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J.D.

Sauerländers Verlag

DIE DREI KOSMOLOGISCHEN SYSTEME IM ZWEITEN BUCH VON CICEROS SCHRIFT ÜBER DAS
WESEN DER GÖTTER
Author(s): Philipp Finger
Source: Rheinisches Museum für Philologie, Neue Folge, 80. Bd., 2. H. (1931), pp. 151-200
Published by: J.D. Sauerländers Verlag
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DIE DREI KOSMOLOGI8CHEN SYSTEM E
IM ZWEITEN BUCH VON CICEROS SCI 1RIFT
ÜBER DAS WESEN DER GOTTER

1. Die drei Quellen Ciceros.


In Ciceros zweitem Buch seiner Schrift de natura
deorum zeigen sicli deutiich die Umrisse von drei kosmo
logischen Systemen. Das erste, am deutlichsten sichtbare und
desiialb von der heutigen Quellenkritik auch allgeinein aner
kannte System ist das des Posidonius. Wenn er auch den
ganzen Kosmos und den Himmel (= Äther) fiir Giitter halt, so
ist doch der eigeiitliche Triiger aller geistig-sittlichen sowie
aller vitalen und motorischen Funktionen der Äther. Weil
dieser alien anderen Elementen überlegen ist, ergibt sich fiir
Posidonius die
periodische Auflösung der Welt im Äther.
Dagegen gibt es für Panätius, den zweiten der von Cicero
benutzten Quellenschriftsteller, keinen Prinzipat irgend eines
Elementes. Er lehrt den ewigen Kreislauf der Elemente und
die Welt ist für ihn ewig. Er bringt den Pantheismus trotz
seiner Abweichung von der Stoa in der Frage der Ewigkeit
der Welt oder vielleicht gerade wegen dieser Abweichung
zum reinsten Ausdruck. Götter sind für ihn der Kosmos
selbst, sowie der Sterne, dagegen kennt er keinen
das Heer
Äthergott. Diesen beiden stoisch-pantheistisclien Systemen
stellt sich das des Antiochus zur Seite. Gott ist fiir ihn ein
geistiges Wesen, das vielleicht nicht ganz immateriell ge
dacht ist (Ac. post. I 24 ncque vim sine aliqiia materia), aber
es ist an keines der vier uns bekannten Elemente gobunden.
Er ist der Weltbaumeister, der iin Anfang die chaotische
Materie zu einem Kosmos gestaltet hat. Die zwar nicht selbst
vernunftbegabte, aber mit göttlichcr Vernunft gescliaflfene
Weltordnung wirkt nun fort in alle Ewigkeit. Gott wohnt
in dem von ihm mit besonderer Kunst geschafVenen llinimel,
aber er ist dem Auge des Menschen nicht sichtbar (de nat.
deor. II17 etiamsi dominion non vidcas). Gerade daraus aber
ergibt sich, dass Kosmos und Sterne fiir Antiochus keine

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I'll. Finger

(1 Otter sind, so gcflissentlicli Cicero audi diese Lebre zu ver


bergen sueht.
Iti den Krürterungcn der heutigen Quellenkritik ist noch
niclit einmal der griissto Kehler, dass K. Reinhardt (in seinen
beiden Biichern ,Poseidoniosl und ,Kosmos und Sympathie')
das System des Panätius, andererseits J.Heinemann (in seinem
Wcrke ,1'oseidonios' metapliysische Schriften' I und II) das
System ties Antiochus niclit erkannt hat. Viel sclilimmer
sind die daraus entstchendcn Verzerrungen der Lehren der

von Cicero benutzten


Philosophen. einige Beispiele. Dafiir
Ileide tragen kein Bedenken, Lehren, die den Zu
Erkliirer
sat.z in otnni actcrnilotr. entlialten1), einen Zusatz, der sich
iiberall dort. fmdet, wo die Lehre des l'osidonius niclit vor
liegt, dem l'osidonius zuzuweisen, der docli niclit an die
Ewigkeit der Welt geglaubt bat. lleinemann behauptet
(z. 1>. II S. 201), fur Paniitius seien die Sterne keine Lebe
wesen. Audi schreibt er ilnn die Lebre von einer lediglich
pflanzenartig wirksamen Pbysis des Kosmos zu (II S. 203)
oder spricbt (II S. 217) von der das Noetische ausschliessen
den Pbysis des Panätius. Wie er zu dieser unrichtigen Auf
fassung kommt, ist leicbt einzuseben. Er gebt an die Kos
mologie des Panätius mit dem Eindruck beran, den er aus
Ciceros von der Stellung unseres Philosopben
Pflicbtenlebre
zur Religion gewonnen bat. Aber so sebr Heinemann aucb
das (lewicbt der Worte dcos placatos pielas cfficiet et sanc
tilus (de off. II § 11) abzusclnvilchen sucbt (II S. 12 IT.), so kann
er docli niclit in Abrede stellen, dass sie Cicero aus Paniitius
entnommen bat, tind die Analyse von do nat. deor. II wird
uns den L5e\veis liefern, dass Panätius an einen persönlichen
(!ott geglaubt bat.
Bcvor icb an die Analyse des 2. Buches der Schrift
Ciceros berangehc, sei zur vorliiufigen Orientierung auf einige
wesentlicbe Tats.acben hingexviesen. Wo Cicero die Ätber
lelirc des l'osidonius darlegt, lesen .wir § 32 den wichtigen
Satz: ex vuindi ardorc mõtus oinn is oritur (alle Bewegung
im Kosmos gebt vom Atlier aus). Diese Lehre wird nun an
einer Stellc stillscbweigend beiseite geschoben (§44 ncc vcro
din potest ri tpmdam maiorc fieri, nt contra natnrani aslru

movcnntur; quae enim potest maior esse?). An einer zweiten

') 7.. 15. § r>4 (Uoinliarilt, K. it. S. S. 74 f.; Heincmnnn II S. 180 f.

