Kontrollmodule ausgegangen (Wolpert und
438 A. Krombholz

Kawato 1998). Die Anzahl der Module fällt je Technik A Technik B


nach Erfahrung unterschiedlich aus.
55 Sportliche Techniken (Technikgebäude) sind

Technikbausteine
Technikvariante A 2
das Resultat der situativ angepassten Zusam-
menstellung von Motorikmodulen (Technik-
bausteinen), die einen feineren Körnungsgrad
als die klassischen koordinativen Fähigkeiten
aufweisen (z. B. Volleyball: Laufweg zum Ball
anpassen, Ball im Blick halten).
55 Technikbausteine sind für die Realisierung
verschiedener sportlicher Techniken (Technik-

Technikvariante B 2
Technikvariante A 1
gebäude) von Bedeutung. Das gilt für unter-
schiedliche Techniken in einer Sportart, aber
auch für Techniken in verschiedenen Sport-
arten, wobei diese dann mit anderen sportart-
spezifischen Technikbausteinen kombiniert
werden müssen.
55 Transferwirkungen sind umso größer, je mehr
Technik A Technik B
gleiche (oder ähnliche) Technikbausteine in
unterschiedlichen Techniken vorhanden sind

Technikvariante B 1
Technikbausteine

(z. B. Tennisaufschlag, Volleyballaufschlag).


8 55 Ermittlung der Bausteine durch die Expertise
von Fachleuten sowie empirischen Überprü-
fungen (z. B. im Volleyball).
55 Konsequenzen für das Training (v. a. Anfänger-
bereich): sportartübergreifendes Technikbau-
steintraining (z. B. Heidelberger Ballschule).
..      Abb. 8.26 Unterschiedliche sportliche
55 Konsequenzen für das Training im Fortge-
Techniken (Technikgebäude) mit deren
schrittenen- und Expertenbereich: sportart-
spezifisches Technikbausteintraining und/oder Technikbausteinen (Technik A und B) und
Technikgebäudetraining (Techniktraining mit unterschiedliche Varianten der Techniken
einer möglichst großen Nähe zwischen Trai- (Technikvariante 1 und 2; mod. nach Kittel et al.
nings- und Wettkampfsituation; . Abb. 8.26). 2016)

In diesem Modell findet ein Perspektivwech- Basis von Literaturanalysen und Plausibilitäts-
sel von einer Fokussierung auf die individuellen betrachtungen abgeleitet. Das Strukturmodell
Fähigkeiten zu den koordinativen Anforderun- beinhaltet zum einen die Informationsanfor-
gen statt, welche sich aus der Bewegungsaufgabe derungen und zum anderen die Druckbedin-
oder auch der Sportart ableiten lassen. gungen, welche an die Bewältigung einer Bewe-
Hierzu werden zunächst die konkreten Be- gungsaufgabe geknüpft sind (. Abb. 8.27).
wegungsaufgaben der zu betrachtenden Sport- In dem linken Teil der . Abb. 8.27 wer-
arten hinsichtlich der koordinativen Anfor- den die Informationsanforderungen einer
derungen analysiert, um anschließend durch Bewegungsaufgabe hinsichtlich der Informa-
die Variation der Anforderungen zielführende tionsverarbeitung mit den unterschiedlichen
Trainingsmaßnahmen abzuleiten (Neumaier Analysatoren (optisch, akustisch, taktil, kinäs-
2002). Die Aufgabenschwierigkeit ist dabei un- thetisch, vestibulär) und den entsprechenden
ter anderem von dem individuellen Können des Sinnesorganen dargestellt. Die herausgeho-
Sportlers abhängig. Außerdem schließt eine Be- bene Verortung der Gleichgewichtsanforde-
wegungsaufgabe immer auch konditionelle, ko- rungen begründet sich zum einen durch die
gnitive und emotionale Anforderungen mit ein multiplen Sinnesleistungen, welche beim Auf-
(Neumaier 2002). Die koordinativen Anforde- rechterhalten des Gleichgewichts einfließen,
rungen von Bewegungsaufgaben wurden auf der und zum anderen durch die große Bedeutung
Techniktraining
439 8
..      Abb. 8.27 Anfor-
Koordinative Anforderungen von Bewegungsaufgaben
derungsorientiertes
Koordinationsmodell
(mod. nach Neumaier
2009) Informationsanforderungen Druckbedingungen
+
Präzisionsdruck

kinästhetisch

vestibulär
akustisch
Zeitdruck
optisch

taktil
Komplexitätsdruck

Situationsdruck

Gleichgewichtsanforderung Belastungsdruck
+ – + –

Beispiel: Formen der sensorischen Wahrnehmung

55 Visuelle Wahrnehmung (Sehen): z. B. Helligkeit, 55 kinästhetische Wahrnehmung (Spüren, inneres


Forme/Kontur, Farbe, Bewegung von Gegen- Bewegungsempfinden): z. B. Muskelspannung,
ständen/Personen Gelenkstellung
55 auditive Wahrnehmung (Hören): z. B. (bewegungs- 55 vestibuläre Wahrnehmung (Beschleunigen des
begleitende) Geräusche, Absprachen der Gegner Kopfes): z. B. Beschleunigung, Rotation
55 taktile Wahrnehmung (Tasten, Fühlen): z. B. Ob-
jektbeschaffenheit, Temperatur, Gegnerkontakt

des Gleichgewichts bei einer Bewegungsauf- 55 Anforderungen hinsichtlich der aufei-


gabe, da ein Verlust desselben in aller Regel zur nanderfolgenden (sukzessiven) Bewe-
Folge hat, dass die Aufgabe nicht erfolgreich gungsteile (K 2)
bewältigt werden kann. 55 Anforderungen hinsichtlich des Um-
Die Druckbedingungen ergeben sich aus fangs der dabei einzubeziehenden
der Zielsetzung der Bewegungsaufgabe, der Muskelgruppen (feinmotorisch, groß-
zur Anwendung kommenden Technik bzw. motorisch) (K 3)
den Techniken sowie den äußeren und perso- 55 Situationsdruck:
nenbezogenen Ausführungsbedingungen. Die 55 Anforderungen hinsichtlich der Varia-
Druckbedingungen werden wie folgt definiert bilität der Umgebungs- bzw. Situati-
(Neumaier 2002, 2009): onsbedingungen (S 1)
Informationsanforderungen und Druckbe- 55 Anforderungen hinsichtlich der Kom-
dingungen (Neumaier 2002, 2009) plexität der Umgebungs- bzw. Situati-
55 Präzisionsdruck: Anforderungen hinsicht- onsbedingungen (S 2)
lich der Bewegungsgenauigkeit (Verlaufs-/ 55 Belastungsdruck:
Ergebnisgenauigkeit) 55 Anforderungen hinsichtlich der phy-
55 Zeitdruck: Anforderungen hinsichtlich sisch-konditionellen Belastungsbedin-
der verfügbaren Bewegungszeit und/ gungen (B 1)
oder zu erreichenden Bewegungsge- 55 Anforderungen hinsichtlich der psy-
schwindigkeit chischen Belastungsbedingungen
55 Komplexitätsdruck: (B 2)
55 Anforderungen hinsichtlich der gleich-
zeitig ablaufenden (simultanen) Teil- Beide Anforderungsgruppen (Informations-
bewegungen (K 1) anforderungen und Druckbedingungen) kön-
440 A. Krombholz

nen als zwei miteinander gekoppelte Schalt- somit auch nicht sportartübergreifend vergleich-
pulte mit einzelnen Reglern dargestellt werden, bar. Die Gesamtkonstellation der Reglerstellun-
um die Analyseergebnisse zu dokumentieren gen ergibt das koordinative Anforderungsprofil
(. Abb. 8.28). der Bewegungsaufgabe als Grundlage für die
Die Reglerstellungen zwischen den Polen abzuleitenden Trainingsmaßnahmen. Je nach
sehr hoch und sehr niedrig entsprechen der Ein- Sportart bzw. Bewegungsaufgabe können die
schätzung des Bedeutungs- bzw. Schwierigkeits- Informationsanforderungen und die Druckbe-
grads der entsprechenden Kategorie durch den dingungen ausdifferenziert, verändert, ergänzt
Nutzer. Sie sind daher kaum objektivierbar und oder reduziert werden (. Abb. 8.29).

..      Abb. 8.28 Koordinations-Anforde- Informationsanforderungen Druckbedingungen


rungs-Regler (KAR) mit exemplarischen
Reglerstellungen (mod. nach Neumaier + P
2009) k
Z
v
o
K1
t K2
8 K3
a
S1
– S2

B1
G
– + B2
– +

Info-Anforderungen Druckbedingungen

+ Z +

KT K
U
Bk

OP Bp
OB _ Sv U

G Sn –
– + – +

..      Abb. 8.29 Koordinations-Anforderungs-Regler (OP); kinästhetisches-taktiles Wahrnehmen (KT);


(KAR) mit exemplarischen Reglerstellungen für einen Gleichgewichtsregulation (G). Druckbedingungen:
Aufschlag (hoch-weit) im Badminton (Hasse et al. Zeitdruck (Z); Präzisionsdruck (P); Komplexitätsdruck
2010). Info-Anforderungen: optischer Analysator simultan, sukzessiv (K); Belastungsdruck körper-
Bewegungssehen und räumliches Tiefensehen (OB); lich-physisch (Bp); Situationsdruck vor dem Schlag
optischer Analysator peripheres, ganzheitliches Sehen (Sv); Situationsdruck nach dem Schlag (Sn)
Techniktraining
441 8
Praxistipp: Variationsmöglichkeiten beim Koordinations- und Techniktraining

55 Veränderung der Bewegungsziele ȤȤ Variation des Umfeldes (z. B. Umwelt-


(z. B. Dynamik/Geschwindigkeit der komplexität, Umweltvariabilität)
Gesamtbewegung, Weglassen/Hinzuneh- ȤȤ Variation des Verhaltens mitwirkender
men von (Teil-)Bewegungen) Personen (z. B. Gegner-/Mitspielerver-
55 Veränderung der physikalisch-­ halten)
biomechanischen Bedingungen 55 Veränderung der energetischen Bedingun-
ȤȤ Variationen hinsichtlich der Personen- gen
eigenschaften (z. B. Zusatzgewichte, ȤȤ Variation der Belastungsdauer und
Bekleidung, Schuhe) der Belastungsintensität
ȤȤ Variation hinsichtlich der Material- bzw. 55 Veränderung der psychologischen
Geräteeigenschaften (z. B. Schläger, Bedingungen
Boot, Ski) ȤȤ Variation der sozialen Stressoren
ȤȤ Variation der Umweltbedingungen (z. B. Zuschauer, Mitspieler, Gegner)
(z. B. Untergrund, Witterung, Gelände) ȤȤ Variation der psycho-physischen
55 Veränderung der Bedingungen der Befindlichkeit
sportlichen Auseinandersetzung und 55 Veränderung der Informationsbedingungen
Kooperationsbedingungen ȤȤ Variation der optischen, akustischen,
ȤȤ Variation des Aktionsraums taktilen, kinästhetischen und
(z. B. Größe des Spielfeldes) vestibulären Wahrnehmung (einzeln
ȤȤ Variation des Körperkontakts oder kombiniert)
(erlauben, einschränken, verbieten) ȤȤ Variation der Gleichgewichtsanforde-
ȤȤ Variation der zeitlichen Realisierungs- rungen
bedingungen (z. B. zeitgleich mit bzw.
vor/nach anderen)

8.4.2 Bewegungskorrektur selbst (ohne externe Hilfe) akustisch wahrge-


nommen wurde.
Während jeder Bewegungsausführung, also Ergänzend dazu unterscheidet man aug-
auch beim Techniktraining, erhält man eine mented oder verstärktes Feedback. Hier-
Vielzahl an sensorischen Rückmeldungen bei handelt es sich um zusätzliche, externe
(Feedback). Diese Rückmeldungen über die Rückmeldungen, die entweder die eigene
eigene Bewegungsausführung basieren auf (möglicherweise unzureichende) Selbst-
der Selbstwahrnehmung über körpereigene wahrnehmung unterstützen, oder solche
Sensoren (z. B. kinästhetisch, visuell), wobei Rückmeldungen, die ohne technische Hilfs-
man zwischen intrinsisch internalem und in- mittel oder Trainer nicht verfügbar sind. In
trinsisch externalem Feedback unterscheidet. Bezug auf das Beispiel aus dem Volleyball
Nimmt man beispielsweise wahr, wie sich der entspräche die Rückmeldung: Der Schmetter-
Schmetterschlag beim Volleyball in der Schlag- schlag ging 2 cm ins Seitenaus einer Rückmel-
hand angefühlt hat, so handelt es sich um ein dung, die man selbst nicht oder nur ungenau
intrinsisch internales Feedback in Bezug auf wahrnehmen bzw. abschätzen kann. Bei Be-
den eigenen Körper. Nimmt man zusätzlich wegungskorrekturen handelt es sich somit
das Geräusch des Schmetterschlages wahr, so also um verstärktes Feedback zur Unterstüt-
entspräche dies einem intrinsisch externalen zung des Trainingserfolgs. Die Herausforde-
Feedback aus der Umwelt, welches allerdings rung dabei ist, die Form und die Ausprägung
442 A. Krombholz

der Rückmeldung so zu wählen, dass sie nicht Bewegungsziel nicht zuträglich sind. Hier ist
redundant mit der eigenen Selbstwahrneh- der Lehrer als Bewegungsexperte gefragt, da-
mung ist, sondern tatsächlich eine zusätz- mit sich diese für eine weitere Optimierung
liche und wertvolle Information darstellt der Technik hinderlichen Bewegungsmuster
(Gollhofer et al. 2012). nicht ungewollt (positiv) einprägen.
Die Bewegungskorrektur im Techniktrai- Daher liegt der Vorteil von Sportarten, de-
ning ist vor dem Hintergrund der Rahmen- ren Effekte zwingende, also unmittelbar vom
bedingungen, der Sportgeräte, den persön- Sportler erkennbare Auswirkungen in Bezug
lichen Voraussetzungen des Lernenden und auf das vorher dargestellte Phänomen haben,
schließlich den Besonderheiten der Sportart darin, dass die meisten Fehler einen sicht-
bzw. einer speziellen Bewegungsaufgabe sehr baren bzw. spürbaren negativen Effekt haben
komplex. Grundsätzlich können sich Korrek- (. Abb. 8.30; z. B. Sturz durch Gleichgewichts-
turen auf den Bewegungsablauf (Knowledge of
Performance) oder auf das Bewegungsergebnis
beziehen (Knowledge of Results) (. Tab. 8.3;
Hänsel 2006; Marschall und Daugs 2003).
Untersuchungen unterstreichen die Ver-
mutung, dass eine Effektorientierung (KR) sehr
8 wesentlich für das Lernen von Bewegungen ist
(Scherer 2014). Dieser Umstand bezieht sich
sowohl auf die Eigenrealisation als auch auf die
Bewegungsbeobachtung, zum Beispiel im Rah-
men von observativem Training. Allerdings ist
der Erkenntnisstand diesbezüglich noch sehr
dürftig. Zudem führen positive überraschende
Effekte offensichtlich verstärkt zur nachhalti-
gen Bildung neuer Synapsen. Jedoch können ..      Abb. 8.30 Zwingende Effekte beim Freeskiing
das auch Effekte sein, die vom Lernenden zwar (Kicker): Technikfehler haben einen Sturz zur Folge:
als positiv wahrgenommen werden, aber dem Underrotation und Rebonce (Foto: Florian Preuß)

..      Tab. 8.3 Dimensionen von Feedback beim Techniktraining (mod. nach Marschall und Daugs 2003;
Hänsel 2006)

Dimension Ausprägung

Form Knowledge of Results (KR), Knowledge of Performance (KP)


Bandwidth-KR/KP, Average-KR/KP

Häufigkeit absolute bzw. relative Häufigkeit (fremd-/selbstbestimmt)

Informationsgehalt qualitativ, quantitativ

zeitliche Platzie- simultan, terminal


rung Präintervall (Zeitspanne zwischen der Bewegung und der Korrektur)
Postintervall (Zeitspanne zwischen der Korrektur und der erneuten Bewegung)
Gesamtintervall (zusätzliche Aktivitäten zwischen Aufnahme, Wiedergabe und
Training)

Modalität Sinneskanal (visuell, auditiv, taktil, kinästhetisch)

Inhalt Bezug zu fehlerhaften bzw. korrekten Aspekten der Technik (Sollwertbezug)


Techniktraining
443 8
verlust beim Windsurfen, Ski- und Snowboard- häufigem Loben bei fehlerhaften Bewegungen
fahren, Treffgenauigkeit bei Torschüssen). sehr zurückhaltend sein sollte, insbesondere
Negative Effekte werden somit vom Lernen- wenn das Bewegungsergebnis, also der Effekt,
den auch als solche erkannt und somit gar nicht aus der Sicht des Lernenden (trotzdem) als posi-
erst positiv bewertet und gespeichert. Anders tiv wahrgenommen werden kann. Somit ist der
verhält es sich bei Sportarten, bei denen man häufige methodische Hinweis erst Loben, dann
Fehler auch ohne unmittelbar wahrnehmbare den Fehler korrigieren durchaus infrage zu stel-
negative Effekte, wie beispielsweise den Verlust len (Beck und Beckmann 2010).
des Gleichgewichts, machen kann (z. B. eine Weitere Differenzierungen bezüglich der
fehlerhafte Technik beim Joggen, die erst mit- Form des Feedbacks begründen sich durch den
telfristig leistungslimitierend sein kann oder gar Schwellenwert einer Abweichung von einem
zu gesundheitlichen Problemen führt). Sollwert, der vom Lehrenden als tolerabel einge-
Positive und vor allem überraschende Bewe- schätzt wird und somit nicht zu korrigieren wäre
gungserfolge führen nachweislich zur phasischen (Bandwidth KR/KP). Bei einer großen Band-
Dopaminfreisetzung, welche die für motorisches breite von Bewegungsmerkmalen (z. B. Wind-
Lernen relevanten synaptischen Plastizitätsvor- surfen, Wellenreiten) wäre somit ein gemitteltes
gänge bewirkt (7 Abschn. 8.3). Eine Dopamin- Feedback über mehrere Versuche naheliegend
ausschüttung kann auch extern durch motivie- (Average KR/KP). Der Informationsgehalt einer
rende Äußerungen des Lehrers und durch Lob Rückmeldung steht offenbar in Zusammenhang
initiiert bzw. verstärkt werden. Daraus leitet sich mit der Präzision der Bewegungsregistrierung
für den Lehrer bzw. Trainer ab, dass man mit zu (Marschall und Daugs 2003).

Beispiel: Augmented Feedback im Tennistraining

Der Aufschlag im Tennis ist ebenso komplex wie Aufschlag war. Im Anschluss daran wurde deshalb
wichtig. Zur Verbesserung der Aufschlaggeschwin- eine sechswöchige ­Techniktrainingsstudie durch-
digkeit ist es von Bedeutung, diese beim eigenen geführt, wobei eine Gruppe KR in Form der Auf-
Aufschlag im Rahmen eines Techniktrainings ein- schlaggeschwindigkeit erhielt, eine andere
schätzen zu können, da ansonsten das entspre- Gruppe jedoch nicht. Nach den sechs Wochen hat-
chende Feedback in Form eines Knowledge of Re- ten beide Gruppen eine höhere Aufschlagge-
sult (KR) fehlt. In einer Studie mit jugendlichen schwindigkeit, die KR-Gruppe steigerte sich aber
Nationalspielern und -spielerinnen konnte dies- signifikant mehr als die Kontrollgruppe ohne
bezüglich gezeigt werden, dass diese nicht korrekt KR. Dieser Effekt war auch sechs Wochen später
einschätzen konnten, ob der eigene Aufschlag ohne weiteres KR-Training noch signifikant nach-
schneller oder langsamer als der vorangegangene weisbar (Moran et al. 2012)

Bei der Häufigkeit des Feedbacks unter- weitreichenden Forderung nach sehr kurzen
scheidet man zwischen der absoluten und rela- Prä- und Postintervallen kann man evidenzba-
tiven Frequenz in Bezug zu den Ausführungen siert davon ausgehen, dass auch größere Zeitin-
der Technik bzw. Bewegungszyklen. Das Feed- tervalle in Abhängigkeit von der Informations-
back kann im Rahmen einer Trainingsperiode dichte lernfördernd sein können (Olivier und
auch sukzessiv reduziert werden (Fading). Müller 2002). Dies gilt insbesondere für Sportler
Ein simultanes Feedback ist zwar wünschens- mit einem hohen Leistungsniveau.
wert, aber häufig nicht umsetzbar (z. B. Spiegel- Ein Sollwertbezug gilt insbesondere in
wand, akustisches Feedback durch Messsohlen). einem frühen Lernstadium als lernfördernd.
Auch die Gestaltung der Prä- und Postintervalle Weitgehend wird eine Kombination von soll-
hängen wesentlich von den Rahmenbedingun- wertbezogenen Informationen und Rückmel-
gen des Trainings und der Sportart ab (z. B. Na- dungen in Bezug auf die Fehler bzw. Mängel
tursportarten vs. Hallensportarten). Trotz der des Istwerts favorisiert, wenngleich die empi-
444 A. Krombholz

rischen Erkenntnisse auch zu diesen Aspekten den Lehrenden schon beim Betrachten der
sehr dürftig sind (7 Abschn. 8.4.3). Nachfol- Bewegungsausführung in einem zum Teil sehr
gend soll eine bewährte Strategie skizziert wer- kleinen Zeitfenster (z. B. bei schnellen Bewe-
den, die sich sowohl bei Korrekturen während gungen innerhalb einer kurzen Zeitspanne).
des Trainings als auch beim Videofeedback be- Daher muss die Analyse in der Trainingspra-
währt hat. Die Kurzformel lautet: Beobachten, xis sehr schnell geschehen, nämlich während
Beurteilen und (erst anschließend) Beraten der (einmaligen) Bewegungsausführung des
(Hotz 1986). Lernenden genau bis zu dem Zeitpunkt, an
Zu Beginn erfolgt die gezielte Beobach- dem dieser beim Lehrenden eintrifft, um die
tung der Gesamtbewegung in Ausrichtung Korrektur mitgeteilt zu bekommen. Wird die
auf den Schwerpunkt der Technikkorrektur. Korrektur in Form eines Videofeedbacks er-
Jedoch kann auch eine umfassende Ana- teilt, hat der Lehrer ein wenig mehr Zeit, da
lyse der kompletten Technik Gegenstand man sich die Bewegung im Normalfall mehr-
des Feedbacks sein. Man kann nachstehende fach, ggf. mithilfe von Zeitlupe oder auch
Strategien abgrenzen, aber auch miteinander Standbildern anschaut.
kombinieren: In Zusammenhang mit der abschließenden
55 Orientierung an dem zeitlichen Ablauf der Beratung des Sportlers stellt sich zunächst die
Technik unter Berücksichtigung der Frage, ob der Lehrende den Sportler mit seinem
8 Grundstruktur der Bewegung (z. B. An- Erkenntnisprozess (Beobachten/Beurteilen),
lauf, Absprung, Flug und Landung bei ei- also den Fehlern bzw. der Fehleranalyse, kon-
nem Salto vorwärts) frontieren sollte. Dies ist im Regelfall nicht not-
55 Orientierung an den Funktionsphasen der wendig. Es sei denn, dass es bei der Korrektur
Technik (z. B. Absprung beim Weitsprung, (auch) um die Entwicklung der Lehrkompetenz,
Schlagbewegung beim Angriffsschlag im beispielsweise im Rahmen der Lehrerausbil-
Volleyball) dung, geht.
55 Orientierung am Sportgerät (Skier, Tennis- Die Bewegungskorrekturen können nach-
schläger, Kugel) unter Berücksichtigung stehende Maßnahmen umfassen:
der beobachtbaren Effekte (z. B. Spurbild 55 Bewegungsanweisungen (Welche Aktio-
im Schnee, Flugkurve des Balls bzw. der nen/Aktionsspielräume sollen in der an-
Kugel) schließenden Trainingsphase realisiert
55 Orientierung an den Aktionen und Akti- werden?)
onsspielräumen des Sportlers oder einzel- 55 Bewegungserklärungen (Warum ist eine
nen Körperteilen Aktion notwendig? Welche Funktion er-
55 Orientierung an der Bewegungsaufgabe füllt die Aktion?)
55 Bewegungsaufgaben
Als Ergebnis der Beurteilung der beobachte- 55 Einsatz methodischer Hilfsmittel
ten Fehler identifiziert man im Idealfall einen 55 usw.
Hauptfehler, von dem alle weiteren Probleme
abhängig sind. Häufig findet man jedoch meh- Im Idealfall gelingt es dem Lernenden, über eine
rere Fehler, die man entsprechend ihrer Bedeu- Sensibilisierung seiner Selbstwahrnehmung die
tung für den Bewegungserfolg ordnen kann, Effekte und auch den Ablauf von Aktionen und
damit der Sportler die Technik erfolgreich(er) Aktionsspielräumen selbstständig zu regulie-
auszuführen kann. Die Beobachtung und auch ren. Der methodische Leitsatz sollte lauten: von
die Beurteilung des Istwertes erfolgt durch der Fremdkorrektur zur Selbstkorrektur.
Techniktraining
445 8
8.4.3 Videofeedback Aus den vorliegenden Publikationen lassen
sich grundlegende Prinzipien für den effekti-
Die große Bedeutung von Videounterstützung ven Einsatz des Videofeedbacks ableiten, die
beim Techniktraining ist weitgehend unbe- zum einen auf den Erkenntnissen zum (mo-
stritten. In der Trainingspraxis werden Videos torischen) Lernen und zum anderen auf den
im Wesentlichen zur Sollwertdarstellung, z. B. (unterschiedlichen) Modellen der Gedächt-
im Rahmen des observativen Trainings, oder nisstrukturen (z. B. Präsenzzeiten und Spei-
beim Videofeedback eingesetzt. Die techni- cherprozesse von Informationen) beruhen.
schen Möglichkeiten der Aufnahme, Bearbei- Die nachfolgend exemplarisch aufgelisteten,
tung und Wiedergabe von Videos sind sehr empirischen Erkenntnisse und Empfehlungen
vielfältig und liefern Lösungen für nahezu alle basieren weitgehend auf Studien in überwie-
denkbaren Zielsetzungen in unterschiedlichs- gend standardisierten Indoor-Settings (Daugs
ten Settings. et al. 1990, 1991; Olivier und Müller 2002;
Perspektivisch ist eine intensive Auseinan- Marschall und Daugs 2003; Opitz und Fischer
dersetzung mit den sich ständig erweiternden 2011), deren externe Validität kritisch zu dis-
technischen Möglichkeiten beim Techniktrai- kutieren wäre.
ning unerlässlich. Die Szenarien, in der die 55 Eine Darbietung von Istwerten per Video
reale Welt durch digitale Inhalte ergänzt oder ohne (angemessene) Kommentierung des
zum Teil auch ersetzt wird, sind sehr vielver- Lehrenden und ohne Sollwertbezug wirkt
sprechend, jedoch zurzeit vor dem Hinter- sich eher hemmend als fördernd auf den
grund finanzierbarer technischer Möglich- Lernprozess aus, insbesondere auf niedri-
keiten nur eingeschränkt für den allgemeinen gem Lernniveau (Daugs et al. 1990, 1991;
Einsatz im Training und in der Lehre einsetz- Opitz und Fischer 2011; Nowoisky et al.
bar (Augmented Reality AR, Virtuell Reality 2012).
(VR, Exergames und/oder 360-Grad-Videos). 55 Das (wiederholte) Betrachten von Sollwer-
In diesem Kapitel liegt der Fokus auf dem ten verbessert die Bewegungsvorstellung
Videofeedback beim Techniktraining, des- und die Bewegungsausführung. Außerdem
sen vorrangige Zielsetzung darin besteht, die erleichtert es die Identifikation von Feh-
interne Repräsentation des momentanen Ist- lern des (eigenen) Ist-Wertes beim Video-
werts einer Technik (Synonym Selbstbild) an- feedback (Opitz und Fischer 2011).
hand der objektiven Entsprechung (Synonym 55 Die simultane Kombination von Sollwert
Fremdbild) und ggf. einem Sollwert zu kalib- und Istwert führt zu einem großen Anstieg
rieren. Zur Verdeutlichung bestimmter Merk- expliziter Anteile der internen Repräsenta-
male kann ein Videofeedback weitere Optionen tion einer sportlichen Technik und außer-
integrieren (z. B. grafische Hervorhebungen, dem zu einer verbesserten Bewegungsaus-
ergänzende Informationen zum Verlauf und/ führung im Vergleich zu einer reinen
oder dem Resultat der Bewegungshandlung). Sollwert-Instruktion bzw. der reinen
Zudem können Hinweise bzw. Hilfestel- ­Darstellung des Istwertes (Daugs et al.
lungen für das nachfolgende Training gegeben 1990, 1991).
werden (z. B. Bewegungskorrekturen, Einsatz 55 Die Intervalle zwischen der Bewegungs-
methodischer Hilfsmittel). Darüber hinaus ausführung und der Videoanalyse (Präin-
kann auch die synchronisierte Darbietung von tervall) sowie dem folgenden Training
mehreren Videoclips (z. B. Sollwert vs. Istwert) (Postintervall) sollen möglichst kurz sein
erfolgen. (Olivier und Müller 2002; Hänsel 2006).
446 A. Krombholz

55 Eine Minimierung des Präintervalls (idea- einer Sollwertdarstellung kombiniert werden.


lerweise < 10 s bis zu einigen Minuten) hat Die Zielsetzung des Videofeedbacks besteht,
vorrangige Bedeutung gegenüber dem wie schon dargestellt, darin, die interne Re-
Postintervall (Daugs et al. 1990; Olivier präsentation (Synonym Selbstbild) anhand der
und Müller 2002). objektiven Entsprechung (Synonym Fremd-
55 Der Lernende sollte beim Videofeed- bild) und einem (visualisierten) Sollwert abzu-
back den aufgenommenen Istwert zu- gleichen. Darauf aufbauend können Hinweise
nächst merkmalsbezogen selbst ein- bzw. Hilfestellungen für das nachfolgende
schätzen bzw. kommentieren, bevor eine Training gegeben werden (z. B. Aufgaben, Ein-
externe Rückmeldung erfolgt (Daugs satz methodischer Hilfsmittel).
et al. 1991). Eine spezielle Form des Videofeedbacks
stellt das Videotraining dar (Synonyme Mess-
Trotz des teilweise erheblichen organisatori- platztraining, Bildschirmtraining), bei dem
schen und zeitlichen Aufwands bei der Durch- die Prä- und Postintervalle minimiert werden
führung eines Videofeedbacks sind die posi- sollen, damit auf alle Informationen im Kurz-
tiven Effekte für den Lernenden, welche man zeitgedächtnis zugegriffen werden kann. Au-
durch einen professionellen und angemes- ßerdem werden beim Videotraining die Soll-
senen Einsatz von Videotechnologien beim wert-Instruktionen und das Videofeedback in
8 Techniktraining erzielen kann, hervorzuhe- den Trainingsprozess integriert und mehrfach
ben. Jedoch sollten auch potentielle negative systematisch wiederholt (Opitz und Fischer
Effekte durch einen unprofessionellen Einsatz 2011; Nowoisky et al. 2012).
von Video nicht unerwähnt bleiben: Beim observativen Training lernen die
55 unsachgemäße Handhabung des Equip- Sportler durch die Beobachtung geeigneter
ments bei der Aufnahme und der Wieder- Sollwerte. Diese Sollwerte können in Form von
gabe Videoaufzeichnungen, Kurzlehrfilmen, aber
55 unpassende oder fehlende Sollwerte auch von Bildreihen dargestellt und ggf. durch
55 Zerstückelung der Bewegung und damit Kommentare des Trainers begleitet werden.
der zeitlichen Struktur einer Bewegung Im Folgenden geht es um unterschiedliche As-
durch den übermäßigen Einsatz von Zeit- pekte des Lernenden, die im Zusammenhang
lupe/Standbildern einer Videoanalyse beim Techniktraining zu
55 ausschweifende Fehler(ursachen)diskus- berücksichtigen sind (. Abb. 8.32).
sionen mit den Lernenden Vor dem Hintergrund der übergeordneten
Zielsetzung des Videofeedbacks (Optimierung
In der aktuellen Literatur sind die Zuord- der Bewegungsvorstellung) ist die Kalibrie-
nungen der unterschiedlichen Möglichkei- rung des Selbstbilds mit dem Fremdbild ggf. in
ten des Videoeinsatzes beim Techniktraining Ausrichtung an einen angemessenen Sollwert
sowie die Terminologie sehr uneinheitlich. wesentlich.
Daher basiert der nachfolgende Strukturie- Bei Personen, die keine oder wenig Erfah-
rungsversuch auf den inhaltlichen Kompo- rung mit einem Videofeedback haben, kön-
nenten der Videos (Sollwert/Istwert) und de- nen die vorhandenen Differenzen zwischen
ren Zuordnung zu den Anwendungsformen dem (visuellen) Selbstbild und der objekti-
(. Abb. 8.31). ven Entsprechung emotionale Befindlichkei-
Ein Videofeedback hat zunächst den Ist- ten auslösen, welche derartig dominant sein
wert des Lernenden im Fokus. Dieser Istwert können, dass die erwünschten Effekte eines
sollte bei der Videoanalyse im Idealfall mit ­Videofeedbacks nachhaltig überschattet wer-
Techniktraining
447 8
..      Abb. 8.31 Inhalte
und Anwendungsfor- Videounterstütztes Techniktraining
men von Videoeinsatz
beim Techniktraining

Videofeedback Observatives
Video- Training
training

Istwert- Sollwert-
darstellung darstellung

Ergänzende Informationen

..      Abb. 8.32 Idealtypi-


scher Ablauf einer Einschätzung
Videoanalyse im Rahmen „Einsehen“ durch den
eines Videofeedbacks Lernenden

Sollwert &
Beobachtungs- Ergänzungen
schwerpunkte durch Lehrer

Individuelles Korrektur-
Visionieren hinweise

den. Daher sollte man die Videoanalyse in tionen, Gelenkwinkel) und räumlich-zeitliche
einem diskreten Umfeld organisieren, den Ler- Merkmale analysieren. Dabei ist die Routine
nenden nicht bloßstellen (z. B. als Negativbei- des Trainers in Bezug auf die Bewegungsbe-
spiel) und dem Feedback-Neuling Zeit geben, urteilung ausschlaggebend für die Qualität des
sich mit seinem Fremdbild vertraut zu machen. Feedbacks. Darüber hinaus sind weitere Merk-
Im Rahmen eines Videofeedbacks kann male einer sportlichen Technik abschätzbar.
man vor allem räumliche (z. B. Körperposi- Dazu zählen das Timing (Beginn/Ende bzw.
448 A. Krombholz

Dauer einer Aktion), der Bewegungsumfang der sportlichen Technik in unterschiedli-


(Ausprägung der Veränderung von einzelnen chen Anwendungsbereichen sinnvoll. Die-
oder mehreren Gelenkstellungen), die Richtung ser kann durch zusätzliche, biomechani-
von Aktionen des Körpers oder von Körpertei- sche Feedbackoptionen ergänzt werden.
len und/oder des Sportgeräts und die Dynamik Zudem können eingeschliffene Bewe-
der Aktionen in Bezug auf die Erzeugung und gungsmerkmale, z. B. beim notwendigen
Wirkung von Kräften. Umlernen von Techniken, verdeutlicht
Nachfolgend werden einige grundlegende werden.
Hinweise zum Einsatz von Videofeedback in
Bezug zum Lernniveau dargestellt: Die Anforderungen an den Lehrenden beim
55 Beim Technikerwerbstraining, wenn die Videoeinsatz umfassen nicht nur den pro-
Bewegungsvorstellung noch sehr unvoll- fessionellen Umgang mit dem technischen
ständig ist und Bewegungsgefühle der zu Equipment, sondern auch tiefgründige Kennt-
vermittelnden Technik kaum vorhanden nisse in Bezug auf die Zusammenhänge von
sind, ist der Einsatz von Videofeedback Aktionen und deren Funktionen als Grund-
noch wenig zielführend und ggf. sogar de- lage für eine hochwertige, individuelle Bewe-
motivierend, da die impliziten Anteile der gungskorrektur.
Bewegungsvorstellung überwiegen. Eine So spielen die konstitutionellen und ath-
8 Reduzierung der zu beobachtenden Merk- letischen Voraussetzungen der Lernenden
male mit einer gezielten Fokussierung der bei einem Videofeedback eine maßgebliche
Wahrnehmung auf räumliche Aspekte, Rolle und sind darüber hinaus ggf. im Zu-
ggf. durch grafische Aufbereitung des sammenhang mit den Rahmenbedingungen
Sollwert-Videomaterials, ist zu empfehlen (z. B. Wind, Regen, Bodenbelag) und schließ-
(Nowoisky et al. 2012). Positive Effekte lich dem Sportgerät zu bewerten (z. B. Segel-
können auch durch die (wiederholte) Be- größe, Taillierung der Ski).
trachtung von Sollwerten erwartet werden. Jeder Mensch hat andere Lerngewohn-
55 Im Fortgeschrittenenbereich, wenn die heiten, welche dem Lehrenden (und auch den
Bewegungsvorstellung schon vielfältige Lernenden) in der Regel kaum bekannt sind.
Informationen (u. a. Bewegungsgefühle) Während der einen Person ein visueller Ver-
beinhaltet, liegt ein Haupteinsatzbereich gleich von Sollwert und Istwert ausreicht, um
des Videofeedbacks. Räumlich-zeitliche die Bewegungsvorstellung erfolgversprechend
Merkmale der Bewegungsausführung zu erweitern bzw. verändern, sind für eine
können mit den entsprechenden Kompo- andere Person umfangreiche Erläuterungen
nenten der eigenen Bewegungsvorstel- beispielsweise zu den Zusammenhängen zwi-
lung abgeglichen werden und ggf. an ei- schen den Aktionen und den Funktionen ziel-
nem Sollwert kalibriert werden. Der führend.
gezielte, wiederholte Einsatz von Video- Darüber hinaus können Ängste Lernblo-
feedback ist auf diesem Lernniveau sehr ckaden zur Folge haben, die im Training bzw.
effizient. Unterricht häufig nur mit viel Aufwand oder
55 Beim Expertentraining ist die Bewegungs- auch gar nicht zu beseitigen sind.
vorstellung sehr umfassend und beinhaltet Schließlich zeichnet sich ein guter Trainer
vielfältige, weitgehend sehr differenzierte durch die Fähigkeit aus, dass er die Fehler an-
und variable Informationen. Daher ist der gemessen beobachten und analysieren kann
gezielte Einsatz von Videofeedback mit ei- sowie die passenden Korrekturmaßnahme zu-
ner Fokussierung auf einzelne Parameter ordnen kann (7 Abschn. 8.4.2).
Techniktraining
449 8
Praxistipp: Aufnahmevorbereitung und ­Erstellung der Aufnahmen

Vor der Organisation des Videofeedbacks 55 Ist ein Speichermedium mit ausreichen-
sind folgende grundlegende Fragen zu be- der Kapazität vorhanden?
antworten: 55 Wurde Reihenfolge und Anzahl der Auf-
55 Was soll abgebildet werden (Schwer- nahmen pro Person festgelegt?
punkt(e), Zielsetzung(en) des Videofeed- 55 Passen der Bildausschnitt und die Pers-
backs)? pektive zu den Zielen bzw. Schwerpunk-
55 Welche Details kann ich mit meinem Auf- ten des Videofeedbacks?
nahmeequipment abbilden (z. B. Leis- 55 Ist der Aufnehmende mit der (ruckel-
tungsfähigkeit des optischen Zooms)? freien) Handhabung des Zooms vertraut?
55 Welcher Abstand zwischen Kamera und 55 Lassen die Lichtverhältnisse qualitativ aus-
Sportler ist notwendig bzw. möglich? reichende Aufnahmen zu (z. B Gegenlicht,
55 Passen die Ziele zu den Voraussetzungen Nebel)?
der Lernenden sowie zu den gegebenen Bezüglich der Aufnahmeorganisation sollte
Umweltbedingungen (Überforderungen man sich darüber hinaus vor Augen halten,
der Teilnehmer)? dass der normale Unterricht nicht zu kurz
55 Ist der Aufnahmeort für alle Kursteilneh- kommt (idealerweise gibt es jemanden, der
mer erreichbar? die Aufnahmen von den Teilnehmern (inkl.
55 Sind ausreichend Ersatzakkus für die ge- eines Sollwerts vom Lehrer) kursbegleitend
plante Aufnahmezeit bei den gegebenen erstellen kann).
Bedingungen vorhanden und geladen?

Die Wiedergabeoptionen einer Videoana- 1. Der Sollwert und die Beobachtungs-


lyse sind sehr vielfältig und hängen von der Un- schwerpunkte müssen festgelegt werden
terrichts- bzw. Trainingssituation ab. Entschei- und für die Teilnehmer des Videofeed-
dend sind nicht nur die G ­ erätevoraussetzungen, backs (mit den gegebenen Voraussetzun-
sondern auch die Räumlichkeiten. Ein ggf. gen) auch realisierbar sein. Der Sollwert
abzudunkelnder Raum direkt am Trainings- muss für die Kursteilnehmer transparent
gelände wäre optimal. Außerdem gilt es zu be- und einleuchtend sein und sollte als
achten, dass sich mögliche Fehlerquellen mit Videoclip oder notfalls als Bildreihe zu
der Anzahl der zwischengeschalteten Geräte Beginn des Videofeedbacks dargestellt und
potenzieren, insbesondere, wenn die Video- ggf. erläutert werden.
daten konvertiert werden (z. B. beim Gebrauch 2. Ein Einsehen der eigenen Istwerte ermög-
eines Laptops als Abspielgerät). Auch die licht den Abgleich von Selbstbild und
Display-­Helligkeit beispielsweise von Tablets ist Fremdbild (objektive Entsprechung).
im Außenbereich zu berücksichtigen und ggf. Bloßstellungen (auch durch andere
limitierend. Kursteilnehmer) sind zu vermeiden und
Im Folgenden soll exemplarisch der optimale Diskretion ist zu bewahren. Die Fokussie-
Ablauf eines Videofeedbacks aufgezeigt werden. rung auf die maßgeblichen Beobachtungs-
Anpassungen können und sollen, unter Berück- merkmale sollte vorab erfolgen.
sichtigung der in diesem Kapitel dargestellten 3. Eine erste Einschätzung durch den
Aspekte, vorgenommen werden, um den struktu- Lernenden fördert die Aufmerksamkeit
rellen Voraussetzungen des Trainings- bzw. Un- und führt zu einer intensiveren Auseinan-
terrichtssettings gerecht zu werden (. Abb. 8.32). dersetzung mit der vorhandenen Bewe-
450 A. Krombholz

gungsvorstellung der Technik. Eine Trainieren. Daher sollten die Aufnahmen


Wahrnehmungslenkung und Moderation (inkl. des Sollwerts) den Teilnehmern zur
durch den Lehrenden kann durch geziel- Verfügung gestellt werden.
ten (aber sparsamen) Einsatz von Zeitlupe
und Standbild erfolgen. Beim Einsatz von Video im Kontext des Tech-
4. Ergänzungen durch den Lehrer und die niktrainings sollten aus Gründen des Daten-
Korrekturhinweise beziehen sich auf die schutzes sowie des Rechts am eigenen Bild
maßgeblichen Fehler. Man sollte möglichst nachstehende Punkte beachtet werden:
positiv korrigieren (Was sollte im Hinblick 55 Lehrende und auch Lernende sollten ethi-
auf eine erfolgreiche bzw. hochwertige sche Grundregeln beachten. Es sollten also
Bewegungsausführung verändert werden?) nur die relevanten Abläufe gefilmt werden.
und den Lernenden immer mit einem Außerdem sollte darauf geachtet werden,
Durchlauf der Videosequenz im Original- dass Lernende nicht bewusst unvorteilhaft
tempo entlassen, damit der Bewegungs- dargestellt werden.
rhythmus in seiner Bewegungsvorstellung 55 Es sollte das Einverständnis der Lernen-
nicht verfälscht wird. Die Korrekturhin- den, ggf. schriftlich, eingeholt werden.
weise sollte man ggf. im Sinne eines 55 Die erzeugten Videos sollten nur zur Ana-
Trainingsplans vom Lernenden aufschrei- lyse verwendet werden.
8 ben lassen, wenn ein Videofeedback nur 55 Im schulischen Kontext empfiehlt es sich,
punktuell durchgeführt werden kann die Videos nach der Analyse zu löschen.
(Schreibzeug ggf. zur Verfügung stellen).
5. Ein individuelles Visionieren des Istwertes Darüber hinaus sollte man sich vorab über die
und des Sollwertes verfestigt die Kalibrie- aktuellen Bestimmungen informieren.
rung als Grundlage für das weitere
Techniktraining
451 8
8.5  ufgaben zur Nachbereitung
A 5. Vergleichen Sie die Grenzen der informa-
des Kapitels tionsverarbeitenden Erklärungsansätze
der motorischen Kontrolle und Steuerung
von Bewegungen mit denen der system-
dynamischen Erklärungsansätze.
6. Entwickeln Sie ein Vermittlungskonzept
für eine sportliche Technik auf der Basis
der systemdynamischen und informati-
onsverarbeitenden Erklärungsansätze der
motorischen Kontrolle und Steuerung von
Bewegungen.
7. Nennen Sie Übungsbeispiele für variables
und monotones Training beim Technik-
training in einer von Ihnen auszuwählen-
den Sportart.
8. Stellen Sie die Kernaussagen der fähig-
keitsorientierten und anforderungsorien-
tierten Koordinationsmodelle vergleichend
gegenüber und verdeutlichen Sie die
Unterschiede an einem selbstgewählten
Beispiel.
9. Stellen Sie die Informationsanforderungen
und die Druckbedingungen des KAR mit
einem selbstgewählten Beispiel dar.
10. Nennen Sie mögliche technische Probleme
bei der Aufnahme und Wiedergabe der
Videosequenzen im Rahmen eines Video-
feedbacks.
1. Welche Aspekte der einer Bewegungsvor-
11. Entwickeln Sie ein Konzept für ein
stellung können beim observativen Trai-
Videofeedback beim Techniktraining in
ning gebildet werden?
einer von Ihnen ausgewählten Sportart.
2. Nennen Sie Beispiele von Sportarten, in
denen die Zieltechnik, auch im Spitzen-
sport, starke interindividuelle Streuungen
aufweist, und begründen Sie Ihre Auswahl.
Literatur
3. Recherchieren Sie Beispiele von Sportar- Abrams, G. D., Sheets, A. L., Andriacchi, T. P., & Safran,
ten, bei denen sich die Technikleitbilder M. R. (2011). Review of tennis serve motion analysis
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455 9

Regenerationsmanagement
und Ernährung
Thimo Wiewelhove

9.1  edeutung des Regenerationsmanagements


B
im Sport – 458

9.2  iologische Grundlagen von Ermüdung und


B
Regeneration – 459
9.2.1  etabolische Ursachen von Ermüdung – 460
M
9.2.2 Mechanische Ursachen von Ermüdung – 462
9.2.3 Neuronale Ursachen von Ermüdung – 465
9.2.4 Messung von Ermüdung – 467

9.3  egenerationsinterventionen und deren


R
Wirksamkeit – 469
9.3.1  ktive Erholung – 470
A
9.3.2 Stretching – 471
9.3.3 Kälteapplikationen – 473
9.3.4 Wärmeapplikationen – 475
9.3.5 Kompressionskleidung – 476
9.3.6 Massage – 477
9.3.7 Schlaf – 478
9.3.8 Foam-Rolling – 480
9.3.9 Sonstige Regenerationsinterventionen – 483

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_9. Die
Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Ab-
bildungen mit der App scannen.

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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_9
9.4 Regeneration und Ernährung – 484
9.4.1  usgleich von Flüssigkeits- und Mineralstoffverlusten – 485
A
9.4.2 Kohlenhydratzufuhr – 486
9.4.3 Proteinzufuhr – 489
9.4.4 Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel – 491

9.5 Individualisierung des Regenerationsmanagements – 494

9.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 497

Literatur – 497
Regenerationsmanagement und Ernährung
457 9
„Ich leg mich jetzt erstmal drei Tage in die Eis- überzeugend erfolgt ist. Dies gilt sowohl für „traditi-
tonne“ (Per Mertesacker) onelle“ und bei den Athleten beliebte Maßnahmen
wie beispielsweise die Massage als auch für neuar-
Zusammenfassung tige Regenerationstrends wie Foam-Rolling oder für
Ermüdung und Regeneration sind integrale Be- technologisch unterstützte Interventionsstrategien
standteile des Trainingsprozesses. Dabei steht die wie z. B. LED-Bestrahlung oder Kältekammern. So-
kontinuierliche Leistungsentwicklung in ständi- wohl Ermüdungs- als auch Erholungsprozesse sind
ger Wechselwirkung mit den durch Trainings- und äußerst komplexe und multifaktorielle Phänomene,
Wettkampfaktivitäten ausgelösten Ermüdungs- die in Abhängigkeit von den Belastungsmerkma-
und Regenerationsvorgängen. Während die Stei- len sowie adressaten- und umweltspezifischen Be-
gerung der Trainingsqualität seit jeher im Fokus sonderheiten auf verschiedenen Funktionsebenen
trainingswissenschaftlicher Bemühungen steht, des menschlichen Organismus (u. a. Muskulatur,
richtet sich das Augenmerk zunehmend auch auf Bindegewebe, zentrales Nervensystem, autonomes
die Erholungsprozesse und deren Optimierung. Nervensystem, endokrines System) in unterschied-
Das Regenerationsmanagement lässt sich dabei im lichen zeitlichen Dimensionen sowie in unter-
Wesentlichen in die Messung des Regenerations- schiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung
bedarfs sowie in die individualisierte Planung und stattfinden. Basierend hierauf werden in diesem
Anwendung von Regenerationsstrategien struktu- Kapitel sowohl die Wirkmechanismen und Effekte
rieren. Hierbei ist die Bedeutung einer angemes- von Regenerationsinterventionen, die sich in der
senen Ernährung sowie von ausreichend Schlaf Sportpraxis großer Beliebtheit erfreuen, diskutiert
unbestritten. Zusätzlich kann in der (leistungs-) als auch Grundlagen zum Ernährungsmanagement
sportlichen Praxis aus einer Vielzahl an regenera- im Sport besprochen. Unter Berücksichtigung indi-
tionsfördernden Maßnahmen ausgewählt werden, vidueller und sportartspezifischer Rahmenbedin-
deren Wirksamkeitsnachweis jedoch nur selten gungen werden Praxistipps für die Regenerations-
unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen steuerung im (Leistungs-)Sport vorgestellt.
458 T. Wiewelhove

9.1 Bedeutung des a


Regenerationsmanagements erhöhte Leistungsfähigkeit

im Sport initiale reduzierte Leistungsfähigkeit


Leistungsfähigkeit

Ermüdung und Regeneration sind integrale Be-

Wettkampfbelastung

Superkompensation
standteile des Trainingsprozesses. Dabei steht

Trainings- oder

Regeneration
die kontinuierliche Leistungsentwicklung in
ständiger Wechselwirkung mit den durch Trai- Zeit

nings- und Wettkampfaktivitäten ausgelösten b


Ermüdungs- und Regenerationsvorgängen. Die
Ermüdung kann im Allgemeinen als reversible – initiale
Leistungsfähigkeit
im Sinne der Superkompensation beabsichtigte –
Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit
reduzierte Leistungsfähigkeit

charakterisiert werden, die in Abhängigkeit des

Regeneration
Regeneration

Regeneration
Schweregrads erst nach einigen Minuten, Stun-

Belastung

Belastung

Belastung
Belastung
den oder Tagen abklingt (Barnett 2006). Die Re-
Zeit
generation dient somit der Wiederherstellung
und Superkompensation der Leistungsfähig- ..      Abb. 9.1 Eine Trainings- oder Wettkampfbelas-
keit und Belastbarkeit nach intensiven, ermü- tung geht mit einer Ermüdung einher. a Während der
denden Trainings- und Wettkampfbelastungen Regenerationsphase kommt es zur Wiederherstellung
9 (. Abb. 9.1a; vgl. 7 Kap. 2: Prinzip der optimalen
und schließlich zur Superkompensation der Leistungs-
fähigkeit. b Bei wiederholten Belastungen und
Relation von Belastung und Erholung). Bleiben unzureichender Erholungsdauer nimmt die Leistungs-
die hierfür notwendigen Erholungszeiten bei fähigkeit kontinuierlich ab (modifiziert nach Meeusen
der Trainings- und Wettkampfplanung unbe- und de Pauw 2013)
rücksichtigt, nimmt das Risiko für chronische
Überlastungsreaktionen sowie Leistungsstagna- lässt sich dabei im Wesentlichen in die Messung
tion oder Leistungsreduktion zu (. Abb. 9.1b, des Regenerationsbedarfs (vgl. 7 Abschn. 2.4:
Meeusen et al. 2013). Dies betrifft insbesondere Trainings- und Athleten-Monitoring) sowie in
den Leistungs- und Hochleistungssport, da Trai- die individualisierte Planung und Anwendung
ningsumfang, Trainingsintensität und Trainings- von Regenerationsstrategien strukturieren.
dichte sowie Wettkampfhäufigkeit und Leis-
tungsdichte in vielen Disziplinen in den letzten
Jahren deutlich angestiegen sind. Praxistipp: Akute Ermüdung versus chroni-
sche Überlastung
Während die Steigerung der Trainings-
qualität seit jeher im Fokus trainingswissen- Im Einzelfall mag es zwar darum gehen, ein
schaftlicher Bemühungen steht, richtet sich das sogenanntes Übertrainingssyndrom zu ver-
Augenmerk zunehmend auch auf die Erho- meiden oder zumindest spezielle chronische
lungsprozesse und deren Optimierung. Im Ge- Überlastungszustände zu verhindern. Der
samtgefüge der Leistungssteuerung bietet eine Fokus dieses Kapitels liegt jedoch auf der Be-
optimierte Planung und Gestaltung der Rege- wertung und Beeinflussung der „normalen“
nerationsphasen die Chance, kompensatorische akuten Ermüdungsvorgänge nach intensi-
Wiederherstellungsvorgänge zu unterstützen, ven Trainings- oder Wettkampfbelastungen.
chronische Missverhältnisse zwischen Belastung Denn sie prägen fast täglich die Handlungs-
und Erholung zu vermeiden, die Trainingstole- entscheidungen von Trainern und Athleten
ranz bei hoher Trainingsdichte zu steigern und und sind somit von großer sportpraktischer
die Wiederherstellung der Wettkampfleistung zu Bedeutung (Meyer et al. 2016).
beschleunigen. Das Regenerationsmanagement
Regenerationsmanagement und Ernährung
459 9
und während der Schwungphase resyntheti-
9.2  iologische Grundlagen von
B siert werden muss (Bishop et al. 2008).
Ermüdung und Regeneration Ferner kann zwischen akuter und mittel-
fristiger Ermüdung unterschieden werden.
Sowohl Ermüdungs- als auch Erholungspro- Erstere sind Ermüdungsmechanismen im di-
zesse sind äußerst komplexe und multifakto- rekten Anschluss an eine akute körperliche
rielle Phänomene, die in Abhängigkeit von den Aktivität, die noch während der Trainings-
Belastungsmerkmalen (u. a. Reizintensität, oder Wettkampfbelastung die Leistungsfähig-
-dauer und -dichte) sowie adressaten- und um- keit beeinflussen. So führen die in relativ kur-
weltspezifischen Besonderheiten auf verschie- zer Zeit häufig wiederholten hochintensiven
denen Funktionsebenen des ­ menschlichen Spielanteile während eines Fußballmatches
Organismus (u. a. Muskulatur, Bindegewebe, dazu, dass das initiale Leistungsniveau im
zentrales Nervensystem, autonomes Nerven- Verlauf des Spiels abnimmt. Der Belastungs-
system, endokrines System) in unterschied- stress geht dabei mit einer akuten Homöosta-
lichen zeitlichen Dimensionen sowie in sestörung einher und äußert sich in kurzfris-
unterschiedlicher Geschwindigkeit und Aus- tigen physiologischen Belastungsreaktionen,
prägung stattfinden. Die kurzfristigste Form zu denen u. a. eine verstärkte Atmung, eine
der Ermüdung ereignet sich bereits während Steigerung der Herzfrequenz und Sauerstoff-
jeder einzelnen Muskelkontraktion. So führt aufnahme, eine Erhöhung der Energie- und
beispielsweise die Abstoß- bzw. Stützphase Schweißflussrate, eine Akkumulation des an-
während des Sprintens zu einer unmittelba- fallenden Laktats sowie eine Umverteilung
ren Ermüdung der beanspruchten Muskulatur, des Blutflusses zählen (. Abb. 9.2, Lambert
indem Adenosintriphosphat verbraucht wird und Mujika 2013). In der Erholungsphase im

Minuten
• Herzfrequenz
• Blutlaktatkonzentration
• Körpertemperatur

Stunden
Homöostasestörung

• kognitive Funktionen
Trainings- oder • Sauerstoffaufnahme
Regeneration
Wettkampfbelastung
Tage
• Serum-Kreatinkinase
• Muskelglykogen
• Muskelkater

Wochen
• Muskelfunktion
• neuromuskuläre
Koordination

Zeit

..      Abb. 9.2 Eine Trainings- oder Wettkampfbelas- benötigen die Wiederherstellungsprozesse, die im
tung geht mit einer akuten Homöostasestörung Verlauf der Regenerationsphase stattfinden, zwischen
einher. In Abhängigkeit der Belastungscharakteristika einigen Minuten und mehreren Wochen (modifiziert
(u. a. Belastungsintensität, -dauer und -qualität) nach Lambert und Mujika 2013)
460 T. Wiewelhove

unmittelbaren Anschluss an eine körperliche Aufgrund der außerordentlichen Komplexi-


Belastung erreichen solche akuten physiolo- tät und der zahllosen Wechselwirkungen von
gischen Anpassungen innerhalb von wenigen Ermüdungs- und Erholungsprozessen erheben
Minuten bis hin zu einigen Stunden ihr Ruhe- die im weiteren Verlauf dieses Kapitels geschil-
niveau. Mittelfristige Ermüdungsreaktionen derten allgemeinen Ursachen von Ermüdung
können sich hingegen über Tage und Wochen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
manifestieren und die Leistungsbereitschaft
auch noch während anschließender Trainings-
oder Wettkampfbelastungen beeinflussen. Zu 9.2.1  etabolische Ursachen von
M
ihnen zählen metabolisch (z. B. Entleerung der Ermüdung
muskulären Glykogenspeicher), mechanisch
(z. B. Muskelkater infolge von mikroskopisch Zu den metabolisch bedingten Ermüdungsme-
kleinen Muskelverletzungen) und neuronal chanismen zählen im Wesentlichen der Subst-
bzw. zentral-nervös bedingte (z. B. negative ratverbrauch (v. a. Adenosintriphosphat [ATP],
Gefühls- und Stimmungslage) Ermüdungsme- Kreatinphosphat [KP] und Glykogen) sowie die
chanismen. Akkumulation von Metaboliten (u. a. Adeno-
Neben der Differenzierung nach zeitli- sindiphosphat [ADP], anorganisches Phosphat
chen Merkmalen wird zwischen muskulär-­ [Pi], Laktat). Sie tragen maßgeblich zur akuten
peripheren (distal der motorischen Endplatte) Muskelermüdung während und unmittelbar
und neuronal-zentralen (proximal der mo- nach sportlichen Belastungen bei (Sahlin 1992).
9 torischen Endplatte) Ermüdungsvorgängen Dabei wird die intramuskuläre ATP-Konzentra-
unterschieden (Ament und Verkerke 2009). tion einigermaßen geschützt und nimmt wäh-
Deren zugrundliegende Wirkmechanismen rend intensiver körperlicher Aktivität im Schnitt
beeinflussen sich zwar gegenseitig und laufen um nicht viel mehr als 50 % ab (MacIntosh et al.
somit nicht unabhängig voneinander ab. Sie 2012). In schnell kontrahierenden Typ-IIA- und
treten aber in Abhängigkeit der Belastungs- Typ-IIX-­Muskelfasern ist die relative ATP-Ver-
charakteristika in unterschiedlich starker armung allerdings stärker ausgeprägt als in den
Gewichtung auf. Während niedrigintensive, langsam kontrahierenden Typ-I-Fasern (Casey
langandauernde Krafteinsätze oder wieder- et al. 1996). So bewirken beispielsweise inten-
holt ausgeführte Bewegungsabläufe bei hoher sive Maximal- und Schnellkrafteinsätze einen
koordinativer Beanspruchung mit zentra- rapiden Abfall der intramuskulären ATP- und
len Ermüdungsmechanismen assoziiert sind, KP-­Konzentration speziell in den schnell zu-
werden Aktivitäten mit moderaten bis hohen ckenden Muskelfasern. Da ATP und KP in der
Kraftspitzen bzw. Muskelzugspannungen vor- Folge nicht in ausreichender Menge und Ge-
rangig durch periphere Ermüdungsvorgänge schwindigkeit resynthetisiert werden können,
determiniert. Hierbei besteht allerdings eine führt dies zu einer unmittelbaren Beeinträchti-
hohe interindividuelle Variabilität und moto- gung der kontraktilen Kraftentfaltung und letzt-
rische Aufgabenspezifität, sodass nicht immer lich zu einer kurzfristigen Minderung der Ma-
eindeutig die dominante Komponente der be- ximal- und Schnellkraftleistung (Raeder 2017).
lastungsinduzierten Ermüdung ermittelt wer- Eine Abnahme der ATP- und KP-­
den kann (Shei und Mickleborough 2013). Konzentration resultiert darüber hinaus in
Peripher bedingte Funktionseinschränkungen einem korrespondierenden Anstieg von ADP
ergeben sich dabei hauptsächlich durch meta- und Pi in der Muskelzelle. Eine Erhöhung der
bolische und mechanische Ermüdungsursa- ADP-Konzentration wirkt sich negativ auf die
chen, während zentrale Ermüdungsprozesse Kontraktilität (d. h. maximale Verkürzungs-
auf spinaler und supraspinaler Ebene ablaufen geschwindigkeit) der Muskelfaser aus, indem
bzw. auf neuronale Ermüdungsursachen zu- sie die Querbrückenbildungsrate mindert.
rückgeführt werden können (Raeder 2017). Der Anstieg der Pi-Konzentration beeinträch-
Regenerationsmanagement und Ernährung
461 9
tigt die kontraktile Kraftentfaltung sowie die rechterhaltung des initialen Leistungsniveaus
elektromechanische Kopplung (d. h. verrin- resynthetisiert werden kann. Infolge einer re-
gerte Kalzium-Ionen- [Ca2+-]Ausschüttung duzierten Glykogenverfügbarkeit bzw. glykoly-
aus dem sarkoplasmatischen Retikulum durch tischen ATP-Resyntheserate muss zunehmend
Bindung von Pi an Ca2+) durch eine Vermin- auf die phosphagene Energiebereitstellung und
derung der Ca2+-Sensitivität myofibrillärer vor allem auf den aerob lipolytischen Stoff-
Proteine (Allen et al. 2008; Ament und Ver- wechsel zurückgegriffen werden. Dieser nutzt
kerke 2009). Die temporäre Reduktion der zwar die nahezu unerschöpflichen körpereige-
intramuskulären ATP-Verfügbarkeit führt nen Fettreserven, erreicht jedoch nur einen
zudem zu einer vorübergehenden Verlang- Bruchteil der ATP-Bildungsrate des aerob-
samung der Funktionsfähigkeit von ATP-ab- und anaerob-glykolytischen Stoffwechsels. Da-
hängigen ATPasen (Enzyme, die ATP in ADP rüber hinaus scheint eine belastungsinduzierte
und Phosphat aufspalten können). Dadurch Glykogenentleerung in einer Beeinträchtigung
ist u. a. der Transportmechanismus der Natri- der elektromechanischen Kopplung und ins-
um-Kalium-ATPase (Na+-K+-ATPase, auch als besondere der Ca2+-Freisetzung aus dem sar-
Natrium-Kalium-Pumpe bezeichnet) gestört, koplasmatischen Retikulum zu resultieren
was zu einer extrazellulären Anreicherung von (Ørtenblad et al. 2013; Kent et al. 2016). Im
K+-Ionen führt. Hierdurch wird die Amplitude Verlauf der Regenerationsphase werden die
der nachfolgenden Aktionspotentiale sukzes- Glykogenspeicher bei adäquater Kohlenhyd-
sive verringert, was schließlich in einer ver- ratzufuhr mit einer Rate von etwa 5–7 % pro
minderten Ca2+-Ionen-Ausschüttung aus dem Stunde wieder aufgefüllt. Im Extremfall dauert
sarkoplasmatischen Retikulum resultiert (Mac- die komplette Wiederauffüllung des Muskelgly-
Dougall und Sale 2014). Eine Verringerung kogenspeichers mehrere Tage (Raeder 2017).
der Ca2+-Freisetzung wird zusätzlich durch die Ein rascher Abbau der intramuskulären
Hydrolyse (Spaltung einer biochemischen Ver- Glykogenspeicher, der insbesondere während
bindung durch Reaktion mit Wasser) von ATP intensiver körperliche Aktivität und der da-
vorangetrieben. Sie bedingt eine intrazelluläre bei vermehrt ablaufenden anaeroben Stoff-
Akkumulation von Magnesium (Mg2+; ATP ist wechselvorgänge stattfindet, führt außerdem
an Mg2+ gebunden), das wiederum einen star- zu einer Zunahme der intramuskulären Lak-
ken inhibitorischen Einfluss auf die Funktions- tat- und Wasserstoff- (H+-)Ionen-Konzentra-
weise der Kalziumkanäle im Rahmen der elekt- tion sowie zu einem Abfall des intrazellulären
romechanischen Kopplung ausübt (Lamb 2002; pH-­Werts. Einige Autoren (u. a. Robergs et al.
Allen et al. 2008). Die beeinträchtigte Funkti- 2004) sind der Meinung, dass zwischen der in-
onsfähigkeit der Ca2+-ATPase – sie pumpt die tramuskulären Laktatkonzentration und dem
Ca2+-Ionen nach deren innervationsbedingtem zellulären pH-Wert zwar ein negativer linearer
Konzentrationsanstieg zurück ins sarkoplasma- Zusammenhang besteht. Bei diesem handele
tische Retikulum – kann außerdem eine verzö- es sich aber nicht um eine Ursache-­Wirkungs-­
gerte Relaxation der Muskelfaser verursachen Beziehung. Das bedeutet, Laktat stünde in
(MacDougall und Sale 2014; Raeder 2017). keinem kausalen Zusammenhang mit einer
Intensive körperliche Aktivität bewirkt belastungsinduzierten und stoffwechselbe-
ferner eine Entleerung des intramuskulären dingten Übersäuerung. Es fungiere im Rah-
Glykogendepots. Aufgrund ihrer höheren men der Laktatdehydrogenase-­Reaktion viel-
glykolytischen Leistungskapazität gilt dies mehr als Puffer von H+-Ionen und würde
insbesondere für Typ-IIA- und Typ-IIX-­ demnach nicht zur metabolischen Ermüdung
Muskelfasern. Der Zusammenhang zwischen der Muskelzelle betragen. Hingegen würde die
Glykogenverarmung und Ermüdung liegt vor- intrazelluläre H+-Ionen-­Akkumulation, die
rangig darin begründet, dass ATP ohne Glyko- von den Autoren als die Hauptursache für die
gen nicht mehr ausreichend schnell zur Auf- nichtrespiratorische Arbeitsazidose genannt
462 T. Wiewelhove

wird, maßgeblich zu der Beeinträchtigung der rotraumata treten aber auch bei ungewohnter
kontraktilen Muskelfunktion beitragen. So be- und/oder langandauernder Muskeltätigkeit
wirkt die H+-Ionen-­induzierte Arbeitsazidose mit exzentrischen Anteilen auf. Zudem verur-
eine potentielle Reduktion der Ca2+-Sensitivi- sachen hohe bis maximale exzentrische Kraft-
tät myofibrillärer Proteine, da die H+-Ionen belastungen bei langer Muskellänge und hoher
mit den Ca2+-Ionen um die Bindung an Trop- Dehnungsgeschwindigkeit größere Muskel-
onin C konkurrieren. In der Folge werden die zellschädigungen als exzentrische Muskelak-
Anzahl mechanisch wirksamer Querbrücken tionen bei kurzer Muskellänge und geringer
verringert und die Kontraktilität reduziert Dehnungsgeschwindigkeit (Fridén und Lieber
(Allen et al. 2008; Ament und Verkerke 2009; 2001; Chapman et al. 2006).
Keyser 2010; Debold et al. 2016). Der Schädigungsmechanismus kann fol-
Schließlich wird angenommen, dass der gendermaßen erklärt werden: Bei exzentri-
Abfall des intrazellulären pH-Werts die Glyko- scher Arbeit kommt es auf beiden Seiten der
lyserate drosselt, da H+-Ionen inhibitorischen Z-Scheiben zu entgegengesetzten Zugbewe-
Einfluss auf das Enzym Phosphofructokinase gungen, da die kontraktilen Einheiten der
ausüben. Phosphofructokinase spielt eine zen- Muskelzelle trotz der hohen äußeren Deh-
trale Rolle im Glukosestoffwechsel. Sie wird als nungskräfte versuchen, ihre Kontraktions-
Schrittmacherenzym der Glykolyse bezeich- arbeit zu verrichten und den Muskel bzw. das
net, da durch die Regulation ihrer Aktivität Sarkomer zu verkürzen. Dies führt zu einem
gleichsam die Aktivität der Glykolyse gesteuert Überschreiten der individuellen Dehnbelas-
9 wird (Raeder 2017). Es ist zu berücksichtigen, tungstoleranz (Yield Point) vereinzelter Sar-
dass es unter den Bedingungen körperlicher komere (Armstrong et al. 1991; Proske und
Aktivität immer zu einer kombinierten Wir- Morgan 2001). Bei gleichem Bewegungswi-
kung aller metabolischen Ermüdungsfaktoren derstand und exzentrischer Kontraktion sind
kommt. Sie tragen nicht isoliert, sondern ad- im Vergleich zu isometrischer oder konzen-
ditiv in unterschiedlichem Ausmaß und mit trischer Arbeitsweise zudem eine geringere
verschiedenen Wirkmechanismen sowie in Anzahl motorischer Einheiten in die Kon-
unterschiedlichen zeitlichen Dimensionen zur traktion involviert. Die absolute mechanische
Muskelermüdung bei. Beanspruchung der rekrutierten Muskelfaser-
strukturen ist mit ansteigendem Dehnungs-
grad daher teils deutlich erhöht (Fridén und
9.2.2  echanische Ursachen von
M Lieber 2001; Byrne et al. 2004). Aufgrund
Ermüdung der heterogenen Verteilung der Kräfte- und
Längeneigenschaften der Sarkomere inner-
Mechanisch bedingte Ermüdungserscheinun- halb der Myofibrille werden außerdem einige
gen betreffen den Schädigungsprozess der Sarkomere stärker und schneller gedehnt als
Skelettmuskulatur infolge der bei Muskeltätig- andere.
keit auftretenden intramuskulären Zug- und Histologische Untersuchungen mittels
Scherkräfte. Die hierbei entstehenden mikros- elektronenmikroskopischer Analyse von Mus-
kopisch kleinen Muskelverletzungen (sog. Mi- kelbiopsien sowie Magnetresonanztomogra-
krotraumata) werden speziell durch intensive phie und Ultraschall deuten darauf hin, dass
dynamisch-negative (exzentrische) Muskelbe- exzentrisch induzierte Mikrotraumata spe-
anspruchungen ausgelöst, da hierbei die ein- ziell mit der Auflösung des charakteristischen
wirkenden Kräfte auf die Muskelfaserstruktu- myofibrillären Strukturmusters einhergehen
ren um ein Vielfaches über denen bei statischer (. Abb. 9.3). Hierbei zeigen sich neben Be-
oder dynamisch-positiver (konzentrischer) schädigungen des Sarkolemms und der an das
Muskelarbeit liegen (Wiewelhove 2016). Mik- sarkoplasmatische Retikulum angrenzenden
Regenerationsmanagement und Ernährung
463 9

a b

c d

..      Abb. 9.3 Elektronenmikroskopische Aufnahmen aber intakte Mitochondrien (Mt); c beschädigte


bioptischer Skelettmuskelproben vor und 72 Stunden Sarkomere mit geschwollenen Mitochondrien (sMt);
nach einem intensiven plyometrischen Training. a d beschädigtes myofibrilläres Strukturmuster mit
Normales myofibrilläres Strukturmuster mit regulärer völliger Absenz der Z-Scheiben und Mitochondrien. 1 =
Z-Scheiben- (Z-)Anordnung; b beschädigte Muskelfaser- wellenförmiges Aussehen der Z-Scheiben; 2 = moderate
struktur mit Aufquellungen, Verbreiterungen und Aufquellungen und Verbreiterungen der Z-Scheiben; 3
vielfältigen mikroskopischen Einrissen der Z-Scheiben, = Auflösung der Z-Scheiben (nach Macaluso et al. 2012)

T-Tubuli vor allem Aufquellungen, Verbrei- großer Bewegungsamplitude deutlich erhöht


terungen und vielfältige mikroskopische Ein- (Raeder 2017).
risse der Z-Scheiben. Dies geht in der Folge Durch die mechanisch bedingten Schädi-
mit einer erheblichen Beeinträchtigung der gungen des myofibrillären Zytoskeletts und
mechanischen Strukturstabilität des myofibril- den damit einhergehenden Membrandeforma-
lären Zytoskeletts einher. Hiervon sind sowohl tionen wird die Funktionsfähigkeit der elekt-
Typ-­I- als auch Typ-IIA- und Typ-IIX-Mus- romechanischen Kopplung beeinträchtigt, was
kelfasern betroffen. Aufgrund der geringeren sich letztlich in einer Minderung der Mus-
Strukturfestigkeit der Z-Scheiben gegenüber kelfunktion manifestiert (Fridén und Lieber
mechanischen Dehnbelastungen ist der Schä- 2001; Clarkson und Hubal 2002). Ferner be-
digungsgrad bei schnellen Muskelfasertypen wirken die wiederholten Dehnbelastungen, die
allerdings stärker ausgeprägt (Fridén und auf die Membranen einwirken, eine Öffnung
Lieber 2001; Toigo 2014). Folglich ist das Ent- dehnungssensitiver Ionenkanäle. Dies führt
stehungsrisiko von Mikrotraumata bei hohen zusammen mit der erhöhten Durchlässigkeit
und vor allem exzentrischen Krafteinsätzen in für Ca2+-Ionen (und Signalmoleküle) des in
464 T. Wiewelhove

Mitleidenschaft gezogenen Sarkolemms und/ ren Proteinen/Enzymen (u. a. Kreatinkinase,


oder sarkoplasmatischen Retikulums zu einem Myoglobin und Laktatdehydrogenase) in den
Verlust der Ca2+-Homöostase, da es zu einem Blutkreislauf. Deren Blutkonzentration kann
unkontrollierten Ca2+-Einstrom in das Sarko- über venöse oder kapilläre Blutentnahmen
plasma kommt. Der Ca2+-Einstrom löst durch bestimmt werden. Dadurch lässt sich indirekt
die Ca2+-abhängige Aktivierung endogener der muskuläre Schädigungsgrad quantifizie-
Proteasen die enzymatische Auflösung geschä- ren. Beispielsweise haben eine Vielzahl von
digter Strukturproteine aus, wodurch sich der Studien belegt, dass intensive exzentrische
mittelfristige Muskelfunktionsverlust inten- Kraftbelastungen in einem signifikanten An-
siviert (Proske und Allen 2005; Toigo 2014; stieg der Plasmakonzentration von Kreatin-
Raeder 2017). Die Erhöhung der intrazellulä- kinase resultieren (Fridén und Lieber 2001;
ren Ca2+-Konzentration kann außerdem eine Clarkson und Hubal 2002; Raeder 2017).
lokale Verletzungskontraktur hervorrufen, die Die Akkumulation von Entzündungszellen
sich in einem mehrtägigen Anstieg der passi- bewirkt zusätzlich eine Schmerzempfind-
ven Muskelsteifigkeit und einer Verschlechte- lichkeitssteigerung, da die chemischen Ent-
rung der Gelenkbeweglichkeit niederschlägt zündungsmediatoren an die extrazellulä-
(Proske und Morgan 2001; Proske und Allen ren Schmerzrezeptoren binden (Proske und
2005). Morgan 2001; Proske und Allen 2005). Das
Darüber hinaus gehen die mechanisch Gefühl von Muskelschmerz manifestiert sich
bedingten Verletzungen mit lokalen inflam- bei Palpation, Dehnung oder Aktivierung
9 matorischen Reaktionen einher. Hierbei wer- des betroffenen Muskels gewöhnlich erst ei-
den Entzündungszellen wie Neutrophile und nige Stunden nach Belastungsende und kann
Makrophagen durch die Ausschüttung bzw. durch reflektorische Verspannungen noch
Bildung von Botenstoffen an den Ort der verstärkt werden. Es erreicht seinen Höchst-
entzündlichen Reaktionen angelockt (Che- wert etwa 24–48 Stunden nach der Belastung
motaxis) und wandern in der Folge in den und klingt dann in den darauffolgenden Ta-
Bereich der Gewebeschädigung ein. Die Ent- gen allmählich ab (Proske und Morgan 2001;
zündungszellen verstärken dadurch zunächst Clarkson und Hubal 2002; Byrne et al. 2004;
die Gewebeverletzungen, treiben aber auch Toigo 2014; Raeder 2017).
die Elimination von zerstörtem Muskelzell-
material voran (Toigo 2014; Raeder 2017).
Praxistipp: Indirekte Marker für Muskelzell-
Dabei kommt es zur Freisetzung von lokalen schädigungen
chemischen Entzündungsmediatoren (v. a.
Bradykinine, Histamine und Prostaglandine), Die Konzentration muskelspezifischer
die u. a. an der Erhöhung der Membranper- Proteine/Enzyme (z. B. Kreatinkinase) im
meabilität und Vasodilatation beteiligt sind. Blut sowie das Auftreten von Muskel-
Infolgedessen kommt es zu einer verstärkten schmerz stehen in keinem direkten
Ödembildung und Schwellung am Ort der Zusammenhang mit dem Verlust der
Gewebeschädigung, die bis zu mehrere Tage muskulären Leistungsfähigkeit. So ist ein
nach Belastungsende anhalten kann (Howell Anstieg der Kreatinkinasekonzentration
et al. 1993; Proske und Morgan 2001; Toigo lediglich ein Indiz für eine erhöhte
2014; Raeder 2017). Permeabilität der Muskelzellmembran
Durch die Beschädigungen am myofi- infolge belastungsinduzierter Struktur-
brillären Zytoskelett und der damit einher- schädigungen des myofibrillären Zytoske-
gehenden Zunahme der Membranpermeabi- letts. Der Anstieg bildet jedoch nicht eins
lität kommt es letztlich zu einer verstärkten zu eins eine Einschränkung der kontrakti-
Freisetzung bzw. Diffusion von intrazellulä-
Regenerationsmanagement und Ernährung
465 9
chen (Gandevia 2001; MacDougall und Sale
len Muskelfunktion ab. Gleiches gilt für das
2014). Beispielsweise wurden nach intensiven
Muskelschmerzempfinden. So ist die plyometrischen Krafteinsätzen der unteren
kontraktile Kraftentfaltung üblicherweise Extremitäten akute und mittelfristige Be-
schon vor der Schmerzentstehung einträchtigungen der Reflexsensitivität von
beeinträchtigt und hält teilweise auch Muskelspindeln sowie der Regulation der ak-
noch nach dem Abklingen des Muskelka- tiven Gelenksteifigkeit (reaktive „Stiffness“)
ters an (Fridén und Lieber 2001; Byrne beobachtet. Dies ging mit einer signifikanten
et al. 2004). Zur qualitativen Abschätzung Verringerung der reaktiven Sprungleistungs-
von mechanisch bedingten Ermüdungs- fähigkeit einher (Horita 1996; Nicol 1996;
ursachen ist demnach die Berücksichti- Byrne et al. 2004). Im supraspinalen Anteil
gung von sowohl Blut- als auch Schmerz- des Nervensystems kann die verstärkte Rei-
markern sinnvoll (Clarkson und Hubal zung der III- und IV-Muskelafferenzen, die
2002; Raeder 2017). über sensorische Feedbackschleifen direkt
ins Zentralnervensystem projizieren, ein ver-
mindertes Aktivierungsverhalten kortikaler
Motoneurone bewirken. Dies schlägt sich in
9.2.3 Neuronale Ursachen von einem reduzierten neuromotorischen Antrieb
Ermüdung und einer entsprechenden Leistungsreduktion
nieder (Ament und Verkerke 2009; Gandevia
Neuronale Ermüdungsursachen betreffen das 2001; Toigo 2014; Laurin et al. 2015; Raeder
neuronale Antriebsverhalten des Zentralner- 2017). In diesem Zusammenhang zeigte sich,
vensystems, sprich des spinalen und supra- dass belastungsinduzierte Mikrotraumata den
spinalen Anteils des Nervensystems, und des Grad der willkürlichen Aktivierungsfähigkeit
peripheren Nervensystems. Sie sind über- bei einzelnen kurzen (< 3 s) isometrischen
wiegend durch metabolische und/oder me- Maximalkontraktionen nicht beeinflussten,
chanische Ermüdungsprozesse bedingt (Mac- während sich bei isometrischen submaxima-
Dougall und Sale 2014; Toigo 2014). Hierbei len Kraftausdauerbelastungen (bis 60 s) eine
spielen unter anderem mechano- und chemo- verstärkte zentralnervöse Drosselung der
sensitive extrazelluläre Schmerzafferenzen Willküraktivität abzeichnete (Endoh et al.
der Gruppe III und IV eine besondere Rolle, 2005).
die infolge von muskulären Ermüdungspro- Eine Aktivierung nozizeptiver III- und IV-­
zessen verstärkt stimuliert werden und durch Muskelafferenzen kann einerseits durch die
komplexe neurophysiologische Prozesse zur unmittelbare Akkumulation von anaeroben
Minderung der körperlichen Leistungsfähig- Metaboliten (v. a. Laktat und H+-Ionen) und
keit beitragen können (Gandevia 2001). So die innervationsbedingte Erhöhung der ex-
kann die Stimulation der Schmerzafferen- trazellulären K+-Konzentration bei vor allem
zen auf spinaler Ebene durch zwischenge- submaximal erschöpfenden Muskelaktivitäten
schaltete Interneurone eine präsynaptische erfolgen. Andererseits werden die schmerz-
Hemmung der Reflexaktivität terminaler Ia-­ empfindlichen Afferenzen durch die bei mus-
Spindelafferenzen bewirken sowie zu einer di- kulären Strukturschädigungen ausgeschütte-
rekten Inhibition des α-Motoneuronenpools ten Entzündungsmediatoren (v. a. Bradykinine
beitragen (Laurin et al. 2015). und Prostaglandine) stimuliert. Das dadurch
Auch kann die ermüdungsbedingte Ver- gesteigerte Schmerzempfinden beeinträchtigt
ringerung der Entladungsfrequenz von das neuronale Aktivierungsniveau der Moto-
Muskelspindeln eine verminderte Aktivie- neurone durch Reduktion ihrer Impulsstärke
rung von spinalen Motoneuronen verursa- und Entladungsfrequenz und setzt somit die
466 T. Wiewelhove

körperliche Leistungsfähigkeit herab (Nicol rier) zur Passage der Blut-Hirn-Schranke


1996; Avela und Komi 1998; Gandevia 2001; konkurrieren, steigt aufgrund eines veränder-
Byrne et al. 2004; Endoh et al. 2005; Borenstein ten BCAA-­Tryptophan-­Verhältnisses im Blut
et al. 2011; Toigo 2014). zugunsten des Tryptophans die Wahrschein-
Weitere neuronale bzw. zentralbedingte lichkeit, dass erhöhte Mengen an Tryptophan
Ermüdungsursachen, die für eine Reduktion über den Carrier ins Gehirn gelangen (Ament
der körperlichen Leistungsfähigkeit ver- und Verkerke 2009). Hochvolumige, submaxi-
antwortlich sein können, sind die Akkumu- male Muskelaktivitäten resultieren zusätzlich
lation von Ammoniak, die vermehrte Oxi- in einer Zunahme der freien Fettsäuren (FFS)
dation von verzweigtkettigen Aminosäuren im Blut. Durch die Erhöhung der arteriellen
(BCAAs bzw. Valin, Leucin und Isoleucin), FFS-­Konzentration steigt der Anteil ungebun-
der Anstieg freier Fettsäuren im Blut und denen Tryptophans. Da nur freies Tryptophan
die erhöhte Freisetzung von Myokinen (v. a. die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, wird
Interleukin-6; Ament und Verkerke 2009; die erhöhte Tryptophanverfügbarkeit im Ge-
Phillips 2015). Die Ammoniakbildung in der hirn vom arteriellen FFS-Spiegel mit beein-
Muskulatur erfolgt durch den verstärkten Ab- flusst. Im Gehirn angelangt, wird Tryptophan
bau von Aminosäuren (v. a. BCAAs) sowie über 5-Hydroxytryptophan in Serotonin über-
im Rahmen des Purinnukleotidzyklus. Der führt. Serotonin fungiert als wichtiger Neuro-
Purinnukleotidzyklus ist u. a. für die Stimula- transmitter und kann u. a. das Gefühl von
tion der aerob-anaeroben Energieproduktion Müdigkeit, Erschöpfung und Lethargie stei-
9 wichtig. Hierbei wird durch eine Akkumula- gern, was sich letztlich in einer zentralnervös
tion von ADP und Adenosinmonophosphat bedingten Abnahme der körperlichen Leis-
(AMP) die Adenylatdesaminase aktiviert und tungsfähigkeit wiederspiegeln kann (Ament
AMP zu Inosinmonophosphat (IMP) hydro- und Verkerke 2009; Phillips 2015; Zając et al.
lysiert, wobei Ammoniak entsteht. IMP wird 2015; Wiewelhove 2016; Raeder 2017).
partiell zu AMP remetabolisiert oder über Schließlich bewirken intensive körperli-
Inosin zu Hypoxanthin umgewandelt, das die che Anstrengungen eine erhöhte kalziumab-
Muskelzellmembran genauso wie Ammoniak hängige Freisetzung von Myokinen. Die Aus-
passieren kann und im Blut nachweisbar ist schüttung von Myokinen steigert sich zudem
(Weicker 1988). Da Ammoniak ebenfalls die durch die mechanisch bedingten Muskelzell-
Blut-Hirn-Schranke passieren kann, kommt schädigungen und die damit einhergehen-
es schließlich zu einer zerebralen Ammoniak- den inflammatorischen Reaktionen. Sobald
akkumulation. Aufgrund der zelltoxischen Myokine vermehrt im Blutplasma angerei-
Wirkung von Ammoniak wird dadurch der chert werden, kommt es zu einem negativen
Gehirnstoffwechsel gestört und die Leistungs- Rückkopplungsmechanismus, der neuromo-
fähigkeit limitiert (Phillips 2015; Zając et al. dulatorische Wirkungen im zerebralen Meta-
2015). bolismus entfaltet. Dies geht mit zentralen
Insbesondere submaximale, bis zur Er- Ermüdungssymptomen wie beispielsweise
schöpfung absolvierte Krafteinsätze können einer negativen Gefühls- und Stimmungslage
zudem zu einem gesteigerten Metabolismus und letztlich mit einer reduzierten Leistungs-
von BCAAs in der beanspruchten Muskulatur bereitschaft und Leistungsfähigkeit einher
führen. Hierdurch verringert sich die BCAA-­ (Nybo und Secher 2004; Ament und Ver-
Konzentration im Blut. Da BCAAs und Tryp- kerke 2009; Vargas und Marino 2014; Phillips
tophan um die gleiche Trägersubstanz (Car- 2015).
Regenerationsmanagement und Ernährung
467 9
Exkurs: Periphere oder zentrale Ermüdung

Ergebnisse diverser Studien deuten darauf hin, perkutan mittels Oberflächenelektroden, die ent-
dass sich das zentralnervöse Antriebsverhalten weder am Muskelbauch oder am motorischen
nach intensiven und/oder intermittierenden Be- Nerv angebracht werden, elektrisch gereizt. Da-
lastungen kaum verändert (u. a. Taylor et al. 2000; durch wird ein zusätzlicher isometrischer Twitch
Bishop 2012; Bigland-­Ritchie et al. 2017). Dies auf die vom Muskel durch Willkürinnervation ge-
konnte in vielen Fällen mittels Elektromyographie nerierte Kraft gesetzt. Hierbei gilt: Je höher die
und transkranieller Magnetstimulation sowie ins- durch die Elektrostimulation zusätzlich erzeugte
besondere mithilfe der Twitch-Interpolationstech- Kraft, desto eingeschränkter die Willküraktivie-
nik nachgewiesen werden. Die Twitch-Interpola- rung und desto größer der Einfluss zentraler Er-
tionstechnik erlaubt eine objektive Messung müdungsmechanismen. Mittels Twitch-Interpola-
rekrutierter und nicht rekrutierter Anteile eines tionstechnik vorgelegte Befunde weisen darauf
Muskels während einer isometrischen Kontraktion hin, dass vor allem nach exzentrisch akzentuierten
und ermöglicht so eine differenzierte Abschät- Belastungsprotokollen eine Leistungsminderung
zung peripher und zentral verursachter Kraftver- vorrangig durch periphere Ermüdungsmechanis-
luste. Dabei wird ein willkürlich unter isometri- men verursacht wird (Byrne et al. 2004; Wiewel-
schen Bedingungen kontrahierender Muskel hove 2016).

