Sie sind auf Seite 1von 63

VO Eisenbahnwesen

LVA-Nr.: 230.033, SS 2021, 2,5 Std.

2. Vorlesungseinheit

Spurführung & Fahrdynamik

Univ.Ass. DI
Benno SCHMIEDER
Institut für Verkehrswissenschaften Technische Universität Wien
Forschungsbereich für Eisenbahnwesen, Karlsplatz 13/230-2
Verkehrswirtschaft und Seilbahnen A-1040 Wien
http://www.eiba.tuwien.ac.at
1
Lernziele

Ziele dieser Einheit

1. Die zwei Prinzipien der Spurführung erläutern können.

2. Rad und Schiene zeichnen können.

3. Nennen von Radsatz- & Schienenabmessung.

4. Erläutern und skizzieren der Bewegung eines Radsatzes im Gleis.

5. Wiedergeben der Kräfte zwischen Rad und Schiene.

2
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Vorlesungsüberblick

Spurführung

• Prinzip und Elemente des Rad-Schiene Systems


• Spurweiten und Spurspiel
• Fahrt in der Geraden
• Fahrt im Bogen
• Kräfte im Rad-Schiene-System

3
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung - Definition

Fahrweg fahren Fahrzeug


pla

ern
ne

teu
n

n/s
/st
eu

ne
ern

pl a

Betrieb

„Spurführung beschäftigt sich mit der Führung des Fahrzeuges in


horizontaler und vertikaler Richtung in der Fahrspur“

Vertiefung zum Thema: VO Spurführungstechnik


4
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Spurführung bei der Eisenbahn

kraftschlüssige Führung
• durch Radreibung
• vorrangige Führungsform

formschlüssige Führung
• durch Anlaufen der Spurkränze am Schienenkopf
• „Notlaufsystem“
• in engen Bögen, Weichen

„bei konventionellen spurgeführten Systemen kraft- und


formschlüssige Führung – doppelte Sicherheit für die Spurführung!“

5
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Elemente der Spurführung

Elemente am Fahrzeug
•Radsatz
• Achse mit starr verbundenen Rädern → Räder haben gleiche
Drehgeschwindigkeit
• Form des Radsatzes einem Kegelstumpf nachempfunden

Elemente der Infrastruktur


•Gleis
• parallele Schienen mit definiertem Abstand
• Schienen zueinander geneigt

6
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Radprofil
• konischer Radreifen (Laufflächenneigung 1:20 / 1:40) → bewirkt Sinuslauf in
der Geraden und verbessertes Rollen im Bogen
• besseres Laufverhalten und geringerer Verschleiß
• innenliegender Spurkranz (zur Spurführung in engen Bögen und aus Gründen
der Entgleisungssicherheit)
• Spurmaß (Abstand der beiden Spurkränze eines Radsatzes)

(6)
(1)
(5)

(4)
(1) Radrücken
(2) Spurkranz (3)
(3) Spurkranzflanke (2)
(4) Hohlkehle
(5) Lauffläche
(6) Laufkreisebene - definiert den nominellen Radaufstandspunkt

7
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Schiene
• „bombierter“ Kopf für Berührpunkte
• Neigung der Schienen nach innen (1:20 / 1:40 in Österreich) → bewirkt
Sinuslauf in der Geraden und verbessertes Rollen im Bogen
• Je größer die Neigung desto niedriger und von der Spurweite weitgehend
unabhängiger ist die Konizität

(1)

(1) Schienenkopf (mit Fahrspiegel) (2)


(2) Schienenflanke
(3) Schienensteg
(4) Schienenfuß
(3)

(4)

Vignolschiene

8
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Radsatz- und Schienenabmessungen

b Stützweite
sm Spurmaß
sw Spurweite
ss Spurspiel
9
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Nennstützweite b
• Abstand der Nennlaufkreise
• 1500 mm für Normalspur
Nennspurweite sw
• Abstand der Schienenflanken 14mm unter SOK
• Normalspur 1435 mm
• Breitspur >1435 mm
• Schmalspur <1435 mm
• Spurweite hat erheblichen Einfluss auf die äquivalente Konizität
• weltweit viele verschieden Spurweiten
Nennspurmaß sm
• Abstand der Laufkreise deren Radien 10 mm größer sind als Nennlaufkreise
Spurspiel ss
• Differenz von Spurweite und Spurmaß