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Die drei kosmol. Systeme in Ciceros Sclirift iib. tl. Wesen il. Göttor 153

Stelle wird sie often bekämpft ($ 54 non est enim aethe.ris


ea natura, ut vi sua stellas compi ex a contorqucat). Betrachten
wir zunächst die erste der von Posidonius :ib\veichenden
Stellen. Sie umfasst § 43 (von ordo anion sidcrum an) nnd 44.
Reinhardt (K. u. S. S. 81 flf. und Posidonius S. 230 f.) spricht
dieser Stelle jeden inneren Zusammenliang ab und halt sie
fiir Fliekwerk aus einer doxographischen Quelle. In Wirklich
keit treten gerade hier wesentliche Teile eines selbständigen
kosmologischen Gebiiudes zu Tage; es ist das des Paniitius.
Es unterscheidet sich von der gemeinstoisclicn und audi
posidonischen Lehre 1. durch die Leugnung der Vorrang
stellung des Athers, die sich aus der Ablehnung einer den
Sternen iiberiegenen Kraft ergibt, 2. (lurch die Lehre von
der Ewigkeit der Welt (§ 43 ordo uulem sidcrum atquc in
oinni aetcrnitate constantia)1). Natiirlich handelt es sich
hier nicht um die Lehre des Paniitius vom Ivosmos, sondern
um die Lehre von den Sternen. Zu dem ersten Punkt sei
bemerkt:Nach Heinemann (II S.200 f.) hat fiir Panätius koin
Elementeinen Vorzug vor den anderen. Das ist ganz richtig.
Wenn nun aber der Ather keine grössere Kraft besitzt als
Luft, Wasser und Erde, so sind die Sterne fiir den Urheber
dieser Lehre tatsächlich unabhängig; denn niemand könnte
behaupten wollen, Luft, Wasser oder Erde seien den Sternen

an Kraft iiberlegen; ebensowenig aber dann der diesen Ele


menten gleichwertige Ather. Heinemann hatte also auch an
unserer Stelledie Lehre des Paniitius erkennen miissen; er
kann dies aber nicht (vgl. II S. 180), weil er in folgenschwerer
Verkennung des wirklichen Sachverhalts dem Paniitius die
Leugnung der Gottnatur der Gestirne zuschreibt (II S. 203),
die § 43 f. gelehrt wird. Reinhardt kann die Sachlage nicht
durchschauen, weil er, wenn auch nicht mit Bezug auf diese

Stelle, wohl aber im liinblick auf de nat. deor. II f),r) die


Lehre von der Selbständigkcit des Stcrnenlaufs dem Posi

donius zuschreibt (K. und S. S. 74 f.), oline sich durch den


wie ein unnahbarer Fels aufragenden Satz des Posidonius
ex mundi ardore motus omnis oritur irgendwie irre machen
zu lassen. Er sagt: .Innerhalb des Athers haben selbst

die Fixsterne, geschweige denn die Wandelsterne ihre


freie, eigene Beweglichkeit.' Das kftnn unmöglich die

') Diog. Lj. VII 142 (JTavainoc utpftaQiov untyip'aio xov Hootiov.

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154 Pii. Finger

Leltre des Posidonius sein. Denn selbst wenn man annimmt,


dass den Sternen nur bei ilirer Geburt aus dem Ather der
Antriob zu ilirer Bewegung vom Äther mitgeteilt worden sei,
ist ihre Bewegung unfrei und
unselbständig. Cicero sagt
aber 42 (c. 15 und c. 16 | bis nihil fortuitum] geht auf
1'osidoniuszuriick) ausdrücklich, dass die Einwirkung des
Äthers auf die Gestirne dauernd ist: sidera autem aethcrium
locum oblinent; qui quoniam tcnuissimus est et semper agi
tata r ct vignl. iir.cessn est, quod animal in eo gignatur,
id ct sensu acerrimo el mobilitate cclerrinia esse. Wenn
die Sterne schnellste
die Bewegung und Bowegliclikeit be
sitzen, weil der Ätlier andauernde Hewegung und Regsamkeit
besitzt, so ist das eben ein Bewcis fiir die Annalnne einer
dauernden Einwirkung des Äthers auf die Sterne. Die Lehre
von der Sclbstiindigkeit des Sternenlaufs kann also nicht aus
Posidonius stammen. I)as wird bestätigt durch Tusc. V 69,
wo Posidonius Ciceros Vorlage bildet: sidcraque viderit in
numerabilia caelo (fiir Posidonius = aether; de nat. deor. II 101
caclicomplexus, qui. idem aether rocatur) inhaercntia cum
eius molu congruere ccrlis injixa scdibus. Auch hier
stimmt fiir Posidonius wie de nat. deor. II42 die Bewegung
der Fixsterne mit der des Äthers überein, ist also von ihm
abliängig. Zugleich erlialten wir durch unsere Tuskulanen
stelle die Antwort auf cine Frage, die sich auf Grund von
de nat. deor. II 42 niclit klar beantworten lässt. Die Fix
sterne sitzen fiir Posidonius an bestimmten Stellen im Ather
fest (certis injixa sedibus); de nat. deor. II 42 heisst es weniger
klar: sidera aethcrium locum obtincnt. Wenn Ciceros Vor
lage an bciden Steilen Posidonius war, so versteht es sich