9.2.4 Messung von Ermüdung laborchemische und psychometrische Para-


meter vorgeschlagen. Diese lassen sich in die
Die Messung des Regenerationsbedarfs erfolgt in . Tab. 3.16 vorgeschlagenen Kategorien auf-
im Wesentlichen durch ein Trainings- und teilen:
Athleten-Monitoring (vgl. 7 Abschn. 3.5) und 55 Blutmarker (z. B. Kreatinkinase, Harnstoff,
verfolgt dabei meist zwei Ziele (Meyer et al. freies Testosteron, Kortisol, C-reaktives
2016): Protein)
55 Das erste Ziel besteht in der Identifikation 55 Herzfrequenz (HR) und Herzfrequenzva-
von Athleten mit Regenerationsbedarf. riabilität (HRV; z. B. HRRuhe, HRsubmax,
Indirekt wird so natürlich auch geklärt, ob HRmax, HRErholung, HRZonen, RMSSD und
jene Sportler ausreichend erholt und somit weitere HRV-Parameter)
voll trainier- bzw. belastbar sind. 55 Training-Impuls (TRIMP) (z. B. Edwards’
55 Das zweite Ziel besteht in der Bewertung TRIMP [HRZonen × min])
der Wirksamkeit von eingesetzten 55 Psychometrie (z. B. Profile of Mood States
Regenerationsstrategien. Dies geschieht in [POMS], Recovery-Stress Questionnaire
der (leistungs-)sportlichen Praxis übli- for Athletes [REST-Q-Sport], visuelle oder
cherweise für den Einzelfall und somit auf numerische Muskelschmerzskalen,
individueller Ebene. In sportwissenschaft- Kurzskala Erholung und Beanspruchung
lichen Studien, in denen die prinzipielle [KEB], Total Quality Recovery [TQR]
Wirksamkeit einer Regenerationsstrategie Scale, Perceived Recovery Status [PRS]
überprüft werden soll, erfolgt dies aber Scale)
auch auf Gruppenebene. 55 Schlafdiagnostik (Qualität und Dauer)
55 Neuromuskuläre Funktion (z. B. Tensio-
Für die Messung des Regenerationsbedarfs myographie, Twitch-Interpolationstech-
werden in der Literatur verschiedene leis- nik)
tungsbezogene, neuromuskuläre, vegetative,
468 T. Wiewelhove

55 Einfache sportmotorische Tests (z. B. Reisen oder privaten Problemen (soweit


isometrische Maximalkrafttests, dynami- diese nicht selbst für Ermüdung verant-
sche Maximalkrafttests, 20-m-­ wortlich sind)
Linearsprint, Counter Movement Jump, 55 Ermöglichung einer individuellen Mes-
Drop Jump, Multiple Rebound Jumps) sung und Beurteilung des Regenerations-
55 Submaximale Ausdauertests bedarfs
(z. B. Lamberts-­and-Lambert-Submaximal-
Cycle-­Test [LSCT], Yo-Yo-Intermittent-­ Praxistipp: Messung des Regenerationsbedarfs
Recovery-Test [Yo-Yo IRT] [HRsubmax])
55 Ernährungs- und Körpergewichtsdoku- Ein idealer Marker würde wohl integrativ
mentation sein, d. h. alle Ermüdungsebenen auf
einmal abbilden. Zwar existiert eine große
Da die verschiedenen Ermüdungsmarker be- Auswahl an physiologisch begründbaren
reits ausführlich in 7 Abschn. 3.5 beschrieben Indikatoren. Aufgrund der Komplexität
wurden, wird auf eine vertiefte Betrachtung von Ermüdungs- und Erholungsprozessen
im Verlauf dieses Kapitels verzichtet. An dieser lässt jedoch bislang keiner allein eine
Stelle sei aber nochmals darauf hingewiesen, zuverlässige Erfassung der „Gesamtermü-
dass die vorgeschlagenen Parameter nur dann dung“ zu. Denn die meisten Parameter
für die leistungssportliche Praxis tauglich sind, erfassen die Ermüdungsebenen nur
wenn sie verschiedene Kriterien erfüllen. Denn partiell, am globalsten aber wohl die
9 es muss bedacht werden, dass im Einzelfall eine Psychometrie. Um alle Ebenen der
zuverlässige Aussage getroffen werden soll. Ermüdung möglichst vollständig abzubil-
Schließlich folgen auf die Messung des Regene- den, ist also eine kombinierte Anwendung
rationsbedarfs entsprechende Konsequenzen, mehrerer Ermüdungsmarker zu empfeh-
wie beispielsweise eine Anpassung von Trai- len. Dabei sind Überinterpretationen
ningsinhalten oder sogar ein Trainings- oder unbedingt zu vermeiden, da sie zu
Wettkampfverzicht (Meyer et al. 2016). Dies fehlerhaften Entscheidungen in der
sind sehr bedeutsame Eingriffe in den Athle- Leistungssteuerung führen können. In der
tenalltag und müssen daher gut begründet sein. Sportpraxis sollte zudem berücksichtigt
Basierend auf den in 7 Abschn. 3.5 ausführlich werden, dass eine akute bis mittelfristige
besprochenen Aspekten eines Trainings- und Ermüdung leichter zu erfassen ist als eine
Athleten-­Monitorings sind die zu erfüllende langfristige (i. S. eines Übertrainings).
Kriterien folgende (Meeusen et al. 2013; Meyer Schließlich muss sich die Wahl von
et al. 2013, 2016; Halson 2014; Raeder 2017): Ermüdungsmarkern an die Sportartcha-
55 Einhaltung der Testgütekriterien (u. a. rakteristika orientieren. Dabei sind
Validität, Reliabilität, Objektivität, physiologische Hintergründe der Indikato-
Testökonomie) ren ebenso zu berücksichtigen wie die
55 kostengünstige, praktikable und engma- Praktikabilität deren wiederholter
schige Durchführbarkeit Messung. Nach wie vor können eine
55 nicht zu belastend und dadurch zusätzlich vertrauensvolle und ehrliche Kommunika-
ermüdend tion zwischen Trainer und Athlet sowie das
55 sensitiv für sportartrelevante Leistungs- „Trainerauge“ nicht komplett durch ein
schwankungen Diagnostikinventar zur Messung des
55 robust gegenüber alltäglichen Einflüssen Regenerationsbedarfs ersetzt werden
wie Veränderungen des Ernährungs- und (Meyer et al. 2016).
Schlafverhaltens oder Stressoren wie
Regenerationsmanagement und Ernährung
469 9
9.3 Regenerationsinterventionen 55 psychologische Maßnahmen (z. B.
und deren Wirksamkeit autogenes Training oder progressive
Muskelrelaxation)
In der (leistungs-)sportlichen Praxis kann 5 5 Musik
aus einer Vielzahl an regenerationsfördern- 5 5 (eigen- und gerätegestützte Vibrations-)
den Maßnahmen ausgewählt werden, deren Massage (u. a. Sportmassage, Foam-­
Wirksamkeitsnachweis jedoch nur selten unter Rolling), physiotherapeutische Anwen-
wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen dungen und Elektrostimulation
überzeugend erfolgt ist. Dies gilt sowohl für 5 5 Kompressionskleidung und gerätegestützte
„traditionelle“ und bei den Athleten beliebte Kompressionsanwendungen
Maßnahmen wie beispielsweise die Massage, 5 5 Wärmeapplikationen (z. B. Sauna oder
als auch für neuartige Regenerationstrends wie Infrarottherapie)
Foam-Rolling oder für technologisch unter- 5 5 Kälteapplikationen (z. B. Kaltwasserim-
stützte Interventionsstrategien wie z. B. LED-­ mersion oder Kryotherapie)
Bestrahlung oder Kältekammern. Trainer und
Athleten sollten vor allem dann vorsichtig sein, Eine Umfrage des Deutschen Olympischen
wenn bei Herstellern von Regenerationsequip- Sportbundes unter den Leitern der Olym-
ment auch marktwirtschaftliche Interessen be- piastützpunkte und den Sportdirektoren der
stehen (Meyer et al. 2016). olympischen Fachverbände ergab, dass Mas-
Die meisten Verfahren werden im An- sage, Saune, Hydrotherapie, Ernährungs-
schluss an eine Belastung bzw. zwischen bei maßnahmen, Kälteapplikationen und aktive
Belastungen appliziert und dienen folglich der Erholung in abfallender Reihenfolge die am
Linderung mittelfristiger Ermüdungssymp- häufigsten genutzten Regenerationsinterven-
tome sowie zur Unterstützung der Regenerati- tionen sind (Meyer et al. 2016). Eine Umfrage
onsprozesse. Vereinzelt werden Anwendungen in der ersten französischen Fußballiga zeigte
(z. B. aktive Erholung, Kompressionskleidung, eine weit verbreitete Anwendung von Kalt-
Kälteapplikationen) aber auch während einer wasserimmersion, aktiver Erholung, Massage,
Belastung eingesetzt, um akuten Ermüdungs- Stretching und Kompressionskleidung (Nédé-
vorgängen entgegenzuwirken und so kurzfris- lec et al. 2012). Eine Befragung von Tennisspie-
tig die Qualität der Trainings- oder Wettkampf- lern und Triathleten ergab, dass die Popularität
leistung zu unterstützen (vgl. 7 Abschn. 3.3: verschiedener Regenerationsinterventionen
Wettkampfvorbereitung; Wiewelhove 2016). stark von den besonderen Rahmenbedingun-
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind po- gen der Sportarten abhängt. So haben aktive
tentiell erholungsfördernde Maßnahmen u. a. Erholung, Stretching, Massage, Kaltwasserim-
folgende: mersion und progressive Muskelentspannung
55 aktive Erholung (moderate rein aerobe die höchste Bedeutung im Tennis, während Er-
Aktivitäten großer Muskelgruppen) nährung, Kompressionskleidung und Sauna im
55 Stretching Triathlon als am relevantesten erachtet wird.
55 Hydrotherapie (z. B. Dampf- oder wech- Dies liegt mit Sicherheit auch an den besonde-
selwarme Kontrastbäder) ren zeitlichen Anforderungen an die Regene-
55 Lichttherapie (z. B. LED-Therapie) ration während eines Tennisturniers mit meh-
55 Ernährung, Nahrungssupplemente und reren Spielen innerhalb kurzer Zeit, während
Flüssigkeitszufuhr nach einem Triathlon-­Wettkampf zumeist eine
55 Schlaf, einschließlich intendierter Ruhe- mehrtägige vollständige Regenerationsphase
bzw. Tagschlafphasen (z. B. Powernaps) eingelegt werden kann (Meyer et al. 2016).
470 T. Wiewelhove

Auch die klimatischen Rahmenbedingen 2006; Le Meur und Hausswirth 2013). Dies
haben Einfluss auf die Bedeutung der Rege- scheint im Kontext vieler Disziplinen jedoch
nerationsinterventionen. Beispielsweise gaben kein relevanter Regenerationseffekt zu sein
die befragten Sportler an, dass die Kaltwas- (Bishop et al. 2008). Zum Beispiel konnte
serimmersion deutlich häufiger nach Wett- gezeigt werden, dass eine beschleunigte Lak-
kämpfen unter extremer Hitze eingesetzt wird, tatelimination keinen Einfluss auf die kurz-
während das Saunabad unter Kältebedingun- fristige Wiederherstellung der körperlichen
gen bevorzugt wird. Auch ist beispielsweise Leistungsfähigkeit hat (Weltman et al. 1979;
davon auszugehen, dass Kaltwasserimmersion Bond et al. 1991; Tokmakidis et al. 2006) oder
im Schwimmen und Kälteapplikationen in diese durch aktive Erholung sogar negativ be-
den Wintersportarten bei den Athleten eine einflusst wurde (Dupont et al. 2003; Toube-
nur geringe Akzeptanz erfahren (Meyer et al. kis et al. 2005; Spencer et al. 2008). Darüber
2016). Im Folgenden wird auf solche Verfah- hinaus ist eine beschleunigte metabolische
ren vertieft eingegangen, die sich in der Sport- Homöostaseherstellung in vielen Sportarten
praxis vor allem nach intensiven, ermüdenden auch deshalb irrelevant, da sie auch bei passi-
Belastungen großer Beliebtheit erfreuen. Aus- ver Erholung nach bereits 60–90 min erreicht
genommen bleibt der Bereich der Ernährung, wird (Le Meur und Hausswirth 2013). Dies
der in einem separaten Unterkapitel bespro- ist üblicherweise kürzer als der Zeitabschnitt,
chen wird. der zwischen zwei aufeinanderfolgenden Be-
lastungen liegt.
9 Vielmehr verspricht man sich durch den
erhöhten lokalen Blutfluss einen schnelleren
­
9.3.1 Aktive Erholung
Abtransport von Abfallprodukten des Repa-
raturstoffwechsels geschädigter Muskelfaser-
strukturen sowie eine verbesserte Nährstoff-
versorgung des in Mitleidenschaft gezogenen
Gewebes (Le Meur und Hausswirth 2013).
Zudem könnte sich die analgetische Wirkung
sanfter körperlicher Betätigungen positiv auf
das im Rahmen von Muskelzellschädigungen
auftretende Schmerzempfinden auswirken
(Zainuddin et al. 2006; Tufano et al. 2012; An-
dersen et al. 2013). Beide Aspekte konnten bis-
lang allerdings nicht eindeutig nachgewiesen
werden. Während Gill et al. (2006) sowie Tufano
et al. (2012) eine schnellere Normalisierung der
Kreatinkinasekonzentration im Blut sowie eine
Aktive Erholungsstrategien beinhalten mo- raschere Wiederherstellung der Kraftleistung
derate, dynamische und rein aerobe Aktivi- durch aktive Erholung nachweisen konnten,
täten großer Muskelgruppen wie Jogging, zeigte sich in den Studien von Wiewelhove
Fahrradfahren, Schwimmen oder sanftes et al. (2016, 2018a), dass sowohl eine einmalig
Krafttraining mit dem Ziel der beschleunigten absolvierte als auch eine mehrfach über einen
metabolischen und myofibrillären Homöos- Trainingsblock hinweg wiederholte aktive Er-
taseherstellung (Nédélec et al. 2013). Die holung keinerlei Einfluss auf das Entstehen und
wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit Abklingen von Ermüdungssymptomen hatte.
ist jedoch nicht überzeugend gegeben. Unbe- Darüber hinaus werden auch negative Ef-
stritten ist eine kurzfristig raschere Laktateli- fekte aktiver Erholungsstrategien vermutet.
mination und pH-Wert-Regulation (Barnett So führte beispielsweise der anhaltend gestei-
Regenerationsmanagement und Ernährung
471 9
gerte Energieumsatz zu einer Verlangsamung 9.3.2 Stretching
der Wiedereinlagerung von Muskelglykogen
(Fairchild et al. 2003). Zudem resultierte eine
laufbasierte aktive Erholung nach einem Halb-
marathon im Vergleich zu passiver Erholung
in einem zusätzlichen Anstieg der Kreatinki-
nasekonzentration im Blut sowie in einer Re-
duktion des subjektiven Erholungsempfindens
(Wiewelhove et al. 2018a).
Aufgrund der heterogenen Befundlage
kann eine aktive Erholung nicht uneinge-
schränkt zur Regenerationsförderung emp-
fohlen werden. Da bislang aber auch kaum
negative Effekte von aktiven Erholungsstra-
tegien bekannt sind, kann von einer aktiven Vorrangiges Ziel von Stretchingmethoden
Erholung auch nicht grundsätzlich abgeraten ist die Verbesserung der sportmotorischen
werden. Über einen Einsatz sollte daher unter ­Beweglichkeit im Trainingsprozess durch eine
Berücksichtigung individueller Routinen und in Abhängigkeit von den Gelenkstrukturen
Vorlieben sowie nach kritischer Auswahl ge- gesteigerte Dehnfähigkeit (vgl. 7 Kap. 6). Se-
eigneter Belastungsformen (z. B. resultierte kundärziele sind die Steigerung der körper-
eine laufbasierte aktive Erholung unmittel- lichen Leistungsfähigkeit, die Senkung des
bar nach einem Halbmarathon in einer Ver- Verletzungsrisikos sowie die Förderung der
schlimmerung der Ermüdungssymptome) Regeneration nach Training und Wettkampf.
entschieden werden. Abschließend ist anzu- Unbestritten ist, dass langfristiges Dehntrai-
merken, dass ein dauerhafter Einsatz von ak- ning eine Zunahme der Bewegungsreich-
tiven Erholungsmaßnahmen im Trainings- und weite bewirkt. Dies ist vorrangig auf eine er-
Wettkampfprozess keinen adaptationsmindern- höhte Dehnbelastungsfähigkeit infolge einer
den Einfluss auf die Entwicklung der Kraft- gesteigerten Toleranz gegenüber maximalen
oder Ausdauerleistung hat (Roberts et al. 2015; Dehnspannungen zurückzuführen (Raeder
Figueiredo et al. 2016; Wiewelhove et al. 2018b). 2017). Außerdem gibt es vermehrt Indizien,
dass Stretching bei richtiger Anwendung im
Praxistipp: Aktive Erholung Rahmen der Belastungsvorbereitung das Ver-
letzungsrisiko senken kann (Behm et al. 2015;
Die aktuelle Befundlage deutet darauf hin, Reid et al. 2018). Abgesehen von statischen
dass aktive Erholungsstrategien zur Dehnprogrammen, in denen extreme Gelenk-
Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit positionen über einen längeren Zeitraum ge-
am Folgetag keinen messbaren Vorteil halten werden, scheint sich die Anwendung
gegenüber der passiven Erholung besitzen. von Stretching im Warm-up auch nicht nega-
Das in der Praxis weit verbreitete Auslaufen, tiv auf die Leistung auszuwirken (Behm et al.
Ausschwimmen oder Ausradeln ist jedoch 2015; Blazevich et al. 2018; Reid et al. 2018).
selten nachteilig und schwächt auch nicht In Kombination mit Krafttraining kann Stret-
die angestrebten Trainingsadaptationen ab. ching sogar als zusätzlicher Stimulus wirken
Die Entscheidung für oder gegen die und den Hypertrophieeffekt verstärken (Rae-
Durchführung einer aktiven Erholung sollte der 2017).
daher der individuellen Präferenz vorbehal- Bezogen auf die Regeneration konnten
ten bleiben (Meyer et al. 2016). bisher keine potentiell erholungsfördernden
472 T. Wiewelhove

Mechanismen identifiziert werden (Nédélec des Schmerzempfindens. Diese sind aber nach
et al. 2013). Dies mag auch der Grund sein, bereits etwa 30–60 min abgeklungen. Zudem
warum regenerative Wirkungen durch Stret- kann Stretching auch kontrainduziert sein.
ching bislang nur von wenigen Studien über- So können extreme Dehnprotokolle nach
prüft und nicht überzeugend nachgewiesen körperlicher Belastung den Muskel-Sehnen-­
wurden (Rabita und Delextrat 2013). In einer Komplex unangemessen belassen, belastungs-
Studie von Robey et al. (2009) hatte Stret- induzierte Mikrotraumata verstärken und
ching keinen Einfluss auf den empfundenen somit einer effektiven Regeneration entgegen-
Muskelschmerz sowie die Wiederherstellung wirken (Nédélec et al. 2013; Rabita und De-
der Leistungsfähigkeit im Anschluss an eine lextrat 2013; Meyer et al. 2016). Daher sollte
intensive Belastung. Ähnliches dokumen- ein Stretching im Rahmen der Regenerations-
tierten Cheung et al. (2003); Connolly et al. förderung sanft und unbedingt schmerzfrei in
(2003); Gulick et al. (1996) sowie Mika et al. adäquaten Bewegungsamplituden erfolgen.
(2007). Sie zeigten, dass Stretching die Sym- Dynamische Dehntechniken bieten außer-
ptome mikroskopischer Muskelverletzungen dem den Vorteil, dass die Muskeldurchblu-
nicht lindert. tung nicht eingeschränkt wird (Raeder 2017).
Im Einzelfall berichten Athleten jedoch
von einem gesteigerten Wohlbefinden und Praxistipp: Stretching
einer Linderung des Schmerzempfindens.
Dies könnte durch die Annahme, dass Dehn- In der Literatur besteht bislang keine
9 programme zu einer Herabsetzung der Ruhe- Einigkeit hinsichtlich potentieller
spannung bzw. des Muskeltonus führen, er- regenerationsfördernder Effekte von
klärt werden. Die Muskelspannung unterliegt Stretching. Zur mittelfristigen Reduktion
viskoelastischen und neurophysiologischen von Muskelschmerzempfinden sowie zur
Zustandsgrößen. Stretching bewirkt kurzfris- beschleunigten Wiederherstellung der
tig eine reduzierte Ruhedehnungsspannung Leistungsfähigkeit in den Folgetagen
(Muskelsteifigkeit) und eine erhöhte Dehn-­ nach körperlichen Anstrengungen zeigt
Stress-­Toleranz und dadurch eine gesteigerte Stretching keinen messbaren Vorteil
Bewegungsreichweite. Zusätzlich stellt sich gegenüber passiver Erholung. Da ein
eine verminderte Reflexaktivität und eine ge- Nachdehnen bei korrekter Anwendung
steigerte Muskelrelaxation ein (Meyer et al. weder die Trainingsadaptation noch den
2016). Wiemeyer (2003) vermutet, dass ins- Regenerationsverlauf negativ beeinflusst,
besondere statisches Dehnen aufgrund redu- kann Stretching aufgrund seines akuten
zierter afferenter und efferenter Zuflüsse zur analgetischen sowie zentralnervös
Formatio reticularis zu allgemeinen Desak- entspannenden Effekts aber zur kurzfris-
tivierungsprozessen und letztlich zu einem tigen Steigerung des allgemeinen
psychophysischen Entspannungszustand Wohlbefindens eingesetzt werden. Im
führt. Eine Abnahme der Ruhe-Dehnungs- unmittelbaren Anschluss an eine
spannung wird zudem auf das sogenannte Belastung sollte nur sanft, schmerzfrei
Creeping-­Phänomen (Kriech-Phänomen: und in angemessener Gelenkamplitude
Ausrichtung der Kollagenfasern entlang des nachgedehnt werden. Schmerzende Mus-
einwirkenden Kraftvektors mit einhergehen- keln (Muskelkater) sollten nicht und
der Strukturverlängerung) zurückgeführt ruhende Muskeln nicht ruckartig (in
(Raeder 2017). großen Gelenkamplituden) gedehnt
Die sich hieraus ergebenden Regenera- werden (Rabita und Delextrat 2013;
tionseffekte sind im Wesentlichen eine Steige- Meyer et al. 2016).
rung des Wohlbefindens und eine Linderung
Regenerationsmanagement und Ernährung
473 9
9.3.3 Kälteapplikationen pendieck et al. 2013). Nach dem derzeitigen
Kenntnisstand scheint eine Ganzkörperim-
mersion für 11–15 min bei einer Wasser-
temperatur zwischen 11–15 °C am ehesten
erfolgsversprechend zu sein (Machado et al.
2016).
Derzeit gibt es keine eindeutig belegten
Wirkmechanismen von Kälteapplikationen
als Regenerationsmaßnahmen. Es wird spe-
kuliert, dass der hydrostatische Druck bei der
KWI kompressionsähnliche Wirkungen her-
vorruft und dadurch einen verbesserten ve-
nösen Rückstrom sowie eine abschwellende
Wirkung gewährleistet (Bieuzen 2013). Zudem
könnte die kompressionsbedingte Erhöhung
des intrazellulär-­intravaskulär ausgerichteten
und osmotisch wirksamen Flüssigkeitsgra-
dienten den Abtransport von Stoffwechse-
lend- bzw. Abfallprodukten beschleunigen und
so die Wiederherstellung der Muskelfunktion
unterstützen (Bieuzen 2013; Poppendieck et al.
2013; Raeder 2017).
Die eigentlichen Regenerationseffekte von
KWI bzw. Kälteapplikationen werden aller-
dings vorrangig auf die (Wasser-)Tempera-
Sportpraktische Kälteanwendungen erfolgen tur und die damit einhergehende Reduktion
zumeist durch Kaltwasserimmersion (KWI) lokaler Entzündungs- und Schmerzprozesse
oder Kryotherapie (z. B. Kältekammer). Aber zurückgeführt (Nédélec et al. 2013). So ver-
auch Eismassagen, kühlende Sprays und Gels mindert die Temperatursenkung aufgrund
sowie Kühlwesten kommen vereinzelt zum einer reflexartigen lokalen Vasokonstriktion
Einsatz. Da eine KWI mit relativ geringen und einer verringerten thermoregulatorischen
Kosten verbunden ist (z. B. lediglich die An- Notwendigkeit zur konvektiven Hitze- bzw.
schaffung einer Regentonne) und gleichzeitig Wärmeableitung den Blutfluss zu den Extre-
keiner größeren räumlichen Voraussetzung mitäten. In der Folge kommt es zu einer Um-
bedarf, scheint vor allem sie in vielen Sport- leitung des Blutstroms von der Peripherie zum
arten beinahe flächendeckend etabliert zu sein Körperkern und damit ebenfalls zu einem er-
(Meyer et al. 2016). Insbesondere im Fußball höhten venösen Rückstrom sowie einer verbes-
oder Tennis wird die KWI oft im direkten serten Herzeffizienz (Nédélec et al. 2013, 2015;
Anschluss an Trainingseinheiten und Spielen Versey et al. 2013; Ihsan et al. 2016). Dabei
durchgeführt. wird angenommen, dass vor allem die durch
Empfohlene bzw. evaluierte Immersions- Kälte ausgelöste Vasokonstriktion inflamma-
protokolle variieren in Dauer, Wassertempe- torische Prozesse hemmt und dadurch indi-
ratur und Eintauchtiefe zwischen Intervall- rekt die Entstehung von Schmerz beeinflusst
anwendungen von beispielsweise 5 × 1 min (Bieuzen 2013; Leeder et al. 2012; Poppen-
bei einer Wassertemperatur von 5–8 °C und dieck et al. 2013; White und Wells 2013). Eine
Daueranwendungen von 10–20 min bei ei- kurzfristige analgetische Wirkung und somit
ner Wassertemperatur von 10–15 °C (Pop- direkte Schmerzlinderung infolge inhibitori-
474 T. Wiewelhove

scher Einflüsse auf die Muskelschmerzafferen- Praxistipp: Kaltwasserimmersion (KWI)


zen der Gruppe III und IV sowie reduzierter
Nervenleitgeschwindigkeit, Muskelspindelak- Es existiert bislang keine Einigkeit in der
tivität, spinalmotorischer Reflextätigkeit und Literatur hinsichtlich der Wirksamkeit von
Spastizität gilt hingegen als gesichert (Nédélec KWI als Regenerationsintervention.
et al. 2013). Allerdings scheint eine Ganzkörperim-
In wissenschaftlichen Untersuchungen mersion aufgrund des höheren hydrosta-
konnten muskuläre Beschwerden teilweise tischen Drucks und der schnelleren
gelindert (wobei dies auch auf den Placebo-­ Verringerung der Körpertemperatur
Effekt zurückgeführt werden könnte, da eine größere Effekte zu versprechen als die
Blindung bei KWI-Studien kaum möglich Immersion einzelner Körperteile (z. B. nur
ist), die Serumkonzentration von Kreatinki- Beine). Wassertemperatur und Länge der
nase, Myoglobin oder Entzündungsmarkern KWI sowie zeitliche Nähe zur vorherigen
gesenkt und die Leistungsfähigkeit erhöht ermüdenden und insbesondere Muskel-
werden (Bailey et al. 2007; Ingram et al. 2009; schmerz verursachenden Belastung sind
Rowsell et al. 2009, 2011; Ascensão et al. 2011; bedeutend für die Wirksamkeit. Generell
Hausswirth et al. 2011; Minett et al. 2012; sollten Sportler so schnell wie möglich
Pointon und Duffield 2012; Elias et al. 2013). nach Belastungsende mit einer KWI
In gleicher Weise dokumentierten jedoch beginnen. Eine Ganzkörperimmersion für
auch zahlreiche Untersuchungen entweder ei- 11–15 min bei einer Wassertemperatur
9 nen Placebo-­Effekt, überhaupt keine Wirkun- zwischen 11–15 °C scheint am ehesten
gen oder sogar einen negativen Einfluss durch erfolgsversprechend und auch tolerabel
KWI-­ Anwendung auf die Erholung und für den Athleten zu sein. Speziell nach
Leistungsbereitschaft (z. B. Reduktion der intensiven Trainings- und Wettkampfbe-
Glykogen-Resyntheserate, akuter Leistungs- lastungen unter Hitzebedingungen
abfall infolge reduzierter Muskeltemperatur erscheint die Anwendung von KWI
oder subkutane Schwellungen aufgrund einer plausibel und für das Wohlbefinden der
erhöhten Permeabilität von Lymphgefäßen; Sportler förderlich, auch wenn die
Meeusen und Lievens 1986; Paddon-­Jones physiologisch zu erwartenden Effekte
und Quigley 1997; Costello et al. 2012; Bieu- geringer sind als theoretisch zu erwarten.
zen 2013; Delextrat et al. 2013; Nédélec et al. Aufgrund kurzfristiger Schnellkrafteinbu-
2013; Tseng et al. 2013; Broatch et al. 2014). ßen ist ein Einsatz von KWI zwischen zwei
Angesichts der unterschiedlichen publizier- in kurzem Abstand aufeinanderfolgenden
ten Immersionsprotokolle sowie der hetero- Trainings- oder Wettkampfaktivitäten ggf.
genen und teils unzureichenden Datenlage kontrainduziert. Zudem gibt es verein-
zu verschiedenen kryotherapeutischen An- zelte Hinweise darauf, dass eine chroni-
wendungen gilt eine Beschleunigung der Re- sche Anwendung von KWI in Kombina-
generation durch (Immersions-)Kälte bislang tion mit Krafttraining die induzierten
als nicht gesichert. Ferner bestehen Hinweise Adaptationsprozesse hemmt und somit
darauf, dass sich eine dauerhafte Anwendung potentielle ­Trainingsanpassungen
von KWI negativ auf Anpassungsmechanis- vermindert (Bieuzen 2013; Meyer et al.
men im Bereich des Krafttrainings auswirken 2016).
könnte.
Regenerationsmanagement und Ernährung
475 9
9.3.4 Wärmeapplikationen erhöhte Hautdurchblutung sowie einen aku-
ten Anstieg der Herzfrequenz und Schweiß-
Das Trockensaunabad ist eine seit Langem produktion. Zudem beeinflusst die Wärme
weit verbreitete und von zahlreichen Athle- neuromuskuläre Mechanismen (z. B. erhöh-
ten regelmäßig im Anschluss an Training oder ter neuronaler Signaltransfer und verbesserte
Wettkampf benutzte Wärmeapplikation. Sie Propriozeption) sowie hormonelle (z. B. vor-
wird von vielen Sportlern zur Entspannung übergehender Anstieg der Konzentration von
von Körper und Psyche sowie zur Erholung Noradrenalin, ACTH, Cortisol, GH, Prolaktin
von Alltagsstressoren genutzt. Außerdem wird und Beta-Endorphin im Blut) und immuno-
sie in Zusammenhang mit Akklimatisierungs- logische (z. B. Zunahme der Anzahl an Leu-
prozessen eingesetzt. So bestehen Hinweise, kozyten im Blut) Reaktionen (Kukkonen-Har-
dass sich regelmäßige Saunagänge positiv auf jula und Kauppinen 2006; Hausswirth 2013;
die Thermoregulation auswirken können, was Raeder 2017). Über deren Einfluss auf rege-
wiederum die Leistung bei Wettkämpfen unter nerative Prozesse und Infektanfälligkeit exis-
Hitzebedingungen positiv beeinflussen könnte tieren bislang jedoch kaum wissenschaftlich
(Meyer et al. 2016). Aufgrund des hohen Flüs- relevante Informationen. Vereinzelt wird von
sigkeitsverlusts werden Saunagänge zudem in einer Reduktion von Bewegungsbeschwerden
Sportarten mit Gewichtsklassen angewandt, des aktiven und passiven Bewegungsappara-
um so kurzfristig das Körpergewicht zu re- tes sowie von einer Minderung empfundener
duzieren und die angestrebte Gewichtsklasse Muskelschmerzen berichtet (möglicherweise
zu erreichen. Schließlich werden Saunagänge bedingt durch die analgetische Wirkung von
mit einer reduzierten Infektanfälligkeit in Ver- Beta-Endorphin; Hannuksela und Ellahham
bindung gebracht, weshalb Athleten vor allem 2001; Kukkonen-Harjula und Kauppinen
bei kalten Umgebungsbedingungen darauf zu- 2006). Auch zeigte sich eine Steigerung von
rückgreifen. Bei einem akuten Infekt sollten Wohlbefinden und Schlafqualität (Hauss-
Saunagänge aber vermieden werden (Meyer wirth 2013). Zudem vermuten einige Autoren,
et al. 2016). dass durch eine regelmäßige Anwendung das
Die empfohlene Trockenhitze liegt bei Plasmavolumen erhöht und in der Folge die
einer Anwendungsdauer von 1–3 × 5–20 min Produktion roter Blutkörperchen stimuliert
und einer Luftfeuchtigkeit von 15–30 % zwi- werden kann, was einen positiven Einfluss auf
schen 80 °C und 90 °C (Hausswirth 2013). vor allem die Ausdauerleistungsfähigkeit hätte
Zum Teil wurden in Untersuchungen jedoch (Meyer et al. 2016).
ebenso Nutzungsbedingungen mit einer Luft- Dehydrierung oder zentralnervöse Deakti-
feuchtigkeit zwischen 3 % und 50 % definiert vierung durch die Hitzeexposition können sich
sowie Temperaturen von bis zu 110 °C erreicht jedoch auch leistungsmindernd auswirken (Gu-
(Shoenfeld et al. 1976; Paolone et al. 1980; tiérrez et al. 2003), sodass eine Saunaanwendung
Kukkonen-Harjula und Kauppinen 1988). nur in ausreichendem Abstand zum Training
Nach dem Saunabad erfolgen meist mehrere oder Wettkampf empfohlen wird. Außerdem
Kaltwasser-Anwendungen (z. B. kalte Dusche wurde bei Verstauchungen des Sprunggelenks
und/oder KWI) mit einer anschließenden Ent- eine verstärkte Ödembildung nach Hitzeex-
spannungs- und Ruhephase. position beobachtet, weshalb bei Muskelzell-
Der während des Saunabads induzierte An- schädigungen und der damit einhergehenden
stieg der Körpertemperatur bewirkt eine Weit- Ödembildung ein Saunagang möglicherweise
stellung der Hautgefäße, eine entsprechend kontrainduziert ist (Hausswirth 2013).
476 T. Wiewelhove

Praxistipp: Sauna Studien konnten nachweisen, dass KWT


das subjektive Schmerz- und Erholungsemp-
Da zu wenige wissenschaftliche Studien finden, die Kreatinkinasekonzentration im
zu kurz-, mittel- und langfristigen Effekten Blut sowie die Regeneration der Maximal- und
von Saunaanwendungen im Sport Schnellkraft positiv beeinflusst (Bieuzen et al.
vorliegen, können keine gesicherten 2013; Versey et al. 2013; Higgins et al. 2017).
Empfehlungen für einen Einsatz des Allerdings scheint KWT nicht grundsätzlich
Saunabads als Regenerationsintervention effektiver als andere Regenerationsinterven-
gegeben werden. In der Sportpraxis sollte tionen zu sein (z. B. aktive Erholung, Stret-
der Flüssigkeits- und Elektrolytverlust ching, KWI). Da zu wenige Untersuchungen
während einer Saunaanwendung bedacht zu den Regenerationseffekten von KWT vor-
werden. Bei unvollständigem Ausgleich liegen, kann nicht mit Sicherheit von einer
der Flüssigkeitsverluste kann die Leis- beschleunigten Erholung nach Training oder
tungsfähigkeit bei darauffolgenden Wettkampf durch KWT ausgegangen werden
körperlichen Aktivitäten eingeschränkt (Raeder 2017).
sein. Aus regenerativer Perspektive sollte
dem Flüssigkeitsverlust und den damit
potentiell einhergehenden negativen 9.3.5 Kompressionskleidung
Effekten auf die Erholungsfähigkeit daher
bereits während und vor allem nach der Das Tragen von Kompressionskleidung (ins-
9 Anwendung durch ausreichender besondere für die unteren Extremitäten)
Flüssigkeitszufuhr entgegengewirkt unterschiedlicher Stärke ist bei zahlreichen
werden (Meyer et al. 2016). Athleten populär. Die Art der Kompressi-
onskleidung reicht von Kniestrümpfen über
Shorts bis hin zu langen Hosen, kompri-
Abgesehen vom Trockensaunabad wen- mierenden Oberteilen und Ärmlingen oder
den viele Sportler immer häufiger die so- sogar Ganzkörperkompressionsanzügen
genannte Kontrastwasser-Therapie (KWT) (Meyer et al. 2016). Kompressionskleidung
an. Hierbei werden Kaltwasser- und soll der Verletzungsprophylaxe, Leistungs-
Warmwasser-­ Anwendungen in einem an- steigerung und Erholungsförderung dienen
nähernd gleichen Zeitverhältnis und mit (Barnett 2006). So wird angenommen, dass
einer Gesamtdauer von bis zu 15 min mit- sie über eine gesteigerte Propriozeption so-
einander kombiniert. Es wird vermutet, wie eine verringerte Muskeloszillation die
dass die hierdurch induzierte alternierende Leistung positiv beeinflusst (Doan et al.
Gefäßweit- und Gefäßengstellung eine Art 2003). Eindeutige Hinweise auf eine Leis-
„Drainageeffekt“ bewirkt, der eine redu- tungssteigerung in Training und Wettkampf
zierte Ödembildung und Entzündungsre- existieren bislang jedoch nicht (Duffield und
aktion infolge der stetigen Veränderungen Portus 2007; Duffield et al. 2008, 2010). Der
von Gewebetemperatur und Blutfluss nach vermutete regenerative Wert von Kompres-
sich zieht. Zudem wird über eine vermin- sionsanwendungen wird seit Längerem in
derte Muskelsteifigkeit und Schmerzemp- der wissenschaftlichen Literatur diskutiert.
findlichkeit sowie eine erhöhte Gelenkbe- Die Wirkungstheorien sind vielfältig und
weglichkeit spekuliert (Bieuzen et al. 2013; teils vergleichbar mit jenen der KWI: Steige-
Raeder 2017). rung des venösen Rückstroms, des arteriel-
Regenerationsmanagement und Ernährung
477 9
len Bluteinstroms sowie des lymphatischen 9.3.6 Massage
Ausstroms, Vermeidung von Ödembildung,
Beschleunigung des Laktatabbaus, Verbesse- Massagen bzw. Sportmassagen sind in vielen
rung von zellulären Reparaturprozessen, Re- Disziplinen seit mehreren Dekaden weit ver-
duktion von Muskelschmerzen und Steige- breitet. Häufig angewendete Massagetechniken
rung des Erholungsempfindens (Davies et al. umfassen Effleurage (gleitende Bewegungen),
2009; Nédélec et al. 2013). Petrissage (Kneten oder Pressen), Friktion
Der wissenschaftliche Nachweis zur re- (Reibung), Tapotement (rhythmisches Klop-
generativen Wirksamkeit von Kompressi- fen) und Vibration, die meist über einen
onskleidung ist zum Teil äquivok und noch Zeitraum von 10–30 min ausgeführt werden
nicht lückenlos aufbereitet (Couturier und (Weerapong et al. 2005). Außerdem kommen
Duffield 2013). Teilweise konnten Marker Vibrationsmassagen, Unterwasserdüsenmas-
von Muskelzellschädigungen wie z. B. die sagen, Akupressur oder Bindegewebsmassagen
­Kreatinkinasekonzentration im Blut oder das zum Einsatz (Meyer et al. 2016).
Muskelschmerzempfinden durch Kompres-
sion reduziert werden (Meyer et al. 2016). Die
Frage nach der Stärke der Kompressionsbe-
kleidung während der Regenerationsphase ist
jedoch bisher völlig ungeklärt. Vereinzelt gibt
es Hinweise, dass niedrigere Kompressions-
stärken eine höhere Toleranz bei Athleten er-
fahren.

Praxistipp: Kompressionskleidung

Bei der Wahl der Kompressionsstärke


sollte während der Regenerationsphase
eine mittlere Kompression von ca. Massagen werden in der (leistungs-)sportlichen
10 mm Hg gewählt werden, die mindes- Praxis zur Belastungsvorbereitung, Prävention
tens 48 Stunden nach Belastungsende und Rehabilitation von Sportverletzungen und
andauert. Das Tragen von Kompressions- Unterstützung der Regeneration eingesetzt. In
kleidung ist allerdings nur dann zu der Literatur werden verschiedene biomecha-
empfehlen, wenn das subjektive nische, physiologische, neurologische und psy-
Wohlbefinden des Sportlers nicht chologische Wirkmechanismen diskutiert. Der
beeinträchtigt wird. Außerdem sollte die zentrale Wirkungsmechanismus soll in der me-
Kompressionskleidung dem sportartspe- chanischen Erwärmung und der lokal gesteiger-
zifischen Beanspruchungsprofil entspre- ten Muskeldurchblutung liegen. Zudem sollen
chen und im Idealfall individuell sich muskuläre Verspannungen und Schmerzen
maßgeschneidert sein (Meyer et al. reduzieren, die Beweglichkeit verbessern und
2016). der Abtransport von Stoffen wie Blutlaktat und
Kreatinkinase beschleunigen lassen.
478 T. Wiewelhove

Experimentelle Überprüfungen erga- Praxistipp: Massage


ben keine nennenswerten Veränderungen
der Muskeldurchblutung, Dehnbarkeit und Der Einfluss von Massagen auf die Wieder-
Kraft in der Vor- und Nachbereitung von herstellung der körperlichen Leitungsfähig-
Training und Wettkampf (Wiktorsson Mol- keit ist im Mittel gering. Unter geeigneten
ler et al. 1983; Tiidus und Shoemaker 1995; Bedingungen (z. B. kurze Regenerations-
Shoemaker et al. 1997; Weerapong et al. 2005; phasen nach hochintensiver Belastung)
Wiltshire et al. 2010). Demgegenüber wird sind aber relevante Wirkungen möglich. So
in einigen Studien von einer Verbesserung gibt es zwar kaum Evidenz für physiologi-
von Gemütslage und Wohlbefinden sowie sche Effekte. Der psychologische Einfluss
von einer gesteigerten Entspannung berich- auf das subjektiv empfundene Wohl- und
tet (Hemmings et al. 2000; Farr et al. 2002; Erholungsempfinden kann aber leistungs-
­Moyer et al. 2004; Zainuddin et al. 2005). Zu- steigernd wirken. Sportler sollten daher ihre
dem konnte durch Muskelbiopsien gezeigt in der eigenen Praxis bewährten Massage-
werden, dass Massagen womöglich entzünd- routinen beibehalten, zumal bislang keine
liche Prozesse im Muskel durch eine Ein- nachteiligen Effekte von Massagen bekannt
dämmung der Zytokinproduktion hemmen sind. Eine kurzfristige Einstellung von
(Crane et al. 2012). Wohlbefinden, angenehmem Körpergefühl
In den letzten Jahren wurden mehrere sowie eine mögliche Verringerung von
Übersichtsarbeiten zu den potentiell rege- Muskelschmerzen lassen den Tag nach
9 nerationsfördernden Effekten von Massagen intensiven Belastungen positiv ausklingen.
veröffentlicht (u. a. Weerapong et al. 2005; Allein dieser Effekt kann eine Massage als
Poppendieck et al. 2016). Diese zeigten ein- Regenerationsintervention rechtfertigen,
heitlich, dass Massage zwar eine beliebte und auch wenn eine überdauernde und
häufig eingesetzte Regenerationsinterven- physiologische Wirkung ausbleibt (Meyer
tion ist, die Effekte auf die Wiederherstellung et al. 2016; Poppendieck et al. 2016).
der sportlichen Leistungsfähigkeit aber ge-
ring und nicht eindeutig belegt sind (Meyer
et al. 2016). Massagen scheinen lediglich in
der Lage zu sein, den subjektiv empfunde- 9.3.7 Schlaf
nen Erholungszustand positiv zu beeinflus-
sen. Poppendieck et al. (2016) bezweifeln,
dass die bislang nachgewiesenen Effekte die
weit verbreitete Anwendung von Massagen
im Kontext des Regenerationsmanagements
rechtfertigen. Zudem ist nicht geklärt, welche
Rahmenbedingungen die Wirksamkeit einer
Massage begünstigen (z. B. Massagedauer
und -technik; Meyer et al. 2016). Die inkon-
sistente Datenlage bezüglich der Wirkung
von Massagen kann dabei u. a. auf die große
Auswahl verschiedener Massagetechniken
und die damit einhergehenden Unterschiede
in den methodischen Designs der Massage- Es wird angenommen, dass Schlaf dabei
studien zurückgeführt werden (Nédélec et al. hilft, die neuronale und metabolische Be-
2013). anspruchung der Wachphase zu kompensie-
Regenerationsmanagement und Ernährung
479 9
ren (Frank 2006). Schlaf geht mit verringer- Schlafumfang sowie defizitäre Schlafqualität
tem Atem- und Herzschlagrhythmus sowie gehen mit Störungen der zentralnervösen
reduzierter zerebraler Durchblutung und Aktivierung, Verringerung des Muskelglyko-
stark erhöhter Sekretion von Wachstums- gengehalts, verstärktem Schmerzempfinden
hormonen einher, sodass eine physiologi- sowie erhöhter Infektanfälligkeit und redu-
sche Restitution ermöglicht wird (Åkerstedt ziertem Adaptationspotential, unerwünsch-
und Nilsson 2003). Der für Athleten not- ten Leistungseinbußen und inflammatori-
wendige Schlafumfang differiert dabei inter- schen Reaktionen einher (Irwin et al. 2006,
individuell erheblich und folgt einer negati- 2008; Haack und Mullington 2005; Cohen
ven U-Funktion (Le Meur et al. 2013). Für et al. 2009; Skein et al. 2011; Le Meur et al.
alle Sportler gilt: Zu geringer oder zu hoher 2013; Nédélec et al. 2013).

Exkurs: Jet-Lag

Vor allem Spitzensportler müssen häufig zu weit potentiell negativen Konsequenzen für die
entfernten Wettkämpfen reisen. Bereits ab einer Wettkampfleistung entgegenzuwirken, sind die
Zeitverschiebung von etwa drei Stunden ist das Einhaltung von Schlafzeiten während des Flugs
Auftreten von Jet-Lag-Symptomen (u. a. Einschlaf- (wobei man sich an der Zeit des Zielortes
schwierigkeiten, vorübergehende Müdigkeit am orientieren sollte), die Anpassung von Einschlaf-
Tag, Konzentrationsschwierigkeiten, Motivations- zeiten und Nachtschlafdauer vor und nach dem
verlust, Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit, Eintreffen am Wettkampfort, die Einplanung einer
Reduktion der körperlichen Leistungsfähigkeit) ausreichend langen Akklimatisierungsdauer und
wahrscheinlich. Nach Reisen in östlicher Richtung ggf. die Nutzung von Hilfsmitteln zur Schlafunter-
sind die Symptome meist stärker ausgeprägt als stützung. Das heißt, die Anreise sollte möglichst
bei Reisen in westliche Richtung. Das bedeutet, frühzeitig vor Wettkampfbeginn, mindestens
eine Umstellung auf einen Zeitvorsprung ist in der jedoch eine Woche vorher erfolgen. Nach Ankunft
Regel schwieriger als auf eine Zeitverzögerung sollten Schlaf- und Trainingseinheiten möglichst
(Lee und Galvez 2012; Meyer et al. 2016). sofort an die Ortszeit angepasst werden (Meyer
Strategien, um den Jet-Lag-Symptomen und deren et al. 2016).

Externe (z. B. Temperatur, Lärm, Helligkeit) mentale und physische Leistungsfähigkeit


und interne (z. B. Muskelschmerzen, Wett- unterstützen (Le Meur et al. 2013). Zudem för-
kampfnervosität, Hyperhydration) Faktoren dern sie Konzentrations- und Reaktionsfähig-
wirken auf die homöostatische und zirkadiane keit, die während eines Schlafmangelzustands
Schlafregulation und können Schlafquali- reduziert sind (Waterhouse et al. 2007). Je län-
tät und -quantität negativ beeinflussen (Fi- ger allerdings ein solcher Powernap andauert,
scher et al. 2008). Kommt es zu Störungen der desto länger braucht der Athlet, um die Schlaf-
Schlafroutine, können sog. Powernaps einem trunkenheit nach solch einer Schlafphase zu
Schlafdefizit entgegenwirken und die Erho- überwinden (Le Meur et al. 2013). Ein Power-
lung begünstigen (Nédélec et al. 2013). Power- nap sollte daher nicht unmittelbar vor einer
naps sind kurze Schlafperioden außerhalb der Trainings- oder Wettkampfbelastung stattfin-
nächtlichen Schlafphase, die die allgemeine den.
480 T. Wiewelhove

Praxistipp: Powernapping 9.3.8 Foam-Rolling


Da zu wenige wissenschaftliche Untersuchun- Seit einigen Jahren wird Foam-Rolling von
gen zum Powernapping im Sport vorliegen, vielen Athleten im Rahmen der kurzfristi-
können keine gesicherten Empfehlungen für gen Trainings- und Wettkampfvorbereitung
einen Einsatz als Regenerationsintervention sowie zur Unterstützung der Regeneration
gegeben werden. Powernaps können sowohl eingesetzt. Foam-Rolling ist eine Form der
allein als auch in der Gruppe und prinzipiell Selbstmassage, bei der bestimmte Muskel-
überall dort durchgeführt werden, wo ein gruppen – meist unter Zuhilfenahme einer
bequemer, ruhiger und ggf. abgedunkelter Schaumstoffrolle – behandelt werden. Neben
Ort zur Verfügung steht. Dabei sollte ein der „klassischen“ Schaumstoffrolle existie-
Wecker oder ein Timer gestellt werden, damit ren weitere Selbstmassageprodukte. Hierzu
eine 30-minütige Schlafphase nicht über- zählen verschiedene Bälle und Massagesticks
schritten und eine Tiefschlafphase vermieden sowie diverse Formkombination, die in unter-
wird. Außerdem ist die individuelle Verträg- schiedlichen Größen und Härtegraden ver-
lichkeit zunächst unter Trainingsbedingungen fügbar sind und eine Applikation der Selbst-
zu prüfen, bevor eine Schlafintervention unter massage an unterschiedlichen relevanten
Wettkampfbedingungen eingesetzt wird Muskelstrukturen ermöglichen (Wiewelhove
(Meyer et al. 2016). et al. 2019).

..      Foam-Rolling (https://doi.org/10.1007/000-054)
Regenerationsmanagement und Ernährung
481 9
Empfehlungen bezüglich Anwendungs- theorien beinhalten einen erhöhten Blutfluss
dauer und Anpressdruck sind uneinheitlich infolge einer parasympathisch ausgelösten
und sowohl von der Art der vorrangegan- Vasodilatation sowie eine gesteigerte Neutrop-
genen Belastung als auch der individuellen hilenkonzentration, die der Entstehung von
Schmerzaffinität abhängig. So kann zu starker Entzündungsherden und somit einer Ödem-
Anpressdruck belastungsinduzierte Muskel- bildung entgegenwirken könnte. Potentielle
faserschädigungen u. U. verstärken. In wis- psychophysiologische Einflussgrößen umfas-
senschaftlichen Untersuchungen kommen sen schließlich ein verbessertes Erholungs- und
überwiegend Protokolle mit einer Anwen- Wohlbefinden infolge eines erhöhten Plasma-
dungsdauer von 1–3 × 30–60 s pro Muskel- endorphinspiegels, ein verringertes zentral-
gruppe zum Einsatz. Das Ausrollen vom dista- nervöses Erregungsniveau, eine verstärkte
len zum proximalen Ansatzpunkt des Muskels parasympathische Aktivität und/oder den
und zurück geschieht dabei mit gleichbleiben- Placebo-Effekt (Meyer et al. 2016; Wiewelhove
der, langsamer Geschwindigkeit, was entweder et al. 2019).
der subjektiven Einschätzung des Anwenders Aktuelle wissenschaftliche Studien und
überlassen ist oder mit der Hilfe eines Metro- Übersichtsarbeiten bestätigen, dass Foam-­
noms oder verbaler Instruktion sichergestellt Rolling in einer kurzfristigen, aber deutlichen
werden kann (Meyer et al. 2016). Ein Grund Verbesserung der Beweglichkeit sowie in
für die aktuelle Popularität von Foam-Rolling einer geringen Steigerung der Sprintleistung
als Warm-up- und Regenerationsstrategie ist resultiert (Cheatham et al. 2015; Wiewelhove
wohl die kostengünstige, einfache, selbststän- et al. 2019). Ein akuter Einfluss auf die Maxi-
dige und zeiteffiziente Anwendbarkeit (Wie- mal- und Schnellkraftleistung konnte bislang
welhove et al. 2019). nicht belegt werden. Hinsichtlich regenera-
Trotz der Popularität besteht jedoch kein tiv wirksamer Effekte scheint eine Reduktion
Konsens hinsichtlich des regenerativen Mehr- des Muskelschmerz- und somit Erholungs-
werts von Foam-Rolling. Dies mag zum Teil empfindens als gesichert (. Abb. 9.4). Dies
daran liegen, dass bislang nur wenige Studien wird wie die Erhöhung der Gelenkreichweite
die zugrunde liegenden Wirkmechanismen hauptsächlich mit der durch Foam-Rolling
untersucht haben. Es wird vermutet, dass po- bewirkten Schmerzmodulation erklärt (Ab-
tentielle Effekte von Foam-Rolling im Zusam- oodarda et al. 2015; Cavanaugh et al. 2017).
menhang mit mechanischen, neurologischen, Zudem gibt es Hinweise auf eine geringfügig
physiologischen und psychophysiologischen beschleunigte Wiederherstellung der Kraft-
Mechanismen stehen (Aboodarda et al. 2015; und Sprintleistung (Wiewelhove et al. 2019).
Cavanaugh et al. 2017; Monteiro et al. 2018; Vereinzelt werden auch mögliche schädliche
Phillips et al. 2018). Nebenwirkungen von Foam-Rolling auf bei-
Hinsichtlich mechanischer Mechanismen spielsweise die Gefäßstruktur diskutiert (Frei-
wird über eine Reihe von Untermechanismen wald et al. 2016).
spekuliert, wie z. B. eine Verringerung von Ad-
häsionen zwischen den Faszienschichten und Praxistipp: Foam-Rolling
eine Veränderung der thixotropen Gewebe-
eigenschaften. Bezüglich neurologischer Vor- Nach aktuellem Erkenntnisstand verbes-
gänge wird vermutet, dass Foam-Rolling eine sert Selbstmassage durch Foam-Rolling
analgetische und muskelregenerative Wirkung kurzfristig die Beweglichkeit, ohne dabei
infolge einer Schmerzmodulation (z. B. Her- die körperliche Leistungsfähigkeit zu
absetzung der Sensitivität von Schmerzrezep- beeinträchtigen. Außerdem hilft Fo-
toren) zukommt. Physiologische Wirkungs-
482 T. Wiewelhove

..      Abb. 9.4 Infografik zum Einfluss von Foam-­Rolling auf Leistungsfähigkeit und Regeneration (nach Le Meur
2019; Wiewelhove et al. 2019)
Regenerationsmanagement und Ernährung
483 9
erte diastolische Kompression der Beinvenen
am-Rolling, das Muskelschmerzempfin- mittels pneumatischer Manschetten sollen der
den in der Belastungsnachbereitung zu venöse Rückstrom unterstützt und muskuläre
reduzieren und somit das Wohlbefinden Ermüdungsbeschwerden limitiert werden.
zu steigern. Daher spricht nichts gegen Auch werden Geräte zur LED- und Laser-
den Einsatz als regenerationsfördernde therapie zur Verbesserung der Regeneration
Maßnahme sowohl unmittelbar nach angepriesen. Sie sollen auf zellulärer Ebene
Training oder Wettkampf als auch an durch eine Aktivierung mitochondrialer
trainingsfreien Tagen. Allerdings gibt es Stoffwechselkaskaden beschleunigend auf die
keinen eindeutigen Nachweis für eine Zellheilung nach Muskeldestruktion wirken
überdauernde Beschleunigung oder (Meyer et al. 2016).
Verzögerung der Leistungswiederherstel- Schließlich kann die zunehmende Ver-
lung. Vor diesem Hintergrund ist der fügbarkeit von Vibrations-Trainingsgeräten
Einsatz von Foam-Rolling im Rahmen für das Regenerationsmanagement von Inte-
eines Warm-ups möglicherweise sinnvol- resse sein. Vereinzelte wissenschaftliche Stu-
ler als während der Regenerationsphase dien berichten von regenerationsrelevanten
(Meyer et al. 2016; Wiewelhove et al. Effekten (Kosar et al. 2012). Ein eindeutiger
2019). wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis
fehlt jedoch. Dies gilt auch für die anderen
beschriebenen Technologien, die durch ge-
schickte Marketingstrategien jedoch bereits
9.3.9 Sonstige Regenerations- teilweise im leistungssportlichen Umfeld im
interventionen Einsatz sind. Aufgrund des hohen apparativen
und finanziellen Aufwandes bei weitestgehend
Aufgrund der Bedeutung einer raschen Re- unklarer Evidenz kann aber bislang von einem
generation für die Realisation sportlicher flächendeckenden Einsatz abgeraten werden
Höchstleistungen werden Trainer und Athle- (Meyer et al. 2016).
ten zunehmend von weiteren Interventionen
und Technologien mit überwiegend unklarer Exkurs: Regeneration versus Adaptation
Evidenz konfrontiert (Meyer et al. 2016). Bei-
spielsweise wird die Akupressur von zahl- Einige wenige Untersuchungen fanden heraus,
reichen kommerziellen Einrichtungen zur dass ein Einsatz der KWI im langfristigen
Stressbewältigung und als Entspannungsthe- Trainingsprozess die durch Krafttraining
angestrebten Anpassungen verringerte (Fröhlich
rapie angeboten. Im Bereich der regenera- et al. 2014; Roberts et al. 2015). Obwohl dieser
tionsfördernden Gerätetechnologien werden Effekt gering war, könnte er im Leistungs- und
beispielsweise vakuumbasierte Unterdruckbe- Hochleistungssport von Relevanz sein. Die
handlungsmethoden propagiert. Sie sollen die vergleichsweise geringen oder kaum nachweis-
Gewebedurchblutung fördern sowie den ve- baren nachhaltigen physiologischen Erholungs-
effekte sprechen aber gegen einen nennenswer-
nösen und lymphatischen Rücktransport un- ten adaptationsmindernden Einfluss der
terstützen. In ähnlicher Weise soll die aus dem etablierten Regenerationsinterventionen. Dies
klinischen Bereich kommende und mittler- konnte bereits für eine aktive Erholung im
weile als Regenerationsintervention vermark- Kontext des Ausdauertrainings bestätigt werden
tete pneumatische externe Gegenpulsation (Wiewelhove et al. 2018b).
wirken. Durch die rhythmische EKG-gesteu-
484 T. Wiewelhove

9.4 Regeneration und Ernährung Leucin) sowie durch Reparatur- bzw. Adapta-
tionsvorgänge (nach vorausgegangener Mus-
kelschädigung bzw. zur Muskelhypertrophie)
erhöht.
Es gilt als gesichert, dass durch eine aus-
reichende Aufnahme von Flüssigkeit, Mine-
ralstoffen, Kohlenhydraten, Proteinen und
essentiellen Aminosäuren nach Belastungs-
ende die Regeneration beschleunigt werden
kann (Nédélec et al. 2015; Schek 2018). Als
besonders effektiv wird dabei die kombinierte
Aufnahme von Flüssigkeit, Kohlenhydraten
und Proteinen bzw. essentiellen Aminosäuren
sowie speziell den Branched-Chain Amino
Acids (BCAAs) beschrieben. Insbesondere bei
Seit mehr als 50 Jahren werden potentiell akuten strukturellen und funktionalen Schädi-
leistungssteigernde Ernährungsmaßnahmen gungen der Skelettmuskulatur können somit
vor und während körperlichen Belastungen gleichzeitig Energiereserven wiederaufgebaut
(sowohl Training als auch Wettkampf) unter- und die Reparatur von geschädigten Muskel-
sucht und diskutiert – allen voran die Koh- strukturen beschleunigt werden (Nédélec et al.
9 lenhydratsupplementation im Ausdauersport 2013, 2015).
und die Proteinsupplementation im Kraft- Neben der unbestrittenen Wirkung von
sport. Regenerationsfördernde Ernährungs- Makronährstoffen versprechen verschiedene
empfehlungen rücken allerdings erst seit etwa Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungs-
15 Jahren verstärkt in den Fokus des sport- mittel einen zusätzlich beschleunigenden
wissenschaftlichen und sportpraktischen In- Einfluss auf die kurzfristige (z. B. Kreatinmo-
teresses. Bei diesen neueren Tendenzen geht nohydrat bei Intervallbelastungen) und mit-
es darum, inwieweit Ernährungsmaßnahmen telfristige Regeneration (z. B. Antioxidantien
eine zügige Wiederherstellung der Leistungs- aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wir-
fähigkeit und eine Minimierung von Überlas- kung bei Muskelschäden). Stets neue heils-
tungsreaktionen unterstützen können (Schek bringende Nahrungsergänzungsmittel werden
2013). propagiert und vermarktet (z. B. ß-Hydroxy-ß-­
Intensive und langandauernde körper- methylbutyrat, kurz HMB, zur Stimulation von
liche Aktivität geht mit Flüssigkeits- und Mi- anabolen Reparaturvorgängen nach Krafttrai-
neralstoffverlusten (Dehydratation und Hy- ning). Für deren regenerative Wirkung man-
ponatriämie primär durch Schweißverlust), gelt es jedoch häufig an Evidenz. Im Folgenden
Energieverlusten (speziell Kohlenhydrate werden aus dem umfangreichen Forschungs-
durch Entleerung der Muskel- und Leber- feld nur jene Ernährungsaspekte vertieft be-
glykogenspeicher) und strukturellen Schäden trachtet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit re-
(z. B. Muskelschäden mit nachfolgenden Ent- generationsfördernd sind. Für Betrachtungen,
zündungsmechanismen) einher. Auch der die über diese Auswahl hinausgehen, wird der
Proteinumsatz ist je nach Belastungsform und interessierte Leser auf weiterführende aktuelle
-dauer durch Oxidation im Rahmen der Ener- Literatur verwiesen (Kerksick et al. 2018; Nieß
giebereitstellung (vor allem die Aminosäure et al. 2008; Schek 2018).
Regenerationsmanagement und Ernährung
485 9
9.4.1  usgleich von Flüssigkeits-
A entleerungsrate bis zu einer Konzentration
und Mineralstoffverlusten von 8 % nicht wesentlich vermindert. Die Auf-
nahme hypotoner Getränke mit geringer Os-
Körperliche Aktivität geht mit Schweißverlus- molarität (z. B. Wasser) ermöglicht zwar eine
ten zur Regulation der Körperkerntemperatur rasche Magenentleerung, verzögert jedoch die
einher und steigert dadurch den Wasserbedarf. Absorption vom Dünndarm ins Blut. Hyper-
Der Entzug von Körperwärme erfolgt durch tone Getränke (z. B. unverdünnte Fruchtsäfte)
Verdunstungskälte auf der Haut (Thermore- verzögern die Magenentleerung und senken
gulation). In Abhängigkeit von Umgebungs- die Nettoabsorption ins Blut erheblich, da zur
temperatur, Luftfeuchtigkeit, Belastungsin- Verdünnung der Flüssigkeit zunächst Wasser
tensität und -dauer sowie Leistungsfähigkeit, vom Blut in den Dünndarm sezerniert wird.
Bekleidung, Körpergewicht, Veranlagung und Die Nettoabsorption ist somit das Ergebnis aus
Geschlecht kann die Schweißmenge bis weit Absorption und Sekretion (Rehrer et al. 1992;
über 2 l pro Stunde betragen. Gut Trainierte Saris et al. 1992a, b; Brouns 1993; Schek 2018).
schwitzen früher und stärker, wobei nach ca.
30 min ein Plateau erreicht wird, bis mit ab- Praxistipp: Flüssigkeitszufuhr während der
nehmendem Körperwasser die Schweißmenge Belastung
wieder rückläufig ist (Lee et al. 2014). Bei Auf-
enthalt in großer Höhe steigt der Wasserbedarf Während der Belastung sollte eine möglichst
zusätzlich an. Durch eine Abnahme des Kör- hohe Nettoabsorptionsrate von Wasser,
pergewichts von mehr als 3 % infolge des Flüs- Kohlenhydraten und Elektrolyten angestrebt
sigkeitsverlusts wird die körperliche Leistungs- werden, da hierdurch dem Verlust an
fähigkeit beeinträchtigt. Ab einem Verlust Flüssigkeit und Mineralstoffen (Schweiß)
von mehr als 7 % sind extreme Beschwerden sowie dem erhöhten Energiebedarf am
und Muskelkrämpfe möglich, und bei mehr effizientesten begegnet werden kann.
als 10 % besteht die Gefahr eines Hitzschlags Hierzu eignen sich isotonische Lösungen,
(Schek 2018). die zwischen 3 und 7 % Glukose, Saccharose
Zum Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten und Maltodextrine sowie mindestens
werden während der Belastung isotonische 400 mg Natrium- und 100 mg Magne-
Getränke empfohlen. Diese gewährleisten sium-Ionen pro Liter enthalten. Dies können
eine rasche Magenentleerung und eine effizi- käufliche Produkte, aber auch Fruchtsaft-
ente Absorption von Wasser im Dünndarm. schorlen (z. B. Apfelsaft mit elektrolytrei-
Isotonische Getränke besitzen eine ähnliche chem Mineralwasser im Verhältnis 1:2 [ca.
Osmolarität bzw. Osmolalität wie das Blut 4 %] oder 1:1 [ca. 6 %]) oder auch entspre-
(ca. 0,3 mol/l). Dies entspricht in etwa einer chende Cola-Mischungen mit Mineralwasser
5,4-­prozentigen Glukoselösung (5,4 g/100 ml). sein. Letztere können durch den Koffeinge-
Wenn neben Glukosemolekülen auch andere halt im Einzelfall hilfreich sein.
osmotisch wirksame Teilchen in der Flüssig-
keit gelöst sind (z. B. Elektrolyte wie Natrium-
und Magnesium-Ionen), muss der Glukose- In der Regenerationsphase ist die Vorgehens-
anteil geringfügig korrigiert werden. Wenn weise vom Ausmaß des Flüssigkeitsverlustes
anstelle von Glukose Saccharose (Haushalts- und von der Dauer bis zur nächsten Belastung
zucker) und Maltodextrine (kurzkettige Mehr- abhängig. Bei starker Dehydratation (z. B. nach
fachzucker) verwendet werden, ist die Magen- Marathonläufen oder Langdistanz-­ Triathlon
486 T. Wiewelhove

unter Hitzebedingungen) ist es ratsam, den Belastung rasch wiederhergestellt werden soll
Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust mit (Jeukendrup 2008; Faude und Meyer 2012).
hypo- oder isotonischen Getränken so schnell Die Speicherkapazität des Körpers für Kohlen-
wie möglich zu kompensieren. Bei geringeren hydrate ist begrenzt. Im Durchschnitt werden
Verlusten (< 5 % des Körpergewichts) kann nicht mehr als 400–600 g Glukose in Form von
das Flüssigkeits- und Elektrolytdefizit belie- Glykogen eingelagert (100 g Leberglykogen
big ausgeglichen werden. Da in diesen Fällen und 300–500 g Muskelglykogen; . Abb. 9.5).
eine hohe Nettowasserabsorption nicht das Bei vollständig gefüllten Glykogenspeichern
primäre Ziel ist, kann zugunsten einer raschen reicht die Energie bei intensiven Ausdauer-
und effizienten Glykogenresynthese auch auf beanspruchungen (bei einer Ausschöpfung
hypertone Getränke zurückgegriffen werden von über 65 % der V̇ O2max wie beispielsweise
(z. B. Malzbier, alkoholfreies Bier oder Glu- auch in den Sportspielen) für etwa 75–90 min
kosepolymer-Lösungen). Diese haben auch (Murray und Rosenbloom 2018). Speziell bei
den Vorteil, dass sie aufgrund ihres guten Ge- intensiven Belastungen sind Kohlenhydrate
schmacks zum Genuss größerer Mengen anre- aufgrund des günstigeren kalorischen Sauer-
gen, zumal der Appetit unmittelbar nach Be- stoffäquivalents gegenüber der Fettoxidation
lastungsende oft unzureichend ist, gleichzeitig überlegen. Dies erklärt die frühen muskel-
jedoch die besten hormonellen Rahmenbedin- bioptischen Untersuchungen unter anderem
gungen für den Glykogenaufbau vorliegen. bei Fußballspielern, die gegen Spielende eine
fast vollständige Entleerung der Glykogen-
9  xkurs: Kakao und Kirschsaft nach der Be-
E reserven nachweisen (Hermansen et al. 1967;
lastung Brouns 1993). Wenn auch das Leberglykogen
aufgebraucht und nicht mehr in der Lage ist,
In jüngerer Zeit mehren sich die Befunde, den Kohlenhydratverbrauch in der Muskula-
dass auch fettarme Milchprodukte (z. B. Kakao tur zu decken, versucht die Leber, im Rahmen
oder Erdbeermilch) regenerationsbeschleuni-
gend wirken, sofern sie für die Athleten der Glukoneogenese aus Glycerol (Anteil des
verträglich sind. Diese hypertonen Drinks sind Fettmoleküls), Laktat und glukogenen Ami-
ebenfalls kohlenhydrat- und elektrolythaltig. nosäuren neue Glukose zu bilden. Dieser Re-
Sie besitzen jedoch zusätzlich den Vorteil, serveweg ist jedoch insuffizient, sodass die
dass der Proteingehalt im Kontext der Belastungsintensität gesenkt werden muss
Reparatur von Muskelschäden hilfreich ist
und einen intrazellulären Stimulus für die (. Abb. 7.11, 7.12 und 7.13). Bei Hitze ist der
Proteinbiosynthese darstellt (Pritchett und Glykogenabbau beschleunigt, weil aufgrund
Pritchett 2013). Kirsch- und Tomatensäfte der Blutumverteilung zur Wärmeabgabe in die
werden aufgrund ihres entzündungshemmen- Peripherie in der Muskelzelle weniger Sauer-
den und antioxidativen Potentials ebenfalls stoff verfügbar ist und die anaerobe Glykolyse
während der Regeneration angeraten
(Nédélec et al. 2015). forciert (Fink et al. 1975; Jentjens et al. 2015).
Auch unter Wettkampfstress nimmt der Gly-
kogenverbrauch zu. Adrenalin aktiviert die
Glykolyse und Glykogenolyse und hemmt die
9.4.2 Kohlenhydratzufuhr Glykogensynthase. Zudem kann die Bewe-
gungsökonomie unter Nervosität beeinträch-
Eine bestmögliche Kohlenhydratzufuhr (bzgl. tigt und dadurch der Energieverbrauch erhöht
Timing und Zusammensetzung) ist eine der sein (Richter et al. 1982).
wichtigsten Voraussetzungen für den Rege- Bleibt eine Supplementation der verbrauch-
nerationsprozess, wenn die Leistungsfähig- ten Kohlenhydrate aus und wird nach Belas-
keit nach einer langwährenden intensiven tungsende eine ausschließlich fett- und/oder
Regenerationsmanagement und Ernährung
487 9

Honig Resorption schnell


Monosaccharide Bananen Glukose Fruktose Galaktose Geschmack sehr süss
Einfachzucker Traubenzucker Fruchtzucker Schleimzucker glykämischer Index hoch
Süßwaren

Zucker
Marmelade
Disaccharide Maltose Saccharose Laktose
Süßwaren
Zweifachzucker Malzzucker Rohrzucker Milchzucker
Limonaden
Malzbier
Sportgetränke
Oligosaccharide Toast
Mehrfachzucker Zwieback
Kekse
Getreide/Müsli
Mehlspeisen/Nudeln Resorption langsam
Polysaccharide Amylose, Amylopektin (pflanzliche Stärke)
Brot/Trockenkuchen Geschmack neutral
Vielfachzucker Glykogen (tierische Stärke)
Reis/Mais glykämischer Index niedrig
Kartoffeln

..      Abb. 9.5 Klassifikation von Kohlenhydraten (KH) chemische Zusammensetzung der Banane ändert sich
und Nahrungsmittelbeispiele. KH mit kürzerer mit verschiedenen Graden der Reife. Dabei wird die
Kettenlänge sind süßer, werden schneller resorbiert Stärke durch das Enzym Amylase gespalten, und der
und besitzen einen hohen glykämischen Index. Die Anteil an Monosacchariden steigt

12
11
Tag 1: glykogenbeladen Tag 2: glykogenverarmt
10
9
8
Laktat (mmol/l)

7
6
5 Maximalleistung↓ Lamax↓ aaS↑
4
3
2
1
0
Ruhe 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0
v (m/s)

..      Abb. 9.6 Fallbeispiel für den Verlauf der Laktatleis- Folgetag dieselbe Testanforderung absolviert. Folglich
tungskurve eines Athleten, der nach einer intensiven ist die Ernährung bei leistungsdiagnostischen
Leistungsdiagnostik am Vortag, anschließender Untersuchungen stets kohlenhydratreich zu standardi-
Dauerbelastung und fett-/eiweißreicher Diät am sieren

eiweißhaltige Nahrung zugeführt (z. B. Steak konzentrationen sowie einem frühzeitigeren


und Salat, wie beispielsweise im Rahmen einer erschöpfungsbedingten Abbruch (sowie ei-
ketogenen Diät üblich), dann ist die Leistungs- ner scheinbar verbesserten aerob-­ anaeroben
fähigkeit des Athleten speziell bei intensiver Schwelle).
Belastung am Folgetag signifikant vermin- Die wichtigsten Faktoren für eine hohe Gly-
dert. Im Rahmen eines Laufband-­Stufentests kogenresynthese sind die zugeführte Menge an
(. Abb. 9.6) resultiert dies u. a. in geringeren Kohlenhydraten, der Zeitpunkt und die Häu-
submaximalen und maximalen Blutlaktat- figkeit der Einnahme, der Entleerungsgrad der
488 T. Wiewelhove

Glykogenspeicher und die Art der zugeführten 55 In den folgenden Hauptmahlzeiten sollte
Kohlenhydrate. Die vollständige Wiederauf- der Kohlenhydratanteil auf 60 % der
füllung der Glykogenspeicher nach völliger insgesamt zugeführten Energie erhöht
Entleerung dauert zwischen zwei und drei Ta- werden. Dabei sind stärke- und ballast-
gen und wird durch verschiedene zusätzliche stoffreiche Lebensmittel zu bevorzugen
Faktoren beeinträchtigt. Aktive Erholung nach (z. B. Vollkornprodukte, Kartoffeln,
Belastungsende (z. B. Auslaufen oder Ausra- Gemüse und Obst). Mehrere kleinere
deln) geht ebenso wie Schlafmangel und somit Mahlzeiten sind wenigen umfangreichen
längere Wachphasen mit einem zusätzlichen Mahlzeiten vorzuziehen.
Energieverbrauch einher. Beides reduziert die 55 Die aufgenommene Kohlenhydratmenge
rasche Glykogensynthese nach Belastungsende sollte „strategisch“ dem Verbrauch
(Nédélec et al. 2015). angepasst bzw. periodisiert werden,
Zur bestmöglichen Regeneration entleer- sodass in Phasen geringerer Trainings-
ter Kohlenhydratspeicher können die Ausfüh- umfänge die Kohlenhydratzufuhr
rungen von Colombani (2017); Nédélec et al. reduziert und nach mehrstündigem
(2015) und Schek (2013, 2018) sowie die fol- intensiven Trainingseinheiten maximal
genden Empfehlungen herangezogen werden: gesteigert wird.
55 Bereits während der Belastung, so weit je 55 Die maximale Glykogenresynthese lässt
nach Sportart möglich, Kohlenhydrate in sich mit der Wahl der Kohlenhydrat-
regelmäßigen Abständen zuführen (ca. 1 g quelle geringfügig modulieren. Der
9 Kohlenhydrate/kg/h). Je nach Belastung in Einsatz von Getränken, die neben
Form von u. a. isotonischen Getränken, kurzkettigen Kohlenhydraten auch
Kohlenhydratgels, reifen Bananen, Maltodextrine und Glukosepolymer-­
Energieriegeln, Trockenobst oder Rosi- Lösungen beinhalten, sowie eine kombi-
nenbrötchen (z. B. während des Laufs oder nierte Kohlenhydrat- und Proteinzufuhr
in der Halbzeitpause in den Sportspielen). bilden möglicherweise einen zusätzlichen
Die Zufuhr externer Kohlenhydrate deckt Stimulus auf die Glykogenresynthese
bereits einen Teil des Energieverbrauchs (z. B. 8–10 g Kohlenhydrate/kg/Tag plus
und schont dadurch den Verbrauch essentielle Aminosäuren wie beispiels-
körpereigener Glykogenspeicher. weise 0,2–0,4 g Leucin/kg/Tag). Auch die
55 Möglichst unmittelbar nach Belastungs- Zufuhr ausreichender Flüssigkeit und
ende und wiederholt während der ersten Mineralien (insbesondere Kalium) wird
Stunden danach Zufuhr von Kohlen-­ empfohlen.
hydraten mit hohem glykämischen Index 55 Als kohlenhydratreiche Zwischenmahlzei-
(GI), ebenfalls im Umfang von ca. 1 g ten eignen sich Brot mit süßem Aufstrich,
Kohlenhydrate/kg/h. Der Grund für eine Müsli und Cornflakes, Obst, Kartoffelpü-
möglichst frühzeitige (erste) Kohlenhyd- ree oder Gnocchi ggf. kombiniert mit
rataufnahme liegt darin, dass die Ein- fettarmen Milchprodukten, magerem
schleusung von Glukose in die Muskel- Fleisch oder Eiern. Auf die alternative
zelle via GLUT4-Transporter Zufuhr von Kakao wurde hingewiesen
(Glukosetransporter Typ 4) gesteigert ist (7 Exkurs: Kakao und Kirschsaft nach der
und auch das hierfür zuständige Enzym Belastung).
(Glykogensynthase) in den ersten beiden 55 Die Zufuhr von Alkohol verzögert die
Stunden nach Arbeitsende die höchste Glykogeneinlagerung.
Aktivität aufweist.
Regenerationsmanagement und Ernährung
489 9
Exkurs: Carbohydrate Mouth Rinsing Der Proteinumsatz kennzeichnet die
Menge an Protein, die im Körper täglich ab-,
Verschiedene Autoren wiesen nach, dass das um- und aufgebaut wird. Hierzu werden nicht
Ausspülen des Mundes und anschließende
nur die aufgenommenen Nahrungsproteine
Ausspucken von Maltodextrin-Lösungen im
Vergleich zu einem Placebo zu signifikanten verwendet, sondern auch vorhandene Proteine
Leistungsverbesserungen bei Ausdauerbelas- abgebaut und „recycelt“. Der Proteinumsatz
tungen über ca. 60 min (Time Trials) führte. Dies übersteigt daher den Proteinbedarf, der sich
wird theoretisch mit dem Vorhandensein von aus der Proteinausscheidung und der Reten-
Kohlenhydratrezeptoren im Mund, die ein
tion (aufgenommene und in fettfreie Körper-
Belohnungszentrum im Gehirn speziell bei
entleerten Glykogenspeichern stimulieren masse eingebaute Aminosäuren) zusammen-
sollen, erklärt (u. a. Carter et al. 2004; Haase setzt (. Abb. 9.7). Bei einem Kraftsportler in
et al. 2009). Im Zusammenhang mit dem Thema der anabolen Phase liegt der zusätzliche Be-
Regeneration besitzen diese Befunde und darf an Protein für den Muskelaufbau unter
Theorien jedoch keine Relevanz. Selbstver-
dem „Sicherheitszuschlag“ zur Ableitung der
ständlich ist eine Entleerung der Glykogenspei-
cher unbedingt zu vermeiden. Für eine täglichen Proteinzufuhrempfehlung aus dem
„Pseudozufuhr“ von nennenswerter Relevanz Tagesbedarf. In der Praxis liegt der Protein-
ergeben sich in der Sportpraxis nur wenige verzehr jedoch häufig oberhalb der empfohle-
sinnvolle Anwendungsszenarien. nen Zufuhr – frei nach dem Motto „Viel hilft
viel“ (Schek 2018). Interessanterweise liegen
die gängigen Zufuhrempfehlungen (diese
schwanken je nach Autor teilweise erheblich)
9.4.3 Proteinzufuhr von Kraftsportlern und Ausdauersportlern auf
ähnlichem Niveau (1,2–1,7 g/kg/Tag). Dies
Proteine (Eiweiße) bestehen aus zwanzig liegt am grundsätzlich erhöhten gesamtkalo-
Aminosäuren, von denen die acht essentiel- rischen Umsatz der Ausdauersportler und der
len Aminosäuren vom Körper nicht synthe- Beteiligung von Aminosäuren an der Energie-
tisiert werden können. Hierzu zählen die drei bereitstellung.
verzweigtkettigen Aminosäuren (Branched Während der Regeneration nach inten-
Chain Amino Acids, BCAAs) Valin, Leucin siven Kraft- oder Ausdauerbelastungen ist
und Isoleucin sowie Threonin, Methionin, grundsätzlich eine positive Proteinbilanz an-
Lysin, Phenylalanin und Tryptophan (Schek zustreben, um vor Muskelschäden zu schützen
2018). Überschüssig durch die Ernährung zu- und die Reparaturvorgänge zu unterstützen
geführte Aminosäuren können nur in sehr (Nédélec et al. 2015). Eine erhöhte Proteinzu-
begrenztem Umfang gespeichert werden. Die fuhr und die dadurch bedingte Zunahme an
zugeführten Aminosäuren dienen in erster zirkulierenden Aminosäuren im Blutplasma
Linie dem Aufbau und Umbau von körper- regt die Muskelproteinsynthese in der Er-
eigenen Strukturproteinen im Rahmen der holungsphase an (Ivy 2004; Wolfe 2006) und
Proteinbiosynthese. Zusätzlich kann aus steigert zudem die Glykogenresynthese. Eine
den glukogenen Aminosäuren im Rahmen erhöhte Proteinzufuhr (speziell die Einnahme
der Glukoneogenese Glukose gebildet wer- von BCAAs) kann auch mit weiteren Erho-
den und insbesondere die Aminosäure Leu- lungsmechanismen assoziiert sein, wie bei-
cin wird in größerem Umfang (bis zu 5 %) spielsweise der Abnahme von Muskelschmer-
auch zur Energiebereitstellung herangezogen zen und Kreatinkinasekonzentration im Blut
(Schek 2018). sowie der Steigerung von Muskelfunktion und
490 T. Wiewelhove

Nahrungsprotein
100 g/d

Leberproteine 15 g/d (Albumin, Fibrinogen u. a.)