10
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Spurführung

Rad-Schiene Kontakt
• äquivalente Konizität (von Rad und Schiene) bestimmt die Laufeigenschaften
• bestimmt durch die Geometrie der Lauffläche der Räder und der Oberfläche des
Schienenkopfes

1-Punkt Berührung
• Idealzustand (Neuzustand)
• Berührung im Radaufstandspunkt

2- oder mehrfach-Punkt Berührung


• je nach Abnützungszustand von Rad und
Schiene
• Berührung im Radaufstandspunkt und im
Spurkranzdruckpunkt
• in der Bogenfahrt
„Kräftespiel zwischen Rad und Schiene!“
11
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bewegung des Radsatzes im Gleis

Sinuslauf

• Voraussetzungen
▪ starr gekoppelte Räder ▪ Radsatz vergleichbar mit
▪ konisches Radprofil einem Doppelkegel


CC-BY-SA user: Ikaxer
Mechanismen http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hunting_oscillation_section_ja_150px.gif
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hunting_oscillation_plan_ja_150px.gif

▪ „selbstzentrierende Wirkung“ des Radsatzes


▪ Radsatz reagiert auf:
• Querkraft mit einer Schrägstellung
• Moment um die Hochachse mit einem Querversatz
▪ Rollradiendifferenz bewirkt Drehbewegung des Radsatzes
• Wechselspiel bewirkt Ausbildung einer sinusförmigen Bewegung
12
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bewegung des Radsatzes im Gleis

Sinuslauf

r1 + r2
r=
2
br
• Wellenlänge L = 2π  ▪ Kreisfrequenz W [rad/s]
tan γ ▪ Fahrgeschwindigkeit v [m/s]
▪ Laufflächenneigung g [rad]
▪ Stützweite b [m]
tan γ
• Kreisfrequenz Ω = v ▪ Laufkreisradius des Rades r [m]
br ▪ Wellenlänge L [m]
13
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bewegung des Radsatzes im Gleis

Sinuslauf wird beeinflusst durch:


• Geschwindigkeit
• Radradius
• Laufflächenneigung
• Spurweite

Praxis
• sinusförmigen Lauf nur im vereinfachten Modell
• tatsächlicher Laufweg abhängig von den realen Bedingungen:
▪ Schienenoberfläche
▪ Radoberfläche
▪ etc.

14
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bewegung des Radsatzes im Gleis

Bogenfahrt
• Sinuslauf ist auch im Bogen möglich
• Rad mit dem größeren Radius am Berührpunkt hat einen längeren Weg nach
vorne als das Rad mit dem kleineren Radius → Drehbewegung des Radsatzes
• im Bogen rollt das nach außen versetzte Rad mit größerem Umfang auf der
Schiene ab als das zur Gleismitte versetzte Rad
• Längs- und Quergleiten ist möglich
• abhängig von Bogengeometrie und Geschwindigkeit kann der Spurkranz an der
Innen- oder Außenschiene anlaufen

15
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bewegung des Radsatzes im Gleis

Sonderfall: reines Rollen im Bogen


• ein starrer Radsatz mit konischen Radprofilen kann mittels eines Querversatzes
einen Bogen mit reinem Rollen befahren
• Rollradiendifferenz: im Bogen rollt das nach außen versetzte Rad mit größerem
Umfang auf der Schiene ab als das zur Gleismitte versetzte Rad

Spurspiel:
br ri + ra
sS = r=
tan g  R 2

γ Laufflächenneigung [Grad]
R Bogenradius [mm]
r mittl. Laufkreisradius [mm]
b Stützweite [mm]
ss Spurspiel [mm]
16
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Komplexes und nahezu vollständiges Kräftemodell:

Q N
Tx
Sy

Sx Ty

→ wird in der Regel vereinfacht!