von selbst, dass auch liier das Festsitzen der Fixsterne ge


meint ist. Was bedcutet aber das inhaerere zum Unterschied
von injirum esse:' Oflfenbar ganz allgemein ,darin befindlich
sein'; es bezeichnet also eine allgenieine Ortsbestimmung zum

Unterschied von der besonderen des inftxtim esse. Nun ver

gleiclie man unsere Tuskulanenstelle und de nat. deor. II 54,


wo es heisst: nee habent aelherios cursus ncque caelo inhae

renlcs (das injixa certis locis wird hier nicht bestritten!)...


non est aether is ea nat ura, ut vi sua slellas complcxa eontor

qucat. Das ist doch — abgesehen von dem Festsitzen — das


genaue Gegenteil von dem, was an der Tuskulanenstelle und
auch de nat. deor. 11 42 im Anschluss an Posidonius gelehrt wird:

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Die drei kosmol. Systeme iti Ciceros Schrift iib. d. Wosen d. Güttor 155

Tusc. V 69 (Posidonius): de nat. deor. II 54 (Gegner des


Posidonius):
sideraquevideritcumeius{caeli nee hubent aetherios cursus.
= aetheris) motn congrtiere.
caclo inhaerentia. neqiic caclo inhaercntes.
Während Posidonius liacli de nat. deor. II 42 sagt: I)er
Ather verleiht wegen seiner grossen Kraft den Sterne»

die grösste Gescliwindigkeit, sagt sein Gegner do nat. deor.


II 54: Der Äther ist zu scliwach, als dass er die Gestirne
herumschwingen könnte. Warum bekämpft aber der Gegner
nicht die posidonische Lehre voin Festsitzen der Fixsterne?
Es liegt sehr nahe zu vermuten, dass er eben sellist darau

hat, und tatsächlich diirfen wir, wie sicii später


geglaubt
ergeben wird, dem Gegner des Posidonius, der bier in Be
tracht koninit, diese Lehre zuschrciben. Es diirfte also fest
steben, dass lieinhardts Auffassung') dem wirklichen Sach
verhalt nicht entspricht und dass § 44 f. nicht aus Posidonius
stammen kann. Was wir in bezug auf die kosmologische
Seite festgestellt haben, gilt aber auch fur die theologische
Seite. Auch die bier zum Ausdruck gebrachte Theologic ist
nicht die des Posidonius. 1st denn liier den St.ernen über
haupt göttliches Wesen zugesprochen? Man iiberlege cinmai
genau, ob das, was hier fiber die Gottnatur der Sterne stebt,
nicht nacli dem Muster des Orakelspruches gearbeitet ist,
Aio te, Aeacida, liomanos vineere posse! Wir lesen da: Hane
igilttr in stellis eonstanliam, hane tuntam tain variis cursibus
in omni aetcrnitate convenientiam tempornm no» possum
inlellegere sine mente, ratione, consilio. Quae cum in
sideribus inesse videatnns, non possinims e, <t ipsa non in

deorum nunwro rcponcrv. Wie zwcideiitig ist. das ausgcdriickt!


Ileinhardt bezieht
ca ipsa uubedcnklich auf sideribus. Ich
will nicht bestreiten, dass das müglich ist. Aber niit dem
selben und vielleicht mit nocli mehr ltecbl kann man es auf

quae be/.iehen; denn das ipsa verstiirkt die Beziehung des

eu auf sein zugebörigbs Ilelativ quae, und dieses wieder be

zieht sich auf mens, ratio, consilium. Dann sind aber mens,

l) Audi stimmt lteinhardt,


lieincinann wonigstons in bezug auf

§ 51—56, (II S. 180 f.)- Von dor Planoteiilisto


bei gill, wio wir noch
selion wordon, das nilmliclie wio von § 54 f.; denn sio liiingt aufs ongsto
mit dom Folgondon znsammen. Posidonius kann ais Urliobor nielit in
Betraclit komiuen.