Plasmaproteine 25 g/d (Leukozyten, Hämoglobin u. a.)
Muskelproteine 47 g/d (Aktin, Myosin u. a.)
+ 3 g Retention
Darm
90 g/d 87 g/d Körperprotein
sezerniertes 10 kg
Protein Proteinumsatz
70 g/d 250 g/d

für Synthesen aus Katabolismus


160 g/d 86 g/d

Pool freier
(re-)absorbiertes
Aminosäuren
Protein
100 g
160 g/d

9 Faeces- Urin- Haut,


Proteinäquivalente Proteinäquivalente Haare
10 g/d 85 g/d 2 g/d

..      Abb. 9.7 Täglicher Proteinumsatz eines Kraftsportlers in der anabolen Phase (Schek 2018)

mentaler Erholung (MacLean et al. 1994; Greer tem Molkeprotein (Whey Protein). Aus der
et al. 2007; Nédélec et al. 2015). Spaltung resultieren Dipeptide oder ein-
Die konkreten Hinweise zur Proteinsupple- zelne Aminosäuren (BCAAs), die eine ra-
mentation unmittelbar nach Belastungsende schere Verfügbarkeit bzw. Absorbierbarkeit
differieren erheblich. Für den Fußballspieler (d. h. Aminosäuren aus Hydrolysaten gehen
empfehlen Nédélec et al. (2015) die Zufuhr schneller ins Blut über, weil die Proteine le-
von 20 g Milchprotein, entsprechend 9 g es- bensmitteltechnisch bereits in ihre kleins-
sentieller Aminosäuren, unmittelbar nach dem ten Teilchen zerlegt sind und das nicht erst
Spiel. Fettarme gesüßte Milchprodukte (Kakao noch im Verdauungstrakt erfolgen muss) und
oder Erdbeer- bzw. Bananenmilch) oder auch damit ein schnelleres Anfluten im Blut ver-
gesüßte Proteinshakes sind einfach verfügbar sprechen und außerdem weitgehend fettfrei
und bieten je nach individueller Verträglich- sind. Ein nennenswerter Nachteil für diese
keit und persönlichem Geschmack eine sinn- Produkte besteht außer Kostengründen bzw.
volle Option. dem Risiko von Verunreinigungen nicht (Ge-
Spezielle pulverförmige Proteinkonzen- yer et al. 2004). Gängige Praxis in der Fitness-
trate bestehen gewöhnlich aus hydrolisier- szene ist jedoch, dass diese Produkte in un-
Regenerationsmanagement und Ernährung
491 9
angemessener Menge zugeführt werden (bis Deckung des Mineralstoffbedarfs ausrei-
zu 3 g/kg/Tag), sodass die überschüssigen chend. Ernährungsanalysen in der Sportpra-
Aminosäuren abgebaut und der entstehende xis zeigen allerdings, dass diese Voraussetzun-
Harnstoff im Urin ausgeschieden werden gen speziell im Nachwuchssport keinesfalls
muss. Folglich besteht hier ein erhöhter Auf- immer gegeben sind (Faude et al. 2005; Schek
klärungsbedarf. Um die Nieren zu entlasten 2018).
ist in diesen Fällen zudem unbedingt auf eine
ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten Praxistipp
(Schek 2018).
Die zunehmende Anzahl an veganen Ath- Wird eine ausreichende Energiemenge in
leten führt zu völlig neuen Herausforderun- Form von vollwertigen Lebensmitteln wie
gen, zumal ohne Verzehr von tierischen Pro- Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkorn-
dukten die oben genannten Empfehlungen produkten sowie fettarmen Milcherzeug-
kaum eingehalten werden können. Pflanzliche nissen aufgenommen und nicht durch
Lebensmittel enthalten weniger essentielle Knabberartikel, Süßigkeiten und Fast Food,
Aminosäuren als tierische, und sie sind auch werden Mikronährstoffe in der Regel in
schlechter verdaulich. Die biologische Wertig- ausreichender Menge zugeführt (Schek
keit pflanzlicher Proteine ist geringer (relative 2018).
Effizienz der Umsetzung eines Nahrungspro-
teins in körpereigenes Protein im Vergleich
zum Referenzwert Volleiprotein). Dieser Als problematisch stellte sich die Zufuhr von
Nachteil kann jedoch durch die Kombination Eisen, Vitamin D, Folat, Jod und den Vita-
bestimmter Nahrungsmittel ausgeglichen wer- minen „ACE“ heraus. Letztere sollen im Zu-
den, indem sich deren Gehalt an Aminosäuren sammenhang mit dem Thema Regeneration
gegenseitig ergänzt. Es empfiehlt sich neben aufgrund ihrer antioxidativen Wirkung ver-
Sojaprodukten die Kombination von Bohnen tieft betrachtet werden. Eine langandauernde
und Mais. körperliche Beanspruchung resultiert in oxi-
dativem Stress und der Bildung von freien Ra-
dikalen (Reactive Oxygen Species, ROS). Diese
9.4.4 Mikronährstoffe und reaktiven Sauerstoffspezies, wie beispielsweise
Nahrungsergänzungsmittel das Hydroxyl-Radikal oder auch Wasserstoff-
peroxyd, können zellmembran- und erbsubs-
Zu den Mikronährstoffen gehören die Vita- tanzschädigend wirken und das Immunsystem
mine und Mineralstoffe. In Zusammenhang schwächen.
mit der Regeneration nach körperlicher Be- Aber auch nach reaktiven Schädigungen
lastung ist eine Supplementation nach gän- der Muskelzelle im Anschluss an hochintensive
giger Expertenmeinung nur in Ausnahmen exzentrische Intervallbelastungen treten Ent-
erforderlich. Ein Defizit an Mikronährstoffen zündungsreaktionen auf und sind durch lokale
ist weniger als Folge der sportlichen Aktivi- und systemische Biomarker wie Interleukin
tät, sondern einer inadäquaten Ernährungs- (IL-6 und IL-1), Tumor-Nekrose-Faktor Alpha
weise einzuordnen. Grundsätzlich ist somit (TNF-α) sowie das C-reaktive Protein (CRP)
eine mindestens den Energiebedarf deckende, nachweisbar (Neubauer et al. 2008; Chatzi-
vollwertige und ausgewogene Mischkost zur nikolaou et al. 2010). Die Entzündung selber
492 T. Wiewelhove

kann durch oxidativen Stress und Phagozyten- Zusammenhang zur akuten Erholungsge-
einwanderung zu einer weiteren sekundären schwindigkeit besteht (Ferrauti und Remmert
Muskelgewebsschädigung führen und dadurch 2003). Kreatin wird als Nahrungsergänzungs-
die Regenerationsdauer verlängern (Neubauer mittel nicht auf der Dopingliste geführt und
et al. 2008). von zahlreichen Athleten ohne hinreichende
Provitamin A (ß-Carotin), Vitamin C und Kenntnis über die Wirkmechanismen beden-
Vitamin E fangen Sauerstoffradikale ab und kenlos zur Leistungssteigerung eingenommen
machen sie unschädlich. Ausdauersportlern (Exkurs in 7 Kap. 7).
wird daher eine erhöhte Zufuhr an Gemüse, Kreatin kommt im menschlichen Körper
rotem und gelbem Obst (speziell Zitrus- und in einer Menge von 110–130 g vor und wird
Beerenfrüchte), Nüssen, Samen und pflanz- in der Leber aus den Aminosäuren Arginin,
lichen Ölen empfohlen (Schek 2018). Da- Glycin und Methionin synthetisiert und/oder
gegen wird allseits von der Einnahme von über die tägliche Nahrung aufgenommen.
„ACE“-Megadosen durch hochdosierte und Bei zusätzlicher Kreatinsupplementation mit
kostspielige Mikronährstoffpräparate abge- synthetisch hergestelltem Kreatinmonohy-
raten, da auch negative Begleiterscheinungen drat werden unphysiologisch hohe Mengen
möglich sind. So können Antioxidantien unter von Kreatin zugeführt. Dies verursacht eine
anderem die langfristigen Anpassungseffekte Zunahme des Kreatingehalts in der Musku-
durch Training reduzieren. latur und der oxidativen Phosphorylierung
Neben frei verkäuflichen Präparaten wer- von Kreatin zu Kreatinphosphat im soge-
9 den zunehmend auch natürliche Nahrungs- nannten Kreatin/Kreatinphosphat-Shuttle
mittel mit antioxidativer Wirkung empfohlen. (. Abb. 7.5).
So soll die Einnahme von Rote-Beete-Saft, Durch die Vergrößerung des muskulä-
Kirschsaft und Tomatensaft, aber auch ren Kreatinphosphatpools (ca. 6–12 %) kann
von Curcurmin und Omega-3-­ Fettsäuren speziell bei intervallförmigen Beanspruchun-
anti-inflammatorisch und regenerations- gen mit kurzen Belastungsphasen, wie in den
fördernd wirken (Nédélec et al. 2015). Die Sportspielen, eine raschere und effizientere
Autoren schränken allerdings ein, dass die Kreatinphosphat-Regeneration in den Pausen
wissenschaftliche Evidenz für die Wirksam- erwartet werden (. Abb. 9.8). In Laborunter-
keit in bestimmten leistungssportbezogenen suchungen konnten durch Kreatinsupplemen-
Settings noch unzureichend ist. Trotz die- tierung bei intervallförmigen Sprints auf dem
ser Einschränkung wird die Einnahme von Fahrradergometer leistungssteigernde Effekte
Kirschsaft vor und nach einem Fußballspiel nachgewiesen werden. Bei körpergewichtsab-
insbesondere während der „englischen Wo- hängigen Aktivitäten sind die energetischen
chen“ angeraten. Vorteile möglicherweise jedoch wegen der
Aus der Vielzahl von Nahrungsergän- kreatinbedingten Gewichtszunahme (nach
zungsmitteln zur Leistungssteigerung (sog. er- 5–7 Tagen bereits 0,5–1,6 kg durch Wasserein-
gogene Substanzen), die den Markt ü­ berfluten, lagerung) ohne Relevanz (Ferrauti und Rem-
wird im Zusammenhang mit der Regeneration mert 2003). Erwiesen sind hingegen die posi-
im Folgenden nur der Einfluss einer Kreatin- tiven Auswirkungen auf Muskelhypertrophie
supplementation besprochen, da es sich hier und Kraftzuwachs, wobei hier andere Mecha-
um einen körpereigenen Wirkstoff handelt, nismen des molekularen Signaltransfers den
für den eine hohe Wirksamkeitsevidenz ge- Anstieg der Proteinbiosynthese verursachen
geben ist und ein eindeutiger theoretischer (Williams et al. 1999).
Regenerationsmanagement und Ernährung
493 9
..      Abb. 9.8 Theoreti-

Kreatinphosphatkonzentration
scher Effekt auf die
Kreatinphosphat-­
Regeneration bei
Intervallsprintbelas-
tung nach vorausge-
gangener Kreatinsup-
plementation (nach
Williams et al. 1999)
nach Kreatinsupplementation normal

Pre-1 Post-1 Pre-2 Post-2 Pre-3 Post-3 Pre-4 Post-4


Intervallsprints

Exkurs: Ernährung im Sport – eine kompakte Übersicht zu Definitionen und Funktionen

55 Antioxidantien fangen freie Radikale ab 55 Kreatin beschleunigt die kurzfristige


(Reactive Oxygen Species, ROS), die unter Regeneration von Kreatinphosphat im
anderem bei Muskelschäden als Folge Intervalltraining. Neben der Optimierung
entzündlicher Prozesse vermehrt gebildet der anaerob-­alaktaziden Energiebereitstel-
werden. Fruchtsäfte wie Rote-Beete-Saft, lung wird es zumeist zur Muskelhypertro-
Kirschsaft und Tomatensaft können phie eingesetzt.
anti-­inflammatorisch und regenerationsför- 55 Magnesium hat sich zur Vorbeugung von
dernd wirken. Muskelkrämpfen in der Praxis bewährt.
55 Flüssigkeitsverluste durch Schweiß dienen der 55 Natrium stimuliert die Aufnahme von Wasser
Thermoregulation. Gut Trainierte schwitzen und Kohlenhydraten durch die Darm-
früher und stärker. Ab einer Abnahme des schleimhaut (Absorption) und ist daher für
Körpergewichts um mehr als 3 % infolge des die Aufrechterhaltung des Plasmavolumens
Flüssigkeitsverlusts wird die körperliche bedeutsam.
Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. 55 Proteine (Eiweiße) bestehen aus zwanzig
55 Isotonische Lösungen gewährleisten eine Aminosäuren, von denen die acht essentiel-
rasche Magenentleerung und eine effiziente len Aminosäuren vom Körper nicht
Absorption von Wasser im Dünndarm. Sie synthetisiert werden können. Hierzu zählen
besitzen eine ähnliche Osmolarität bzw. die drei verzweigtkettigen Aminosäuren
Osmolalität wie das Blut (ca. 0,3 mol/l). Dies (Branched Chain Amino Acids, BCAAs) Valin,
entspricht in etwa einer 5,4-prozentigen Leucin und Isoleucin sowie Threonin,
Glukoselösung (5,4 g/100 ml). Methionin, Lysin, Phenylalanin und
55 Kalium ist für eine effiziente Glykogenein- Tryptophan. Fettarme Milchprodukte
lagerung während der Regeneration (z. B. Kakao oder Erdbeermilch) sind
unerlässlich. eiweißhaltig und wirken regenerationsbe-
55 Kohlenhydrate lassen sich in Mono-, Di-, schleunigend.
Oligo- und Polysaccharide einteilen und 55 Stärke ist ein wichtiges Polysaccharid in
sind von herausragender Bedeutung für die pflanzlichen Lebensmitteln wie Getreide,
Regeneration. Mais, Reis und Kartoffeln.
494 T. Wiewelhove

9.5 Individualisierung des


Regenerationsmanagements Zeitverlauf stattfindenden psychophysio-
logischen Wiederherstellungsprozesse
Trotz plausibler Wirkungstheorien lassen wis- nach ermüdenden sportlichen Belastungen
senschaftliche Evidenz keine klaren Vorteile sowie der potentiellen Wirkmechanismen
einzelner Regenerationsinterventionen er- verschiedener Erholungsstrategien ist es
kennen. Unbestritten ist die Bedeutung einer allerdings plausibel, dass deren Anwen-
angemessenen Nahrungs- und Flüssigkeitszu- dung nicht zu jedem Zeitpunkt gleicherma-
fuhr. Der systematische Einbau von Ruheperi- ßen sinnvoll ist. Beispielsweise empfiehlt
oden sowie ein optimiertes Schlafmanagement Torres (2019), sich unmittelbar nach
erscheinen ebenfalls ratsam. Trotz hoher Ak- Belastungsende und wiederholt während
zeptanz in der Sportpraxis ist die funktionelle der ersten Stunden danach zunächst auf
Wirksamkeit von aktiven Erholungsmaßnah- eine ausreichende Flüssigkeits- und
men sowie Stretching, Kälte- und Wärmeap- Energiezufuhr zu konzentrieren
plikationen, Kompressionskleidung, Massage (. Abb. 9.9). Dies erscheint unter anderem
oder Foam-Rolling weiterhin fraglich. Dies deshalb logisch, da die Glykogenresynthe-
betrifft insbesondere den fehlenden Nachweis serate vor allem in den ersten beiden
einer rascheren Wiederherstellung der sport- Stunden nach Arbeitsende erhöht ist.
lichen Leistungsfähigkeit nach intensiven und In der zeitlichen Kaskade an Regenera-
ermüdenden Trainings- oder Wettkampfbelas- tionsmaßnahmen folgt dann der Einsatz
9 tungen (Meyer et al. 2016). von Kälteapplikationen bzw. potentiell
Aufgrund der geringen Evidenz zur Wirk- entzündungshemmenden und abschwel-
samkeit einzelner Regenerationsstrategien, der lenden (z. B. Kaltwasserimmersion und
individuell unterschiedlichen Ermüdungs- und Kompressionskleidung) Interventionen.
Erholungsverläufe sowie der spezifischen Rah- Erst in ausreichendem zeitlichem Abstand
menbedingungen einzelner Sportarten bzw. zum Belastungsende (z. B. am Folgetag)
Disziplinen kann die Entscheidung für oder scheinen blutflusssteigernde und
gegen eine Regenerationsintervention bzw. eine wiederherstellungsbeschleunigende
Maßnahmenkombination nur unter strenger Maßnahmen (z. B. aktive Erholung und
Einhaltung des Prinzips der Individualität und Massage) induziert. Der optimale Applika-
Sportartspezifität erfolgen. So sind individuell tionszeitpunkt ist aber auch von Art,
bewährte Strategien unbedingt zu erhalten. Dies Dauer, Intensität und Dichte der ermüden-
erfordert möglicherweise auch eine Differenzie- den Aktivitäten abhängig. Zwar empfeh-
rung der Maßnahmen im Mannschafts- bzw. len auch Hausswirth und Le Meur (2013)
Kaderverbund. Dabei sollten erstmalig einge- die Anwendung von Kälteapplikationen
setzte Interventionen vor dem Einsatz im Wett- im unmittelbaren Anschluss an eine
kampf erprobt und die individuelle Verträglich- ermüdende Tätigkeit. Dies gilt aber
keit sichergestellt werden (Meyer et al. 2016). beispielsweise nicht bei mehreren, in
kurzer Zeit aufeinanderfolgenden
Wettkampfbelastungen (z. B. im Schwim-
Praxistipp: Der optimale Applikationszeit- men). Hier besteht das Ziel in einer
punkt von Regenerationsinterventionen
möglichst raschen metabolischen
Inwieweit die Wirksamkeit von Regenera- Homöostaseherstellung. Dies kann
tionsinterventionen vom Applikationszeit- mithilfe von aktiven Erholungsstrategie,
punkt abhängt, ist bislang nicht geklärt die man in kurzem Abstand zur Vorbelas-
worden. Unter Berücksichtigung der im tung absolviert, realisiert werden.
Regenerationsmanagement und Ernährung
495 9

..      Abb. 9.9 Priorisierung von Regenerationsinterventionen unter Berücksichtigung der Applikationszeitpunkte


(nach Torres 2019)

Das Prinzip der Sportartspezifität wird nach- individualisierte Auswahl von Regenerations-
vollziehbar, wenn es um die Frage nach dem interventionen:
Sinn einer KWI für Schwimmer oder eines 55 Die Bedeutung einer angemessenen
Saunabads nach einem Tennismatch bei den Ernährung nach körperlichen Belastungen
Australian Open oder nach dem Ironman auf ist unbestritten. Hierbei stehen die
Hawaii geht. Hinzu kommt das Zeitfenster Aufnahme von Kohlenhydraten und eine
der Wiederherstellungsprozesse. Es muss bei- angemessene Proteinzufuhr im Vorder-
spielsweise zwischen der kurzfristigen Wieder- grund. In Sportarten mit hohem gesamt-
herstellung bei Mehrfachbelastungen inner- kalorischem Umsatz steigt die Bedeutung
halb ein und desselben Tages (z. B. mehrere der Kohlenhydratzufuhr an.
Trainingseinheiten oder mehrere Wettkampf- 55 Bei der Auswahl von Regenerationsinter-
einsätze am Tag) und der mittel- und lang- ventionen sind die individuellen Bedürf-
fristigen Regeneration zur Wiederherstellung nisse zu berücksichtigen. Keine der
der Leistung an den Folgetagen nach intensi- Maßnahmen beeinflusst die Wiederher-
ven Trainingseinheiten oder Belastungsphasen stellung der Leistungsfähigkeit negativ,
(z. B. ein länger andauerndes Turnier) sowie sodass die Auswahl weitestgehend an die
zur Vermeidung von Überlastungszuständen eigenen Vorlieben und Möglichkeiten
unterschieden werden (Meyer et al. 2016). In angepasst werden kann.
Anlehnung an Meyer et al. (2016) ergeben sich 55 Alle erstmalig eingesetzten Regenerations-
folgende allgemeine Empfehlungen für eine interventionen sollten zunächst unter Trai-
496 T. Wiewelhove

ningsbedingungen auf individuelle Reak- des Saunabads nach Belastungen unter Hit-
tionen und möglich Nebenwirkungen zebedingungen diskutiert werden.
geprüft werden, bevor sie unter Wett- 55 Kurzfristige Erholungseffekte können am
kampfbedingungen eingesetzt werden. ehesten durch aktive Erholung, KWI, Mas-
55 Eine mögliche Placebowirkung ist bei der sage und Foam-Rolling erzielt werden.
Auswahl einzubeziehen. Interventionen, die Viele kurzfristige positive Effekte sind aber
vom Sportler als wirksam empfunden wer- am Folgetag nicht mehr nachweisbar.
den und aus voller Überzeugung eingesetzt 55 Überdauernde Effekte etablierter Regene-
werden, sollten gefördert werden. rationsinterventionen zur mittelfristigen
55 Eine strikte Vorgabe einer Intervention Wiederherstellung der körperlichen Leis-
kann aber möglicherweise auch zu einer tungsfähigkeit am Folgetag bzw. zur Ein-
Beeinträchtigung der Athletencompliance grenzung von Überlastungssyndromen
bzw. zu einer ungünstigen Einstellung ge- nach intensiven Belastungsphasen sind ge-
genüber der Intervention führen. ring. Trotz einiger Tendenzen beim Ein-
55 Vor allem unter Wettkampfbedingungen soll- satz von z. B. KWI oder Foam-Rolling las-
ten individuelle Regenerationsroutinen und sen sich insgesamt keine überzeugenden
somit eine Differenzierung im Mannschafts- Effekte darstellen.
bzw. Kaderverbund ermöglicht werden. 55 Ausreichender Schlaf scheint eine wichtige
55 Regenerationsstrategien können auch aus Grundvoraussetzung für die Regeneration
einer Kombination (z. B. Flüssigkeitszufuhr, der körperlichen Leistungsfähigkeit zu
9 KWI, Duschbad, Massage/Foam-­Rolling, sein. Daher sollten zumindest externe
Nahrungszufuhr) mehrerer Interventionen Rahmenbedingungen für ein optimales
bestehen. Inwieweit sich hierdurch ein po- Schlafmanagement (u. a. bequeme und ru-
tentieller Regenerationseffekt verstärken hige Schlafstätten) sichergestellt werden.
lässt, ist bislang nicht bekannt. 55 Die vergleichsweise geringen oder kaum
55 Bei der Auswahl von Regenerationsinterven- nachweisbaren nachhaltigen physiologi-
tionen ist zudem das Prinzip der Sportart- schen Effekte sprechen gegen einen nen-
spezifität zu berücksichtigen. Selbst wenn ein nenswerten adaptationsmindernden Einfluss
Einsatz aus wissenschaftlicher Sicht denkbar der etablierten Regenerationsinterventionen,
wäre, kann über eine KWI für Schwimmer obschon in Einzelfällen negative Effekte von
oder Wintersportler sowie über den Einsatz KWI nach Krafttraining berichtet wurden.
Regenerationsmanagement und Ernährung
497 9
9.6  ufgaben zur Nachbereitung
A 4. Probieren Sie die verschiedenen Regenera-
des Kapitels tionsinterventionen nach ermüdenden
körperlichen Belastungen selbst aus und
dokumentieren Sie unmittelbar nach der
Anwendung sowie am Folgetag Ihr
subjektives Erholungs-, Wohl- und ggf.
Muskelschmerzempfinden.
5. Planen Sie für Ihre Sportart eine Ernäh-
rungsstrategie, um nach intensiven
Trainings- oder Wettkampfaktivitäten
möglichst rasch zu regenerieren.
6. Benennen Sie allgemeine Leitlinien für ein
individualisiertes Regenerationsmanage-
ment.

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507 10

Training im Kindes- und


Jugendalter
Alexander Ferrauti, Tobias Stadtmann, Alexander Ulbricht
und Jennifer Kappenstein

10.1 Bedeutung und Anwendungsfelder – 508


10.2 Biologische Grundlagen – 510
10.2.1  llgemeine körperliche und motorische Entwicklung – 510
A
10.2.2 Physiologische Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter – 514
10.3  mpfehlungen zum Training im Kindes- und
E
Jugendalter – 521
10.3.1  llgemeine Trainingsempfehlungen – 521
A
10.3.2 Empfehlungen zum Ausdauertraining – 523
10.3.3 Empfehlungen zum Krafttraining – 524
10.4 Talentförderung im Nachwuchsleistungssport – 527
10.4.1  as sportliche Talent – 527
D
10.4.2 Talentidentifikation und Talentselektion – 528
10.4.3 Talentforschung – 530
10.4.4 Talentförderung – 531
10.4.5 Der Relative Age Effect – 533
10.5 Training im Schulsport – 535
10.5.1  ahmenbedingungen und curriculare Vorgaben – 535
R
10.5.2 Möglichkeiten von Training im Schulsport – 536
10.5.3 Möglichkeiten der Leistungsdiagnostik im Schulsport – 539
10.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 541

Literatur – 541

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial,


das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_10.
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A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_10
508 A. Ferrauti et al.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!

Zusammenfassung
Das Kinder- und Jugendtraining ist aus Sicht der
Trainingswissenschaft für verschiedene Anwen-
dungsfelder von hoher Relevanz. Diese beinhalten
den Freizeit- und Gesundheitssport, den Schulsport,
den Vereinssport sowie den Nachwuchsleistungs-
sport und in diesem Zusammenhang die Bereiche
der Talentidentifikation und Talentförderung. Emp-
fehlungen für die Sportpraxis müssen sich an den
entwicklungsspezifischen Besonderheiten im Kin- ..      Abb. 10.1 Das Fahrtspiel im Gelände als eine Form
des- und Jugendalter orientieren. Im vorliegenden der variablen Dauermethode mit abwechslungsrei-
Kapitel wird ein Schwerpunkt auf die biologischen chen motorischen Aufgaben und Integration von
koordinativen und schnelligkeitsorientierten Trainings-
und entwicklungsphysiologischen Besonderheiten
inhalten entspricht den motivationalen und physiolo-
gelegt. Vertieft betrachtet werden chronologische gischen Voraussetzungen von Kindern und Jugend-
und biologische Entwicklung, anaerobe und aerobe lichen eher als ein Training nach der extensiven
Kapazität, Belastungstoleranz und regenerative Dauermethode (https://doi.org/10.1007/000-055)
Kapazität bei intensiver Intervallarbeit sowie Hitze-
toleranz und Thermoregulation. Hieraus werden wachsende Bedeutung zu. So haben sich kör-
grundsätzliche trainingsmethodische Empfehlun- perliche Aktivität und motorische Leistungs-
gen sowie spezielle Hinweise für das Ausdauer- und fähigkeit im Kindesalter im Laufe der letzten
10 Krafttraining im Kindes- und Jugendalter abgeleitet. Jahrzehnte signifikant verringert (Mountjoy
Gesonderte Kapitel widmen sich dem Nachwuchs- et al. 2011). Insbesondere die aerobe Ausdau-
leistungssport und den Fragen der Talentidentifi- erleistung unterliegt nach einem Anstieg zwi-
kation und Talentförderung, wobei auch Problem- schen 1960 und 1970 seit den 1970er-­Jahren
bereiche wie beispielsweise der Relative Age Effect weltweit einem drastischen Rückgang um jähr-
(RAE) thematisiert werden. Für den Schulsport wer- lich ca. 0,5 %, während die Schnellkraft und
den aus trainingswissenschaftlicher Sicht aktuelle insbesondere die Schnelligkeitsleistung weit-
Defizite und zukünftige Möglichkeiten aufgezeigt. gehend stabil blieben (Tomkinson und Olds
2007). Die Aussagen basieren auf einer Meta-
analyse mit Daten von über 25 Millionen Kin-
10.1 Bedeutung und dern und Jugendlichen aus 33 zugrunde lie-
Anwendungsfelder genden Einzelstudien in 27 Nationen weltweit
(. Abb. 10.2). Die Tendenz ist bei Mädchen
Das Kinder- und Jugendtraining nimmt in mehr- (–0,3 % p.a.) und Jungen (–0,4 % p.a.) ähnlich
facher Hinsicht einen hohen Stellenwert in der und in Westeuropa etwas weniger bedrohlich
Trainingswissenschaft ein (. Abb. 10.1). Bei der als in Übersee. Sie ist umso mehr ernst zu neh-
Trainingssteuerung im Nachwuchsleistungssport men, da gerade der positive Zusammenhang
sind die entwicklungsspezifischen physiologi- zwischen aerober Ausdauerleistung und psy-
schen und leistungsdiagnostischen Besonderhei- chophysischer Gesundheit unbestritten ist.
ten (z. B. anaerobe Kapazität, Thermoregulation) Die Befunde dieser umfassenden Metaana-
unbedingt zu berücksichtigen, um eine ausrei- lyse sind auch gegenüber der allgemeinen Be-
chende Trainingswirkung zu erzielen und um obachtung resistent, dass der Eintritt in die
eine Fehlbelastung zu vermeiden (7 Abschn. 10.2; Pubertät im Laufe der Zeit zunehmend früher
Armstrong und McManus 2011). stattfindet, denn dies würde eher mit einer
Aber auch aus gesundheitssoziologischer Leistungssteigerung einhergehen. Die Autoren
Sicht kommen Training und Bewegung eine vertreten einen multifaktoriellen Erklärungs-
Training im Kindes- und Jugendalter
509 10
..      Abb. 10.2 Welt-
weite prozentuale Ausdauer
jährliche Veränderun- 1,0 Kraft/Schnellkraft

Leistungsveränderungen (%/Jahr)
gen von aerober Schnelligkeit
Ausdauer (schwarze
Punkte), Schnellkraft 0,5
(weiße Punkte) und Erhöhung
Schnelligkeit
0,0
(Dreiecke) im Zeitraum
von 1958–2002 (mod.
Rückgang
nach Tomkinson und 0,5
Olds 2007, 62)

1,0

1960 1970 1980 1990 2000


Jahr des Tests

High-income Northwestern Europe Southwestern Europe


English-speaking countries

30
mean BMI (kg/m2)
Age-standardised

25

20

15
1980 1990 2000 2010 1980 1990 2000 2010 1980 1990 2000 2010

..      Abb. 10.3 Trendlinien zur Entwicklung des Body Männern (gestrichelt) in den westlichen Industriena-
Mass Index (BMI) von 5–19-jährigen Jungen (durchge- tionen (NCD Risk Factor Collaboration 2017)
zogene Linie) im Vergleich zu über 20-jährigen

ansatz, der sowohl soziologische (Digitalisie- dern und Jugendlichen beiderlei Geschlechts
rung, Urbanisierung), verhaltensbezogene hin (. Abb. 10.3). Dieser Trend ist in Westeu-
(Bewegungsmangel), physiologische (Ge- ropa in den letzten Jahren glücklicherweise ab-
wichtszunahme und dadurch Abnahme der geflacht, allerdings auf zu hohem Niveau (NCD
relativen V̇ O2max) und psychologisch-­kognitive Risk Factor Collaboration 2017). Die weltweite
Faktoren (z. B. Motivation, Trainingserfah- Prävalenz von Adipositas stieg im Zeitraum
rung) einschließt. Die weniger beeinträchtig- von 1975–2016 bei Mädchen von 0,7 % auf
ten Bereiche „Power und Speed“ scheinen von 5,6 % und bei Jungen von 0,9 % auf 7,8 %. Da
der früheren Reifung stärker positiv und durch neben dem Übergewicht stets auch die Gefahr
die Gewichtszunahme weniger negativ beein- von Magersucht im Kindes- und Jugendalter
flusst zu sein (Tomkinson und Olds 2007). im Auge behalten werden muss, bedarf es auch
Gepoolte Metaanalysen, basierend auf 2416 hier komplexer Strategien, basierend auf einer
Populationsstudien, weisen in dem Zusam- vermehrten Aufklärungsarbeit zur Bedeutung
menhang weltweit auf eine alarmierende Zu- von Ernährung und körperlicher Aktivität im
nahme an übergewichtigen und adipösen Kin- schulischen Kontext, sowie entsprechend at-
510 A. Ferrauti et al.

traktiver und funktioneller Trainingsinterven- Voraussetzung, um Trainingsprozesse altersge-


tionen und ­Bewegungsangebote. recht zu gestalten und sowohl eine Überforde-
Training im Kindes- und Jugendalter muss rung als auch Unterforderung zu vermeiden.
sich somit fundiert mit den entwicklungsphysio-
logischen Besonderheiten im Kindes- und Ju- Entwicklung
gendalter auseinandersetzen. Neben der Förde- Entwicklung bezeichnet Veränderungs-
rung von Nachwuchsathleten in den und Differenzierungsprozesse der Form
Sportvereinen kommt auch dem institutionali- und des Verhaltens im Lebenslauf eines In-
sierten Sportangebot in Kindertageseinrichtun- dividuums. Sie vollzieht sich im Zusam-
gen und Schulen die Aufgabe einer altersgerech- menwirken von genetischen Anlagen mit
ten Bewegungsförderung zu, welche aktuell Umwelteinflüssen. Mit zunehmendem
jedoch hinter den qualitativen und quantitativen chronologischem Alter nehmen anlage-
Ansprüchen zurück bleibt. Auf der Basis biologi- bedingte, strukturelle und funktionelle Ein-
scher Kenntnisse müssen daher geeignete Trai- flüsse ab (z. B. Wachstum und Reifung) und
ningsinterventionen entwickelt, evaluiert und in umweltbedingte Einflüsse (z. B. Anpas-
das alltägliche Lebensumfeld von Kindern und sung, Lernen) zu (Martin et al. 1999, S. 28).
Jugendlichen praxistauglich und maßgeschnei-
dert transferiert werden. Dies betrifft zahlreiche
trainingswissenschaftliche Anwendungsfelder:
55 Evaluation angemessener Trainings- und 10.2.1 Allgemeine körperliche und
Bewegungsangebote in Kindertagesstätten motorische Entwicklung
und Grundschulen, einschließlich eines
10 Gleichgewichtstrainings zur Verletzungs- Es gilt als gesichert, dass die Ausprägung der
prophylaxe motorischen Fähigkeiten unterschiedlich stark
55 Entwicklung trainingswissenschaftlich durch Anlage- und Umwelteinflüsse geprägt
fundierter theoretisch/praktischer Unter- wird. Während die koordinativen Fähigkeiten
richtsvorhaben in weiterführenden Schulen größtenteils von Umwelteinflüssen abhängig
55 Überprüfung von Reaktionen und sind, wird beispielsweise die Ausdauerleistung
Adaptationen verschiedener Formen des stärker genetisch determiniert (Wolfarth
leistungsorientierten Kraft-, Schnellig- 2002). In Zwillingsstudien finden sich daher
keits- und Ausdauertrainings hochsignifikante Zusammenhänge zwischen
55 Optimierung sportartspezifischer Trainings- genetischer Ausstattung und Ausdauerphäno-
und Wettkampfformen (z. B. durch Anpas- typen (Fagard et al. 1988), und auch die Trai-
sungen von Regularien und Sportgeräten) nierbarkeit der Ausdauer (bei identischer Trai-
ningsintervention) schwankt interindividuell
zwischen 5 und 100 % (Bouchard et al. 1992).
10.2 Biologische Grundlagen Es existieren verschiedene Vorschläge zur
Einteilung von Entwicklungsphasen im Kindes-
Das Training im Kindes- und Jugendalter unter- und Jugendalter anhand des chronologischen
liegt aufgrund wachstums-, reifungs- und ent- bzw. kalendarischen Alters (. Tab. 10.1). Diese
wicklungsbedingter Veränderungen besonderen Phasen und die damit einhergehenden ontogene-
physiologischen und psychologischen Gegeben- tischen Merkmale können nach Martin et al.
heiten und unterscheidet sich daher in wesentli- (1999) wie folgt allgemein charakterisiert werden:
chen Punkten von dem der Erwachsenen. Die
Kenntnis um die entsprechenden Leistungsvor- Kleinkindalter und Vorschulalter (Kindertages-
aussetzungen sowie die Belastbarkeit von Kin- stätte) Das Gehirn/ZNS hat bis zum 6. Lebens-
dern und Jugendlichen sind für Trainer, Übungs- jahr 90–95 % der Erwachsenengröße erreicht, was
leiter, Lehrer und Ausbilder eine unabdingbare zu einer verbesserten Informationsaufnahme und
Training im Kindes- und Jugendalter
511 10
gegenüber dem Rumpf deutlich ansteigt. Der An-
..      Tab. 10.1 Entwicklungsphasen nach
chronologischem Alter (mod. nach Winter und
teil der Skelettmuskulatur am Körpergewicht liegt
Hartmann 1998 und Martin et al. 1999) mit sechs Jahren noch unter 30 %.

Entwicklungs- Mädchen Jungen Frühes Schulkindalter (Grundschule) Das Ge-


phasen hirn hat sich bis zum 8. Lebensjahr zu seiner
vollen Größe entwickelt (Vollendung der Zell-
Säuglingsalter 1. Lebensjahr
struktur), während Vernetzungs- und Ausdif-
Kleinkindalter 2. – 6. Lebensjahr ferenzierungsprozesse weiter andauern. Es be-
und Vorschulalter steht eine sehr gute motorische Lern- und
frühes Schulkin- 7. – 10. Lebensjahr Leistungsstruktur (gutes Lernalter) gepaart
dalter mit ungestümem Bewegungsverhalten und ho-
spätes Schulkin- 10./11. – 10. – 11.–
hem Sportinteresse (die Eintrittszahlen in
dalter (vorpube- 11./12. 12./13. Sportvereinen sind jetzt am höchsten). Die ab-
rale Phase) Lebensjahr Lebensjahr solute Leistungsfähigkeit ist jedoch noch durch
1. Phase der 11./12. – 12./13. –
eine unzureichend ausgebildete Stütz-, Halte-
Reifungszeit 12/13. 14./15. und Bewegungsorgane limitiert.
(Pubeszenz) Lebensjahr Lebensjahr
Spätes Schulkindalter bzw. vorpuberale Phase
2. Phase der 12,5. – 16. 14. – 16. (Jahrgangsstufen 5 und 6) Bis zum 9./10. Le-
Reifungszeit Lebensjahr Lebensjahr
bensjahr erfolgt die Entwicklung von Jungen
(Adoleszenz)
und Mädchen in etwa synchron. In der vorpu-
beralen Phase bestehen ein ausgeprägtes Bewe-
-verarbeitung führt, die jedoch von einer geringen gungsbedürfnis und eine hochgradige Körper-
Konzentrationsfähigkeit begleitet wird. Es besteht beherrschung gepaart mit Einsatzbereitschaft,
ein hochgradiger Bewegungs- und Spieldrang, Mut und Risikobereitschaft. Diese Phase wird
dem in der Praxis mit entsprechend vielfältigen auch als das beste Lernalter bezeichnet. Zusätz-
Bewegungsangeboten beg­eg­net werden muss. Im lich kommt es zu einer Optimierung der Pro-
Übergang zum Schulkindalter vollzieht sich der portionen durch Kraftzuwachs bei gleichzeitig
erste Gestaltwandel, indem die Extremitätenlänge nur geringer Größen- und Massenzunahme.

Exkurs: Modell der sensiblen Phasen

Eng in Zusammenhang mit den beschriebenen Alter und dem Nachweis einer hohen Plastizität in allen
ontogenetischen Charakteristika entstand das Modell Altersabschnitten (u. a. Baur 1988). Andererseits liefern
der sensiblen Phasen, welches in Deutschland eine nachweisbare physiologische Veränderungen im Alters-
lange Tradition in Sportwissenschaft und Sportpraxis gang (z. B. endokrinologische Umstellung) nach wie vor
besitzt und ein zentrales Kriterium zur Konzeption Limitierungen für bestimmte Trainingsziele (z. B. Mus-
entwicklungsgemäßer Trainingsempfehlungen kelhypertrophie). Conzelmann (1998) empfiehlt einen
darstellte (u. a. Martin et al. 1999). Als sensible Phasen differenzierteren und offeneren Umgang mit dem
werden jene Altersabschnitte bezeichnet, in denen Modell, zumal es aus trainingspraktischer Sicht
spezifische motorische Fähigkeiten sehr schnell durchaus plausible Schlussfolgerungen erlaubt.
erworben werden können, während dies vor und nach Unterstellt man einen soziologisch und physiologisch
diesen Phasen weit mehr Zeitaufwand beansprucht bedingten geringeren Trainingsumfang im frühen und
oder nur unzureichend gelingt (hohe Trainingswirk- späten Schulkindalter und eine hohe Affinität zu
samkeit). Hierbei wird zuweilen auf zeitlich begrenzte koordinativen Herausforderungen, dann ist das
biologische Aneignungs- und Verhaltensänderungen verbleibende Trainingsvolumen zu gering, um in dieser
im Tierreich verwiesen. Kritisiert wird das Modell Zeit ein effektives Hypertophietraining zu absolvieren.
aufgrund der unzureichenden Evidenzprüfung für den Folglich erfährt das Modell durch die Rahmenbedin-
Sport, der engen Orientierung am chronologischen gungen in der Sportpraxis eine Rechtfertigung.
512 A. Ferrauti et al.

In der Summe werden für die beschriebenen 24


frühen Entwicklungsphasen schwerpunktmä- Jungen
22 Mädchen
ßig die Verbesserung technisch-­koordinativer
Fähigkeiten (7 Kap. 8), elementarer Schnellig- 20
keitsfähigkeiten und Agility (7 Kap. 5) sowie
von affektiv-kognitiven Fähigkeiten empfohlen. 18
Diese aus Gründen der in diesem Alter geringen 16
Trainings- bzw. Interventionszeiträume rein

Wachstum (cm/Jahr)
pragmatische Schwerpunktsetzung schließt 14
jedoch weder ein zusätzliches kindgemäßes
12
Kraft- noch ein begleitendes angemessenes Aus-
dauertraining aus. Zu den spezifischen Empfeh- 10
lungen hierzu sei auf 7 Abschn. 10.3 verwiesen.
Lebensalterbezogene Entwicklungsphasen 8
dienen allenfalls der Groborientierung, denn das 6
chronologische Alter entspricht nicht zwangs-
läufig dem biologischen Alter bzw. dem tatsäch- 4
lichen Entwicklungsalter (Baxter-Jones 2008).
2
Somit können Kinder- und Jugendliche, bezo-
gen auf ihr kalendarisches Alter, biologisch so- 0
wohl früh entwickelt (Akzeleration) als auch spät 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19
entwickelt (Retardierung) sein (7 Abschn. 3.4, Alter (Jahre)

10 . Abb. 3.39). Zur Beurteilung wird häufig das


..      Abb. 10.4 Typischer Verlauf der individuellen
chronologische Alter in Bezug zum Zeitpunkt Körperhöhenzunahme von Mädchen und Jungen im
des größten Längenwachstums (Age of Peak Altersgang (mod. nach Baxter-Jones 2008, S. 159)
Height Velocity, APHV) gesetzt. Dieser Zeit-
punkt tritt bei Mädchen ca. zwei Jahre früher ein Die Bestimmung des biologischen Alters
als bei Jungen und ist im individuellen Längs- sowie der Distanz zum Moment des größten
schnitt gewöhnlich gut feststellbar bzw. bei ei- Längenwachstums bzw. der finalen Körper-
nem einmaligen Messzeitpunkt indirekt aus den höhe ist in verschiedenen Sportarten
Körperproportionen abzuschätzen (. Abb. 10.4 (z. B. Basketball oder Hochsprung) von hoher
und 10.5 und 7 Abschn. 3.4). sportpraktischer Relevanz. Sie kann anhand
Die interindividuelle Entwicklungsvariabi- des Skelettalters mittels röntgenologischer Be-
lität ist in der ersten Phase der Reifungszeit stimmung des Verknöcherungsgrads in den
(Pubeszenz) am größten und kann enorme Epiphysenfugen der Handknochen erfolgen
Auswirkungen auf die körperliche Leistungs- (u. a. Tanner et al. 1962). Methodisch einfa-
fähigkeit besitzen. Akzelerierte sind Retardier- cher sind die Kategorisierung (5-Punkt-Skala)
ten hinsichtlich ihrer körperlichen Leistungs- des Reifegrads der sekundären Geschlechts-
fähigkeit deutlich überlegen und werden in merkmale (Tanner 1962) und des Zahnalters
dem Zusammenhang teilweise fälschlich bzw. anhand des Zahndurchbruchs (Dentifikation)
verfrüht als ein „Talent“ identifiziert. Retar- nach Demirjian et al. (1973). In der Sportpra-
dierte können ihren anfänglichen Nachteil in xis wird jedoch am häufigsten das Proporti-
späteren Jahren theoretisch aufholen, obwohl onsalter (Sitzgröße versus Beinlänge) ange-
dies aus Gründen der Förderstruktur leider zu- wendet (Mirwald et al. 2002; Müller et al.
weilen misslingt. Für die Praxis von Talent- 2015). Letzteres ist aus rein pragmatischen
identifikation und Talentförderung ergibt sich Gründen vielfach die Methode der ersten
daraus ein Problem der Altersklassifizierung Wahl (7 Abschn. 3.4.4, Exkurs). Trotz dieser
(. Abb. 10.5 und 7 Abschn. 10.4). Hilfestellungen bleibt der Entwicklungspro-
Training im Kindes- und Jugendalter
513 10
zess vom Kind zum erwachsenen Athleten nesfalls immer eindeutig zu kategorisieren
vielfach ein Mysterium, das es in der Trai- (Baxter-Jones 2008), wodurch die Prognose-
ningspraxis zu akzeptieren gilt. Dabei ist der genauigkeit erst nach dem Erreichen des
Entwicklungsverlauf auch intraindividuell kei- APHV steigt (. Tab. 10.2).
Exkurs: Die Physiologie von Wachstum und Pubertät

Das Wachstum in der Kindheit wird primär durch Sexualhormonen wesentlich ergänzt. Bei Mädchen
das Wachstumshormon (Growth Hormone, GH) steigt die Sekretion von Östrogen und Progesteron
bestimmt, dass von der Hypophyse sezerniert und in den Ovarien und steht unter Kontrolle der
vom Hypothalamus kontrolliert wird. Es stimuliert Hypophysenhormone FSH (Follikelstimulierendes
die Ausschüttung von IGF-1 (Insulin – like Growth Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon). Die
Factor) in der Leber. Beide Hormone besitzen eine FSH- und LH-Sekretion erfolgt periodisch und
anabole Funktion und sind hauptverantwortlich für bedingt dadurch den Menstruationszyklus. Bei
den Aufbau von Skelett- und Muskelmasse bei Jungen erfolgt der Eintritt in die Pubertät ca. zwei
Kindern. Die maximale Serumkonzentration von Jahre später und ist durch einen Anstieg der
IGF-1 liegt bei Jungen im Alter von ca. 17 und bei Testosteronproduktion in den Hoden gekennzeich-
Mädchen bei ca. 15 Jahren und fällt anschließend net. Die Serumkonzentration an Testosteron steigt in
ab. Die GH/IGF-1-Achse wird in erster Linie durch dieser Phase um das ca. 20-fache an. Bei beiden
den Genotyp, jedoch auch durch Umgebungsein- Geschlechtern kommt es hierdurch zur Entwicklung
flüsse (z. B. körperliches Training bzw. Mangelernäh- der Sexualfunktion und zu somatischen Veränderun-
rung) beeinflusst. Wenn der kalorische Mehrbedarf gen (u. a. Stimme, Schweißproduktion, Skelettmus-
für Training und Adaptation durch die Ernährung kelmasse). Als Ursache für die Initialzündung der
kompensiert wird, überwiegt die positive Stimula- Reifung wird unter anderem die Leptinkonzentra-
tion von „mechanischem Stress“ auf die GH/IGF-1 tion genannt. Dieses von den Fettzellen produzierte
Achse. Anderenfalls kann auch ein negativer Effekt Hormon bedarf einer minimalen Körper- und
auf das Wachstum entstehen. Fettmasse und erklärt demnach auch die verzögerte
Ab der Pubertät werden die anabolen Effekte bzw. gestörte Reifung (Amenorrhoe) speziell
der GH/IGF-1-Achse durch die Ausschüttung von untergewichtiger Mädchen (Rowland 2005).

chronologisches
12 Alter A, B ..      Tab. 10.2 Individualverlauf eines Nach-
PHV A PHV B wuchssportlers hinsichtlich der zu unterschied-
10
lichen Zeitpunkten berechneten Differenz zum
maximalen Größenwachstum (ΔAPHV), der
Zuordnung des Entwicklungstyps und der
Wachstum (cm/Jahr)

8
berechneten finalen Körperhöhe (KH). Die reale
finale Körperhöhe beträgt 1,86 m
6

2
+1,8 J.
–1,7 J.

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Alter 9,5 12,5 14,5


Alter (Jahre) ∆APHV –4,5 –0,9 +1,1
BMI 16,5 17,5 20,2
..      Abb. 10.5 Berechneter Verlauf des Längenwachs- Entwicklung retardiert akzeleriert normal
tums von zwei Jungen im Alter von 13,8 Jahren gemäß FKH 1,82 1,88 1,85
Mirwald et al. (2002). Der akzelerierte Athlet A erreichte
das maximale Längenwachstum bereits vor 1,8 Jahren Die zirkulierende Konzentration an Ge-
und somit 3,5 Jahre früher als Athlet B. Er war zum
Messzeitpunkt 1,82 m groß, ist aber, anders als prognos-
schlechtshormonen besitzt weitreichende Kon-
tiziert, in den Folgejahren nur noch 8 cm bis zu seiner sequenzen für anatomische (u. a. Körperkom-
finalen Körperhöhe von 1,90 m gewachsen position, Muskelmasse, Herzgröße, Blutbildung,
514 A. Ferrauti et al.

Knochenstruktur), physiologische (u. a. Ther- Anaerobe Kapazität Schon frühe muskelbi-


moregulation, Energiestoffwechsel) und psy- optische Befunde belegen, dass sich die Menge
chologische Merkmale (u. a. Kognition, an ATP und Kreatinphosphat (KP) in der ru-
Schmerzwahrnehmung, Stimmungslage). Die henden Muskelzelle und somit die anae­rob-
körperliche Leistungsfähigkeit wird speziell in alaktazide Kapazität zwischen Kindern und
Hinblick auf Köpergröße und Extre­mitätenlänge, Erwachsenen nicht unterscheidet (u. a. Eriks-
anaerobe Kapazität und Maximalkraft sowie auf son und Saltin 1974; Ferretti et al. 1994). Über-
die hormonelle Response nach Training und die sichtsarbeiten von Rowland (2005) und van
entsprechende Trainingswirksamkeit verbes- Praagh (2007) folgern, dass die Ruhekonzent-
sert. Testosteron und Östradiol führen teilweise rationen der energiereichen Phosphate (pro
zu geschlechtsspezifisch unterschiedlichen, teil- Kilogramm Feuchtmuskel) eine biologische
weise jedoch auch zu gleichgerichteten Adapta- Konstante ist, unabhängig von Alter und Ge-
tionen (Rowland 2005). schlecht.
Offensichtlich unterschiedlich ist der Ein- Demgegenüber weisen Indikatoren der
fluss der Geschlechtshormone auf die Entwick- anaerob-laktaziden Kapazität deutliche Un-
lung der Muskelmasse bei Jungen durch Testos- terschiede auf. Geringere Muskelglykogen-
teron und auf die Zunahme des Körperfetts bei speicher und eine reduzierte glykolytische
Mädchen durch Östrogen. Die Skelettmuskel- ­Enzymaktivität (z. B. Phosphofruktokinase,
masse steigt bei Jungen im Alter von 11 Jahren PFK) gelten bei Kindern als gesichert (Eriks-
von ca. 15 kg auf ca. 35 kg im Alter von 17 Jahren son und Saltin 1974). Folglich ergeben sich bei
an. In der gleichen Zeit nimmt die Muskelmasse Kindern niedrigere maximale Muskel- und
bei Mädchen nur von 15 kg auf ca. 22 kg zu. Blutlaktatkonzentrationen, stabilere Blut-pH-­
10 Mädchen verfügen bereits vor der Pubertät über Werte und ein geringeres akkumuliertes Sau-
einen leicht erhöhten Körperfettanteil (ca. 21 % erstoffdefizit nach erschöpfender Arbeit
bei Mädchen versus 15 % bei Jungen im Alter (Naughton und Carlson 1998; Beneke et al.
von 11 Jahren); dieser Unterschied wächst bis 2002; van Praagh 2007). Mögliche Ursachen
zum 17. Lebensjahr weiter an und erreicht teil- sind die niedrigere adrenerge Stimulation
weise das Doppelte der Jungen. In der Summe (Adrenalin aktiviert Glykolyse und Glykoge-
führen diese stammesgeschichtlich bedeutsa- nolyse), der kleinere Anteil an glykolytisch
men und selbstverständlich physiologisch sinn- aktiven FT-­Muskelfasern und ggf. der glyko-
vollen Geschlechtsunterschiede zu Nachteilen lytisch hemmende Einfluss von Abbaupro-
der Mädchen bei allen kraft- und schnellkraft- dukten des Fettstoffwechsels (Acetyl-CoA) bei
bezogenen Aktivitäten, speziell dann, wenn die Kindern (Rowland 2005).
relative körpergewichtsbezogene Kraft gefordert
wird (z. B. Klimmzüge) bzw. das Körpergewicht
beschleunigt werden muss. !!Achtung!
Die geringere anaerobe Kapazität von
Kindern entspricht den kindlichen
10.2.2 Physiologische Körpermaßen. Ein kleinerer Motor
Besonderheiten im benötigt weniger Kraftstoff und produ-
Kindes- und Jugendalter ziert auch weniger Abgase, bei allerdings
geringerer Leistung. Das Fahrwerk
„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“ so lau- (Bewegungsapparat) ist noch nicht so
tet das Motto dieses Kapitels. Das folgende Un- gut für Langstrecken geeignet. Ideal
terkapitel belegt diese Aussage, speziell im Hin- hingegen ist der Stadtverkehr mit
blick auf die physiologischen Besonderheiten. spritzigem Stop and Go.
Training im Kindes- und Jugendalter
515 10
Belastungsbeginn
30

V O2 über Baseline (ml/min/kg)


Kinder
25
20
15 Erwachsene
10
5
Diese Erkenntnisse sprechen zusammen-
0
gefasst für eine geringere anaerob-laktazide
–5


Kapazität der Kinder. Bei genauerer Betrach- –120 –60 0 60 120 180 240 300
tung ist dies jedoch allometrisch (entspre- Zeit (s)
chend der unterschiedlichen Körperproporti-
onen) zu relativieren, da auch der ..      Abb. 10.6 Anstieg der Sauerstoffaufnahme
Energieverbrauch bei Kindern (ATP-Ver- (Sauerstoffkinetik) beim Übergang von Ruhe zu
brauch pro Zeit) aufgrund der niedrigen Kör- Belastung bei Kindern und Erwachsenen (aus Rowland
2005, S. 104, mod. nach Armon et al. 1991)
per- und Muskelmasse deutlich kleiner ist.
Eine geringere absolute anaerobe Kapazität
muss demnach bei Kindern nicht zwingend Ruhe zu Belastung (. Abb. 10.6). Der plötz-
mit einer geringeren anaeroben Leistung ein- lich ansteigende Energieverbrauch und Sauer-
hergehen, und ein anaerobes Training kann stoffbedarf in der Muskelzelle verlangt eine
mit der gegebenen Kapazität durchaus tole- Umstellung zahlreicher metabolischer und
riert werden. Die sportpraktische Konsequenz kardiorespiratorischer Größen, um den Be-
dieser Befunde lautet somit paradoxerweise darf zu decken. Dies erfolgt mit zeitlicher Ver-
nicht, dass typisch anaerobe Trainings- und zögerung in aufeinanderfolgenden Phasen mit
Wettkampfbelastungen im Kindesalter verbo- langsamer und schneller Zeitkonstante. Durch
ten, schädlich oder zumindest ungeeignet wä- die Verzögerung resultiert ein Sauerstoffdefizit,
ren. Aktuelle Veröffentlichungen gehen daher und demzufolge wird die Energie für diesen
davon aus, dass Kinder sowohl aerob als auch Zeitraum anaerob gedeckt (Rowland 2005).
anaerob belastbar sind (Beneke et al. 2002). Die Mehrzahl der experimentellen Untersu-
Kinder werden demnach auch als „metaboli- chungen bei standardisierten Bedingungen auf
sche Generalisten“ bezeichnet. dem Laufband weisen für vorpubertäre Kinder
im Vergleich zu Erwachsenen eine schnellere
Aerobe Kapazität Aus aerober Sicht konnten Zeitkonstante nach (z. B. Anstiegsdauer bis
eine bessere periphere Sauerstoffnutzung und zum Erreichen eines definierten Prozentsatzes
eine hohe relative Sauerstoffaufnahme, eine ra- der Sauerstoffaufnahme im Steady State). Of-
schere Anpassung der Sauerstoffaufnahme (O2-­ fensichtlich erfolgt die Anpassung vor allem
Kinetik) sowie größere relative Mitochondrien- beim Übergang zu intensiven Belastungen bei
volumina und Fettoxidationsraten nachgewiesen Kindern schneller und effizienter (. Abb. 10.6)
werden (Beneke et al. 2002; Armstrong und und geht mit einem geringeren Sauerstoffde-
Welsman 2007). fizit, einschließlich anaerober Kompensation,
Von den genannten Unterschieden ver- einher (z. B. Armon et al. 1991; Williams et al.
langt die Sauerstoffkinetik eine vertiefte Be- 2001).
trachtung, da sie für die Trainingspraxis von Das Bruttokriterium der aeroben Kapazi-
höchster Bedeutung ist. Die Sauerstoffkine- tät, die relative körpergewichtsbezogene maxi-
­
tik beschreibt den Zeitverlauf der Anpassung male Sauerstoffaufnahme (V̇ O2max), bleibt bei
der Sauerstoffaufnahme beim Übergang von Jungen im Altersgang vom 8. bis zum 16. Le-
516 A. Ferrauti et al.

• •
V O2max V O2max
Mädchen (ml/min/kg) Jungen (ml/min/kg)

7 7
8 50 8
9 9 50
Laufzeit (min)

10 10
11 11
12 12
13 13
40
14 14

15 15 V O2max
16 16 Laufzeit über eine Meile

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Alter (Jahre) Alter (Jahre)

..      Abb. 10.7 Entwicklungsbedingte Veränderungen der relativen V̇O2max bei Mädchen (links) und Jungen
(rechts) und der gleichzeitig realisierten Laufleistung über eine Meile (mod. nach Rowland 2005, S. 99)

bensjahr konstant und fällt bei Mädchen in •


VO2max 8 J. 10 J. 12 J.
diesem Zeitraum bedingt durch die Zunahme
10 des Körpergewichts teilweise sogar ab. Trotz
dieses negativen Trends steigt die absolute 90 %
Ausdauerleistung (z. B. Laufzeit über eine
Meile) auch bei Mädchen kontinuierlich an
(. Abb. 10.7). Der aufgezeigte Widerspruch 70 %
zeigt auf, dass die relative V̇ O2max ein schlechter
Parameter für die Ausdauerleistungsdia­gnostik 50 %
im Kindesalter darstellt (7 Abschn. 3.4) und
dass andere entwicklungsbedingte Verände-
rungen (z. B. Kraft- und Größenzunahme, 6 Meilen/Stunde
neuromuskuläre Faktoren, anaerobe Kapazität
und Motivation) von größerer Bedeutung für ..      Abb. 10.8 Entwicklungsbedingte Veränderungen
die Realisierung definierter Ausdauerleistun- der prozentualen Ausschöpfung der V̇O2max bei einer
gen sind (Armstrong und Welsman 2007). Laufgeschwindigkeit von sechs Meilen/Stunde von
Kindern im Alter von 8, 10 und 12 Jahren (mod. nach
Als Ursache für die ineffiziente Umsetzung Rowland 2005, S. 99)
der guten aeroben Leistungsvoraussetzungen
von Kindern in eine hohe Laufleistung gelten
biomechanisch bedingte Defizite der Lauföko- nimmt die Laufökonomie (definiert als Energie-
nomie. Neben einem ungünstigen Wirkungs- bedarf bzw. Sauerstoffaufnahme bei definierter
grad (Last-Kraft- und Hebelverhältnisse) spielen Laufgeschwindigkeit) im Altersgang zu. Bei ei-
möglicherweise Lauftechnik (z. B. unerwünschte ner Laufgeschwindigkeit von sechs Meilen/
Co-Kontraktionen unbeteiligter Muskelgrup- Stunde (9,7 km/h) sinkt die Ausschöpfung der
pen, längere Bodenkontaktzeiten und geringere V̇ O2max bereits vor der Pubertät von 90 % im Al-
Abdruckeffizienz) und somit auch Kraft- bzw. ter von acht Jahren auf 50 % im Alter von zwölf
Reaktivkraftdefizite eine wichtige Rolle. Folglich Jahren (. Abb. 10.8).
Training im Kindes- und Jugendalter
517 10
!!Achtung! Praxistipp: Spendenläufe in der Schule mal
Kinder sind trotz ihrer guten aeroben Voraus- anders!
setzungen nur bedingt geeignet, lange
Laufstrecken nach der extensiven Dauerme- Spendenläufe haben eine lange Tradition
thode zu absolvieren. Hinzu kommt, dass diese in den Grundschulen. Die Schülerinnen
Belastungen nicht dem üblichen Bewegungs- und Schüler suchen sich im Vorhinein
verhalten von Kindern entsprechen. Nachweis- Sponsorinnen und Sponsoren, die jede
lich bevorzugen Kinder im freien Spiel gelaufene Runde (oder jeden gelaufenen
intermittierende, explosive und kurze Bewe- Kilometer) auf dem Sportplatz mit einem
gungszeiten (< 15 s) von moderater bis starker festen Betrag honorieren, der anschlie-
Intensität (Bailey et al. 1995). Diese physiologi- ßend für einen guten Zweck gespendet
schen und psychologischen Besonderheiten wird. Der Grundidee ist sicher uneinge-
sind im Training zu berücksichtigen. schränkt zuzustimmen. Allerdings wären
abwechslungsreiche Parcoursrunden mit
Hindernissen und zwischengeschalteten
Sprints nicht nur physiologisch besser,
sondern würden allen Beteiligten und
sogar den Zuschauern viel mehr Spaß
bereiten. Und warum übrigens laufen die
Eltern und Lehrkräfte nie mit?

Von Bedeutung ist in dem Zusammenhang die


raschere Sauerstoffkinetik zu Beginn jeder Be-
lastung (. Abb. 10.6). Dieser einmalige Vorteil
wiederholt sich bei jedem nachfolgenden Inter-
vall, sodass die Differenz des akkumulierten
Sauerstoffdefizits zwischen Kindern und Er-
wachsenen theoretisch mit zunehmender An-
zahl an Intervallen ansteigt. Der Vorteil der ra-
schen aeroben Anpassung ist somit in der Praxis
vor allem bei Intervallarbeit (z. B. HIIT) bzw. bei
Intervallsprints hilfreich.
 eispiel: Erwachsene und ältere Menschen
B
kommen langsamer „ins Rollen“
Regenerative Kapazität und Ermüdungsresis-
tenz bei Intervallarbeit Kinder verfügen über Der Übergang von Ruhe zu Belastung erfolgt
sehr gute Leistungsvoraussetzungen für inten- bei Kindern spielerisch leicht. Schon im
sive Kurzzeit-­Intervallbelastungen und Inter- Erwachsenenalter bedarf es eines längeren
Warm-Up bis zum Erreichen der Topleistung.
vallsprints mit wechselnden anaerob-alaktazi-
Bei Sportlern im mittleren und höheren
den, anaerob-­laktaziden und aeroben Anteilen. Lebensalter dauert dieser Prozess der Belas-
Kinder besitzen eine schnellere Regenerations- tungsanpassung immer länger, bis man
fähigkeit als Erwachsene, sowohl akut während schlussendlich dann doch „ins Rollen kommt“.
des Trainings (z. B. zwischen zwei Intervallen) Hierbei sind neben kardiorespiratorischen und
metabolischen Aspekten auch Anpassungen
als auch nach dem Training sowie über Nacht.
des passiven Bewegungsapparates von
Herzfrequenz, Ventilation und Sauerstoffauf- Relevanz. Altersprobleme, die bei Kindern
nahme nähern sich nach Belastungsende schnel- überhaupt keine Rolle spielen.
ler dem Ruhewert an (Hebestreit et al. 1993).
518 A. Ferrauti et al.

10 7,50
9
7,45
8
7
7,40
LA (mmol/l)

pH-Wert
5 7,35
4
7,30
3
2 7,25
1
0
a Ruhe Sprint 5 Sprint 10 15´E 30´E b Ruhe Sprint 5 Sprint 10 15´E 30´E

210 20
Achtung! Bei einer
190 18 HF von 190 S/min
wählen Kinder RPE 11!
170
16
150
HF (S/min)

14
RPE

130
12
110
10
90

10 70 8

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
c 5-s-Sprints d 5-s-Sprints

..      Abb. 10.9 a Blutlaktatkonzentration (LA), b Intervallsprints und im Erholungsverlauf (E’) nach 15


Blut-pH-Wert, c Herzfrequenz (HF) und d subjektives und 30 min von 10-jährigen Mädchen (n = 13, grün)
Belastungsempfinden (RPE) im Verlauf von zehn und Sportstudentinnen (n = 9, blau)

Die beschriebenen Leistungsmerkmale der Vergleichsgruppe (. Abb. 10.9). Die Sprint-


konnten in verschiedenen eigenen Untersu- leistungen waren allerdings bei den Kindern
chungen belegt werden. Maximale schlechter, und methodenkritisch muss man
Intervallsprint-­Belastungen (z. B. zehn Sprints zugeben, dass sich die Kinder möglicherweise
über eine Dauer von 5 s mit nachfolgender nicht vollständig verausgabt haben. Aber: Die
Pause von 40 s) wurden von 10-jährigen Mäd- dargestellten Ergebnisse bilden die sportprakti-
chen deutlich besser toleriert als von Sportstu- sche Realität ab, wenn ein Trainer oder der
dentinnen (. Abb. 10.9). Kinder erreichen Sportlehrer exakt diese Aufgabe in Training
signifikant niedrigere maximale Laktatkonzen- oder Unterricht erteilt.
trationen (ca. 6 vs. 11 mmol/l), tolerieren dabei Intensive anaerob-alaktazide und ­laktazide
mühelos sehr hohe Herzfrequenzen (ca. 190 vs. Intervallbelastungen werden demnach von Kin-
180 Schläge/min), unterliegen einem geringe- dern gut toleriert. Eine wesentliche U ­ rsache
ren Abfall des Blut-pH-Werts und erschienen hierfür konnte in einer weiteren U
­ ntersuchung
nach jedem Sprint frühzeitig lächelnd und ent- mittels noninvasiver 31P-MRS-Analysen (Mag-
spannt an der Startlinie, um erneut loszusprin- netresonanzspektroskopie) gefunden werden.
ten. Demzufolge war auch die subjektive Bean- In Kooperation mit dem Deutschen Luft- und
spruchung (RPE-Skala) deutlich geringer als in Raumfahrtzentrum Köln (DLR) wurden 32
Training im Kindes- und Jugendalter
519 10

100

80
PCr (% initial)

60

40

20 Erwachsene
Kinder
0
1 9 17 25 33 41 49 57 65 73 81 89
Spektrum (n)

..      Abb. 10.10 Relative Veränderungen (bezogen auf Intervallbelastung von 16 Kindern (grün) und 16
die initiale Konzentration in Ruhe) der Kreatinphos- Erwachsenen (blau) mittels 31P-MRS (mod. nach
phatkonzentration in der Muskelzelle bei intensiver Kappenstein et al. 2013)

Probanden (acht Mädchen und acht Jungen im Exkurs: 31P-Magnetresonanzspektroskopie


Alter von ca. neun Jahren sowie acht Studentin-
nen und acht Studenten im Alter von ca. 25 Jah- Die Methode gilt als einzige nichtinvasive
ren) einer identischen Intervallbelastung ausge- Möglichkeit zur In-vivo-Bestimmung von
Metaboliten des Energiestoffwechsels. Über
setzt. Alle Probanden absolvierten innerhalb
spektral aufgelöste elektromagnetische Signale
des MRS-Gerätes mit einem Bein intervallför- (Messdichte alle 10 s) wurde durch Analyse der
mige dynamische Plantarflexionen gegen einen Resonanzfrequenzen auf die Art und mithilfe
Widerstand von 80 % des 1 RM über eine Dauer der Signalamplituden auf die relative Konzen­
von 30 s, unterbrochen durch eine Pause von tration der Moleküle in einem definierten
Gewebsvolumen geschlossen. Auf diese Weise
20 s (. Abb. 10.10). Das Gewicht wurde über
können unter anderem die Parameter KP, ATP,
eine Umlenkrolle außerhalb der Röhre auf und freies Phosphat und der intramuskuläre
ab bewegt. Bei identischen Ausgangswerten (KP pH-Wert berechnet werden (. Abb. 10.10).
und ATP) belegen die Daten einen geringeren
Abfall von Kreatinphosphat bei den Kindern,
speziell während der ersten zwei bis drei Inter- verschiedene Faktoren für die gute Ermü-
valle. Im weiteren Verlauf verläuft die Resyn- dungsresistenz von Kindern gegenüber inten-
these von KP jeweils auf ein höheres Niveau, siver Intervallbelastung verantwortlich. Diese
und auch nach Belastungsende wird die beinhalten körpergrößen- und entwicklungs-
Baseline-­Konzentration rascher wieder herge- bedingte Unterschiede, die neuromuskuläre
stellt (. Abb. 10.10). Aus den vorliegenden Er- Funktion und die Muskelfaserstruktur, aber
gebnissen kann geschlossen werden, dass sich auch auf metabolischer Ebene die geringeren
Kinder zwischen den Intervallen schneller als Diffusionswege für Sauerstoff und die dadurch
Erwachsene regenerieren (Kappenstein et al. verbesserte muskuläre oxidative Kapazität.
2013, 2014). Diese Schlussfolgerung ist gleich- Dies wiederum bedingt eine leichtere pH-­
zeitig auch internationaler K­ onsens in einer re- Wert-­Regulation (. Abb. 10.11).
nommierten Gruppe pädiatrischer Physiologen Auch die Regeneration nach Belastungs-
und Trainingswissenschaftler (u. a. Zanconato ende und demnach die Zeitspanne zwischen
et al. 1993; Beneke et al. 2002; Ratel et al. 2002, zwei Trainingseinheiten oder Wettkämpfen am
2006; Van Praagh 2007). gleichen Tag oder gar über Nacht zwischen auf-
Nach Ratel et al. (2006) sind während der einanderfolgenden Trainingstagen oder Tur-
Belastungsphasen und während der Pausen nierwettkämpfen ist bei Kindern gegenüber Er-
520 A. Ferrauti et al.

kleinere höherer Anteil höhere oxidative geringere neuromus-


Muskelmasse Typ-I-Fasern Kapazität kuläre Beeinträchtigung

Belastung größere Ermüdungsresistenz von Kindern Belastung


gegenüber intensiver Intervallbelastung
Erholung Erholung

schnellere schnellerer Abtrans- schnellere Regulation schnellere


Resynthese von port von Nebenpro- der Säure-Basen kardiorespiratorische
Kreatinphosphat dukten (LA, H+-Ionen) Balance Regulation

höhere muskuläre oxidative Kapazität, bedingt durch kürzere Diffusionsstrecken


zwischen Kapillaren und Muskelzellen

..      Abb. 10.11 Gesamtübersicht zu den Erklärungs- den werden Belastungsphasen (oben) und Erholungs-
mechanismen der Belastungsresistenz von Kindern phasen (unten; mod. nach Ratel et al. 2006)
gegenüber intensiver Intervallbelastung. Unterschie-

10 wachsenen beschleunigt. Verständlicherweise 14 Kinder passiv

werden nach Belastungsende (nach 10 Maxi- Kinder aktiv


12 Erwachsene passiv
malsprints), ausgehend von den niedrigeren Erwachsene aktiv

Nachbelastungswerten der Kinder (5–6 mmol/l 10

versus 10–11 mmol/l) die Ruhelaktatkonzent- 8


La (mmol/l)

rationen und der Ruhe-pH-­Wert im Blut im Er- 6

holungsgang schneller erreicht (. Abb. 10.12). 4


Interessanterweise kann dieser schnelle Erho-
lungsverlauf der Kinder nicht noch weiter be- 2

schleunigt werden, wenn an einem zweiten 0


VB intra post 0 post 2 post 6 post 10 post 15 post 20 post 25 post 30
Versuchstag im Cross-­over-­Design die passive
gegenüber einer aktiven Erholung durch lang- ..      Abb. 10.12 Laktatelimination von Kindern (n = 16)
sames Traben ausgetauscht wird (Kappenstein und Erwachsenen (n = 16) nach intensivem Intervall-
sprinttraining mit passiver oder aktiver Erholung
et al. 2015). Verantwortlich sind nicht nur die während der Nachbelastungsphase (post 0 bis post 30;
per se niedrigen Laktatkonzentrationen, son- mod. nach Kappenstein et al. 2015)
dern auch der geringere Skelettmuskelanteil,
der unter aktiver Erholung zur Laktatelimina- dere Regenerationsverfahren (z. B. Kältean-
tion beitragen kann. Das subjektive Erholungs- wendungen) wenig sinnvoll, da durch das
empfinden war durch das „Auslaufen“ bei den ­niedrige Körpergewicht und die geringe Mus-
Kindern sogar eher verschlechtert, sodass in kelmasse selbst bei reaktiven Belastungen keine
der Sportpraxis und auch im Schulsport von Muskelschäden größeren Ausmaßes eintreten
dieser typischen Art des Cool-Downs bei Kin- (Ferrauti und Hottenrott 2020).
dern abgeraten werden kann. Zumindest sind
keine nennenswerten Vorteile zu erwarten Thermoregulatorische Kapazität und Hitzetole-
(. Abb. 10.12). Zur Wiederherstellung der ranz Thermoregulation und Hitzetoleranz un-
Leistungsfähigkeit am Folgetag sind auch an- terscheiden sich zwischen Kindern und Erwach-
Training im Kindes- und Jugendalter
521 10
senen (Rowland 2005). Die Hitzeproduktion meinen und sportartspezifischen Leistungsfä-
während körperlicher Arbeit ist bei Kindern – higkeit beziehen. Diesbezüglich mangelt es an
bezogen auf die Körpermasse – höher als bei Er- geeigneten Übersichtsbeiträgen, sodass die Kri-
wachsenen, dafür besitzen Kinder eine relativ tik am Modell der „sensiblen Phasen“
größere Körperoberfläche zur Abstrahlung der (7 Abschn. 10.2) berechtigt ist. Zur Handlungs-
Körperwärme (Konvektion). Da speziell bei den orientierung verbleiben im deutschen Sprach-
Jungen die Schweißrate signifikant geringer ist raum somit nur einige historische Darstellun-
als bei Männern, muss die Thermoregulation we- gen, (z. B. Meinel und Schnabel 1976; Farfel
niger durch Verdunstungskälte, dafür aber ver- 1979; Hirtz 1979), deren Datenherkunft und
mehrt durch Steigerung der Hautdurchblutung untersuchungsmethodische Grundlage nicht
und Konvektion erfolgen. Das Risiko einer De- eindeutig zu klären sind (Reinders 2017).
hydratation ist bei Kindern demnach niedriger.
In Studien wurden sogar unter Saunabedingun-
gen keine gesundheitsgefährdenden Reaktionen
(z. B. bedrohlicher Anstieg der Körperkerntem- 10.3.1 Allgemeine
peratur und Störungen der Herz-/Kreislauffunk- Trainingsempfehlungen
tion) festgestellt. Trotzdem tolerieren Kinder
körperliche Aktivität und Training bei hohen Aktuell bieten vor allem die Übersichten von
Umgebungstemperaturen (vor allem psycholo- Lloyd und Oliver (2012) eine gute allgemeine
gisch) schlechter als Erwachsene, was in der Orientierung. Schwerpunktempfehlungen
Sportpraxis unbedingt zu berücksichtigen ist. zum körperlichen Training im Kindes- und Ju-
gendalter werden für Jungen und Mädchen in
Abhängigkeit von chronologischem Alter, Ent-
Praxistipp: Kühlpausen einbauen
wicklungsstatus und der vorrangigen Adapta-
tionswirkung dargestellt (. Abb. 10.13).
Findet das Kindertraining oder der
Sportunterricht in den Sommermonaten
Demnach sind im Vorschulalter zunächst
unter freiem Himmel statt, dann sorgen Sie
die allgemeinmotorischen Fähigkeiten und die
in regelmäßigen Abständen für Kühlung.
Basiskraft (z. B. Körperstabilität) zu fördern.
Dies können schattige Bereiche sein, der
Im weiteren Entwicklungsverlauf und speziell
regelmäßige Lauf durch den Rasenspren-
im frühen und späten Schulkindalter sollten
ger oder auch die Zufuhr eisgekühlter
elementare Schnelligkeit, Schnellkraft und
Getränke. In den Pausen (z. B. während der
Agility zusätzlich in den Fokus rücken, was mit
Halbzeit) oder auf der Auswechselbank
der hohen Plastizität des Zentralnervensys-
nutzen Sie wassergetränkte oder eisgefüllte
tems, der guten Informationsaufnahme- und
Handtücher für den Nacken.
Nachahmefähigkeit im Verbund mit dem na-
türlichen Lernantrieb in diesem Alter begrün-
det werden kann (7 Abschn. 10.2). Die kom-
plexe Handlungsschnelligkeit (z. B. schnelles
10.3 Empfehlungen zum Training Reagieren auf einen Reiz und schnelles Absol-
im Kindes- und Jugendalter vieren eines koordinativ anspruchsvollen Par-
cours in der Sporthalle oder auch auf dem
Altersentsprechende Empfehlungen und Schulhof) und die sportartübergreifende zykli-
Schwerpunktsetzungen zum Training im Kin- sche (z. B. Bewegungsfrequenz) und azyklische
des- und Jugendalter sollten sich im Idealfall Schnelligkeit (z. B. Stütz- bzw. Bodenkontakt-
auf evidenzbasierte Daten zur aktuellen und zeiten sowie Würfe mit leichten Geräten) sind
langfristigen Trainingswirksamkeit bestimmter als Leistungsvoraussetzungen für zahlreiche
Trainingsinhalte für die Entwicklung der allge- Sportarten frühzeitig auszubilden (7 Kap. 5).
522 A. Ferrauti et al.

chronologisches Alter 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Entwicklungsphasen Kleinkindalter frühes Schulkindalter Pubeszenz/Adoleszenz (1./2. Phase der Reifungszeit)

Größenwachstum Jahre vor der PHV PHV Jahre nach der PHV

Adaptationsart überwiegend neuronal (altersabhängig) kombiniert neuronal/hormonell (entwicklungsabhängig)

Allgemein- Allgemein- Allgemein- Allgemein-


motorik motorik motorik motorik

Sportart- Sportart- Sportart- Sportart-


spezifik spezifik spezifik spezifik
Beweglichkeit Beweglichkeit Beweglichkeit

Agility Agility Agility Agility


konditionelle Faktoren
Schnelligkeit Schnelligkeit Schnelligkeit Schnelligkeit

Kraft/ Kraft/ Kraft/ Kraft/


Schnellkraft Schnellkraft Schnellkraft Schnellkraft
Hyper-
Hypertrophie
trophie
Hypertrophie

Ausdauer Ausdauer Ausdauer Ausdauer


aerob/anaerob aerob/anaerob aerob/anaerob aerob/anaerob

..      Abb. 10.13 Model zur Gewichtung von konditio- korrespondierenden Abbildung für Mädchen sind der
nellen Trainingsinhalten von Jungen im Altersgang Übergang zur Pubeszenz/Adoleszenz (hellblau zu
(Youth Physical Development Model) modifiziert nach dunkelblau) sowie der Zeitpunkt des maximalen
Lloyd und Oliver (2012, 63). Die Schriftgröße gibt einen Größenwachstums (PHV = Peak height velocity) um
10 Hinweis auf die Bedeutung der Trainingsinhalte. In der zwei Jahre vorverlegt

Schon früh sollten auch die Bereiche Kraft siologischen Gegebenheiten (7 Abschn. 10.2).
und Schnellkraft (Power) Berücksichtigung Die Begründung der Autoren, dass ein Aus-
finden, auch wenn dies präpuberal noch pri- dauertraining sozusagen „en passant“ in den
mär koordinativ und ohne ein begleitendes jeweiligen Sportarten sportartspezifisch er-
Hypertrophietraining realisiert wird. Letzteres folgt, mag in vielen Fällen zutreffen. Die in
rückt nach Lloyd und Oliver (2012) bei den 7 Abschn. 10.1 beschriebenen bedrohlichen
Mädchen aber auch bereits ab dem 12. und bei gesamtgesellschaftlichen Tendenzen sprechen
den Jungen ab dem 14. Lebensjahr stärker in dafür, dass der Ausdauer außerhalb des Leis-
den Vordergrund (. Abb. 10.13). tungssports und im Schulsport bereits frühzei-
Im Detail sind auch die vorgelegten Mo- tig eine angemessene und kindgerechte Fokus-
delle kritisch zu hinterfragen. Auffällig ist, dass sierung zukommen muss (. Abb. 10.2).
zwischen Jungen und Mädchen nur alters- und Der Diskurs zeigt, dass entsprechende
entwicklungsabhängig, nicht jedoch in Bezug Empfehlungen im Idealfall vor dem Hinter-
auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung unter- grund einer sportartspezifischen Leistungs-
schieden wird. So sollte das Schnelligkeitstrai- strukturanalyse formuliert werden müssen
ning nach eigenen Erfahrungen bei Mädchen (7 Abschn. 3.2, . Abb. 3.14 und . Tab. 3.2).
auch jenseits des 16. Lebensjahres noch einen In technisch anspruchsvollen Sportarten
hohen Stellenwert einnehmen. (z. B. Tischtennis) und in Sportarten mit einem
Es überrascht auch, dass das intensive Aus- frühen Hochleistungsalter (z. B. Gerätturnen)
dauertraining (z. B. nach der Intervallme- müssen die technisch-taktischen Fähigkeiten
thode) erst ab dem 18. Lebensjahr intensiviert beispielsweise bereits vor dem 10. bzw. 12. Le-
werden soll. Dies widerspricht der Bedarfslage bensjahr mit hohem Trainingsumfang vermit-
in zahlreichen Sportarten und auch den phy- telt werden (. Abb. 10.13).
Training im Kindes- und Jugendalter
523 10
10.3.2 Empfehlungen zum Form auf der Laufbahn oder in Form von Klein-
Ausdauertraining feldspielen (Small Sided Games) absolviert wird
(Kunz et al. 2019). „Auch ein spielerisch organi-
Der positive Einfluss von Ausdauertraining auf siertes Intervallsprinttraining mit kurzen All-
Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Kin- out-­Sequenzen“ über 5–8 s bzw. 50 m verbessert
dern ist unbestritten. Auch bereits im Kindesal- die aerobe Ausdauer in gleicher Weise wie ein
ter können positive Anpassungserscheinungen Training nach der Dauermethode (Kappenstein
nachgewiesen werden. Rowland (1985) belegte und Ferrauti 2015). Auswirkungen von kombi-
im Rahmen einer Metaanalyse, dass die aerobe nierten ausdauer- und schnelligkeitsorientierten
Ausdauerleistung von Kindern durch ein geeig- Trainingsprogrammen auf die neuromuskuläre
netes Training um durchschnittlich 1,2 % pro Leistung von Kindern (z. B. Sprungkraft und
Woche ansteigt. Hinsichtlich der verwendeten Sprintschnelligkeit) bleiben hingegen aus (Kap-
Trainingsmethoden ergeben sich keine nen- penstein und Ferrauti 2015; Kunz et al. 2019).
nenswerten Wirkungsunterschiede zwischen
Dauermethode und Intervallmethode (Wels- zz Trainingsbeispiele
man et al. 1997; McManus et al. 2005). High-In- Fahrtspiel
tensity Intermittent Training (HIIT) mit ver- Das gegebene Gelände wird mit wechselnden
schiedenen Laufintervallen zwischen 150 und Laufgeschwindigkeiten und metabolischen
800 m verursacht positive Effekte auf die aerobe Anforderungen unter Einbau variabler koordi-
und anaerobe Kapazität und auf die Laufleistung nativer und schnelligkeitsorientierter Inhalte
(Rotstein et al. 1986; Baquet et al. 2002; Engel absolviert. Trainer oder Sportlehrer können
und Sperlich 2014) und unterscheidet sich in eine Standardrunde (einschließlich leistungs-
der Wirksamkeit nicht, wenn es in klassischer gruppenspezifischen Laufzeiten) definieren,

Praxistipp: variables, intervallartiges und spielerisches Ausdauertraining

Aus den umfangreich dargestellten physio- halten (Bailey et al. 1995) kann ein variables,
logischen und zum Teil biomechanischen intervallartiges und spielerisches Ausdauer-
Besonderheiten im Kindesalter training im Kindesalter empfohlen werden.
(7 Abschn. 10.2) und dem für beinahe alle Diese Empfehlung entspricht im Übrigen den
Trainingsmethoden geltenden Wirksamkeits- Erfahrungen in der Sportpraxis und erklärt
nachweis sowie auf der Basis von Befunden möglicherweise auch die hohe Akzeptanz
zum favorisierten kindlichen Bewegungsver- des Belastungsprofils der Mannschafts- und
Rückschlagspiele.
Ein rein aerobes Grundlagenausdauertrai-
ning nach der Dauermethode ist selbstver-
ständlich ebenfalls möglich und aus langfristi-
ger Perspektive sinnvoll (Erziehung zum
mündigen Athleten). Es sollte jedoch keinen
übermäßigen Trainingsumfang einnehmen.
Dies ist auch von engagierten Eltern zu
beherzigen, die ihre eigenen Trainingsinhalte
zuweilen mit ihren Kindern teilen möchten und
sie zu langen Joggingläufen bis hin zu
Halbmarathonwettkämpfen motivieren wollen.
524 A. Ferrauti et al.