17
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Kräfte in der Normalebene

Radkraft Q
•statische Radlast Qst Q N
• halbe Achslast (100–112,5 kN bei Sy
Tx
Normalspur)
Y

•quasistatische Radlast Qqst Qqst  1,25  Qst Sx Ty


• halbe Achslast
• Vertikalanteile der Fliehkraft
β
• Vertikalkräfte aus der
Radsatzverlagerung infolge
Schrägstellung des Fahrzeuges

•dynamische Radlast Qdyn Qdyn  (2 ~ 3)  Qst


• aus Gleisunebenheit und
Federwirkung der Fahrzeuge
18
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Kräfte in der Normalebene

Profilseitenkraft Y
•quasistatischer Anteil Yqst Yqst  (0,5 ~ 0,7 )  Qst
• Richtkräfte aus der
Fahrzeugbewegung im Spurkanal
• Fliehbeschleunigung im Bogen
• Windkräfte
• Temperaturkräfte im Bogen Q N
Tx
Sy
•dynamischer Anteil Ydyn
Y
• aus Schlingerbewegungen durch den
Sinuslauf in der Geraden Sx Ty
• aus Gleislagefehlern

19
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Übertragung der Antriebs- und Bremskräfte

• Kraftübertragung (Beschleunigung, Bremsen) erfolgt durch die Reibung


zwischen Rad und Schiene
• Übertragung erfolgt durch den Schlupf,
• bei reinem Abrollen ist keine Kraftübertragung möglich

Zwangskräfte (normal auf Berührebene):


N Normalkraft
Q Radkraft
Sy
Tx Fy Profilseitenkraft
Reibkräfte (tangential):
Tx Längsreibkräfte (zufolge Längsschlupf sx)
Sx Ty Ty Querreibkräfte (zufolge Querschlupf sy)

20
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Schlupf
• der Schlupf ist die Differenz zwischen theoretisch zurückgelegtem Weg
(Winkelgeschwindigkeit) und wirklich zurückgelegtem Weg (Geschwindigkeit der
Achse), relativ zum mittleren zurückgelegtem Weg
• vom Schlupf hängt die maximal übertragbare Reibkraft ab
• praktisch gesehen ist ohne Schlupf keine Kraftübertragung (in Fahrtrichtung)
möglich
• Rollen: vm = R·ω
• Antreiben: vm < R·ω
• Bremsen: vm > R·ω
• Gleiten: R·ω = 0 (Räder blockieren)
• Schleudern: vm = 0 (Räder drehen durch)

v + Rω R Radradius
vm =
2 vm mittl. Geschwindigkeit der Achse
v − Rω ω Winkelgeschwindigkeit des Rades
sx =
vm sx zurückgelegter Weg
21
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Kräfte in der Tangentialebene

• Längsreibkräfte Tx
Q
▪ Traktionskräfte (Beschleunigen und Bremsen) N
Tx
aus Längsschlupf Sx Sy

Y
• Querreibkräfte Ty
Sx Ty
▪ wegen Querschlupf Sy

• Längskräfte in der Schiene β

▪ Längskräfte aus Materialeigenspannung durch


den Herstellungsprozess der Schienen t Temperaturdehnungskoeffizient
▪ Längskräfte aus Temperaturänderung TT für Stahl 1,2·10-5 [1/K]
E E-Modul für Stahl 2,1·105 [N/mm²]
ASchiene Querschnittsfläche der Schiene

l =  t  t  l TT =  t  E  ASchiene  t
[mm²]
t Temperaturdifferenz zwischen
Verspanntemperatur und
Außentemperatur

22
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kräfte an Rad und Schiene

Entgleisungskriterium
• Spurkranz klettert auf
• Ausschlaggebend für die Entgleisungsgefahr sind
die auftretenden Quer- und Aufstandskräfte, bzw.
deren Verhältnis

Entgleisungskriterium nach Nadal


• gibt die max. zulässige Querbelastung an, bevor
das Fahrzeug entgleist

Y Profilseitenkraft pro Radsatz [kN]


Q Radkraft [kN]
Kriterium von Nadal: N Normalkraft [kN]
β Spurkranzwinkel [Grad]
Vertiefung zum Thema: VO Spurführungstechnik
23
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Vorlesungsüberblick

Fahrdynamik

• Definition
• Zugkraftdiagramm
• Widerstände
• Zugkraftgleichung

24
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Lernziele

Ziele dieser Einheit

1. Ermitteln der Energie einer Zugfahrt.

2. Erläutern der Grenzen der Traktion.

3. Ermitteln der Fahrzeiten auf einer Strecke.

25
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Fahrdynamik - Definition

Fahrdynamik ist die Wissenschaftsdisziplin von der Fahrbewegung


der Verkehrsmittel, den verursachenden Kräften und der
Traktionsenergie.1

1Wende, Dietrich, 2003: „Fahrdynamik des Schienenverkehrs“

26
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Energie im Zug

Komplexes Zugmodell kann vereinfacht


werden.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist der


Energiesatz:

27
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kinetische Energie

Ekin setzt sich aus

• der Translationsenergie der Fahrzeuge

und
• der Rotationsenergie der Räder

zusammen:

28
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Kinetische Energie - Massefaktor

Mit der Einführung eines Massefaktors:

Fahrzeugart Massefaktor
Der Massefaktor ist ein Maß für
den Anteil der Rotationsenergie Reisezüge 1,1
an der kinetischen Energie des
Leere Güterzüge 1,15
Fahrzeuges.
Beladene Güterzüge 1,06
Diesellokomotiven 1,2..1,3
Elektische Lokomotiven 1,2..1,3
29
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Potentielle Energie

Epot für ein Fahrzeug ergibt sich aus:

bezogen auf irgendeine Höhe h(x) des Fahrzeugschwerpunktes.

Für den ganzen Zug gilt:

Mit einer Definition der Schwerpunkthöhe:

allg. Schwerpunkthöhe h: ~1,5 m

Vereinfacht:

30
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Potentielle Energie - Modelle

Massenpunktmodell: Epot bleib konstant, bis der Zugschwerpunkt Anfang


der Steigung erreicht hat.

Massenbandmodell: Epot steigt, sobald das erste Fahrzeug die Steigung


erreicht hat.

31
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Der Energiesatz

Energie im betrachteten System ändert sich durch:


• Verrichten von Arbeit (z.B. Zugkraftarbeit)
• Abgabe von Wärme (z.B. Bremsung)

Energiesatz der Thermodynamik:

Energiezuwachs = Verrichtete Arbeit + Wärmeabgabe

dE = dA + dQ

dE = FA ds + FQ ds

32
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Herleitung der Grundgleichung

Herleiten aus dem Energiesatz der Thermodynamik mit dt:

Einsetzen der Energie vom Zug:

33
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Grundgleichung der Fahrdynamik

M: Masse des Zuges


ρ: Massefaktor
W: Summe der Widerstandskräfte
FZ: Zugkraft
FB: Bremskraft

• Beschreibt die Bewegung des Zuges als Ganzes


• Ist die Grundlage der meisten fahrdynamischen Berechnungen

34
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Widerstandskräfte

Widerstände

Streckenwiderstand Zugwiderstand

Beschleunigungs-
Steigungswiderstand Laufwiderstand Bremswiderstand
widerstand

Bogenwiderstand Dynamischer Widerstand Grundwiderstand Luftwiderstand

Weichenwiderstand Lagerwiderstand

Rollwiderstand
Tunnelwiderstand

Getriebewiderstand

35
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Steigungswiderstand ws

„Widerstandskraft, die durch die Streckenneigung verursacht wird“

ws spez. Steigungswiderstand [‰]


ws = sin   tan  =  s α Längsneigung [+ bergauf; -bergab]

Neubaustrecken 12,50 ‰
Hauptbahnen 25,00 ‰
Nebenbahnen 40,00 ‰
(Grenzen für Adhäsionsantrieb bei trockener Schiene bei
einer Steigung von 160 ‰, bei nasser Schiene bei einer
Steigung von 140 ‰)

36
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bogenwiderstand wb

„Widerstandskraft, die durch die Bogenradien verursacht wird“

650
wb = (gültig für R  300m)
R − 55
500
wb = (gültig für R  300m)
R − 30
wb spez. Bogenwiderstand [‰]
R Bogenradius [m]

Der Bogenwiderstand ergibt sich daraus, dass der starre


Radsatz selbständig keine Bögen fahren kann, und
daher im Bogenanfang erst mit einer kurzen
Querbewegung verschoben wird.
Bei Bogenradien über 1000 m ist der Bogenwiderstand
zu vernachlässigen.
37
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Weichenwiderstand ww

„Widerstandskraft, die durch die Weichen verursacht wird“

Weichenwiderstand ww
• ergibt sich aus Krümmungswechsel ohne Übergangsbogen
• ergibt sich aus Radlenker und Herzstück in den Weichen
• ww~ 1‰