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Ph. Fingor

ritlio, consilium die Gottheiten und nicht die Gestirne. Und


gleich daranf lieisst es: habent igilur suam sphaeram stcllac
inrrrantes ah aetheria coniunctione secret am et liberal». Earuni
diilcni jicrennes cursns atijne perpetni cum admiruhili incre
ilibilique constantia declarant in his vim ct men/cm esse
thai nam, nl, haec ipsa, qui non sentiat deornm vim

habere, is nihil omnino sensurus esse videatur. Hier


liegt
dieselbc Zweideutigkeit vor; cs scheint wirklich die Sprache
da/.u da zu sein, den Gedanken zu verbergen. Wieder ver

st iirkt er das haec durch ipsa, uni die Beziehung auf das
unmittelbar Vorausgehende nocli mehr hervorzuheben. Es

gelit aber unmittelbar vorher: vis et metis divina. Also kann


»nan berauslesen: Die göttliclie Kraft und der göttliche Geist
sind die (lottheiten'), wie oben mens, ratio, consilium. Warujn
driickt sich Cicero so zweideutig aus? Weil er etwas ver
bergen will, etwas, was er nicht unverblümt sagen will oder
kann. Aber gerade die Zweideutigkeit, die schon eigentlich
keine solche nielir ist, bewcist, dass Cicero hier einem Autor
folgt, der in Wahrheit die Gottnatur der Gestirne geleugnet
hat. Es ist der nämliche Autor, der nach de nat. door. II
S 17 (etiamsi dominion noil videas) die Unsichtbarkeit Gottes
gclchrt hat. I)ann können aber weder die Gestirne, die doch
sichtbar sind, noch der siclitbare Kosmos Gottheiten sein,
sondcrn nur der Geist, der in den Gestirnen verborgen wohnt

(vgI. audi £ 90 messe aliquem non solum habitatorem in hac


caelesti ac divina domo, sed eliam rectorem et moderatorem
et lamquam ar elli tectum tanti operis tantique muneris; und
dazu wicder vgl. J;80: ex iis enim naturis, quae erant, quod
ej'jici optimum potuit, effectnm est). Fiir diesen Autor ist die
Sternenwelt genau nach detn Wortlaut § 90 nur die Woh

nuug; die Sterne sind keine Lebcwesen. Aber diese Lehre


ist. im allgemeinen durcli alio müglichen Mittel und auch
Mittelchen versteckt, nur zuweilen kommt die eigenlliche
Meinung blit/.artig oder wie der Mond hinter voriiberjagenden
Wolken zum Vorschein. Wer ist der Autor? Es ist der näm
liche, dem folgend Cicero de div. I 79 sagt: qui (dei) ipsi sc
nobis non offerunt, vim an/cm suam lomje latcqnc diffundunt.
Es ist, wie ich Ithein. Mus. Bd. 78 S. 396 nachgewiesen liabe,
Antiochus.

') \ gl. J1ncli hacc ipsa, (las zu stcllae an und ftlr sich nicht rcclit
pnssrn will.

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Die drei kosinol. Systeine iu Ciceros Sclirift iib. (1. Woseii (l. Gütter 157

Hier ist denn nun auch der Ort, auf meine oben aus
gesprochene Vermutung zurückzukommen, dass der Autor,
dem Cicero § 54 f. folgt, selbst an das Festsitzen der Fix
sterne geglaubt hat und (lass er aus diesein Grande den

Posidonins in diesem Punkte


bekämpft. 'I'usc. I 62 niclit
heisst es von den Fixsternen:
quae sunt mjixa certis locis.
Nun schöpft aber Cicero hier') aus Antiochus, wie auch de
nat. deor. II 54 f. Es liegt also auch an der letzteren Stelle
die Anschauung zugrunde: Die Fixsterne sitzen an bestimmten
Plätzen fest. UerSatz: Habent igilur snam yphaeram stiilne
inerrantes ab aetheria coniunctionc secrctnm ct libcram kann
also nur so gedeutet werden: Die Fixsterne habeii ilire eigene,
von der Verbindung mit dem
Athor gelöste und von ihin
miabhiingige Fixsternsphilre (in dicser sitzen sie nach 'I'usc.
I 62 fest). Fassen wir das aus § 54 f. gewonnene Itesultat
zusammen. Hier wird die posidonische Atherlehre verworfen,
und das ciceronische Orakel besagt in Wirklichkeit: Die Sterne
sind keine Lebewesen; und ais weiterer Gegensatz zu Posi
donius steht hier die Lehre: Die Welt ist ewig. Wie unter
scheidet sich nun diese Lehre des Antiochus von der des
PanätiusV Wenn auch beide die liwigkeit der Welt behaupten
und die Atherlehre verwerfen, so besteht zwischen beiden
docli ein wesentlicher Gegensatz. Panätius ist nach $ 43 (von
or do autem siderum an) und 44 trotz der Verwerfung der
Athertheorie Pantheist, Antiochus dagegen bekcnnt sich zu
dem Dualismus zwischen Geist und iMaterie. Mit der Fest
stellung, dass die Lehre des Antiochus § 04 f. vorliegt, ist
nun aber auch die I1'rage nach dem Urheber der I'laileten

liste § 51—53 beantxvortet; denn wegen des engen Zusammen

hangs dieser Liste mit dem Folgenden muss auch sio aus
Antiochus stammen. Posidonius kann auf Grund dessen, was

ich oben gesagt babe, nicht melir in lietracht koinmen2). Meine


Ansicht wird bestätigt durcli llehm (L'auly-Wissowa lid. 11.