1 1
Trainingsbeispiele Side-Steps 2 2 1 2
Lauf ABC
Slalom
Bergauf-
Sprünge Cool-Down
2
Hundeknochen

Laufrunde 1
Tempolauf vermessen
Schattenspiel bergab

Kurzsprints

uf
k-La
-Zac
Zick
2 1 1 2 2
Slalom 1
Koordination Tapping
Unterholz

Dreiecklauf Verfolgungs-
sprints
..      Abb. 10.16 Verfolgungssprints

..      Abb. 10.14 Fahrtspiel

Aufgabe

„Strafrunde“

..      Abb. 10.15 Biathlon


..      Abb. 10.17 Wechselstaffeln
10 sodass den Trainierenden bzw. Schülern die
Aufgaben bekannt sind (. Abb. 10.14). 1:1 bis 1:2). Eine Laufstrecke von beispielsweise
2 × 20 m wird abwechselnd (mindestens 10-mal
Biathlon pro Läufer) absolviert. Dabei müssen Gegen-
Die Laufrunde wird alle 50–100 m von Statio- stände transportiert oder koordinative Zusatz-
nen unterbrochen, an denen variable koordi- aufgaben bewältigt werden (. Abb. 10.17).
native Aufgaben (z. B. Zielwerfen) absolviert
werden müssen (. Abb. 10.15). Je nach Regel-
werk muss eine „Strafrunde“ absolviert wer- 10.3.3 Empfehlungen zum
den. Im Teamwettbewerb mit Läufern unter- Krafttraining
schiedlicher Leistungsstärke müssen die
Leistungsstarken die Strafrunde übernehmen. Der zurückhaltende Einsatz von Krafttrai-
ning im Kindesalter wird häufig mit dem
Verfolgungssprints Ausbleiben eines Leistungseffekts aufgrund
Mehrere Kinder starten gleichzeitig gegeneinan- mangelnder hormoneller Voraussetzungen
der im Sprint. Auf Pfiff (nach 3–8 s) lassen alle (7 Abschn. 10.2) und mit einer möglichen
eine Markierung fallen und stoppen den Lauf ab. akuten und chronischen Überbeanspruchung
In der 15-s-Pause kehren sie zur Markierung zu- des kindlichen aktiven und passiven Bewe-
rück, nehmen diese auf und warten auf das gungsapparates begründet. Demgegenüber
nächste Startsignal (. Abb. 10.16). Aus einem Ge- belegt eine Vielzahl von Untersuchungen,
samtwettkampf ­entstehen auf allen Leistungsebe- dass ein Krafttraining in frühen Lebensjah-
nen viele Kleinwettkämpfe um die Rangplätze. ren durchaus in effektive Leistungssteigerun-
gen münden kann. Pikosky et al. (2002) und
Wechselstaffeln Faigenbaum et al. (2002, 2005) führten ein
Jeweils maximal drei Läufer (ggf. zwei Läufer) Krafttraining der oberen und unteren Extre-
bilden eine Staffel (Belastungs-/Pausenverhältnis mität (Bankdrücken und Beinpresse) über
Training im Kindes- und Jugendalter
525 10
einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen nächst vergleichsweise ungünstig ist
bei bis zehnjährigen Jungen und Mädchen (7 Abschn. 10.2, . Abb. 10.18). In der U8 oder
durch und konnten si­gnifikante Leistungs- U10 reichen zunächst zwei Trainingseinheiten
verbesserungen im Bankdrücken (10–21 %) pro Woche aus, in denen neben dem allgemeinen
und bei der Beinpresse (14–75 %) nachwei- Koordinationstraining ein Stabilisationstraining
sen. Eine Metaanalyse zur Trainierbarkeit der (mit dem eigenen Körpergewicht) und ein Kraft-
Muskelkraft im Kindes- und Jugendalter von ausdauertraining mit geringen Zusatzgewichten
Behringer et al. (2010, 2011) ergab, dass die erfolgen kann, in dem der Fokus primär auf eine
prozentualen Leistungsgewinne der Muskel- korrekte Ausführungstechnik gelegt wird
kraft teilweise sogar vergleichbar sind zu je- (. Abb. 10.18). Spätestens in der U12 bzw. U14
nen der Erwachsenen. Die zugrunde liegen- müssen alle Techniken des Krafttrainings,
den Adaptationsmechanismen werden einschl. des Freihantel- und plyometrischen Trai-
primär auf koordinativer Ebene in einer ver- nings, erlernt und mit ausreichendem Umfang
besserten neuromuskulären Ansteuerung der realisiert werden. Auf diese Weise werden wich-
Arbeitsmuskulatur vermutet (Blimkie 1992; tige Trainingsroutinen frühzeitig geschult und
Behm et al. 2008). Aber auch vor Eintritt in die Sportler im Sinne des mündigen Athleten
die Pubertät können Anpassungserscheinun- daran gewöhnt, im Jugendalter selbstständig ein
gen auf morphologisch-struktureller Ebene technisch fehlerfreies Krafttraining an jeder Trai-
(Muskelhypertrophie, aber auch Sehnenstei- ningsstätte auch während auswärtiger Wett-
figkeit und Knochenstruktur) erzielt werden, kampfaufenthalte durchzuführen. Weiterfüh-
solange ein ausreichend langer Trainingszeit- rende Trainingsinhalte mit freien Gewichten und
raum und ein angemessenes Trainingsvolu- mittleren bis hohen Lasten (z. B. Kettle-Bell-Trai-
men sichergestellt werden können (Kraemer ning und Kniebeugen), wie in 7 Abschn. 4.4
und Fleck 2005; Lesinski et al. 2016b). In der und 4.5 (. Abb. 4.24, 4.25, 4.26, 4.27, und 4.28)
Konsequenz sind leistungssteigernde Aus- dargestellt, sind bei fortgeschrittener Technik-
wirkungen in fast allen Sportarten selbstver- qualität und unter fachkundiger Anleitung im
ständlich (Prieske et al. 2016). Akute sowie Jugendalter problemlos möglich. Spätestens in
chronische Fehlbelastungen des kindlichen der Adoleszenz sollten alle Variationen des Kraft-
Organismus durch Krafttraining (z. B. Schä- trainings (z. B. exzentrisches Krafttraining und
digungen der Wirbelsäule und im Bereich sportartspezifisches Krafttraining an Seilzügen
der Epiphysenfugen) sind bei Einhaltung ei- mit vielen Freiheitsgraden sowie plyometrisches
ner fachgerechten Anleitung und unter Be- und ballistisches Krafttraining) beherrscht wer-
aufsichtigung durch geschultes Fachpersonal den und sportartspezifisch in angemessenen
nicht zu befürchten (Williams 2001; Faigen- Umfang Berücksichtigung finden (. Abb. 10.18
baum et al. 2009). Dies gilt auch für plyome- und 10.19).
trische Trainingsinhalte (Johnson et al. 2011). Grundsätzlich sollten Planung und Durch-
Das WVL-Projekt KINGS, gefördert vom führung von Krafttrainingsprogrammen bei
Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), Kindern den Richtlinien und Empfehlungen
liefert diesbezüglich wertvolle weiterfüh- folgen, welche durch Positionspapiere ver-
rende Hinweise (Granacher 2015; Lesinski schiedener internationaler Organisationen be-
et al. 2016a). reitgestellt werden. Aus der Vielzahl der publi-
Leistungsorientierte Nachwuchssportler soll- zierten Richtlinien zum Kinder- und
ten demnach bereits frühzeitig an ein systemati- Jugendkrafttraining, deren Inhalte sich größ-
sches Krafttraining gewöhnt werden. Dies kann tenteils stark ähneln, sei exemplarisch auf die
auch bereits im frühen Kindesalter erfolgen, Empfehlungen von Faigenbaum et al. (2009)
selbst wenn die Aufwand-/Nutzen-­Relation zu- und Behm et al. (2008) verwiesen.
526 A. Ferrauti et al.

mittleres Kindesalter spätes Kindesalter Jugendalter Erwachsenenalter


kalendarisches Alter

weiblich: 5/6 – 8/9 Jahre weiblich: 8/9 – 10/11 Jahre weiblich: 10/11 – 18/19 Jahre weiblich: > 19 Jahre

männlich: 5/6 – 9/10 Jahre männlich: 9/10 – 12/13 Jahre männlich: 12/13 – 19/20 Jahre männlich: > 20 Jahre

Reifungsphase

präpubertär (vor PHV) präpubertär (vor PHV) pubertär (während PHV) postpubertär (nach PHV)

Etappe im langfristigen Leistungsaufbau

Grundlagentraining Aufbautraining Anschlusstraining Hochleistungstraining

langfristige Entwicklung der Muskelkraft (Maximalkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer)

gering Krafttrainingskompetenz (bezogen auf die Ausführungstechnik von Kraftübungen) hoch

› Gewandheitstraining › Gleichgewichtstraining › Gleichgewichtstraining › Gleichgewichtstraining


› Gleichgewichtstraining › Reaktivkrafttraining in › Reaktivkrafttraining › Reaktivkrafttraining (Nieder-
› Koordinationstraining Form von spielerischem (Niedersprünge von geringen sprünge von mittleren Höhen)

› Kraftausdauertraining mit
Üben (z. B. Seilspringen) mit Höhen)
› Rumpfkrafttraining
dem eigenen Körpergewicht
dem Fokus auf die richtige
› Rumpfkrafttraining
› Freihanteltraining mit
oder Zusatzgeräten

Sprung- und Landetechnik
› Freihanteltraining mit mittleren bis hohen Lasten
(z. B. Medizinball) und

Rumpfkrafttraining leichten bis mittleren Lasten
› Maximalkrafttraining
dem Fokus auf die richtige
Ausführungstechnik
Kraftausdauertraining mit
dem eigenen Körpergewicht
› Maximalkrafttraining
(Hypertrophie)
(neuromuskuläre Koordination
und Hypertrophie)

10
oder Zusatzgeräten
(z. B. Medizinball) › Sehnenadaptionstraining,
z. B. isometrisches Kraft-
› Sehnenadaptionstraining, z. B.
isometrisches Krafttraining
› Freihanteltraining mit dem training
› sportartspezifisches
Fokus auf die richtige Aus-
fürhrungstechnik › sportartspezifisches
Krafttraining
Krafttraining

trainingsbedingte Anpassungen

neuronale Anpassungen hormonelle, neuronale, muskuläre, tendinöse


und skeletale Anpassungen

..      Abb. 10.18 Implementierung verschiedener Krafttrainingsformen im langfristigen Leistungsaufbau (Lesinski


et al. 2016a, S. 13)

Praxistipp: 10 Regeln zum Krafttraining mit


Kindern 55 Das Trainingsprogramm sollte stets
eine funktionelle Kräftigung der
55 Das Training sollte stets sicher, frei von Rumpfmuskulatur beinhalten.
Gefahrenquellen und unter Experten- 55 Das Krafttraining sollte mit 1–3 Sätzen à
anleitung erfolgen. 8–15 Wiederholungen (ca. 60 % des
55 Grundsätzlich sollte zunächst mit gerin- 1 RM) durchgeführt werden.
gem Gewicht eine korrekte Bewegungs- 55 Schnellkrafttraining (3–6 Wiederho-
ausführung vermittelt werden. lungen pro Satz) und plyometrisches
55 Jede Trainingseinheit beginnt mit Training speziell für die unteren Extre-
übungsspezifischen Aufwärmsätzen mitäten sind möglich, wenn ein be-
mit geringem Gewicht. sonderes Augenmerk auf den korrek-
55 Ganzkörpertrainingsprogramme, be- ten Landevorgang gelegt wird.
stehend aus mehreren Kraftübungen,
sind zu bevorzugen.
Training im Kindes- und Jugendalter
527 10

..      Abb. 10.19 Krafttraining an Geräten kann weitgehend ohne Risiko von Kindern absolviert werden. Mit
zunehmender Zahl an Freiheitsgeraden bei der Bewegungsausführung ist eine fachkundige Anweisung erforderlich

10.4 Talentförderung im
55 Eine Erhöhung der Trainingslast ist nur
Nachwuchsleistungssport
beschwerdefrei und bei korrekter Bewe-
gungsausführung erlaubt.
Training im Nachwuchsleistungssport verfolgt
55 Eine Trainingsfrequenz von mindestens
das Ziel, aus talentierten Nachwuchssportlern
zwei nicht aufeinanderfolgenden Tagen
zukünftige Spitzenathleten zu entwickeln. Da-
pro Woche wird empfohlen.
bei stellt sich zunächst die Frage, was denn
55 Durch angemessene Variation sollte si-
überhaupt ein Talent ist und anhand welcher
chergestellt werden, dass Kinder den
Merkmale eine Talentauswahl bzw. Talentiden-
Spaß am Krafttraining erhalten.
tifikation erfolgen sollte. Der Talentstatus wird
zumeist domainspezifisch, also sportartbezo-
Praxistipp: Krafttraining in der Schule gen festgelegt, auch wenn ein Nachwuchsathlet
aufgrund seiner Disposition auch für verschie-
Auch in der Schule bieten sich vielfältige dene Sportarten als hochtalentiert angesehen
Möglichkeiten zur Integration von Krafttrai- werden kann (Singer 1981). Ferner wird in der
ning (Mühlbauer et al. 2013). Engagierte Regel eine statische und eindimensionale Defi-
Sportlehrer realisieren die Einrichtung ent- nition des Talentbegriffs verwendet. Das bedeu-
sprechender Trainingsräume und leiten fach- tet: Wenn ein Kind in einer bestimmten Sport-
kundige Sporthelfer zur Aufsicht an. Mittels art gegenüber Gleichaltrigen deutlich
einfacher „Stuhlgymnastik“ (z. B. Dips, ein- leistungsfähiger ist, dann gilt dieses Kind als ein
beinige Kniebeugen) kann ein Unterrichts- Talent. Nicht nur aufgrund dieser Fehleinschät-
ausfall ohne zusätzliche Lehrstätten durch zung besteht in der Talentforschung nach wie
den Sportlehrer sinnvoll vertreten wer- vor Handlungsbedarf (Johnston et al. 2018).
den. Jede Schulstunde im Sportunterricht
sollte drei einfache Körperstabilisationsübun- 10.4.1 Das sportliche Talent
gen beinhalten, die in nur wenigen Minuten
regelmäßig und unabhängig vom eigentli- Die sportwissenschaftliche Auseinandersetzung
chen Themen­komplex absolviert werden. mit dem Talentbegriff und die Entwicklung und
Evaluierung verschiedener Ansätze der Talent-
528 A. Ferrauti et al.

identifikation und Talentförderung haben in eher der Teil (b) der Definition. Die Komplexität
den vergangenen zwei Dekaden zu zahlreichen und Dichte der hierfür erforderlichen Datener-
Veröffentlichungen im nationalen (u. a. Hoh- hebungen zeigt jedoch, dass Sportverbände zur
mann 2009; Stemper et al. 2009; Stadtmann objektiven Realisation auf sportwissenschaftli-
2013; Güllich 2014) und internationalen Um- che Unterstützung zurückgreifen müssen
feld (u. a. Papić et al. 2009; Fuchslocher et al. (z. B. Einstellung hauptamtlicher Sportwissen-
2011; Buekers et al. 2015; Pion 2015) geführt. schaftler als Initiatoren und Koordinatoren die-
Der Talentbegriff hat in der theoretischen ser Maßnahmen oder Kooperation mit sport-
Auseinandersetzung in dieser Zeit glücklicher- wissenschaftlichen Organisationen).
weise eine Ausweitung und Dynamisierung er- Aus der im Idealfall weiten und dynamischen
fahren. Hohmann (2009) berücksichtigt in sei- Interpretation des Talentbegriffs ergibt sich für
nem Modell neben überdurchschnittlichen die Trainingspraxis ein interaktiver Prozess, der
Leistungsresultaten auch volitive Komponen- auf zwei Säulen beruht: auf der einen Seite die
ten und entwicklungsfördernde Umweltein- fortlaufenden Talentsichtungen und Talentselek-
flüsse (z. B. Familie und Freunde, Infrastruktur tionen (z. B. auf der Basis von leistungsdiagnosti-
und Trainingsmöglichkeiten). Die Dynamik in schen Datenerhebungen und Beobachtungen),
der Betrachtungsweise entsteht, indem nicht und auf der anderen Seite die verschiedenen Sta-
nur die aktuelle Leistungsfähigkeit, sondern die dien der Talentförderung (z. B. durch trainings-
Leistungsentwicklung in einem definierten steuernde Maßnahmen; . Abb. 10.20).
Zeitraum bei der Talentselektion berücksichtigt
wird (. Tab. 10.3). Auf diesen Eckpfeilern ba-
siert seine Definition zum sportlichen ­Talent. 10.4.2 Talentidentifikation und
10 Das sportliche Talent Talentselektion
„Als Talent im Spitzensport wird eine Mögliche Maßnahmen der Talentsuche bzw.
Person bezeichnet, die (a) aus retrospek- Talentidentifikation (Talent Detection, Talent
tiver Sicht in ihrer Sportlerkarriere be- Identification) mit nachfolgender Primärse-
reits nachweislich Spitzenleistungen er- lektion sind nach Carl (1988) Sichtungswett-
bracht hat oder die (b) unter kämpfe, standardisierte Tests sowie qualita-
Berücksichtigung des bereits realisierten tive und quantitative Beobachtungen in
Trainings im Vergleich mit Referenzgrup- Schule, Verein oder Verband. Im Rahmen der
pen ähnlichen biologischen Entwick- Primärselektion werden laut Hohmann (2009)
lungsstandes und ähnlicher Lebensge- diejenigen Kinder ausgewählt, die über eine
wohnheiten überdurchschnittlich besondere allgemeine oder sportartspezifi-
sportlich leistungsfähig ist und bei der sche Begabung verfügen. Dies basiert zu-
man unter den verfügbaren Förderbe- nächst nur auf aktuellen, rein statischen In-
dingungen in prospektiver Hinsicht be- formationen. Sind Kinder und Jugendliche in
gründbar annimmt oder mathema- der ersten Förderstufe als Talent erkannt, fol-
tisch-prognostisch ermittelt, dass sie gen die sich ebenfalls wiederholenden Schritte
einem nachfolgenden Entwicklungsab- der Talentselektion für jeweils höhere Förder-
schnitt sportliche Spitzenleistungen er- stufen und die dazwischengeschalteten Pha-
reichen kann“ (Hohmann 2009). sen der Talentförderung. Dabei sind die für
die Talentförderung zur Verfügung stehenden
Ressourcen bis zur finalen Förderstufe zuneh-
Gemäß Teil (a) der Definition wird ein erfolg- mend begrenzt (d. h. die Kadergröße nimmt
reicher erwachsener Athlet somit nachträglich ab). Folglich muss der Prozess der Talentse-
als ein damaliges Talent „geadelt“. Von aktueller lektion in seiner Schärfe zunehmen. Genau
Relevanz für die Trainingspraxis ist hingegen dies wird in den meisten Sportarten als prob-
Training im Kindes- und Jugendalter
529 10

..      Tab. 10.3 Vierfelder-Tafel zum Talentbegriff (mod. nach Hohmann 2009)

Eng Weit

Statisch Person mit aktuell Person mit aktuell überdurchschnittlichen Leistungsresulta-


überdurchschnittlichen ten, die zudem über die Bereitschaft und die notwendigen
Leistungsresultaten sozialen und materiellen Umweltbedingungen verfügt,
(Gabler und Ruoff 1979) sportliche Spitzenleistungen zu vollbringen

Dynamisch Person mit überdurch- Person mit überdurchschnittlicher Leistungsfähigkeit und


schnittlicher Leistungs- überdurchschnittlichen Leistungszuwachsraten, von der man
fähigkeit und überdurch- unter Berücksichtigung personeninterner Merkmale und
schnittlichen umweltbezogener Faktoren für die Zukunft begründet
Leistungszuwachsraten annimmt, dass sie in den weiteren Entwicklungsabschnitten
(Siris 1974; Kupper 1993) sportliche Spitzenleistungen vollbringt (Carl 1988; Joch 1994;
Martin et al. 1999; Hohmann 2005, 2009).

Anforderungsprofil
der Sportart
tige Groborientierung bildet in dem Zusam-
menhang das Anforderungsprofil der Sport-
arten (. Abb. 10.20).
Hohmann (2009) benennt sechs Eignungs-
faktoren, die zur Entscheidungshilfe herangezo-
Talent-
gen werden können: die genetisch bedingte Dis-
perfektion position, die Leistungsauffälligkeit in Bezug auf
Finale
Talent-
Finale Leistung Wettkampfresultate bzw. die Leistungsfähigkeit,
selektion A-Kader das Leistungsentwicklungstempo und die Trai-
Quer- ningsadaptation, den Utilisationsgrad der Leis-
einsteiger
Fortlaufende tungsvoraussetzungen, die psychophysische Be-
Talent-
Fortlaufende förderung lastbarkeit und zusätzlich die Prognoseleistung.
Talent- B-Kader
selektion
Genetische Disposition In der Sportpraxis ist
Juvenile Leistung
die Frage nach der genetischen Disposition
Quer-
insteiger
C-Kader
Initiale kaum zu beantworten und reduziert sich häufig
Talent-
förderung
auf die Interpretation der Körpergröße der El-
Talentsichtung/ tern im Hinblick auf die finale Körpergröße der
Primärselektion
Kinder. Grundsätzlich bleibt die Frage, ob sport-
D-Kader liche Spitzenathleten geboren oder gemacht wer-
Eingangsleistung
den, aus sportwissenschaftlicher Sicht spannend
Talent- (Martine und Gaston 2002). Der Einfluss von
Talent-
suche/
-selektion förderung „Nature“ (genetische Faktoren) und „Nurture“
(Training, medizinische und psychologische Be-
treuung) lässt sich leichter in den ausdauer- und
..      Abb. 10.20 Interaktives Modell zum Prozess von
schnelligkeitsdeterminierten Sportarten, jedoch
Talentselektion und Talentförderung (mod. nach
Stadtmann 2013, S. 18) schwerer in Sportarten mit komplexen Anforde-
rungen separieren.
lematisch eingeschätzt, da hinsichtlich der zu-
grunde liegenden Auswahlkriterien (talent- Aktuelle Leistungsfähigkeit Die aktuelle Leis-
sensitive Faktoren) keine wissenschaftlich tung eines Athleten setzt sich aus Wettkampf-
fundierten Prädiktoren existieren. Eine wich- resultaten (7 Abschn. 3.2), leistungsdiagnosti-
530 A. Ferrauti et al.

schen Befunden (7 Abschn. 3.4) und keit des Entwicklungstempos Probleme bei der
Verhaltensweisen im Training zusammen. In Umsetzung des Prinzips. Ferner entstehen im
den Mannschaftssportarten ist die Wettkampf- Laufe einer langjährigen Trainer-Athlet-­
leistung nur schwer zu operationalisieren. Beziehung verständlicherweise emotionale Bin-
Leistungsdiagnostische Befunde und deren dungen und Aufwand-Nutzen-­ Abwägungen,
Vergleich zu Referenzwerten sind hingegen die trotz stagnierender Leistung den Verbleib im
leichter zu interpretieren (Hohmann und Carl Kader sichern. Hierdurch wird bei geringer wer-
2002). Entwicklungsbedingte Einflüsse (s. bio- denden Kaderressourcen eine anzustrebende
logisches Alter und Relative Age Effect) und Durchlässigkeit erschwert.
Unterschiede im Trainingsalter (speziell bei
Quereinsteigern) sind hierbei unbedingt zu Belastbarkeit Zu unterscheiden ist hierbei
berücksichtigen. Als dauerhafte Gefahr lauert die physiologische und die psychische Belast-
der sogenannte „Matthäus-Effekt“ („Wer hat, barkeit. Die physiologische Belastbarkeit er-
dem wird gegeben“). Sportler, die früh hohe gibt sich aus der Toleranz des Athleten gegen-
Leistungen aufweisen, erhalten bessere Förder- über der internen Beanspruchung und den
ressourcen und erreichen damit eine höhere externen Belastungen in Training und Wett-
finale Leistungsfähigkeit. kampf. Die psychische Belastbarkeit setzt sich
aus den sportimmanenten Belastungen (z. B.
Utilisation Die Realisierung einer definierten situationsgerechtes Handeln) sowie den be-
Leistung sollte mit einer möglichst geringen gleitenden Belastungen (z. B. soziales Umfeld,
Ausnutzung der Leistungs- und Förderreserven Öffentlichkeit) zusammen. Eine wichtige Fä-
erbracht werden (Hohmann 2005). Die bessere higkeit scheint hierbei die angemessene Be-
10 Utilisation höher talentierter Sportler drückt wertung und Bewältigung der psychischen
sich demnach darin aus, trotz geringer Ausnut- Anforderungen zu sein.
zung interner und externer Ressourcen eine
hohe Leistung bzw. hohe Wettkampfresultate zu Prognoseleistung Die prognostizierte Höchst-
erzielen. Dies schließt auch die Fähigkeit ein, leistung im Erwachsenenalter ist der wichtigste,
gute Trainingsleistungen in hohe Wettkampre- zugleich aber auch der unsicherste Parameter für
sultate umzusetzen („Peaking“ statt „Trainings- Selektionsprozesse. Möglichkeiten sind mathe-
weltmeister“). matisch-statistisch basierte Modelle, evidenzba-
sierte Wahrscheinlichkeiten oder subjektive Pro-
Entwicklungstempo Talente sind danach zu gnosen durch Experten. Vielfach existieren
bestimmen, wie schnell sie sich in Abhängigkeit simple „Wenn-dann-Beziehungen“ wie: Wenn
von den investierten Ressourcen (Training) ver- ein Tennisspieler unter den Top 20 der ITF-Ju-
bessern. Da Athleten, die zum Untersuchungs- gend-Weltrangliste platziert war, dann erreicht er
zeitpunkt bereits über ein höheres Trainingsni- mit 67 %iger Wahrscheinlichkeit die TOP 100
veau verfügen, weniger Adaptionsreserven der ATP- oder WTA-­Weltrangliste.
besitzen, muss das Entwicklungstempo relati-
viert werden (Hohmann 2009). Bouchard et al.
(1997) unterscheiden Athleten, die aufgrund 10.4.3 Talentforschung
genetischer Voraussetzungen auf Training gut
und weniger gut adaptieren (High Responder, Forschungsansätze dienen primär der Sicher-
Low Responder), und Athleten, die schnell oder stellung von Validität und Sensitivität
langsamer Fortschritte erzielen (Early und Late ­ausgewählter Talentmerkmale für Selektions-
Responder). Für die Sportpraxis ergeben sich prozesse in verschiedenen Sportarten. Eine
angesichts der schwierigen Operationalisierbar- Möglichkeit hierfür bietet die Expertisefor-
Training im Kindes- und Jugendalter
531 10
schung im Sinne eines retrospektiven For- 6
5
Badminton
Basketball
schungsansatzes. Hierbei werden Hochleis- 4
Gymnastik
3
tungssportler beispielsweise auf dem 2 Handball

Funktion 2
Höhepunkt oder nach Beendigung ihrer Kar- 1
0
Judo
Fußball
riere rückwirkend danach untersucht, welche –1
–2 Triathlon
physischen, psychischen oder infrastrukturel- –3 Volleyball
–4
len Merkmale die erfolgreichen Athleten in –5
Tischtennis
–4 –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
jungen Jahren auszeichneten. Die Zeitspanne Funktion 1

für die rückwirkende Analyse kann selbstver-


ständlich je nach definiertem Endpunkt ..      Abb. 10.21 Diskriminanzanalytische Unterscheidung
von Anforderungs- und Fähigkeitsprofilen in verschiede-
(z. B. Aufnahme in ein Nachwuchsleistungs- nen Sportarten. Die Funktionen basieren auf den
zentrum im Fußball bzw. C- oder B-­ Ergebnissen einer komplexen Testbatterie bestehend aus
Kaderzugehörigkeit) auch kürzer gewählt wer- 22 anthropometrischen, konditionellen und koordinati-
den. In diesem Zusammenhang liegen ven Testleistungen. Zentrale Charakteristika der
Untersuchungsergebnisse aus verschiedenen Sportartengruppen waren: Beweglichkeit im Turnen,
Sprungkraft im Badminton und Volleyball, Schnelligkeit
Sportarten vor, wie beispielsweise Basketball und Agility im Badminton, Judo, Fußball und Volleyball,
(Stadtmann 2013; Ferrauti et al. 2015; Pion Ausdauer im Triathlon, Dribbling-Fähigkeit im Handball,
2015), Schwimmen (Poppleton und Salmoni Basketball und Fußball und Überkopf-Wurfkraft im
1991) leichtathletischer Sprint und Handball Badminton und Volleyball (Pion et al. 2015)
(Hohmann 2009), Fußball (Williams und
Reilly 2000; Meylan et al. 2010; Gonaus und 10.4.4 Talentförderung
Müller 2012; Güllich 2014; Hohmann et al.
2018) und Tennis (Ulbricht et al. 2013; Kramer Nach den Diagnose-/Prognosemaßnahmen
et al. 2017; Fett et al. 2020). und den entsprechenden Selektionsentschei-
Exemplarisch soll an dieser Stelle die Ar- dungen sind die ermittelten Talente in geeigne-
beit von Johan Pion (2015) gewürdigt werden. ten Strukturen zu fördern. Um eine optimale
Die Entwicklung des sogenannten „Flemish Talentförderung zu gewährleisten, ist ein best-
Sports Compass“ (FSC) muss international als mögliches Ineinandergreifen der Förderin­
einzigartig hervorgehoben werden. Hierbei stanzen sicherzustellen. Darüber hinaus ist,
werden im Rahmen einer flächendeckenden neben einer angemessenen Trainingssteuerung
Testung aus allen flämischen Grundschülern durch Trainer im Verein und Sportverband,
mittels motorischer Tests die „Bewegungsbe- eine ausreichende Unterstützung der kontex-
gabten“ (Better Movers) ermittelt. Diese wer- tuellen Förderinstanzen Familie, Freunde und
den nun im Hinblick auf ihre Passung für be- Schule unbedingt erforderlich (. Abb. 10.22).
stimmte Sportarten untersucht, sodass die Die Trainer nehmen in der Talentförderung
Kompassnadel als Ergebnis mehrerer Faktoren eine zentrale Rolle ein. Die Rolle des Trainers
(z. B. Motorik, Anthropometrie, aber auch ändert sich im Laufe des Talentförderprozesses
Motivation bzw. Sportarteninteresse) in die von einem „sich kümmerndem Coach“ zum
eine oder andere Sportartenrichtung aus- „spezialisierten Trainings- und Wettkampf­
schlägt (orientation towards a sport that best coach“ bis hin zu einem „partnerschaftlichen
fits). Diese Entscheidung erfolgt nicht willkür- Berater“(Abott und Collins 2004). Verein und
lich, sondern datenbasiert, denn mittels Dis- Verband unterstützen die Nachwuchsathleten
kriminanzanalysen lassen sich die Fähigkeits- im Idealfall neben der ideellen Förderung und
und somit auch die Anforderungsprofile der Finanzierung von Trainings- und Wett-
verschiedener Sportarten gut voneinander se- kampfmöglichkeiten durch zusätzliche finan-
parieren (. Abb. 10.21). zielle oder materielle Zuwendungen.
532 A. Ferrauti et al.

doch auch als Störgröße. Vielfach obliegt es


(sportbetonte)
Schule
den Eltern, die schwierige Gratwanderung
zwischen visionär-optimistischen und realisti-
schen Zielsetzungen ihrer Kinder zu steuern.
Training Einerseits muss der Glaube an höchste Leis-
Familie Trainer Peers tungsziele als motivationaler Nährboden mög-
Athlet lichst lange gewahrt werden, andererseits müs-
sen in den meisten Fällen frühzeitig auch
alternative, realistische, jedoch trotzdem auch
Verein attraktive Zielsetzungen unterhalb der Medail-
Verband
lenränge gemeinsam entwickelt bzw. vermittelt
werden (Ferrauti et al. 2010).
..      Abb. 10.22 Zusammenwirken der Förderinstan- Den letzten Schritt zur Perfektion des Ta-
zen bei der Talentförderung (Hohmann 2009, S. 80) lents stellt die Etappe des Übergangs vom An-
schlusstraining ins Hochleistungstraining, also
Aufgrund hoher Trainingsumfänge und ge- der Übergang vom Jugend- zum Erwachsenen-
ringer Akzeptanz einer einseitig sportlichen training, dar. Beim Übergang vom Jugend- in
Ausbildung sind jugendliche Athleten einer den Hochleistungsbereich sind folgende Prob-
Doppelbelastung von Schule und Sport leme zu beobachten: Progressiv ansteigende Be-
­ausgesetzt. Zur Bewältigung dieser Belastung lastungen im Training sind mit ansteigenden
existiert in Deutschland das System der sport- schulischen bzw. beruflichen Anforderungen in
betonten Schulen bzw. Eliteschulen des Sports, Einklang zu bringen. Gewöhnlich muss eine
10 welches versucht, Fahrtstrecken, Training, Un- Entscheidung für oder gegen eine Priorisierung
terricht, Mahlzeiten und Hausaufgabenbetreu- der sportlichen Karriere zu Ungunsten einer
ung aufeinander abzustimmen. anderen beruflichen Entwicklung getroffen
Spielen Eltern und Familie bei der initialen werden. Zusätzlich ist der Übergang vom eher
Talentförderung durch die Gestaltung eines auf individuelle Förderung und sozialen Zu-
bewegungs- und leistungsfördernden Lebens- spruch ausgelegten Jugendtraining hin zu einer
stils eine wichtige Rolle, verschiebt sich diese häufig rein gewinnorientierten Kultur im Profi-
im weiteren Prozess der Entwicklung des Ta- bereich zu bewältigen. Durch die Zusammen-
lentes hin zum Organisator und Transporteur fassung der adulten Geburtsjahrgänge sind
(Hohmann 2009). Daneben können Eltern als Sportler erhöhter und gleichzeitig erfahrener
wichtige Motivatoren fungieren, zuweilen je- Konkurrenz ausgesetzt.

Exkurs: Vier Problembereiche der Talentförderung in Deutschland – eine subjektive Auflistung

1. Fehlende gesamtgesellschaftliche und 2. Unzureichende Honorierung der Leistungen


mediale Wertschätzung von Leistungssport von Trainerinnen und Trainern. Dadurch
und leistungssportlichen Karrieren unterhalb können sich zu wenige hauptamtliche Vereins-,
der Medaillenränge und folglich unzurei- Landes- und Bundestrainer mit dem notwendi-
chende finanzielle und motivationale gen zeitlichen Engagement der Talentförde-
Unterstützung. Der hohe Bildungsanspruch in rung widmen. Gleichzeitig resultiert daraus ein
Deutschland und die progressiv ansteigenden unzureichend engmaschiger Kontakt zu den
Belastungen im Training bei gleichzeitig Athleten, sodass grundlegende Maßnahmen
sinkenden internationalen Erfolgschancen der Trainingssteuerung (z. B. Monitoring) weder
erklären beim Übergang von der Jugend in initiiert noch kontrolliert werden können.
den Erwachsenenbereich den vermehrten 3. Unzureichende Steuerungsbefugnis von
Drop-Out. Dachverbänden über Maßnahmen in den
Training im Kindes- und Jugendalter
533 10

Landesverbänden, die entsprechend der 4. Kommunikationsbarrieren und Eitelkeiten


föderalen Struktur Deutschlands weitgehend innerhalb und zwischen allen Beteiligten des
autonom über die strukturelle Organisation Leistungssportsystems. Dies betrifft Probleme
ihrer Nachwuchsförderung entscheiden. Die innerhalb des unmittelbaren sportpraktischen
Einflussnahme der Landesverbände ist Umfelds (z. B. zwischen den aneinandergren-
gegenüber den Vereinen ebenfalls nur zenden Ebenen der Trainerhierarchie), aber
bedingt gegeben, da ein Athlet häufig nur auch innerhalb der sportwissenschaftlichen
hier seine notwendige regelmäßige Unterstüt- Beratungssysteme und Organisationen.
zung im Training sowie in finanzieller und Zusätzlich fehlt in den meisten Sportverbän-
ideeller Weise erhält. Dort fehlt zuweilen der den eine konstruktive Zusammenarbeit
Weitblick für die Notwendigkeit langfristiger zwischen Sportpraxis und S­ portwissenschaft.
Zielsetzungen.

10.4.5 Der Relative Age Effect schen und konditionellen Vorteile der frühge-
borenen Sportler ausgelöst (Sherar et al. 2007).
Damit die Erfolgschancen im Jugendbereich Demnach sind Sportarten mit hohen physi-
einer Sportart neutral verteilt sind und ein fai- schen Anforderungen besonders anfällig für
rer Wettkampf möglich ist, werden definierte einen RAE (Musch und Grodin 2001). Eigene
Altersbereiche (zumeist Jahrgänge) geschaffen, Untersuchungen mit 13-jährigen Kaderspie-
um eine bestmögliche Homogenität der Wett- lern des Deutschen Tennis Bundes belegen,
kampfgruppe zu gewährleisten (Helsen et al. dass die deutlich geringere Anzahl der spät im
2005; Schorer et al. 2013). Diese Alterseintei- Jahr Geborenen erhebliche Nachteile hinsicht-
lungen basieren zumeist auf dem chronologi- lich Körpergewicht, Handkraft und Aufschlag-
schen Alter der Sportler und führen unaus- geschwindigkeit aufweist, während die Sprint-
weichlich dazu, dass innerhalb des definierten und Ausdauerleistung kaum differiert.
Alterssegments ältere bzw. jüngere Kinder und Erstgenannte Faktoren sind in diesem Alter
Jugendliche zusammentreffen. Jene, die zu Be- von hoher Leistungsrelevanz, sodass die jünge-
ginn des Jahrgangs geboren sind, haben einen ren Spieler herausragende Spielfähigkeiten be-
relativen (aber auch absoluten) Alters- und so- sitzen müssen, um dies zu kompensieren
mit Entwicklungsvorsprung gegenüber den (. Abb. 10.23).
später geborenen Kindern (Barnsley et al. Ein weiterer Vorteil besteht in der bereits
1992). Dies kann in einem leistungssportbezo- längeren sportlichen Ausbildung, aber auch in
genen Kontext, wenn Selektionsprozesse über dem umfangreicheren Erfahrungshorizont
die Zugehörigkeit in einer Auswahlgruppe ent- (. Abb. 10.24). Es ergibt sich demnach ein Leis-
scheiden, zu einer Abweichung der Altersver- tungsvorsprung für früh im Selektionszeitraum
teilung von der Normalverteilung kommen. geborene Athleten, der die Wahrscheinlichkeit
Ein Relative Age Effect (RAE) liegt definitions- erhöht, für unterschiedliche Fördermaßnah-
gemäß dann vor, wenn die Geburtenverteilung men beziehungsweise Auswahlkader selektiert
innerhalb einer selektierten Stichprobe nicht zu werden. Im weiteren Verlauf sind zusätzli-
jener der Gesamtbevölkerung entspricht. Ge- che Mechanismen dafür verantwortlich, dass
wöhnlich nimmt der RAE mit ansteigendem sich ein zunächst geringer Leistungsvorsprung
Selektionsdruck zu, wenn also eine größere deutlich verstärkt. Beispielsweise geht eine er-
Grundgesamtheit um eine geringere Anzahl an höhte Leistungsfähigkeit mit Selbstbewusstsein
Plätzen konkurriert. und Motivation einher und bedingt zusätzliche
Der RAE wird primär durch den Reifungs- Förderungsmaßnahmen. Im Gegensatz dazu
bzw. Entwicklungsvorsprung (. Abb. 10.23) kann es zu einem vermehrtem Drop-out von
und die damit verbundenen anthropometri- spät im Selektionszeitraum geborenen Kindern
534 A. Ferrauti et al.

Sportarten, unabhängig vom Geschlecht


DTB U14 männlich
1.Q (n = 52) versus 4.Q (n = 16) (Cobley et al. 2009). Üblicherweise nimmt
die Prävalenz mit zunehmender Altersklasse
–20 –10 (%) +10 +20
ab und ist im Seniorenbereich kaum mehr
Körpergewicht 11,2 kg zu vermerken (. Tab. 10.4). Die deutliche
Abnahme des Effekts im Seniorenbereich
deutet darauf hin, dass im Rahmen der Ta-
Handkraft 6,4 kg
lentselektion gravierende Fehleinschätzun-
gen hinsichtlich des Leistungspotenzials der
Körpergröße 10,2 cm
Spieler vorlagen. Offenbar mehrt sich das
selbst- oder ­ fremdbestimmte Ausscheiden
Aufschlaggeschwindigkeit 8 km/h
von Frühgeborenen beim Übergang vom Ju-
niorenalter in den Seniorenbereich (Helsen
Sprintleistung 0,10 s
et al. 2005; Sherar et al. 2007). Denn einer-
seits relativiert sich im Altersverlauf der
Ausdauerleistung 0,2 Level
erweiterte Erfahrungshorizont (bei einem
Zehnjährigen ergeben 12 Monate ca. 10 %
..      Abb. 10.23 Absolute und prozentuale Differenzen mehr Lebenszeit, bei einem 20-jährigen nur
zwischen früh geborenen (1. Quartal: Januar, Februar,
noch 5 %), und andererseits ist der körper-
März) und spät geborenen (4. Quartal: Oktober,
November, Dezember) männlichen DTB-Kaderspielern liche Entwicklungsnachteil im Erwachsenen-
im Alter von 13 Jahren (Daten aus Ulbricht et al. 2015) alter ausgeglichen. Einige Autoren sehen die
Spätgeborenen, die den Selektionsprozess
10 früher „überleben“, sogar im Vorteil, da diese sich
geboren besondere technisch-­ taktische Fertigkeiten
aneignen mussten, um den relativen Alters-
weiter nachteil im frühen Jugendalter zu kompen-
erfahrener
entwickelt sieren (Schorer et al. 2011).
Es bleibt eine spannende Herausforderung
Förder- höhere positives für die Talentfördersysteme, dieser fatalen Al-
maßnahmen Leistung Feedback tersdiskriminierung entgegenzuwirken. Hierzu
finden sich verschiedene Korrekturvorschläge:
als Talent 55 Realisierung des Geburtsmonats bei
selektiert Selektionsentscheidungen und Quotierung
der Quartalsbeteiligung. Da leistungs-
..      Abb. 10.24 Dynamisches Modell von Entste- starke Frühgeborene berücksichtigt
hung und sekundärer Verstärkung des Relative Age
Effects (mod. nach Lames et al. 2008, S. 5)
werden müssen, ginge dies mit einer
Vergrößerung der Kader einher.
kommen (Delorme und Raspaud 2009). Das 55 Jährliche Rotation des Stichtages (Musch
dynamische Modell der Entstehung und Ver- und Grodin 2001). Auf diese Weise würde
stärkung eines RAE (. Abb. 10.24) verdeutlicht langfristig jeder Spieler eine bestimmte
die beschriebene Verzahnung der Einflussgrö- Zeitdauer die relativen Altersvorteile
ßen (Lames et al. 2008). besitzen.
Metaanalysen belegen die weltweite Ver- 55 Die Anwendung trennschärferer Selek-
breitung des RAE in den Auswahlmannschaf- tionszeiträume (z. B. Halbjahresgruppie-
ten und Förderprogrammen von zahlreichen rungen; Barnsley et al. 1992).
Training im Kindes- und Jugendalter
535 10

..      Tab. 10.4 Prozentuale Häufigkeitsverteilung der Geburtsquartale in den Jahrgangskadern des


Nachwuchsleistungszentrums und im Profikader eines renommierten deutschen Fußball-­
Bundesligavereins

Jahrgangskader Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4

U11 50,0 % 33,3 % 8,3 % 8,3 %

U12 46,2 % 38,5 % 15,4 % 0,0 %

U13 69,2 % 15,4 % 7,7 % 7,7 %

U14 42,1 % 36,8 % 21,1 % 0,0 %

U15 47,6 % 23,8 % 28,6 % 0,0 %

U16 52,2 % 26,1 % 8,7 % 13,0 %

U17 68,2 % 9,1 % 22,7 % 0,0 %

U18 70,8 % 16,7 % 4,2 % 8,3 %

U19 56,0 % 28,0 % 16,0 % 0,0 %

U20 81,3 % 0,0 % 6,3 % 12,5 %

U21 33,3 % 27,8 % 22,2 % 16,7 %

Jugend Gesamt 56,3 % 22,8 % 15,0 % 5,8 %

Profis 17,9 % 28,6 % 32,1 % 21,4 %

10.5 Training im Schulsport Dieser Doppelauftrag beinhaltet die „Erzie-


hung zum Sport“ sowie die „Erziehung durch
10.5.1 Rahmenbedingungen und Sport“ und gilt als wesentlicher Bestandteil der
curriculare Vorgaben aktuellen fachdidaktischen Position des erzie-
henden Sportunterrichts (Deutscher Sport-
Die curricularen Vorgaben für die Durchfüh- bund 2006). Er soll auf Grundlage von sechs
rung des Schulsports ergeben sich in Deutsch- pädagogischen Perspektiven in der Lehrpraxis
land aus den Rahmenvorgaben für den Schul- umgesetzt werden:
sport sowie den kompetenzorientierten 1. Wahrnehmungsfähigkeit verbessern,
Kernlehrplänen der einzelnen Bundesländer Bewegungserfahrungen erweitern
für die unterschiedlichen Schulformen. Im 2. Sich körperlich ausdrücken, Bewegungen
Folgenden werden die Aufgaben und Ziele des gestalten
Schulsports für das Bundesland Nordrhein-­ 3. Etwas wagen und verantworten
Westfalen kompakt zusammengefasst (Minis- 4. Das Leisten erfahren, verstehen und
terium für Schule und Weiterbildung des Lan- einschätzen
des Nordrhein-Westfalen 2014). 5. Kooperieren, wettkämpfen und sich
Der folgende Doppelauftrag fungiert als päda- verständigen
gogische Leitidee für den Schulsport: 6. Gesundheit fördern, Gesundheitsbewusst-
55 Entwicklungsförderung durch Bewegung, sein entwickeln
Spiel und Sport und
55 Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Ähnliche pädagogische Perspektiven finden
Sportkultur. sich in zahlreichen anderen Lehrplänen der
536 A. Ferrauti et al.

Bundesländer (Deutscher Sportbund 2006). und langfristigen Erreichung definierter Trai-


Neben den fachlichen Kompetenzen kann und ningsziele. Diese Maßnahmen sollten mög-
soll Schulsport auch einen Beitrag zu folgen- lichst systematisch und planmäßig erfolgen.
den gegenwärtig bedeutsamen überfachlichen Nach dieser Definition ist ein Training unter
Erziehungsaufgaben leisten: Gesundheitsför- schulischen Rahmenbedingungen problemlos
derung, Sicherheitserziehung, Verkehrserzie- möglich, geht mit mehreren pädagogischen
hung, reflexive Koedukation, gemeinsamer Perspektiven (z. B. „Das Leisten erfahren und
Unterricht, interkulturelle Erziehung, Umwelt- verstehen“, „Gesundheitsbewusstsein entwi-
erziehung, politische Bildung, ästhetische Er- ckeln“) und fast allen Inhaltsbereichen (z. B.
ziehung und Medienerziehung. „Bewegungsfähigkeiten ausprägen“) konform
Die dargestellten pädagogischen Perspekti- (Lüder et al. 2018) und trägt im Sinne einer
ven sollen an ausgewählten Inhalten verwirk- „Befähigung zu vernünftiger Selbstbestim-
licht werden. Die Rahmenvorgaben nennen mung“ in wesentlichen Merkmalen zum Bil-
hierzu zehn Inhaltsfelder: dungsprozess bei (Gissel 2019).
1. Den Körper wahrnehmen und Bewe- Angemessene Trainingsziele sollten somit
gungsfähigkeiten ausprägen von den Lehrkräften zu gegebenen Zeitpunk-
2. Das Spielen entdecken und Spielräume ten (beispielsweise zu Beginn und am Ende ei-
nutzen nes Halbjahres) klar formuliert und auch bei
3. Laufen, Springen, Werfen – Leichtathletik Elternsprechtagen kommuniziert werden. Ge-
4. Bewegen im Wasser – Schwimmen mäß der offenen Definition von Training müs-
5. Bewegen an Geräten – Turnen sen diese Ziele nicht zwingend in einer unmit-
6. Gestalten, Tanzen, Darstellen – Gymnas- telbaren Leistungssteigerung jedes einzelnen
10 tik/Tanz, Bewegungskünste Schülers liegen. Verständlicherweise erreichen
7. Spielen in und mit Regelstrukturen – Trainingsumfang und Trainingsintensität wäh-
Sportspiele rend des Sportunterrichts bei leistungssportlich
8. Fahren, Rollen – Rollsport/Bootssport/ ambitionierten Schülern nicht die erforderliche
Wintersport Reizschwelle für eine Leistungsverbesserung.
9. Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport Anders ist die Sachlage aber bereits bei nur
10. Wissen erwerben und Sport begreifen durchschnittlich trainierten Kindern, sodass
der Forderung von Söll (2008) nach drei oder
Zur Realisierung dieser Aufgaben sollen dem besser mehr Schulstunden/Woche uneinge-
Fach Sport gemäß gemeinsamer Empfehlung schränkt zuzustimmen ist. Darüber hinaus er-
der Kultusministerkonferenz und des DOSB möglichen unterrichtsübergreifende Trainings-
(KMK und DOSB 2017) drei Unterrichtsstun- empfehlungen sowie der Einbezug des
den pro Woche zur Verfügung gestellt werden. Ganztagsunterrichts (z. B. Sport-­AGs) – auch
Untersuchungen innerhalb der SPRINT-Studie für die gut Trainierten – individuell angemes-
des Deutschen Sportbundes (2006) ermittelten sene Zielsetzungen.
jedoch eine durchschnittlich erteilte Stunden- Verschiedene Interventionsstudien konn-
zahl von nur 2,2 Unterrichtsstunden pro Woche. ten in der Vergangenheit bereits positive Re-
aktionen und auch Adaptationen durch Trai-
ning im Schulsport nachweisen. Demnach
10.5.2 Möglichkeiten von Training kann Training mit Kindern und Jugendlichen
im Schulsport im Kontext Schule wirkungsvoll sowie sicher
und praktikabel realisiert werden (Caspersen
Training ist nach Hohmann et al. (2002) die et al. 1985; Hansen et al. 1991; Granacher et al.
Realisierung von Maßnahmen (Trainingsin- 2011; Waelchli et al. 2017; Lüder et al. 2018).
halten und Trainingsmethoden) im Kontext Die positiven Anpassungen betreffen zahlrei-
von Sport und Bewegung zur kurz-, mittel- che leistungs- und gesundheitsbezogene Fak-
Training im Kindes- und Jugendalter
537 10
toren (u. a. Koordination, Gleichgewicht, Kraft
und Ausdauer, aber auch Körperkomposition
und kardiovaskuläre Risikofaktoren) und sind
selbstverständlich stärker ausgeprägt, wenn
der Stundenumfang von 1–2 Stunden auf 4–5
Stunden pro Woche ausgeweitet wird (Hansen
et al. 1991).
Zur Steigerung der Kraft bedarf es dabei
nicht zwingend des Einsatzes von Kraftmaschi-
nen, denn auch bereits ein Training mit dem
eigenen Körpergewicht ist nachweislich wirk-
sam (Flanagan et al. 2002; Thienes 2008). Auch
die Verbesserung der Ausdauer erfordert keine
hohen Trainingsumfänge nach der extensiven
Dauermethode, sondern kann im Rahmen ei-
nes kompakten Intervalltrainings bzw. Inter-
vallsprinttrainings erfolgen (Kappenstein et al.
..      Abb. 10.25 Ein kurzes Intervalltraining am Ende
2015). Somit muss der schulisch realisierbare jeder Schulstunde reicht aus (Kappenstein et al. 2015)
Rahmen nicht gesprengt werden, und das Aus-
dauertraining orientiert sich an den physiologi-
schen und motivationalen Gegebenheiten im Auch aus gesundheitlicher und gesundheitspoli-
Kindesalter (. Abb. 10.25, 7 Abschn. 10.2). tischer Sicht sind ein trainingsorientierter Zu-
Neben diesen klassischen Interventionsstu- gang zum Schulsport und eine angemessene di-
dien sind jedoch auch die kurzfristigen Reak- daktische Aufbereitung dringend erforderlich.
tionen hervorzuheben. Beispielsweise sind Die Vermittlung nachhaltiger Kompetenzen
akute Effekte von körperlicher Aktivität auf die über eine gesunde und aktive Lebensweise sowie
kognitive Leistungsfähigkeit im schulischen über die biologischen Grundlagen von Bewe-
Setting nachweisbar (u. a. Galotta et al. 2012). gung und Training werden bislang von keinem
Dies spricht dafür, dass der Sportunterricht anderen Fach im schulischen Fächerkanon the-
nicht in die Randbereiche (z. B. Freitag, 7. matisiert. In der Konsequenz besitzen Abituri-
Stunde), sondern in die Mitte des Schultages enten keine vertieften Kenntnisse über gesund-
platziert wird. heits- und leistungsrelevante Körperfunktionen

Beispiel: Erfahrungsberichte von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 zum Sportunterricht

Katharina: Gut am Sportunterricht hat mir gefallen, mehr Richtung Fitnessstudio gemacht würde oder
dass alle Mitschüler eingebunden sind und somit das der Sport im Sommer auch mal draußen stattfindet.
Teamgefühl in der Klasse gestärkt wird. Außerdem ist Einzelstunden bringen gar nichts, dass ist Zeitver-
Sport ein guter Ausgleich zum langen Sitzen in der schwendung.
Schule. Manche Themen werden zu kurz behandelt,
sodass man die Sportarten gar nicht richtig lernt. Um
Lena: Ich finde gut, dass Jungen und Mädchen
eine Sportart richtig zu lernen, müsste man auch
zusammen Sport treiben und somit der Teamgeist
Theorieunterricht haben, das kommt immer zu kurz.
gestärkt wird. Man kann anders als im normalen
Unterricht mal richtig Dampf ablassen. Man
Murat: Sport in der Schule ist abwechslungsreich, bräuchte aber für Sportunterricht mehr Zeit, und
da man auch Sportarten machen muss, die man die Anforderungen könnten höher sein, nicht nur
freiwillig nicht machen würde. Super wäre es, wenn „Singen und Hände-Klatschen“.
538 A. Ferrauti et al.

und belasten das Gesundheitssystem. Der Sport- Wahrnehmung des eigenen Körpers zu vermit-
unterricht eignet sich hervorragend, um diese teln. Dies kann durch die Auseinandersetzung
Kompetenzen praxisnah entsprechend der Vor- mit konditionellen Belastungen erfolgen, wo-
gabe durch Inhaltsbereich 1 zu vermitteln. durch auch Erfahrungen und Kenntnisse für
Den Schülerinnen und Schülern ist dem- das eigenständige außerschulische Training er-
nach im Sportunterricht eine differenzierte worben werden.

Beispiel: Möglichkeiten von trainingswissenschaftlich reflektierten Themen im Schulsport

1. Herzfrequenz und Ausdauertraining: Erlernen Volleyball, Stunde 4: Intervalltraining) und


Sie Anatomie und Physiologie von Herz und berechnen Sie den kalorischen Umsatz für jede
Herz-Kreislauf-System. Schätzen Sie Ihre Aktivität. Wie vielen Schokoriegeln entspricht
Herzfrequenz in Ruhe und unter ansteigender der Energieverbrauch einer Stunde Schulsport?
Belastung. Messen Sie anschließend 3. Muskulatur und Krafttraining: Erlernen Sie
palpatorisch die Herzfrequenz in Ruhe und Anatomie und Physiologie der Skelettmuskula-
unter ansteigender Belastung. Welche tur. Bestimmen Sie in Kleingruppen die
Aussagen liefern die Ruheherzfrequenz und Kraftausdauer bestimmter Muskelgruppen.
die Belastungsherzfrequenz? Berechnen Sie Welcher Zusammenhang besteht zwischen
Ihre Herzfrequenzreserve und absolvieren Sie Schnellkraft (z. B. Medizinballwurf ) und
als Hausaufgabe einen Lauf über 30 min bei Kraftausdauer (z. B. Liegestütz)?
80 % der Herzfrequenzreserve. Wie anstren- 4. Zentralnervensystem und Techniktraining: Wie
gend wird dieser Lauf auf der RPE-Skala viele Wiederholungen beim Freiwurf im
empfunden? Basketball oder beim Zielschießen im Fußball
2. Energiestoffwechsel und Ernährung: Informieren führen zum bestmöglichen Trefferfolg?

10 Sie sich über den Kaloriengehalt und die


Nährstoffzusammensetzung gängiger
Welchen Einfluss besitzen Konzentrationsstö-
rungen durch die Mitschüler? Hilft eine
Nahrungsmittel. Berechnen Sie Ihren kalori- Fokussierung auf bestimmte Technikelemente,
schen Ruheumsatz und den Tages- bzw. und wenn ja, auf welche? Wie nachhaltig sind
Wochenumsatz anhand einer Dokumentation die Leistungsverbesserungen in den Folge-
aller Aktivitäten. Absolvieren Sie im praktischen stunden? Wie funktioniert das Zentralnerven-
Teil definierte Belastungen (Stunde 1: system und welche Veränderungen sind dort
Krafttraining, Stunde 2: Fußball, Stunde 3: durch Techniktraining möglich?

Praxistipp: Empfehlungen zur Optimierung


des Schulsports aus trainingswissenschaftli- 2. Der Sportunterricht im originären
cher Sicht Sinne von „Physical Education“ muss
neben der Vermittlung von übergrei-
1. Die aktuelle Kernfachregelung und die fenden Kompetenzen auch vertiefte
klassische Differenzierung zwischen fachwissenschaftliche Kompetenzen
Haupt- und Nebenfächern sowie verset- zu anatomischen und physiologi-
zungs- und nicht versetzungsrelevanten schen Körperfunktionen und dem
Fächern im schulischen Fächerkanon ist Einfluss von Bewegung und Ernäh-
antiquiert, entbehrt jeder plausiblen Evi- rung auf gesundheits- und leistungs-
denz und bedarf dringend einer Reform relevante Anpassungseffekte vermit-
von Seiten der Ministerien. Diskriminie- teln. Der Vermittlungserfolg ist durch
rende Kombinationskon­strukte in der theoretisch-praktische Hausaufga-
Oberstufe wie: „Sport als viertes Abitur- ben und Leistungsüberprüfungen
fach ist möglich, dann allerdings nur in sicherzustellen.
Kombination mit Mathematik als Leis- 3. Der Sportunterricht sollte mit ausrei-
tungskurs“ sind kategorisch abzulehnen. chendem Stundenumfang von min-
Training im Kindes- und Jugendalter
539 10
10.5.3 Möglichkeiten der
destens drei, besser vier Stunden pro Leistungsdiagnostik
Woche an mindestens drei Wochen- im Schulsport
tagen (Mo, Mi, Fr) differenzierter auf
die individuellen Bedürfnisse und In- Zur Messung der motorischen Leistungsfähig-
teressen der Schülerinnen und Schü- keit von Schülern bedarf es evaluierter und
ler eingehen und dabei sowohl den normierter Testbatterien (7 Abschn. 3.4). Un-
weniger Interessierten als auch den ter dieser Zielsetzung sind verschiedene Vor-
ambitionierten Schülerinnen und schläge publiziert worden, die unter schuli-
Schülern gerecht werden. Hierzu eig- schen Rahmenbedingungen realisiert werden
nen sich ergänzende außerunter- können. Exemplarisch seien der Eurofit-Test
richtliche Initiativen. Diese schließen für 12–16-Jährige (van Mechelen et al. 1991)
beispielsweise eine ständige Unter- und der Deutsche Motorik-Test (DMT) für
richtsvertretung bei Unterrichtsaus- 6–18-Jährige genannt (Bös et al. 2009; Bös
fall durch den Sportlehrer ein. Diese 2016). Der DMT (. Tab. 10.5) wird in vielen
Stellen müssen vom Ministerium zu Bundesländern regelmäßig eingesetzt, sodass
diesem Zwecke zusätzlich geschaffen bis November 2015 schon ca. 30.000 Kinder
werden. Infrastrukturell eignen sich getestet wurden (Bös 2016). Das praktikable
einzelne entsprechend ausgestattete Testinventar ist günstig zu erwerben und bietet
Klassenräume oder ein mobiles In- mithilfe einer Auswertungssoftware anschau-
ventar an Trainingsmitteln, sodass die liche und kindgerechte Möglichkeiten des
Sporthallenkapazität nicht zwingend Feedbacks an Schülerinnen und Schüler auf
zusätzlich belastet wird. der Basis repräsentativer altersdifferenzierte
4. Sämtliche Lehrstätten müssen mit Normwerte für beide Geschlechter (z. B. Ur-
modernem Medieninventar ausge- kunden mit Profilauswertungen).
stattet werden, sodass theoretische Aus trainingswissenschaftlicher Sicht ist
Einstiege oder Exkurse angemessen eine regelmäßige Durchführung des DMT
und mit unmittelbarem Transfer (z. B. zu Beginn und am Ende eines Schulhalb-
von Theorie zur Praxis vermittelt jahres) uneingeschränkt zu befürworten. Auch
werden können. Ein zusätzliches In- wenn aus testtheoretischer Sicht nicht alle Ein-
ventar an Messinstrumenten zeltests höchsten Ansprüchen gerecht werden
(z. B. Herzfrequenzmonitore, (7 Abschn. 3.4), so überzeugt die Testbatterie
GPS-Geräte, Fitnesstracker), aber durch ihre hohe Praktikabilität und die ein-
auch einfache Systeme der Leis- heitliche Normierung (. Tab. 10.5). Auch in
tungsdiagnostik (z. B. Functional Anbetracht der pädagogischen Perspektiven
Movement Screen, Lichtschranken- findet sich eine eindeutige Verortung („Das
systeme) müssen den üblichen Be- Leisten erfahren, verstehen und einschätzen“).
stand an Lehrmitteln erweitern. Trotzdem gilt es, die Testanwendung theore-
Hierzu bietet der Digitalpakt Schule tisch vor- und nachzubereiten und in ein brei-
wichtige Zukunftsoptionen. teres und mit Weitblick ausgerichtetes didakti-
sches Konzept einzupflegen.
540 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 10.5 Testinhalte des Deutschen Motorik-Tests (Bös 2016)

Ausdauer Kraft Schnelligkeit Koordination Beweglichkeit

6-Minuten-Lauf Standweitsprung 20-m-Sprint Balancieren Rumpfbeugen


rückwärts auf
Liegestütz in 40 s einem Balken

Sit-Ups in 40 s Seitliches Hin-


und Herspringen

Anthropometrie: Größe, Gewicht und Body Mass Index (BMI)

Praxistipp: Der DMT und was nun?


55 Elterninformation (Infoblatt, Mitmach-
Vor der Durchführung sind die Testinhalte aktion, Konzeption gemeinsamer
und die zugrunde liegenden Leistungsvor- Heimprogramme)
aussetzungen zu erarbeiten. Eine ausrei- 55 Trainingsempfehlungen (individuali-
chende Testvorbereitung sowie mehrere sierte Zielwertdefinitionen und
Vorversuche sind erforderlich, um rein Trainingsprogramme)
koordinativ bedingte Verbesserungen bei 55 Belohnungsstrategien (klassenüber-
der Testwiederholung einzuschränken. greifende Belobigung der absolut
10 Zusätzlich sind folgende Anregungen von Besten und jener mit dem prozentual
den Lehrkräften zu reflektieren: größten Leistungszuwachs)
55 theoretische Einbettung (Funktion von
Herz, Herz-Kreislauf-System, Muskula-
tur, ZNS, Teststatistik)
Training im Kindes- und Jugendalter
541 10
10.6  ufgaben zur Nachbereitung
A erweiterten Familie oder aus dem Sport-
des Kapitels verein sein. Theoretisch können diese
Beispiele auch konstruiert sein.
3. Relative Age Effect: Analysieren Sie die
Geburtstage von Spielern in der Deutschen
Fußball-­Nationalmannschaft und in einer
weiteren Trainingsgruppe von Kindern in
ihrem Sportverein. Existiert in diesen
Gruppen ein RAE? Wie lauten bundes-
weite Statistiken zur Verteilung der
Geburtenrate in den vier Jahresquartilen?
4. Trainingswissenschaft im Schulsport:
Absolvieren Sie den DMT zweimal im
Abstand von mindestens zwei Tagen und
berechnen Sie die Abweichung der
Ergebnisse in den Einzeltests. Reflektieren
Sie das Ergebnis aus testtheoretischer Sicht.

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10
547 11

Training im mittleren und


höheren Lebensalter
Alexander Ferrauti und Laura Hottenrott

11.1 Bedeutung und Erscheinungsformen – 548

11.2 Biologische Grundlagen – 550

11.3  pidemiologische Befunde zu Training


E
und Gesundheit – 552

11.4 Training und Übergewicht – 555

11.5  örperfunktionen, Leistung und Trainierbarkeit im


K
Altersgang – 556
11.5.1  ognitive und koordinative Veränderungen – 557
K
11.5.2 Kardiorespiratorische und neuromuskuläre
Veränderungen – 559
11.5.3 Wettkampfleistungen und Masterathleten – 560
11.5.4 Trainierbarkeit von Kraft und Ausdauer – 563
11.5.5 Regenerationsbedarf im Altersgang – 565

11.6 Trainingsempfehlungen und Trainingsbeispiele – 566


11.6.1  llgemeine Empfehlungen – 566
A
11.6.2 Sportartspezifische Empfehlungen – 569

11.7 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 575

Literatur – 575

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_11
548 A. Ferrauti und L. Hottenrott

Freudvoll Grenzen verschieben und „durch Be- 11.1 Bedeutung und


wegung 20 Jahre 40 bleiben.“ (Wildor Holl- Erscheinungsformen
mann)
Seit über 100 Jahren wird der Mensch immer
Zusammenfassung älter, und in den nächsten Jahrzehnten ist ein
Der Mensch wird immer älter, und in den nächs- weiterer Anstieg der Lebenserwartung abzu-
ten Jahrzehnten ist ein weiterer Anstieg der sehen. Die mittlere Lebenserwartung beträgt
Lebenserwartung abzusehen. Dieser demo- in Westeuropa derzeit etwa 82 Jahre bei
grafische Wandel stellt neue Anforderungen Frauen und 76 Jahre bei Männern. Die höchste
an die Trainingswissenschaft. Dabei gilt es, den mittlere Lebenserwartung findet sich in Ja-
Einfluss unterschiedlicher Trainings- und Bewe- pan. Der Anstieg der Lebenserwartung in den
gungsprogramme sowie verschiedener Sport- vergangenen Jahrhunderten war zunächst das
arten auf Gesundheit und Leistung sowie den Resultat einer geringeren Kindersterblichkeit
Alterungsprozess im mittleren und höheren und basiert seit den 1990er-Jahren auch auf
Lebensalter differenziert zu erforschen. Im vor- der deutlichen Zunahme alter und sehr alter
liegenden Kapitel werden zunächst die mole- Menschen. Berichte über „Supercentenari-
kularen Mechanismen und Theorien des Alterns ans“, Menschen, die über 110 Jahre alt sind,
(u. a. Telomertheorie, DNA-Schadenstheorie, häufen sich. Die Ursachen für diese Entwick-
Inflammaging-­Theorie) und deren theoretische lung sind vielfältig. Sie beinhalten die allge-
Beeinflussbarkeit durch Training vorgestellt. meinen hygienischen Bedingungen, die Fort-
Epidemiologische Befunde belegen, dass ein schritte der modernen Medizin, aber auch
positiver Zusammenhang zwischen erhöhter eine gesündere Ernährung und eine aktivere
körperlicher Leistungsfähigkeit bzw. einem zu- Lebensweise.
mindest mittleren freizeitkalorischem Energie- Neben dem Leistungs- bzw. Hochleistungs-
umsatz und einer verringerten Inzidenz der
11 koronaren Herzkrankheit und vielen anderen
sport im sogenannten „Aktivenalter“ werden
freizeit- und gesundheitssportliche Aktivtäten
Erkrankungen besteht. Die Trainingsintensität im mittleren und höheren Lebensalter von
sollte dabei mindestens eine moderate Reiz- Menschen weltweit unter vielfältigen Zielset-
schwelle überschreiten. Körperliche Aktivität in zungen praktiziert (. Abb. 11.1 und 11.2). His-
Verbindung mit einer hypokalorischen Diät ist torisch bildete die 1970 begonnene Trimm-Ak-
ein besserer Weg, dem weltweiten gesellschaft- tion des Deutschen Sport Bundes hierfür einen
lichen Problem des Übergewichts entgegen- wichtigen Ausgangpunkt. Werbekampagnen
zuwirken, als einzig durch Ernährungsmodi- wie Trimming 130, Trimm-Parks und Spielfeste
fikation. Trotz aller Potenziale von körperlicher mit dem Angebot „Spiel mit“ bildeten zentrale
Aktivität und zunehmend imposanten Beispie- Eckpfeiler. In den 1980er-Jahren entstanden
len von hochleistungsfähigen „Masterathleten“, mit der alternativen Spiel- und Bewegungskul-
nehmen Leistung, Trainierbarkeit und Rege- tur neue Spiel- und Bewegungsformen, losge-
nerationsvermögen im Altersgang ab. Dieser löst von der traditionellen Sportlandschaft
Abfall kann jedoch durch geeignete Trainings- (Ferrauti und Remmert 2006).
interventionen deutlich reduziert werden. Die Bereits um die Jahrtausendwende betrie-
Potentiale und Anforderungskriterien typischer ben 70 % der Bevölkerung Nordrhein-Westfa-
Freizeitsportarten werden vorgestellt. lens irgendeine Form von körperlicher Ak­
Training im mittleren und höheren Lebensalter
549 11
..      Abb. 11.1 Auf
dem Gipfel des
berüchtigten Mont
Ventoux in der
französischen
Provence. Vater (69
Jahre, links) und Sohn
(49 Jahre, rechts)
nutzen jedes freie
Wochenende, um auf
rund 21 km mehr als
1600 Höhenmeter bei
einer durchschnitt-
lichen Steigung von
7,6 % zu bewältigen,
eingebunden in
jeweils 50 km An- und
Abfahrt zum Warm-up
und ­Cool-­down

..      Abb. 11.2 New


York City. Tausende von
Freizeitsportler und
-sportlerinnen aller
Altersgruppen
versammeln sich nach
Feierabend zum
täglichen Workout mit
Musik

tivität, bevorzugt Radfahren, Gymnastik, hochschulen, Jugendstätten, Fördervereinen,


Schwimmen, Jogging, Fitness, Fußball, Wan- Elterninitiativen, Seniorenheimen, Betrieben,
dern und Tennis (Rütten et al. 2005). Eine frei- Krankenkassen und Reiseveranstaltern ange-
zeitsportliche Marathonwelle führte anschlie- boten. Neuerdings wird das Adressaten- und
ßend zu einer exponentiellen Zunahme an Motivspektrum um eine interessante Katego-
Joggern, die inzwischen vermehrt zum Halb- rie erweitert: Altershochleistungssportler
marathon wechseln. Der Großteil dieser Akti- („Masterathleten“) verfolgen ihre sportlichen
vitäten findet im privaten Rahmen statt (50 %), Aktivitäten speziell nach dem Erreichen des
gefolgt vom Verein (26 %). Außerhalb der Ver- Rentenalters annähernd professionell, trainie-
eine werden Bewegungsangebote inzwischen ren unter bestmöglichen Rahmenbedingun-
von selbstständigen Sportwissenschaftlern, (u. gen mit hohen Umfängen, verfolgen gut struk-
a. Personal Trainer) kommerziellen Fit- turierte Trainingspläne und sind folglich in
ness-Centern, Bildungseinrichtungen, Volks- ihrer Motivlage primär leistungsorientiert.
550 A. Ferrauti und L. Hottenrott

Der demografische Wandel stellt neue 11.2 Biologische Grundlagen


Anforderungen an die Trainingswissenschaft.
Obwohl dem Training im mittleren und hö- Zur Aufklärung des Einflusses von Bewegung
heren Lebensalter eine hohe gesellschaftliche und Training auf Gesundheit und Leistung
und präventivmedizinische Bedeutung zu- im mittleren und höheren Lebensalter müs-
kommt, fehlt es an qualitativ hochwertiger sen neben allgemeinen epidemiologischen
trainingswissenschaftlicher Forschung. Dies Erklärungsursachen auch die molekularbio-
liegt auch daran, dass Freizeitsport eine Auf- logischen Zusammenhänge für die Entste-
gabe der Bundesländer ist und auf Länder- hung und ggf. Verzögerung von Alterungs-
ebene eine entsprechende Forschungsförde- prozessen verstanden werden (Behl und
rung fehlt. Die Entwicklung des Freizeitsports Ziegler 2016). Denn: „Altern scheint der ein-
wird folglich in hohem Maße durch kommer- zig verfügbare Weg zu sein, lange zu leben“
zielle Interessen gesteuert. Lifestyle-Maga- (Auber 1997).
zine präsentieren sport- und gesundheitsbe- Die zunehmenden Erkenntnisse über die
zogene Themen populär und vielfach auch molekularen Mechanismen des Alterns und
falsch. Aus Sicht der Trainingswissenschaft deren Bedeutung für die Entstehung von Al-
fehlt eine ausreichende qualitative Wissens- terserkrankungen des Menschen legen nach
aufbereitung für einen wichtigen und aufge- Behl und Ziegler (2016) sowie Wessner et al.
klärten Adressatenkreis, der seine Aktivitäten (2018) einen integrativen Erklärungsansatz
erfahrungsgemäß mit hohem Hintergrundin- basierend auf mehreren Einflussfaktoren nahe
teresse verfolgt (Ferrauti und Remmert 2006). (. Abb. 11.3):

oxidativer
Nahrungszufuhr
Stress
11 oxidativer Insulin/IGF-1
Rezeptor Lipid-
Stress Proteinoxidation oxidation

Aggregation

Glukose mTORC1
ATP
Autophagie
Proteinoxidation oxidativer Transkription/
Stress Translation
Zell-
O 2– G2
zyklus
DNA-Schädigung Replikation
S M
Telomere
Sirtuine DNA-Reparatur p53
G1
Rb
Tu mor-
suppression
Epigenetik

Umwelt Seneszenz Apoptose Tumorbildung

..      Abb. 11.3 Die molekulare Matrix des Alterns. Die toren: Nahrungszufuhr, oxidativer Stress, Telomer-
Zellalterung wird nicht durch einzelne Gene oder länge, Epigenetik und Biochemie der Sirtuine,
Mechanismen reguliert, sondern durch ein eng DNA-Schädigung und Autophagie (Behl und Ziegler
miteinander verflochtenes Netzwerk aus Einflussfak- 2016, S. 94)
Training im mittleren und höheren Lebensalter
551 11
55 Störungen im Mechanismus von Zelltei- Insgesamt überwiegen epidemiologische und
lung und DNA-Replikation unter anderem physiologische Befunde, dass körperliche Ak-
durch Telomerverkürzung (Telomertheo- tivität und Training eine protektive (Sport als
rie). Die Telomere spielen bei jeder „Anti-Aging-Medikament“) und keine be-
Zellteilung eine bedeutsame Rolle. Bei schleunigende Wirkung (Proteinverschleiß-­
jeder Teilung wird ein Stück der Telomere Theorie nach Mader 1990) auf die dargestellten
abgeschnitten, bis die maximale Anzahl an komplexen Alterungsprozesse besitzen. Aller-
Zellteilungen erreicht ist und die Zelle dings müssen Trainingsinhalte, -umfänge und
stirbt. -intensitäten differenziert beurteilt werden, da
55 Zunehmende Schädigungen der DNA und verschiedene Trainingsinhalte (z. B. Kraft- und
abnehmende Qualität von Reparaturme- Ausdauertraining) auf molekular-­ zellulärer
chanismen (DNA-Schadenstheorie). Die Ebene unterschiedliche Reaktionen und Adap-
resultierende Genexpression ist fehlerhaft, tationen bei älteren Menschen auslösen. So
und die Zelle erleidet einen Funktionsver- konnte nur durch Ausdauertraining einer Te-
lust (Celullar Senescence). lomerverkürzung entgegengewirkt und somit
55 Individuell unterschiedlich ausgeprägte ein schützender Effekt auf das Erbgut bewirkt
Expression von Genen oder Gengruppen werden (Werner et al. 2019). Andererseits
mit besonderer Schutzwirkung kommt dem Krafttraining eine bedeutsame
­(Sirtuin-­Theorie). Rolle zu, wenn es um den Erhalt der muskulä-
55 Chronische systemische niedriggradige ren Proteinmasse und der Knochendichte und
Entzündungsmechsanismen (Chronic somit der Funktionskapazität des Menschen
Low-grade Inflammation), überwiegend unter alltäglichen Bedingungen geht (Tomlin-
verursacht durch metabolische Faktoren son et al. 2019). Schließlich ist auch bekannt,
wie hyperkalorische Ernährung und dass körperliche Aktivität durch zahlreiche
Übergewicht sowie Bewegungsmangel Mechanismen die Gehirngesundheit fördert,
(Inflammaging-Theorie). Insbesondere indem unter anderem die Gehirndurchblu-
das viszerale Fett führt zur Ausschüttung tung, die synaptische Plastizität und die Integ-
von Zytokinen (TNF-α, Interleukin 6), rität der Blut-Hirn-Schranke erhalten bzw. ver-
die in Zusammenhang mit der Entste- bessert werden (Vecchio et al. 2018).
hung von Insulinresistenz, Typ-II-Dia- Einer integrativen Beurteilung aller posi-
betes, Arteriosklerose, Krebs sowie tiven und negativen Effekte verschiedener
neurodegenerativen Erkrankungen Formen und Intensitäten von Training und
stehen. Bewegung unter Einbezug aller sonstigen
55 Oxidativer Stress und die Freie-Radikal-­ Einflüsse auf den Alterungsprozess (z. B. Er-
Theorie, ebenfalls verursacht durch nährungsmaßnahmen wie Intervallfasten und
Bewegungsmangel und muskuläre Zufuhr von Antioxidanzien) wird zukünftig
Inaktivität und Muskelatrophie (ROS, eine besondere gesellschaftliche Bedeutung
Radical Oxygen Species). zukommen (Shetty et al. 2018). Angebote für
55 Abnehmende Proteinqualitätskontrolle individuell maßgeschneiderte (Tailor-made)
und unangemessene autophagische Konzepte und Empfehlungen sind zunehmend
Proteindegradation. zu erwarten. Gleichzeitig sollte jedoch bei al-
55 Epigenetische Einflüsse auf die Genex- lem „Anti-Aging-Hype“ neben der Verlänge-
pression (z. B. durch miRNA), die rung der Lebensquantität stets auch der Erhalt
teilweise durch Lebensstil und Umwelt, an Lebensqualität nicht aus dem Auge verlo-
teilweise aber auch durch eine altersbe- ren und deren Balance von jedem Individuum
dingte „epigenetische Uhr“ oder eine selbstverantwortlich austariert werden. Im
„epigenetische Drift“ gesteuert werden. Idealfall wird es, ausgehend von einer frühzei-
552 A. Ferrauti und L. Hottenrott

tigen Aufklärung im Kindes- und Jugendalter tätsrate und demzufolge das Mortalitätsrisiko
(eine der zukünftig wachsenden Aufgaben des bzw. die Überlebensrate werden in Abhängig-
Schulsports) und der Schaffung lebenslanger keit von der Leistungsfähigkeit positiv beein-
attraktiver Bewegungsangebote, zunehmend flusst (Löllgen et al. 2018). Als Außenkriterien
gelingen, beide Ziel­perspektiven miteinander werden zumeist die maximale Sauerstoff-
zu kombinieren (Verlängerung der Health- aufnahme oder das maximale metabolische
span). „Freudvoll Grenzen verschieben“, so Äquivalent (s. Definition in 7 Kap. 7) ver-
lautet das Motto dieses Kapitels. wendet (u. a. Sandvik et al. 1993; Blair et al.
1996; Myers et al. 2002; Strasser & Burtscher,
2018). Die berechnete Beziehung zwischen
11.3 Epidemiologische Befunde Leistungsfähigkeit und protektiver Wirkung
zu Training und Gesundheit ist entweder weitgehend linear, d. h. mit zu-
nehmender Leistung steigt die Schutzwirkung
Die Epidemiologie widmet sich den grund- (Sandvik et al. 1993), oder folgt eher einer hy-
sätzlichen Gesetzmäßigkeiten über gesund- perbolischen Funktion, d. h. mit zunehmen-
heitsbezogene Zustände und Abhängigkeiten der Leistung schwächt sich die Schutzwirkung
in großen Populationen. Dabei wird unter ab. So konnten Blair et al. (1996) nachweisen,
anderem die Wahrscheinlichkeit für das Auf- dass vor allem Low Fitness (entsprechend ei-
treten bestimmter Erkrankungen (Inzidenz- ner Leistung unterhalb des 20. Perzentils der
risiko), auch im Zusammenhang mit soziolo- Normalbevölkerung) bei beiden Geschlech-
gischen Attributen (z. B. gesunde oder aktive tern ein starker unabhängiger Prädiktor von
Lebensweise bzw. Risikofaktoren wie Rau- Mortalität ist, während schon von einer mode-
chen), quantifiziert (s. Exkurs in 7 Kap. 7). raten Fitness (20.–60. Perzentil) eine Schutz-
Bereits vielfach konnte der epidemiologische wirkung ausgeht. Der dargestellte Zusammen-
Nachweis erbracht werden, dass eine erhöhte hang spiegelt ein grundsätzliches Problem
11 körperliche Leistungsfähigkeit (meist Aus- der modernen Zivilisationsgesellschaft wider.
dauerleistung bzw. kardiorespiratorische Rasche Veränderungen unserer Lebens- und
Leistung) mit einer geringeren Inzidenz an Ernährungsgewohnheiten seit Beginn des
Herz-­Kreislauf-­Erkrankungen einhergeht. Industriezeitalters passen nicht mehr zu den
Aber auch die kardiovaskulär verursachte phylogenetisch überlieferten Funktionscha-
und sogar die multikausal bedingte Mortali- rakteristika des menschlichen Körpers.

Exkurs: Neandertalergene prägen unser Aktivitätsbedürfnis und unser Aktivitätsverhalten

Die DNA-Sequenzierung des Neandertalererbguts verfügbarkeit geleistet werden. Kraftbeanspru-


ergab Hinweise auf Parallelen zu jenem des Homo chungen erfolgten eher nach vorausgegangenen
sapiens. Diese scheinen Auswirkungen auf aeroben Aktivitäten (Boullosa et al. 2013). Es kann
verschiedene phänotypische (z. B. Haut- und davon ausgegangen werden, dass das Bestreben
Haarfarbe), aber ggf. auch auf Lebens- und des Homo neanderthalensis darin bestand,
Schlafgewohnheiten sowie pathologische unnötige körperliche Aktivität zu vermeiden, um
Charakteristika des modernen Menschen zu möglichst wenig Energie zu verstoffwechseln und
besitzen (Dannemann und Kelso 2017). Die den Nahrungsbedarf zu reduzieren (Lee et al.
körperliche Aktivität unserer Vorfahren war 2016). Auch die Anthropometrie, gekennzeichnet
bedingt durch die damaligen Lebensumstände unter anderem durch kürzere Beine, war nicht
(speziell durch die Nahrungssuche) und kann prädestiniert für das Laufen und muss mit einer
durch längere moderate und überwiegend geringen Laufökonomie einhergegangen sein
aerobe, unterbrochen durch kurzfristige hochin- (Steudel-­Numbers und Tilkens 2004). Die Autoren
tensive Belastungen beschrieben werden. Diese legen die Hypothese nahe, dass ein Mensch in
Phasen mussten meist bei geringer Kohlenhydrat- der modernen Zivilisationsgesellschaft nach wie
Training im mittleren und höheren Lebensalter
553 11

vor durch jene evolutionsbiologischen Bedürf- weise jedoch auch den motivationalen Wider-
nisse und Merkmale geprägt wird, die unsere stand vor „unnötigem“ extensivem Energieum-
Vorfahren auszeichneten. Dies erklärt, dass eine satz und verdeutlicht die Notwendigkeit von
Steigerung der heutzutage unzureichenden Aufklärung sowie von attraktiven (Lee et al. 2016)
aeroben Aktivität, gepaart mit einer Reduktion und biologisch angepassten Trainingsprogram-
der Kohlenhydratzufuhr, unserem Erbgut besser men und Ernährungsempfehlungen (Boullosa
entspräche. Gleichzeitig erklärt es möglicher- et al. 2013).

Eine gegebene körperliche Leistungsfähigkeit einher. Dieser Effekt erreicht ein Optimum bei
kann nicht nur das Resultat von Adaptations- mindestens 2000 kcal/Woche bzw. bei
prozessen durch Training, sondern stets auch ca. 280 kcal/Tag (. Abb. 11.4a) und läßt sich da-
die Folge einer vorteilhaften genetischen Dis- rüber hinaus nicht unbegrenzt weiter steigern
position sein. Aus trainingswissenschaftlicher (Paffenbarger et al. 1986). Auch Leon et al. (1987)
Sicht stellt sich daher die bedeutsame Frage, konnten einen Schutzeffekt für jenes Probanden-
welcher Trainingsumfang aus gesundheitlicher terzil mit einem mittleren freizeitkalorischen
Sicht mit einer Schutzwirkung einhergeht. Umsatz bei ca. 225 kcal/Tag (1575 kcal/Woche)
Zahlreiche epidemiologische Untersuchungen gegenüber dem inaktiven Probandenterzil mit
verwendeten daher nicht die körperliche Leis- durchschnittlich 75 kcal/Tag feststellen, ohne
tungsfähigkeit, sondern die Trainingsbelas- dass dieser Effekt für das aktivste Probandenter-
tung (External Load) als Außenkriterium für zil (> 600 kcal/Tag) weiter anstieg. In beiden Stu-
die Quantifizierung der damit einhergehenden dien zeigte sich demnach ein positiver Effekt, je-
Schutzwirkung (u. a. Morris et al. 1973; Paffen- doch keine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung.
barger et al. 1986; Leon et al. 1987; Paffenbar- Eine minimale Reizschwelle bzw. Belas-
ger und Olsen 1996). In Ermangelung moder- tungsintensität sollte jedoch überschritten
ner sensorgestützter Aktivitätstracker basierten werden (. Abb. 11.4b). Morris et al. empfahlen
diese historischen Datenerhebungen auf syste- schon 1973 ein metabolisches Äquivalent von
matischen Befragungen zur Alltagsaktivität mindestens 4 (besser 6) (Moderate Vigorous
von über 15.000 (Paffenbarger et al. 1986) bzw. Sports, d. h. Jogging ist besser als Walking).
12.000 (Leon et al. 1987) männlichen Personen Gleichzeitig sollte die tägliche Zeitspanne sit-
im mittleren Lebensalter, aus denen im zweiten zender Tätigkeit möglichst reduziert werden
Schritt näherungsweise die freizeitkalorischen (Bouchard et al. 2015).
Umsätze berechnet wurden. Die Ergebnisse Selbstverständlich sind diese Angaben nur
können wie folgt zusammengefasst werden: als grobe Richtwerte zu verstehen. Erstens wird
Ein erhöhter freizeitkalorischer Umsatz geht der erhebliche Einflussfaktor des Körperge-
mit einer Schutzwirkung gegenüber der korona- wichts auf den Energieumsatz vernachlässigt
ren Herzkrankheit und anderen Erkrankungen (die Angaben gelten für erwachsene Männer,
554 A. Ferrauti und L. Hottenrott

a 80 der Bevölkerung nicht adäquat und erwar-


total tungsgemäß auf definierte Trainingsreize ad-
(pro 10.000 Lebensjahre)

60 aptiert.
nonfatal Trotz der erwähnten methodischen Vor-
40
behalte herrscht unter Experten aufgrund
20
fatal der überwältigenden Fülle an epidemiologi-
schen Befunden Konsens, dass regelmäßige
0 körperliche Aktivität präventiv wirksam ist
<500 500 1000 2000 3000 >4000
–999 –1999 –2999 –3999 im Hinblick auf verschiedene chronische Er-
b
(kcal/Woche) krankungen wie die koronare Herzkrank-
7 Vigorous Sports heit, zerebrovaskuläre Erkrankungen, arte-
5,9 5,9
(pro 1000 Lebensjahre)

6 (> 7,5 kcal/min) rielle Hypertonie, Altersdiabetes, vereinzelte


5 - Jogging
4,5
4,1 4,2 - Tennis Krebserkrankungen (z. B. Kolonkarzinom)
4 - Fußball sowie auch Osteoporose und psychologische
3
2,1 Non Vigorous Erkrankungen (Reimers 2003).
2 (< 7,5 kcal/min)
1 - Tanzen Training und Leistung können den Alte-
0
- Tischtennis rungsprozess allerdings nicht stoppen, wie
- Golf
1–3-mal 4–7-mal >8-mal Analysen zur Entwicklung der Weltbestleis-
(pro Monat)
tungen von Masterathleten vermitteln (Laza-
..      Abb. 11.4 a Historische epidemiologische rus und Harridge 2018). In dieser Selektion
Befunde zum Einfluss von freizeitkalorischem Umsatz hochaktiver älterer Menschen kann die gleiche
und b zum Einfluss von Art und Anstrengungsgrad der altersbedingte Verlaufskurve zum Leistungs-
körperlichen Aktivität auf das Herzinfarktrisiko verlust festgestellt werden, allerdings verläuft
insgesamt (total) bzw. mit (fatal) oder ohne tödlichem
Ausgang (nonfatal; a: modifiziert nach Paffenbarger
die Kurve auf höherem Niveau. Alterssportler
und Masterathleten leben somit nicht zwin-
11 und Olsen 1996; b: modifiziert nach Morris et al. 1973)
gend länger, sondern möglicherweise nur auf
für Frauen liegen die Richtwerte ca. 20–25 % qualitativ höheren Niveau. Das Ziel kann folg-
niedriger). Zweitens schwanken die Angaben lich nicht in der Lebensverlängerung liegen,
zum optimalen freizeitkalorischen Energiever- sondern in der Verlängerung eines krankheits-
brauch zwischen verschiedenen Autoren er- freien und selbstbestimmten Lebensabend,
heblich (Reimers 2003). Drittens handelt es was durch den Slogan „LifeFit“ (Paffenbarger
sich bei den zugrunde liegenden Studien um und Olsen 1996) und den Begriff der Health-
unkontrollierte Beobachtungsstudien unter span (Lazarus und Harridge 2018) zum Aus-
Benutzung von Messinstrumentarien geringer druck kommt. Die Autoren vertreten darüber
Trennschärfe. Und schließlich vernachlässigen hinaus die Theorie eines individuellen, sehr
großangelegte prospektive epidemiologische unterschiedlichen Aktivitätssollwerts, der auch
Studien zum Teil andere Risikofaktoren und auf mittlerem Niveau liegen kann, ohne den
die genetisch bedingt individuell sehr spezifi- Verlauf der Langlebigkeit nennenswert zu be-
schen Entwicklungsverläufe während des Alte- einflussen. Allerdings sollten die individuellen
rungsprozesses. Folglich gelten plakative Emp- Mindestanforderungen an körperliche Aktivi-
fehlungen zur körperlichen Aktivität tät nicht unterschritten werden. Die darge-
keinesfalls für jedes Individuum, und der pro- stellte Sichtweise ist insofern bedeutsam, als
gnostizierte gesundheitsfördernde Effekt muss dass sie die gängige „Fitnesseuphorie“ etwas
sich nicht zwingend in allen Fällen einstellen. relativiert, andererseits bleibt die Frage unbe-
So zeigte Bouchard (2012) im Rahmen der antwortet, wie jeder Einzelne seinen individu-
„Canadian Heritage Study“, dass ein Fünftel ellen Sollwert erkennen kann.
Training im mittleren und höheren Lebensalter
555 11
11.4 Training und Übergewicht Fettmasse als auch die fettfreie Muskelmasse so-
wie den Ruheumsatz. Kalorische Restriktion
Inwieweit körperliche Aktivität der Zielsetzung hat sich in zahlreichen Tierversuchen als ein
Übergewicht zu vermeiden bzw. entgegenzu- wirksamer Eingriff in den Prozess des Alterns
wirken gerecht werden kann und in welchem bewährt (Behl und Ziegler 2016), da insbeson-
Maße genetische Aspekte oder die Ernährung dere die molekulare Signaltransduktion in ihrer
eine Rolle bei der Entstehung von Übergewicht Sensitivität und Effizienz (z. B. Insulinsensitivi-
besitzen, wird umfassend von Bouchard und tät) verbessert wird. Insgesamt ist jedoch tem-
Katzmaryk (2010) beschrieben. porär ein Verlust an körperlicher Leistungsfä-
Adipositas muss speziell im mittleren und higkeit (u. a. durch Glykogenverarmung und
höheren Lebensalter als chronische Volkskrank- negative Proteinbilanz) zu erwarten.
heit mit länder- und kontinentübergreifender Eine isokalorische Steigerung von körper-
Ausbreitung (Pandemie) ernst genommen wer- licher Aktivität und Nahrungszufuhr verur-
den (James 2010), ist assoziiert mit zahlreichen sacht einen Anstieg von fettfreier Masse und
Sekundärerkrankungen (Herz-Kreislauf- und Ruheumsatz bei gleichzeitigem Verlust an
Stoffwechselerkrankungen, u. a. Krebs) und geht Fettmasse (. Abb. 11.5). Hand und Blair
mit enormen Kosten für das Gesundheitssystem (2014) heben die Bedeutung einer hohen
einher (Katzmaryk 2010). Zur Prävention und Energieflussrate (Energy Flux) hervor. Dem-
Therapie sind prinzipiell zwei grundlegende nach ist eine ausgeglichene Energiebilanz mit
Maßnahmen isoliert oder in Kombination mit- hoher Umsatzrate einer solchen mit geringer
einander möglich (Energiebilanz-Prinzip): Umsatzrate vorzuziehen. Als wichtige Begleit-
55 hypokalorische Diät durch Nahrungsrest- effekte sind trainingsbedingte Anpassungen
riktion von Herz-­Kreislauf-­System, Fett- und Kohlen-
55 hyperkalorischer Energieumsatz durch hydratstoffwechsel und Skelettmuskulatur zu
körperliche Aktivität erwarten, wodurch auch der kalorische Ruhe-
umsatz steigt. Aktuelle Veröffentlichungen
Verschiedene Autoren weisen der weltweit un- weisen zusätzlich darauf hin, dass körperliches
zureichenden körperlichen Aktivität die Pri- Training auch die Zusammensetzung des Fett-
märursache zu: gewebes positiv beeinflussen kann, indem spe-
ziell im viszeralen Bereich eine Transdifferen-
»» „Increasing energy expenditure therefore zierung vom weißen ins adipositasresistentere
is the key. Without such activity, attempts braune Fettgewebe (Browning) erfolgt (Cinti
at reducing caloric intake are unlikely to 2016; Aldiss et al. 2018).
be effective.“ Shook et al. (2014) Nicht ganz eindeutig sind die Effekte einer
Andere Autoren reklamieren den Anstieg von kombinierten Anwendung. Auch hier ist ein
Kalorienzufuhr und veränderter Nährstoffdichte: Verlust von Fettmasse (ggf. in höherem Um-
fang), aber auch von Muskelmasse (ggf. in ge-
»» „As physical activity expenditure has not ringerem Ausmaß) trotz eines begleitenden
declined over the same period that
Trainings vermutlich unvermeidlich (Heyms-
obesity rates have increased dramatically
field 2010), sodass auch hier eine Reduktion
it is unlikely that decreased expenditure
des Ruheumsatzes zu erwarten ist. Während
has fuelled the obesity epidemic.“
die Ausdauerleistung (speziell die körperge-
Westerterp und Speakman (2008)
wichtsabhängige Leistung) steigen wird, ist
Die isolierten Effekte beider Maßnahmen sind eine geringfügige Reduktion der Kraft-/
vergleichsweise leicht zu erklären (. Abb. 11.5). Schnelligkeitsleistung so lange wahrscheinlich,
Eine hypokalorische Diät ohne zusätzliche kör- bis nach erfolgter Gewichtsabnahme die Ener-
perliche Aktivitätssteigerung verursacht eine giebilanz wieder ausgeglichen wird. Besteht
negative Energiebilanz und senkt sowohl die das Ziel in einer Gewichtsabnahme, dann ist
556 A. Ferrauti und L. Hottenrott

hypokalorische Diät ohne Training isokalorische Diät mit Training


Energiebilanz = neutral
Energiebilanz = negativ fettfreie Körpermasse ↑
fettfreie Körpermasse ↓ Fettmasse ↓
Fettmasse ↓ Ruheumsatz ↑
Ruheumsatz ↓ ----------------------------------
---------------------------------- molekulare Signaltransduktion ↑
molekulare Signaltransduktion ↑ Kohlenhydrat-/Fettstoffwechsel ↑
Leistungsfähigkeit ↓ Browning (von WAT zu BAT) ↑
Ausdauerleistung ↑
Kraft-/Schnelligkeitsleistung ↑

hypokalorische Diät mit Training


Energiebilanz = negativ
fettfreie Körpermasse (↓)
Fettmasse ↓
Ruheumsatz (↓)
----------------------------------
molekulare Signaltransduktion ↑
Kohlenhydrat-/Fettstoffwechsel ↑
Browning (von WAT zu BAT) ↑
Ausdauerleistung ↑
Kraft-/Schnelligkeitsleistung ↔

..      Abb. 11.5 Die Effekte von hypokalorischer Diät Körperkomposition, Metabolismus und Leistung
11 (links) und körperlicher Aktivitätssteigerung (rechts) sowie die hypothetischen Effekte bei kombinierter
auf allgemeine (oberhalb der gestrichelten Linie) und Anwendung (unten; modifiziert nach Heymsfield
speziellere Aspekte (unterhalb der Linie) von 2010, S. 243)

demnach eine kombinierte Anwendung von


(leicht) hypokalorischer Diät und körperlicher
Aktivität gegenüber einer isolierten Diät ein-
deutig vorzuziehen. Leider wird die öffentliche
Aufmerksamkeit (auch bedingt durch die
Nahrungsmittelindustrie) jedoch viel zu ein-
seitig und frühzeitig schon im Vorschul- und
Schulkindalter einzig auf Ernährungsaspekte
gerichtet (. Abb. 11.6).