Foto: DB AG/Schmid, (Signal+Draht, 10/2005)

38
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Laufwiderstand w0

„Widerstandskraft, die direkt vom Fahrzeug verursacht wird“

w0 = w´m + wv
Grundwiderstand w‘m
• ergibt sich aus Lagerwiderstand, Getriebewiderstand und Rollwiderstand
• von der Temperatur abhängig (Viskosität der Schmiermittel)

Q0 Waggongewicht [kN]

Q0  w´0 +QL  w´L w´0 Grundwiderstand Waggon [‰]


w´m = QL Lokgewicht [kN]
Q0 + QL w´L Grundwiderstand Lok [‰]
w´m mittlerer Grundwiderstand [‰]

39
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Laufwiderstand w0

Luftwiderstand wv
• Oberflächenkraft auf Stirnflächen, Oberflächen, Laufwerken
• proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit (wv ~ V²)
• Abhängig von der Formgebung der Fahrzeuge


wV = 0,047  (V + 15)  ALok  cw + AWaggon  cwr  (n + m )
2

40
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Laufwiderstand w0

Laufwiderstand w0 (Näherungsformel)

w0 = w´m + wv w0 Laufwiderstand [‰]


w´m mittlerer Grundwiderstand [‰]
wv Luftwiderstand [‰]
 V + 10 
2

w0 = w´m +0,03   
 10 

41
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Widerstandskraft W

„Kräfte aus den Fahrtwiderständen“


Die Widerstandskraft setzt sich aus der Summe der Fahrtwiderstände
zusammen

W (v, s ) = (Q0 + QL )  ( wi )

Fahrweg
• Trassierung in der Höhe (Neigungsverhältnisse)
• Trassierung in der Lage (Bogenradien, Weichen)
• Schienenbeschaffenheit
Fahrzeug
• Fahrzeuggewicht
• Fahrzeugbeschaffenheit
42
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Übertragung der Antriebskräfte

Eine Kraftübertragung (Beschleunigung, Bremsen) erfolgt durch die


Reibung zwischen Rad und Schiene (Adhäsionsbahn). Diese
Übertragung erfolgt nur durch den Schlupf, bei reinem Abrollen ist
keine Kraftübertragung möglich

Zwangskräfte (normal auf Berührebene):


N Normalkraft
Tx
Sy Q Radkraft
Fy Profilseitenkraft
Reibkräfte (tangential):
Sx Ty
Tx Längsreibkräfte (zufolge Längsschlupf sx)
Ty Querreibkräfte (zufolge Querschlupf sy)

43
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Schlupf

„Differenz zwischen theoretisch zurückgelegtem Weg


(Winkelgeschwindigkeit) und wirklich zurückgelegtem Weg
(Geschwindigkeit der Achse), relativ zum mittleren zurückgelegtem
Weg“

Längsschlupf (Quelle: Petz M., Spurführungstechnik)

Vom Schlupf hängt die maximal übertragbare Reibkraft ab. Praktisch gesehen ist
keine Kraftübertragung (in Fahrtrichtung) ohne Schlupf möglich.
44
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Haftreibungsbeiwert μ

„Verhältnis der übertragbaren Horizontalkraft zur auf Antriebsachsen


ruhenden Last “
H
= übertragbare Horizontalkraft
auf Antriebsachsen ruhende Last
Q
• abhängig vom Zustand der Schienen (Feuchtigkeit, Verschmutzung,…)
• abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs

Streubereich der Haftreibungsbeiwerte Kraftschluss–Schlupf Funktion


(Quelle: Filipovic, Z.: Elektrische Bahnen) (Quelle: Petz M., Spurführungstechnik)
45
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Haftreibungsbeiwert μ

µ V (klein) V (>200km/h)

trocken < ~0,28 < ~0,18

nass < ~0,16 < ~0,10

Laub, Ruß,
~ 0,03 ~ 0,02
Staub,...