686 [Kleomedes]): ,Ein Uberblick iiber die Gesamthcit der


Zeugen, die wir fiir Posidonius haben, ergibt, dass iminer
dann, wenn cs darauf ankomint, die voile Siebenerreihe zu

') Nur dor § 27—52


Absclmitt stumint :uis Positioning, wio icli

Philologus I5d. 84
H. 3 S. 347 f. nacligowicscn liabu.

') Wie Koinhardt und Hcincinann (II S. 180) iiiinint nticli Hultscli
Bd.II 1859,23) irrtiimlich einon Stoiker ala Urliober
(Pauly-Wissowa
der Liste an und donkt an Posidonius.

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Ph. Finger

geben, Merkur der unterste der fünf Planeten ira engeren


Sinne ist.' Auch auf Paniitius kann die Liste nicht zuriick
gehen; dcnn oftenbar ist der Urhebcr kein Pantheist. Rein
liardt ist deshalb im Uecht, wenn er, natiirlich aus einem
andercn Grande, Paniitius ablehnt1) (K. u. S. S. 131). Zweifel
los spricht die lleihenfolge: (Frde) — Venus — Merkur fiir einen
Anhänger des sogenannten ägyptischen Planetensystems. Und
wie steht es mit der Frage nach der heliozentrischen oder
der geozentrischen Bewegung von Venus und Merkur? Cicero
sagt: 1. Merkur und Venus liaben
gleiche Umlaufszeit die
wie die Sonne, 2. sie stehen immer in der Nähe der Sonne
(Merkur entfernt sich nie mehr als 30° | = I Tierkreiszeichen],
Venus nie melir als GO0), 3. beide folgen der Sonne bald
nach, bald gehen sie ihr voraus. I)azu kommt noch de nat.
deor. II 119, wo es heisst (im Sinne des Antiochus): infra
Martem duac Soli obocdiunt, d. h. Venus und Merkur ge
horchen der Sonne. Was wir oben
in bezug auf die theo
logische Seite festgestcllt liaben, gilt auch hier; Cicero lässt
den Leser absichtlich im unklaren, er driickt sich zweideutig
aus, so dass man die heliozentrische wie die geozentrische
Hewcgung von Venus und Merkur herauslesen kann. Mein
Beweis, dass § 54 f. aus Antiochus genommen ist, lost auch
in bezug auf die Planetenliste alle Schwierigkeiten. Nach
Hultsch (a. a. 0., I860, 23) war das ,agyptische' System in
den llauptziigen schon von dent Platoniker Herakleides ent
worfen, während die Stoa ihr System im Gegensatz zu Hera
kleides aufbaute und das sogenannte babylonische System
iihernahm. Da Antiochus in der Ilauptsache Akademiker ist,
kann es nicht wunderiiclimen, wenn er sich zu dem ägypti
schen System bekannte, das sich von dem babylonisch-stoischen
in der Ueihenfolge der Planeten Venus und Merkur, sowie

durc.li di« Annalunc der heliozentrischen ISewegung diesor

heitlen Planeten unterschied. Wenn also Antiochus fiir den


Abschnitt 51—55 Ciceros
war, so muss die Frage:
Vorlage
heliozentrisch ? oder geozentrisch ? in dem Sinne beantwortet
werden: Es kann in Ciceros Vorlage nur die Lehre von der
heliozentrischen Bewegung jener beiden Planeten gestanden
liaben.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass unserem zweiten


I3uch drei verschiedene Systeme zugrunde liegen miissen, als

') Audi Psiniitins bekcnnt sirli zur stoisch-orthodoxen Planetonlisto.

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Die drei kosmol. Systeme in Ciceros Sclirift iib. d. Wesen d. Gutter 159

deren Vertreter Panätius, Posidonius und Antiochus zu be


trachten sind. Wir sind mit einigen charakteristischen Ziigen
dieser Vorlagen bekannt geworden. Eine eingehende Analyse
wird uns weitere Einblicke in das Wesen und in den Aufbau
derselben gewiihren.

2. Die drei Lehren vom Kosmos


(§ 29 bis c. 14 Sclilnss).
1. § 29—30 (natura divitia contineri) . . Antiochus.
2. § 30 (von atquc etiam mundi an bis
32 animantem esse muudum) . . Posidonius.
3. § 32 (von atque ex hoc quoquc an) . . Panätius.
4. § 33 und 34 Antiochus.
5. § 35 und 36 Panätius.
6. § 37—39 (et proplerea deus) Posidonius.

A. Antiochus (erstcr und vierter Abschnitt).


Zum ersten Abschnitt ist zu bemerken: Die Natur, die
den Kosmos zusarnmenhält
schiitzt, und ist ein vernunft
begabtes Lebewesen
(non sine scnsu atquc ratione). Von eincr
Bindung an einen Stoff ist nicht die Hede, und darin bestelit
denn aucli der wesentliche und klar erkennbare Unterschied
von Posidonius und Panätius; jener wiirde von dem ardor
mündi sprechen, dieser von der univcrsa natura, wie dies
in den beiden Abschnitten aus Panätius geschieht (§ 32 sic
mundum universum pluris esse necessc ent; § 35 univer
sum autem naturam nulla res potest impcdire). Be/.eichnend
ist auch, dass ais Beispiele für Naturen, die ein Iicgenionikon
besitzen, nur solche aus der organischen Natur gebracht
werden: der Mensch, das Tier und die PHanzen. Posidonius
und Panätius hätten nicht ge/.iigert, auch der anorgnnischeii
Natur ein llegemonikon zu/.uschreibon; denn nacli ^ 71 gclit
ein Hegemonikon (deus) auch durch die Erde und das Meer
(vgl. auch per naturam cuiusque rei). Ini iibrigen liegt iin
ersten Abschnitt aus Antiochus wieder eine Blütenlese von
zweideutigen Begrifi'en vor. 1st das neque simplex in dualisti
schem Sinne zu verstehon oder nicht? Wie ist das illud
etiam, in
quo sit totius naturae principatus, esse omnium
optimum aufzufassen? Da soil doch wohl der Leser nach Ciceros
Absicht den Eindruck gewinnen, als handle es sich urn den