11.5 Körperfunktionen, Leistung


und Trainierbarkeit im
Altersgang ..      Abb. 11.6 Das „gesunde Frühstück“. Mehrmals in
der Woche werden in Kitas und Grundschulen Obst-
und Gemüsetage eingelegt. Dem wäre überhaupt
Wichtige Körperfunktionen unterliegen im Al- nichts entgegenzusetzen, wenn zusätzlich fünfmal pro
tersgang leistungsmindernden Veränderun- Woche eine abwechslungsreiche und auch belastende
gen. In diesem Zusammenhang sind im Zen­ „aktive Stunde“ organisiert würde
Training im mittleren und höheren Lebensalter
557 11
Beispiel: Germany’s next Topmodel (GNTM) macht keinen Spaß

Der Ruheumsatz (RU) eines erwachsenen jungen großen Portion Pasta mit Tomatensauce als
Mannes mit normalem Anteil an Körperfett und Mittagsmahlzeit. GNTM muss derweil hungern …
Skelettmuskulatur beträgt ca. 1 kcal/kg Körperge- GNTM
wicht/h und liegt bei Frauen darunter. Er verringert 55 60 kg Körpergewicht, 180 cm, BMI 18,5
sich mit zunehmendem Alter und abnehmender 55 Ruheumsatz 0,8 kcal/kg/h
Leistungsfähigkeit und wird vor allem durch den 55 Ruheumsatz 1150 kcal/Tag
Anteil an Skelettmuskelmasse bestimmt (McMur- 55 Freizeitumsatz 200 kcal/Tag
ray et al. 2014). Die folgende Modellrechnung legt 55 PEOC 50 kcal/Tag
bei einer jungen Frau die Grenzen der 95 %-Konfi- 55 Gesamtumsatz 1400 kcal/Tag
denzintervalle zugrunde. Demnach ergibt sich ein
RU, der bei athletischer Statur um 0,9 und bei Athletin
geringer Muskelmasse (GNTM) nur um 0,8 kcal/kg 55 60 kg Körpergewicht, 165 cm, BMI 22,1
Körpergewicht/h liegt. Die Athletin erreicht durch 55 Ruheumsatz 0,9 kcal/kg/h
den erhöhten Ruheumsatz, das intensivere und 55 Ruheumsatz 1300 kcal/Tag
längere Training (hier: 1 h bei 8 MET) und den 55 Freizeitumsatz 500 kcal/Tag
Nachbrenneffekt (Excess Postexercise Oxygen 55 PEOC 150 kcal/Tag
Consumtion, EPOC) einen um 550 kcal höheren 55 Gesamtumsatz 1950 kcal/Tag (+ 550 kcal)
Tagesumsatz. Dies entspricht beispielsweise einer

tralnervensystem strukturelle und funktionelle kommodationsfähigkeit), Hörleistung (Schal­


Einbußen der Gehirnfunktion, der kognitiven leitung im Außen- und Mittelohr sowie Schall-
Leistung und hier speziell der Sensorik zu nen- empfindung im Innenohr durch Verlust von
nen (Godde et al. 2018a, b; Olk et al. 2018a). Haarsinneszellen) und Tastsinn (Verlust an
Auch komplexe Persönlichkeitsmerkmale un- Hautrezeptoren und schlechtere Reizweiterlei-
terliegen altersbedingten Veränderungen (Olk tung). Auch übergeordnete kognitive Leistun-
et al. 2018b). In der Körperperipherie umfas- gen nehmen im Alter ab, speziell das Aufmerk-
sen die Veränderungen den Verlust an aktiver samkeitsvermögen (Abnahme der
Muskelmasse (Sarkopenie) und insbesondere zielgerichteten selektiven Aufmerksamkeit)
schnellen Muskelfasern, aber auch an neu­ und die Gedächtnisleistung. Die kognitive Leis-
romuskulären und tendinosen Strukturen tung nimmt speziell dann ab, wenn eine hohe
(Bohm et al. 2018). Kontraktilität und Elastizi- Informationsdichte wahrgenommen und ver-
tät des Herzmuskels sowie der Blutgefäße neh- arbeitet werden muss. In der Summe geht dies
men ab, sodass erhebliche Einbußen (ca. 10 % in kognitiv anspruchsvollen Sportarten
pro Lebensdekade jenseits des 30. Lebensjah- (z. B. Sportspiele, Ziel-Schuss-Sportarten, aber
res) der Kraft-, Schnelligkeits- und Ausdauer- auch Skifahren) mit nennenswerten Leistungs-
leistung unvermeidlich sind (Steineck und einbußen einher. Kompensationen durch Seh-
Weisser 2018). hilfen oder Hörgeräte sind möglich, aber auch
diese mechanische Zusatzausstattung ist für
Sportlerinnen und Sportler hinderlich.
11.5.1  ognitive und koordinative
K Auch das Gehirn unterliegt strukturellen
Veränderungen und funktionellen Alterungsvorgängen
(Godde et al. 2018b). Es kommt zu einer Ver-
Im Bereich der Sensorik (Godde et al. 2018a) ringerung der grauen (Nervenzellen und Den-
sinken Sehleistung (z. B. Altersweitsichtigkeit driten) und weißen Substanz (Nervenfasern).
durch Versteifung der Linsen, Schwächung der Speziell der Rückgang der Dendriten und Spi-
Augenmuskeln und dadurch reduzierte Ak- nes senkt die synaptisch übertragene Informa-
558 A. Ferrauti und L. Hottenrott

tion und dadurch die Funktionalität des Ge- tigkeit (eher ansteigend), Emotionalität (eher
hirns. In den Nervenfasern ist eine Abnahme gleichbleibend) und subjektives Wohlbefinden
der Myelinisierung der Axone zu beobachten, (in höheren Bildungsschichten eher gleich-
was mit einer Verlangsamung sensorischer, ko- bleibend) verlaufen sehr individuell. Eine be-
gnitiver und motorischer Prozesse einhergeht. sondere Bedeutung kommt der stetigen An-
Im Alter vermindern sich auch Produktion passung realistischer Lebensziele für den
und Sensitivität von Neurotransmittern und Erhalt der Lebenszufriedenheit zu (Olk et al.
deren Rezeptoren (speziell dem Dopamin wird 2018b). Hier kann jede Form des sportlichen
eine Schlüsselrolle zugeschrieben) sowie Engagements hilfreich sein. Eine neue Sport-
Durchblutung und Kapillarisierung und dem- art erlernen, wie Golf oder Yoga, an einem
zufolge die Sauerstoffverfügbarkeit im Gehirn. Volkslauf gemeinsam mit der Familie teilneh-
Trotz der genannten Einschränkungen bleibt men oder den Jakobsweg pilgern sind nur ei-
eine Plastizität des Gehirns (Reorganisation nige Beispiele attraktiver Zielsetzungen im
und Differenzierung) auch im Alter erhalten, sportlichen Kontext die, finanzielle und ge-
wenn vielfältige Reize zu verarbeiten sind. Be- sundheitliche Ressourcen vorausgesetzt, hel-
zogen auf das Beanspruchungsprofil gängiger fen, eine hohe Lebenszufriedenheit zu erhal-
Freizeitsportarten könnte dies bedeuten, dass ten. Selbstverständlich können attraktive
neben dem reinen Kraft- und Ausdauertrai- Zielsetzungen auch kultureller oder spirituel-
ning auch koordinativ anspruchsvollere Trai- ler Art sein und somit jenseits aller sportli-
ningsreize gesetzt werden sollten. chen Aktivitäten liegen. Folglich wird eine zu
Zur Veränderung komplexer Persönlich- einseitige „Bewegungs- und Fitnesspropa-
keitsmerkmale im Altersgang liegen divergente ganda“ vereinzelt kritisiert (Exkurs: Pro und
Befunde vor (Olk et al. 2018b). Gewissenhaf- Kontra).

11 Exkurs: Pro und Kontra einer trainingsorientierten Konzeption des Alterssports aus philosophischer Sicht

Kontra: Die nachgewiesene Trainierbarkeit und der Pro: Die Fülle an gesundheitsfördernden
Erhalt der Gesundheit werden in einem unzulässi- physischen und psychischen Potentialen von
gen Schluss „vom Sein aufs Sollen“ als eine leitende Sport, Bewegung und Training in unserer
Zielsetzung für alternde Menschen definiert Gesellschaft muss sehr ernst genommen
(Kolb 1998). „Nicht Altern“ ist jedoch nicht werden. Ein über Jahre entwickeltes positiv-­
gleichzusetzen mit „erfolgreichem Altern“, und die realistisches Bild des eigenen Körpers fördert
körperliche Leistungsfähigkeit korreliert nicht körperliche Aktivität und wirkt immunisierend
unbedingt mit hoher Lebensqualität und gegenüber Krisenereignissen (Thiel et al. 2018).
individuellem Wohlbefinden. Wenn die Trainings- Das entwickelte Vertrauen in die Steuerbarkeit
wissenschaft dies jedoch als Leitbild propagiert, körperlicher Entwicklungen und die Messbarkeit
sind normative Nebeneffekte und die Entstehung leistungsbezogener Trainingseffekte liefern
einer „Konkurrenz um Rüstigkeit“ unvermeidbar alltäglichen Optimismus, der sich auch in
(Gronemeyer 1987). Denn all jene, die dem anderen Lebenslagen auszahlt (Thiel et al. 2018).
vorgegebenen Bild eines fitten Alten nicht gerecht Menschen mit einem negativen Körperbild
werden können oder wollen, werden ausgegrenzt laufen im Alter hingegen Gefahr, sich in einen
und negativ stigmatisiert. Die Gefahr besteht, dass Teufelskreis zwischen ungesunder Lebensweise
ältere Menschen in der öffentlichen Wahrnehmung und zunehmend negativem Körperbild zu
aufgeteilt werden in jene, die durch eigene begeben, der allenfalls noch selbstironisch
Anstrengung positiv altern und solche, die durch kompensiert werden kann.
mangelhafte Aktivitäten selbstverschuldet negativ
altern (Kolb 1998).
Training im mittleren und höheren Lebensalter
559 11
11.5.2 Kardiorespiratorische und gleichem Umfang sind periphere Veränderun-
neuromuskuläre gen im Altersgang verantwortlich. So sinkt bei-
Veränderungen spielsweise bei körperlich nicht aktiven Men-
schen die Muskelmasse vom 25. bis 80. Lebens-
Die maximale Sauerstoffaufnahme (V̇O2max) jahr um ca. 40–50 %. Dieses als Sarkopenie bzw.
sinkt pro Lebensdekade jenseits des 30. Lebens- Dynapenie bezeichnete Altersphänomen tritt
jahres um ca. 10 %. Ursächlich wirken alle für speziell ab dem 75. Lebensjahr gehäuft auf
die V̇O2max relevanten Körperfunktionen. Die (Cruz-Jentoft et al. 2010; Narici und Maffulli
maximale Herzfrequenz und das Herzschlagvo- 2010).
lumen sinken im Altersgang kontinuierlich, so- Der Rückgang der Knieextensionskraft be-
dass auch das Herzminutenvolumen entspre- läuft sich ab dem 40. Lebensjahr ebenfalls auf
chend abfällt (Steineck und Weisser 2018). Dies ca. 8–10 % pro Lebensdekade und betrifft
wird primär auf eine reduzierte Kontraktilität Männer und Frauen in gleichem Maße
und Elastizität des Herzmuskels zurückgeführt. (Granacher et al. 2008). Betroffen sind insbe-
Auch die Elastizität der Gefäße ist rückläufig sondere die dynamische Maximalkraft und die
(Arteriosklerose), was mit erhöhtem systoli- Verkürzungsgeschwindigkeit, während die iso-
schen Blutdruck und größerer Blutdruckampli- metrische Maximalkraft geringer abfällt. Ge-
tude (Differenz zwischen systolischem und rade die dynamische Maximalkraft ist jedoch
diastolischem Blutdruck) einhergeht. Die ge-
­ für alltägliche Bewegungen (z. B. Treppenstei-
nannten (zentralen) kardiozirkulatorischen Ver- gen) und die Verkürzungsgeschwindigkeit zur
änderungen erklären den Abfall der V̇O2max je- Sturzprophylaxe sehr bedeutsam (. Tab. 11.1;
doch nur zur Hälfte (Strait und Lakatta 2012). In Bohm et al. 2018). Insgesamt sind zahlreiche

..      Tab. 11.1 Neuromuskuläre und tendinose Veränderungen im Kontext des Kraftverlusts im Alter
(↑ Zunahme, ↓ Abnahme, ? unklar; mod. nach Bohm et al. 2018, S. 315)

zentralnervöse Aktivierung willkürliche maximale Aktivierung (↓?)


Muskel-Co-Aktivierung (↑?)
Aktivierung bei submax. Kontraktionen (↓)

spinale Motoneurone Anzahl (↓)


Reinnervationspotential (↓)
Entladungsfrequenz (↓)

Muskelmorphologie anatomischer Querschnitt (↓)


Volumen (↓)
Fett- und Bindegewebseinlagerungen (↑)
Satellitenzellenzahl und -aktivität (↓)

Muskelarchitektur Faserlänge (↓)


Fiederungswinkel (↓)
physiologischer Querschnitt (↓)

Muskelfasern Faserquerschnitt (v. a. Typ II) (↓)


Faserzahl (↓)
Deinnervation (↑)
myofibrilläre Proteinbiosythese (↓)

Sarkomere Myosinkonzentration (↓)


Erregungs-Kontraktions-Koppelung (↓)
Querbrückenbindungen (↓)

Sehne Steifigkeit (↓)


560 A. Ferrauti und L. Hottenrott

neuromuskuläre (u. a. Rekrutierung und Fre- tativen Querschnitt eignet sich gut, um den
quenzierung motorischer Einheiten) und mor- altersbedingten Leistungsverlust abzubilden,
phologisch-tendomuskuläre Prozesse (u. a. da von einer hohen Leistungsmotivation und
Reduktion der Sehnensteifigkeit) an den Kraft- einem vo­ rausgegangenen leistungsorientier-
verlusten im Alter beteiligt. Von den originär ten Training ausgegangen werden kann. Von
muskulären Veränderungen sind Abnahmen mehreren Autoren liegen aktuelle Analysen
des Faserquerschnitts (spez. der Typ-II-Fa- für die leichtathletischen Disziplinen vor, da
sern), der Faserzahl und der Muskelarchitektur diese einen hohen Standardisierungsgrad auf-
sowie der Anzahl und Aktivität von Satelliten- weisen ­(Conzelmann 2018; Röcker 2018; Neu-
zellen hervorzuheben (. Tab. 11.1). Bis zum mann et al. 2019). Demnach fällt die Leistung
Ende der siebten Lebensdekade nehmen pri- im Altersgang zunächst über weite Strecken
mär die Typ-II-Fasern ab, erst danach erfolgt linear und erst ab der 6. und insbesondere 7.
auch ein Verlust an langsam zuckenden Fasern Lebensdekade parabolisch ab. Bei leistungs-
(Narici und Maffulli 2010). Dies wiederum ist orientierten Freizeitsportlern (München Ma-
einerseits auf eine neuronale Denervation und rathon) und speziell bei Frauen erfolgt dieser
den Verlust spinaler Motoneurone schneller deutlichere Leistungsrückgang bereits ab dem
motorischer Einheiten und andererseits auf 55. Lebensjahr (Neumann et al. 2019). Ein-
eine Reduktion der myofibrillären Proteinbio- heitlich sinkt die Leistung in den Sprungdis-
synthese zurückzuführen (Bohm et al. 2018). ziplinen prozentual bereits früher und stärker
ab (. Abb. 11.7). Mit hoher Wahrscheinlich-
keit ist dies auf die im Vergleich zum Lauf hö-
11.5.3 Wettkampfleistungen und heren mechanischen Belastungen des passiven
Masterathleten Bewegungsapparates in den schnellkraftdeter-
minierten Sprungdisziplinen und die damit
Wettkampfsport wird zunehmend auch von einhergehende Verletzungsgefahr zurückzu-
11 Personen im mittleren und höheren Lebens- führen. Nicht ganz plausibel ist jedoch der
alter betrieben. Die Analyse der Wettkampf- Befund, dass dies nicht auch die Leistung im
leistungen (Weltbestleistungen) im repräsen- 100 m-Sprint betrifft (Neumann et al. 2019).

Entwicklung der Weltbestleistungen im Altersverlauf


100
90
80
70
60
(%)

Männer Frauen
50
40
30
100-m-Lauf Weitsprung Marathon

WR 40–44 50–54 60–64 70–74 80–84 WR 40–44 50–54 60–64 70–74


Männer Frauen

..      Abb. 11.7 Entwicklung der Weltbestleistungen im sind die prozentualen Leistungsverluste gegenüber
Altersverlauf (Mittelwert der zehn besten Leistungen) dem Weltrekord im Aktivenalter (mod. nach
von Männern (links) und Frauen (rechts). Dargestellt Conzelmann 2018, S. 445)
Training im mittleren und höheren Lebensalter
561 11
Ein grundsätzlicher Rückschluss von der Wettkampfsportliche Aktivitäten werden
altersbedingten Leistungsentwicklung ver- heute in vielen Sportarten von Athleten im
schiedener Sportarten auf deren Eignung für mittleren und höheren Lebensalter betrieben,
das mittlere und höhere Lebensalter ist jedoch die ab dem 35. Lebensalter als Masterathleten
problematisch. Aufgrund der unterschiedli- bezeichnet werden. Sie weisen keinesfalls ein-
chen und abfallenden Stichprobengröße in den heitliche sportliche Laufbahnen auf. So finden
Altersklassen sind Stichprobeneffekte durch sich in der Leichtathletik sowohl ehemalige
genetisch herausragend prädisponierte Einzel- Leistungssportler (speziell in den Wurfdiszi-
athleten sehr wahrscheinlich. Viel mehr als die plinen) als auch zunehmend Personen, die erst
Bestleistungen erscheint die Anzahl der Akti- als „Späteinsteiger“ mit systematischem Trai-
ven in den unterschiedlichen Disziplinen ein ning und regelmäßiger Wettkampfteilnahme
geeigneter Indikator für die Wahl der Sportart begonnen haben. Letzteres betrifft insbeson-
im Alter zu sein. Diesbezüglich überrascht es dere die ausdauerorientierten Laufdisziplinen
nicht, dass speziell in den etwas weniger belas- und dort speziell den Halbmarathon und Ma-
tenden Ausdauersportarten wesentlich mehr rathon (. Abb. 11.8). Die vergleichsweise ge-
Alterssportler aktiv sind, wie die Ergebnislisten ringen technisch-­ koordinativen Anforderun-
und Finisherzahlen großer Volksläufe belegen gen und die gute Trainierbarkeit der
(Conzelmann 2018). Ausdauerleistung im Alter (im Vergleich auch

a b

..      Abb. 11.8 a Reinhard Dahms von der LD schon bald eine besondere Leidenschaft und besaß
Alsternord Hamburg (80 Jahre) ist Mehrkämpfer und zudem ein herausragendes Talent für den Laufsport.
wirft Diskus und Speer immer noch über 35 m und Seine Bestleistung im Marathon erzielte er im Alter von
weiter. Auch seine Leistungen im Kugelstoßen und in 55 Jahren mit 2:47 h. Aktuell wurde er in der Alters-
anderen Disziplinen würden ausreichen, um den klasse M80 NRW-Meister im Halbmarathon mit einer
Eignungstest für ein Sportstudium zu bestehen (Foto: Laufzeit von 2:08 h. Neben dem Laufen betreibt er
Dr. Alex Rotas). b Willi Sontowski vom BTC-Herne (82 täglich zu Hause intensives Krafttraining und
Jahre, rechts) kam erst im Alter von über 40 Jahren zum Gymnastik. Zurzeit beträgt sein Laufpensum wöchent-
Laufsport. Damals noch übergewichtig, entwickelte er lich ca. viermal 15 km mit leichten Berganstiegen
562 A. Ferrauti und L. Hottenrott

zur Schnelligkeitsleistung) sowie das breitgefä- Späteinsteiger mit hohen Wettkampfambiti-


cherte Angebot an Lauftreffs und Volksläufen onen finden sich jedoch nicht nur in den klassi-
sind ursächlich hierfür (Conzelmann 2018). schen Ausdauerdisziplinen, sondern auch in all
Auch die Sportart Triathlon boomt in den Se- jenen Sportarten, in denen ein attraktives Alters-
niorenklassen, wobei hier speziell die früheren klassensystem mit regelmäßigen Wettkämpfen
Wettkampfschwimmer mühelos den Einstieg angeboten wird und wo das Belastungsprofil den
finden, während das technisch anspruchsvolle zunehmend eingeschränkten orthopädischen
Schwimmen für ehemalige Radsportler meist Voraussetzungen gerecht wird. Dies ist unter an-
ein unüberwindbares Hindernis darstellt. derem auch im Golf und im Tennis der Fall.

Exkurs: Seniors Tour der International Tennis Federation (ITF)

In den Altersklassen M und F40, 45, 50, 55, 60, 65, rung bereisen zunehmend viele Seniorentennis-
70, 75, 80 und 85 treffen weltweit regelmäßig spieler (die sich dies zeitlich und finanziell
Masterathleten aufeinander. Die Teilnehmer erlauben können) die Welt und können ihre
rekrutieren sich aus ehemaligen „Turnierspielern Turnierreise aus dem Angebot eines reichhaltigen
der zweiten Reihe“ (seltener auch ehemalige Turnierkalenders planen. Die Abbildung zeigt
Weltklassespieler) sowie aus hoch engagierten einen Ausschnitt aus dem ITF-Senior-­
Späteinsteigern. Wegen der attraktiven Mischung Turnierkalender mit parallel stattfindenden
aus sportlichem Wettkampf gepaart mit internatio- Turnieren während einer zufällig ausgewählten
nalen Sozialkontakten und touristischer Bereiche- Woche im März.

11
Training im mittleren und höheren Lebensalter
563 11
11.5.4  rainierbarkeit von Kraft
T
und Ausdauer Gerät mit hoher Anspannungsdauer
(time under tension) und geringer
Alle Organsysteme weisen auch noch im Al- Belastungsintensität, aber hoher
ter eine beachtliche Plastizität auf. Aufgrund Trainingsdichte (geringe Pausendauer)
der abfallenden Leistungsfähigkeit sinkt auch absolviert werden soll. Definitionsgemäß
die untere Reizschwelle für das Auslösen von grenzt sich dieses Einsatztraining vom
positiven Anpassungen, so dass eine nennens- hochintensiven Einsatztraining ab, bei
werte Trainingswirksamkeit erhalten bleibt dem bis zum absoluten Muskelversagen
(. Abb. 2.18). Dies betrifft sowohl die Kraft- trainiert wird (Gießing et al. 2005).
als auch die Ausdauerleistung. Ungeachtet der Tatsache, dass die
Krafttraining im Alter ermöglicht eine Effekte eines Mehrsatztrainings bei
Verbesserung der neuromuskulären Aktivie- Aktiven im Hochleistungsalter stärker
rung auf verschiedenen Ebenen (Steigerung ausfallen, bietet das Einsatztraining bei
des willkürlichen Aktivierungsniveaus der älteren Trainierenden eine gute Alterna-
Agonisten beispielsweise durch supraspinal tive, da dieses mit einer geringeren
erhöhten Erregungsfluss, Reinnervation orthopädischen Belastung und zusätz-
dener­vierter Muskelfasern und/oder Reduk- lich auch mit einer Stimulation des
tion antagonistischer Co-Kontraktionen; Herz-Kreislaufsystems einhergeht.
Häkkinen et al. 2000). Aber auch eine nen-
nenswerte Vergrößerung des anatomischen
Muskelquerschnitts wird beschrieben (Ferri Ausdauertraining induziert im mittleren und
et al. 2003). Demgegenüber scheint der trai- höheren Lebensalter prinzipiell die gleichen
ningsbedingte Einfluss auf die Muskelarchi- Veränderungen wie bei jüngeren Erwachsenen
tektur (z. B. Remodellierung durch Anstieg (7 Abschn. 7.3). Einen Anstieg von V̇O2max,
des Fiederungswinkels) mehr Zeit in An- Herzminutenvolumen, Herzfrequenzvariabili-
spruch zu nehmen. tät, Kapillardichte, Mitochondrienvolumen,
Grundsätzlich sind die Anpassungseffekte Myoglobingehalt und Arterienelastizität be-
bei älteren Menschen geringer als im Hochleis- schreiben Selmer und Weisser (2018) bezug-
tungsalter, aber sowohl neuronale und muskel- nehmend auf verschiedene Originalarbeiten
morphologische Plastizität als auch funktionelle und Metaanalysen. Je nach A ­ usgangsniveau
Kraftzuwächse sind im Alter nachweisbar (Mers- kann die V̇O2max von gesunden Personen im
mann et al. 2018). Ein Krafttraining mit höheren mittleren und höheren Lebensalter nach vier
Intensitäten (bei ca. 80 % des 1 RM) bewirkt Monaten mit drei Trainingseinheiten pro Wo-
deutlichere Effekte im Vergleich zu moderatem che ausreichender Intensität (> 60 % V̇O2max)
Training (bei ca. 45 % des 1 RM). Dieser Unter- um ca. 20 % bzw. ca. 3–5 ml/min/kg ansteigen
schied kann jedoch durch ein höheres Trainings- (Cadore et al. 2014). Größere Verbesserungen
volumen bei moderater Last weitgehend kom- erfordern eine längere Trainingsdauer, aber
pensiert werden (Csapo und Alegre 2016). nicht zwingend eine höhere Belastungsintensi-
tät, es sei denn, ein Intervalltraining wird ab-
Praxistipp: Einsatztraining lohnt sich im solviert (Huang et al. 2005; Mendonca et al.
mittleren und höheren Lebensalter 2016).
Im Vergleich zu den rein physiologischen
Seit Beginn des Jahrtausends existieren Veränderungen der V̇̇O2max fallen die funk-
in den Fitnessstudios attraktive Ange- tionellen Leistungsanpassungen zuweilen
bote von Gerätezirkeln, an denen, durch noch deutlich stärker aus. So können sich
optische Signale unterstützt, ein Satz pro die Laufzeiten im Marathonlauf bei sportli-
chen Späteinsteigern im mittleren Lebensal-
564 A. Ferrauti und L. Hottenrott

ter erheblich verbessern und in Einzelfällen Ausdauertrainings (2 TE/Woche) und eines


innerhalb von wenigen Jahren um über 30 % kombinierten Kraft-/Ausdauertrainings (2
von 4:30 h bis unter die 3:00 h-Marke sin- TE Ausdauer und 2 TE Kraft/Woche) in drei
ken. Verantwortlich hierfür sind neben den Interventionsgruppen und einer Kontroll-
physiologischen Veränderungen vielmehr gruppe über einen Zeitraum von fünf Mona-
auch langfristige Anpassungen des passiven ten mit untrainierten Frauen und Männern
Bewegungsapparates und der neuromusku- zwischen 40 und 67 Jahren. Bemerkenswert
lären Steuerung, eine Optimierung von ist, dass in allen Trainingsgruppen gegenüber
Wettkampftaktik (z. B. Pacing) und Ernäh- der Kontrollgruppe ein signifikanter Leis-
rungsverhalten sowie eine Reduktion des tungszuwachs festgestellt werden konnte
Körpergewichts und in der Summe eine Ver- (teilweise sogar mit Transfereffekten von
besserung der Laufökonomie. Krafttraining auf die Ausdauerleistung und
Eine Kombination von Kraft- und Aus- umgekehrt). Auch ergaben sich erwartungs-
dauertraining würde den alltäglichen Bedürf- gemäß durch Krafttraining stärkere Effekte
nissen und den gesundheitssportlichen Ziel- auf die Maximalkraft und durch Ausdauer-
setzungen im Altersgang am besten gerecht, training stärkere Effekte auf die Entwicklung
sofern hierdurch beide konditionellen Fähig- der V̇O2peak (signifikante ANOVA-Interak-
keiten verbessert werden können bzw. sich tion zwischen Trainingsgruppe und Messzeit-
die Trainingseffekte nicht gegenseitig redu- punkt). Erwähnenswert ist, dass die Response
zieren (s. Diskussion um Concurrent-­ für Kraft- und Ausdauerverbesserungen in
Training in 7 Kap. 2, . Abb. 2.17). Eine inter- der kombinierten Trainingsgruppe gegen-
essante Studie hierzu absolvierten Karavirta über den isolierten Trainingsgruppen nicht
et al. (2011). Sie verglichen die Trainingswir- reduziert war (. Abb. 11.9). Allerdings er-
kung eines Krafttrainings (2 TE/Woche), reichte die individuelle Response in der kom-
11
Ausdauertraining Krafttraining Ausdauer- plus Krafttraining Kontrollgruppe
60 VO peak (∆%) 60
2
50 50
M 10 (6 to 15) % M -1 (-5 to 4) % M 9 (5 to 12) % M 0 (-6 to 5) %
40 P = 0.006 40
W 18 (12 to 24) % W 6 (0 to 12) % W 17 (12 to 21) % W 1 (-5 to 7) %
30 30
20 20
10 10
0
-10 -10
-20 -20

60 MVC (∆%) 60
50 M 9 (5 to 14) % M 15 (10 to 19) % M 20 (14 to 26) % M 6 (1 to 12) % 50
W 7 (0 to 14) % W 17 (10 to 24) % W 23 (14 to 26) % W 6 (1 to 12) %
40 40
30 30
20 20
10 10
0
-10 -10
-20 -20

..      Abb. 11.9 Individuelle prozentuale Veränderun- nicht trainierenden Kontrollgruppe für männliche
gen von Ausdauer (V̇O2peak) und Kraft (MVC) durch ein (blau Säulen) und weibliche Probanden
fünfmonatiges Ausdauer- oder Krafttraining sowie ein (rote Säulen; Karavirta et al. 2011)
kombiniertes Ausdauer-/Krafttraining im Vergleich zur
Training im mittleren und höheren Lebensalter
565 11
binierten Trainingsgruppe sowohl für die 11.5.5 Regenerationsbedarf im
V̇O2peak (von −8 % bis +42 %) als auch für die Altersgang
Maximalkraft (von −12 % bis +87 %) eine er-
hebliche Variation, und die jeweiligen Leis- Plausible Argumente sprechen für eine Zunahme
tungszuwächse bei Ausdauer und Kraft kor- des Regenerationsbedarfs im Altersgang
relierten nicht. Für die Sportpraxis bedeuten (. Abb. 11.10). Im Bereich der Skelettmuskulatur
diese Befunde: sind bei gleicher relativer Beanspruchung eine
55 Kraft- und Ausdauertraining bewirkt im stärkere Muskelschädigung (Muscle Damage)
mittleren Lebensalter bei Untrainierten im und/oder eine Verlangsamung der Reparaturvor-
Durchschnitt bei fast allen Personen eine gänge wahrscheinlich (Fell und Williams 2008).
beachtliche und spezifische Leistungsver- Methodologisch ist die Kausalanalyse zu diesem
besserung. Phänomen jedoch schwierig, da in den wenigsten
55 Eine Kombination von Kraft- und Fällen von einer identischen Leistung und einem
Ausdauertraining ist möglich, ohne dass vergleichbaren Trainingsumfang ausgegangen
sich die Trainingsresponse gegenseitig werden kann, wenn die Ermüdungs- und Erho-
reduziert. lungsvorgänge von jüngeren und älteren Perso-
nen verglichen werden.
!!Achtung! Altersunterschiede im Sinne einer vermehr-
Die individuelle Response auf Training ten Ermüdung werden hinsichtlich der Kreatin-
variiert erheblich. Folglich besteht für kinase- und Entzündungsreaktion sowie dem
den einzelnen Sportler keine Gewähr auf Auftreten von Muskelschmerz, begleitet von
einen nennenswerten Leistungszuwachs. stärkeren Kraft-, Kontraktilitäts- und Beweg-
Dieser Befund darf jedoch niemanden lichkeitsverlusten diskutiert (Fell und Williams
vom Training abhalten. Denn alleine der 2008). In Bezug auf Erholungs- und Reparatur-
erhöhte Stoffwechselumsatz (Energy vorgänge sind eine verminderte Glykogenresyn-
Flux) wird auch ohne Anpassungser- these und Glukose-4-­Transportaktivität möglich.
scheinungen gesundheitlich positive Speziell die Wiederherstellung der Schnellkraft
metabolische Auswirkungen besitzen scheint verzögert zu sein, und eine Abnahme
(Hand und Blair 2014). des „Muskelgedächtnisses“ (Muscle Memory Ef-

..      Abb. 11.10 Hypo- 110


thetische Response junger Sportler
von jüngeren und 105
älteren Athleten auf 100
Training. Die langsa-
Leistung (%)

mere Regeneration der 95


Älteren führt 90
zunehmend zu einem
Leistungsabfall (Fell 85 älterer Sportler
und Williams 2008) 80
75

0 12 24 36 48 60 72 84 96 108
Zeit (h)
566 A. Ferrauti und L. Hottenrott

fect) verringert eine dauerhafte Schutzwirkung Die Heterogenität der Sporttreibenden im


auf die Muskulatur. Ursächlich für viele Verän- mittleren und höheren Lebensalter verbietet es
derungen sind Aktivitätsminderungen der hy- jedoch, allgemeingültige Trainingsempfehlun-
pothalamus-hypophysär-gonadalen Achse, die gen zu formulieren. Aufgrund der enormen
mit einer Abnahme von Steroidproduktion und Alters- und Leistungsspanne sind folglich in
Testosteronrezeptor-­Sensitivität einhergehen diesem Kapitel keine generellen und allge-
(Stanworth und Jones 2008). meingültigen Hinweise möglich. Insbesondere
In der Summe scheint die funktionelle Leis- jüngere, gesunde und leistungsorientierte Per-
tung des alternden Muskels über eine längere sonen im mittleren Lebensalter können in der
Dauer reduziert zu sein als bei jungen Athleten. Regel ohne nennenswerte Einschränkungen
Neben metabolischen und neuromuskulären trainieren. Marathonweltrekordler Eliud Kip-
Faktoren spielen sicher auch akkumulierte Be- choge (KEN, Jahrgang 1984), NBA-Star Dirk
schwerden des passiven Bewegungsapparates Nowitzki (GER, Jahrgang 1978) und Tennis-­
eine bedeutsame Rolle. Folglich werden Anpas- Rekordchampion Roger Federer (SUI, Jahr-
sungsprozesse älterer Menschen auch deshalb gang 1981) sind bereits an der Schwelle zum
in der Praxis geringer ausfallen, da sowohl die mittleren Lebensalter und gehören noch der
Trainingsintensität als auch die Trainingsdichte absoluten internationalen Klasse in ihren
reduziert werden muss. Sportarten an. Inwieweit auch bereits bei die-
sen Athleten Trainingsumfänge und -intensi-
täten angepasst bzw. die Regenerationszeiten
11.6 Trainingsempfehlungen und verlängert werden müssen, ist ein interessan-
Trainingsbeispiele tes zukünftiges Forschungsfeld. Die folgenden
Ausführungen widmen sich jedoch weder die-
Die Vielzahl an funktionellen Verlusten verur- sen außergewöhnlichen Athleten noch den in
sacht im Altersgang eine Abnahme fast sämtli- 7 Abschn. 11.5 beschriebenen Masterathleten.
11 cher Leistungsfaktoren, wobei die Entwicklung Die Empfehlungen richten sich vielmehr an
von Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit gesunde und normal trainierte Personen im
und Technik bzw. Koordination unterschied- mittleren und höheren Lebensalter.
lichen Verläufen unterliegt. In der Ätiologie
werden neben den biologisch determinierten
Alterungsvorgängen (7 Abschn. 11.2) auch sozio- 11.6.1 Allgemeine Empfehlungen
logische und psychologische Aspekte wirksam.
Alterungsbedingte Funktionseinschränkungen Aus den beschriebenen soziologischen, biolo-
beginnen meist in einer Lebensphase, in der auf- gischen und epidemiologischen Befunden
grund familiärer und beruflicher Verpflichtungen (7 Abschn. 11.1, 11.2, und 11.3 sowie 7 Abschn.
das Zeitbudget für gesundheits-, freizeit- oder 11.5) können allgemeine Leitlinien und Emp-
leistungssportliche Aktivitäten stark begrenzt ist. fehlungen für ein gesundheitsorientiertes und
Zunehmende Beschwerden und Bewegungsein- funktionelles Training im mittleren und hö-
schränkungen im Sehnen- und Gelenksystem, heren Lebensalter abgeleitet werden.
aber auch die wachsende Unlust, sich intensiv zu
belasten, limitieren zudem Reizhöhe bzw. Reiz-
intensität im Training und schränken die ver- Beispiel: Allgemeine Empfehlungen
bleibenden sportlichen Aktivitäten erheblich ein.
Altersbedingte Funktionseinschränkungen, ge- 1. Trainieren Sie möglichst viele konditio-
ringes Zeitbudget und chronisch unterschwellige nelle und koordinative Faktoren.
Trainingsreize verstärken die biologisch beding- 2. Trainieren Sie das Herz-Kreislauf-Sys-
ten Leistungsverluste. Diesen Teufelskreis gilt es tem und die Ausdauerleistung.
aufzubrechen.
Training im mittleren und höheren Lebensalter
567 11

3. Kräftigen Sie die Körpermuskulatur (Heimprogramm), zusätzlich eventuell


und erhalten Sie eine funktionelle kombiniert mit Yogaübungen.
Beweglichkeit. 55 2 Mal pro Woche 45–60 min Fahrradfah-
4. Steigern Sie den freizeitkalorischen ren, Schwimmen oder Joggen, dabei
Energie- und Fettumsatz. auch mal außer Atem kommen (es kann
5. Entlasten Sie den passiven Bewe- auch der Weg zur Arbeitsstätte sein).
gungsapparat. 55 2 Mal pro Woche Krafttraining für
6. Trainieren Sie mit Freude, regelmäßig Unter- und Oberkörper im Fitnessstudio
und mit Gleichgesinnten. oder im Gelände (z. B. Liegestütz an
Parkbank o. Ä.), (eingebettet in einen
Jogginglauf oder Walking).
Im Idealfall richten sich die Trainingsreize an 55 1 Mal pro Woche Badminton, Volleyball,
sämtliche grundlegenden konditionellen und Tennis oder eine Runde Golf (min. 9-Loch).
koordinativen Leistungsfaktoren. Leider be- 55 Funktionelle Alltagsübungen wie
steht jedoch die Gefahr einer unangemesse- Treppensteigen und Einbeinstand
nen Spezialisierung, da jeder Einzelne nur auf (z. B. beim Zähneputzen oder an der
diese Weise eine besondere Expertise in seinem Kasse im Supermarkt).
sozialen Umfeld erreichen kann. Fanatische
Läufer verlieren hierdurch zunehmend an Kör-
perspannung, und der reine Kraftsportler ver- Vom American College of Sports Medicine
säumt es, die Leistung des Herz-Kreislauf-Sys- (ACSM) wurde ein Positionspapier mit kon-
tems zu erhalten. Nicht zu unterschätzen sind kreten Trainingsempfehlungen veröffentlicht
auch koordinative und kognitive Anforderun- (Chodzko-Zajko et al. 2009). Auch diese sind
gen (beispielsweise in den Sportspielen). entsprechend der definierten Leitlinien breit
angelegt (Beispiel 2).
!!Achtung: Vielseitig angelegte Trainings-
programme sind empfehlenswert!
Beispiel 2: ACSM Konsensus zur körperlichen
1. Alleiniges Ausdauertraining kann mit Aktivität im höheren Lebensalter (Chod-
einem Verlust an Rumpf- und Haltungs- zko-Zajko et al. 2009)
muskulatur einhergehen. Alleiniges
Krafttraining besitzt eine unzureichende Ausdauertraining
kardiovaskuläre Trainingswirkung!. 55 Trainingshäufigkeit: 150–300 min/
2. Alleiniges Ausdauer- und Krafttraining Woche, davon jeweils 75–150 min
sind kognitiv und koordinativ unzurei- moderate und anstrengendere
chend stimulierend! Ohne Beweglich- Aktivitäten.
keitstraining werden Alltagsaufga- 55 Trainingsintensität: auf der CR-10-
ben (z. B. Schuhe und Strümpfe Skala Level 5–6 für moderates und
ankleiden) beschwerlich! Level 7–8 für anstrengendes Training.
55 Trainingsdauer: mindestens 30 min/
Die Konkretisierung der genannten Empfeh- Tag moderates und 20 min/Tag
lungen in konkrete Trainingsprogramme lässt anstrengendes Training.
viele Freiheitsgerade offen (Beispiel 1). 55 Trainingsinhalte: jede Form aeroben
Trainings, welches nicht mit hohen
Beispiel 1: Wöchentliches Minimalprogramm orthopädischen Beanspruchungen
einhergeht; Gehen, Schwimmen oder
55 Täglich 15 min Beweglichkeitstraining Radfahren werden speziell bei erhöh-
und Rumpfkräftigung zu Hause tem Körpergewicht empfohlen.
568 A. Ferrauti und L. Hottenrott

Praxistipp: Gehen Sie auch mal an Ihre


Krafttraining Grenzen!
55 Trainingshäufigkeit: an mindestens
zwei Tagen pro Woche. Gängige gesundheitssportliche Empfeh-
55 Trainingsintensität: auf der CR-10- lungen zum Ausdauertraining legen
Skala Level 5–6 für moderates und moderate Belastungen bei 50–85 % der
Level 7–8 für anstrengendes Training. V̇O2max bzw. bei 70–80 % der Herzfre-
55 Trainingsinhalte: 8–10 Übungen für quenzreserve oder bei maximal 7–8 auf
die Hauptmuskelgruppen, dabei der der CR-10-Skala nahe. Grundsätzlich
jeweils 8–12 Wiederholungen; ist ab dem 35. bis 40. Lebensjahr eine
darüber hinaus funktionelle Übungen regelmäßige kardiologische Gesundheits-
wie Treppensteigen. untersuchung (inkl. Belastungs-EKG)
vonnöten.
Beweglichkeitstraining
Leistungsorientierte, trainierte und
55 Trainingshäufigkeit: an mindestens
gesunde Personen im mittleren und
zwei Tagen pro Woche.
höheren Lebensalter sollten neben
55 Trainingsintensität: auf der CR-10-
moderaten Belastungen jedoch auch
Skala Level 5–6 für moderates und
intensive und hochintensive Belastungs-
Level 7–8 für anstrengendes Training.
phasen in ihr Training einbauen. Sprengen
55 Trainingsinhalte: statisches Dehnen ist
Sie die Grenzen der moderaten, wohligen
dem dynamischen Dehnen vorzuzie-
Schonhaltung. Versuchen Sie punktuell
hen.
auch einmal ihren Maximalpuls zu
Gleichgewichts-/Koordinationstraining erreichen, um den altersbedingten
55 Gleichgewichtsübungen werden zur Rückgang der HFmax zu stoppen. Als
Sturzprophylaxe für gefährdete angenehmen Nebeneffekt werden Sie
11 Personen ohne genaue Angaben der merken: Die nächste moderate Trainings-
Trainingsinhalte und Belastungsnor- einheit geht Ihnen viel leichter von der
mative empfohlen. Hand, und Sie spüren die kurzfristige
55 Allgemeine Hinweise sind: Einbein- Grenzverschiebung. Ähnliche Effekte
stand, Fersen- und Vorfußstand, bewirkt die Teilnahme an Wettläufen, die
Drehbewegungen, Augen phasen- aus Motivationsgründen stets einen
weise schließen. hochintensiven Trainingsreiz mit sich
bringt.

Jüngere und gesunde Freizeitsportler sollten


entgegen gängiger Empfehlungen (s. ACSM-­
Richtlinien) beim Ausdauertraining das ge- Zur weiteren Präzisierung von Übungsauswahl
samte Intensitätsspektrum nutzen und auch und zur Trainingssteuerung von Ausdauer-,
intensive Belastungen absolvieren. Rein mo- Kraft- und Beweglichkeitstraining sowie zur
derate Beanspruchungen führen dauerhaft zu Begründung der oben aufgelisteten allgemei-
einer Schonhaltung, und die in der Fitness- nen Empfehlungen und Leitlinien (speziell
szene beobachtbare Fettstoffwechseleuphorie Leitlinien 1–5) sei auf die 7 Kap. 4, 5, 6, und 7
ist wissenschaftlich nur bedingt haltbar (s. dieses Buches verwiesen.
7 Kap. 7, . Abb. 7.13 und 7.14), zumal der Die bedeutsame Leitlinie 6 „Trainieren Sie
Nachbrenneffekt (Excess Post Exercise Oxygen mit Freude, regelmäßig und mit Gleichgesinn-
Consumption) und der höhere gesamtkalori- ten“ wird jedoch abschließend vertiefend be-
sche Umsatz den geringfügig geringeren Fett- trachtet. Speziell die Betrachtung des Aspekts
stoffwechselumsatz weitgehend kompensieren. der „Freude“ ist sicherlich problematisch, zu-
Training im mittleren und höheren Lebensalter
569 11
mal der Zusammenhang von körperlicher Ak- reitungen (z. B. Foam-Rolling, Muskelhygi-
tivität und Wohlbefinden zwar grundsätzlich ene, Wechselbäder) sowie begleitende im-
nachweisbar ist, jedoch individuell erheblich munstimulierende Maßnahmen (z. B.
differiert. Inwieweit die körperliche Aktivität jährliche Grippeimpfung, vitaminreiche Ba-
selber oder das in dem Zusammenhang ste- siskost) von besonderer Bedeutung.
hende soziale Setting eine Rolle spielen, ist me- Regelmäßigkeit basiert auch auf intrinsi-
thodisch schwer zu trennen. Auch die Auswir- scher Motivation. Die soziale Interaktion mit
kungen bestimmter Trainingsinhalte und Gleichgesinnten in der Gruppe und die da-
-charakteristika auf Freude und Wohlbefinden durch geschaffene terminliche Verbindlichkeit
sind kaum pauschal festzulegen (Bragina und (. Abb. 11.11) können ebenso motivierend
Voelcker-Rehage 2018). wirken wie die Anleitung durch einen Perso-
Die Autorinnen beschreiben einen größeren nal Coach oder die Anschaffung eines attrak-
Effekt gering intensiver Aktivitäten auf das tiven Sportgeräts (z. B. Golfset, Rennrad oder
Wohlbefinden und gehen davon aus, dass sozi- einfach nur Nordic-Walking-Stöcke). Nicht zu
ale und kognitive Komponenten einen stärke- unterschätzen ist die Definition von Trai-
ren Einfluss besitzen als biochemische. Aller- ningszielen und die Überprüfbarkeit ihrer
dings fehlen systematische Befragungen zu den Realisierung mit modernen Wearables (z.B.
unmittelbaren, kurzfristigen Effekten verschie- Activity-Tracking) sowie die (gemeinsame)
dener Belastungsnormative auf das Wohlbefin- Anmeldung zu Wettkämpfen. Nicht zuletzt
den. In der Sportpraxis begegnet man gerade die Kombination mit touristisch-­kulturell at-
nach intensiven Beanspruchungen während der traktiven Ereignissen (z. B. Städteläufe, Rad-­
Erholungsphase sehr häufig einem akuten woh- Touristik-Fahrten, Gebirgswanderungen) bie-
ligen Gefühl der Erholung und Entspannung. ten einen zusätzlichen emotionalen Antrieb.
Insgesamt besteht an dieser Stelle im Sinne einer Regelmäßigkeit basiert jedoch auch auf einer
zukünftig anzustrebenden personalisierten guten praktischen Umsetzbarkeit. Diese ist
Trainingsintervention noch erheblicher For- nur dann gegeben, wenn die Kosten verträg-
schungsbedarf (Bragina und Voelcker-Rehage lich sind und die Trainingsstätte auf kurzem
2018). Wege leicht erreicht werden kann.
Die Bedeutung der „Regelmäßigkeit“
nimmt im Altersgang zu. Trainingsanpassun-
gen sind von abnehmender Nachhaltigkeit. 11.6.2 Sportartspezifische
Krankheits- und verletzungsbedingte Trai- Empfehlungen
ningsausfälle und Leistungseinbußen sind bei
älteren Personen kaum mehr aufzuholen, da Das Angebot an Freizeitsportarten für Personen
androgene Stimulation und Muskelgedächt- im mittleren und höheren Lebensalter ist groß.
nis abnehmen (7 Abschn. 11.5). Folglich ist Die Auswahl geeigneter Aktivitäten sollte krite-
eine Trainingskontinuität bei älteren Perso- rienbezogen erfolgen und sich an den in
nen von besonderer Bedeutung und führt im . Tab. 11.2 definierten Leitlinien und Empfeh-
Alltag zu der schwierigen Abwägung, klei- lungen orientieren. Selbstverständlich gilt ein
nere Verletzungsbeschwerden auszukurieren derart subjektiver Vergleichsansatz nur bedingt
und die Regenerationszeiträume zu verlän- für die gesamte freizeitsportliche Realität, da die
gern oder zur Wahrung der Kontinuität mit Ausführungsvariabilität der Aktivitäten und die
alternativen Trainingsmitteln (kompensato- Heterogenität der aktiven Freizeitsportler sehr
risch) weiter zu trainieren. In dem Zusam- vielfältig sind. Insbesondere „die Gewährlei-
menhang ist die dauerhafte Gesunderhaltung tung von Freude, Regelmäßigkeit und Sozial-
durch sorgfältige Trainingsvor- und Nachbe- kontakten“ kann kein objektives Unterschei-
570 A. Ferrauti und L. Hottenrott

..      Abb. 11.11 Der wöchentliche „Jogging-Treff“ des pen ist funktionell notwendig, aber auch motivierend. So
BTC-Herne. Jeden Sonntagvormittag und nach schließt ein Einstieg in der „5er“-Gruppe (5 km in 60 min)
Feierabend an Wochentagen treffen sich weltweit nicht aus, dass man schon bald in der „7er“- oder gar in
hunderte Jogger und Walker und absolvieren eine der „10er“-Gruppe (10 km in 60 min, also im „6er-Schnitt“)
Stunde an körperlichem Training in verschiedenen mitläuft. Warm-up und Cool-down in der Gesamtgruppe
Leistungsgruppen. Die Aufteilung nach Leistungsgrup- bilden einen funktionellen und geselligen Rahmen

..      Tab. 11.2 Beispiel einer kriterienbezogenen, subjektiven Beurteilung ausgewählter Freizeitsportarten


für gut trainierte Personen im mittleren Lebensalter (– = unzureichend; ± = indifferent; + = angemessen;
(+) = angemessen je nach Adressaten und Ausführungsmodalität). 1 = möglichst viele konditionelle und
11 koordinative Faktoren werden angesprochen; 2 = ausreichender Trainingsreiz für Herz-­Kreislauf-­System
und Ausdauerleistung; 3 = ausreichender Trainingsreiz auf Kraft und funktionelle Beweglichkeit; 4 = hoher
freizeitkalorischer Energieumsatz 5 = angemessene Beanspruchung des passiven Bewegungsapparats;
6 = Gewährleistung von Freude, Regelmäßigkeit und Sozialkontakten

Kriterien 1 2 3 4 5 6

Walking − (+) − ± + (+)

Jogging − + − + ± (+)

Fahrradfahren − + (+) + + (+)

Schwimmen ± (+) − ± + (+)

Fußball + + ± + − (+)

Tennis + (+) ± + ± (+)

Golf − − − + + (+)

Aerobic/Kurse + + ± ± + (+)

Gymnastik/Yoga + − ± − + (+)

Krafttraining − − + ± + (+)


Training im mittleren und höheren Lebensalter
571 11
Golf oberer Extremität ein höherer Anteil an Skelett-
Nettoumsatz
1 Std.
Ruheumsatz
muskulatur involviert wird. In den meisten Fäl-
len bleibt die Reizsetzung auf Herz-­Kreislauf-­
2 Std.
System und Skelettmuskulatur bei gut
3 Std. trainierten Personen im mittleren Lebensalter
unterschwellig. Das Stütz-und Bewegungssys-
4 Std. ca. 680 kcal tem wird beim Walking geringer belastet als
beim Jogging.
Tennis
1 Std.

2 Std.

0 200 400 600 800 1000 1200


(kcal)

..      Abb. 11.12 Golf und Tennis, zwei beliebte


Aktivitäten im mittleren und höheren Lebensalter.
Trainingswissenschaftliche Untersuchungen zum
Energieumsatz lassen die Ableitung folgender Formel
für männliche Seniorenspieler mit ca. 80 kg Körperge-
wicht zu: 2 h Tennis = 4 h Golf = 1000 kcal brutto
(Ferrauti et al. 1997; Ferrauti 1999)

dungskriterium darstellen. Trotzdem bietet Jogging Die Reizintensität wird beim Über-
dieser Ansatz eine grundsätzliche Hilfestellung gang zum Jogging gegenüber Walking oder Nor-
für die Abwägung der gesundheitssportlichen dic Walking erheblich gesteigert (von ca. 3–4 auf
Wirksamkeit (. Tab. 11.2 und . Abb. 11.12). mindestens 6 MET), sodass eine ausreichende
Trainingswirkung auf das Herz-Kreislauf-­
Exkurs: The Copenhagen City Heart Study System und ein angemessener Energieumsatz
mit hoher Fettstoffwechselbeteiligung resultie-
In einer prospektiven Studie von Schnohr et al. ren. Die Auswirkungen auf Kraft und Koordina-
(2018) wurden 8577 Personen im Jahr 1994 und tion nehmen mit dem Beanspruchungsprofil
nach 25 Jahren erneut in 2017 systematisch von Gelände und Laufuntergrund zu. Der Be-
hinsichtlich ihrer freizeitsportlichen Aktivitäten
befragt. Im Vergleich zu einer inaktiven
wegungsapparat wird bei übergewichtigen Men-
Kontrollgruppe stieg der nach sonstigen schen beim Jogging stark belastet und die exzen-
Einflussfaktoren adjustierte Gewinn an trisch-reaktive Beanspruchung der Muskulatur
Lebenserwartung durch fast alle Aktivitäten verlangt längere Regenerationszeiten.
nennenswert an. Erwähnenswert ist, dass vor
allem jene Sportarten einen hohen Zugewinn
erzielten, die zahlreiche Sozialkontakte
bedingen. An der Spitze liegen Tennis (9,7 Jahre),
Badminton (6,2 Jahre), Fußball (4,7 Jahre), aber
auch die Ausdauersportarten Fahrradfahren,
Schwimmen und Jogging (3–4 Jahre).

Walking und Nordic Walking Im Vergleich


zum Walking steigert Nordic Walking bei kor-
rekter Ausführung und gleicher Fortbewe-
gungsgeschwindigkeit den Energieumsatz, da
durch den Einsatz von Rumpfmuskulatur und
572 A. Ferrauti und L. Hottenrott

Fahrradfahren Die Wirkung auf das Herz-­ Schwimmen Das Herz-Kreislauf-System wird
Kreislauf-System unterscheidet sich zwischen bei sportlichem Schwimmen ausreichend be-
lockerem Fahren auf dem (E-)Bike und sportli- lastet. Bei Freizeitschwimmern besteht die Ge-
chem Fahren erheblich. Trainierte sollten an- fahr der Einnahme einer unterschwelligen
spruchsvolle Strecken mit Mountainbike oder Reizintensität sowie eines unzureichenden
Rennrad favorisieren und den Übergang zum Energieumsatzes. Auswirkungen auf die Kraft
E-Bike möglichst lange vermeiden. Die Gefahr der oberen Extremitäten sind möglich. Das Er-
eines zu unterschwelligen Trainings besteht. lernen der Schwimmtechniken ist koordinativ
Radfahren besitzt positive Auswirkungen auf höchst anspruchsvoll. Eine ideale Aktivität für
die Kraft der Oberschenkel- und Wadenmus- den passiven Bewegungsapparat (beim Brust-
kulatur. Radfahren ist im Gelände und für ältere schwimmen sind, je nach Ausführung, Prob-
Menschen koordinativ anspruchsvoll (Gleich- leme in Halswirbelsäule und Kniegelenken
gewichtssinn). Der passive Bewegungsapparat möglich).
wird auch bei höherem Köpergewicht relativ
wenig belastet (je nach Fahrposition, mit Aus-
nahme des Rückens).

11

Fußball Die Durchführung erfolgt im Frei-


zeitsport eher in Form von Kleinfeldspielen
(teilweise Indoor-Soccer), da ein Spiel 11:11
nur schwer organisierbar ist. Die Wirkung auf
Herz-­Kreislauf-­System und Energieumsatz
(ca. 10 MET) ist dennoch meist sehr hoch (s.
7 Abschn. 12.4). Positive Auswirkungen auf die
Kraft der Oberschenkel- und ­Gesäßmuskulatur
sind durch die stetigen Start- und Stoppbewe-
gungen möglich). Die koordinativen und kog-
nitiven Anforderungen sind ebenfalls hoch.
Die Beanspruchung von Muskulatur und Be-
wegungsapparat sowie die Verletzungsgefahr
(Oberschenkelrückseite, Knie und Sprungge-
lenke) sind auch durch den möglichen Gegner-
kontakt hoch.
Training im mittleren und höheren Lebensalter
573 11
Tennis Das reguläre Wettspiel im Einzel erreicht Golf Das Spiel im 3er-Flight besitzt eine un-
aufgrund der hohen schlagtechnischen Anforde- zureichende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-­
rungen nur bei guten Freizeitspielern eine ausrei- System (2–3 MET), weist jedoch aufgrund
chende Wirkung auf Herz-­Kreislaufsystem und der hohen Belastungsdauer (18 Loch in 4 h)
Energieumsatz (ca. 6–8 MET). Dagegen liegt die einen hohen Fett- und Energieumsatz auf
Beanspruchung beim Schlagtraining meist höher (. Abb. 11.12). Die Auswirkungen auf die
(s. 7 Abschn. 12.6). Positive Auswirkungen auf Muskelkraft sind gering. Muskulatur und Be-
die Kraft der Oberschenkel- und Gesäßmuskula- wegungsapparat werden eher gering bean-
tur sind möglich. Muskulatur und Bewegungsap- sprucht. Vereinzelt ist mit Rücken- (Rotati-
parat werden durchschnittlich beansprucht onsbewegungen) und Ellbogenproblemen
(Oberschenkelrückseite, Ellbogen, tiefer Rücken (Golferarm am Epikondylus medialis) zu
und Sprunggelenke). rechnen.
574 A. Ferrauti und L. Hottenrott

Aerobikkurse Für die Vielzahl unterschiedli- gen auf die Kraft (zumeist Kraftausdauer) sind
cher Kursangebote kann eine mittlere Wirkung je nach Kursinhalt möglich. Die koordinativen
auf Herz-­Kreislauf-­System und ein durch die und kognitiven Anforderungen sind ebenfalls
Kursdauer (45–60 min) beschränkter Energie- hoch, und Schäden am Bewegungsapparat
umsatz erwartet werden. Positive Auswirkun- sind kaum zu befürchten.

Gymnastik/Yoga Yoga ist eine der am meis- Krafttraining an Maschinen Die Wirkung
ten expandierenden Freizeitaktivitäten. Die auf das Herz-Kreislauf-System ist gering, es sei
Wirkung auf Herz-­ Kreislauf-­
System und denn, ein Einsatztraining wird als Zirkel mit
11 Energieumsatz ist dabei gering. Sehr positive geringen Satzpausen absolviert. Der Energie-
Auswirkungen sind auf Kraft (überwiegend umsatz ist im Mehrsatztraining ebenfalls ge-
Kraftausdauer), Beweglichkeit, Koordina- ring (3–4 MET). Langfristig kann bei Muskel-
tion und Kognition möglich, und die Verlet- hypertrophie der Ruheumsatz gesteigert
zungsgefahr ist gering. werden. Positive Auswirkungen auf Kraft und
Muskelhypertrophie (zumeist Extremitäten-
muskulatur) sind je nach Trainingsinhalten
sehr wahrscheinlich. Die koordinativen und
kognitiven Anforderungen sind gering, Schä-
den am Bewegungsapparat sind bei geführten
Bewegungen kaum zu befürchten.
Training im mittleren und höheren Lebensalter
575 11
11.7  ufgaben zur Nachbereitung
A häuslicher Umgebung absolviert werden
des Kapitels kann (z. B. Kniebeuge an der Türklinke).
4. Erweitern Sie die nachfolgende Tabelle
und beurteilen deren gesundheitliche
Wirksamkeit für Alterssportler anhand
der vorgegebenen Beurteilungskriterien
gemäß . Tab. 11.2.

Kriterien 1 2 3 4 5 6

Indoor-Cycling

Alpiner Skilauf

Klettern

Aqua-Jogging

Badminton

Boxtraining

Segeln

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579 12

Trainingswissenschaft
in ausgewählten Sportarten
Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam Frytz, Janina-Kristin Götz,
Florian Hanakam, Til Kittel, Jasper Möllmann, Christoph Schneider
und Hubert Remmert

12.1 Beckenschwimmen – 581


12.1.1 L eistungsstruktur – 581
12.1.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 582
12.1.3 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung – 585
12.1.4 Langfristiger Leistungsaufbau – 588

12.2 Triathlon – 590


12.2.1  ettkampfstruktur – 590
W
12.2.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 591
12.2.3 Wettkampfanalyse und Leistungsbeurteilung – 594
12.2.4 Trainingssteuerung – 595

12.3 Basketball – 597


12.3.1  elastungs- und Beanspruchungsprofil – 597
B
12.3.2 Konditionelle Leistungsstruktur – 600
12.3.3 Leistungsdiagnostik – 601
12.3.4 Leistungsentwicklung im Jugendbasketball – 602
12.3.5 Spieler-Monitoring – 604
12.3.6 Trainingssteuerung – 606
12.3.7 3 × 3-Basketball: eine andere Sportart?! – 614

12.4 Fußball – 615


12.4.1 L eistungsstruktur – 615
12.4.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 617
12.4.3 Leistungsdiagnostik – 623
12.4.4 Trainingssteuerung – 625
12.4.5 Monitoring – 626

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_12
12.5 Volleyball – 628
12.5.1 L eistungsstruktur – 629
12.5.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 630
12.5.3 Leistungsdiagnostik – 633
12.5.4 Trainingssteuerung athletischer Komponenten – 634
12.5.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 635
12.5.6 Beach-Volleyball: eine andere Sportart?! – 637

12.6 Tennis – 639


12.6.1 L eistungsstruktur – 639
12.6.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 641
12.6.3 Beanspruchungen im Tennis-Training – 644
12.6.4 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung – 648
12.6.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 650

Literatur – 652
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
581 12
12.1 Beckenschwimmen

Janina-Kristin Götz

„Wer im Wasser nicht glücklich ist, kann nie


richtig frei sein.“ (Pierre Gruneberg)

Zusammenfassung
1886 wurde der deutsche Schwimmverband
(DSV) in Berlin gegründet, welcher die fünf olym-
pischen Sportarten Schwimmen, Freiwasser-
schwimmen, Wasserspringen, Wasserball und 12.1.1 Leistungsstruktur
Synchronschwimmen repräsentiert. Seit den
1970er-Jahren ist der Schwimmsport zu einem Wettkämpfe der Beckenschwimmer werden in
festen Bestandteil im Bereich der sportwissen- vier verschiedene Schwimmarten und deren Kom-
schaftlichen Forschung geworden und wird den bination (Lagenschwimmen) sowie sechs Wett-
Ausdauersportarten zugeordnet. Die Wettkampf- kampfstreckenlängen eingeteilt. Das olympische
dauer reicht von 20 Sekunden bis 15 Minuten. Wettkampfprogramm umfasst 35 Entscheidun-
Dies erfordert die Ausbildung der anaerob-alakta- gen. In der Schwimmart Kraul werden 50 m,
ziden, anaerob-laktaziden und der aeroben Ener- 100 m, 200 m, 400 m, 800 m und 1500 m sowie die
giebereitstellungsprozesse und stellt somit für die 4 × 100-m- und 4 × 200-m-Staffel geschwommen,
Trainingsgestaltung enorme Herausforderungen in den Schwimmarten Rücken, Brust und Delfin
an den Trainer dar. Um die aeroben Leistungsfä- 100 m und 200 m und beim Lagenschwimmen
higkeit in Abhängigkeit unterschiedlicher Intensi- 200 m und 400 m sowie die 4 × 100-m-La-
tätsvorgaben bei definierter Streckenlänge zu er- gen-Mixed-Staffel. Die Wettkampfdauer reicht
mitteln, wird vom deutschen Schwimmverband dabei von 20 Sekunden bis 15 Minuten und stellt
die Durchführung des Laktatstufentests nach Pan- je nach Streckenlänge und Schwimmart unter-
sold empfohlen. Auf Grundlage der Testergeb- schiedliche Anforderungen an die Gestaltung
nisse erfolgt die Steuerung der Trainingsbelas- der Rennstruktur (s. Pacing, 7 Abschn. 3.2) und
tung mithilfe der acht Belastungszonen, welche die Energiebereitstellung der Sportler (Rodriguez
die anteiligen physiologischen Voraussetzungen und Mader 2011; Rudolph 2014). Daher zielt das
für die Wettkampfleistung trainingsmethodisch Training auf die Anpassung des Sportlers an spezi-
abbilden. Das Landtraining nimmt neben dem fische Wettkampfanforderungen und hierzu unter
Wassertraining einen festen Bestandteil im Trai- anderem auf eine Verbesserung seiner aeroben als
ningsprozess ein. Die Art und Häufigkeit des Land- auch anaeroben Energiebereitstellung ab (Pyne
trainings unterscheidet sich in Abhängigkeit der und Sharp 2014).
verschiedenen Etappen des langfristigen Leis- Die Leistungsstruktur (7 Abschn. 3.1,
tungsaufbaus, welcher zielgerichtet und systema- . Abb. 3.15 und 3.16) im Schwimmen setzt sich
tisch im Schwimmsport mit der Einschulung im „… aus bestimmten Elementen und ihren
Alter von 6 oder 7 Jahren erfolgen sollte. Wechselbeziehungen“ zusammen (Schnabel
582 A. Ferrauti et al.

et al. 2008, S. 45). Demnach vereinen sich nach nute, wobei in den Wechselschwimmarten
Gundlach (1980) die azyklische (Start, Wende, Kraul- und Rückenschwimmen ein Armzug-
Anschlag) und die zyklische (Schwimmarten) zyklus zwei Armzügen entspricht. Spitzen-
Bewegungsregulation. Die konditionellen An- schwimmer weisen lange Zykluswege auf
forderungen (Grundlagenausdauer, Schnellig- ­(Wakayoshi et al. 1993; Chollet et al. 1997) und
keitsausdauer, Kraftausdauer, wettkampfspezi- können die Zugfrequenz und die Zuglänge bei
fische Ausdauer) einer Wettkampfstrecke sind steigender Ermüdung variieren (Dekerle et al.
primär von der Belastungsdauer abhängig. Für 2005). Obwohl die Zugfrequenz neben der
Start, Wende und Anschlag werden Reaktions- Streckenlänge und Schwimmart von indivi-
und Aktionsschnelligkeit (speziell Schnellkraft) duellen Parametern abhängt, können den un-
benötigt. Auf der Ebene der Handlungsregula- terschiedlichen Wettkampfdisziplinen typi-
tion bedarf es der Willenskraft, der Leistungs- sche Frequenzbereiche zugeordnet werden
bereitschaft, Taktik und Erfahrung, die einen (. Tab. 12.1; Rudolph 2014). Zu den individu-
guten Schwimmer kennzeichnen. Weiterhin ellen Parametern, welche sich positiv auf den
stellen ­anthropometrische Merkmale (metro- Zyklusweg auswirken und somit die Armzug-
morpher Körperbau mit leptomorph-hyper- effektivität verbessern, zählen beispielsweise
plastischer Tendenz; Rudolph 2004), die Beweg- ein hohes Kraftniveau der oberen Extremitäten
lichkeit (besonders im Fuß-, Knie-, Rumpf- und (Mujika und Crowley 2019), ein langer Rumpf
Schultergürtelbereich) und die Belastungsver- (Bejan et al. 2010) und eine hohe Beinschlag-
träglichkeit eine wesentliche Grundlage zur frequenz (bei den Wechselzugschwimmarten;
Eignung für die Sportart Schwimmen im Hoch- Sortwell 2011).
leistungsbereich dar (Gundlach 1980). Jedoch Die metabolische Beanspruchung einer je-
ist die Erhöhung der Antriebskraft im Wasser den Wettkampfstrecke setzt sich aus einer un-
auch maßgeblich von der Ausprägung des Tech- terschiedlichen Kombination der aeroben,
nikniveaus der jeweiligen Schwimmart abhän- anaerob-laktaziden und anaerob-alaktaziden
gig (Mujika und Crowley 2019). Energiebereitstellung zusammen, die aus der
Streckenlänge, der Schwimmart und den indi-
12 viduellen Leistungsvoraussetzungen resultiert.
12.1.2 Belastungs- und Generell steigt der Energiebedarf mit zuneh-
Beanspruchungsprofil mender Schwimmgeschwindigkeit an (Tous-
saint und Hollander 1994; Wakayoshi et al.
Ein Wettkampfrennen wird mithilfe des 1995; Barbosa et al. 2006) und hängt vom Leis-
Schwimmgeschwindigkeitsverlaufs, der Bewe- tungsniveau, der Anthropometrie (Chatard
gungsfrequenz (Zugfrequenz) und des Zyklus- et al. 1991), dem Geschlecht (Zamparo et al.
wegs während einer Wettkampfstrecke (Craig 2008) und in hohem Maße vom Niveau der
et al. 1985; Chollet et al. 1997) sowie der geson- Schwimmtechnik (Holmer 1974; Pendergast
derten Betrachtung des Start- und Wendenab- et al. 1977; Montpetit et al. 1983, 1988; Costill
schnitts und des Anschlags analysiert (Rudolph et al. 1985; Chatard et al. 1990, 1991; Zamparo
2014). Je kürzer die Schwimmstrecke, desto hö- et al. 2000) ab. Frauen weisen dabei im Ver-
her ist die Startgeschwindigkeit und auch der gleich zu Männern eine 10–30 % höhere
Geschwindigkeitsabfall am Ende der Wett- Schwimmökonomie auf (Zamparo et al. 2008),
kampfstrecke (Rudolph 2014). Durch Start und was hauptsächlich auf die Körperkomposition
Wende können bei Spitzenschwimmern „… (größerer Fettanteil und geringere Muskel-
zwei- bis dreimal höhere Geschwindigkeiten als masse am Körpergewicht (Pyne und Sharp
in der zyklischen Bewegung der Schwimmar- 2014)) und deren positive Auswirkung auf den
ten“ (Küchler 2014, S. 136) erreicht werden. Auftrieb (durch das geringere spezifische Ge-
Die Zugfrequenz beim Schwimmen be- wicht) zurückzuführen ist (Chatard et al.
schreibt die Anzahl der Armzyklen pro Mi- 1991). Zudem steigt der Energiebedarf bei de-
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
583 12

..      Tab. 12.1 Mittelwertvergleich der Zugfrequenzen (Armzyklen/min) der Finalteilnehmer WM/OS (1996
bis 2009), differenziert nach Streckenlänge, Schwimmart und Geschlecht (nach Rudolph 2014, S. 80)

(m) Männer Frauen


Freistil Brust Delfin Rücken Freistil Brust Delfin Rücken
50 60,41 ± 63,22 ± 64,73 ± 57,00 ± 56,10 ± 59,76 ± 63,30 ± 52,00 ±
1,7 2,1 0,5 0,9 1,2 0,9 1,0 1,4

100 51,45 ± 50,49 ± 55,58 ± 48,90 ± 52,61 ± 49,24 ± 56,16 ± 47,20 ±


0,9 0,9 0,6 0,6 0,4 1,7 0,7 1,3

200 44,31 ± 38,50 ± 49,39 ± 41,68 ± 45,93 ± 39,45 ± 51,38 ± 41,26 ±


1,2 1,6 0,6 0,9 1,9 1,5 0,8 0,9

400 42,16 ± - - - 46,10 ± - - -


1,1 1,9

>800 41,54 ± - - - 46,05 ± - - -


1,1 1,6

finierter Schwimmgeschwindigkeit mit zuneh- nimaler Zeit die höchste Schwimmgeschwindig-


mendem Alter an (Zamparo et al. 2008). keit zu erreichen und diese über die Dauer der
Auf Grundlage verschiedener Untersu- Schwimmstrecke möglichst lange aufrecht zu er-
chungen, welche die Zusammensetzung des halten (Pyne und Sharp 2014). Capelli et al.
Energiebedarfes bei maximaler Schwimmge- (1998) ermittelten die Zusammensetzung der
schwindigkeit und unterschiedlicher Strecken- Energiebereitstellung bei maximaler Schwimm-
länge betrachteten, erstellten Rodriguez und geschwindigkeit über 45,7 m (50 Yards) Kraul-
Mader (2011) eine auf Computersimulation ba- schwimmen. Die Dauer umfasste 25,38 s bei ei-
sierende Verteilung der prozentualen Anteile der ner Schwimmgeschwindigkeit von 1,92 m/s. Die
drei Energiebereitstellungwege für das Kraul- Anteile der Energiebereitstellung setzten sich zu
schwimmen von 20–900 Sekunden (. Abb. 12.1). 25,8 % aus dem anaerob-­alaktaziden, 58 % aus
Für die Belastungsdauer der Kurzstrecken dem anaerob-laktaziden und zu 15,3 % aus dem
(50 m) wird die Energiebereitstellung überwie- aeroben Energiestoffwechsel zusammen. Insge-
gend durch energiereiche Phosphatverbindun- samt wurden dabei 26,9 kcal/112,5 kJ verbraucht.
gen (ATP, ADP, Kreatinphosphat) realisiert Die 100-m-Wettkampfstrecke benötigt eine
(Pyne und Sharp 2014). Dabei werden über die schnelle Aktivierung der anaeroben und aero-
50-m-Strecke (ca. 22 s) die ATP- und Kreatin- ben Energiebereitstellungsprozesse zu gleichen
phosphatspeicher schnell aufgebraucht, und die Maßen (Rodriguez und Mader 2011). Daher
Glykolyse wird zur maßgeblichen Energiequelle bezeichnet Olbrecht (2000) die Weltklasse-­100-
(Rodriguez und Mader 2011). Die daraus resul- m-Sprinter als am besten ausgebildete Schwim-
tierenden Blutlaktatkonzentrationen betragen mer im Hinblick auf die gleichermaßen heraus-
im Wettkampf ca. 12–14 mmol/l (Rodriguez ragend entwickelte Energiebereitstellung der
und Mader 2011). Eine Anpassung dieses Ener- aeroben und anaeroben Kapazität. Die Schwim-
giesystems ist laut Pyne und Sharp (2014) durch mer erreichen dabei Spitzenlaktatwerte von bis
das wiederholte Realisieren von supramaxima- zu 20 mmol/l (Rodriguez und Mader 2011). Bei
len Schwimmgeschwindigkeiten im Training deutschen Schwimmern wurden im Vergleich
möglich. Dieses verbessert die Fähigkeit, in mi- als Mittelwert nach 100 m Freistil im Wett-
584 A. Ferrauti et al.

100

90

80
aerob
70

60
% E tot

50

40

30
Glykolyse
20

10 ATP/PCr

0
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900
Zeit (s)

..      Abb. 12.1 Verteilung der Energiebereitstellungspro- beim Kraulschwimmen. Die Symbole kennzeichnen 50,
zesse (% Etot) am Gesamtenergiebedarf bei maximaler 100, 200, 400, 800 und 1500 m Kraul (nach Rodriguez
Belastung, bezogen auf die Belastungsdauer (Zeit (s)) und Mader 2011, S. 237)

kampf 15,0 ± 2,3 mmol/l und bei Schwimme- für die weiblichen Schwimmer 11,8 ± 2,4/9,3
rinnen 12,8 ± 2,3 mmol/l gemessen (Rudolph ± 2,4 mmol/l an. Nach Figueiredo et al. (2011)
12 und Berbalk 2000). Hellard et al. (2018) berich- benötigen Schwimmer über 200 m Kraul bei
teten eine Energiebereitstellung der anaerob-­ einer maximalen Schwimmgeschwindig-
alaktaziden, anaeroben-laktaziden und aeroben keit von 1,42 m/s (Belastungsdauer 141,3 s)
Bereitstellung über 100 m Kraul in maximaler 76,3 kcal/319,2 kJ Energie, und die Verteilung
Schwimmgeschwindigkeit von 18 %, 31 % und der Energiebereitstellung erfolgt zu 20,4 %
51 %. Insgesamt wurden über die 100-m-Kraul- anaerob-alaktazid, zu 13,6 % anaerob-­laktazid
strecke bei einer maximalen Schwimmge- und zu 65,9 % aerob.
schwindigkeit von 1,58 m/s (Belastungsdauer Über die 400 m Kraul ermittelten Ring
63,29 s) 27,7 kcal/116 kJ Energie verbraucht. et al. (1996) bei einer Schwimmgeschwindig-
Bei den mittleren Distanzen (200/400 m) keit von 1,3 m/s und einer Belastungsdauer
überwiegt bereits die aerobe Energiebe- von 315 s ein Verteilungsverhältnis der ana-
reitstellung. Die Glykolyse erfüllt für die erob-alaktaziden:anaerob-laktaziden:aeroben
200-m-Strecke dennoch eine wichtige Funk- Energiebereitstellung von 4,4:9,1:86,4 %. Bei
tion (Rodriguez und Mader 2011). Die er- den Langdistanzwettkämpfen im Becken über
reichten maximalen Blutlaktatwerte werden 800/1500 m Kraul dominiert die aerobe Ener-
von Rodriguez und Mader (2011) für die giebereitstellung. Die maximalen Blutlaktat-
200 m Kraul mit 16–18 mmol/l und für 400 m werte betragen nach Rodriguez und Mader
Kraul mit 14–16 mmol/l angegeben. Rudolph 2011 ca. 8–12 mmol/l. Zamparo et al. (2005)
und Berbalk (2000) gaben für die männli- ermittelten über eine Schwimmstrecke von
chen Schwimmer über 200/400 m Kraul im 2000 m Kraul bei einer Schwimmgeschwindig-
Mittelwert 14,1 ± 2,8/12,3 ± 2,7 mmol/l und keit von 1,43 m/s und einer Zeit von 23 min
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
585 12
18 s für männliche Schwimmer einen Energie- Zonen ausgebildet ist, desto belastungsverträgli-
bedarf von 676,9 kcal/2832 kJ. cher ist das Training in den da­rüber liegenden
Zonen mit zunehmenden Belastungsintensitä-
12.1.3 Leistungsdiagnostik und ten. Das Training in den Belastungszonen 3–5
verbessert hauptsächlich die maximale Sauer-
Trainingssteuerung
stoffaufnahme und deren Ausnutzungsgrad.
Die Spitze der Leistungspyramide besteht
Der Laktatstufentest nach Pansold (Pansold
aus den Belastungszonen 6–8, wodurch vor al-
und Zinner 1994) wird durch den Deutschen
lem die anaerobe Kapazität entwickelt werden
Schwimmverband zur Ermittlung der aeroben
soll. Dabei wird zusätzlich die inter- und intra-
Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit unter-
muskuläre Koordination ausgebildet, um hohe
schiedlicher Intensitätsvorgaben bei definier-
Schwimmgeschwindigkeiten realisieren und
ter Streckenlänge empfohlen. Der Test dient
aufrechterhalten zu können.
zur Trainingssteuerung, zur Leistungsprog-
nose und, bei wiederholender Testdurchfüh-
rung, zum Längsschnittvergleich. Auf Grund- Exkurs: Individualisierung und Spezialisierung
lage der Testergebnisse erfolgt die Steuerung
Es soll darauf hingewiesen werden, dass gerade
der Trainingsbelastung in den folgenden Be- die Blutlaktatkonzentrationen der Belastungs-
lastungszonen (. Tab. 12.2). zonen für das Training eine Orientierungshilfe
Durch die in . Tab. 12.3 dargestellten acht darstellen sollen, es jedoch nach Geschlecht,
Belastungszonen sollen die anteiligen physio- Strecke und Schwimmart noch zu Abweichun-
logischen Voraussetzungen für die Wettkampf- gen kommen kann (. Tab. 12.4).
leistung trainingsmethodisch abgebildet wer-
den (Rudolph 2014). Die Vielzahl an
Belastungszonen und deren Übergänge sind in Neben dem Wassertraining liegt ein weiteres
der Trainingspraxis nicht immer exakt anzu- wichtiges Augenmerk auf dem Krafttraining an
steuern (Rudoph 2008). Der Tabelle lassen sich Land. Im Wasser führt der Schwimmer mechani-
die wichtigsten Informationen bezüglich der sche Arbeit überwiegend gegen die entstehenden
Belastungsnormative und der angestrebten hydrodynamischen Widerstandskräfte aus. Je
primären Trainingsziele zu jeder Belastungs- höher die Schwimmgeschwindigkeit, desto grö-
zone ablesen. Die Tabelle ist erst für Sportler ßer ist der hydrodynamischer Widerstand, denn
gültig, die sich im Anschlusstraining oder dar- dieser steigt proportional zur Schwimmge-
über befinden und hinsichtlich einer zuneh- schwindigkeit im Quadrat (Toussaint und Hol-
menden Spezialisierung der differenzierten lander 1994; Barbosa et al. 2008). Ziel des Kraft-
Belastungsaussteuerung bedürfen, was der trainings ist es, die gesteigerte Muskelkraft auf
Durchsetzung des Prinzips der zunehmenden das Wasser zu übertragen, um eine höhere
Individualisierung des Trainings entspricht. Schwimmgeschwindigkeit zu generieren. Gene-
Das Training in den Belastungszonen 1–5 ist rell gibt es zahlreiche Möglichkeiten, an Land
gekennzeichnet durch hohe Umfänge und ge- Krafttraining auszuführen. Dazu gehören Kraft-
ringe Intensität und verbessert grundlegend das training zur Erwärmung, Zirkeltraining, Satz-
gesamte Spektrum der aeroben Ausdauer. Dabei training, Sprungkrafttraining, biokinetische
bilden die Belastungszonen 1–3 das „Funda- Schwimmbank, exzentrisches Krafttraining, Vi­
ment der Leistungspyramide“ (Wilke und Mad- brationstraining, Training auf instabilen Unter-
sen 2015, S. 157). Der Ausbildung dieses Be- lagen, Core-Training und weitere (Mujika und
reichs wird sowohl im langfristigen Crowley 2019). Das Krafttraining für Becken-
Leistungsaufbau als auch im Verlauf jeder Saison schwimmer ist unbedingt erwünscht und wird
ein hoher Stellenwert für alle Streckenlängen zu- als elementare Ergänzung an Land zum Wasser-
geschrieben. Je besser der Athlet in den unteren training verstanden. Um das Verletzungsrisiko
586 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 12.2 Berechnungsvorgaben der ersten Stufe (als Anhaltspunkte für Sportler ohne Vortest) und
der Durchführungsvorgaben des Stufentests nach Pansold in Abhängigkeit der Teststrecke; Schwimmart
Freistil (F), Brust (B), Schmetterling (S), Rücken (R) (nach DSV 2000, S. 169)

Strecke Stufe Anzahl Ange- Intensitätsvorgabe für Pause Serien- Abnahme-­


der streb- 1. Stufe (%) pause zeitpunkt
Wieder-­ ter
holun- Laktat-
gen wert

Männer Frauen

100 m 1 3 2–3 F 65–70 70–75 1 min. 3 min. sofort

2 2 3–4 B 70–75 80–85 1 min. 3 min. sofort

3 1 4–6 S 60–65 70–75 5 min. nach 1. min.