Übertragbarer Haftreibungsbeiwert μ für angetriebenes Rad bis zur Schleudergrenze

46
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Reibungszugkraft ZR

Abhängig vom
• Haftreibungsbeiwert μ
• Verhältnis von Triebachsen/Laufachsen (möglichst viele Antriebsachsen pro
Zug bzw. Triebwagenzüge)
• Achslasten

Z R = QR   =   QL  
ZR Reibungszugkraft [kN]
Quelle: www.hochgeschwindigkeitszuege.com
QR, QL Reibungsgewicht, Lokgewicht [kN]
μ Haftreibungswert
 Reibungsgrad der Lokomotive (moderne E-Loks ~ 1)

• Schwerster Zug maßgebend


• Lok mit geringstem Reibungsgewicht maßgebend
• Luftwiderstand wv wird vernachlässigt
47
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Leistungszugkraft ZN

Abhängig vom
• Lokomotivleistung
• Geschwindigkeit

N
ZN =
v
ZN Leistungszugkraft [kN]
N Leistung der Lokomotive Quelle: www.oebb.at
BR 1016 BR 2016
[kNm/s = kW]
6400 kW 2000 kW
v Geschwindigkeit [m/s]

• schnellster Zug maßgebend


• Lok mit geringster Leistung ist maßgebend

48
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Z-V Diagramm

Kennlinie vom Triebfahrzeug

ÖBB 2016 „Hercules“-Diesellokomotive


(Quelle: ÖBB)

49
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Beschleunigungskraft Wp

• Kraftdifferenz zwischen Zugkraft und Widerstandskraft


• stellt das Kräftegleichgewicht her
• beschreibt die vorhandene Kraft zur Beschleunigung

a
w p =    1000
g
a Fahrzeugbeschleunigung [m/s²]
rotierende Masse spez. Beschl.widerstand [‰]
= wp
translatorisch bewegte Masse ρ Massefaktor [~1,1 für Züge]
g Erdbeschleunigung [m/s²]
50
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bremswiderstand wbr

wbr Bremswiderstand [‰]

B b Bremsausmaß [‰]
wbr = b   + μ Gleitreibungsbeiwert [-]
Qges
∆B zusätzliche Bremsdrücke [kN]
Qges Zuggewicht [kN]

• Bremsausmaß, ist der Anteil der gebremsten Achsen eines Zuges

51
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Einflussfaktoren

„Kräftegleichgewicht der Bewegung“


Die nutzbare Zugkraft steht im Gleichgewicht mit der Widerstandskraft aus
der Summe der Fahrtwiderstände
„Zugkraftgleichung“

Z i  Wi
Fahrweg
• Trassierung in der Höhe (Neigungsverhältnisse)
• Trassierung in der Lage (Bogenradien, Weichen)
• Schienenbeschaffenheit
Fahrzeug
• Fahrzeuggewicht
• Fahrzeugleistung
• Fahrzeuggeschwindigkeit
• Fahrzeugbeschaffenheit
52
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Z-V Diagramm - Antriebsvorganges

• Gegenüberstellung von Zugkraft und Widerstandskräften


• Nachweis von Anfahren
• Nachweis der konstanten Fahrt

53
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Fahrmodi

v Fa = Z - ΣW Z = ΣW Fa = -ΣW Fa = -FB - ΣW
Beschleunigung Beharrungsfahrt Auslauf Bremsen

Z<0
a<0

Z>0
Z>0 Z=0
v = const
a>0 a<0
a=0
v1 = 0 vn = 0
s

54
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Beschleunigung

„Zug muss Anfahren können,


v1 = 0 Reibungszugkraft ZR ist maßgebend → Reibung“

(
Z R  (Q0 + QL )  w m  ws + wb + w p 
, 1
1000
)
ZR Reibungszugkraft [kN]
Q0 Waggongewicht [kN]
QL Lokgewicht [kN]
w(i) Widerstände [‰]
Eanf Anfahrenergie [kWh]
sanf Länge der Anfahrstrecke [m]

Zugförderenergie

Eanf (
= (Q0 + QL )  w m  ws + wb + w p 
, 1
1000
)
 sanf 
1
3600
55
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Beschleunigung

„Beschleunigung in der Fahrt


v1  0 Zugkraft abhängig vom Zugkraftdiagramm (ZR oder ZN)“

Z  (Q0 + QL )  (w0  ws + wb + w p )
1
1000
ZR Reibungszugkraft [kN]
Q0 Waggongewicht [kN]
QL Lokgewicht [kN]
w(i) Widerstände [‰]
Ebeschl Beschleunigungsenergie [kWh]
sbeschl Länge der Beschleunigungsstrecke [m]