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Hid I'll. Fingor

Kosmos ais Lebewesen, entsprechend der Auffassung des


Zeno (§ 21) mid des Panätius (§32 und 36). Aber wieso sollte
der Kosmos notwcndig ein Lebewesen sein, weil das Ilege
monikon das vorziiglichste von alien Dingen ist? Der Beweis
dafür ware ja nicht einmal versuchfc. Es ist in Wirklichkeit
die mit Sinnen und Geist begabte Natur gemeint, die den
Kosmos zusammenhält und die, eben weil ihr keine materielle
Eigenscliaft beigelegt wird, als ein rein geistiges Wesen ge
dacht ist1). Es ist die natura senti ens des Antiochus (§ 85
und Ac. post. I 28 f.). Das Gan/.c ist also in diialistiscliem
Siune zu verstehen, und es liegt liier die den Pantheismus
verworfcndo Lelue des Antiochus vor, wie sie dann weiterhin
iin vicrtcn Absclmitt. dargclegt ist.
Was bcdeutet in diesem die starke Betonung der primae
inchmtaeqne. naturaeV Wie wir selien werden, beginnen ja
auch Posidonius und 1'anätius bei Aufzählung der einzelnen
Naturstufen mit der nntersten Stufe der oiganisclien Natur,
(l(;r 1'llanzenwelt. Aber Gicero spricbt iin Anschluss an sie
nicht von primae und inchoalac naturae. Und niit gutem
(1 tutid! Denn tiir einen Stoiker ist auchdie anorganische
Natur von göttliclier Kraft erfüllt. Posidonius sagt z.l3. (§ 25):
quod primitm in terrain natina, perspici potest; nam et
I apidnm ronjlictn atijur. tritn elici ignem videmus et recenti
fossione trrram fumaie calentem. Gcrade den hier ge
nannten Beispielen fiir die terrena natina (.Stein1 und .Scholle')
werden aber von Antiochus § 82 ais Beispiele fiir seinen
NaturbegrilV ,der Baum' und ,das Tier' entgegengestellt, also
Beispiele aus der oiganisclien Natur. Die anorganische Natur
wird von seinem Naturbegrifl ausgeschlossen. Genau der gleiche
Sachverhalt liegt S 33 vor, wenn die unteren Stufen der or
gatiischen Natur. also 1'tlanzen und Tierc, nachdriicklich ais
primae inchoataeque naturae bezeichnet werden. Die anorga
nische Natur wird zwar durcli Natur —
zusammengehalten
nutma.est. quae omnem miindum contineat §29—, aber sie
ist nacli § 86 ein dem Wesen Gottes fremder Stoff, sie ist
kein Werk Gottes im eigentliclien Sinne, die eigentliche
Schöpfung Gottes beginnt erst mit der organischen Natur,
in der sich nach § 82 Plan und Ordnung, sowic eine gewisse
Kunst kundgebcn. Die ,Natur' steigt nach Antiochus von

') Mit der frttlier gem.aclitcn Einsclirilnkung.

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Die drei kosmol. Systeme iu Cicoros Schrift lib. d. Wesen d. Göttor 161

der Pflanzenwelt über die Tiere und Menschen zur höchsten


Stufe, zu den ,von Natur aus guten und weisen Wesen' empor.
I)en Göttern werden nur geistig-moralische Eigenschaften
beigelegt, von Pantlieismus findet sich keine Spur. Aus der
Stufenfolge sowie aus der relativ vollkominenen Vernunft des
Menschen wird rein logiscli die vierte Stufe, das Dasein von
Wesen mit absolut vollkominener Vernunft, ersclilossen.

Nun hängt aber Cicero sowohl im ersten wie auch im


vierten Abschnitt an, das ein Stiick
vorgetragenen zu der
Lehre nicht ira geringsten passt, eiu Verfahren, das sich nur
durch Ciceros Absicht erklären lässt, die vom stoisclien Pan
theismus abweichende Lehre des Antiochus zu verstecken; er

setzt dieser ein fremdes Fälinchen auf. Der Refrain lautot

jedesmal: der Kosmos ist also Gott. Im ersten Abschnitt lesen


wir (§ 30): quocirca aapientem esse muudum neccssc est,
naturamque eatn, quae res omncs cotnplexa teneat, perfectionc
ralionis exccllere, eoque dettm esse Itmndum. Nun heisst es

aber im fiinften, aus Panätius entnommcneii Abschnitt (§ 3<>)