4 1 6–8 R 70–75 75–80 ca. 20 min. nach 1–3. min.

5 1 max. danach 3–4 s je Stufe 4./7./10. min.

200 m 1 3 2–3 F 75–80 80–85 1 min. 3 min. sofort

2 2 3–4 B 75–80 83–87 1 min. 3 min. sofort

3 1 4–6 S 70–75 75–80 5 min. nach 1. min.

4 1 6–8 R 75–80 80–85 ca. 20 min. nach 1–3. min.

5 1 max. danach 5–8 s je Stufe 4./7./10. min.

400 m 1 1 2–3 F 80–85 85–90 3 min. nach 1 min.

2 1 3–4 danach 8–12 s je Stufe 5 min. nach 3 min.

12 3 1 4–5 bis 30 min. nach 3 min.

4 1 max. 4./7./10. min.

Exkurs: Der Pansold-Test

Der Laktatstufentest nach Pansold (Pansold und auf der Spezialwettkampfstrecke (Schwimmzeit)
Zinner 1994) wird routinemäßig im Rahmen der und können . Tab. 12.3 entnommen werden. Als
komplexen Leistungsdiagnostik von Kaderathleten Berechnungsgrundlage wird die aktuelle Bestzeit
2–3-mal pro Jahr auf der 50-m-Bahn durchgeführt. der Spezialwettkampfstrecke aus dem vorangegan-
Die Laktatwerte werden der Schwimmgeschwindig- genen Trainings- und Wettkampfjahr herangezogen.
keit gegenübergestellt, mithilfe der exponentiellen Im Zweifelsfall sollte eine langsamere Einstiegs-
Regressionskurve können die Schwimmgeschwin- schwimmgeschwindigkeit gewählt werden, da bei
digkeitsbereiche der einzelnen Belastungszonen zu hohen Laktatwerten auf der ersten Stufe keine
bestimmt werden. Doch erst in Verbindung einer adäquate Einteilung in die unteren Belastungszonen
begleitenden Kraft-Technik-Diagnostik kann die gewährleistet werden kann und es insgesamt das
Laktat-Leistungskurve aussagekräftig interpretiert Testergebnis verfälscht (Rudolph 2014).
werden (Rudolph 2014). Bei der praktischen Weitere ausführliche Hinweise zur Interpreta-
Durchführung des Pansold-Tests sind die Anfangs- tion der Laktatleistungskurve des Laktatstufentests
geschwindigkeiten auf der ersten Teststufe nach Pansold können in Rudolph (2014) ab S. 96
abhängig von der Schwimmart, der Streckenlänge nachgelesen werden.
und dem Geschlecht sowie dem Leistungsniveau
..      Tab. 12.3 Darstellung der Belastungszonen und Trainingsbereiche im Schwimmen ab Anschlusstraining. Belastungszone (BZ),
Trainingsbereich (TB), Kompensation (Ko), Grundlagenausdauer I extensiver Bereich (GAIext), Grundlagenausdauer I intensiver Bereich
(GAIint), Grundlagenausdauer II Ökonomisierungsbereich (GAIIÖko), Grundlagenausdauer II Entwicklungsbereich (GAIIEntw), Wettkampfspe-
zifische Ausdauer (WA), Schnelligkeitsausdauer (SA), Schnelligkeit (S), prozentuale Schwimmgeschwindigkeit der aktuellen Bestzeit (% v
akt. BZ), maximale Sauerstoffaufnahme (V̇O2max), Kurzzeitausdauer (KZA), Mittelzeitausdauer (MZA), Langzeitausdauer (LZA), Wettkampf
(WK), Teilstrecke (TS), Hauptschwimmart (HS), Nebenschwimmart (NS), Serienpause (SP)

BZ Charakteristik Belastungskrierien Methoden (Strecken/Teilstrecken)

(TB) Gesamtdaurer Intensität Dichte KZA MZA LZA Methoden


(inkl. Pausen) (Pause) (50/100) (200/400) (800/1500)

v % akt. BZ Laktat Puls V O2 max
1 - zur Regeneration und - zur Lockerung < 70 % Laktatabbau < 120 oder 70– 45–65 % ohne Pause je nach vorangegangener Belastung 25m bis Kontinuierliche
Nachbereitung von kurz 5–30 min (bei Lockerung (< 2 mmol/l) 80 % max 800m und mehr (z.B. nach Krafttraining/WA) Dauermethode bzw.
(Ko) Belastungen - zu Laktatabbau ohne > 80 unter kurzzeitiges
(aerob+Fettverbrennung) >1 h Bedeutung) Maximalpuls Lockerschwimmen
2 - extensive aerobe < 60 min > 75 % 2–3 mmol/l 120–150 oder 65–80 % 10 s - 2 min 800–3000 m 1500–3000 m 2000–5000 m Dauertraining,
Ausdauer bei Fett- u. (zumeist F/R) 75–85 % max >50 min Dauer >60 min Dauer >90 min Dauer extensives Intervall
(GAIext) Kohlenhydratverbrennung 70–80 unter (TS 200–800) (TS 200–1000) (TS 400–1500) (überlange TS).
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

- Überdistanzbereich Maximalpuls Freistil/Rücken


3 - intensive aerobe 30–60 min ca. 80–85 % (je 2,5–4 mmol/l 140–160 oder 80–87 % 30 s - 2 min 2400m 3000m 4000m Intensive
Ausdauer/Glykolyse nach 85–90 % max (TS 100–800) (TS 200–1500) (TS 200–2000) Dauermethode, ext.
(GAIint) - Schwimmgeschw. bei 3 Schwimmart) 40–60 unter Intervall Fahrtspiel
mmol/l Laktat Maximalpuls
4 - aerob-anaerober 20–45 min > 85 % 4–6 mmol/l 150–180 oder 87–94 % je nach 1000m 2000m 4000m Wechseltempo
Übergangsbereich (Schmett/ 90–95 % max 30- TS 1-3 min (50/50) (100/100) (200/200) (aerob/anaerob)
(GAIIÖko) - GA-Entwicklung Sprinter > 80 %) 40 unter (TS 50–400m) (TS 100–800m) (TS 200–1000m) Intervallmethode in
- intensive Ausdauer Maximalpuls HS und NS
- nahe Distanzbereich
5 - aerob/anaerobe 10–30 min 85–95 % < 6 mmol/l 170–200 oder 94–100 % 1-5 min 800 1200 für Langstreckler Intensive
Leistungsfähigkeit je nach (bis über 10 90–100% max (TS 50–200 (TS 100–400) WA–Training Intervallmethode,
(GAIIEntw) - Nähe Distanzbereich - Schwimmart möglich 10–20 unter bis 8 min Stehvermögen Wiederholmethode

max. VO2 /Streckenlänge Maximalpuls
6 - anaerobe-aerob - 3–10(15) min > 100 % (je nach WK- maximal Nicht 10/15/20 s bei 25+25/50+50 100+100 8/15 x 100 Wettkampfmethode
wettkampfspezifisch - Wettkampfzeit (eine (Zielzeit) Strecke ) relevant Wdhlg. > 400 75+25/100 150+50 4/12 x 200 (Wettkampfidentität)
Distanz voll oder gebrochen TE wie WK mit Vor- > 8 mmol/l Ko (SP 10-20 min) 50+50+50+50 200+200 2/4 x 400
(WA) - Mobilisation u. Nachbereitung) (LZA BZ 5) Prognoseschwimmen im Kanal
587

7 - anaerob-laktazid mit 10–20 min Unterdistanz > 6 mmol/l > 180 oder 95– 1-3 min 25–50 (100) 50–100 (200) 50–200 (400) Intensive
Glykolyse (20 s – 120 s je TS) 100–105 % 100 % max (SP 10–20 min) 4–10x 4–10x 4–10x Intervallmethode
(SA) - Übergang von GAII zu WA 0–10 unter Kanaltraining (20/30/60 s) P 1 min
- Unterdistanz Maximalpuls

8 - Sprintschnelligkeit bis 15 min 105–110 % von (bis 8 mmol/l Nicht von bis 4 min (aktiv) 15–25m Wiederholmethode,
- weitgehend alaktazid v 100m möglich) Bedeutung vollständige mit aktiver Pause
(S) - Starts/Wenden Erholung (Ko)
12
588 A. Ferrauti et al.

Praxistipp: Krafttraining im Hochleistungs-


..      Tab. 12.4 Laktatvorgaben (mmol/l) für die
training der Beckenschwimmer
Belastungszonen (BZ) 1–4 in Abhängigkeit von
der Leistungszielstrecke. Kompensation (Ko),
Grundlagenausdauer I extensiver Bereich (GA Der deutsche Schwimmverband emp-
Iextensiv), Grundlagenausdauer I intensiver Bereich fiehlt derzeit seinen Topathleten, eine
(GA Iintensiv), Grundlagenausdauer II (GA II; nach Kombination aus Volumentraining,
Rudolph 2014, S. 100.)
IK-Training und reaktivem Training je
Trainings- 50/100 m 100/200 m <400 m nach Saisonabschnitt durchzuführen.
bereich Details zur empfohlenen Übungsauswahl,
Planung von Wasser- und Landeinheit in
KO (BZ 1) >2,5 >2,0 >1,5 Wochen-, Saison- und Jahres- sowie
GA Iextensiv 2,5–3,5 2,0–3,0 1,5–2,0 Mehrjahresplanung können
(BZ 2) dem „DSV Rahmentrainingsplan
GA Iintensiv 3,5–5,0 3,0–4,0 2,0–3,0 zum Krafttraining im Beckenschwimmen“
(BZ 3) (Fuhrmann et al. 2017) entnommen
werden.
GA II (BZ 4) 5,0–7,0 4,0–6,0 3,0–5,0

..      Tab. 12.5 Beispielhafte Wochenplanung von Kraft- und Wassereinheiten für eine Wettkampfzielstre-
cke von 200 m, für Schwimmer im Hochleistungstraining; mögliche Schlüsseleinheit im Wasser (SH) (nach
Fuhrmann et al. 2017, S. 65)

Uhrzeit Mo Di Mi Do Fr Sa So

08:00–10:00 Wasser Wasser Wasser Wasser Wasser Wasser

12 13:00–15:00 Kraft Beine reaktives Training Kraft Beine

18:00–20:00 Wasser Wasser SH Kraft Oberkörper Wasser SH Wasser Wasser SH

durch Überlastung bei hohen Schwimmumfän- der Zuglänge und/oder Erhöhung der Bewe-
gen zu minimieren, sollten Schwimmer die ge- gungsfrequenz führen. Das Anheben der Mus-
samte Saison über Krafttraining durchführen kelkraft der unteren Extremitäten weist auf eine
(Pelot und Darmiento 2012). Dabei ist es wichtig, mögliche Verbesserung der Start- und Wen-
die Anforderungen für das Krafttraining dem denabschnitte hin (Mujika und Crowley 2019).
Leistungsstand des Athleten im langfristigen
Leistungsaufbau und dem jeweiligen Saisonab- 12.1.4 Langfristiger
schnitt anzupassen. Eine temporäre Trennung Leistungsaufbau
von Kraft- und Ausdauertraining im Wasser
wird befürwortet, da sich somit die Effektivität Ericsson (1996) stellt heraus, dass bis zum An-
des jeweiligen Trainings erhöht (Lundberg et al. schluss an die Weltspitze mindestens zehn Jahre
2013). Fuhrmann et al. (2017) empfehlen dem- Training oder 10.000 Trainingsstunden notwen-
nach einen Mindestabstand von drei Stunden dig sind. Das Alter der sportlichen Höchstleis-
zum und nach dem Wasserstraining (. Tab. 12.5). tung im Schwimmsport wird bei den Frauen mit
Eine Zunahme der Muskelkraft der oberen 22 Jahren und bei den Männern mit 24 Jahren
Extremitäten kann zu einer Erhöhung der erreicht. Der Anschluss an die Weltspitze wird im
Schwimmgeschwindigkeit durch Verlängerung Alter von 16 (Frauen) bzw. 18 Jahren (Männer)
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
589 12

AK Bildungseinrichtung Entwicklungsstufe Ausbildungsetappe Kaderkreis Förderung


Klasse Einrichtung durch
4 Familie
Familie Vorschulalter
5 (Schwimmkurs) Verein
6
Kindergarten (frühes Kindesalter) GRUNDAUSBILDUNG Kindergarten
1
(Leistungsgruppe im
7
Verein)
2
8 Primärstufe frühes Schulkindalter GRUNDLAGENTRAINING Verein
3 (Grundschule) (SKA) (GLT)
9
LANDESKADER
4
10
5 Spätes SKA
11
D
6
ABT Landeskader
12
Pubeszens ABT D LSV (DSV)
7 Pubeszens
13 Sekundärstufe I D
D
8 (Gymnasium, D-C
14 Realschule, D-C
AST D
9 Hauptschule) D
15 D
AST C
10 D-C
Adoleszens
16 D-C
Adoleszens C-Übergang
11 C
17
C C-Übergang
12 Sekundärstufe II
DSV
18 (Gymnasium,
HOCHLEISTUNGSTRAINING C-Übergang B1
(13) Fachoberschule)
(HLT)
19
C-Übergang B2
frühes Erwachsenenalter
Studium (Beruf)
20
B1 A/B

..      Abb. 12.2 Etappen des langfristigen sportlichen ning (ABT), Anschlusstraining (AST) (nach Rudolph
Leistungsaufbaus in Zuordnung zu ontogenetischem et al. 2006, S. 8)
(AK) und schulischem Entwicklungsalter; Aufbautrai-

angestrebt (Rudolph et al. 2006). Demnach emp- fängen, besonders in den ersten beiden Jahren
fiehlt sich der Beginn des zielgerichteten und sys- des Grundlagentrainings, vorzuziehen (Ru-
tematischen langfristigen Leistungsaufbaus im dolph et al. 2006).
Schwimmsport mit der Einschulung im Alter von Da die körperliche Differenzierung von
6 oder 7 Jahren (. Abb. 12.2; Rudolph et al. 2006). Jungen und Mädchen nach dem neunten Le-
Das Grundlagentraining schließt sich der bensjahr einsetzt (Weineck 2010), werden ab
Grundausbildung, dem Erlernen des Schwim- dem Aufbautraining die Geschlechter getrennt
mens, an. Im Alter von 7–10 Jahren werden betrachtet. Das Aufbautraining kategorisiert
5–8 Trainingsstunden im Wasser und 2–4 das Alter bei Mädchen/Jungen zwischen 11/12–
Stunden mit Übungen an Land angestrebt (Ru- 13/14. Dabei werden die Trainingsstunden im
dolph et al. 2006). Der Trainingsumfang im Wasser mit 12–16 Stunden und an Land mit
Wasser pro Jahr wird mit 210–528 km empfoh- 5–6 Stunden erhöht (Rudolph et al. 2006). Der
len (Rudolph et al. 2006). Die Fertigkeitsaus- Jahresumfang des Wassertrainings beläuft sich
prägung mit einem lernorientierten Training hierbei auf 1150–1880 km (Rudolph et al. 2006).
steht in diesem Abschnitt an erster Stelle und In diesem Abschnitt stehen die Steigerung der
ist unbedingt der Realisierung von hohen Um- Belastungsumfänge zur Steigerung der Belas-
590 A. Ferrauti et al.

tungsverträglichkeit im Vordergrund sowie das


Aufrechterhalten einer hohen Bewegungsquali-
tät der schwimmtechnischen Fertigkeiten (Ru-
dolph et al. 2006). Beim Europäischen Olympi-
schen Jugendfestival (European Youth Olympic
Festival) können sich Mädchen im Alter von
13/14 und Jungen von 15/16 Jahren, nach vor-
ausgegangener Qualifikation, erstmals mit der
europäischen Konkurrenz messen.
Das Anschlusstraining beginnt mit Ab-
..      Abb. 12.3 IRONMAN Hawaii – aus einer verrückten
schluss der Pubertät und bereitet die Athleten Idee wird ein Massenphänomen
auf den Übergang in das Hochleistungstrai-
ning vor. Im Alter von 15/16 Jahren für von
Mädchen/Jungen wird das Wassertraining um anderes Rennformat annähernd so durchset-
eine Stunde pro Woche erhöht auf 17 und das zen wie der Triathlon. Auch wenn es bereits
Landtraining mit 6 Stunden pro Woche beibe- 1974 den Mission Bay Triathlon in San Diego
halten (Rudolph et al. 2006). Der Trainingsum- gab (Habenicht 1991), fand die eigentliche Ini-
fang im Wasser wird auf 2160 km im Jahr an- tialzündung viele Tausend Kilometer vom Fest-
gehoben (Rudolph et al. 2006). Mädchen im land entfernt mitten im Pazifik statt. Am
Alter von 14–17 Jahren und Jungen im Alter 18.02.1978 wurde auf Oahu (Hawaii) der erste
zwischen 15–18 Jahren können nach kriterien- IRONMAN gestartet . Abb. 12.3. Dabei wur-
bezogener Qualifikation an Jugendeuropa- den drei bestehende lokale Wettkämpfe mit-
meisterschaften, Olympischen Jugendspielen einander verwoben: Das 3,86 km lange Waiki-
und Jugendweltmeisterschaften teilnehmen. ki-Brandungsschwimmen, das 180,2 km
Radrennen Around Oahu und der Honolulu
Marathon mit 42,2 km. Der Name IRONMAN
Exkurs: Nachwuchssicherung im DSV
leitet sich von einem Ausspruch des Initiators,
12 Detaillierte Ausführungen zu Trainingsempfeh- John Collins, ab: „Who­ever finishes first, we’ll
lungen und gesamtgesellschaftlichen call him the Iron Man“. In diesem Unterkapitel
Besonderheiten im langfristigen Leistungsauf- wird der Fokus auf den unterschiedlichen Dis-
bau können in „Nachwuchskonzeption
tanzen, Disziplinen und dem jeweiligen Anfor-
Schwimmen. Vom Grundlagentraining bis zum
Anschlusstraining“ (Rudolph et al. 2006) derungsprofil liegen. Anschließend wird eine
nachgelesen werden. triathlonspezifische individuelle Wettkampf-
analyse und Leistungsdiagnostik vorgestellt.
Abschließend werden Hilfestellungen zur Er-
12.2 Triathlon stellung eines Trainingsplanes auf der Basis ei-
nes Anamnesebogens sowie weitere Informa-
Florian Hanakam tionen rund um die Trainingsplanung gegeben.

Mensch schwimmt – Mensch fährt Rad –


Mensch läuft
12.2.1 Wettkampfstruktur
Zusammenfassung
Seit mehr als 100 Jahren werden die drei Aus- Was als verrückte Idee mit 15 Teilnehmern und
dauersportarten Schwimmen, Radfahren und 12 Finishern begann, weitete sich vergleichs-
Laufen in unterschiedlicher Reihenfolge und weise schnell zu einem Massenphänomen mit
mit divergierenden Streckenlängen als Wett- weltweit mehreren Millionen Startern pro Jahr
kämpfe kombiniert. Jedoch konnte sich kein aus. In Deutschland fand der erste Triathlon in
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
591 12
Essen über die Distanz von 1 km Schwimmen, mehreren Wettkämpfen über ein Punktesystem
70 km Radfahren und 10 km Laufen im Jahr den deutschen Mannschaftsmeister. Innerhalb
1982 statt (Hottenrott et al. 2004). Nachfolgend der Bundesländer existiert ein mehr oder weni-
entwickelten sich immer weitere Rennformate. ger ausgeprägtes Ligasystem mit beispielsweise
Zudem wurden Organisationsstrukturen ge- ca. 300 Mannschaften und 14 unterschiedlichen
schaffen, indem die Deutsche Triathlon Union Ligen in Nordrheinwestfalen. Hinzu kommen
(DTU), die Europäische Triathlon Union Formate für Kinder und Jugendliche.
(ETU) und der Weltverband Internationale Alternativ werden auch Rennformate wie
Triathlon Union (ITU) gegründet wurden. der Wintertriathlon (Crosslaufen, Mountain-
Diese richten nationale und kontinentale Meis- biken, Skilanglauf) und Duathlon (Laufen,
terschaften sowie Weltmeisterschaften über je- Radfahren, Laufen) angeboten.
weils unterschiedliche Distanzen aus. Seit dem
Jahr 2000 wurde Triathlon in den olympischen
Kanon aufgenommen. Die olympische Distanz 12.2.2 Belastungs- und
wird für Männer und Frauen über die Distan- Beanspruchungsprofil
zen von 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren
und 10 km Laufen ausgetragen. Der Start findet Ausgehend von der Langdistanz des IRON-
als Massenstart statt, und auf der Radstrecke ist MAN haben sich im Laufe der Jahre viele un-
das Windschattenfahren (Drafting) erlaubt. Ab terschiedliche Streckenlängen mit festgelegten
2021 wird bei den Olympischen Spielen zudem Bezeichnungen etabliert (. Tab. 12.6). Aber
der Wettkampf als Team-Relay ausgetragen, auch innerhalb eines Rennformats variieren
wobei jeweils zwei Frauen und zwei Männer die jeweiligen Distanzen zum Teil erheblich
nacheinander über sehr kurze Distanzen (Su- und sind weitaus weniger stark reglementiert
persprint) an den Start gehen. als in der Leichtathletik. Das hat zum Teil er-
Der Teamgedanke spielt auch bei Liga-­ hebliche Auswirkungen auf die Gewichtung
Wettbewerben eine große Rolle. In Deutschland der jeweiligen Teildisziplinen und folglich auf
etablierte sich bereits früh ein ausgeprägtes Li- das Belastungs- und Beanspruchungsprofil.
gasystem. Die Triathlon-Bundesliga ermittelt in

..      Tab. 12.6 Häufig verwendete Rennformate mit den dazugehörigen Wettkampfdistanzen im Triathlon,
wobei das Rennformat Supersprint in der Regel als Team-Relay stattfindet

Supersprint Sprintdistanz Olympische Distanz Mitteldistanz Langdistanz

Abkürzungen SD OD/KD MD LD/IM

Synonyme Volksdistanz Kurzdistanz 70.3 IRONMAN

Strecken in km

Schwimmen 0,25 0,75 1,5 1,9 3,86

Radfahren 8 20 40 90 180,2

Laufen 1,5 5 10 21,1 42,2

Belastungs-
dauer in
Stunden

Elite Männer 0:18 0:50 1:45 < 3:45 < 8:00

Elite Frauen 0:20 0:55 2:00 < 4:15 < 9:00


592 A. Ferrauti et al.

So existieren Wettkämpfe mit zeitlich ähn- Bedeutung zusätzlich erhöht, weil anschlie-
licher Schwimm- (1 km) und Laufdistanz ßend in einem Pulk gefahren wird und der An-
(10 km), die sich um den Faktor 2,5 beim Rad- schluss an eine der vorderen Gruppen nicht
fahren unterscheiden (40 km vs. 100 km). verpasst werden darf.
Häufig wird bereits mit der Bezeichnung ein Gegenüber dem Beckenschwimmen findet
Bezug zur Streckenlänge hergestellt, wie zum Triathlon häufig in freien Gewässern statt, so-
Beispiel 226 (Gesamtstrecke auf der Langdis- dass besondere Fähigkeiten wie die Orientie-
tanz in Kilometern), IRONMAN 70.3 (Ge- rung, das Schwimmen mit Wellengang, Kör-
samtsumme der Mitteldistanz in Meilen) oder perkontakt bei Positionskämpfen und das
111 (1 km Schwimmen, 100 km Radfahren, Umschwimmen von Bojen nötig werden. Zu-
10 km Laufen). dem sollte der Wasserschatten seitlich neben
Das Beanspruchungsprofil einer Ausdauer- einem Mitschwimmer oder direkt hinter ei-
sportart kann insbesondere bei Individual- nem Konkurrenten ausgenutzt werden. Als
sportarten gut über die Belastungsdauer be- Technik der Wahl wird auf hohem Leistungs-
schrieben werden. Nachfolgend wird zunächst niveau ausschließlich das Kraulschwimmen
die Gesamtbelastungsdauer betrachtet, bevor verwendet. Die Vorteile der Kraultechnik lie-
auf jede Einzeldisziplin und die Disziplinwech- gen in der Schonung der Beine und dem Vor-
sel eingegangen wird. teil, dass es die schnellste Schwimmart ist.
Weil selbst die kürzesten Distanzen im
Wettkampf knapp unter einer Stunde dauern, Spezielle Anforderungen des Radfahrens Der
erfordert der Triathlon eine gute Langzeitaus- zeitliche Anteil des Radfahrens kann beim Tri-
dauer. Die einzige Ausnahme bildet derzeit athlon 50 % und mehr betragen. Erhebliche
noch der Supersprint, der im Rahmen des Unterschiede des Anforderungsprofils bestehen
Team-Relay ausgetragen wird. Dass die Aus- zwischen Rennen mit und ohne Windschat-
dauerleistungsfähigkeit von hoher Bedeutung tenfreigabe. Rennen mit Windschattenfrei-
ist, belegen Miura et al. (1997). Demnach kor- gabe ähneln eher dem Radsport: Neben guter
reliert die maximale Sauerstoffaufnahme Ausdauerleistungsfähigkeit müssen Renntaktik,
12 (V̇O2 max) mit der Wettkampfleistung. Bei sehr Kurventechnik, das Fahren im Pulk und die To-
langen Distanzen sind offensichtlich andere leranz von Belastungsspitzen beherrscht wer-
Faktoren von höherer Bedeutung, denn Slei- den. Bei allen Rennen mit Windschattenverbot
vert und Rowlands (1996) wiesen nach, dass entspricht das Radfahren einem mehr oder we-
der Zusammenhang zwischen Wettkampfer- niger langen Zeitfahren. Von besonderer Bedeu-
gebnis und V̇O2 max mit zunehmender Stre- tung ist die Tatsache, dass nach dem Radfahren
ckenlänge abnimmt. Hier scheinen die Bewe- noch das Laufen erfolgt. Dementsprechend
gungsökonomie bei deutlich submaximaler muss eine optimale und nicht maximale Rad-
Belastung (O’Toole und Douglas 1995), der leistung erbracht werden. Es empfiehlt sich, die
mentale Aspekt (Gjerdingen 2013), die Pa- vortriebswirksame Laufmuskulatur beim Rad-
cing-Strategie (Wu et al. 2014) und die Ernäh- fahren, wie zum Beispiel die Wadenmuskulatur,
rungsstrategie (Jeukendrup 2017) eine wichti- so gut wie möglich zu schonen. Das wird durch
gere Rolle zu spielen als die maximale geringfügige Veränderungen der Fußstellung
Sauerstoffaufnahme. auf dem Pedal gegenüber dem normalen Rad-
sport erreicht. Ein weiterer Unterschied zum
zz Spezielle Anforderungen des Schwimmens Radsport ist die Bedeutung der Beweglichkeit.
Das Schwimmen ist mit dem geringsten Anteil Um eine möglichst aerodynamische Position auf
an der Gesamtzeit des Triathlons beteiligt, be- einem Zeitfahrrad einnehmen zu können, wird
sitzt jedoch erheblichen Einfluss auf das ge- die Stirnfläche verkleinert. Um dem Wind we-
samte Rennen (Laursen et al. 2000). Bei allen nig Angriffsfläche zu geben, wird der Oberkör-
Rennen mit Windschattenfreigabe wird die per stark vorgeneigt und die Schultern werden
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
593 12
aktiv nach innen geführt. Das erfordert eine er- Laufen, weil mehr Handlungsabläufe simultan
hebliche Flexibilität, aber auch eine gute Stabili- und sukzessiv erfolgen. Demgegenüber löst
tät des unteren Rückens, der Hals- und Brust- der zweite Wechsel häufig größere Probleme
wirbelsäule. bezüglich der Motorik aus und nimmt somit
großen Einfluss auf die Leistung. Es zeigte sich
Spezielle Anforderungen des Laufens Die in Studien, dass insbesondere ungeübte Athle-
Laufzeit entspricht relativ unabhängig von der ten nach erfolgtem Wechsel zum Laufen deut-
jeweiligen Distanz ca. einem Drittel der Gesamt- liche Probleme haben, eine angemessene Ge-
belastungsdauer. Im olympischen Triathlon schwindigkeit zu realisieren. Ursächlich ist
kommen häufig große Gruppen in die zweite eine Abweichung von dem individuell optima-
Wechselzone. Anschließend beginnt ein langer len Verhältnis zwischen Schrittlänge und
Ausscheidungswettkampf, der nicht selten erst Schrittfrequenz festzustellen (Neumann et al.
auf der Zielgeraden entschieden wird. Somit er- 2004). Nach längerer Belastung in hockender
fordert der Triathlon durchaus auch ein hohes Position auf dem Rad fällt die Aufrichtung
Stehvermögen und Spurtfähigkeiten. Bei den beim Laufen schwer. Von außen betrachtet
längeren Distanzen, wie Mittel- und Langdis- „sitzt der Athlet“ beim Laufen, wodurch die
tanztriathlon, wird angestrebt, dass es möglichst wichtige Hüftstreckung fehlt. Hier setzt das so-
lange zu keiner Verringerung der Laufgeschwin- genannte Koppeltraining an. Durch entspre-
digkeit kommt. Dafür müssen Energieflussra- chendes Training sollen spezifische Fertigkei-
ten, Flüssigkeits- und Mineralstoffaufnahmen ten in Bezug auf die Energiebereitstellung und
über mehrere Stunden realisiert werden. muskuläre Arbeitsweise erzielt werden (Neu-
mann et al. 2004).
Anforderungen an den Disziplinwechsel –
­Koppel- und Wechseltraining Triathlon wird
Praxistipp: Koppeltraining und Wechsel-
häufig als Addition von Schwimmen, Radfahren training
und Laufen bezeichnet. Dabei kann auf Grund
der Verbundenheit der Disziplinen inklusive der In der Praxis kann beim Koppeltraining
Wechsel eher von einer Integration von Teilleis- zwischen dem Radfahren und dem Laufen
tungen gesprochen werden (Neumann et al. durchaus eine kurze Pause mit Kleidungs-
2004). Trotz einer relativ kurzen Gesamtdauer wechsel erfolgen, um nicht mit der Rad-
der beiden Wechsel (Schwimmen → Radfahren hose laufen zu müssen.
und Radfahren → Laufen) können diese renn- Beim Wechseltraining werden einzelne
entscheidend sein und die Gesamtleistung im Handlungsabläufe auch isoliert geübt, wie
Triathlon erheblich beeinflussen. zum Beispiel das Schieben des Rades
Zu Verwirrung führen die Bezeichnungen durch einen Parcours. Üblich sind auch
Koppeltraining und Wechseltraining. Dabei sich mehrfach wiederholende Wechsel
beschreibt das Wechseltraining den eher tech- zwischen zwei Disziplinen. Dabei kann der
nischen Anteil des Wechsels. Hierzu zählen im Wettkampf wichtige Wechsel mit
zum Beispiel das Wissen um den genauen Ab- höherer Geschwindigkeit erfolgen:
lauf der Wechsel inkl. Regelkunde, die Fähig- 2 km Rad → schneller Wechsel → 1 km
keit, den Neoprenanzug möglichst schnell aus- Lauf → entspannter Wechsel → 2 km Rad
zuziehen, das Rad zu schieben und die → schneller Wechsel → 1 km Lauf …
Laufschuhe anzuziehen. Diese Abläufe müssen Zudem kann zum Beispiel jeweils eine
möglichst automatisiert werden, damit sie Minute vor und nach dem Wechsel mit der
auch unter hohem Stress im Wettkampf schnell angestrebten Wettkampfgeschwindigkeit
und reibungslos ablaufen. Der Wechsel vom agiert werden, um eine höhere Wett-
Schwimmen zum Radfahren ist häufig kom- kampfspezifität zu erreichen.
plexer als der Wechsel vom Radfahren zum
594 A. Ferrauti et al.

Der Wechsel vom Schwimmen zum Fahrrad- jektive Analysen. Als subjektive Beurteilung
fahren verursacht bei den meisten Athleten bietet sich eine retrospektive Betrachtung des
weitaus weniger Probleme. Lediglich der Lage- Wettkampfes an – möglichst in chronologi-
wechsel von der Bauchlage beim Kraulschwim- scher Reihenfolge, stichpunktartig oder als
men in den aufrechten Stand führt aufgrund Fließtext. Das kann wie folgt aussehen:
der Volumenumverteilung des Blutes in Rich- 55 Vor dem Start: Verpflegung wie üblich:
tung der Beine zur orthostatischen Hypotonie helles Brötchen mit Marmelade 90’ vor
und den damit verbundenen Schwindelgefüh- Start, letztes Iso-Getränk 20’ vor Start.
len und Gangunsicherheiten. Deshalb ist es Gewöhnliche Aufregung. Einschwimmen
sinnvoll, das schnelle Verlassen des Wassers zu war vor Ort nicht erlaubt, deshalb die
trainieren, um sich daran zu gewöhnen. Ein übliche Routine mit Armgymnastik.
häufiges Koppeltraining Schwimmen → Rad- 55 Schwimmen: Weit rechts gestartet. Schnell
fahren ist ansonsten eher unüblich. und gut in den Rhythmus gekommen.
Sowohl im Ausdauersport als auch in den Bojen alle gut getroffen. Ab ca. km 3
Mehrkampfdisziplinen (Moderner Fünfkampf, leichter Einbruch → bin ab da viel überholt
Siebenkampf, Zehnkampf) sind hohe Trainings- worden. Am Ende fehlten die Motivation
umfänge notwendig, um Spitzenleistungen er- und die Kraft, um das Tempo weiter hoch
bringen zu können. Triathlon, als Ausdauermehr- zu halten. Atmung fast durchgängig 2er
kampf, erfordert sehr hohe Trainingsvolumina. nach rechts. Delphinsprünge vor Ausstieg
Eine entsprechend hohe Anzahl von ca. 1500 erst sehr spät begonnen, insgesamt gut.
Trainingsstunden pro Jahr bzw. 30 Wochenstun- 55 T1: Wechselzone war sehr lang → Neo ca.
den wird im Spitzenbereich absolviert 500 m zu gelassen, um schneller laufen zu
(. Tab. 12.7). Auf der Langdistanz werden ten- können. Socken angezogen, weil sandige
denziell weniger Trainingseinheiten pro Woche, Füße, wollte mir keine Blasen in den
aber dafür höhere Gesamttrainingsumfänge ab- Radschuhen holen.
solviert als auf der olympischen Distanz. Mit Aus- 55 Rad: ….
nahme der Saisonpause trainieren Triathleten der 55 T2: ….
12 Spitzenklasse täglich mindestens zwei Disziplinen 55 Lauf: ….
(Pfaff 2011).
Parallel dazu empfiehlt sich eine objektive
Analyse, die die jeweiligen Einzelleistungen
12.2.3 Wettkampfanalyse und berücksichtigt. Ebenfalls zu empfehlen ist ein
Leistungsbeurteilung mathematischer Ansatz: Die eigene Leistung
wird mit einem Mittelwert aus den Leistungen
Wettkampfanalysen sind ein probates Hilfsmit- der fünf besser Platzierten und fünf schlechter
tel, um ein individuelles Stärken-­Schwächen- platzierten Athleten verglichen. Die jeweilige
Profil abbilden zu können (7 Abschn. 3.2). Differenz zwischen den Disziplinen sollte in
Hilfreich sind sowohl subjektive als auch ob- Prozent und absoluter Zeit angegeben werden.

..      Tab. 12.7 Trainingsumfänge und Trainingsdauer bei einem Triathleten der Weltspitze

Schwimmen (km) Radfahren (km) Laufen (km) Athletiktraining (h)

Jahresleistung 1200–1500 20.000–25.000 4500–5500 300–400

Wochenleistung 24–30 400–500 91–112

h/Woche 8–10 13–17 6,5–8 6–8


Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
595 12

Schwimmen Rad Laufen

NN 00:59:47 05:03:17 03:32:10

Gesamtzeit 09:35:14

03:30 min. 08:57 min. 03:56 min.


(–6,2 %) (2,9 %) (–1,9 %)

Mittelwerte +5 & –5 00:56:17 05:12:14 03:28:14

Gesamtzeit 09:36:45

0:00 1:12 2:24 3:36 4:48 6:00 7:12 8:24 9:36

..      Abb. 12.4 Wettkampfanalyse einer Triathletin der nen differenziert nach Einzeldisziplinen. Die individu-
nationalen Spitzenklasse auf der Langdistanz (NN) mit elle Stärke liegt auf der Radstrecke
den jeweils fünf vor und nach ihr platzierten Athletin-

Eine vermeintliche Schwimmschwäche auf der werden muss (7 Box. 12.1). In der eigenen Pra-
Langdistanz fällt prozentual vielleicht sehr xis der Athletenbetreuung im Zentrum für
groß aus, macht anteilig an der Gesamtzeit Diagnostik und Intervention (ZeDI) der Fa-
aber nur wenig aus (. Abb. 12.4). kultät für Sportwissenschaft an der Ruhr Uni-
versität Bochum werden zusätzliche Fragebö-
12.2.4 Trainingssteuerung gen verwendet, um wichtige Basinformationen
zur Erstellung eines Trainingsplanes zu bün-
Die Erstellung eines Trainingsplans nach dem deln (. Abb. 12.5). Erst in der synoptischen
Prinzip „one size fits all“ funktioniert im Tri- Betrachtung dieser Angaben mit individuellen
athlon nicht. Training und Trainingspläne soll- Wettkampfanalysen und klassischen leistungs-
ten so individuell wie ein Fingerabdruck sein. diagnostischen Befunden (Informationen zur
Welche Faktoren die Trainingsplanung beein- Fahrrad- und Laufbandergometrie sind
flussen, wird durch den nachfolgenden Fra- 7 Abschn. 3.4 zu entnehmen) ergibt sich ein
genkatalog deutlich, der zuvor im Rahmen ei- Gesamtbild, aus dem ein individualisierter
ner Anamnese vom Athleten beantwortet Trainingsplan erstellt werden kann.

Box 12.1 Fragenkatalog im Sinne eines Anamnesebogens zur Individualisierung der


Trainingssteuerung im Triathlon
55 Welches Trainings-Motiv besitzt der 55 Welche Anthropometrie liegt vor (Größe,
Athlet? Gewicht, Körperbau, Muskel-/Fett-
55 Welche kurz- und langfristigen Ziele masse)?
bestehen? 55 Wie ist die familiäre Situation?
55 Welche Wettkämpfe sollen bestritten 55 Welche klimatischen Verhältnisse beste-
werden? hen am Wohnort?
596 A. Ferrauti et al.

55 Wie ist das momentane Leistungsniveau 55 Wie ist die berufliche Situation (körper-
(differenziert nach Disziplinen)? liche Belastung, Arbeitszeiten etc.)?
55 Wie ist das Leistungsniveau der anderen 55 Wie ist die Ernährungssituation (Alltag,
sportmotorischen Fähigkeiten (Kraft, Ko- Wettkampf )?
ordination, Flexibilität und Schnelligkeit)? 55 Wie erfolgt die Trainingssteuerung bis-
55 Wie ist die sportliche Biografie/Anzahl lang?
der Lebenstrainingsjahre? 55 Wie ist die Materialausstattung (Road-
55 Bestehen gesundheitliche Probleme (or- bike, Zeitfahrrad, MTB, Rollentrainer/Er-
thopädisch, internistisch, viral, ….)? gometer, Uhr, Wattmesssystem, Kraftge-
55 Welcher zeitliche Aufwand in h/Woche ist räte/Fitnessstudio etc.)?
durchschnittlich und maximal realistisch? Werden Trainingslager geplant?
55 An welchen Wochentagen kann welche
Disziplin trainiert werden?

RUB
..      Abb. 12.5 Aus-
zug aus einem ZeDI
Zentrum für Diagnostik
RUHR
UNIVERSITÄT
BOCHUM
und Intervention im Sport
Fragenkatalog zur
Erfassung Trainingsberatung Triathlon
wichtiger
Name Datum
Informationen zur
Erstellung eines Vorname
Trainingsplans im
Verein
Triathlon
Triathlon seit

Ziele
12 2023
2022
2021
2020

Bestleistungen
20 km 40 km 90 km 180 km
Rad

5 km 10 km 21 km 42 km 100 km
Lauf

100 m 200 m 400 m 500 m 1 km 1,5 km 2 km 3,8 km


Schwimmen

Gesundheit

Erkältungskrankheiten

Beweglichkeit

Orthopädie

Menses

Sonstiges
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
597 12
12.3 Basketball Beanspruchung des kardiopulmonalen Systems
und des laktaziden Muskelstoffwechsels ist
Hubert Remmert und Christoph Schneider hoch. Die Leistungssteuerung orientiert sich so-
wohl am objektiven Belastungs- als auch am
Basketball is a game easy to play and difficult subjektiven Beanspruchungsprofil.
to master. Seit 2007 etabliert sich der dem Streetbas-
ketball ähnliche Ableger „3 × 3-Basketball“ als ei-
gene Wettkampfdisziplin und wird bei den Olym-
Zusammenfassung
pischen Spielen 2020 vertreten sein. Das Spiel 3
Im 1949 gegründeten Deutschen Basketball
gegen 3 weist aufgrund der auf 12 Sekunden be-
Bund (DBB) sind zurzeit etwa 200.000 Aktive,
grenzten Angriffszeit und der Orientierung auf
davon knapp ein Viertel Mädchen und
nur einen Korb eine eigene Belastungs- und Be-
Frauen, in 16 Landesverbänden mit ihren
anspruchungsstruktur auf, die sich deutlich vom
2000 Vereinen organisiert. Basketball ist be-
5-gegen-5-Basketball unterscheidet.
sonders bei den unter 18-Jährigen beliebt
und mit positiven Attributen wie „dyna-
misch“, „fair“ und „kämpferisch“ besetzt, das
Spiel auf zwei Körbe zählt in der Schule seit 12.3.1 Belastungs- und
langer Zeit zu den beliebtesten Sportarten. Beanspruchungsprofil
Basketball wurde 1891/92 vom Kanadier
James Naismith am YMCA-College in Spring- Basketball als Wettkampfspiel setzt anspruchs-
field, Massachusetts (USA), als Alternative volle technomotorisch-physiologische Grund-
zum American Football erfunden. Das neue lagen voraus und fordert als Teamsport beson-
Spiel zeichnete sich insbesondere durch das dere sozialpsychologische Dispositionen ein.
Gebot, Körperkontakt zu vermeiden und die Es ist weltweit eines der schnellsten Sportspiele
neuartigen, horizontal über Sprunghöhe an- und verlangt Entscheidungsfindungen unter
gebrachten Ziele aus und verbreitete sich ra- hohem psychophysischem Druck. Taktische
sant über die ganze Welt. Heute sind in der Aufgaben sind grundsätzlich von allen Spielern
FIBA (Fédération Internationale de Basket- zu bewältigen, die Funktionsaufteilung ist nicht
ball) 213 nationale Verbände sowie u. a. der so ausgeprägt wie zum Beispiel im Fußball.
Internationale Rollstuhl Basketball Verband Wissenschaftliche Spielanalysen (Spielbe-
(IWBF) und der Gehörlosen Basketball Ver- obachtung und Monitoring) liefern die physio-
band (DIBF) organisiert. Die Leistungsanfor- logisch bedeutsamen Fakten zu den so umris-
derungen im Basketball sind zum aufgrund senen Spielhandlungen (u. a. McInnes et al.
ihrer Heterogenität und Komplexität je nach 1995; Ferrauti und Remmert 2003; Schmidt
Geschlecht, Altersgruppe und Spielniveau nur ein- und von Benckendorf 2003; Schmidt und
geschränkt darstellbar. Die technisch-taktischen, Braun 2004; Ben Abdelkrim et al. 2006; Papa-
athletischen und psychischen Leistungsvoraus- dopoulos et al. 2006; Matthew und Delextrat
setzungen manifestieren sich in einer individuell 2009; Schnittker et al. 2009; Puente et al. 2017;
sehr spezifischen Spielleistungsfähigkeit. Auf Stojanović et al. 2018):
hohem Niveau erfordert das Basketballspiel eine 55 Die Bruttospielzeit beträgt im Mittel
intervallförmige Ganzkörperaktivität von be- zwischen 80 und 90 min.
achtlicher Gesamtdauer. Intensive (v. a. Lauf- 55 Das durchschnittliche Belastungs-Pausen-­
und Sprung-)Belastungen von wenigen Sekun- Verhältnis liegt zwischen 2:1 und 1:2. Die
den bis im Ausnahmefall mehreren Minuten absolut meisten Belastungen dauern 2 bis
Dauer werden dabei durch regelbedingte Pau- 3,5 s, Spielunterbrechungen (ohne
sen (Viertel- und Halbzeitpausen, Auszeiten, Viertel- und Halbzeitpausen) zum Teil
Freiwurf- und Einwurfpausen) unterbrochen, die deutlich länger (1,5 bis 150 s).
598 A. Ferrauti et al.

55 89 % aller Angriffe (im Durchschnitt ca. hohen anaerob-laktaziden Anteile an der


95 Angriffe pro Mannschaft) werden Energiebereitstellung viel Energie. Ein
innerhalb der ersten 20 s mit einer 95 kg schwerer Spieler verbrauchte schon
Erfolgsquote von etwa 50 % abgeschlossen. vor über 20 Jahren im Wettkampf 14 kcal/
Spätere Abschlüsse sind signifikant min und im Training 13,1 kcal/min
erfolgloser. (McArdle et al. 1996), von den Sportspie-
55 Spieler legen bei bis zu 6 km Gesamtlauf- len war nur Eishockey beanspruchender
strecke 150 m/min zurück, davon etwa (15,1 kcl/min). Eine spürbare Gewichtsre-
15 m in tiefer Verteidigungshaltung. 24 % duktion von bis zu 0,29 g/kg/min Spielzeit,
der Gesamtlaufstrecke werden im Gehen die sich zum größten Teil auf Flüssigkeits-
und langsamen Laufen zurückgelegt, 62 % verluste zurückführen lässt, geht damit
im mittelintensiven Laufen, 14 % im einher. Ein 90 kg schwerer Spieler verliert
Sprint. bei 40 min Einsatzzeit bis zu 3 kg Körper-
55 Sprints dauern im Mittel 1,7 s. Im Spiel gewicht (Bösing et al. 2019 nach Hagedorn
werden bis zu 100 Kurzsprints ausgeführt. et al. 1996).
55 Durchschnittlich werden pro Spiel und 55 Herzfrequenz: Für Spitzenspieler werden
Spieler 1050 Sprint-, Sprung-, Lauf-, Geh- Maximalherzfrequenzwerte von 170 bis
und Steh-Aktionen (mit und ohne Ball) 193 s/min angegeben, die mittlere Herzfre-
unterschiedlichster Intensitäten ermittelt, quenzbelastung variiert über die Spiel-
Wechsel der Bewegungsformen erfolgen dauer zwischen 160 und 185 s/min. Damit
alle 2 s. Spielerinnen erreichen etwa zwei wird die maximale Herzfrequenz bis zu
Drittel dieser Aktionsdichte. 95 % ausgeschöpft (Puente et al. 2017).
55 Jeder Spieler absolviert in 40 min 45 50 % der Herzfrequenzwerte liegen im
Maximalsprünge bei Würfen, Rebounds submaximalen Intensitätsbereich von 161
und Verteidigungsaktionen (Center: 49, bis 180 s/min, etwa 25 % noch darüber
Aufbau- und Flügelspieler: 41). (. Abb. 12.6). Im Wettkampf liegen die
durchschnittlich ermittelten Herzfrequen-
12 Das subjektive Belastungsempfinden der Spie- zen etwa 20 Schläge höher als im Training,
ler hängt von den situativen Anforderungen was einerseits die Bedeutung der psychi-
ab. Äußere Umstände (Spielstand, Freund- schen Beanspruchung im Wettkampf
schafts- oder Punktspiel, Heim- oder Aus- unterstreicht, andererseits die Bereitschaft
wärtspartie, Saison- oder Play-Off-­Begegnung, von Basketballspielern zu intensiven
Bedeutung des Spiels für Auf- oder Abstieg Trainingsanstrengungen infrage stellt
etc.) prägen die personeninterne psycho- (Zimmermann et al. 2006).
physische Verarbeitung und tragen erheb- 55 Laktatkonzentration: Im modernen Spiel
lich zur inneren Beanspruchung der Spieler müssen durchschnittlich 5–6 mmol/l
bei, was bei einer sinnvollen Trainingssteue- Laktat im Blut über die gesamte Spieldauer
rung und langfristigen Vorbereitung von toleriert werden, kurzzeitige Spitzenbelas-
Nachwuchssportlern berücksichtigt werden tungen von bis zu 13,2 mmol/l bei
muss. Die objektiven Anforderungen lassen Männern und 11,8 mmol/l bei Frauen sind
zunächst die Ableitung der wünschenswer- dabei nicht selten (Metcalfe et al. 1999;
ten Ausprägungen wichtiger Fähigkeits- und Rodríguez-Alonso et al. 2003; Ben
Fertigkeitsbereiche zu. Jedoch erlaubt erst Abdelkrim et al. 2006; Matthew und
die Kenntnis der konkreten Belastungswir- Delextrat 2009; Castagna et al. 2011).
kungen die Ansteuerung von Trainingszie- Bereits bei 15-jährigen regionalen Aus-
len über entsprechende Trainingsmethoden: wahlspielern liegen über 40 % der unmit-
55 Energieverbrauch und Flüssigkeitsverlust: telbar nach Auswechslungen erhobenen
Basketballspieler benötigen aufgrund der Messwerte oberhalb der 4-mmol-Schwelle
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
599 12

50 47,47
45,2
45

40

35
Prozent aller Werte

30

25
21,1
20 17,7 18,35

15 12,9
10 8,4 8,83
6,45
5 4,27 3,39 4,18
0,08 0,08
0
0 1 2 3 4 5 6 7
<120 121–140 141–160 161–180 181–190 191–200 >200

Intensitätsbereich der HF

..      Abb. 12.6 Prozentuale Anteile der Herzfrequenz spieler (Bösing et al. 2019; mod. nach Zimmermann
(HF) in sieben Intensitätsbereichen während zweier et al. 2006, S. 294)
Trainingsspiele (blau, rot), 15-jähriger Basketball-

(Empfehlungen für Trainingsintensitäten weise hohe Glukose- und niedrige


an der 4-mmol-Schwelle von Spitzenbas- FFA-Spiegel als Indizien einer höheren
ketballspielern liegen nach Sallet et al. anaeroben Beanspruchung auf (Ben
(2005) bei 4,3 bis 4,6 m/s). Die durch- Abdelkrim et al. 2009).
schnittlichen Laktatkonzentrationen fallen
in der zweiten Halbzeit bis zum Ende des
Spiels ab (Zimmermann et al. 2006; zz Anforderungen an Spielpositionen
. Abb. 12.7). Basketball zeichnet sich einerseits durch eine
55 Konzentrationsverläufe im Blut von Differenzierung zwischen den möglichen Spiel-
Alanin (nichtessentielle Aminosäure, die positionen aus (Remmert 2009), anderseits
am Pyruvatabbau beteiligt ist), Blutglu- aber auch dadurch, dass überdurchschnittlich
kose, Ammoniak, Harnstoff und Harn- gute Spieler mehrere Positionen effektiv ausfül-
säure sowie Glycerin und FFA (freie len können. Idealerweise beherrschen alle Spie-
Fettsäuren) belegen einerseits die nen- ler auch positionsfremde technisch-­ taktische
nenswerte Beteiligung der laktaziden Grundlagen, um individuelle Vorteile im 1 ge-
Energiebereitstellung im Basketball, gen 1 ausnutzen zu können.
andererseits die höhere Intensität des Aufbauspieler (Point Guards) sind die
Wettspiels gegenüber Trainingseinheiten Spielgestalter ihrer Teams und müssen neben
(Dorsch et al. 1995). Auch eine differen- eigenem Scoring vor allem ihre Mitspieler ein-
zierte Beanspruchung nach Spielpositio- setzen. Technisch sind Pass-, Dribbel- und
nen lässt sich dokumentieren: So weisen Distanzwurfqualitäten gefragt, konditionell
Aufbauspieler am Spielende vergleichs- sind Aufbauspieler aufgrund ihrer häufig lan-
600 A. Ferrauti et al.

6
Laktat (mmol/l)

4
Messzeitpunkte
3 0 = Ruhe
1 = Aufwärmen
2 2 = nach 1. Viertel
3 = nach 2. Viertel
4 = nach 3. Viertel
1 5 = nach 4. Viertel
6 = 3 min nach Spielende
0
1. Viertel 2. Viertel 3. Viertel 4. Viertel
0 1 2 3 4 5 6
Messzeitpunkt

12 ..      Abb. 12.7 Durchschnittliche Laktatkonzentratio-


nen bei Spielunterbrechungen und Einzelwerte nach
Basketballspieler (Bösing et al. 2019, mod. nach
Zimmermann et al. 2006, S. 295)
Auswechslungen im Trainingsspiel 15-jähriger

gen Einsatzzeiten von einer hervorragenden Physis (Körpergröße und -gewicht) auch zu
spielspezifischen Ausdauer abhängig. Flügel- den Haupt-Reboundern ihres Teams macht.
spieler prägen das Spieltempo und die damit Taktisch werden Centerspieler im modernen
verbundenen Möglichkeiten von Schnellan- Basketball auch für Blocksituationen auf Höhe
griff und Schnellangriffsverteidigung, sie legen der 3-Punkte-Linie genutzt. Der Power For-
die meisten längeren Wege mit hohen Intensi- ward ist der variablere und agilere Spieler von
täten zurück. Der Shooting Guard ist i. d. R. der beiden, der auch über gute Distanzwurf- und
beste Distanzwerfer seines Teams, der Small Passfähigkeiten verfügen muss. Der „echte“
Forward agiert auch in Korbnähe und profi- Center agiert fast ausschließlich am Zonen-
tiert dabei von einer gut ausgeprägten Maxi- rand mit dem Rücken zum Korb.
mal- und Schnellkraft. Centerspieler besetzen
im Angriff die Räume unmittelbar am Korb
und agieren häufig mit dem Rücken zu diesem, 12.3.2 Konditionelle
wofür sie über ein spezifisches Repertoire an Leistungsstruktur
technisch-taktischen Fertig- und Fähigkeiten
verfügen. Sie müssen sich vor allem physisch Basketballspieler verfügen über besondere
durchsetzen. Ihren Athletikschwerpunkt bildet Ausdauer-, Kraft- und Schnelligkeitsfähig-
die Maximalkraft, die sie bei entsprechender keiten. Die Anforderungen an die nur
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
601 12
schwer fassbare motorische Mischeigen- Antritten, Richtungswechseln und Sprüngen,
schaft Schnellkraftausdauer sind hoch – für wodurch der enge Bezug zu Schnell- und Ex-
Trainingspraktiker eine enorme Herausfor- plosivkraft deutlich wird. Zyklische Schnel-
derung. ligkeit und Schnelligkeitsausdauer sind weni-
Die spezifische Ausdauerfähigkeit des Bas- ger bedeutend. Leistungslimitierend ist eher
ketballspielers wird von Neumann (1990, S. 165) die Fähigkeit, die azyklischen Bewegungsan-
durch den Begriff der „azyklischen Langzeitaus- forderungen über die Gesamtspielzeit hinweg
dauer mit Intervallcharakter“ gekennzeichnet. mit hoher Intensität ausführen zu können:
Dabei ist eine hinreichend ausgeprägte aerobe die bereits erwähnte Schnellkraftausdauer.
Grundlagenausdauer zur Sicherung kurz-, mit- Im Zusammenhang mit Technik und Taktik
tel- und langfristiger Regenerationsfähigkeit ge- ist die Entwicklung der spezifischen Hand-
nauso leistungswirksam wie die spielspezifische, lungsschnelligkeit wichtigstes Trainingsziel.
eng mit den Schnelligkeitsfähigkeiten verbun- Die Beweglichkeitsfähigkeiten werden im Bas-
dene anaerob-­ alaktazide und laktazide Kurz- ketball auf durchschnittlich sportlichem Ni-
zeitausdauer. Die Bedeutung der Kraftfähigkei- veau beansprucht. Ein gezieltes Beweglich-
ten wird für den Basketballspieler schon bei keitstraining ist immer dann notwendig,
oberflächlicher Betrachtung des Spielgesche- wenn zu geringe Bewegungsamplituden die
hens offensichtlich. Sprünge, Antritte, Rich- Bewältigung der technisch-taktischen Bewe-
tungswechsel, Stopps und Positionskämpfe sind gungsanforderungen zu behindern drohen.
ohne gut ­entwickelte Kraftfähigkeiten nicht zu Problembereiche bei Nachwuchsspielern sind
realisieren. Zur Sicherung von Belastungsver- meist die Hüft- und Schulterregion, die be-
träglichkeit (Verletzungsprophylaxe!) und Spiel- sonderer Aufmerksamkeit bedürfen. „Bewegt
leistungsfähigkeit benötigen Basketballspieler sich der Spieler effizienter, benötigt er weni-
eine gut ausgeprägte Maximalkraft im Bereich ger Energie bei gleicher Arbeit“ (Lindner
des Rumpfes und der Extremitäten, insbeson- 2017, S. 13).
dere zur Stabilisierung des Schultergürtels. Ins-
besondere auf den Positionen, die häufig mit
großen Spielern besetzt sind (Power Forward, 12.3.3 Leistungsdiagnostik
Center), ist eine enorme Stabilität und Robust-
heit des Oberkörpers gefragt. Nicht vernachläs- Die leistungsdiagnostische Begleitung des Bas-
sigt werden sollte die Kraftentwicklung der Fin- ketball-Trainingsprozesses ist wie bei allen
gerbeuger und -strecker als Prophylaxe gegen Spielsportarten vielschichtig, und die ermittel-
die häufigen Kapselverletzungen. Die Spielleis- ten Daten sind angesichts der Komplexität der
tungsfähigkeit verlangt ein Training der spezifi- Leistungs- und Bedingungsstruktur wenig ein-
schen Schnellkraft von Beinen und Armen, zum deutig und interpretationsbedürftig. Vielfältige
Beispiel für das Antritts- und Beschleunigungs- Methoden von Spielbeobachtungs- über
vermögen im 1 gegen 1 und das Passvermögen. Monitoring-­Verfahren bis zu naiven sportmo-
Um von der ersten bis zur letzten Spielminute torischen Tests (siehe 7 Abschn. 3.4) kommen
leistungsfähig zu sein, sind Schnellkraftleistun- zum Einsatz. Die Forderungen aus der Trai-
gen dauerhaft abzurufen. Schließlich benötigt ningspraxis nach Ökonomie verlangen häufig
der Basketballspieler für offensive und defensive die Reduzierung der zu untersuchenden Variab-
Richtungswechsel und Sprünge, die im len auf ein Minimum weniger Zubringerleistun-
Dehnungs-Verkürzungs-­ Zyklus realisiert wer- gen, während die komplexe Spielleistung durch
den, eine technikspezifische Reaktivkraft der Experten beurteilt wird. Weitgehend durchge-
unteren Extremitäten. Die hohe Aktionsdichte setzt haben sich dabei vor allem standardisierte
auf engem Raum erfordert darüber hinaus kom- Testverfahren zur Ermittlung der spezifischen
plexe Schnelligkeitsfähigkeiten. Im Basketball- konditionellen Eigenschaften, wobei das Prob-
spiel äußern sie sich in erster Linie in kurzen lem der Spielnähe einzelner Tests nach wie vor
602 A. Ferrauti et al.

ungelöst ist. „Die“ allgemein akzeptierte Basket- 55 Functional Movement Screen (FMS, siehe
balltestung gibt es bis heute nicht. 7 Abschn. 6.4),
Wir haben in einem langjährigen Pro- 55 Sprungkrafttests mit Kontaktmatte (Squat
jekt zur Begleitung von Basketball-Talenten Jump, Counter Movement Jump, Drop
(BISP-­ Fördernr. IIA1-080703/06-11) u. a. Jump mit 40 cm Fallhöhe; 7 Abschn. 6.4),
eine konditionelle Testbatterie zu den Fähig- 55 sportmotorische Krafttests (Flachbankdrü-
keitsbereichen Schnellkraft, Schnelligkeit und cken und Klimmzüge für U18/20, Liege-
Agility (siehe 7 Abschn. 5.1) entwickelt und stütze und Klimmzughang für U16),
daraus jahrgangsspezifische Normprofile un- 55 30-15-Intermittent-Fitness-Test (IFT, siehe
terschiedlicher Selektionsstufen ableiten kön- 7 Abschn. 6.4).
nen (20-/5-m-Sprint, Pendelsprint mit und
ohne Ball, Jump-and-­Reach-Test, Standweit- Zu sämtlichen Tests werden altersstufenabhän-
sprung, Brustpass-­ Weitenmessung, Halbdis- gige Sollvorgaben präsentiert (. Tab. 12.9).
tanzwurf-Test, Multistage-Fitness-Test; Fer- Zur Testung der komplexen anaerob-­
rauti et al. 2015), die als Orientierung für ein laktaziden Schnelligkeits- und Kurzzeitaus-
perspektivisches Nachwuchstraining dienen dauer werden meist Richtungswechselläufe
können (. Tab. 12.8). von etwa 10 s bis zu 2 min Dauer herangezo-
Die Spielerinnen und Spieler der höchsten gen, die je nach konkreter Zielstellung auch
Selektionsstufe (Nationalkader (3) vs. D- (2) mit Ball durchgeführt werden. Allerdings sucht
und LV-Kader (1)) weisen dabei nicht in allen man akzeptierte Standards vergeblich.
Testleistungen bessere Werte auf. Als talent-
sensitiv und damit selektionswirksam haben
sich nur die Kraft- und Schnellkraftfähigkei- 12.3.4 Leistungsentwicklung im
ten des Rumpfes und der oberen Extremitä- Jugendbasketball
ten (Brustpass-Weitenmessung) sowie die
komplexe Schnelligkeit mit Richtungswech- Durch die Verfügbarkeit sportart- und al-
seln und Ball herausgestellt. Insgesamt er- tersspezifischer Normdaten im konditionel-
12 laubt die im Projekt erprobte Talentdiagnos- len Bereich (Ferrauti et al. 2015) sowie die
tik eine Verortung eines jeden Spielers im handlungsorientierte DBB-Athletikkonzeption
Basketball-­ Leistungsgefüge und ermöglicht (Lindner 2017) sind Trainer im deutschen Ju-
amit die individuell passgenaue Planung und gendbasketball in der komfortablen Lage, die
Steuerung weiterer Trainingsmaßnahmen konditionelle Leistungsfähigkeit und vor allem
(. Abb. 12.8). die Leistungsentwicklung von Nachwuchsspie-
Der Deutsche Basketball Bund setzt in sei- lern zu beurteilen und klare Zielsetzungen zu
ner aktuellen Athletikkonzeption für seine Aus- definieren. In Kooperation mit einem ambitio-
wahlspieler ab der U16 ebenfalls auf eine Batte- nierten ProB-Ligisten haben wir in den ver-
rie erprobter, ökonomischer Verfahren zur gangenen Jahren im Rahmen jährlicher, im
Leistungsdiagnostik und fokussiert dabei auf Herbst stattfindender Leistungscamps eine an
die Bereiche Beweglichkeit, Bewegungskompe- das Basketball-Talente-Projekt (s. o.) ange-
tenz, Kraft und Ausdauer (Lindner 2017): lehnte Testbatterie umgesetzt. . Abb. 12.9
55 Ruheherzfrequenzmessung in liegender zeigt zwei Fallbeispiele daraus mit Leistungs-
Position über 5 Minuten, entwicklungen über zwei bzw. drei Testungen.
55 Ermittlung der Beweglichkeit mittels Die Visualisierung durch Spinnendiagramme
Toe-Touch-Test im Stand und Knee-to-­ liefert einen Überblick des konditionellen
Wall-Test in Schrittstellung, ­Leistungsprofils zum Zeitpunkt der Testungen
sowie Einblicke in die Entwicklung der relati-
..      Tab. 12.8 Normprofile des Basketball-Talente-­Projekts des Jahrgangs U16 (Ferrauti et al. 2015, S. 39–40)

U16 weiblich U16 männlich


TEST N MW SD BEST 80% 60% 40% 20% 0% N MW SD BEST 80% 60% 40% 20% 0%

KH (cm) 187 175 8 194 181 176 172 168 155 289 187 9 209 195 189 185 180 158
20-m-
175 3,48 0,17 3,08 3,33 3,42 3,52 3,62 4,03 281 3,24 0,15 2,90 3,11 3,18 3,27 3,36 3,98
Sprint (s)

PSOB (s) 183 5,46 0,23 4,93 5,26 5,40 5,48 5,63 6,30 285 5,10 0,23 4,46 4,93 5,01 5,14 5,28 6,07
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

PSMB (s) 181 5,72 0,28 5,04 5,47 5,66 5,78 5,96 6,96 282 5,33 0,26 4,81 5,11 5,23 5,37 5,52 6,14

J&R (cm) 183 38 6 55 43 40 37 32 23 285 49 7 73 54 50 47 43 30

SWS (cm) 182 188 17 230 205 194 185 170 140 285 219 19 265 237 222 215 205 145

BP (m) 185 10,56 1,17 13,50 11,60 10,80 10,24 9,60 7,50 286 13,14 1,57 17,20 14,60 13,52 12,60 11,80 8,30

HDW 177 29 4 41 32 31 29 26 19 280 31 4 43 34 32 30 27 20


(Punkte)
MFT 163 9,0 1,5 13,5 10,5 9,4 8,6 7,6 4,3 270 10,9 1,7 15,3 12,3 11,3 10,5 9,4 5,1
603

(Level)

KH; Körperhöhe, PSOB; Pendel-Sprint ohne Ball, PSMB; Pendel-Sprint mit Ball, J&R; Jump & Reach Test, SWS; Standweitsprung, BP; Brustpassweite, HDW; Halbdistanz-Wurf-
test, MFT; Multistage 20 m Shuttle-Run Ausdauertest
12
604 A. Ferrauti et al.

100 % Monitoring-Maßnahmen zu beobachten. In-


PSOB 80 %
PSMB
60 % haltlich überschneiden und vermischen sich
20-m- Normprofil
Sprint
40 % hier die kontinuierliche Dokumentation und
20 %
J&R Athlet
Quantifizierung von Trainingsinhalten und
-belastungen mit der regelmäßigen und trai-
KH ningsbegleitenden Anwendung von zeitökono-
mischen Messverfahren der Leistungsdiagnos-
SWS
tik (i. d. R. Felddiagnostik und sportmotorische
MFT Tests). Zusätzlich kommen üblicherweise er-
BP
HDW
gänzende Fragebögen zum subjektiven Wohl-
befinden von Spielerinnen und Spielern zum
..      Abb. 12.8 Netzdiagramm mit den Individualleis- Einsatz. In . Abb. 12.10 sind exemplarisch die
tungen (Perzentile) eines Basketballtalents (rote Linie) Ergebnisse eines semiprofessionellen Basket-
im Vergleich zum Normprofil (Ferrauti et al. 2015, S. 29) ballspielers (ProB) dargestellt, der über eine
Saison hinweg täglich sämtliche absolvierten
ven Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den al- Trainingsinhalte dokumentierte.
tersgemäßen Normwerten. In den Liniendia- Im Rahmen einer weiteren Saisonvorberei-
grammen wird zusätzlich sichtbar, dass die tung kam neben der täglichen Trainingsdoku-
reine Betrachtung absoluter Veränderungen mentation jeweils am Anfang und am Ende der
(oder Verbesserungen) ohne den Bezug zur Trainingswochen zusätzlich ein Kurzfragebo-
Veränderung der altersbedingten Normwerte gen zum Erholungs- und Beanspruchungs-
nur schwer möglich ist. Obwohl sich beim empfinden, ein Counter Movement Jump und
Spieler sowohl Sprint- als auch Sprungleistung ein 5-minütiger submaximaler Shuttle-Run-­
absolut verbesserten, blieb die relative Sprint- Test zum Einsatz. . Abb. 12.11 verdeutlicht,
leistung unverändert (. Abb. 12.9a). Die dass sich die Ergebnisse der unterschiedlichen
Sprungleistung (Sprunghöhe) hingegen entwi- Testverfahren z. T. deutlich voneinander unter-
ckelte sich von einer mittleren Leistungsfähig- scheiden und sich nur an wenigen Tagen ein
12 keit (40–60 % Perzentil) in den Bereich der klares Bild zum aktuellen Gesamttrainingszu-
besten 20 % seiner Altersklasse (80 % bis stand ergibt. Eine als gering empfundene kör-
„Best“). Die Spielerin konnte über zwei Jahre perliche oder allgemeine Beanspruchung vor
hinweg durch eine große absolute Verbesse- Trainingsbeginn spiegelt sich nicht zwangsläu-
rung ihrer Sprintzeit eine ursprünglich deut- fig in einem geringen Anstrengungsempfinden
lich unterdurchschnittliche (< 20 %) zu einer während des submaximalen Shuttle-Runs oder
guten Leistung (60–80 %) entwickeln in einer vergrößerten Sprunghöhe wider. Die
(. Abb. 12.9). Bei zunehmender Körpergröße Langzeitentwicklung der Belastungsherzfre-
gehörte die Spielerin in den ersten beiden Test- quenz deckt sich hingegen mit der starken Ver-
jahren jeweils zu den größten 20 % ihrer Al- besserung der intermittierenden Laufleistung
tersklasse (80 % bis „Best“), wobei sie sich im des Spielers (+1,5 km/h Abbruchgeschwindig-
dritten Jahr „nur noch“ im Bereich der größten keit im 30-15-Intermittent-­Fitness-Test nach
40 % ihres Alters (60–80 %) befindet. Buchheit 2008).
Insgesamt stellt ein detailliertes und eng-
maschiges Monitoring des gesamten Kaders
12.3.5 Spieler-Monitoring erhebliche Anforderungen an Personalbedarf,
Finanzbudget und auch (Trainings-)Zeit, was
In Wissenschaft und Praxis ist in den letzten stets einer kritischen Kosten-Nutzen-Analyse
Jahren verstärkt ein Trend hin zu umfassenden bedarf. Die Auswertung und Aufbereitung
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
605 12

..      Tab. 12.9 DBB-Standards für die Laufleistung beim 30-15-IFT und Sprungleistung beim CMJ (mod.
nach Lindner 2017, S. 23)

Test Bewertung Altersklassen

U16 U18 U20

30-15-IFT 3 (Bronze) < 17,5 km/h < 19,5 km/h < 21,0 km/h

2 (Silber) 17,5–19,0 km/h 19,5–21,0 km/h 21,0–22,0 km/h

1 (Gold) > 19,0 km/h > 21,0 km/h > 22,0 km/h

CMJ 3 (Bronze) < 35,2 cm < 38,5 cm < 41,8 cm

2 (Silber) 35,2–38,5 cm 38,5–41,8 cm 41,8–45,1 cm

1 (Gold) > 38,5 cm > 41,8 cm > 45,1 cm

..      Abb. 12.9 Fallbeispiele der Entwicklung konditioneller Leistungsgrößen eines Spielers a und einer Spielerin
b, getestet im Rahmen jährlicher Leistungscamps im Herbst

..      Abb. 12.10 Wöchentlicher Trainingsumfang und durchschnittliche Trainingsintensität eines Spielers im


Verlauf einer Saison in der 2. Basketball-­Bundesliga (ProB)
606 A. Ferrauti et al.

12
..      Abb. 12.11 Ergebnisse des Spieler-Monitorings Belastungsherzfrequenz und Anstrengungsempfinden
während einer Saisonvorbereitung in der 2. Basket- während eines 5-minütigen submaximalen Shuttle-
ball-Bundesliga ProB: Befragung zu Erholungs- und Run-Tests (Schneider et al. 2018) sowie tägliche
Beanspruchungsempfinden (Nässi et al. 2017), Dokumentation des Training Load (Trainingsdauer in
Messung von Sprunghöhe (Counter Movement Jump), min × Session-RPE (0–10))

umfangreicher Monitoring-Daten ist nur sinn- diese im Verlauf des Spiels schneller und länger
voll, wenn sie auch tatsächlich in die trainings- umsetzen zu können. Es gilt: „Trainiere so viel
praktischen Entscheidungen einfließen. wie nötig (um die Leistung zu steigern bzw. um
zu gewinnen) und nicht so viel wie möglich“
(Lindner 2017, S. 7).
12.3.6 Trainingssteuerung Durch das konditionelle Training (heute
nicht ganz zutreffend auch oft als Athletiktrai-
Ein hohes physisches Potential verschafft dem ning bezeichnet) sollen Basketballspieler auf
Basketballspieler größere Spielräume für die die Bewältigung der hohen physischen Belas-
Entwicklung seiner technisch-taktischen Fer- tungen einer langen Saison (kurzfristig) und
tigkeiten und Fähigkeiten und erlaubt es ihm, Karriere (langfristig) vorbereitet werden. All-
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
607 12
gemeine Trainingsinhalte dienen dabei der ballkarriere gesehen nimmt der Anteil speziel-
Entwicklung und Stabilisierung einer grund- ler Trainingsinhalte kontinuierlich zu, die
legenden körperlichen Ausbildung, während anfangs dominierenden allgemeinen Inhalte
spezielle Inhalte die basketballspezifische werden sukzessive zurückgedrängt
Leistungsfähigkeit ausprägen. Langfristig ge- (. Abb. 12.12). Aber auch im Verlauf einer
sehen baut somit die spezielle auf der allgemei- einzelnen Saison kommt es zu einer derartigen
nen Leistungsfähigkeit auf, die Sicherung einer Verschiebung zwischen allgemeinen und spe-
soliden Belastungsfähigkeit sollte vor der Spe- ziellen Trainingsinhalten. Ein derart idealtypi-
zialisierung erfolgen. In der Expertisefor- scher Saisonverlauf ist auf semiprofessionellem
schung (Ericsson et al. 1993; Hohmann 2009) Leistungsniveau jedoch nicht zwangsläufig
geht man davon aus, dass bis zum Erreichen wiederzufinden (. Abb. 12.11).
von (sportlichen) Spitzenleistungen ein Aus dem Talentprojekt (siehe 7 Abschn.
Übungs- bzw. Trainingsaufwand von ca. 10.000 12.3.3) abgeleitete Empfehlungen zum lang-
Stunden notwendig ist, die im Basketball auf fristig wirksamen Training berücksichtigen die
Koordinations-, Technik- und Taktiktraining, Positionsspezifik und Anthropometrie der
spezielles Athletiktraining sowie Wettkämpfe Basketballnachwuchsspieler (Ferrauti et al.
zu verteilen sind. Dieser Stundenumfang 2015). Die umfassende Ausbildung zum Spit-
würde bei einem täglichen Trainingsaufwand zenspieler kann nur gelingen, wenn ein funk-
von 2,5 Stunden eine zeitliche Gesamtinvesti- tionsorientiertes Kraft- und Schnellkrafttrai-
tion von 11 Jahren bedeuten – schon daraus ning langfristig durchgeführt wird. In der
wird ersichtlich, dass ein allgemeines Basistrai- Praxis wird diesem spezifischen Athletiktrai-
ning eine wichtige Voraussetzung für die Tole- ning jedoch noch zu wenig Beachtung ge-
rierung langfristig einwirkender spezifischer schenkt:
Trainingsmaßnahmen ist. Im speziellen Athle- 55 Nachwuchsspieler sollten frühzeitig und
tiktraining geht es um die Verbesserung der regelmäßig ein Rumpfstabilisierungs- und
spezifischen Leistungsfähigkeit in Abhängig- funktionales Mobilisationstraining
keit von Technik und Taktik. Über die Basket- durchführen. Trainer müssen auf die

..      Abb. 12.12 Vertei- 20 % 80 %


lung der allgemeinen
und speziellen Trainings- Train to win
inhalte im Athletiktrai- U20–A1
ning im Verlauf der
langfristigen Entwick-
lung des Spielers
Train to compete
(Lindner 2017, S. 9) U16–U18

Train to train allgemeiner spezieller


U14–U16 Trainingsinhalt Trainingsinhalt

Learn to train
U12

FUNdamentals
U10
80 % 20 %
608 A. Ferrauti et al.

durch Beanspruchung und Körpergröße zz Trainingsaufbau und exemplarische


bedingten Probleme hingewiesen und Inhalte
bzgl. entsprechender Diagnose- und Durch die Notwendigkeit einer sowohl lang- als
Interventionsmöglichkeiten instruiert auch kurzfristigen Entwicklung der Leistungs-
werden. faktoren sollte der inhaltliche Fokus bis zur Ado-
55 Ein rechtzeitig begonnenes Kräftigungs- leszenz eindeutig auf der langfristigen Wirksam-
und Stabilisationstraining führt zu keit der Trainingsmaßnahmen liegen, während
Leistungsgewinnen und ist der tech- mit dem Übergang in die Seniorenspielklassen
nisch-taktischen Verbesserung der Spieler die kurzfristige Leistungsentwicklung von Spiel-
zuträglich. Es bildet auf weiteren Stufen zeit zu Spielzeit an Bedeutung gewinnt. Im indi-
des Entwicklungsprozesses die unverzicht- viduell je nach Trainingszustand und -alter
bare Grundlage für das spezifische durchaus unterschiedlich lang ausfallenden
Leistungstraining mit freien Gewichten. Übergangsbereich treten kurz- und langfristige
55 Das spezifische Leistungstraining sollte die Trainingsziele mitunter in Konkurrenz und las-
Kraftentwicklung des Oberkörpers sen sich nicht immer miteinander vereinbaren.
besonders betonen, um international So kann ein 18-­jähriger Basketballspieler mit De-
konkurrenzfähig zu werden. fiziten im Grundlagenausdauerbereich durchaus
55 Ab der U17 (bei Jungen) und der U16 (bei innerhalb eines 2- bis 3-monatigen spezifisch-­
Mädchen) flachen die natürlichen Entwick- intensiven Ausdauertrainings für die anstehende
lungskurven der Schnellkraftfähigkeiten ab. Saison „fit“ gemacht werden. Dies geht jedoch
Da bis zur internationalen Spitzenklasse ab mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Kosten seiner
hier weitere Leistungsentwicklungen Regenerationsfähigkeit und damit der langfristi-
unbedingt notwendig sind, muss spätestens gen Trainingswirksamkeit. Im Einzelfall steht am
in diesem Alter ein forciertes Athletiktrai- Beginn der Planung konditioneller Trainings-
ning beginnen. Dazu ist ein Trainingsum- maßnahmen eine verlässliche Diagnostik und
fang von drei bis vier Trainingseinheiten Festlegung der konkreten Zielsetzungen.
pro Woche notwendig. Im Prozess der Ausdauerschulung werden
12 55 Um koordinationsbedingte Schnelligkeits- unterschiedliche Trainingsmethoden angewen-
verluste möglichst gering zu halten, ist ein det, die jeweils spezifische Anpassungsvorgänge
verstärktes koordinatives Lauftraining in im Organismus auslösen. Dabei ist deren zeitli-
allen Altersstufen zu absolvieren. che Abfolge bedeutsam: Eine hinreichende all-
55 Die Laufschnelligkeit muss überwiegend gemeine aerobe Grundlagenausdauer bildet in
auch basketballspezifisch (mit und ohne jedem Fall die Basis für das Training der spezifi-
Ball) unter Berücksichtigung üblicher schen, anaerob-­laktaziden Ausdauer. Die Trans-
Laufwege und Richtungen trainiert formation im Trainingsprozess gelingt dabei
werden. durch die sukzessive Integration der Intervall-
55 Eine feste Positionseinteilung manifestiert trainingsmethoden (Bösing et al. 2019, S. 42.)
die im Nachwuchsbasketball vorhandenen Über alle Altersklassen kann ein schnelligkeits-
größenabhängigen Unterschiede in der bzw. schnellkraftbetontes Training der spielspe-
Laufschnelligkeit. Das sich wandelnde zifischen Handlungsschnelligkeit nach der Wie-
Spiel und möglicherweise auch Positions- derholungsmethode, also ohne nennenswerte
wechsel im Übergang zum Seniorenbe- Laktatakkumulation, durchgeführt werden.
reich verlangen jedoch eine Abkehr von Inhaltlich müssen mit zunehmender Spiel-
zu frühen Positionsfestlegungen, um für nähe die Belastungsformen des Wettkampfs si-
alle Spieler adäquate Trainingsreize zu muliert werden. Basketball als „Fußgänger-
setzen. sport“ beinhaltet natürlich zunächst hohe
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
609 12

1 3 5 7

1 Start unter dem Korb – 3 × ans Brett springen


2 1–2 Sprint
2–3 Sprint
3 3 × ans Brett springen
3–4 Sprint
4–5 Sprint
4 5 3 × ans Brett springen
5–6 Sprint
6–7 Sprint – Ballannahme bei *, Drive zum Korb
7 Dunk/Power-Shot

..      Abb. 12.13 Beispiel für einen intensiven Court-Drill mit läuferisch-spielspezifischer Belastung, Belastungs-
steuerung nach der Intervallmethodik (mod. nach Brittenham 1996, S. 130–131)

läuferische Anteile, die aber zunehmend um durch Halteübungen im statischen und durch
Richtungswechsel, Sprünge, Verteidigungsbe- niedrige Zusatzlasten im dynamischen Kraft-
wegungen und ballgebundene Aktionen ergänzt ausdauertraining, letzteres bereitet zudem
werden (Gamble 2010). Die spielspezifischen über anfangs geringe, später mittlere Zusatz-
extensiven und intensiven Intervalltrainingsme- lasten auf das „richtige“ Krafttraining (der Ma-
thoden werden deshalb i. d. R. nicht nur läufe- ximalkraft) vor. Dort wird das Kraftpotenzial
risch, sondern auch mit azyklischen Bewegun- von Rumpf- und Extremitätenmuskulatur über
gen ausgefüllt (. Abb. 12.13). Hypertrophie und die nachfolgende neuronale
Auch die Kraftentwicklung folgt einem Aktivierung verbessert. Das unmittelbar leis-
langfristigen Aufbau: Nach einem präventiv tungswirksame Schnellkrafttraining besteht
wirksamen Rumpfstabilisationstraining erfolgt aus maximal-­explosiven semispezifischen (mit
die substanzielle Erweiterung der Maximal- moderaten Zusatzlasten) und spielspezifischen
kraftbasis und zum späteren Zeitpunkt ein (ohne Zusatzlasten) Trainingsübungen, bei Er-
spielleistungsverbesserndes Schnell- und Re- müdungsanzeichen muss der Trainingssatz ab-
aktivkrafttraining. Im Laufe der Spielerkarriere gebrochen werden. Die Reaktivkraft wird
kann jedoch keine dieser Trainingsphasen als hauptsächlich mit Trainingsübungen ohne Zu-
abgeschlossen betrachtet werden. Die einzel- satzlasten geschult (leichte Plyometrie): Der
nen Phasen werden je nach Saisonzeitpunkt Fokus liegt dabei auf ein- und beidbeinigen
und kurzfristigen Zielen schwerpunktmäßig Sprungserien (über verstellbare Hürden, Bricks
verfolgt. Ein allgemein vorbereitendes und etc., bei höherer Qualifikation auch Kästen)
präventiv wirksames Krafttraining beinhaltet und kleinräumigen Richtungswechseln mit
die Gewöhnung an wiederholte Kraftreize kurzen Bodenkontaktzeiten.
610 A. Ferrauti et al.