Zugförderenergie

= (Q0 + QL )  (w0  ws + wb + w p )
1 1
Ebeschl  sbeschl 
1000 3600
56
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Beschleunigung

Zeit
• Abhängig von der Beschleunigung

t anf ,beschl =
(v2 − v1 ) tanf, beschl Anfahrzeit [s]

aanf ,beschl v1, v2 Geschwindigkeit [m/s]


aanf, beschl Anfahrbeschleunigung [m/s²]

Strecke
• Abhängig von der Beschleunigung

sanf ,beschl =
(v 2
2
− v1
2
) sanf, beschl Anfahrstrecke [m]
v1, v2 Geschwindigkeit [m/s]
2  aanf ,beschl aanf, beschl Anfahrbeschleunigung [m/s²]

57
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Beharrung

„Zug muss eine konstante Geschwindigkeit fahren können,


v1 = v2 Zugkraft abhängig vom Zugkraftdiagramm (Z oder Z )“
R N

Z  (Q0 + QL )  (w0  ws + wb ) 
1
1000
Z Zugkraft [kN]
Q0 Waggongewicht [kN]
QL Lokgewicht [kN]
w(i) Widerstände [‰]
Econst Fahrenergie [kWh]
sconst Länge der Strecke mit konstanter Geschwindigkeit [m]

Zugförderenergie

= (Q0 + QL )  (w0  ws + wb ) 
1 1
Econst  sconst 
1000 3600
58
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Beharrung

Fahrzeit
• Abhängig von der Geschwindigkeit

sconst
=
tconst Fahrzeit [s]
tconst sconst Länge der Strecke mit
vconst konstanter Geschwindigkeit [m]
vconst Fahrgeschwindigkeit [m/s]
Fahrstrecke
• Abhängig von der Geschwindigkeit

sconst = vconst  tconst

59
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Auslaufen

„Zug wird nicht beschleunigt und nicht gebremst“


v1  v2
Berechnung der Auslauflänge über die Widerstände

(v2 − v1 )  
2 2 sbr Bremsweg [m]

sausl =
2  g  (w0  ws + wb )
v² Zuggeschwindigkeit [m/s]
ρ Massefaktor [-]
g Erdbeschleunigung [m/s²]
w(i) Widerstände [‰]

(v - v )
2 2 aausl Verzögerung [m/s²]
aausl = 2 1
2 × sausl
sausl Fahrstrecke [s]

60
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bremsen

„Zug wird verlangsamt oder vollkommen zum


v2 = 0 v2  0 Stillstand gebracht“
Bremsung
• Bremswegsicherheit – rechtzeitiges Anhalten vor einem Gefahrenpunkt
v

Vorsignal Hauptsignal Gefahrenpunkt

• Phasen der Bremsung


• Reaktionsphase
• Ansprechphase
• Schwellphase
• Vollwirkphase
61
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bremsen

Bremswegberechnung über die Widerstände

sbr Bremsweg [m]


(v2 − v1 )  
2 2
sbr = v2, 1 Zuggeschwindigkeit [m/s]

2  g  (w0  ws + wb + wbr ) ρ Massefaktor [-]


g Erdbeschleunigung [m/s²]
w(i) Widerstände [‰]

Bremswegberechnung über die Bremsverzögerung

(v22 - v12 ) sbr Bremsweg [m]


sbr = v2, 1 Zuggeschwindigkeit [m/s]
2 × abr abr Bremsverzögerung [m/s²]

62
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021
Bremsen

„Rekuperation - Rückgewinnung der Bremsenergie über die Arbeit“

• Bremsenergie wird bei elektrischer Traktion teilweise zurückgewonnen

Ebr = n  (Q0 + QL )  (w0  ws + wb ) 


1 1
 si 
1000 3600
Ebr Bremsenergie [kWh]
n Faktor für die Rekuperation
Q0 Waggongewicht [kN]
QL Lokgewicht [kN]
w(i) Widerstände [‰]
si Bremsweglänge [m]

63
LVA 230.033 - VO Eisenbahnwesen - Fahrdynamik - 09.03.2021

Das könnte Ihnen auch gefallen