ganz ähnlich: quid antem est inset tins quant nam n ahtram,

quae omncs res sit complexa, non optimam dici, aut, cum sit
optima, non primum animantem esse, dcinde rationis et con
silii compotem, postremo sapientem? Aber was soli hier
plötzlich und ohne jede Vermittlung die einfache nulttra ?
Der pantheistische Standpunkt ist doch sowohl in dem, was
dieser Stelle vorangeht, als auch in dem, was nachfolgt, sehr
scharf und genau festgehalten (vgl. in omni natura; uni
versum naturam, mundum im vorausgehenden ft} 35 und
36 Anfang]; mundus fortwiihrend wiederholt im folgenden
bis § 36 Schluss). Nun könnte man einwenden: Die natura ist
ja durch die nähere Bestimmung quae omnes res sit com
plexa deutlich als die pantheistische natura des Panätius
gekennzeichnet. Aber da frage ich: Warum heisst es dann
mit genau der gleichen Bestimmung im vorausgehenden (§35):
universum autem naturam nulla res potest impedire, propter
ea quod omnes natutas ipsa cohibet et continct? Warum

hat hier die Universalnatur die nähere Bestimmung universa?


Man sieht, die blosse natura ist hier ebensowenig an ihrein
Platz wie das Anhängsel mundus — aeus § 30. Man mache
einmal den Versuch und vertausche beide Stellen; man wird
dass sofort alles stimmt. Dann mundus — deus
sehen, passt
in den Zusammenhang bei Panätius und die natura, quae omnes
Rliein. Mus. f. Pblloi. N. F. LXXX. 11

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102 I'll. Fingor

res sit complexa ist das antiochische Hegemonikon, von dem


§ 21> f. die Rede ist. Cic.ero liafc also die beiden Stellen ein
fach vertauscht. Die Beifügung von nniversa war § 30 dann
iiberlliissig, weil tnundus danebcn steht. Nun schliesst sich
aber, wie wir noch sehen wcrden, die im § 36 entstebende
Liicke nicht ganz, wenn man bloss das Anhängsei von § 30
einfiigt; es muss aus § 38 noch etwas anderes miteingefügt
werden, damit dcr (iedankengang lückenlos ist. Doch davon
spilter. Im vierten Abschnitt hängt Cicero (§ 34) an den
Beweis, der keine Spur von l'antheismus zeigt, nacli den
Worten deoque trihucnda den pantheistischen Schluss an: id
esi mundo. Audi hier bat Cicero dem Dualisinus eine fremde
Kalme aufgesetzt.
In welcbem Vcrbiiltnis st.eht fiir Antiochus die Vernunft
dcs Menschenzur göttiicben Vernunft? Im ersten Abschnitt1)
werden dem Hegemonikon schiirfere Sinne und grössere Ver
nunft ais dem Menschen zugeschrieben [Haec (sensus et
ralioncm) inesse necesse est, et acri.ora qnidem et tnaiora].
Ebenso wird im vierten Abschnitt die göttliche Vernunft ais
dem Menschen iiberlegen bezeiclinet [quae (ratio recta) supra
hominem p utnud a est deoquc tribueuda]. Wie man sieht, er
geben der erste und der viertc Abschnitt zusammengenommen
cine F-ebre aus einem
Guss, die Lehrc des Antiochus vom
Hegemonikon und vom Kosmos. I)er erste Abschnitt betrachtet
den lvosmos glcichsam von oben her, vom Hegemonikon aus,
und vergleicht dieses mit den Teilen. Der vierte betrachtet
ilin glcichsam von unten her— die Betrachtung steigt hier
iiber die drei unteren Stufen zur bdehsten, nur mit geistig
moralischen Attribnten ausgestatteten Stufe empor. In dem
Fehlen jeder materiellen Bcstimmung des Hegemonikon liegt
der eigentlicho Beweis dafiir, dass es sich hier um die Lebre
des Antiochus bandelt, wie sie Ac. post. I 28 dargelegt ist.
Wir haben uns in beiden Abscbnitten das Hegemonikon zu
denken unter dem IiiIde des Weltbaumeisters, der, wie das
S 86 (von quodsi tnundi partes an) auseinandergesetzt ist, die
seinem Wesen fremde, chaotische Materie zu einem Kosmos

gestaltet hat. Auf den wciten Abstand zwischen dem Hege


monikon und dem Kosmos deuten auch die Ausdriicke: iri

') Hoinam.inn spriclit unsorcn orsten Absclmitt irrtUmlich dem


Posidoniun 7.11 (It, S. 180).

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Dio clrei kosniol. Systomc in Cicoros Schrift iil). tl. Wcson U. Gutter 163

buit, dedit, addid.it (§ 33 f.); gleichsam wio frenido Wesen


werden die unteren Stufen vom Hegemonikon mit Gaben aus
dem eigenen Besitz beschenkt, während der Pantheist von
einem Herausentwickeln der uinzelnen Stufen aus dem Ivosmos

gott selbst spricht.