Praxistipp cken, um die verschiedenen Faktoren der


Kraftleistung anzusteuern. Zur Erzielung subs-
Erst Technik, dann Kraft: Im langfristigen Trai- tanzieller Trainingsfortschritte sind einerseits
ningsaufbau leistungsorientierter Spieler die in . Tab. 12.10 dargestellten Mindestzeit-
muss zunächst die korrekte technische Aus- räume und -umfänge zu beachten, andererseits
führung der wichtigen mehrgelenkigen Frei- führt eine zu lange Beibehaltung identischer
hantelübungen, zum Beispiel der Kniebeuge- Trainingsblöcke aufgrund der dann auftreten-
varianten, vermittelt werden. Geeignete den Deckeneffekte zur Stagnation. Für Spiel-
Trainingsmittel sind Gymnastikstäbe, leichte sportler ist es wichtig, zwischen den beiden
Langhantelstangen bis 10 kg, leichte Kurz- Phasen des Maximalkrafttrainings (Hypertro-
hanteln und Kettle Bells etc. Die Belastungs- phie und neuronale Aktivierung) eine Über-
verträglichkeit gegenüber dem entwickeln- gangsphase zur Annäherung an die Bewälti-
den Maximaltraining wird erst nach Jahren gung hoher Lasten einzuplanen.
kontinuierlichen, allgemein-vorbereitenden Die Hauptübungen des Krafttrainings be-
Krafttrainings erreicht: Zatsiorsky und Krae- anspruchen große Muskelgruppen in komple-
mer (2008) empfehlen zum Beispiel, maxi- xen Bewegungsketten, die den fundamentalen
mal- und schnellkraftorientierte Langhantel- Bewegungsmustern des Menschen entspre-
übungen erst nach 3-jähriger Anbahnung der chen („Fußgängersportart“). Geeignet sind
Technik und Gewöhnung an leichte bis mo- dazu vor allem uni- und bilaterale Varianten
derate Lasten durchzuführen. von Hebungen (z. B. Kreuzheben) und Knie-
beugen sowie mehrgelenkige Druck- und Zug-
bewegungen für den Oberkörper (z. B. Bank-
Das Krafttraining von Basketballspielern folgt drücken und Ruderzüge). Weitere Übungen
methodisch in der Regel dem Wiederholungs- dienen zur Ergänzung und zum Ausgleich der
prinzip mit vollständigen Pausen. Eine Aus- im Basketballtraining oft vernachlässigten
nahme stellt die komplexe Entwicklung der Muskelgruppen (. Tab. 12.11). Trainingsmittel
(Schnell-) Kraftausdauer nach dem Intervall- sind variabel einsetzbar und reichen von freien
12 prinzip dar. Im Leistungstraining dominiert Gewichten (Lang- und Kurzhanteln, Kettle
das Maximal- und Schnellkrafttraining mit Bells etc.) über Zugwiderstandsbänder bis zu
unterschiedlich akzentuierten Trainingsblö- Kraftgeräten, die aber nur zur Gewöhnung an

..      Tab. 12.10 Abfolge der Trainingsmethoden und Zeitspannen des basketballspezifischen Krafttrai-
nings (Bösing et al. 2019, S. 62)

Etappe Trainingsziel Trainingsmethode Wochen TE/


Woche

1 Zunahme der Muskelmasse Hypertrophiemethode 5–8 3–4

1–2 Gewöhnung an höchste 4–8 Wiederholungen 2 2–3


Lasten bei 80–95 % Intensität

2 neuronale Aktivierung Methode der maximalen Kraftein- 3–4 2–3


sätze

3 allgemeine Schnellkraftmethode I & II 2–3 2–3


Schnellkraftverbesserung

4 spezifische sportartspezifische Schnellkraftme- 2–3 2–3


Schnellkraftverbesserung thode
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
611 12

..      Tab. 12.11 Haupt- und Ergänzungsübungen mit Trainingszielen im allgemeinen Basketballkrafttrai-


ning

Trainingsziel Hauptübung Ergänzungsübung

Rumpfstabilisierung Unterarmstütz (Plank), Rumpfdrehen in Rückenlage


Crunches (Rumpfbeugen), Seitstütz auf Unterarm
Russian Twist, Seitstütz auf Handfläche
Rumpfseitheben, Rückenstrecken statisch
Rückenstrecken dynamisch, Beckenheben in Rückenlage
Frontkniebeuge (tief, halb), Arm- und Beinabheben in
Reißkniebeuge, Bauchlage

allgemeine Kräftigung Nackenkniebeuge (tief, halb) Kniebeugung isoliert


und Massezunahme (Hypertro- Kniebeuge einbeinig Beinab-/-adduktion
phie) Wadenheben einbeinig Überzüge
Bankdrücken/Schrägbankdrü- Armheben seitlich/frontal
cken Trizepsdrücken
Bankziehen/Ruderzug Außen-/Innenrotation Schulter
Nackendrücken (alternierend) Auf-/Abrotation Schulter
Klimmzug/Latzug …
Kreuzheben

Widerstandstraining bzw. gezielten Rehabilita-


tion isolierter Muskelgruppen benutzt werden Reaktivität und auch der Motivation
sollten. Eine Ausnahme stellen Seilzüge dar, die abwechslungsreich gestaltet werden. Ein
sich v. a. für komplexe Rotationsübungen eig- systematischer Methodenwechsel, der
nen. Halteübungen zur Rumpfkräftigung erfol- Wechsel der Haupttrainingsübungen, die
gen progressiv. Sie reichen von der Bewältigung Veränderung der Reihenfolge von
des eigenen Körpergewichts über dynamische Trainingsübungen und der Einbau
Anteile bis zu dynamischer Ausführung gegen kontrastierender Trainingseinheiten (z. B.
Zusatzwiderstände (Bänder, Kurzhanteln etc.). im Hypertrophiezyklus alle fünf bis sechs
Trainingseinheiten eine
Praxistipp Schnellkrafteinheit) sind hierzu geeignet.
Abwechslung im Trainingsalltag wird
Für entwickelnde Trainingszyklen ist organi- auch durch Split-Programme mit inhaltlicher
satorisch das Mehrsatzprinzip zu bevorzu- Fokussierung auf einzelne Teile des
gen. Pausen zwischen einzelnen Sätzen Muskelkorsetts erreicht. Da die erschöpfte
können für Trainingsübungen anderer Kör- Muskulatur je nach Trainingsmethode zwei
perpartien genutzt werden, zum Beispiel bis vier Tage Pause benötigt, bietet sich ein
Bankdrücken und Kniebeugen im Wechsel. solches Vorgehen an. Man vermeidet damit
Im Kraftausdauertraining kann das Circu- die Gestaltung überlanger und zentral
it-Training genutzt werden, um eine Aufsto- erschöpfender Krafttrainingseinheiten mit
ckung der energetischen Ermüdung nach negativen Auswirkungen auch auf die
dem Intervallprinzip zu erreichen. anderen Inhalte des Basketballtrainings.
Langfristige Krafttrainingsprogramme Eine Dauer von 90 min sollte im Krafttraining
müssen zum Erhalt der adaptiven nicht überschritten werden.
612 A. Ferrauti et al.

Bei Schnellkraftübungen reicht das methodi- unter energetischen Gesichtspunkten wie-


sche Spektrum von der Bewältigung des eige- derholt-dauerhaft abrufbar sein. Bis in das
nen Körpergewichts (Antritte, Sprünge, Stöße Schulkindalter hinein werden allgemeine
etc.) über leichte bis zu mittleren Zusatzlasten Grundlagen von Bewegungsfrequenz und
(. Tab. 12.12; Steinhöfer 2008). In jedem Fall -fluss über die Schulung von Koordination,
ist auf eine maximal-explosive Bewegungsge- Reaktion und Lokomotorik gelegt. Mit Be-
schwindigkeit zu achten. Bei Anzeichen von ginn der Pubertät werden diese immer mehr
Verlangsamung soll der Satz abgebrochen wer- von den Kraft- und anaeroben Ausdauer-
den. Die Reaktivkraft wird mit bewegungsspe- fähigkeiten bestimmt. „Damit verändert
zifischen Trainingsübungen ohne Zusatzlasten sich das Schnelligkeitstraining des Nach-
geschult (leichte Plyometrie: schnelle, prel- wuchssportlers im Laufe des langjährigen
lende Bewegungen und kleinräumige Rich- Trainingsprozesses immer mehr von einer
tungswechsel), bei höherem Leistungsniveau sportartunspezifischen Grundausbildung zu
auch mit kleinen Hindernissen wie Bricks, einem ‚techniknahen‘ speziellen Konditions-
Hürden und kleinen Turnkästen (mittlere training“ (Martin et al. 1993, S. 316).
Plyometrie). Die Bewegungsqualität (kurze Geeignete Inhalte zur Schulung von Bewe-
Bodenkontaktzeiten) steht im Vordergrund, gungsschnelligkeit und Beschleunigungsfähig-
Umfänge dürfen nicht zur Ermüdung führen. keit sind die Laufschule und das Sprint-ABC,
Zur Krafterhaltung während der Wett- positive und negative Beschleunigungen auf
kampfsaison liegt das Hauptaugenmerk auf kurzen Distanzen, kombinierte Sprint-Sprung-­
Schnellkraftübungen, die von einer separaten Übungen, technikorientierte schnelle Fußar-
Krafttrainingseinheit mit submaximalen Be- beit etc. (Brown und Ferrigno 2015). Alle In-
lastungen unterhalb der Erschöpfungsschwelle halte lassen sich auch mit Ball ausführen,
ergänzt werden. sofern die technische Sicherheit vorhanden ist
Das Schnelligkeitstraining des Basket- und können mit vorgeschalteten akustischen,
ballspielers zielt auf die Verbesserung der taktilen und optischen Signalen zur Schulung
vorrangig azyklischen Bewegungsschnel- der Reaktionsfähigkeit verknüpft werden. Tre-
12 ligkeit in technisch-taktischen Spielhand- ten sichtbare Geschwindigkeitsverluste auf,
lungen (Handlungsschnelligkeit) und muss sollte das Schnelligkeitstraining abgebrochen

..      Tab. 12.12 Trainingsübungen zur Entwicklung der Schnell- und Reaktivkraft

Trainingsziel Übung

Schnellkraft Umsetzen aus hoher und tiefer Position


Ausfallschritte vorn und seitlich (Lunges)
Kastenaufsteiger (kleiner Kasten)
Kastenaufsprünge (kleiner und hoher Kasten)
Medizinballstöße
Medizinballwürfe vor- und rückwärts
Antritte, Sprünge vor-, rück-, seitwärts

Reaktivkraft prellende Hüpf- und Sprungserien (Linien, Bricks, Hürden, kleine Kästen)
Sprungläufe vorwärts und lateral
Hot Steps (Wechselsprünge)
Seilchensprünge ein- und beidbeinig
Niederhochsprünge (kleiner Kasten)
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
613 12

Purpose
To improve change of direction and body 4
position , transitions between skills, and
cutting ability.

Ba

5 yards
t

ck p
rin
Sp
Procedure

rda
• Place five cones in an A shape such

l
that cone 1 and cone 5 are 10 yards
or meters apart on the starting line. Shuffle
2 3
Cones 2 and 3 are 5 yards or meters in
Shuffle
front of 1 and 5 and 5 yards or meters
apart. Cone 4 is 5 yards or meters in
front of and between 2 and 3.

5 yards
rin
• Sprint from cone 1 to cone 2.

Sp
• Shuffle from cone 2 to cone 3.
• Shuffle back from cone 3 to cone 2.
• Sprint from cone 2 to cone 4.
1 5
• Backpedal from cone 4 to cone 5.
10 yards
Variation
Perform an additional skill, such as dribbling, while performing the drill.

..      Abb. 12.14 A-Movement (Brown und Ferrigno 2015, S. 129)

werden, weshalb nach dem Wiederholungs- kraftausdauerfähigkeit angesteuert werden. Ziel


prinzip trainiert wird: ist es, eine hinreichende Ermüdungswider-
55 Antritte über kurze Distanzen (3–10 m), standsfähigkeit bei den spieltypischen Aktivi-
55 Kurzsprints bis 30 m, aus dem Stand oder tätsmustern auszuprägen, wozu auch komplexe
anderen Positionen, basketballspezifische Drills und Spielformen
55 Richtungswechselsprints mit kurzer (Wurfdrills mit Zusatzbelastung, Schnellan-
Gesamtdauer (Bsp. in . Abb. 12.14), griffskontinuum etc.) eingesetzt werden. Diese
55 Kombinationen aus Sprints, Richtungs- sind hinsichtlich ihrer jeweiligen Belas-
wechseln und basketballspezifischer tungs-Pausen-Dynamik allerdings nicht immer
Fußarbeit (z. B. Verteidigungsschritte), leicht zu steuern.
55 Bewegungskombinationen mit Sprint-­ Die komplexe, taktisch wirksame Hand-
Sprung- und Technikanteilen (Dribbling, lungsschnelligkeit wird über unterschiedliche
Pass, Wurf). Zugänge ausgebildet (Bösing et al. 2019):
55 Reaktions- und Entscheidungstrainings in
Das Beschleunigungstraining erfordert zur spielerischen Organisationsformen zur
Überwindung der Körpermasse bereits hohe sogenannten inzidentellen, beiläufigen
Krafteinsätze und ist damit inhaltlich ein Taktikschulung (freies Spielenlernen),
Schnellkrafttraining, die Ausführungsbedin- 55 Einbettung stabil und schnell beherrsch-
gungen können dabei gezielt erschwert werden ter Techniken in taktische Entschei-
(Bergauf- und Treppensprints, Sprints mit Ge- dungssituationen zur Kopplung des
wichtswesten). Die Belastungsnormative lassen Taktiktrainings mit Schnelligkeitsanfor-
sich in Richtung der Intervallmethoden verän- derungen (systematisches Spielsitua-
dern, und damit kann die komplexe Schnell- tionstraining).
614 A. Ferrauti et al.

12.3.7 3 × 3-Basketball: eine 55 Die Teamfoulgrenze liegt bei sechs, danach


andere Sportart?! wird jedes Foul mit zwei Freiwürfen
geahndet. Ab dem zehnten Teamfoul wird
Mit der Aufnahme des 3 × 3 in den Kreis der zusätzlich zu den Freiwürfen noch
olympischen Sportarten (2020) hat sich die seit Ballbesitz gewährt.
2007 von der FIBA forcierte Halbfeldvariante
des Basketballspiels als eigene Sportdisziplin Die kurze Spielzeit und die 12-s-Shot-­Clock sor-
etabliert. Das Regelwerk basiert auf den offizi- gen im 3 × 3-Basketball für eine besondere Dy-
ellen 5-gegen-5-Spielvorschriften mit folgen- namik und Attraktivität. Der rasante Situations-
den Besonderheiten: wechsel stellt andersartige Anforderungen als
55 Es wird auf einem 15 × 11 m großen Feld das Spiel 5 gegen 5. In 10 Minuten Spielzeit wer-
mit einem Korb und den üblichen Linien den etwa 30 Angriffe pro Spiel und Team ge-
(Zone, 6,75-m-Distanzwurflinie, No-­ zählt. Durch das Spiel auf nur einen Korb ist der
Charge-­Halbkreis) gespielt. Bewegungsradius im 3 × 3 deutlich kleiner, die
55 Die Spielzeit beträgt 10 Minuten, die bei Gesamtlaufbelastung wird durch sehr kurze,
Erreichen der 21-Punkte-Grenze vorzeitig hoch intensive Antritte und tiefe Verteidigungs-
beendet wird. Jede Mannschaft kann eine schritte in 1-gegen-­ 1-Situationen bestimmt.
Auszeit von 30 Sekunden nehmen. Wenig intensive Laufbewegungen finden im
55 Erzielte Körbe innerhalb der Distanzwurf- 3 × 3 abseits des Balls statt, wenn Positionen auf-
linie und Freiwürfe zählen einen Punkt, gefüllt oder (seltener) Blocks gestellt werden.
erfolgreiche Würfe von außerhalb der Verteidiger müssen ständig bereit sein zu helfen,
Distanzwurflinie zwei Punkte. die Rotationswege zur Verteidigung der 2-Punk-
55 Die Angriffszeit beträgt 12 Sekunden und te-Linie sind lang. Zusammen mit einer hohen
beginnt mit dem Wechsel des Ballbesitzes. Rebound-Dichte ergibt sich eine intensive Kurz-
Nach Korberfolg beginnt der Ballbesitz für eitintervallbelastung, die nur durch die beiden
die zuvor verteidigende Mannschaft unter möglichen 30-Sekunden-Auszeiten und Frei-
dem Korb, der Ball muss wie nach wurfpausen unterbrochen wird. Die Leistungs-
12 Defensiv-­Rebound und Ballgewinn hinter fähigkeit der Spieler wird somit durch die Fähig-
die Distanzwurflinie gepasst/gedribbelt keit limitiert, die vorhandenen Energiereserven
werden. wiederholt und maximal zu mobilisieren. Das
55 Nach ruhenden Bällen wird der Ball für das 5-gegen-5-Spiel typische Anforderungs-
außerhalb der Distanzwurflinie übergeben. profil verschiebt sich zum dominant schnell-
55 Jedes Team besteht aus vier Spielern (ein kräftigen „Kurzzeitleister“ (Montgomery und
Auswechselspieler), Coaching ist nicht Maloney 2018), die aerobe Ausdauerfähigkeit
erlaubt. Spielerwechsel sind bei ruhenden tritt deutlich in den Hintergrund und erfüllt al-
Bällen möglich. lenfalls regenerative Funktionen.
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
615 12
12.4 Fußball sich in allen Punkten (Athletik, Technik, Taktik,
Professionalität und Technologisierung) stetig
Adam Frytz und Jasper Möllmann weiterentwickelt. In diesem Kapitel wird versucht,
die Leistungsstruktur des Fußballsports anhand
Football is more than a game von empirischen Daten zu quantifizieren. Eine
fundierte Analyse des fußballspezifischen Belas-
Zusammenfassung tung- und Beanspruchungsprofils zeigt auf, dass
Es existieren unterschiedliche Überlieferungen in der Praxis ein systematisches Training mit einer
über die Anfänge des Fußballspieles. Seit dem 15 individuellen Trainingssteuerung, je nach Posi-
Jahrhundert wurden in Frankreich und Italien die tion und Leistungsstand, unumgänglich ist. Die
ersten rüden Treibspiele gespielt. Die späteren technischen und athletischen Komponenten
Ursprünge erlebte der Fußball in England, dem müssen in einem langfristigen Trainingsprozess
Mutterland des Fußballs, auch weil dort 1857 die durch psychologische und mental-kognitive As-
Football Association gegründet wurde, die sich pekte ergänzt werden. Das Anforderungsprofil
vom Rugbysport löste. Laut FIFA spielen weltweit der Sportart, eine ganzheitliche Diagnostik sowie
265 Millionen Menschen Fußball. Der Deutsche ein engmaschiges Monitoring liefern konkrete Er-
Fußball-Bund e. V. (DFB) ist der Dachverband von kenntnisse für die Trainingssteuerung. Hierzu
26 Fußballverbänden in der Bundesrepublik werden differenzierte Befunde vorgelegt und mit
Deutschland, denen wiederum mehr als 25.000 vereinzelten Ergebnissen aus Trainingsuntersu-
Fußballvereine angehören. Seinen Sitz hat der chungen verglichen. Das Unterkapitel endet mit
gemeinnützige Verein in Frankfurt am Main. Or- Empfehlungen für die Trainingspraxis.
dentliche DFB-­Mitglieder sind der Ligaverband,
die fünf Regional- und 21 Landesverbände. Mit
fast sieben Millionen Mitgliedern der angeschlos- 12.4.1 Leistungsstruktur
senen Vereine ist der DFB der größte nationale
Sport-Fachverband der Welt (. Abb. 12.15). Be- Die Leistungsstruktur im Fußball ist determiniert
trachtet man die Tendenzen von absolvierten Eu- durch die vom International Football Association
ropa- und Weltmeisterschaften sowie der Cham- Board festgelegten Regeln (Feldgröße, Spieleran-
pions League, Europa League und der Top-Ligen zahl, Größe des Tores und Bruttospielzeit; IFAB
Europas, so kann man festhalten, dass der Fußball 2019). Die Aktionen der 22 Spieler beschränken

..      Abb. 12.15 Der Fußballsport ist heute ein globales Massenphänomen, wird immer professioneller und bietet
aus trainingswissenschaftlicher Sicht zahlreiche Fragestellungen
616 A. Ferrauti et al.

sich auf den Aktionsraum und die Aktionszeit. Im Rahmen der beschriebenen Leistungs-
Der interaktive Spielverlauf kann grob in vier struktur muss der Fußballspieler vielfältigen An-
Spielphasen eingeteilt werden (. Abb. 12.16). forderungen gerecht werden. Energetisch domi-
Der Ballbesitz im Profifußball wechselt im niert aufgrund des großen Spielfeldes vor allem
Spielverlauf durchschnittlich ca. 400-mal (An- die aerobe Ausdauer. Die ständigen Intensitäts-
derson und Sally 2014), wodurch ein fließender wechsel sind ein zusätzlich prägendes Haupt-
und beständiger Phasenübergang entsteht merkmal. Während dieser azyklischen Ausdau-
(. Abb. 12.17). Daraus ergibt sich, dass jeder erbelastung wechseln die überwiegend aeroben
Spieler im Durchschnitt alle 3,4 s eine neue Ak- Beanspruchungen beim Gehen und Joggen mit
tion ausführt (Rienzi et al. 2000). Die Ballaktio- anaerob-­alaktaziden und anaerob-laktaziden Be-
nen eines Spielers sind mit zwei Ballkontakten anspruchungen bei höheren Laufgeschwindig-
und 1,1 s Kontaktzeit pro Ballaktion sehr kurz
und akkumulieren pro Spiel mit nur 53,4 Sekun-
den zu einem sehr geringen Anteil der Gesamt- Offensive
aktionen (Carling 2010). Die Aktionen ohne Ball
beinhalten zum Beispiel Freilaufaktionen, An-
Umschalten von Defensive Umschalten von Offensive
laufbewegungen oder Verschiebeaktionen im auf Offensive auf Defensive
Gruppen- und Mannschaftsverbund. Die Netto-
spielzeit beträgt ­zwischen 55 und 62 min (Tschan
et al. 2001; Mislintat 2011). In dieser Zeit absol- Defensive
vieren Profispieler ca. 1400 unterschiedliche Ak-
tionen mit und ohne Ball und überbrücken dabei ..      Abb. 12.16 Spielphasenmodell im Fußball
eine Distanz von 8–12 km (Dellal et al. 2012). (Henseling und Marić 2016, S. 20)

technische Aktivitäten mit taktischem Ziel


technische Aktionen im Umschaltspiel
12 Taktik technische Aktionen im Spielaufbau
Spielstil
Spielphase Technik
System/Grundordnung Pässe
Psyche
Coaching-Philosophie Tackling
Positionsanforderung Schüsse
Taktik Technik Kopfbälle
Dribblings
Flanken
universale Vernetzung
Diagonalpässe
Physis
physische Aktivitäten mit
taktischem Ziel
Erholungslauf (Gehen, Joggen) physische Aktivitäten mit
Raumdeckung technischem Ziel
überlappend Decken Physis Dribbling
Fallen, Sinken , Balleroberung Gesamtlaufdistanz schneller Lauf zur Flanke,
Hochschieben Distanz hochintensiver Läufe zum Pass mit Folgeaktion
Hinterlaufen Sprintdistanzen Sprung zum Kopfball
„Tiefe" Läufe/Durchbrechen Beschleunigung
in den 16er Tempovariation

..      Abb. 12.17 Venn-Diagramm zur Leistungsstruktur des Fußballspiels mit komplexer Interaktion verschiede-
ner Anforderungskomponenten (mod. nach Bradley und Ade 2018, S. 658)
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
617 12
keiten (z. B. Laufen >14 km/h, Tempolauf fasst werden. Die Daten aus ausgewählten Veröf-
>20 km/h, Sprints >25 km/h) stetig und in un- fentlichungen zu diesem Thema (. Tab. 12.13)
vorhersehbarer Folge ab (. Tab. 12.13). Andere können wie folgt zusammengefasst werden:
Autoren sprechen in diesem Fall unter anderem 55 Gesamtlaufdistanz: 10.000–12.000 m
auch von Schnellkraftausdauer, Schnelligkeits- (meist ca. 11.000 m)
ausdauer, Sprintausdauer und Spiel-/Kampfaus- 55 Gehen: 3000–4000 m
dauer (Eisenhut und Zintl 2014, S. 34). 55 Joggen: 4000–5000 m
Im Kontext mit der Anzahl von Spielern, der 55 Laufen: 1000–2000 m
Größe des Feldes, dem Spielen mit dem Fuß, der 55 Tempoläufe: 500–1000 m
Seltenheit eines Tores und den kurzen Ballkon- 55 Sprints: 200–400 m (ggf. bis 900 m)
taktzeiten einerseits sowie dem vergleichsweise
kleinen und bewachten Ziel (Tor) in sich ständig Bei genauer Betrachtung der . Tab. 12.13 fällt
wechselnden Umgebungsbedingungen spielt der auf, dass ein direkter Vergleich der aufgeführten
Zufall im Fußball eine große Rolle. Der Einfluss Laufleistungen kaum möglich ist. Offensichtlich
des Zufalls, also der Einfluss jener Faktoren auf unterscheiden sich die Untersuchungen in Mess-
das Spielergebnis, die nicht prognostizierbar methodik und Messgenauigkeit sowie in den de-
sind, lag in der Bundesliga bei 53 % (Quitzau und finierten Geschwindigkeits- und Positionskate-
Vöpel 2009). In dem Zusammenhang wird in den gorien (Mislintat 2011). Trotzdem liefern die
Medien auch von Glück, Pech und zufälliger Ta- Daten neuartige und wichtige Informationen zur
gesform berichtet, insbesondere, wenn aus weni- Leistungsstruktur. Chmura et al. (2017) konnten
gen Gelegenheiten viele Tore erzielt werden. Im bei der WM 2014 einen Zusammenhang zwi-
Strafraum, in dem 82 % der erfolgreichen Tor- schen dem Titelgewinn und den mehr gelaufe-
schüsse abgegeben werden (Buschmann et al. nen Kilometern insgesamt sowie der höheren
2013), herrschen hoher Raum-, Zeit- und Geg- Anzahl an Tempoläufen der deutschen National-
nerdruck, wodurch die Vorbereitung des Tor- mannschaft feststellen. In der Fußball-­Bundesliga
schusses und der Torschuss selbst auch kognitiv stellten die Autoren fest, dass bei gewonnenen
enorm erschwert werden. Die aus ­diesen Über- Spielen die Flügelspieler und Stürmer mehr Tem-
legungen resultierende allgemeine Leistungs- poläufe absolvierten als bei verlorenen Spielen
struktur und die darin zugrunde liegenden An- oder bei Unentschiedenen (Chmura et al. 2018).
forderungsgrößen stehen in einer komplexen Dalen et al. (2016) ergänzen zu den Belastungen
Interaktion und bedingen sich gegenseitig in Form von Laufleistungen noch die Richtungs-
(. Abb. 12.18). Schließlich geht es im Fußball- wechsel, Beschleunigungen und das Abstoppen,
spiel fast immer darum, kognitiv unter höchstem die in den Geschwindigkeitskategorien anderer
Komplexitätsdruck die richtigen Entscheidungen Untersuchungen keinerlei Berücksichtigung fin-
zu treffen und die daraus resultierende tech- den, obwohl sie nach ihrer Untersuchung bis zu
nisch-taktische Performance unter hoher bis sehr 17 % der Gesamt-Laufbelastung ausmachen.
hoher physischer Beanspruchung abzurufen. Die erbrachten Laufleistungen in den ver-
schiedenen Geschwindigkeitskategorien sollten
stets mit den damit verbundenen Anschluss-
12.4.2 Belastungs- und handlungen in Verbindung gebracht werden, um
Beanspruchungsprofil Trainern eine konkretere Vorstellung über den
kontextualen Zusammenhang zu geben (Bradley
Laufdistanzen Die Laufdistanzen sowie deren und Ade 2018) (. Abb. 12.18). Die Abbildungen
Differenzierung nach Geschwindigkeitsbereichen liefern wertvolle Informationen für die Trai-
sind wichtige Parameter zur Beschreibung des Be- ningssteuerung. So erfolgt ein erheblicher Anteil
lastungsprofils (External Load) und können durch der Tempoläufe von offensiven Mittelfeldspielern
moderne Tracking-Verfahren weitgehend objek- und Stürmern mit Ball steil in die Spitze (schwarz
tiv und unter offiziellen Wettspielbedingungen er- markierte Anteile in . Abb. 12.18).
12
618

..      Tab. 12.13 Literaturübersicht zu Laufleistungen im Fußball-Wettspiel, differenziert nach Spielpositionen und Laufgeschwindigkeiten

Autoren Liga Methode Spielposition Gesamtdis- Gehen Jogging Laufen Tempolauf Sprints
tanz (m) <7 km/h (m) 7–14 km/h (m) 14–20 km/h (m) 20–25 km/h (m) >25 km/h (m)

Bradley England ProZone alle Positionen 10.841 ± 950 3809 ± 270 4281 ± 615 1745 ± 426 716 ± 210 264 ± 114
et al. Premier Version
A. Ferrauti et al.

(2010) League 3.0

Innenverteidiger 10.426 ± 808 199 ± 66

Außenverteidiger 10.656 ± 860 241 ± 70

Dellal French Amisco def. Mittelfeld 11.501 ± 901 221 ± 76


et al. First Pro
(2012) League Mittelfeld 12.029 ± 978 235 ± 85
Players off. Mittelfeld 11.726 ± 984 235 ± 72

Stürmer 10.943 ± 979 290 ± 75

Innenverteidiger 9951 ± 491 4084 ± 153 4187 ± 329 1197 ± 176 484 ± 134 110 ± 55

Dalen Sweden ZXY Außenverteidiger 11.426 ± 648 3908 ± 178 4411 ± 336 1969 ± 293 1138 ± 282 330 ± 133
et al. First Sport-
(2016) League Tracking Defensives Mittelfeld 11.573 ± 768 3727 ± 273 5155 ± 516 1930 ± 421 770 ± 270 152 ± 80
Players AS Offensives Mittelfeld 11.990 ± 771 3704 ± 276 5017 ± 437 2174 ± 409 1095 ± 255 276 ± 111

Stürmer 10.429 ± 874 4051 ± 347 4184 ± 484 1416 ± 368 776 ± 264 198 ± 93

Vigne Italian SICS Abwehrspieler 9699 ± 2.901 3791 ± 1172 2914 ± 946 1300 ± 423 791 ± 287 902 ± 406
et al. First Multi-­
(2010) League Camera Mittelfeldspieler 8946 ± 3.992 3263 ± 1482 2712 ± 1277 1301 ± 595 828 ± 377 875 ± 439
Players Match Stürmer 7734 ± 3.650 3410 ± 1647 2067 ± 1072 849 ± 417 563 ± 279 846 ± 455
Analysis
System
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
619 12

..      Abb. 12.18 Verteilung der Tempolauf-Distanz ger CM –zentrales Mittelfeld, WM – äußeres Mittelfeld
nach Ballbesitz und technisch-taktischer Anschluss- CF – Mittelstürmer; nach Bradley und Ade 2018, S. 658)
handlung (CB – Innenverteidiger, FB – Außenverteidi-

..      Tab. 12.14 Interpretation und Beschreibung der passenden Trainingsmaßnahmen für vier Spielertypen
mit unterschiedlichen Ergebnissen im Reactive-Agility-Test (modifiziert nach Gabbett et al. 2008, S.180)

Spieler Entschei- Bewe- Interpretation


dungszeit gungszeit

Fast Mover/ + + herausragende kognitive und motorische Schnelligkeitsvor-


Fast Thinker aussetzungen für das Fußballspiel, bestmögliche Integration
dieses Spielertyps

Fast Mover/ − + Spieler, die ihre guten motorischen Fähigkeiten suboptimal


Slow umsetzen, im Training spielnahe, komplexe Situationen
Thinker favorisieren

Slow Mover/ + − gute Wahrnehmungsfähigkeit, aber unzureichende motorische


Fast Thinker Schnelligkeit, im Training Verbesserung der Basisschnelligkeit

Slow Mover/ − − schlechte Geschwindigkeit und langsame Entscheidungszeit tragen


Slow zu unterdurchschnittlichen Antizipationsfähigkeiten bei, langfris-
Thinker tige Verbesserung aller Faktoren in wiederholten Trainingsblöcken

Sprintbelastungen Die Kategorie der Sprint- dauern. Die Anforderungen an die kognitiven
belastungen (. Tab. 12.14) weist zwar einen ver- Fähigkeiten verdeutlichen die 1000–1400 ver-
gleichsweise geringen Umfang im Wettspiel auf schiedenen kurzen Aktivitäten im Spiel, die se-
(200–400 m, teilweise bis 900 m), ist jedoch kündlich wechseln (Stølen et al. 2005, S. 503).
nach Expertenmeinung übereinstimmend eine Kombinierte Schnelligkeits- und Kognitionsan-
leistungslimtierende Fähigkeit, da sie häufig mit forderungen werden auch unter dem Begriff
spielentscheidenden Aktionen und hohen kog- Agility zusammengefasst (7 Kap. 5) und spielen
nitiven Anforderungen sowohl in der Offensive im Fußball eine besondere Bedeutung (Dalen
als auch in der Defensive kombiniert wird. Ein et al. 2016; Bradley und Ade 2018; Chmura et al.
Spieler absolviert zwischen 10–20 Sprints in je- 2018). Sheppard und Young (2006) definieren
dem Spiel, welche zum Großteil 2–4 Sekunden Agility als eine schnelle Ganzkörperbewegung
620 A. Ferrauti et al.

mit Richtungs- oder Geschwindigkeitsände- wegungsamplituden innerhalb der Gelenke und


rung als Reaktion auf einen sportartspezifischen Muskulatur und erhöht die Bewegungsradien bei
Stimulus. Gabbett et al. (2008) definieren auf der Durchführung von Schüssen, Pässen und
der Basis eines Reactive-Agility-Tests vier Spie- Flanken in unterschiedlichen Drucksituationen.
lertypen und geben Empfehlungen für ein ge-
Kardiovaskuläre und metabolische Beanspru-
zieltes Training (. Tab. 12.14).
chung Fußballspieler besitzen eine hohe ae-
Ein zielgerichtetes Training zur Verbesserung
robe Kapazität. Die maximale Sauerstoffauf-
der Agility muss entsprechend der Erkenntnisse
nahme liegt in der Regel über 60,0 ml/kg/min
von Gabbett et al. 2008 zum Spielertypen passen
(u. a. Arnason et al. 2004; Chamari et al. 2005;
und ist dementsprechend bestmöglich individu-
Kalapotharakos et al. 2011), wobei häufig keine
ell zu gestalten. Da die Schnelligkeit auch bei der
nennenswerten Unterschiede zwischen erfolg-
Talentsichtung eine große Rolle spielt, sollte eine
reichen und weniger erfolgreichen Teams sowie
Testbatterie im Fußball stets neben der Ausdau-
zwischen unterschiedlichen Profiligen existieren
erleistung auch die Schnelligkeitsleistung abprü-
(Arnason et al. 2004). Dies ist auf die grundsätz-
fen. Problematisch ist die Erfassung der Agility
lich hohen Laufleistungen der Spieler unter den
unter Einhaltung der Testgütekriterien, da mit
gegebenen Spielfelddimensionen bzw. die Spiel-
zunehmender kognitiver Anforderung Lernef-
feld/Spieler-Relationen zurückzuführen.
fekte entstehen und die Reliabilität sinkt. Folglich
Hinsichtlich der kardiovaskulären und me-
empfehlen wir stets eine Kombination aus Line-
tabolischen Beanspruchungen im Wettspiel
arsprints, Richtungswechselsprints und komple-
existieren aufgrund der methodischen Limita-
xen Agility-Tests (7 Abschn. 3.4).
tionen nur wenig valide Informationen. Ein ak-
tueller Ansatz basiert auf dem Konzept der Me-
Kraftfähigkeiten Für den Fußballspieler sind
tabolic Power und berechnet aus Laufdistanzen
körperbetonte Bodenzweikämpfe, Kopfballdu-
sowie Beschleunigungs- und Abbremsungspha-
elle (Sprünge), Antritte, Richtungswechsel, ab-
sen den energetischen Bedarf (di Prampero
rupte Stopps, Schüsse und intensive Dribblings
et al. 2005; Osgnach et al. 2010). Die vorliegen-
von großer Bedeutung und ohne gut entwi-
12 ckelte Kraftfähigkeiten kaum zu realisieren.
den Modelle basieren einerseits auf realen Wett-
spieldaten, sind jedoch mit hoher Wahrschein-
Dementsprechend muss nicht nur hinsichtlich
lichkeit fehlerbehaftet, da der Energiebedarf für
der Verletzungsprophylaxe und der wett-
Tacklings, Schüsse, Kopfbälle und andere azyk-
kampfspezifischen Spielleistungsfähigkeit eine
lische technische Elemente nicht in die Berech-
gut ausgeprägte Maximalkraft, im Bereich des
nung einfließen. Aufgrund der hohen Praktika-
Rumpfes sowie der oberen und unteren Extre-
bilität wird dieses Konzept zukünftig in
mitäten, langfristig aufgebaut und erhalten
überarbeiteter Form präzisere Hinweise liefern.
werden. Dies gilt für fast alle Spielpositionen,
Methode der ersten Wahl und somit Gold-
die Anthropometrie der weltbesten Spieler
standard für die Berechnung metabolischer
zeigt jedoch, dass insbesondere Torhüter, In-
Umsätze bleibt daher unter Feldbedingungen
nenverteidiger, aber zunehmend auch für Of-
bislang noch die portable Spirometrie und indi-
fensivspieler in ihren 1-gegen-­ 1-Situationen
rekte Kalorimetrie. Ferrauti et al. (2006) regist-
von ihren Kraftfähigkeiten profitieren.
rierten in einer entsprechenden Untersuchung
Beweglichkeitsanforderungen Ein Fußball- mit zehn Amateurfußballern folgende Befunde:
spieler braucht zugleich eine gute Beweglichkeit 55 Die mittlere Sauerstoffaufnahme beträgt
bei gleichzeitiger Stabilität in Sprung-, Knie und während des Wettspiels ca. 40 ml/min/kg,
Hüftgelenken. Eine gute Beweglichkeit (Mobi- wobei ca. 75–80 % der V˙O2 max ausge-
lity) verringert außerdem das Verletzungsrisiko schöpft werden.
(s. auch FIFA 11+ Präventionsprogramm des 55 Die Sauerstoffaufnahme fällt von 42 ml/
DFB, Fernandes et al. 2015), verbessert die Be- min/kg (erste Hälfte der ersten Halbzeit)
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
621 12
60
(n = 10) •
V O2 max
50
VO2 (ml/min/kg)

40
42,4
(84 %) 39,0 37,1
30 (77 %) (73 %) 33,6
(67 %)
20

10 14,0

0
HZ 1A HZ 1B HZP HZ 2A HZ 2B

..      Abb. 12.19 Sauerstoffaufnahme während eines ersten Halbzeit, HZ 1B = zweite Hälfte der ersten
simulierten Wettspiels (11:11) im Fußball, gemittelt Halbzeit, HZP = Halbzeitpause, HZ 2A = erste Hälfte
über fünf Messzeiträume, sowie die prozentuale der zweiten Halbzeit, HZ 2B = zweite Hälfte der
Ausschöpfung der V̇ O2 max (HZ 1A = erste Hälfte der zweiten Halbzeit; mod. nach Ferrauti et al. 2006)

auf 33 ml/min/kg (zweite Hälfte der zweiten Einschränkungen im individuellen Aktivitäts-


Halbzeit) kontinuierlich ab (. Abb. 12.19). verhalten zu erwarten (Mislintat 2011).
55 Die Blutlaktatkonzentrationen variieren Trotz der genannten Einschränkungen be-
intra- und interindividuell erheblich und legen die Befunde eine hohe Belastungsinten-
liegen überwiegend zwischen 4 und sität und einen beachtlichen Energie- und ins-
8 mmol/l. Auch hier ist ein Abfall von der besondere Kohlenhydratumsatz. Es überrascht
ersten Halbzeit (5–8 mmol/l) zur zweiten daher nicht, dass in frühen Publikationen eine
Halbzeit (4–6 mmol/l) auffällig. erhebliche Entleerung der Glykogenreserven
55 Die Herzfrequenz beträgt im Mittel im Verlauf eines Fußballspiels nachgewiesen
160–170 Schläge/min. wurde (Karlsson und Saltin 1971). Dies mag
55 Der Energieumsatz sinkt von 16,7 kcal/min auch den Abfall der Belastungsintensität im
(erste Hälfte der ersten Halbzeit) auf Verlauf der zweiten Halbzeit erklären, der im
13,1 kcal/min (zweite Hälfte der zweiten Übrigen auch von anderen Autoren und in an-
Halbzeit) und erreicht insgesamt brutto in deren Sportspielen bestätigt wurde (Bangsbo
einem 90 min Wettspiel ca. 1300–1400 kcal, 1994).
davon entfallen in etwa 65–75 % auf den
Kohlenhydrat- und 25–35 % auf den Fett- Praxistipp: Wettkampfsteuerung und Ernäh-
stoffwechsel. Individuell schwankt der rung im Fußball
Energieumsatz pro Spiel zwischen 900 und
1800 kcal (entspricht einem metabolischen Die kardiovaskulären und metabolischen Da-
Äquivalent von ca. 7,5 bis 15). ten legen nahe, dass einem Leistungsverlust
gegen Spielende entgegengewirkt werden
Methodenkritisch ist anzumerken, dass es sich muss. Maßnahmen hierfür sind eine ausrei-
bei den untersuchten Spielern nicht um Hoch- chende Kohlenhydratzufuhr am Vorabend so-
leistungssportler handelte und eine Wettspielsi- wie vor und während des Wettspiels (in der
mulation niemals die realen Anforderungen ei- Halbzeitpause, sowie über kohlenhydratrei-
nes offiziellen Wettspiels abbilden kann. Ferner che Getränke vom Spielfeldrand). Ferner ist
sind durch das Tragen portabler Messgeräte (je- die Möglichkeit der Auswechslung strate-
weils nur zwei Spieler wurden pro Spiel mit ei- gisch sinnvoll zu nutzen.
nem Spirometriegerät ausgestattet) erhebliche
622 A. Ferrauti et al.

Psychologisch-kognitive Beanspruchung Die auf engstem Raum Mitspieler und Gegner pe-
psychologisch-kognitive Beanspruchung um- ripher in der Tiefe und Breite und gleichzeitig
fasst sowohl die Anforderungen an die ver- der frei bespielbare Raum erkannt werden
schiedenen Sinnessysteme als auch den Um- müssen. Die zen­trale Rolle im Mittelfeld erfor-
gang des Spielers mit den daraus erhaltenden dert hohe Anforderungen an die Wahrneh-
Informationen. Hierbei steht am Ende einer mungs- und Orientierungsfähigkeit. Der Mit-
jeden Aktion die für den Außenstehenden telfeldspieler zeigt ein höchstes Maß an
sichtbare taktische Handlung. Der Prozess, der Kreativität, Dynamik und vor allem Effektivi-
während der gesamten Aktion im Spieler statt- tät. Der Spieler muss in Bruchteilen von Se-
findet, wird von Henseling und Marić (2016) kunden Entscheidungen fällen – die spielent-
in sechs Phasen unterteilt (. Abb. 12.20). Die scheidend sein können. Dieses analytische
besondere Bedeutung dieser Beanspruchung Vorgehen bezeichnet die Psychologie als heu-
wird speziell im Mittelfeldspiel deutlich, wenn ristische Strategie (Raab 2012).

Exkurs: Heuristik

Die Heuristik – die Anwendung von vereinfachenden suchungen bestätigen, dass 60–90 % der Athle-
Regeln – räumt mit der weit verbreiteten Annahme ten dieser intuitiv entstehenden Option folgen
auf, dass Entscheidungen besser werden, je mehr In- (Raab und Johnson 2007; Hepler und Feltz
formationen dafür herangezogen und verarbeitet wer- 2012).
den. In der Sportwissenschaft und in der Leistungspsy- 55 Take-the-Best-Heuristik: Wähle die beste
chologie ist dieser Ansatz zwar noch relativ jung, Option. Der Spieler im Ballbesitz scannt die
verspricht aber die Möglichkeit, das Entscheidungsver- Spielsituation und beurteilt dabei Erfolgs-
halten von Athleten zu erklären und zu beschreiben wahrscheinlichkeiten der sich ihm bieten-
(Raab 2012). Man unterscheidet: den Optionen. Auf dieser Basis trifft er die
55 Take-the-First-Heuristik: Wähle die erste Option, aus seiner Sicht bestmögliche Entschei-
die dir in den Sinn kommt. Empirische Unter- dung.

12

1 . Wahrnehnumg der
Situation
6. Wahrnehmung 2:
Reflexion des 2. Verarbeitung 1:
Ergebnisses Analyse der Situation

4. Entscheidung: 3. Verarbeitung 2:
5. Ausführung: Auswahl einer Handlungsplan als
Spielhandlung als situationsgerechten geistige Vorwegnahme
motorische Lösung motorischen) Lösung einer Lösung

..      Abb. 12.20 Phasen des taktischen Handelns (modifiziert nach Henseling und Marić 2016; Bruckmann und
Recktenwald 2010, S.42)
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
623 12
Kontextualität der Beanspruchung und Teamdy- schen Rollen und Aufgaben, die ein jeder Spie-
namik Der Erfolg im Fußball ist letztendlich ler auf seiner Position einnehmen und erfüllen
nicht von der Leistung eines Einzelnen, son- muss, um ein erfolgreiches Team sein zu kön-
dern von der Leistung des gesamten Teams ab- nen. Durch Positionsspezifika werden die An-
hängig. Entscheidend hierbei ist die kollektive forderungen und die Ziele abgestimmt. Daraus
Kompetenzüberzeugung, also die Überzeugung ergibt sich ein technisch-taktisches Profil einer
jedes einzelnen Teammitglieds, eine Aufgabe speziellen Position, mit spezifischen konditio-
zusammen mit den anderen und den vorhande- nellen Belastungsprognosen (z. B. wird von ei-
nen Fähigkeiten erfolgreich bewältigen zu kön- nem Außenverteidiger verlangt, dass er nach
nen (Hermann und Mayer 2016). Es konnte ein einem längeren 10–30-m-Sprint in der Lage ist,
Zusammenhang zwischen der kollektiven nach einer möglichst offensiven Ballmitnahme
Kompetenzüberzeugung und tatsächlich erziel- eine präzise Flanke oder ein Early Cross Pass
ter Leistung nachgewiesen werden (Hermann vor das Tor des Gegners zu spielen). Die Aktio-
und Mayer 2016). Ein Beispiel hierfür stellt die nen eines zentralen Mittelfeldspielers hingegen
Studie von Fransen et al. (2015) dar, in der eine sind von vielen kurzen, hochexplosiven Anrit-
Korrelation zwischen dem Vertrauen in die Fä- ten geprägt, seine meisten Ballaktionen sind
higkeiten des Teams durch die einzelnen Mit- kurze Pässe unter 10 m, wodurch er eine zent-
glieder und der Leistungswahrnehmung des rale Rolle im Kombinationsspiel erhält.
Teams nachgewiesen werden konnte. Neben
dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit eines
Teams spielt auch die Leidenschaft, die die Mit- 12.4.3 Leistungsdiagnostik
glieder für das eigene Team empfinden, eine
entscheidende Rolle. Slater et al. (2018) konnten Im Rahmen der konditionellen Leistungsdia­
nachweisen, dass Teams, die bei der Europa- gnostik werden im Fußball traditionell Feldtests
meisterschaft 2016 in Frankreich ihre National- zur Erfassung von Ausdauer- und Schnellig-
hymne vor Spielbeginn mit mehr Leidenschaft keitsleitung zu Beginn und am Ende der Saison-
gesungen haben, im Spiel eine bessere Leistung vorbereitung sowie zusätzlich in der Winter-
erbracht haben. Das Singen der Nationalhymne pause absolviert (. Abb. 12.21). Vereinzelt wird
verbinden sie in diesem Kontext mit der sozia- dies durch Laboruntersuchungen auf dem Lauf-
len Identität im Team. Der Einfluss der sozialen band (Spiroergometrie) und durch eine isokine-
Identität auf die Leistungsfähigkeit konnte auch tische Kraftdiagnostik ergänzt. Hinsichtlich der
unter dem Gesichtspunkt der Lohnstreuung in- verwendeten Testverfahren (z. B. Feldstufentest,
nerhalb eines Teams festgestellt werden. So YoYo-Intermittent-­Recovery-Test, Linearsprint-­
spielen Fußballteams besser, wenn sie eine ge- Tests oder Agility-Tests) sei auf 7 Abschn. 3.4
ringe oder eine extreme Lohnstreuung im Team verwiesen.
haben, da in beiden Fällen keine leistungsstö- Neben dieser Basistestung rückt die Dia­
rende Konkurrenz um den Status im Team vor- gnostik der fußballspezifischen Handlungs-
liegt (Franck und Nüesch 2011). schnelligkeit zunehmend in den Fokus. For-
schungsrelevante Aspekte zur Erfassung der
Individualität der Beanspruchung und Positi- Wahrnehmungsfähigkeit in direkter Kombina-
onsspezifik Die im Beanspruchungsprofil tion mit der technisch-taktischen Performance
zum Großteil universell beschriebenen Leis- erfordern jedoch aufwendige Messverfahren.
tungsfaktoren sollten zur Ableitung von Trai- Vereine wie Borussia Dortmund und TSG Hof-
ningsmaßnehmen auf die einzelnen Spielposi- fenheim leisten sich die Anschaffung eines
tionen heruntergebrochen werden. Hughes „Footbonauten“, um diese fußballspezifischen
et al. (2012) begründen dies mit den spezifi- Anforderung standardisiert erfassen zu können.
624 A. Ferrauti et al.

Exkurs: Footbonaut

Der Footbonaut ist ein Ballroboter, der Reaktions-


fähigkeit, Handlungsschnelligkeit, peripheres
Sehen, Orientierungsfähigkeit und vor allem
technischen Komponenten des Passspiels testen
und trainieren kann. Am Rand eines Käfigs 50 km/h
(14 × 14 m) sind acht Wurfmaschinen integriert,
die automatisch, aber randomisiert, Bälle mit bis zu
120 km/h in die Mitte des Feldes spielen. Die
Testperson steht im Zentrum des Käfigs und
versucht die zugespielten Bälle in eines der 72
peripheren Gittertore zu passen. Die 1,40 m großen

1,4 m
Tore können abwechselnd farbig aufleuchten, und
der Spieler muss sich immer wieder neu orientie-
ren, um ins vorgegebene Tor zu schießen. 20 1,4 m
definierte Bälle werden in knapp einer Minute ins 14 m
Feld gespielt, sodass insgesamt 100 Bälle in ca. fünf
Minuten bearbeitet werden müssen. Der Footbo- Verwendung als leistungsdiagnostisches Verfahren
naut ermöglicht ein attraktives individuelles sind geringfügige Abstriche hinsichtlich der
Training zentraler Leistungskomponenten (Vogt Testgütekriterien aufgrund der hohen Testkomple-
et al. 2018, s. a. Abbildung hierzu). Bei der xität unvermeidlich (Saal et al. 2018).

12

..      Abb. 12.21 Feldstufentest während der Winterpause auf einer 200-m-Indoorbahn

Die Entscheidungskompetenz von Spielern Zur Talentförderung installierte der DFB


wird in der sportpsychologischen Forschung nach der sportlich wenig zufriedenstellenden
vornehmlich über videobasierte Tests im La- EM 2000 in Belgien und den Niederlanden ins-
bor erfasst. Die Testpersonen bekommen auf gesamt 360 Talentstützpunkte, verteilt in ganz
einer Videoleinwand fußballspezifische Situa- Deutschland. Als zentrales Trainingsziel wurde
tionen präsentiert, in denen sie sich so schnell damals die Verbesserung der technisch-­
wie möglich für eine taktische Handlung ent- motorischen Fähigkeiten der jungen Talente de-
scheiden müssen, zum Beispiel Dribbling oder finiert. Zur sportwissenschaftlichen Begleitung
Pass zum rechten oder linken Mitspieler (Hö- dieser Maßnahme wurde eine entsprechend
ner 2017). Aus diesen Erkenntnissen lässt sich ausgerichtete, fußballspezifische technisch-mo-
das heuristische Entscheidungsverhalten von torische Testbatterie entwickelt, die seit 2004 re-
Spielern erklären. gelmäßig bundesweit die Trainingsmaßnahmen
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
625 12
begleitet und die Erfolge evaluiert (Lottermann fische Fachkompetenzen des gesamten Funk-
et al. 2003). Die Erfolge der deutschen Fußball- tionsteams einer Fußballmannschaft. Dabei
nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasi- bildet die fundierte Kenntnis über die Leis-
lien werden unter anderem auf diese fokussierte tungsstruktur und über das Belastungs- und
Talentförderung zurückgeführt. Beanspruchungsprofil des Fußballspiels eine
Die aktuelle Testbatterie umfasst fünf Tests grundlegende Orientierung.
(20-m-Linearsprintleistung, Gewandtheits- Das übergeordnete Ziel des Athletiktrai-
lauf, Dribbling, Ballkontrolle inkl. Passen und nings sollte vor allem die Vorbereitung auf
Balljonglieren), die halbjährlich im Frühjahr die Wettkampfbelastung sein. Durch eine
und Herbst mit den ca. 12.000 Spielern an den gute Grundlagenausdauer (aerobe Basis) in
Stützpunkten durchgeführt werden. Die indi- Kombination mit einer hohen fußballspezi-
viduelle Auswertung der einzelnen Testungen fischen Ausdauerleistungsfähigkeit (ae-
liefert sehr genaue Normwerte für die Erstel- rob-anaerobe Kapazität) werden die Auf-
lung von Spielerprofilen und gibt Auskunft rechterhaltung der Belastung über die
über ihre Entwicklungsverläufe in den jeweili- gesamte Spielzeit (einschließlich einer mög-
gen Tests (. Abb. 12.22). lichen Verlängerung) sichergestellt und die
Regenerationsfähigkeit nach einer Belastung
positiv beeinflusst. Neben der Ausdauer sind
12.4.4 Trainingssteuerung selbstverständlich auch die Verbesserung
von Kraft und Schnelligkeit nicht zu ver-
Eine angemessene Trainingsplanung im Rah- nachlässigen. Die Empfehlungen für eine
men der Periodisierung einer Saison verlangt isolierte Verbesserung dieser einzelnen kon-
trainingswissenschaftliche und fußballspezi- ditionellen Fähigkeiten sind vielfältig und

..      Abb. 12.22 Beispiel eines Leistungsprofils von die Schnelligkeit beim Dribbling ist unzureichend.
einem männlichen U12-Spieler (Höner 2015). Der Demgegenüber sind Ballkontrolle und Balljonglieren
dargestellte Spieler weist Defizite in der linearen überdurchschnittlich gut (Leistungskategorie A)
Sprintschnelligkeit auf (Leistungskategorie C). Auch
626 A. Ferrauti et al.

werden an anderer Stelle dieses Buches be- Entscheidend für die effektive Gestaltung
schrieben (7 Kap. 4, 5, 6 und 7). von Small-Sided Games ist eine angemes-
Als eine in der Sportpraxis vielfach bevor- sene Ausrichtung der Belastungsnormative
zugte Alternative bieten sich spielnahe Trai- (7 Kap. 2). . Tab. 12.15 zeigt die Auswirkun-
ningsformen bzw. Kleinfeldspiele (engl. gen unterschiedlicher Gestaltungsparameter in
Small-Sided Games) an. Spielnah bedeutet hier- Form von Spielformat, Anzahl von Spielern
bei nicht, das Wettspiel zu kopieren, sondern pro Mannschaft, Pausenzeiten, Wiederholun-
über Regeländerungen (z. B. Spielfeldgröße, gen und Serien auf die Intensität und den Trai-
Spielerzahl, Spielfeld/Spielerzahl-­Relation, ningseffekt.
Spielzeit oder Spielintention) eine spielerische In zahlreichen experimentellen Untersu-
Schwerpunktsetzung im Hinblick auf tech- chungen zu dieser Thematik konnten weitere
nisch-taktische Komponenten oder ausgewählte interessante Aspekte nachgewiesen werden:
konditionelle Fähigkeiten vorzunehmen. 55 Bei einem 4 vs. 4 steigt die Intensität, wenn
ohne große Tore auf Ballhalten oder auf
»» „Offensichtlich ist 11 vs. 11 nicht immer Minitore gespielt wird (González-Rodenas
die ideale Trainingsübung, um bestimmte
et al. 2015).
Aspekte im Fußball zu verbessern. In
55 Die Herzfrequenz steigt mit zunehmender
diesem Fall muss 11 vs. 11 vereinfacht
Größe des Spielfeldes (Owen und Dellal
werden, ohne die typischen Fußballeigen-
2016).
schaften wie die Kommunikation zwi-
55 Die Anzahl an Ballaktionen am Boden
schen den Spielern und die Spieleinblicke,
steigt mit abnehmender Spieleranzahl pro
die Technik und die Fußballfitness der
Mannschaft (Owen et al. 2014).
einzelnen Spieler zu verlieren. Selbst in
55 Die kardiovaskulären Anpassungen sind
dieser weniger komplexen Trainingssitua-
mit jenen eines rein lauforientierten HIIT
tion sind alle Bestandteile des Fußballs
(High-Intensity-Interval-Training)
noch vorhanden. Trotz der temporär
vergleichbar (Iaia et al. 2009).
niedrigeren Anforderungen müssen sich
12 die Spieler sowohl auf der Entscheidungs-
als auch auf der Umsetzungsebene immer
12.4.5 Monitoring
noch mit Positionierung, der Situation,
Richtung und Geschwindigkeit auseinan-
In Wissenschaft und Praxis ist in den letzten
dersetzen.“ (Verheijen 2014).
Jahren verstärkt ein Trend hin zu umfassen-
Bezüglich der fußballspezifischen Ausdauer den Monitoring-Maßnahmen zu beobachten
ist es inzwischen unstrittig, dass sie inner- (7 Abschn. 3.5). Fußballspieler sind inner-
halb von Small-Sided Games ebenso verbes- halb einer Saison enormen körperlichen Be-
sert werden kann wie in Intervall- oder Dau- lastungen ausgesetzt, die zur Ermüdungser-
erlauftrainingsformen. Durch das Spielen scheinungen und strukturellen Schädigungen
mit dem Ball zeigt sich jedoch eine erhöhte führen können. Aufgrund des komplexen Be-
Motivation der Spieler im Vergleich zu ande- anspruchungsprofils wird dementsprechend
ren beiden Trainingsformen (Owen und ein mehrdimensionales Monitoring der kör-
Dellal 2016). Hinsichtlich der Verbesserung perlichen Beanspruchung (Internal Load),
von Schnelligkeit und Kraft ist die Sachlage bestehend aus laborchemischen, psychome­
etwas weniger überzeugend. Hier kann je- trischen und leistungsdiagnostischen Mar-
doch im Sinne eines Komplextrainings durch kern, empfohlen (Urhausen et al. 1995; Meyer
Zusatzübungen in den Serienpausen ein Ak- et al. 2014; Nédélec et al. 2012). Darüber hin-
zent gesetzt werden. aus bietet auch die Herzfrequenz (insbeson-
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
627 12

..      Tab. 12.15 Übersicht über Typen des Ausdauertrainings mittels Kleinfeldspielen (mod. nach
Deutscher Fußball Bund 2019)

Geeignete Trainingsbelastung

Insensität Dauer

Laktat Gesamtdauer Dauer pro Wie- Anzahl an Wie-


Trainingstyp %HR RPE [mmol/l] [min] derholung derholungen Pause Spielformat

5x5

6x6
Laktat- ziemlich <1 min
schwelle 80 - 90 anstrengend 3-6 30 - 60 6 - 30 min 1-8 Pause
7x7

8x8

3x3
0,5-1 Be-/
• Entlastungs-
V O2 max
90 - 95 anstrengend 6 - 12 12 - 35 3 - 6 min 4-8 verhältnis
4x4

2x2
2-4 1-4 Be-/Ent-
20s to Sätze bei lastungsver-
Anaerob >85 maximal >10 4 - 16 3 min 4 - 8 Wdh hältnis
3x3

%HR = Prozent maximaler Herzfrequenz; RPE = subjektive Belastungseinschätzung

dere die standardisiert ablaufende submaxi- Zunehmend bestimmen Technologien


male Messung beispielsweise regelmäßig und die daraus generierten Daten die tägliche
während des Aufwärmens) interessante In- Trainingsarbeit. Der Bereich der Videoanalyse
formationen über den vegetativen Erholungs- ist im Leistungsfußball nicht mehr wegzuden-
zustand (Schneider et al. 2018). Zusätzlich ken. Durch neueste Soft- und Hardwarelösun-
wird die Trainings- und Wettkampfbelastung gen bereiten professionelle Videoanalysten die
(External Load) per GPS oder andere Track- Trainings- und Spielsessions auf, die in kate-
ing-Verfahren aufgezeichnet und zusammen gorisierten Szenen den Trainern und Spielern
mit den Beanspruchungsdaten statistisch ein visuelles Feedback bieten. Durch festins-
ausgewertet. Speziell eine plötzliche Erhö- tallierte Kameras, GPS-Sensoren, Radaranla-
hung der körperlichen Belastung eines Spie- gen und andere technische Innovationen wer-
lers ist aufmerksam zu beobachten. Bereits an den zunehmend differenzierte Daten während
anderer Stelle dieses Buches wurde auf den Training und Wettspiel im Fußball erhoben
Zusammenhang zwischen dem sogenannten (3D-Positionsdaten, Laufdistanzen, Ge-
Acute:Chronic Workload Ratio (Gabbett schwindigkeitssektoren, Herzfrequenzdaten,
et al. 2016) und der Verletzungsinzidenz hin- Ballpositionen, Ballaktionen, Teamperfor-
gewiesen (7 Abschn. 3.5). Viele der zugrunde mance usw.). Den Mehrwert dieser Informa-
liegenden Untersuchungen wurden im Fuß- tionsflut (Big Data) erreicht man aber nur
ball durchgeführt. durch sinnvolle Analysen, zeitnahe Verarbei-
628 A. Ferrauti et al.

tung und eine angemessene Datenfilterung. 55 Mannschaften mit mehr Schüssen und
Diese Form des funktionellen Wissensma- Schüssen auf Tor gewinnen in der Regel
nagements stellt den Trainerstab und das ge- die Spiele (Lago-Peñas et al. 2009;
samte Beraterteam derzeit vor neue Probleme. ­Castellano et al. 2011).
Digitalisierung und technologischer Fort-
schritt verlangen Experten mit fußballspezifi- Exkurs: Packing
schem Sachverstand, die die Daten hinsicht-
lich ihrer Verwertbarkeit sichten und filtern In diesen Thesen finden sich Aspekte der neuen
müssen. Fachbegriffe Packing-Rate und Expected Goals
wieder, die von externen Dienstleistern für die
Insgesamt stellt ein detailliertes und eng-
tägliche Trainingsarbeit und die Matchplanung
maschiges Monitoring des gesamten Kaders einbezogen werden und in aufwendigen
erhebliche Anforderungen an Personalbe- Auswertungen den Trainerteams und den
darf, Finanzbudget und auch (Trainings-) Spielern zugänglich gemacht werden können
Zeit, was stets einer kritischen Kosten-Nut- (Impect GmbH und WyScout)
zen-Analyse bedarf. So erscheinen die Aus-
wertung und Aufbereitung umfangreicher
Daten nur dann als sinnvoll, wenn sie auch 12.5 Volleyball
tatsächlich in trainingspraktische Entschei-
dungen einfließen. Til Kittel
Neben der aktuellen Wettkampfanalyse
einzelner Fußballspiele und der unmittelbaren „Volleyball ist wie Schach, nur mit Tempo 200.“
Trainingssteuerung von Spielern zur Vorberei- (Hans-Friedrich Voigt)
tung auf das nächste Spiel liefern aggregierte
Daten aus einer repräsentativen Anzahl von Zusammenfassung
Fußballspielen wichtige grundlegende Er- Der Deutsche Volleyballverband (DVV) wurde
kenntnisse über erfolgversprechende Strate- 1955 gegründet. Im Moment sind etwas mehr
gien und deren Entwicklung (. Abb. 3.2, als 410.000 Aktive in 17 Landesverbänden und
12 7 Abschn. 3.1 und 3.2). Memmert et al. (2016) 7000 Teams organisiert. Volleyball ist heute eine
haben versucht, anhand der Big Data aus den der weltweit verbreitesten Sportarten (gemes-
Spieltagen der Bundesligasaison 2014/15 ei- sen an der Zahl der Aktiven) und findet auch in
nige Indikatoren (Key-Performance-Indika- Deutschland im Leistungs-, Breiten- und Schul-
tor) zur Bestimmung des Erfolges im Spiel zu sport umfassende Beachtung. ­Erfunden wurde
evaluieren. Anhand dieser Ergebnisse und wei- Volleyball 1895 vom US-Amerikaner William
terer Erkenntnisse lassen sich folgende Aussa- G. Morgan am YMCA-College in Holyoke, Massa-
gen zusammenfassen: chusetts (USA) unter dem Namen Mintonette,
55 Erfolgreiche Mannschaften kontrollieren als Zeitvertreib für ältere Mitglieder. Die Zahl der
den meisten Raum vor allem beim Spieler war zunächst ebenso unbegrenzt wie
Passspiel in der Angriffszone. die Anzahl der Ballkontakte. Von diesem Aus-
55 Erfolgreiche Mannschaften überspielen gangsprunkt aus erfolgte eine Verbreitung und
mit vertikalen Pässen oder vertikalen Versportlichung des Spiels über die ganze Welt.
Dribblings gleichzeitig mehr Gegenspieler. Die Leistungsanforderungen im heutigen
55 Erfolgreiche Mannschaften zeichnen sich Volleyball sind, wie in allen Sportspielen, auf-
durch besseres Positionsspiel und durch grund ihrer Heterogenität und Komplexität
Raumdominanz aus. nicht vollständig darstellbar. Die technisch-­
55 Heimmannschaften überspielen mehr taktischen, athletischen und psychischen An-
Gegenspieler bei Pässen und kontrollieren forderungen lassen sich idealtypisch modellie-
mehr Räume. ren, münden aber immer in einer individuell
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
629 12
Leistungsstruktur im Volleyball setzt sich aus
verschiedenen Komponenten zusammen,
die – ausgehend von dem „Ideal“ der Welt-
spitze – je nach Alter, Niveau und anderen
Rahmenbedingungen variieren.
Volleyballspieler müssen aufgrund der ho-
hen Ballgeschwindigkeiten auf einem relativ
kleinen Spielfeld und den regelbedingten Rück-
schlagbedingungen schnell reagieren (dies
setzt hohe Wahrnehmungsleistungen voraus).
Dazu müssen ihnen verschiedenste sportliche
..      Abb. 12.23 Höchste kognitive und athletische Techniken stabil und präzise zur Verfügung
Beanspruchungen im Leistungsvolleyball stehen, die während des Kontakts nicht regu-
lierbar sind (Bewegungskoordination unter Zeit-
sehr spezifischen Spielleistungsfähigkeit. Auf druck).
hohem Niveau verlangt Volleyball eine Kurz- Um sich einen spielerischen Vorteil unter
zeit-Intervallbelastung von 4–7 s, in der unter sehr standardisierten Bedingungen zu ver-
hohem Zeit- und Präzisionsdruck aufgrund der schaffen (nur drei Ballberührungen erlaubt),
regelwerkbedingten Ballkontaktdauer und in werden auf kleinem Feld ausgeklügelte takti-
Kooperation mit anderen Spielern auf einem sche Verhaltensweisen (kognitive Fähigkeiten)
kleinen Raum (13,5 qm pro Spieler) agiert wer- verlangt, um komplexe gruppentaktische An-
den muss (. Abb. 12.23). Zur Leistungsent- griffs- und Abwehrmuster in hoher Geschwin-
wicklung und -steuerung im Volleyball bietet digkeit zu realisieren.
sich eine Ableitung der Trainingsempfehlun- Spieler mit großer Reichhöhe (Genetik, An-
gen an einem volleyballspezifischen Anforde- thropometrie) sind bevorteilt (die durch-
rungsprofil an, welches inzwischen aufgrund schnittliche Körperhöhe der männlichen
einer breiten Datengrundlage gut zu modellie- Olympiateilnehmer hat von 1968–2000 von
ren ist. 1,86 auf 2,00 m zugenommen).
Seit etwa 30 Jahren etabliert sich die Vari- Etwa jede sechste Spielsituation wird im
ante Beach-Volleyball als eigene Wettkampfdis- „Fehlerspiel“ Volleyball nicht erfolgreich be-
ziplin und ist seit den Olympischen Spielen wältigt. Dieser Umstand verlangt besondere
1996 mit einem eigenen Turnier vertreten. Eigenschaften der Spieler im Bereich der Frus-
Beachvolleyball weist durch die reduzierte Spie- trationstoleranz/Psyche.
lerzahl (2:2), das geringfügig verkleinerte Feld Volleyball wird über eine lange Spielzeit
(8 × 16 m), verschiedene Regelunterschiede mit vielen kurzen Wiederholungen gespielt
und den Sportboden Sand eine eigene Bela- (alaktazid-anaerobe Energiebereitstellung) bei
stungs- und Beanspruchungsstruktur auf, die vergleichsweise wenig Sprüngen, Schlägen und
sich – zumindest in konditioneller Hinsicht – Läufen (dosierte Explosiv- und Schnellkraft) in
trotz ähnlicher Spielstruktur vom Hallenvolley- einem Mannschaftsspiel, in dem jeder jede Si-
ball unterscheidet. tuation bewältigen muss (Universalismus und
Spezialisierung). Diese hohen, sich aus der Tä-
tigkeitsanalyse ergebenden, vielschichtigen
12.5.1 Leistungsstruktur und veränderlichen Anforderungen des Spiels,
grafisch dargestellt als Anforderungsprofil
Aus dem „Zeitvertreib für Ältere“ ist in den gut (. Abb. 12.24), stellen zuvorderst hohe Anfor-
120 letzten Jahren ein athletisches, schnelles derungen an die Informationsverarbeitung
Sportspiel geworden – das Spiel wurde „ver- unter Zeitdruck (Voigt et al. 2010). Insgesamt
sportlicht“ (Spitzer 1987; Voigt et al. 2010). Die kann von einem hohen Stellenwert einer dem
630 A. Ferrauti et al.

Zeitdruck ausgelieferten Verwaltung von Leis- Ball-­Zeit ist inzwischen auf 14,7 % gesunken,
tungsvoraussetzungen gesprochen werden. in der Regel ist ein Ballwechsel nach fünf Ball-
berührungen und knapp zwei Netzüberque-
rungen beendet (FIVB 2017; . Tab. 12.16).
12.5.2 Belastungs- und Demzufolge ist ein Spiel im Volleyball körper-
Beanspruchungsprofil lich gekennzeichnet durch eine azyklische Kurz-
zeit-Intervallbelastung (im Durchschnitt dauert
Als Kurzeit-Intervall-Spiel beträgt die absolute ein Ballwechsel auf internationalem Niveau bei
Spieldauer (Herren, Spitzenbereich) zwischen den Herren 5,60 s, bei den Damen 7,52 s).
64 und 131 Minuten, der Anteil der Flying-­ Wegen der vielen Unterbrechungen, die
sich aus Pausen zwischen Aufschlägen, länge-
ren technischen und taktischen Auszeiten,
Koordination Satzpausen und neuerdings auch Video-­
als Bewegungspräzision unter Zeitdruck
Challenges zusammensetzen, bestehen die
Psyche Ballwechsel nur aus kurzen Phasen der Akti-
als Umschalten und Regulation
vierung (. Abb. 12.25).
Ressourcenmanagement Aus der prozentualen Verteilung von Ball-
als spielspezifische Ausdauer wechseldauern über ihre zeitliche Länge ergibt
Leistungsbereiche

Explosivkraft
sich, dass Ballwechsel von über 15 Sekunden
für Sprung und Schlag praktisch nicht vorkommen. Die meisten Feh-
ler entstehen bei eigenem Aufschlag (<2 s), der
kognitive Fähigkeiten
als Taktik Annahme des gegnerischen Aufschlages
(2–3 s) und im Bereich des Angriffsabschlus-
Beweglichkeit ses (5–7 s). Die Blutlaktatwerte liegen während
für Spielsituationen
eines Spiels bei den Männern zwischen
aerobe 2–4 mmol/l (Steinhöfer 2008).
Ausdauer
Die ballungebundenen und ballgebunde-
12 niedrig mittel bedeutsam sehr
bedeutsam
nen Aktionen in einem Ballwechsel variieren
von Position zu Position und je nach Niveau.
..      Abb. 12.24 Anforderungsprofil Volleyball (nach Innerhalb eines „typischen“ Ballwechsels (in-
Voigt et al. 2010, S. 24) ternationales Niveau, Herren) legen Spieler

..      Tab. 12.16 Ausgewählte Strukturdaten im Volleyball der Männer national und international (modi-
fiziert nach Czimek 2012, S. 27)

Männer

national international

Netzüberquerungen pro Ballwechsel (im Schnitt) 1,8 1,9

Ballberührungen pro Ballwechsel (im Schnitt) 4,2 4,9

absolute Satzdauer im (im Schnitt) 21 min 24 min

effektive Satzdauer (im Schnitt) 18:13 min 18:51 min

reine Satzdauer („Flying Ball“, im Schnitt) 3:28 min 4:13 min

Ballwechseldauer (im Schnitt) 5,2 s 5,6 s


Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
631 12
..      Abb. 12.25 Häu- 25
figkeit und Dauer von Halle
Ballwechseln im Beach
internationalen 20
Spitzenvolleyball um
die Jahrtausend-

Häufigkeit (%)
15
wende (Voigt et al.
2010, S. 21)
10

0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Ballwechseldauer (s)

1,2–12,0 Schritte zurück und springen 1,2-mal führen Volleyballer im Schnitt 55 Sprünge pro
(nur die Angreifer, Voigt 2003). Dies erfolgt Stunde aus (mit großen Unterschieden, je nach
pro Satz 35–50-mal. Die ballgebundene Akti- Spielposition; . Abb. 12.27; Czimek 2012;
onsdichte liegt bei 1,2 Ballaktionen pro Mi- Mroczek et al. 2013).
nute, also etwa 80 ballgebundene Aktionen pro
Stunde Spielzeit (Voigt 2000b). zz Anforderungen an die Spielpositionen:
Innerhalb eines Ballwechsels lösen sich im Auch wenn Volleyball von der Grundidee des
Volleyball typischerweise sekündlich Situatio- Regelwerks (Rotation bei Gewinn des Auf-
nen mit weniger und mehr Zeitdruck ab – dar- schlagrechts, Aufstellungsregeln) Universalis-
aus resultieren für das Spiel typische Fehlerquo- mus fordert, wird versucht, aus Gründen der
ten, die in Situationen mit Zeitdruck deutlich Leistungsoptimierung Spezialisten auszubilden
höher liegen (. Abb. 12.26). Durch die regelbe- und einzusetzen (Selinger und Ackermann-­
dingten Einschränkungen (Volley-­ Kontakte, Blount 1987). Aus diesen widersprüchlichen
maximal drei Ballberührungen) entsteht eine Anforderungen hat sich ein „spezialisierter Uni-
typische Handlungskettenstruktur, die dem versalismus“ im Volleyball ausgebildet (Voigt
Spiel eine typische und recht ­standardisierte Ab- und Jendrusch 2013). So hat zum Beispiel jeder
folge von Spielsituationen gibt (. Abb. 12.26). Spieler im Vorder- und Hinterfeld seine feste
Die genannten Aspekte verdeutlichen in der Position, die er – unter Berücksichtigung der
Summe das für Volleyball charakteristische Un- Aufstellungsregeln – nach dem Aufschlag für
gleichgewicht zwischen Offensive und Defen- die aktuelle Spielsituation einnimmt. Auf dem
sive zugunsten der Offensive. Daran haben Spielfeld ergeben sich daraus üblicherweise fol-
zahlreiche Regeländerungen der letzten Jahr- gende Positionen und Funktionen (Sheppard
zehnte strukturell nichts geändert (Voigt 2000a). et al. 2009; . Abb. 12.28):
Die Laufstrecken während eines Wettspiels 55 Zuspieler übernehmen in der Regel nach
liegen – positionsspezifisch variierend – in einem der Annahme den zweiten Ballkontakt im
Vier-Satz-Spiel zwischen 550 und 1600 Metern Spielaufbau und spielen den Ball weiter
und spielen damit in der Betrachtung möglicher zum Angreifer. Darüber hinaus inszenieren
leistungslimitierender Belastungsfaktoren keine sie den Angriffsaufbau aus der Annahme
relevante Rolle (Mroczek et al. 2013). und müssen entscheiden, welchen Angrei-
Im Gegensatz dazu stellen die Sprunghand- fer sie taktisch klug einsetzen. Die Spiel-
lungen einen leistungsbestimmenden Faktor position ist sowohl im Vorder- als auch im
dar (Czimek 2014). Auf internationaler Ebene Hinterfeld meist die rechte Spielfeldseite.
632 A. Ferrauti et al.

..      Abb. 12.26 Zeit- Situationsketten


druck und -struktur im (kumulative Häufigkeit in %)
Volleyball und
Häufigkeitsverteilung Zeitdruck
der Spielsituationen groß eher klein
im Volleyball (nach
Voigt 2003, S. 31)
0 Aufschlag
Annahme 13
1
Zuspiel
2
sekündlicher Perspektivwechsel, t (s)

Angriff
3 60
Block/
4 Feldabwehr

5 Zuspiel

6
Angriff 15
Block/
7 Feldabwehr

8 Zuspiel

9
Angriff 5

10 Block/
Feldabwehr

11

12

12 80
Männer (intenational)

70
60
Anzahl/Stunde

50
40
30
20
10
0
alle Spieler Zuspieler Mittelblocker Diagonalspieler Außenspieler
(gemischt)

..      Abb. 12.27 Durchschnittliche Sprunghandlungen der Spielertypen pro Stunden (mod. nach Czimek 2012,
S. 30)

55 Der Hauptangreifer oder auch Diagonalspie- der Regel aus der Annahme herausgelöst,
ler steht in der Grundrotation diagonal zum damit die Gegner ihn nicht durch einen
Zuspieler und hat sich in den letzten 40 taktischen Aufschlag im Angriff binden
Jahren vom Hilfszuspieler und Universalspie- können, und greift über die rechte Feldhälfte
ler zum Hauptangreifer entwickelt. Er wird in an. Er ist ebenfalls Hauptangreifer aus dem
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
633 12

..      Abb. 12.28 Spielpositionen zweier Mannschaften während eines Ballwechsels

Hinterfeld, da er – gerade, wenn der eigene Spielsystem die Hauptfunktionen Annah-


Zuspieler Vorderspieler ist – den fehlenden mespieler (zusammen mit dem Libero)
Netzangreifer ersetzen soll. und als Angreifer für Pässe im 2. Tempo.
55 Mittelangreifer oder -blocker spielen auf der 55 Der Libero ist ein Spezialist, der nur im
mittleren Netzposition als Schnellangrei- Hinterfeld für einen anderen Spieler
fer. Es gilt, den gegnerischen Blocker in eingewechselt werden darf und der dort
der Mitte des Netzes zu binden. Bei Hauptaufgaben in Annahme, Feldzuspiel
gegnerischem Angriff haben sie die und Verteidigung übernimmt.
Aufgabe, durch Antizipation des gegneri-
schen Angriffsaufbaus möglichst einen
Doppelblock mit einem Mitspieler zu 12.5.3 Leistungsdiagnostik
bilden, um die Verteidigungschancen der
eigenen Defensive zu erhöhen bzw. um Die Leistungsdiagnostik im Volleyball ist Ge-
direkt einen Punkt mit dem Block zu genstand beständiger Diskussion, da sich die
erzielen. komplexe Spielleistung in einer überschauba-
55 Annehmende Außenangreifer übernehmen ren Anzahl sportmotorischer Tests schwer
in der Regel auf der linken Netzseite im ökonomisch abbilden lässt.

Exkurs: Talentdiagnostik

Die umfassendste Testbatterie im deutschen Volley- 55 Sprint (10, 20, 30 m)


ball führt wohl der Deutsche Volleyball-­Verband 55 Japan-Test (ein Schnelligkeitstest mit Rich-
(DVV) im Rahmen der Sichtung der Jugendnational- tungsänderungen)
mannschaft durch. Diese Tests (hier eingesetzt für 55 Jump-and-Reach-Sprunghöhe
die Talentsichtung und -prognose) sind kürzlich sys- 55 Jump-and-Reach-Sprungreichhöhe
tematisch evaluiert worden (Diekmann et al. 2018). 55 Standweitsprung
Bei der Talentsichtung des DVV werden fol- 55 Counter Movement Jump
gende Merkmale erhoben:
55 Alter Hinsichtlich einer prognostischen Aussage für die
55 Körpergröße spätere Leistungsentwicklung konnten hierbei
55 Körpergröße der Mutter die stärksten Effekte für die Merkmale Reichhöhe
55 Körpergröße des Vaters (männlich) und Sprungreichhöhe (weiblich) nach-
55 Körpergewicht gewiesen werden – insgesamt bleibt aber noch
55 Rohrer-Index Verbesserungsbedarf bei der Testauswahl,
55 Armspannweite -durchführung und -dokumentation zu konstatie-
55 Reichhöhe ren (Diekmann et al. 2018).
634 A. Ferrauti et al.

In der trainingsbegleitenden Leistungsdia- aktionsschnelligkeit (eingebunden in typische


gnostik werden im Volleyball vermehrt fol- Spielkonstellationen) und der Bewegungs-
gende Tests angewandt: schnelligkeit (in der Regel komplex und azyk-
Im Bereich der Schnelligkeit wird in der lisch) eine bedeutende Rolle im Volleyball
Regel die azyklische Bewegungsschnelligkeit spielt und dementsprechend berücksichtigt
getestet, klassischerweise mit einem Zonen- werden muss. Die im Training notwendige In-
lauf im Volleyballfeld „9-3-6-3-9“ oder ei- tensität zur Verbesserung der Schnelligkeits-
nem Sternlauf (Steinhöfer 2008; Czimek und leistungen ist oft besser ohne Ball trainierbar.
DVV 2017). Auch die Schlaggeschwindigkeit
ist wegen der geringen zu überwindenden zz Ausdauer
Last eher als Schnelligkeitsleistung zu cha- Die aerobe Ausdauer spielt im Volleyball eine
rakterisieren (Tidow und Wiemann 1993; nur geringe Rolle (verbessert und optimiert
Tidow 2006) und wird oftmals getestet (Pa- aber die Regenerationsdauer und -qualität, was
lao und Valades 2009). besonders im Leistungssport bei hohen Trai-
Allgemeine Ausdauertests bieten sich we- ningsumfängen relevant sein kann) und wird
gen der untergeordneten Rolle der aeroben manchmal auch als das „Stiefkind“ der kondi-
Ausdauer für die Leistung im Volleyball nicht tionellen Teilbereiche im Volleyball bezeichnet
an. Aus diesem Grund haben sich seit den (Voigt et al. 2010). Für jüngere Spieler wird
1980er-Jahren Intervalltests etabliert, die die 1–2-mal 5–10 Minuten Laufen pro Woche und
volleyballspezifische Ausdauer durch eine spe- ab dem späten Jugendalter wird die Integration
zifische Belastungsgestaltung abprüfen sollen in ballgebundene Übungsformen empfohlen.
(Voigt und de Marees 1988). Die spielspezifische Ausdauer spielt die weit-
Im Bereich der Kraft wird in der Regel ver- aus bedeutendere Rolle im Volleyball. Die Struk-
sucht, nicht nur die allgemeinen Leistungsvor- turdaten beschreiben Volleyball energetisch als
aussetzungen zu testen, sondern auch die im einen alaktaziden Kurzzeitintervallsport. Die be-
Volleyball spezifische Ausprägung als Sprung- sondere Anforderung für die Spieler ergibt sich
kraft (Voigt und Vetter 2003). aus der Notwendigkeit der schnellen Restitution
12 der Energiespeicher in den Ballwechselpausen,
die im Training durch eine Gamelike-Belastung
12.5.4 Trainingssteuerung (oder über Spielniveau) stabilisiert und verbes-
athletischer sert werden kann (Voigt 2003).
Komponenten
zz Kraft
Inzwischen ist unstrittig, dass ab einem be- Als Leistungsvoraussetzung, aber auch zur Ge-
stimmten Zeitpunkt reines Volleyballtraining währleistung der körperlichen Gesundheit im
die athletischen Voraussetzungen im Volley- Sinne einer Belastungstoleranz auch bei höhe-
ball nicht mehr zu verbessern vermag (Stein- ren Trainingsumfängen und -intensitäten,
höfer 2008; Trajkovic et al. 2012). spielt Kraft unter den konditionellen Teilberei-
chen eine herausragende Rolle im langfristigen
zz Schnelligkeit Trainingsprozess der Schnellkraftsportart Vol-
Im Volleyball wird Schnelligkeit überwiegend leyball (Kramer et al. 2017).
in Zusammenhang mit Richtungswechseln, für Volleyball erfordert eine kontinuierliche
Starts in alle Richtungen, für Sprünge und Stabilisierung des Rumpfes als Widerlager für
Armrück- und Armvorschwünge und in Form schnellkräftige Arm- und Beinbewegungen
von Auswahlreaktionen und -aktionen ver- und moderate Kräftigung des Schultergürtels
langt. Für die langfristige Leistungsentwick- zur Stabilisierung des Systems wegen der Viel-
lung bedeutet dies, dass das Training der Re- zahl der Schläge.
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
635 12
Vor allem aber wird die Ausprägung der Spielniveau entwickeln lässt. Aus diesem
Schnellkraft als Sprungkraft in der Strecker- Grund verlangt Volleyballtraining viele Wie-
kette angestrebt, um hohe Sprunghöhen reali- derholungen von Standardsituationen in struk-
sieren zu können. Als Zielwert für männliche turnahen Konstellationen und spielnahen Ball-
Volleyballspieler wird zum Beispiel in der tie- fluggeschwindigkeiten und -dynamiken (Voigt
fen Kniebeuge ein Maximalkraftwert von mehr 2003).
als dem 1,5-fachen Körpergewicht angegeben, Wie bereits dargestellt, findet im Volleyball
beim Kreuzheben mehr als das einfache Kör- ein beständiger Wechsel zwischen Spielsituati-
pergewicht und beim Anreißen ein Wert von onen, in denen hoher Zeitdruck für die betei-
mehr als dem 0,6-fachen Körpergewicht (Voigt ligten Spieler herrscht (in . Tab. 12.17 rot),
und Jendrusch 2013). und Spielsituationen, in denen der Zeitdruck
Um den unterschiedlichen Adaptationszei- relativ gering ist (in . Tab. 12.17 grau), statt.
ten verschiedener Gewebearten Rechnung zu Die Übersicht der im Spiel zu bewältigenden
tragen, wird ein frühzeitiges und kontinuierli- Situationen stellt eine gute Hilfe zur Auswahl
ches Knorpeltraining (Mobilisation) beglei- von Trainingsinhalten dar:
tend zum Krafttraining empfohlen. 55 Zum einen sollten, entsprechend der
Häufigkeit des Vorkommens im Spiel, die
zz Beweglichkeit K1-Situationen (blau) häufiger trainiert
Eine speziell ausgeprägte Beweglichkeit wird werden als die sonstigen Spielsituationen
im Volleyball nicht benötigt. Eine Ausnahme (obwohl sie numerisch nur ein Drittel der
kann das Schultergelenk bilden. Hier kann gesamten Spielsituationen ausmachen).
mangelnde Beweglichkeit die Schlaggeschwin- Zum anderen sollte berücksichtigt werden,
digkeit und die Schlagtechnik beeinflussen. Da dass Spielsituationen mit hohem Zeitdruck
kann ein auf die Defizite abgestimmtes Beweg- (rot) auf jedem Spielniveau erfolgsärmer
lichkeitstraining Abhilfe schaffen. sein werden als Spielsituationen mit wenig
Zeitdruck (grün). Auch die spielnahe
Organisation in Trainingsprozessen kann
12.5.5 Ausgewählte unter Umständen für diese Situationen
Trainingsbeispiele schwieriger werden.
55 Darüber hinaus bietet es sich an, typische
Im Kanon der Sportspiele ist Volleyball das Handlungsketten des Spiels in Übungssi-
„Standard-Situation-Spiel“. Trotz der immer tuationen auch in dieser Reihenfolge
vorhandenen Variationen lassen sich die we- einzufordern (vgl. . Abb. 12.27), „Hand-
sentlichen Spielbestandteile in relativ wenigen lungskettentraining“.
Situationen beziehungsweise Situationsklassen 55 Die ballgebundenen Inhalte sind dabei
zusammenfassen (. Tab. 12.17). Über 60 % al- überwiegend als „volleyballspezifische“
ler Spielsituationen finden beispielsweise in Intervallmethode zu organisieren (also
der Handlungskette „Annahme-Zuspiel-­ Gamelike, orientiert an den Ballwechselzei-
Angriff “ statt (auch Komplex 1 oder kurz „K1“, ten und -aktionen sowie Pausen zwischen
in . Tab. 12.17 blau markiert, vgl. auch den Ballwechseln unter Berücksichtigung
. Abb. 12.27). des Prinzips des überschwelligen Belas-
Die Kombination von regelbedingt sehr tungsreizes; Voigt 2003; Steinhöfer 2008).
kurzen Ballkontaktzeiten und hohen Ballflug-
geschwindigkeiten verlangt von den Spielern Bezogen auf die Gewichtung der Trainingsme-
eine sehr hohe Bewegungspräzision, die sich thoden im Balltraining werden dementspre-
nur durch viele Wiederholungen in den relativ chend die in . Tab. 12.18 gelisteten Empfeh-
wenigen Standardsituationen auf und über lungen gegeben.
636 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 12.17 Spielsituationen im Volleyball (modifiziert nach Kittel et al. 2016, S. 88)

Situations- Situations- Situationsklasse


klassen- klasse (Erläuterung)
gruppe (Abk.)

1 Aufschlag als Sprungaufschlag mit Side-/Topspin


A 2 Aufschlag als Sprungaufschlag mit Flattereffekt
3 Aufschlag als Sprungaufschlag aus dem Handgelenk

4 Aufschlag als Flatteraufschlag mit langer Flugzeit


B
5 Aufschlag als taktischer Aufschlag mit kurzer Flugzeit

6 Annahme von Sprungaufschlägen vor dem Körper


7 Annahme von Sprungaufschlägen neben dem Körper
8 Annahme von Flatteraufschlägen vor dem Körper
C
9 Annahme von Flatteraufschlägen neben dem Körper
10 Annahme von taktischen Aufschlägen vor dem Körper
11 Annahme von taktischen Aufschlägen neben dem Körper

12 Zuspiel im Sprung bei gutem ersten Pass aus der Annahme- oder „Dankeball"-Situation

13 Zuspiel im Stand oder Sprung nach Erlaufen bei ungenauem ersten Pass
aus der Annahme oder „Dankeball“-Situation

14 Zuspiel im Sprung bei gutem ersten Pass nach Block


D
15 Zuspiel im Stand oder Sprung nach Erlaufen bei ungenauem ersten Pass nach Block

16 Zuspiel im Sprung bei gutem ersten Pass nach Feldabwehr


17 Zuspiel im Stand oder Sprung nach Erlaufen bei ungenauem ersten Pass nach Feldabwehr

18 Zuspiel im Stand oder Fallen nach Erlaufen bei schlechtem ersten Pass
aus der Annahme- oder „Dankeball"-Situation

12
19 Zuspiel im Stand oder Fallen nach Erlaufen bei schlechtem ersten Pass nach Block
E
20 Zuspiel im Stand oder Fallen nach Erlaufen bei schlechtem ersten Pass nach Feldabwehr

21 Angriff als Schnellangriff nach Befreiung von Annahmefunktionen


F 22 Angriff als Schnellangriff nach Block
23 Angriff als Schnellangriff nach „Dankeball"

24 Angriff als Kombinationsangriff nach Befreiung von Annahmefunktionen


G
25 Angriff als Kombinationsangriff nach Annahme

26 Angriff als Kombinationsangriff nach Block


27 Angriff als Kombinationsangriff nach Feldabwehr
28 Angriff als Kombinationsangriff nach „Dankeball“

29 Angriff als Außenangriff nach Annahme

30 Angriff als Außenangriff nach Block

31 Angriff als Außenangriff nach Feldabwehr

32 Angriff als Außenangriff nach „Dankeball“


H
33 Angriff als Hinterfeldangriff nach Befreiung von Annahmefunktionen

34 Angriff als Hinterfeldangriff nach Annahme

35 Angriff als Hinterfeldangriff nach Feldabwehr

36 Angriff als Hinterfeldangriff nach „Dankeball“


Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
637 12

..      Tab. 12.17 (Fortsetzung)

Situations- Situations- Situationsklasse


klassen- klasse (Erläuterung)
gruppe (Abk.)

I 37 Blockieren von Schnellangriffen nach gutem ersten Pass durch Mitspringen

38 Blockieren von Schnellangriffen nach gutem ersten Pass durch Nachspringen


J
39 Blockieren von Schnellangriffen nach ungenauem ersten Pass

40 Blockieren von Kombinationsangriffen nach gutem ersten Pass


K
41 Blockieren von Kombinationsangriffen nach ungenauem ersten Pass

42 Blockieren von Außenangriffen als Mittelblockspieler nach gutem ersten Pass

L 43 Blockieren von Außenangriffen als Mittelblockspieler nach ungenauem ersten Pass

44 Blockieren von Außenangriffen als Mittelblockspieler nach schlechtem ersten Pass

45 Blockieren von Außenangriffen als Außenblockspieler


46 Blockieren von Hinterfeldangriffen als Mittelblockspieler nach gutem ersten Pass

47 Blockieren von Hinterfeldangriffen als Mittelblockspieler nach ungenauem ersten Pass


M
48 Blockieren von Hinterfeldangriffen als Mittelblockspieler nach schlechtem ersten Pass

49 Blockieren von Hinterfeldangriffen als Außenblockspieler

50 Feldabwehr von auf den Körper oberhalb der Gürtellinie geschlagenen Bällen

51 Feldabwehr von auf den Körper unterhalb der Gürtellinie geschlagenen Bällen
N
52 Feldabwehr von neben den Körper geschlagenen Bällen
53 Feldabwehr von vor den Körper geschlagenen Bällen

54 Feldabwehr von Blockabprallern des gegnerischen Angriffs durch Erlaufen

55 Feldabwehr von Blockabprallern des gegnerischen Angriffs durch Erhechten

O 56 Feldabwehr von über oder neben den Block gelegten Bällen durch Erlaufen

57 Feldabwehr von über oder neben den Block gelegten Bällen durch Erhechten

58 Sicherung als Nahsicherung bei Befreiung von Angriffsfunktionen


59 Sicherung als Nahsicherung nach Zuspiel
P
60 Sicherung als Fernsicherung bei Befreiung von Angriffsfunktionen
61 Sicherung als Fernsicherung nach Zuspiel

12.5.6 Beach-Volleyball: eine 55 Es werden zwei Gewinnsätze bis 21 (zwei


andere Sportart?! Punkte Vorsprung) gespielt, ein möglicher
dritter Satz geht bis 15.
Beach-Volleyball basiert auf den Regeln des 55 Es spielen jeweils nur zwei Spieler gegen-
Hallenspiels, unterscheidet sich aber in folgen- einander.
den Punkten von diesem: 55 Coaching ist verboten.
55 Das Spiel findet auf Sand statt. 55 Die Anzahl der Auszeiten ist einge-
55 Das Feld ist gegenüber dem Hallenspiel schränkter als in der Hallenvariante.
(9 × 18 m) geringfügig verkleinert 55 Bestimmte Techniken aus dem Hallenspiel
(8 × 16 m). sind verboten beziehungsweise in ihrer
638 A. Ferrauti et al.

..      Tab. 12.18 Trainingsmethoden und Gewichtung im Balltraining für Volleyballspieler

Name Belastungs - Intensität Belastungs - Trainingsziel Bedeutung


dauer pause im
Training

Wiederholungsmethode ca. 4–5 s maximal/ ca. 1 min Schnelligkeit mittel


supramaximal

spielspezifische
„spielnahe“ ca. 5–10 s submaximal ca. 10–20 s Ausdauer = sehr hoch
Intervallmethode Energieflussrate

Dauermethode ca. 30–50 min mittel keine aerobe niedrig


Ausdauer

Verwendung deutlich eingeschränkt (z. B. Spieler. Auch für die Psyche bringt die Sportart
das obere Zuspiel), um trotz der geringen eigene Implikationen mit sich, zum einen durch
Spieleranzahl einen Spielfluss zu erreichen. die geringe Mannschaftsgröße, zum anderen
55 Die Zeitstruktur des Beach-Volleyballs ist durch die nicht vorhandenen Wechselmöglich-
allerdings mit der des Hallenspiels nahezu keiten und das Coaching-Verbot.
identisch.
Praxistipp: Zusammenfassende Empfehlun-
Zudem weisen viele Techniken – abgesehen gen zur Trainingssteuerung im Volleyball
von den veränderten Gleichgewichtsanforder-
12 rungen im Sand und einigen regelbedingten 55 Ballkontrolle im Volleyball entwickelt sich
Unterschieden – sehr große Ähnlichkeiten auf. durch sehr viele Wiederholungen in
spielgleicher oder -ähnlicher Dynamik von
Der DVV möchte, auch aus diesen Gründen,
Standardsituationen und Handlungsketten.
die „kombinierte Ausbildung“ seiner Nach- 55 Die dominante Methode im Balltraining
wuchstalente in beiden Sportarten forcieren sollte eine für Volleyball spielspezifische
(Czimek und DVV 2017). Intervallmethode sein.
Da beim Beach-Volleyball aber nur vier 55 Die Auswahl der Trainingsinhalte sollte sich
in der Regel an der Häufigkeit des Vorkom-
Spieler beteiligt sind, legen Spieler in einem
mens und ihrer Bedeutung im Spiel
Ballwechsel dreimal längere Laufwege zurück, orientieren (K1-Dominanz).
springen 50 % mehr und Schlagen dreimal häu- 55 Das große Ungleichgewicht zwischen
figer als Hallenspieler (Voigt 2003). Dies führt Offensive und Defensive und die daraus
zu höheren Laktatkonzentrationen als im Hal- resultierenden Fehlerquoten müssen sich
einem strukturnahen Training wiederfinden.
lensport, teilweise wurden bei internationalen
55 Als Leistungsvoraussetzungen sind ein
Wettkämpfen 9–11 mmol/l Blut festgestellt tägliches Stabilisationstraining und ein
(Voigt 2003). Zusätzlich sorgt der Sportboden kontinuierliches Schnelligkeits- und
Sand für eine eher konzentrische Kraftanforde- Krafttraining zu empfehlen.
rung für die sich bewegenden und springenden
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
639 12
12.6 Tennis

Alexander Ferrauti und Janina Fett

Spiele mit Freude, gewinne mit Stolz, verliere


mit Respekt

Zusammenfassung
Der Deutsche Tennis Bund (DTB) gehört mit ca.
1,4 Millionen organisierten Sportlern zu den
mitgliederstärksten Verbänden des Deutschen
Olympischen Sportbundes (DOSB) und ist als ..      Abb. 12.29 Roger Federer (SUI) schlägt auf bei
Lifetime-Sport für zahlreiche Adressatengrup- den All England Championships in Wimbledon
pen beiderlei Geschlechts und in jeder Alters-
gruppe beliebt. Tennis wurde bereits als Rück- 12.6.1 Leistungsstruktur
schlagspiel unter Mönchen seit dem 12.
Jahrhundert und als „Jeu de Paume“ in den Ball- Die Leistungsstruktur im Tennis besteht aus ei-
häusern des 16. und 17. Jahrhunderts in Frank- nem Netzwerk verschiedener Leistungskompo-
reich und England gespielt. Das moderne Re- nenten, die je nach Alter, Geschlecht, Spielertyp
gelwerk entstand ca. 1880 in Wimbledon und Bodenbelag, in unterschiedlicher Weise in
(. Abb. 12.29) durch die British Lawn Tennis den Vordergrund treten. Die vergleichsweise
Association. In der Folgezeit öffnete sich Tennis geringe Beanspruchung des Bewegungsappara-
von einem zunächst exklusiven Sport für weite tes und der fehlende Körperkontakt ermögli-
Teile der Gesellschaft und zählt zu den bedeu- chen das Tennisspiel als Freizeit- und Turnier-
tendsten Sportarten weltweit. sportart (als Einzel und später zunehmend als
Die Leistungsstruktur im Tennis besteht Doppel) auch noch im mittleren und höheren
aus einem Netzwerk von Leistungskompo- Lebensalter (Weber 1982; Weber et al. 1995).
nenten, in dem technische, taktische, athleti- Die Schlagtechnik besitzt nach Experten-
sche und psychische Faktoren, je nach Alter, meinung die größte Bedeutung für die Leis-
Geschlecht, Spielertyp und Bodenbelag, in tungsfähigkeit eines Spielers. Deshalb werden
unterschiedlicher Weise in den Vordergrund im Anfängerunterricht vorrangig die Grundli-
treten. Der moderne Tenniswettkampf ist ge- nienschläge Vorhand und Rückhand, die Spiel-
kennzeichnet durch eine intervallförmige eröffnung mit Aufschlag und Return sowie das
Ganzkörperaktivität mit kurzen Phasen inten- Netzspiel und einige seltenere Spezialschläge
siver bis hochintensiver Belastung (4–10 s), vermittelt. Im Kindertennis wird hingegen
unterbrochen durch kurze Pausen (10–20 s) schon frühzeitig mehr Wert auf die Spieltaktik
zwischen den Punkten sowie längeren Pau- gelegt, die überwiegend spielgemäß, beispiels-
sen beim Seitenwechsel (60–90 s). Zur Leis- weise nach dem Programm „Play and Stay“ der
tungssteuerung im Training bietet sich die International Tennis Federation (ITF; 7 www.­
Orientierung am Belastungs- und Beanspru- tennisplayandstay.­com), gelehrt wird.
chungsprofil der Sportart an. Hierzu werden Die psychische Beanspruchung im Tennis
differenzierte Befunde vorgelegt und mit ver- ist sehr hoch. Die Alleinverantwortlichkeit
einzelten Ergebnissen aus Trainingsuntersu- des Spielers (im Vergleich zum Mannschafts-
chungen verglichen. Es wird versucht, die sport), die hohen motorischen Präzisionsan-
Leistungsstruktur des Tennissports anhand forderungen (nicht das maximale, sondern
von empirischen Daten zu quantifizieren. Das das optimale Aktivierungsniveau ist gefor-
Kapitel endet mit Empfehlungen für die Trai- dert) und die Besonderheiten der Zählweise
ningspraxis. (kein Unentschieden, kein Spiel auf Zeit) füh-
640 A. Ferrauti et al.

ren unter Turnierbedingungen oftmals zum achten. Eine unterdurchschnittliche Körper-


Zusammenbruch der im Training perfektio- masse scheint jedoch nachteilig zu sein, wenn
nierten Schlagtechnik. eine hohe Schlagschnelligkeit erzielt werden
Die athletischen Fähigkeiten sind im soll. In Abhängigkeit von dem zu beschleuni-
Kindertennis noch von geringerer Bedeutung, genden Gewicht (der Tennisschläger eines pro-
sie nehmen jedoch im Altersgang bis zur U18 fessionellen Spielers wiegt ca. 330–350 g) und
bei technisch-taktisch gut ausgebildeten Leis- den Anforderungen an Schnelligkeit und Aus-
tungsspielern plötzlich in ihrer Bedeutung zu. dauer ordnet sich der BMI des Tennisspielers
Auf Grundlage einer soliden Basiskraft spielen beispielsweise hinter dem Speerwerfer, aber vor
hier vor allem die Schnellkraft der unteren und dem Badmintonspieler ein.
oberen Extremitäten, die Startschnelligkeit, Aktuelle Leistungsstrukturanalysen weisen
Beschleunigungsfähigkeit und Agility sowie darauf hin, dass die Bedeutung technisch-­
die tennisspezifische Ausdauer eine dominante taktischer Leistungskomponenten von der U12
Rolle. (Rang 1) bis zur U16 und U18 sinkt, bei gleich-
Die Anthropometrie ist im Leistungstennis zeitiger (7 Abschn. 3.2.6, . Tab. 3.2) Bedeutungs-
durch eine überdurchschnittliche Körperhöhe zunahme der athletischen Fähigkeiten. Innerhalb
und einen mittleren BMI, im Damentennis ver- der athletischen Fähigkeiten zeichnet sich ein
einzelt auch einen leicht erhöhten BMI gekenn- Paradigmenwechsel von Laufschnelligkeit (spe-
zeichnet. Eine extrem ausgeprägte Muskelhy- ziell Frequenzschnelligkeit) und Agility als bis-
pertrophie ist im Bereich der oberen lang wichtigste Eigenschaften hin zur Schnell-
Extremitäten nur in seltenen Fällen zu beob- kraft der oberen Extremität ab (. Tab. 12.19).

..      Tab. 12.19 Korrelationskoeffizienten zum Zusammenhang von verschiedenen athletischen Fähigkeiten


und der Ranglistenposition auf der deutschen Jugendrangliste bei weiblichen (oben) und männlichen Turnier-
spielerinnen und -spielern in unterschiedlichen Altersklassen. Die Koeffizienten sind abfallend geordnet nach ih-
rem absoluten Betrag, signifikante Korrelationen sind farblich hervorgehoben (mod. nach Ulbricht et al. 2016)

12
weiblich U12 (n=82) r weiblich U14 (n=177) r weiblich U16 (n=97) r
Aufschlaggeschwindigkeit 0,43 Aufschlaggeschwindigkeit 0,61 Aufschlaggeschwindigkeit 0,64
Medizinballwurf 0,26 Medizinballwurf 0,35 Hit &Turn Test 0,46
Handkraft 0,21 Hit & Turn Test 0,20 Medizinballwurf 0,36
Körpergröße 0,17 Handkraft 0,19 Gewicht 0,30
Gewicht 0,13 Körpergröße 0,18 Handkraft 0,30
Sit-Up-Test 0,07 Gewicht 0,17 Sit-Up-Test 0,16
10m Sprint 0,06 Richtungswechselsprint 0,16 CM-Jump 0,16
Hit & Turn Test 0,04 10m Sprint 0,15 Körpergröße 0,15
Tapping 0,04 Sit-Up-Test 0,03 Richtungswechselsprint 0,10
Richtungswechselsprint 0,01 CM - Jump 0,03 10m Sprint 0,06
CM - Jump 0,00 Tapping 0,03 Tapping 0,03

männlich U12 (n=122) r männlich U14 (n=254) r männlich U16 (n=165) r


Aufschlaggeschwindigkeit 0,33 Aufschlaggeschwindigkeit 0,48 Aufschlaggeschwindigkeit 0,49
Handkraft 0,23 Hit & Turn Test 0,39 Handkraft 0,38
Hit & Turn Test 0,19 Medizinballwurf 0,33 Medizinballwurf 0,36
Medizinballwurf 0,17 Handkraft 0,29 Gewicht 0,34
Tapping 0,17 Körpergröße 0,29 Hit &Turn Test 0,30
10m Sprint 0,14 Gewicht 0,23 Körpergröße 0,27
Gewicht 0,07 10m Sprint 0,23 Richtungswechselsprint 0,16
Körpergröße 0,06 Richtungswechselsprint 0,17 10m Sprint 0,13
Sit-Up-Test 0,02 CM - Jump 0,17 Sit-Up-Test 0,05
CM-Jump 0,02 Tapping 0,17 Tapping 0,03
Richtungswechselsprint 0,00 Sit-Up-Test 0,10 CM - Jump 0,01
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
641 12
12.6.2 Belastungs- und hydratstoffwechsel (Ferrauti et al. 2001a).
Beanspruchungsprofil Gleichzeitig gibt die Abbildung einen ersten
Hinweis darauf, dass ein Ausdauertraining aus-
Beim Tenniswettkampf handelt es sich um eine schließlich nach der Dauermethode nicht dem
überwiegend azyklische Kurzzeit-­ Beanspruchungsprofil des Tennissports gerecht
Intervallarbeit der gesamten Körpermuskula- werden kann (. Abb. 12.30).
tur (obere und untere Extremitäten sowie Die Erholungsphasen im Matchverlauf
Rumpfmuskulatur) mit überwiegend extensi- sind seit 2002 durch die ITF-Regeln (Interna-
ven und teilweise intensiven Belastungsphasen tional Tennis Federation 2002) auf 20 s zwi-
von variabler und unvorhersehbarer Dauer. schen den Punkten und auf 90 s beim Seiten-
Die Gegenüberstellung von Sauerstoffauf- wechsel limitiert. Inzwischen wird die
nahme und respiratorischem Quotient beim Pausenlänge durch einen Count-Down (Shot
Tennis und Jogging mit identischem Energie- Clock) streng kontrolliert, da einige Spieler da-
umsatz zeigt deutlich die strukturellen und für bekannt waren, die reguläre Pausendauer
demzufolge physiologischen Unterschiede bei- zu überziehen. Die Gesamtdauer eines Mat-
der Beanspruchungsformen auf (. Abb. 12.30). ches beträgt meist mindestens eine Stunde, im
̇
Dargestellt sind Sauerstoffaufnahme (VO2) Durchschnitt 1,5 Stunden, sie kann jedoch in
und respiratorischer Quotient (RQ) eines Rang- Einzelfällen auch weit darüber liegen. Das
listenspielers (Herren 50) während eines 2-stün- längste Match aller Zeiten war eine Erstrun-
digen Trainingsmatches (. Abb. 12.30a, oben) denbegegnung zwischen John Isner (USA)
und einer Laufbandbelastung mit identischem und Nicolas Mahut (FRA) in Wimbledon 2010
Energieumsatz. Der arrhythmische und dishar- und dauerte über 11 Stunden. Das Endergeb-
monische Verlauf im Tennis belegt die Existenz nis lautete 6:4, 3:6, 6:7, 7:6 und 70:68 für Isner.
von Belastungsspitzen mit höherer kardiopul- Die Nettospielzeit (reine Spielzeit ohne
monaler Auslastung und vermehrtem Kohlen- Pausenzeiten) beträgt auf Sandplätzen 20–30 %

a b

V O2 (l/min) RQ
T E NNIS
4 • 1,5
W.R . (V O2 = 1,737 l/min)
RQ

3 V O2 1,3

2 1,1

1 0,9

Pause Pause Pause


0 Ruhe Einschlagen 10–40 min 100–120 min 0,7

L AUF E N
4 • 1,5
W.R . (V O2 = 1,695 l/min)

3 1,3

2 1,1

1 0,9

0 Ruhe 0–10 min 10–40 min 100–120 min 0,7

..      Abb. 12.30 a Sauerstoffaufnahme (V̇ O2) und b Alexander Zverev (GER) im Alter von 16 Jahren beim
respiratorischer Quotient (RQ) beim Tennis (oben) und Juniorenturnier von Wimbledon
Jogging (unten, Ferrauti et al. 2001a).
642 A. Ferrauti et al.

60

V O2 max
50
46,3
(86,5)
40

V O2 (ml/min/kg)
42,9
(82,0)
30
29,7 28,6
(56,5) (56,0)
20


RH VH
10
..      Abb. 12.31 Roger Federer (SUI) bei einer Vorhand
aus vollem Lauf 0
85 112 86 120
km/h km/h km/h km/h
und auf Hartplätzen bzw. Rasen teilweise unter
15 % (Kovacs 2007; Fernandez-Fernandez ..      Abb. 12.32 Sauerstoffaufnahme (V̇ O2) bei
et al. 2009). In dieser Zeit legt der Spieler im submaximalen und maximalen Rückhand- und
Mittel ca. 3 m Laufstrecke pro Schlag (80 % al- Vorhandschlägen „aus dem Stand“ nach einem
konstanten Zuspiel von 40 Schlägen mittels Ballwurf-
ler Schläge unter 2,5 m) und 8–15 m pro Punkt
maschine im Abstand von 2 s. Die gestrichelte Linie
zurück. Hierbei absolviert er durchschnittlich zeigt die maximale Sauerstoffaufnahme, ermittelt auf
2,5–3 Schläge und vier Richtungswechsel. dem Laufband, an (Fernandez-­Fernandez et al. 2010)
Energetisch ist die akkumulierte zurückgelegte
Laufstrecke weniger von Relevanz als beim plätzen an (O’Donoghue und Ingramm 2001;
Fußball. Vielfach sind die Laufstrecken so Morante und Brotherhood 2006; Murias et al.
kurz, dass diese methodisch kaum präzise er- 2007), obwohl sich die Unterschiede in der ver-
fasst werden können. Ferner liegt ein wesent- gangenen Dekade zunehmend angleichen
licher Energiebedarf in der positiven und ne- (Fernandez-­Fernandez et al. 2007, 2008; Brown
12 gativen Beschleunigung sowie in der und O’Donoghue 2008). Im Damentennis wer-
Beteiligung umfangreicher Muskelgruppen für den weniger Schläge pro Zeit, weniger Asse,
die Schlagmechanik (. Abb. 12.32). weniger gewonnene Aufschlagspiele und mehr
Bei über 20 % aller Schläge nehmen die Doppelfehler beobachtet (O’Donoghue und In-
Laufstrecke für die Schlagvorbereitung und der gramm 2001; Collinson und Hughes 2003). Al-
Zeitdruck zu, sodass die Schlagausführung lerdings steigt die Athletik im Damentennis in
„aus vollem Lauf “ erfolgen muss (Ferrauti et al. den vergangenen Jahren erkennbar an (Auf-
2016). Aktuelle Tendenzen im Weltklassetennis schläge über 180 km/h sind inzwischen üblich),
der Herren und das dort perfektionierte „Win- und es kommt zu einer zunehmenden Anglei-
kelspiel“ sprechen dafür, dass dieser Anteil ste- chung der Spielstruktur zwischen Damen- und
tig ansteigt. Interessanterweise sind die Spieler Herrentennis (Brown und O’Donoghue 2008).
speziell in ihrer Vorhandecke häufig unter ho- Einen erheblichen Anteil an der energeti-
hem Zeitdruck, sodass die Optimierung dieser schen Beanspruchung des Tennisspiels besit-
Spielsituation im Training von Schnelligkeit zen die Schlagaktivitäten (. Abb. 12.32). Dies
und Beinarbeit einen besonderen Stellenwert ist ein häufig vernachlässigter Aspekt, wenn
einnehmen sollte (. Abb. 12.31). die Beanspruchung im Tennis ausschließlich
Insgesamt absolviert ein Spieler zwischen an der zurückgelegten Wegstrecke beurteilt
1300 und 3600 m pro Spielstunde (Murias et al. wird (s. Exkurs zur „Metabolic Power“ in
2007; Fernandez-Fernandez et al. 2008). Auf 7 Abschn. 7.2.3). In einer Untersuchung mit
langsameren Bodenbelägen wie Sandplätzen Turnierspielern der regionalen Klasse betrug
steigt die Ballwechseldauer gegenüber Hart- die Ausschöpfung der maximalen Sauerstoff-
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
643 12
aufnahme bei einem intensiven Schlagtraining 2,8 mmol/l), und auch unter realen Turnierbe-
„aus dem Stand“ deutlich über 80 %. Dabei ist dingungen auf nationalem Niveau werden im
der Energieumsatz bei Vorhandschlägen mit Durchschnitt nur 2,5–3,5 mmol/l erreicht. Der
maximaler Schlaghärte höher als bei der Rück- maximale Wettkampfbereich (Belastungsspit-
hand; allerdings werden mit der Vorhand auch zen) liegt zwischen 6 und 8 mmol/l. Die Spiel-
höhere Schlaggeschwindigkeiten erzielt (Fern- pausen sind demnach in der Regel lang genug,
andez-Fernandez et al. 2010). um Kreatin sowie Adenosinmonophosphat
Im professionellen Tennissport dominiert (AMP) und Adenosindiphosphat (ADP) über
im Einzel auf Sandplätzen eindeutig das Grund- Atmungskette und oxidative Phosphorylierung
linienspiel mit ca. 60 %. Danach folgt die Spiel- zu den energiereichen Phosphaten Kreatin-
eröffnung (Aufschlag und Return) mit ca. 32 %; phosphat (KP) und Adenosintriphosphat (ATP)
Flugbälle (6 %) und sonstige Schläge (2 %) wer- zu regenerieren 7 Abschn. 7.2. Die höhere lak-
den vergleichsweise selten gespielt. Im Doppel tazide Beanspruchung im Turniereinzel (20 %
verschiebt sich das Verhältnis zugunsten von der Blutlaktatkonzentrationen über 4 mmol/l)
Spieleröffnung und Netzspiel. Gegenüber frühe- kann auf die höhere Leistungsmotivation (und
ren Untersuchungen (Ferrauti 1992) verdeutli- dadurch Spielintensität) und auf die stärkere
chen aktuelle Daten jedoch, dass sich die Unter- adrenerge Stimulation (und dadurch ggf. hö-
schiede aufgrund einer deutlich veränderten here Muskelanspannung, geringere Bewegungs-
taktischen Grundausrichtung im Doppel teil- ökonomie sowie katecholaminbedingte Aktivie-
weise angleichen (Ferrauti et al. 2016). In beiden rung von Glykogenolyse und Glykolyse)
Fällen (Einzel und Doppel) kann aus dem ana- zurückgeführt werden (. Abb. 12.33 und 12.34).
lysierten Schlagartenprofil eine hohe Bedeutung Die Energiebereitstellung wird im Tennis-
der Spieleröffnung (Aufschlag und Return) ab- sport in erster Linie von den Kohlenhydraten
geleitet werden (Weber et al. 2010a, b). Interes- getragen (ca. 70–80 %). Deren Anteil an der
santerweise wird der so bedeutsamen Spieler- Energiebereitstellung liegt bei gleichem kalori-
öffnung im Training quantitativ und qualitativ schem Gesamtumsatz bei Tennis deutlich hö-
nur unzureichend Bedeutung geschenkt. her als bei Jogging (. Abb. 12.30). Im Damen-
In der Arbeitsmuskulatur erfolgt die Ener- tennis liegt die Fettoxidation grundsätzlich
giebereitstellung vorwiegend anaerob-­alaktazid etwas höher als im Herrentennis. Der Fettan-
über die energiereichen Phosphate Adenosintri- teil steigt mit fortschreitender Spieldauer an
phosphat (ATP) und Kreatinphosphat (KP) und kann nach 60–90 min bis zu 40 % errei-
(während des Ballwechsels) sowie aerob über chen. Der Kalorienumsatz (brutto) beträgt im
den Abbau von Kohlenhydraten und nur teil- Tenniswettkampf bei männlichen Turnierspie-
weise von Fetten (während der Pausen). Folg- lern (ca. 80 kg) durchschnittlich ca. 600–800
lich bleibt die mittlere Blutlaktatkonzentration Kilokalorien/Stunde entsprechend ca. 2400–
im Trainingseinzel gering (zwischen 1,8– 3200 kJ/Stunde (Ferrauti 1999).

..      Abb. 12.33 Histo- 70


Training n = 63/10
gramm zur Häufig-
60 Turnier n = 70/10 Players
keitsverteilung
von Blutlaktatkon- 50 Maximum: TO: 8,0 TR: 6,1 mmol/l
Häufigkeit (%)

zentrationen im > 4 mmol/l: TO: 21,4 TR: 11,1 %


40
Tenniswettkampf
30
von identischen Geg-
nerpaarungen unter 20
Trainings- (TR: grün)
10
und Turnierbedingun-
gen (TO: rot) (Ferrauti 0
et al. 2001b) <2 2–3 3–4 4–5 5–6 >6

Blutlaktatkonzentration (mmol/l)
644 A. Ferrauti et al.

Das Herz-Kreislauf-System wird im Verlauf 12.6.3 Beanspruchungen im


des gesamten Tenniswettkampfs mit ca. 60 % Tennis-Training
der maximalen Sauerstoffaufnahme vorrangig
auf submaximalem Niveau belastet. Wegen der Grundsätzlich sollte die Qualität der körperli-
teilweise hohen psychischen und konzentrati- chen Beanspruchung im Training dem wett-
ven Belastungen liegt die mittlere Herzfre- kampftypischen Beanspruchungsprofil mög-
quenz im Aktivenalter im Gesamtdurchschnitt lichst nahekommen, damit neben der
vergleichsweise hoch (ca. 160 Schläge/min), in tennisspezifischen Technik und Taktik der
einzelnen Spielphasen werden auch Herzfre- Schläge und Beinarbeit auch die häufigsten
quenzen von 180–200 Schlägen/min erreicht. Energiestoffwechselwege berücksichtigt wer-
Die psychische Beanspruchung im Tennis den. Diese trainingswissenschaftliche Grund-
ist sehr hoch. Untersuchungsergebnisse zur Ka- regel überlässt der Sportpraxis einen weitrei-
techolaminausscheidung im Urin sprechen da- chenden Interpretationsspielraum, da hierdurch
für, dass die psychische Beanspruchung im Ten- nicht eindeutig hervorgeht, ob die durch-
nissport gegenüber anderen Freizeitaktivitäten schnittliche Wettspielbeanspruchung, die mitt-
wie Jogging (Ferrauti et al. 2001a) und Golf lere Peak-­Beanspruchung oder die Maximal-
(Ferrauti et al. 1997b) deutlich höher liegt beanspruchung gemeint ist. Schließlich bleibt
(. Abb. 12.34). Ursächlich hierfür können die völlig unklar, mit welchem Umfang und zu
intervallförmige Belastungsstruktur mit teil- welchem Zeitpunkt im Mikro- und Makrozyk-
weise hohen Belastungsspitzen, die Alleinver- lus bzw. in der Ganzjahresperiodisierung die
antwortlichkeit des Spielers (im Vergleich zum verschiedenen Intensitätsbereiche angesteuert
Mannschaftssport), die hohen motorischen werden sollten (Ferrauti et al. 2016).
Präzisionsanforderungen (nicht das maximale, Aus den genannten Gründen kann daher in
sondern das optimale Aktivierungsniveau ist der Praxis beinahe jede Trainingsintervention
gefordert) und die Besonderheiten der Zähl- plausibel begründet werden. Da zudem ein er-
weise (kein Unentschieden, kein Spiel auf Zeit) heblicher Mangel an trainingswissenschaftli-
angeführt werden. Unter Turnierbedingungen chen Untersuchungen zu den kurz- und insbe-
12 steigt die Adrenalinausscheidung um den Fak- sondere mittel- und langfristigen Effekten
tor 3,5 höher an, sodass eine leistungsbeein- verschiedener Trainingsinterventionen exis-
trächtigende Diskrepanz der adrenergen Stimu- tiert, bleibt eine Verunsicherung über zweck-
lation gegenüber der Trainingssituation mäßige Inhalte und Intensitäten im Tennistrai-
entstehen kann. Im Einzelfall leiden Tennisspie- ning bestehen. Im Folgenden werden einige
ler im Turnier deshalb unter erheblichen Leis- Untersuchungsergebnisse zur Beanspruchung
tungseinschränkungen (. Abb. 3.23 und 12.34).

..      Abb. 12.34 a 7
Adrenalinkonzentra- a b
tion im Urin 6
unmittelbar nach
(µg/100 mg Kreat.)

einem Trainings- 5
bzw. Turniereinzel
Adrenalin

von identischen 4
Gegnerpaarungen 3,66
3
und gleicher
Spieldauer (Ferrauti 2
et al. 2001b). b **
Andrea Petkovic 1
(GER) bei den US 0,97
Open 0
Training Turnier
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
645 12
im Tennistraining präsentiert, um zumindest 55 Belastungsdauer: ca. 15, 30, 45 s
eine Groborientierung für die Ableitung von 55 Pausendauer: ca. 30, 45, 60 s
Trainingsempfehlungen zu ermöglichen. 55 Gesamtschläge: ca. 120
In einem komplexen Untersuchungsansatz
des eigenen Arbeitskreises wurden Trainings- Bei Spielern der regionalen Klasse (n = 12, Ver-
formen zur Technikstabilisation (VH-­Winner), bandsliga/Oberliga) steigt bereits bei jeweils
zum Schnelligkeitstraining (Sprint + Schlag) zwölf Schlägen in Folge (ca. 45 s Belastungs-
und zum Drilltraining (VH/RH-Drill) sowie dauer) nach insgesamt 120 Schlägen die Blut-
zu komplexen Spielformen (z. B. Baseliner) in laktatkonzentration auf durchschnittlich
verschiedenen Varianten mit zunehmender 4–5 mmol/l an, und die Schlaggeschwindigkeit
Schlagzahl pro Wiederholung unter kontrol- sinkt gegenüber kürzeren Schlagfolgen ab
lierten Untersuchungsbedingungen auf ihre (. Abb. 12.35). Bei Schlagfolgen von 6–10
metabolischen und koordinativen Effekte Schlägen erreichen die Spieler insgesamt die
überprüft (Ferrauti et al. 1999, 2001c). Trai- höchste Schlagqualität (Präzision und Ge-
niert wurde jeweils in der Dreiergruppe (Bela- schwindigkeit) entsprechend des angestrebten
stungs-/Pausenverhältnis 1:2). Trainingsziels. Sehr kurze Schlagfolgen mit
nur vier Schlägen werden von den Spielern
zz Beispiel zum Techniktraining: VH-Winner hingegen subjektiv als ungünstig, da unrhyth-
Das Ziel der Trainingsform liegt in der Stabilisie- misch, empfunden.
rung des druckvollen und zugleich platzierten
Vorhand-Winners aus rückhandseitiger Grund- zz Beispiel zum Ausdauertraining: VH/RH-Drill
linienposition. Hierzu wird den Spielern abwech- Das Ziel der Trainingsform besteht darin,
selnd zur Mittellinie und im direkten Anschluss häufig auftretende Schlagkombinationen un-
zur Rückhandseite zugespielt. In mehreren Un- ter maximaler metabolischer Wettkampfbe-
tersuchungsabschnitten wurden einem Spieler anspruchung einzuüben und zu ökonomisie-
entweder vier, acht oder zwölf Schläge hinterein- ren. Gleichzeitig sollen die tennisspezifische
ander zugespielt. Jeweils zwei Spieler pausierten Schnelligkeitsausdauer und die Belastungs-
in dieser Zeit und wechselten sich ab. verträglichkeit erhöht werden. Hierzu spielt
55 Laufwege zur Schlagvorbereitung: 2–3 m der Trainer mehrere Bälle hintereinander in
55 Zeitdruck für die Schlagvorbereitung: unsystematischer Reihenfolge auf Vorhand
mittel und Rückhand unter Variation von Richtung,
55 Schläge in Folge: 4, 8, 12 Länge, Tempo und Drall des Zuspiels zu.

T T
646 A. Ferrauti et al.

..      Abb. 12.35 Ent- Techniktraining: VH-Winner


wicklung der Schlagge- 140
schwindigkeit im

Schlaggeschwindigkeit (km/h)
Verlauf der Trainings- 135
form VH-Winner in 4S
Abhängigkeit von der 130
Länge der Schlagfol- 8S
gen (Ferrauti et al.
125
2016) 12 S

120

115
ANOVA Zeit: p <0,01
Typ: p < 0,1

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120


(Schläge)

55 Laufwege zur Schlagvorbereitung: 4–8 m international von Trainern und Spielern eine
55 Zeitdruck für die Schlagvorbereitung: hohe Akzeptanz und Verbreitung (Reid et al.
submaximal bis maximal 2008).
55 Schläge in Folge: 4–8 oder mehr Die beschriebenen Untersuchungsergeb-
55 Richtungswechsel: 3–7 oder mehr nisse stehen teilweise in Widerspruch zu gän-
55 Belastungsdauer: 15–30 s gigen trainingswissenschaftlichen Empfeh-
55 Pausendauer: 45–90 s lungen. Eine zu enge und ausschließliche
Orientierung des Tennistrainings an der me-
12 Beim Vergleich von Drillvarianten mit 4–8 tabolischen, strukturellen und koordinativen
Schlägen in Folge in der Dreiergruppe Beanspruchung im Tenniswettkampf wird in
(n = 12, Verbandsliga/Oberliga) fällt auf, dass der Praxis häufig kritisiert. „Extremdrills“ und
beim Drill mit acht Schlägen die mittlere auch matchuntypisch hohe Schlagwiederho-
Blutlaktatkonzentration auf fast 10 mmol/l lungzahlen werden damit begründet, dass aus
ansteigt und im Einzelfall knapp 15 mmol/l der Mischung von hochintensiver Belastungs-
erreicht werden (. Abb. 12.36). Dieser Azido- verträglichkeit (weit über das im Wettkampf
sebereich wird unter Matchbedingungen nie- geforderte Maß hinaus) und koordinativer
mals erreicht (. Abb. 12.33). Trotz dieser Tat- Perfektionierung (maximale ­Automatisierung
sache und der unvermeidlichen Einbuße an von Schlag- und Laufbewegungen durch un-
Schlagqualität und Laufschnelligkeit im Trai- zählige Schlagwiederholungen) eine vollstän-
ningsverlauf finden gerade diese oder ähnli- dig stabile mentale und motorische Sicherheit
chen Formen des Drilltrainings national und gegenüber den arrhythmischen und unvor-
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
647 12
..      Abb. 12.36 Blut-
4 × 4 VH-Winner
laktatkonzentration
bei unterschiedlichen Baseliner 2 Spieler
Trainings- und Baseliner 2 defensiv
Spielformen in
Abhängigkeit von der 8 × 1 Sprint + Schlag
Schlagzahl pro 4 × 4 Volley/Smash
Wiederholung
Baseliner 1 Spieler
(Ferrauti et al. 1999,
2016) 4 × 8 VH-Winner
4 × 8 Volley/Smash
Baseliner 1 defensiv
4 × 12 VH-Winner
4 × 4 VH/RH-Drill
8 × 2 Sprints + Schlag
4 × 6 VH/RH-Drill
4 × 8 VH/RH-Drill

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Laktat (mmol/l)

hersehbaren, kurzen aber hochpräzisen Wett- Praxistipps


spielanforderungen entsteht. Dieses Bestreben
der Sportpraxis ist trotz der fehlenden Wett- 1. Für ein Techniktraining unter höchstem Prä-
spielnähe ernstzunehmen. Andererseits sind zisions- und Qualitätsdruck und maximaler
kurzfristige Einbußen der Schlag- und Lauf- Schlaggeschwindigkeit sind Schlagfolgen
geschwindigkeit im Trainingsverlauf unter mittlerer Länge (6–10) zu bevorzugen.
2. Ein effizientes Schnelligkeitstraining bein-
diesen Bedingungen unvermeidlich, und es haltet maximal 2–3 Schläge in Folge (1–2
besteht bei akuter Übersäuerung der Arbeits- Richtungswechsel) unter höchstem Zeit-
muskulatur (z. B. Blutlaktatwerte über druck. Die Pausendauer beläuft sich bei ma-
10 mmol/l) die Gefahr, dass sich die Trainie- ximaler Reizhöhe und einer Reizdauer von
renden in ihrer Bewegungsdynamik schonen 2–3 s auf mindestens 15 s und bei einer
Reizdauer von 5–6 s auf mindestens 45 s.
und sich die koordinativen Fehlleistungen 3. Beim Drilltraining mit langen Laufwegen un-
häufen. Bei chronischer Übersäuerung an ter submaximalem Zeitdruck wird der maxi-
mehreren Trainingstagen innerhalb einer Wo- male Wettkampfbereich (8–10 mmol/l Blut-
che leiden der Trainingsumfang sowie die Effi- laktat) mit 6–8 Schlägen in unmittelbarer
zienz, gegebenenfalls im ­Gefolge mit Über- Folge (bei 30–45 s Pause zwischen den Wie-
derholungen) exakt angesteuert. Spieler der
trainingssyndrom und Leistungsstagnation nationalen und internationalen Klasse tole-
bzw. -rückschritt. rieren bei gleicher Pausendauer und Reiz-
Im Rahmen der langfristigen Trainings- höhe 8–12 Schläge in Folge.
steuerung sollte daher berücksichtigt werden, 4. Längere Schlagfolgen (30–150 Schläge) mit
dass mit zunehmender Annäherung an die submaximaler Reizhöhe vermitteln dem
Spieler metabolisch, motorisch und mental
entscheidende Turnierphase das matchnahe ein wertvolles Gefühl der Sicherheit. Sie sind
Training vermehrt in den Vordergrund und vor allem im Rahmen der Saisonvorbereitung
das undifferenzierte extreme Drilltraining und wichtig; während der Saison jedoch seltener
monotone Schlagwiederholungstraining in und individuell angemessen einzusetzen.
den Hintergrund rückt.
648 A. Ferrauti et al.

12.6.4 Leistungsdiagnostik und Die gewonnenen Daten werden sowohl in


Trainingssteuerung langfristiger als auch kurzfristiger Perspektive
genutzt (7 Kap. 3, . Abb. 3.2). Langfristig be-
Im Nachwuchstennis besteht die Gefahr, das steht die Möglichkeit der allgemeinen Hierar-
Konditionstraining zu vernachlässigen, da an- chisierung relevanter Leistungsfaktoren im Ten-
dere Leistungskomponenten zunächst von hö- nis und der Definition grundsätzlicher Leitlinien
herer Bedeutung für den komplexen Spielerfolg für die Trainingssteuerung. Beispielsweise besit-
sind. Folglich sind eine leistungsdiagnostische zen einige der getesteten athletischen Kompo-
Objektivierung von individuellen Defiziten und nenten einen engen Zusammenhang zur Rang-
eine Verlaufsanalyse im zeitlichen Längsschnitt listenposition im Tennis. Folglich scheinen
im Tennis von besonderer Bedeutung. Dies be- diese Faktoren in der langfristigen Trainings-
trifft sowohl die Optimierung leistungsrelevan- steuerung und ggf. in der Talentidentifikation
ter konditioneller Faktoren (z. B. Lauf- und von höherer Bedeutung zu sein. Im Einzelnen
Schlagschnelligkeit, Sprungkraft und tennisspe- betrifft dies neben der Aufschlaggeschwindig-
zifische Ausdauer) als auch die Erfassung prä- keit vor allem die Medizinballwurfweite und
ventivmedizinisch bedeutsamer konditioneller den Hit & Turn- Ausdauertest. Aber auch die
Faktoren (z. B. Rumpfkraft und Beweglichkeit). Körpergröße spielt bei älteren Juniorinnen eine
Der Deutsche Tennis Bund ist seit vielen zunehmend bedeutsame Rolle (. Tab. 12.19).
Jahren bestrebt, eine regelmäßige und einheit- Die aggregierten Daten ermöglichen eine
liche Leistungsdiagnostik in allen Landesver- repräsentative Berechnung von Normwerten
bänden zu installieren (Stockhausen et al. 1997; für Mädchen und Jungen unterschiedlichen
Ulbricht et al. 2011, 2013). In der gleichen Alters. Im einfachsten Fall können aus diesen
Weise existieren internationale Bemühungen Normwerten klare Anweisungen und Zieldefi-
zur Vereinheitlichung der Leistungsdiagnostik nitionen für die Trainingspraxis abgeleitet wer-
(Reid et al. 2003; Fernandez-Fernandez et al. den. So sollten Junioren im Alter von 18 Jahren
2014; Ferrauti et al. 2018). Seit zehn Jahren or- in der Lage sein, den 2 kg schweren Medizin-
ganisiert die eigene Arbeitsgruppe in allen ball beidarmig über Kopf von der Grundlinie
12 Landesverbänden mit bis zu 400 Kaderspielern über das Netz zu werfen und außerdem mit
zweimal pro Jahr den DTB-­Konditionstest (Ul- vier aneinandergereihten Stand-Weitsprüngen
bricht et al. 2013; Ferrauti et al. 2016). das Doppelfeld zu überqueren (. Abb. 12.37).
Inhaltlich berücksichtigt der DTB-­ Der Entwicklungsverlauf jugendlicher
Konditionstest die Bereiche Anthropometrie, Leistungssportler ist individuell erheblichen
Beweglichkeit, Gleichgewichtsfähigkeit, Kraft biologischen Schwankungen unterlegen. Im
(speziell Rumpfkraftausdauer), Laufschnellig- Idealfall unterscheiden Normwerttabellen zur
keit (Antritt- und Beschleunigungsfähigkeit erwarteten Leistungsfähigkeit daher zwischen
mit und ohne Richtungswechsel), Sprungfä- dem chronologischen Alter und dem biologi-
higkeit (Schnellkraft und Reaktivkraft), Wurf- schen Alter (7 Kap. 3, . Abb. 3.39). Nur so
kraft, Schlaggeschwindigkeit und tennisspezi- werden entwicklungsverlangsamte (retar-
fische Ausdauer. Die Testbatterie deckt sowohl dierte) Spieler adäquat beurteilt (Ferrauti et al.
allgemeine als auch tennisspezifische Inhalte 2018). Speziell im Nachwuchstennis sind Ent-
ab (Ulbricht et al. 2013). Ein Beispiel für einen wicklungsunterschiede gehäuft vorzufinden,
tennisspezifischen Ausdauertest stellt der Hit da die Leistungsstruktur sowohl großgewach-
& Turn Tennis Test dar (Ferrauti et al. 2011). senen, kräftigen Spielern als auch kleingewach-
Detaillierte Hinweise hierzu finden sich in senen, flinken Spielern eine Erfolgschance bie-
7 Abschn. 3.4.10 (LD Beispiel 15). tet (. Abb. 3.39).
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
649 12

Jungen, 15 Jahre Jungen, 18 Jahre


Medizinball (2 kg) Standweitsprung
Überkopfwurf (11 m, 4 × 2,75 m)
(11 m)
Jungen, 15 Jahre
Standweitsprung
(9,60 m, 4 × 2,40 m)
Jungen, 18 Jahre
Medizinball (2 kg)
Überkopfwurf
(14 m)

..      Abb. 12.37 Athletische Zieldefinitionen für Nachwuchstennisspieler der nationalen Klasse (Ferrauti et al. 2016)

Stärken). Neben diesen „harten Daten“ sind


bei einer komplexen Sportart wie Tennis stets
auch die individuellen anthropometrischen
und technisch-taktischen Voraussetzungen im
Rahmen der Trainingssteuerung zu berück-
sichtigen. Verschiedene Spielertypen benöti-
gen unterschiedliche Trainingsprogramme;
großgewachsene Spieler sind anders zu be-
treuen als kleinere (7 Abschn. 3.5.2, . Abb. 3.69
und 3.70).
Trotz bestmöglicher Karriereplanung und
Trainingssteuerung ist der Weg in die natio-
nale oder internationale Spitze nur schwer ge-
radlinig zu ebnen. Beinahe jeder Spieler (und
seine Eltern) erhoffen sich in der U12 einen
späteren Wimbledonsieg (. Abb. 12.38). Die
Vielzahl an hoffnungsvollen Spielerinnen und
Spielern, die speziell gegen Ende des Junioren-
alters das leistungssportliche System verlassen
(Drop-­ Out), sollte das betreuende Umfeld
(Eltern und Trainer) jedoch für die Notwen-
digkeit einer realistischen Karriereplanung
sensibilisieren. Von den DTB-Top-20-Spiele-
..      Abb. 12.38 Schon 10-jährige Kinder kämpfen
regelmäßig auf Turnieren um Ranglistenpunkte. Der rinnen und Spielern der Altersklasse U12 er-
schwierige Umgang mit Sieg und Niederlage verlangt reichen nur 14 % der Mädchen und 28 % der
von allen Beteiligten viel Fingerspitzengefühl. Jungen zumindest kurzfristig eine Position auf
Unabhängig vom Ergebnis sollten stets die positiven der WTA- bzw. auf der ATP-Rangliste. Nur
Leistungsmerkmale analysiert und honoriert werden
sehr wenigen Spielern gelingt es, über alle Al-
tersklassen hinweg eine Spitzenposition in
Aus dem athletischen Leistungsprofil kön- den Ranglisten einzunehmen. Nur in diesen
nen geeignete Schwerpunkte für das Athletik- Fällen schließt sich mit hoher Wahrschein-
training abgeleitet werden (Verringerung rele- lichkeit eine internationale Karriere an (Fer-
vanter Schwächen und Aufrechterhaltung der rauti et al. 2010).
650 A. Ferrauti et al.

Exkurs: Das Ranglistensystem im Tennis und das Dilemma einer angemessenen Trainingssteuerung

Im Zusammenhang mit einer angemessenen Verbesserung grundlegend koordinativ-konditionel-


langfristigen Leistungsentwicklung besitzt das ler Aspekte oder technisch-taktischer Defizite zu kurz
Ranglistensystem im Tennis (Deutsche Ranglisten kommt. Der sensible und differenzierte Umgang mit
bereits in der U12) erhebliche Nachteile. Es besteht dem Ranglistensystem fällt allen Beteiligten dieses
die große Gefahr, dass die Rangliste als das engen Sozialsystems schwer, da ein erheblicher
momentane Abbild des komplexen Spielerfolgs im Entscheidungsdruck (unter anderem von Eltern und
Tennis als alleiniges Kriterium für die Vergabe von Spielern) auf die Entscheidungsträger des Fördersys-
Fördermaßnahmen herangezogen wird. Verbesse- tems und auf die Trainer und Eltern im Rahmen der
rungen auf der Rangliste sind nur durch Turnier- Trainings- und Wettkampfsteuerung ausgeübt wird.
erfolge möglich. Folglich liegt der Fokus zu sehr auf Hier liegen die Vorteile der Mannschaftspiele, in
der kurzfristigen Optimierung der komplexen denen sich die Talente über viele Jahre hinweg in
Spielleistung (und damit dem nächsten Turniererfolg einem besser geschützten Raum allgemeinmotorisch
und der Ranglistenposition), während die langfristige entwickeln können.

12.6.5 Ausgewählte
Trainingsbeispiele

Im Folgenden werden aus der Vielzahl an


möglichen Trainingsformen (Ferrauti et al.
2016) exemplarisch für einzelne Trainingsbe-
reiche jeweils ein Beispiel aufgeführt.

zz Techniktraining als Komplextraining:


VH-Winner nach Vorbelastung
Das Komplextraining zielt darauf ab, eine
12 muskuläre Voraktivierung unmittelbar mit
tennisspezifischen Bewegungsmustern zu
kombinieren und hierdurch einen nahtlosen
koordinativen Transfer herzustellen. Hierbei ..      Abb. 12.39 Voraktivierung durch reaktive
wird beispielsweise das Techniktraining Medizinballwürfe im Rahmen eines Komplextrainings
(Vorhand-Winner) in den Serienpausen mit des Vorhand-Winners
einem spezifischen Krafttraining (z. B. Me-
dizinballwürfe) kombiniert (Auslösung des Recht und kann frühestens mit dem vierten
Nachwirkungseffekts bzw. der Postactivation Schlag longline spielen (. Abb. 12.40). Danach
Potentiation; . Abb. 12.39). Andere Inter- wird der Punkt frei ausgespielt. Fehler beim
ventionen durch Seilzugtraining oder elasti- Cross-Duell zählen bereits. Der Sieger benötigt
sche Gummizüge oder auch (. Abb. 12.39) zehn Gewinnpunkte.
Vertikal- bzw. Seitwärtssprünge mit Sandsä-
cken oder Gewichtswesten sind möglich. Dauer/Umfang Zwei Duelle bis zehn Punkte
(nach dem ersten Duell wechselt das Long-
zz Technik-/Taktiktraining: VH-Cross – Open line-Recht).
End
Spieler A und B spielen zunächst Vorhand-­ Variationen Durchführung auf der RH-Seite;
Cross. A spielt an, B besitzt zuerst das Longline-­ beide Spieler besitzen das Longline-Recht
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten
651 12
T rend der Landung auf beiden Füßen (Split-
Step) erfolgt sofort das nächste Zuspiel (Zu-
hlag
1. Sc A wurf) nach außen. Dieser Rhythmus wird
3 . Sch
lag 4–6-mal wiederholt.
Beim „Passierball aus dem Lauf “
(. Abb. 12.41b) erwartet der Spieler das Zu-
hlag
B 2. Sc 4. Schlag spiel hinter der Grundlinie in der Mitte des
Einzelfelds. Der Trainer spielt den ersten Ball
wahlweise in eine Ecke an und den zweiten
..      Abb. 12.40 Technik-/Taktiktraining: VH-Cross – Ball schnell, flach und kurz-cross zur gegen-
Open End (Ferrauti et al. 2016, S. 103) überliegenden Seite. Der Spieler versucht, nach
schnellem Gegenstart, den zweiten Ball aus
vollem Lauf zu erreichen und als Passierschlag
zu spielen.

T Dauer/Umfang 6–8 Wiederholungen pro Serie


(45 s Pause zwischen den Wiederholungen)

Variationen Durchführung zu beiden Seiten

Erläuterung Die Übung VH-Offen eignet


sich, um Schrittfolgen beim Richtungswechsel
und Timing des Split-Steps (Nutzung des
T DVZ) zu optimieren. Der „Passierball aus dem
Lauf “ verbessert Richtungswechsel und Be-
schleunigung danach unter maximalem Zeit-
druck. Hierzu ist ein exakt dosiertes Trainer-
zuspiel erforderlich.

zz Ausdauertraining: Baseliner mit Vorbe-


a b lastung
..      Abb. 12.41 a, b Schnelligkeitstraining: Sprint-­ Spieler Blau und Spieler Grün sprinten auf Kom-
Schlag-­Kombinationen (Ferrauti et al. 2016) mando des Trainers zum Markierungspunkt
und berühren diesen (. Abb. 12.42a). Der Trai-
ner bringt den Ball in diesem Moment longline
zz Schnelligkeitstraining: Sprint-Schlag-­ ins Spiel. Aus dem Gegenstart erläuft Spieler
Kombinationen Blau das Zuspiel und spielt longline, Spieler
Die Übung VH-Offen fokussiert auf die Grün antwortet cross. Dann wird der Punkt frei
Schrittfolge beim Richtungswechsel in der gegeneinander ausgespielt. Auch Fehler bei den
VH-Ecke (. Abb. 12.41a). Der Spieler startet ersten beiden Schlägen zählen bereits.
mit einem Split-Step in der Spielfeldmitte.
Zeitgleich wirft der Trainer den Ball weit nach Dauer/Umfang 6 Spiele à 4 Punkte., 15–20 s
außen. Nach dem Lauf zum Ball und einem Pause zwischen den Punkten, 90 s Pause (Seiten-
Stemm- bzw. Bremsschritt (rechter Fuß des wechsel) nach 2 Spielen
Rechtshänders) folgen ein Kreuzschritt zu-
rück zur Mitte mit rechts und ein explosiver Variationen Übung „Seitenwechsel“. Hier er-
Side-­Step mit links zur Spielfeldmitte. Wäh- folgt eine Nachbelastung, indem der Spieler
652 A. Ferrauti et al.

a b

T
T

..      Abb. 12.42 Ausdauertraining: a Baseliner mit Vorbelastung und b Übung „Seitenwechsel“ (Ferrauti et al.
2016)

nach Beendigung des Punktes auf die Gegen- Literatur


seite sprinten und schneller als der Gegner die
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661

Serviceteil
Bildnachweis – 662
Stichwortverzeichnis – 663

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5
662
Bildnachweis

Bildnachweis

Das Buch beinhaltet über 100 Personenfo- nis für die Verwendung der Fotos vor. Hier-
tos, die insbesondere zur Veranschaulichung bei handelt es sich in alphabetischer Reihen-
des sportpraktischen Kontextes dienen. Die folge um Alexander Beyer (Abb. 3.61),
Rechte an diesen Fotos liegen in vielen Fäl- Reinhard F. Dahms (Abb. 11.8a), Norbert
len beim Herausgeber oder den Autorinnen Esser (Fotos S. 566 und 577), Fabio und
und Autoren dieses Buches: Abb. 1.4, 1.5, Luisa Ferrauti (Abb. 3.44, 4.14, 4.20, 10.1,
2.4, 2.6, 2.19, 3.8, 3.24b, 3.25, 3.30, 3.34, 10.19, 12.28, 12.39), Laura Hottenrott
3.36, 3.38, 3.39, 3.44, 3.54, 3.60, 3.61, 3.68, (Abb. 3.8), Nedim Jasarovic (Abb. 3.54,
4.14, 4.20, 4.22, 4.32, 7.1, 8.13, 10.1, 10.19, 12.21), Leon Kah (Abb. 3.39), Albrecht
11.1, 11.2, 12.20, 12.21, 12.28, 12.29, 12.31, Klammer (Abb. 3.30), Daniel Masur
12.34, 12.39 sowie Fotos auf S. 573, 574 (Abb. 4.32), Messieurs G. Nat (Abb. 11.1),
Die Bildrechte von weiteren Fotos, die Dr. Christian Raeder (Abb. 3.43), Tim Sand-
entweder für das Buch erstellt oder aus be- kaulen (Abb. 3.38), Patrick Schmitt
stehenden Fotodatenbanken erworben wur- (Abb. 3.39), Ben Schneider (Abb. 8.13),
den, liegen bei den folgenden Personen bzw. Christoph Schneider (Abb. 4.1), Willi Son-
Institutionen: towski (Abb. 2.1, 11.8b), Dr. Alexander Ul-
Kilian Kimmeskamp (Ruhr-Universität bricht (4.22), Florian Wehrenpfennig (Foto
Bochum): Abb. 3.26, 3.27, 3.28, 3.42, 3.43, S. 562), Abbi Westphal (S. 574), Dr. Thimo
3.44, 3.46, 3.47, 3.48, 3.49, 3.52, 4.1, 4.21, Wiewelhove (Abb. 3.25) sowie die Deutsche
4.24, 4.25, 4.26, 4.27, 4.28, 4.29, 4.30, 4.31, Volleyball Nationalmannschaft (Abb. 3.36).
5.6, 5.9, 5.10, 5.11, 5.12, 5.13, 5.14, 5.16, Ein besonderer Dank gilt Laura Hotten-
5.17, 5.18, 5.19, 5.20, 5.21, 5.22, 5.23, 5.26, rott für die Bereitstellung des Titelfotos so-
5.27, 5.28, 5.29, 5.30, 5.31, 5.32, 5.33, 5.34, wie Regine Bakenecker, Katharina Raasch,
5.35, 5.36, 5.37, 8.9, Tab. 6.2 sowie Fotos auf Pia Wagner und Jo-Lâm Vuong für die Dar-
S. 478, 480, 484 stellung von Trainingsformen und leistungs-
Andrea Bowinkelmann (Landessportbund diagnostischen Verfahren:
Nordrhein-Westfalen): Abb. 8.2, 8.7, 8.22, Regine Bakenecker: Abb. 5.6, 5.9-, 5.10,
8.25a 5.11, 5.12, 5.13, 5.14, 5.16, 5.17, 5.18, 5.19,
Dr. Alex Rotas: Abb. 11.8a und Klaus 5.20, 5.21, 5.22, 5.23, 5.26, 5.27, 5.28, 5.29,
Schneider: Abb. 2.1, 11.8b 5.31, 5.32, 5.33, 5.34, 5.35, 5.36, 5.37
Deutscher Skiverband (DSV): Abb. 8.6, Katharina Raasch: Abb. 5.6, 5.9, 5.10,
8.21, 8.25b und Tennisverband Mittelrhein 5.11, 5.12, 5.13, 5.30, 5.31, 8.9, Tab. 6.2 so-
(TVM): S. 562 wie Fotos auf S. 478, 480, 484
Mit Ausnahme von Fotos, die bei öffent- Pia Wagner: Abb. 3.26, 3.27, 3.28, 3.42,
lichen Sportveranstaltungen erstellt wurden 3.44, 3.46, 3.47, 3.48, 3.49, 3.52
(Abb. 12.20, 12.29, 12.31, 12.34) liegt von Jo-Lâm Vuong: Abb. 4.21, 4.24, 4.25,
den dargestellten Personen das Einverständ- 4.26, 4.27, 4.28, 4.29, 4.30, 4.31
663 A–C

Stichwortverzeichnis

A
Anthropometrie 113 Belastungsparameter 81
Antizipationsschnelligkeit 259, 274 Belastungsqualität 29, 33
Antizipationstraining 281 Belastungsumfang 29, 32, 221
ACSM-Konsensus 567
Antrittsschnelligkeitstraining 283 Belastungs- und Beanspruchungsprofil
Acute versus Chronic Workload 172
Anwendungsforschung 9 –– Basketball 597
Adaptation 51, 58, 368
Atmung 376 –– Fußball 617
Adaptation, neuronale 215
Atmungskette 356 –– Schwimmen 582
Adaptationsreserve 49
ATP 352 –– Tennis 641
Adenosindiphosphat 460
ATP-Bildungsrate 352 –– Triathlon 591
Adenosinmonophosphat 466
ATP-Resynthese 352 –– Volleyball 630
Adenosinmonophosphat-Kinase
Aufwärmen 272 Belastungszonen Schwimmen 587
(AMPK) 373
Ausdauer 346 Belastung, wettkampfspezifische 39
Adenosintriphosphat 460
–– aerobe und anaerobe 346 Beschleunigungsfähigkeit 262
Äquivalent
–– dynamische und statische 347 Beweglichkeit 324
–– kalorisches 356
–– lokale und allgemeine 346 –– allgemeine 325
–– metabolisches (MET) 360
–– sportartspezifische 348 –– dynamische 325
Aerobik 574
Ausdauerdiagnostik 136 –– spezifische 325
African Runners 371
Ausdauerphänotypen 371 –– statische 325
Age of Peak Height Velocity (APHV) 512
Ausdauertest Beweglichkeitsdiagnostik 134
Agility 262
–– aerober 137 Beweglichkeitsgrenze
Agonist 206
–– anaerober 141 –– anatomische 326
Agonisten-Aktivierung 215
Ausdauertraining 523, 564 –– physiologische 327
Aktinfilament 198, 202
Ausführungsqualität 33 Beweglichkeitstraining 342
Aktionspotential 202
Bewegungsanalyse 409, 414
Aktionsschnelligkeitstraining 283
Aktivierungsfähigkeit, neuronale 214
Aktivierungsniveau 89
B Bewegungshemmung 327
Bewegungskorrektur 441
Bachelor of Bewegungsregulation 204
Akupressur 483
–– Arts 5 Bewegungsschnelligkeit 259, 274
Akzeleration 512
–– Science 5 Bewegungssteuerung 330
Alter
Back Squat 233 Bewegungsumfang 221
–– biologisches 512
Bänder 330 Bewegungsvorstellung 409
–– chronologisches 512
Bankdrücken 232 Biathlon 524
Altern 550
3×3-Basketball 614 Biogenese, mitochondriale 373
Altersgang 556
Basketball 597 Bland-Altman-Plot 107
Altersspezifität 38
Beach-Volleyball 637 Blood Flow Reduction 213
Alterssport 558
Beanspruchung, interne 166 Blutlaktatkonzentration (LA) 354
Altersveränderung 559
Beanspruchung Fußball 620 Blutlaktatmessung 143
Analyse
Beanspruchungsparameter 81 Bodybuilding-Methode 224
–– biomechanische 416
Beckenschwimmen 581 Body-Mass-Index (BMI) 113
–– funktionale 415
Belastbarkeit 530 Browning 555
–– morphologische 416
Belastung Brustdrücken 235
Anamnese 104
–– exzentrische 218 Brustschwimmen 581
Anforderungsprofil 82
–– externe 166 Bruttoumsatz 361
Angiogenese 374
Anpassungseffekt 214, 368 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept 54
Anpassungsprozess 51
Ansatz
Belastungsdauer 29, 30, 221
Belastungsdichte 29, 31, 221
C
–– informationsverarbeitender 421 Belastungsdosierung 221, 376, 384 Calipometrie 115
–– systemdynamischer 423 Belastungsdosierung, individuelle 160 Cardio Drift 386
Antagonist 206 Belastungsempfinden, subjektives 390 Cardio-Tennis 652
Antagonisten-Deaktivierung 215 Belastungshäufigkeit 29, 32 Chest Press 235
Antagonistenhemmung 272 Belastungsintensität 29, 221 Closed versus Open Kinetic Chain
Antagonisten-Kontraktions-Stret- Belastungsnormativ 29 ­Training 230
ching 336 Belastungsnormative 33 Concurrent Training 47, 220
664
Stichwortverzeichnis

Consistency 105 Energiestoffwechsel 351, 365 Flexibilität 324


Core-Training 241 Energieumsatz 360 Flüssigkeitszufuhr 485
Cortisol 167 Energy Flux 555 Flussrate, glykolytische 353
Counter Movement Jump (CMJ) 122, Entwicklung 510 Flywheel 212, 226
125, 195 Entwicklungsphasen 511 Foam-Rolling 480, 494
C-reaktives Protein (CRP) 166 Entwicklungstempo 530 Footbonaut 624
Cross-Over-Design 10 Entzündungsreaktion 218 Forschungsmethoden 9
Cross-Training 230 Epidemiologie 552 Forschungsstrategie 5, 18
Ergebnisanalyse 72 Freie-Radikal-Theorie 551

D Ergometrie 137
Erholung, aktive 355, 470, 494
Freizeitsportarten 569
Fremddehnung 325
Dauermethode 15, 377 Erholungsdauer 29, 31 Frequenzierung 206, 269
–– extensive 15 Ermüdung 459 Frequenzschnelligkeit 260
–– intensive 378 –– akute 458, 459 Frequenzschnelligkeitstraining 282
Deadlift 234 –– chronische 458 Frontkniebeuge 233
Dehnen 334 –– Messung 467, 468 Front Squat 233
–– dynamisches 336 –– mittelfristige 459 Frühstück, gesundes 556
–– statisches 336 –– periphere 205, 460, 467 Functional
Dehngrenze, absolute 338 –– zentrale 460, 467 –– Movement Prep 94
Dehnmethoden 336 Ermüdungswiderstandsfähigkeit 346 –– Movement Screen 134
Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus Ernährung 484 –– Threshold Power (FTP) 161,
(DVZ) 192 Erythropoietin 375 163, 389
Delayed Onset of Muscle Soreness Ethikkommission 13 Funktion, neuromuskuläre 167
(DOMS) 211 European College of Sport Science Fußball 572, 615
Delfinschwimmen 581 (ECSS) 3

G
Deliberate Practice 41 European Journal of Sport Science 14
Deutscher Olympische Sportbund Evaluationsforschung 11, 12
(DOSB) 3 Excess Postexercise Oxygen Consump-
Gegenstandsbereich 5, 6, 8
Deutscher Motorik-Test (DMT) 539, tion (EPOC) 363, 557
Gehirnalterung 557
540 Expertiseforschung 530
Gelenkigkeit 325
Deutsche Vereinigung für Explosivkraftmethode 227
Gelenkkapseln 330
­Sportwissenschaft (dvs) 2, 3 External Load 55, 81
German Journal of Exercise and Sport
Digitalisierung 16 Research 14
DNA-Schadenstheorie 551
DOMS (Delayed Onset of Muscle F Geschlechtsspezifität 38
Geschwindigkeitsbarriere 279
­Soreness) 167, 211 Fähigkeit Gesundheit 552
DOMS-Skala 169 –– koordinative 408, 436 Gewandtheitstest 130
Doping 375 Fahrradergometrie 137 Glukoneogenese 358
Drehmoment, muskuläres 207 Fahrradfahren 572 Glukose 358
Drilltraining Tennis 645 Fahrtspiel (Synonym:) 378, 523 Glykogen 56, 356, 460
Drop Jump (DJ) 122, 126 Faser 199 Glykogenabbau, oxidativer 356
Drop-Sätze 225 Faser, extrafusale 204 Glykogenolyse 358
Drop Sets 225 Faserhypertrophie 217 Glykogenstoffwechsel 56
DTB-Konditionstest 648 Faszien 331 Glykogenverarmung 461
Dysbalance, muskuläre 334 Faszienmobilisation 94 Glykolyse 353, 354
Faszikel 197 –– aerobe 356

E Feldstufentest 138, 139, 144


Fettburning 363
–– anaerobe 353
Golf 571, 573
Eccentric Overload Training 226 Fette 356 Golgi-Rezeptoren 332
Effektkontrolle 426 Fettfreie Körpermasse (FFM) 113 Golgi-Sehnenorgane 205
Eigendehnung 325 Fettgewebe, braunes 555 GPS 175
Einheit, motorische 268 Fettsäuren, freie 356, 362 Grundlagenausdauer 348
Einsatz-Training 225 Fettstoffwechsel 362 Grundlagenausdauertraining
Eismassage 473 Fiederungswinkel 199 –– 1 (GA 1) 377
Energiebereitstellung 213, 582 Filamentüberlappung 207 –– 2 (GA 2) 377
–– anaerobe 353 Fitness-Fatigue-Modell 54 Grundlagenforschung 6, 9, 10
–– Tennis 643 Flemish Sports Compass 531 Gymnastik 574
Stichwortverzeichnis
665 C–L

H Jump-and-Reach-Test 122 Kraft-Längen-Relation 207


Krafttraining 189, 524, 563
Hämoglobingehalt 375
Handkraft 124
K –– exzentrisches 210, 211, 226
–– funktionelles 229
Handlungsschnelligkeit 261 Kältekammer 473 Kraft-Zeit-Kurve 193
Harnstoff 166 Kalorimetrie, indirekte 364, 365 Kraulschwimmen 581
Haupt- und Nebengütekriterien 98 Kaltwasserimmersion 473, 474, 494 Kreatinkinase 165, 166, 352, 357, 464
HERITAGE-Studie 371 Kapazität Kreatin-/Kreatinphosphat-Shuttle 352
Herz 375 –– aerobe 515 Kreatinmonohydrat 353
Herzfrequenz 167, 385 –– anaerobe 514 Kreatinphosphat 226, 352, 460, 492
–– maximale 386 –– oxidative 353 Kreatinsupplementation 353
Herzfrequenzformel 385 –– regenerative 517 Kreuzheben 232
Herzfrequenz-/Laktatleistungskurve 164 Kapillarisierung 369 Kryotherapie 473
Herzfrequenzmessung 387 Karvonen-Formel 385 Kühlweste 473
Herzfrequenz, submaximale 168 Kette, geschlossene kinetische 232 Kurz- Mittel- und Langzeitaus-
Herzfrequenzvariabilität 165, 168 Kettlebell 230 dauer 350
Herzinfarktrisiko 554 Kinder- und Jugendtraining 508 Kurzskala Erholung und Beanspru-
Herzminutenvolumen 375 Kindes- und Jugendalter 507 chung (KEB) 169
High-Intensity Interval-Training KINGS 525 Kurzzeitausdauer 350
(HIIT) 14, 15, 384 Kleinfeldspiel 383
–– Fußball 627
L
Hit-and-Turn-Tennis-Test 150
Hitzetoleranz 520 Kleinkindalter 510
Homöostase-Prinzip 52 Klimmzug 232
Kniebeuge 208, 209, 232, 233 Länge, funktionale 330
Homöostasestörung 459
Koaktivierung 268, 272 Längsschnittstudie 10
Hungerast 359
Körperkomposition 115 Laktat 354, 460
Hypertrophie 58, 214, 243
Kohlenhydrate 356, 359, 486 Laktatelimination 355, 520
Hypertrophiemethode 224
Kompartimente 357 Laktatbildungsrate 141
Hypertrophietraining 213, 223
Komplextraining 211, 429 Lamberts-and-Lambert-Submaximal-
Hypoglykämie 360
Komplextraining Tennis 650 Cycle-­Test 145
Hypoxie 213
Komponenten-Interaktionsmodell 83 Langzeitausdauer 350
Lastheben 234
I
Kompressionskleidung 476, 494
Konfidenzintervall 106 Lauf-ABC 95
Kontraktionsgeschwindigkeit 267 Laufbandergometrie 137
IK-Methoden 226 Laufbandstufentest 143
Kontraktions-Relaxations-Stretching 336
Impedanzanalyse, bioelektrische 116 Laufleistungen im Fußball 618
Kontraktionszeit 267
Individualisierung 585 Laufökonomie 371, 516
Kontrastmethode 229
Inflammaging-Theorie 551 Laufschnelligkeit 275
Kontrastwasser-Therapie 476
Insulin Like Growth Factor (IGF) 166 Lean Body Mass (LBM) 113
Koordination 406
Intensivierungstechnik 224 Lebensalter, mittleres und höheres 547
–– intermuskuläre 206, 215, 269
Interdisziplinarität 3 Leistung
–– intramuskuläre 205, 214, 269
30–15-Intermittent-Fitness-Test 139, 146 –– sportliche 82
Koordinations-Anforderungs-Regler
Internal Load 81 Leistungsaufbau, langfristiger 588
(KAR) 440
Intervallbelastung 365, 518 Leistungsdiagnostik 97, 98
Koordinationsmodell, anforderungs-
Intervallmethode 379 –– Basketball 601
orientiertes 439
–– extensive 380 –– Fußball 623
Koordinationstraining 433
–– intensive 381 –– Schwimmen 585
–– intramuskuläres 226, 227
Intervallsprint-Training (IST) 382 –– sportartspezifische 148
Koppel- und Wechseltraining 593
Intraklassen-Korrelationskoeffizient –– Tennis 648
Kraft 189
(ICC) 106 –– Volleyball 633
–– physikalische 190
Kraftausdauer 214 Leistungsoptimierung 70

J Kraftbelastung, komplexe 240


Kraftdefizit 193
Leistungssteuerung 69, 458
Leistungsstruktur 581
Jet-Lag 479 Kraftdiagnostik 117 –– Fußball 615
Jogging 571 –– isointertiale 118, 120 –– Basketball 600
Jogging-Treff 570 –– isokinetische 118, 119 –– Tennis 639
Jugendbasketball 602 –– isometrische 117, 118 –– Volleyball 629
666
Stichwortverzeichnis

Leistungsstrukturanalyse 82 –– Soreness 218 Perzentil 111


Lernen Musik 390 PGC-1α 373
–– motorisches 419 Muskelarchitektur 198 Phase
Limits of Agreement 106 Muskeldestruktion 211, 218 –– sensible 511
Linearsprinttest 128 Muskelfaserhypertrophie 216 –– vorpubertale 511
Lipolyse 358, 362 Muskelfaserspektrum 199 Phosphofruktokinase 353, 514
L-Run-Test 133 Muskelfasertypen 265, 267 pH-Wert-Regulation 519
Lunge 376 Muskelfaszien 331 Planmäßigkeit 26
Muskelkater 211, 218 31P-Magnetresonanzspektroskopie 519

M
Muskelquerschnitt 198, 214 Polarized Training 393
Muskelschmerz 464 Positionsspezifik Fußball 623
Muskelspindel 204, 331 Postactivation Potentiation (PAP) 211
Marathon 395
Muskelsteifigkeit 209 Powernapping 480
Massage 477, 494
Muskelstimulation 120 Precooling 95
Masterathleten 554, 560
Myofibrille 197 Preloading 89, 90
Maximalkraft 192, 275
Myoglobingehalt 369 Prognoseleistung 530
Maximalkraft, dynamische 118, 120
Myokin 219 Proteinbiosynthese 56, 58
Maximalkrafttraining 223
Myosinfilament 197, 202 Proteine 356, 489
Maximal Voluntary Isometric Contrac-
Prozentrang 111

N
tion (MVIC) 119
Prozess
Maximum Accumulated Oxygen Defi-
–– aerober 356
cit (MAOD) 141
Nachbrenneffekt 364 –– anaerob-alaktatzider 352
Medizinballwurf 127
Nachwuchsleistungssport 527 –– anaerob-laktazider 353
Meisterlehren 2, 4
Nachwuchstennis 648 Pubertät 513
Mesozyklus 46
Nackenkniebeuge 233 Pubeszenz 512
Messfehler 108
Negativwiederholung 225 PubMed 14
20-Meter-Linearsprinttest 131
Nervenbahnen 331 Pyramidentraining 227
Metabolic Power 365, 368
Nervenleitgeschwindigkeit 267 Pyruvat 354
Mikronährstoffe 491
Nervensystem, peripheres 465
Mikroschädigung 218
Nervosität 94
Mikrotraumata 218, 462
Mikro- und Makrozirkulation 374
Neurogenese 58
Non-Motorized Treadmill 142
Q
Mikrozyklus 45 Qualitätssicherung 103
Noradrenalin/Adrenalin-Quotient 93
Mineralstoffe 491 Querbrückenzyklus 202, 203
Nordic Walking 571
Mirwald-Formel 114 Querschnittuntersuchung 11
Normierung 98, 110
Mitochondrien 353, 373 Quotient
Normprofile 110
Mitochondrienvolumen 369 –– respiratorischer (RQ) 365, 368
Nützlichkeit 98
Mittelzeitausdauer 350
Modell
–– antagonistisches 53
–– kybernetisches 70
O R
Modellierung 84 Objektivität 98
Ratings of Perceived Exertion 390
Monitoring 163, 467, 628 Ökonomie 98
Reaction-and-Action-Speed-Test für
Monitoring-Parameter 166 Östrogen 514
Fußballtorhüter 149
Mortalitätsrate 370, 552 Okklusion 213
Reaktion 368
Mortalitätsrisiko 552 Open Kinetic Chain Training 230
Reaktionsschnelligkeit 258, 260, 274
Motoneuron 200, 268 Optimallänge 207
Reaktionstraining 280
Motorik 419 Overhead Press 236
Reaktivkraft 195, 197
Motorikprogramm 422 Reaktivkraftmethode 229
Motorische Einheit (ME) 206
Motorkortex 205 P Reaktivkrafttraining 284
Reflexinnervation 269
mTOR 219, 220 Pacing 74, 92 Reflexmechanismus 331
Multiple Rebound Jump (MRJ) 122, 126 Packing 628 Regeneration 9, 15, 58, 459
Multistage-20-Metre-Shutt- Pansold-Test 585, 586 Regeneration/Kompensation (Re-
le-Run-Test 139 Paradigmenwechsel 14, 15 Kom) 376
Muscle Peaking 87 Regenerationsbedarf 565
–– Damage 218 Percooling 95 Regenerationsfähigkeit 346
–– Memory 217 Periodisierung 42 Regenerationsintervention 469
Stichwortverzeichnis
667 L–T
Regenerationsmanagement 458 Schnelligkeitsausdauertraining 289 Substratverwertung 360
Reifegrad 113 Schnelligkeitsdiagnostik 128 Superkompensation 44, 56
Reizdauer 29, 30 Schnelligkeitsstereotyp 279 Superserie 225
Reizdichte 29, 31 Schnelligkeitstraining 253, 273, 276, 279 Synergist 206
Reizhöhe 29 –– Kontrastmethode 287 Synergisten-Aktivierung 215
Reizintensität 29 –– Koordinationsmethode 288 System, tendomuskuläres 209
Reizleitungsgeschwindigkeit 267, 274 –– sportartspezifisches 276
Reizqualität 29
Reizstärke 29
–– supramaximales 285, 287
–– Trainingsbeispiele 291
T
Rekrutierung 206, 269 –– Widerstandsmethode 286, 287 Talent 527
Relative Age Effect (RAE) 533 Schnellkraft 194, 214, 275 –– Detection 528
Reliabilität 98, 105 Schnellkraftmethode 228 Talentförderung 527, 528, 531
Repeated Sprint Ability (RSA) 142 Schnellkrafttraining 228 –– DFB 624
Repeated-Sprint-Ability-Training Schulkindalter Talentforschung 40, 530
(RST) 382 –– frühes 511 Talentidentifikation 527, 528
Repetitive Counter Movement Jump –– spätes 511 Talentselektion 528
(R-CMJ) 122 Schulsport 535 Tapering 87
Repolarisation 202 Schwelle, aerob-anaerobe 137 Tapping-Test 128
Reproducibility 105 Schwerpunktsetzung, individuelle 155 Teamdynamik 623
Respiratorischer Quotient (RQ) 365 Schwimmen 572 Technik 406
Residual Force Enhancement 209 Scouting 75 Technikelement 408
Retardierung 512 Sehnen 330 Technikleitbilder 409
Rezeptoren 333 Sequenzschnelligkeit 260 Techniktraining 427
Richtungswechselsprintschnellig- Sequenzschnelligkeitstraining 282 Telomertheorie 551
keit 261 Session-RPE 166 Telomerverkürzung 551
Richtungswechselsprinttest 130 Sicherheitsvorkehrung 104 Tempowechselmethode 378
RMSSD (Root Mean Square of Signalübertragung, neuromuskuläre 202 Tennis 571, 573, 639
­Successive Differences) 168 Skala, psychometrische 169 Tennis-Training 644
Rope Training 232 Skelettmuskulatur 197 Tensiomyographie 167, 171
RPE-Skala 390 Smallest Worthwhile Change 108 Testgewöhnung 104
Rückenschwimmen 581 Small-Sided Games 383 Testgütekriterien 98, 103
Ruhespannung 327 Sollwert 411 Testosteron 514
Ruhespannungs-Dehnungskurve 328 Spannung, mechanische 217 Testosteron, freies 166
Ruheumsatz 361, 557 Spezialisierung 39, 585 Testprotokoll 104
Ruhr-Universität Bochum 2, 5, 13 Spielanalyse, systematische 75 Test-Retest 105
Rumpfbeugetest 135 Spieler-Monitoring Basketball 604 Test, sportmotorischer 100
Rumpfkraft 241 Spielpositionen Basketball 599 Testverfahren 97
Rumpfkraftdiagnostik 118 Spielpositionen Volleyball 631 Theorie und Praxis der Sportarten 3
Splitting, myofibrilläres 217 Thermoregulation 485, 520

S Sportspiele 350
Sportwissenschaft 3
Threshold Model 393
Titin 328
Sarkomer 197 Sprintbelastungen im Fußball 619 Titinfilament 198
Sarkopenie 559 Sprintschnelligkeitstraining 283 Torque 207
Satellitenzellen 211, 215, 218 Sprungkraftdiagnostik 118, 121 Tracking 75
Sauerstoffaufnahme 137 Sprungkrafttraining 284 Tracking-Analysen 78
–– maximale 140, 369, 372, 515, 559 Squat 233 Trainierbarkeit im Alter 563
Sauerstoffkinetik 517 Squat Jump (SJ) 122 Training 24
Sauna 475, 494 Standardmessfehler 106 –– plyometrisches 282
Schlaf 478 Standweitsprung 121 Training & Exercise Science 3
Schnelligkeit 257 Stiffness 209 Training Impulse (TRIMP) 167
–– azyklische 257, 260, 275 Stoffwechsel, anaerob-alaktazider 213 Training Load 31, 166
–– elementare 257, 274 Stoffwechselwege 357 Trainingsbeispiele
–– informatorische 272 Stressregulation 92, 94 –– Tennis 650
–– komplexe 257 Stretching 334, 471, 494 –– Volleyball 635
–– motorische 272, 274 Struktur, pfadanalytische 85 Trainingsdokumentation 175
–– zyklische 257, 260, 275 Substratmobilisation 357 Trainingsempfehlungen 521, 566
Schnelligkeitsausdauer 261, 263 Substratverstoffwechselung 358 Trainingshäufigkeit 29, 32
668
Stichwortverzeichnis

Trainingsherzfrequenz 385 Unterzuckerung 360 Wettkampfsteuerung 86


Trainingsinhalt 28 Utilisation 530 –– Fußball 621
Trainingsmethode 28, 221, 376 Wettkampfstruktur
Trainingsmittel 28
Trainingsplanung 42 V –– Triathlon 590
Wettkampfvorbereitung 86, 87, 89
Trainingsprinzip 36 Validität 98, 107 Wettspielbeobachtung 75
Trainingsprogramm 241, 392 Variationskoeffizient 108 Wiederholungsmaximum 120
Trainingsqualität 23 Velocity Based Training 223 1-Wiederholungsmaximum (1 RM) 118
Trainingssteuerung 41, 151 Ventilations-RQ 365 Wiederholungsmethode 382
–– Basketball 606 Verfolgungssprints 524 Wiederholungssprinttest 142
–– Fußball 625 Vibrationskrafttraining 207 Wingate-Test 141
–– Schwimmen 585 Videofeedback 445 Wurfkraftdiagnostik 118, 123
–– Tennis 648 Vitamine 491 Wurf-, Schlag-, und Schussschnellig-
–– Triathlon 595 Volleyball 628 keit 129
–– Volleyball 634 Voraktivierung/Vorinnervation 269
Trainingssystematik 26
Trainingsumfang 29
Vor- bzw. Nachermüdungsserie 225
Vorgehensweise, methodische 430
Y
Trainingswirksamkeit 36, 49 Vorschulalter 510 Y-Balance-Test 135, 136
Trainingswissenschaft 2, 4 Yoga 574
Trainingsziel 24, 25
Triathlon 590
Triathlon-Langdistanz 398
W Yo-Yo-Effekt 212
Yo-Yo-Intermittent-Recovery-Test 139
Wachstumsfaktoren 218 YoYo®-Squat 226
Twitch-Interpolationstechnik 120
Typ-IIA-Faser 199 Wachstumshormon 513
Typ-IIX-Faser 199 Walking 571
Wandel, demografischer 550
Z
Warm-up 90 Zeitprogramm
U Wattmessung 389
Wearable-Technologien 165
–– azyklisches 271
–– zyklisches 271
Übergewicht 509, 555 Wechselstaffel 524 Zentralnervensystem 266, 268, 465
Überkopfdrücken 236 Weltbestleistung 560 Zieltechnik 410
Übertrainingssyndrom 60, 61 Wettkampfanalyse 72 Zitronensäurezyklus 356, 357
Umsatz, freizeitkalorischer 370, 554 –– Triathlon 594 z-Transformation 111
Untersuchung Wettkampfleistung 72 Zugfrequenz 583
–– prospektive epidemiologische 369, Wettkampfspezifisches Ausdauertrai- Zugwiderstandsläufe 286
370 ning (WSA) 377 Zyklisierung 42
Untersuchungsdesign 10

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