B. Posidonius (zweiter und seclister Absclinitt).


In dem zweiten Absclinitt
(30 von atquo. cli am mundi an
bis 32 animantem esse munduin) linden sicli Unklarheiten in
bezug anf dio Bedeutung von mundus sowie in bezug anf die

Doppelstellung der obcren Atherwelt, insofeni sie ein beseeltes


Wesen für sich und zugleichdieWeltseele sein soil. Cicero beweist
im Anschluss an Posidonius zuniichst die Beseeltheit der oberen
Atherwelt. Diese (allein) bewegt sich freiwillig (sua spon/e),
selbständig und unabhängig. lleinhardt (K.u.S. S. 90) behanptet
mit Unrecht, das sua sponte sei von Cicero cingcschwärzt. Es
handelt sich nicht lediglich urn eine organischc Bewegungsart.
Er hat eben die Zugehörigkeit des sechsten Absclmittes, wo
von der Vernunft des Kosmos die ltede ist, zum zweiten nicht

erkannt. Cicero
beruft sich § 32 anf Plato: alles, was sich
freiwillig bewegt, muss beseelt sein. Daraus würde ohhe
weiteres folgen, dass die obere Atherwelt, eben weil sie sich
freiwillig bewegt, ein beseeltes Wesen ist. Aher Cicero ver
quickt mit diesem Beweis einen anderen. Er sa«t: quaproj'ter,
quoniam ex mundi ardorc moLus omnis oritur, is
aulem ardor rum ulieno impulsu, sad sua t-ponlc movetur,
animus sit necesse est\ ex quo efficilur animantem esse muudum.
Nun fragc ich: Was hat die Beliauptung ,vom Ather geht
alle Bewegung (im ganzen Kosmos) aus' mit dem zu tun, was

mit Hilfe des platonischen Salzes bewiesen werden soil? Es


wiirde docli für den Nachwcis der Beseeltheit die eigene
selbstiindige Bewegung des Äthers geniigen! Oll'onbar will
Cicero aus der Bcdingtheit aller Bewegung im Kosmos durcli

den Ather (— mundus) nicht nur die Beseeltheit der oberen


Welt erweisen, sondei'n zugleich die Beseeltheit des ganzen
Kosmos (audi wieder = Ciccro versteht, also unter
mundus).
mundus bald die Atherwelt, bald den ganzen Kosmos; elienso

fasst er animus bald ais selbständiges Wesen fiir sich allein,


bald als Weltseele auf.
Posidonius selbst hatte an diesen Beweis nicht unmittel
bar die Lehre von der Weltvernunft angeschlossen, wie es
11*

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I'll. Finger

auf Grnnd dessen, was Cicero von § 29 bis c. 14 Scliluss iiber


don Kosmos sagt, sclieinen könnte. Cicero hat den Nachweis
der Intelligent des Kosmos, die Posidonius von ratio genau
untersclieidet, herausgenonimen und nach § 17 versetzt; aber

davon kann
hier noch niclit gesprochen' werden. Wir gehen
also zum seclisten Absclinitt iiber, in welchem die Lehre des
I'osidonius iiber die Weltvernunft dargelegt ist (§37 bis c. 14
Scliluss). Keinhardt (I S. 227) spricht unseren ganzen Ab
sclinitt dem Posidonius ab, weil er so ganz aus der Beweis
fiihrung des ,1'liysikers' hcrausfalle. Er hat niclit erkannt,
dass hier ein Grund- und Eckpfeiler niclit nur eincs einzelnen
Zweiges der Lclire des I'osidonius steht, sondern seines ge
samten pliilosopliischen Systems. Denn hier ist in wenigen
Sätzen sein ganzes kosmisch-teleologisches System, seine Theo
logie und seine Ethik zusammengefasst. Iieinhardt hat nur
recht in bezug auf § 38 und 39 (bis igitur mtindi est propria,
virtus). Diese Syllogismen haben tatsächlich mit Posidonius
nichts zu tun. Nach § 37 ist der Kosmos allein in alien seinen
Teilcn und Gliedern vollkommen. Der Beweis dafür ist: Alle
Naturstufen weisen auf ein Höheres,
ihnen Liegendes iiber
hin, wegen dessen sie geschaffen sind; sogar der Mensch hat
sein Ziel ausser sich, in der Betrachtung und Nachahmung
des Kosmos. Schliesst man daran den letzten Satz von c. 14
an (von ncc vcro liominis natura perfecta est an), so erhält
man ein abgcrundetes Ganzes, das, wie oben gesagt, die
weitcsten Perspektiven eriiflnet. Der Kosmos allein ist auto
nom. Seine Vernunft ist zwar nicht grosser als die des
Mensclien — davon stcht keine Silbe da —, aber es begegnen
ihr niclit die iiusseren Schwierigkeiten (quanto in mundo
facilius). Der Beweis stiitzt sicli also auf die den Kosmos
durchwaltcnde Teleologie; alles Einzelne in der Welt steht
gewissermassen geneigt und bedarf einer Stiitze, der Kosmos
allein stelit aufrecht und
gerade und bedarf keiner Stiitze.
Ein notwendiges Glied in diesem Beweis ist der Mensch.
Sein Ziel ist die Betrachtung und Nachahmung des Kosmos.
Wenn man nun ctwas nachahmen soli, muss man docli auch
im Prinzip die Möglichkeit haben, das Nachzuahmende zu
erreichen. Deshalb bildet den notwendigen Abschluss dieses
Beweiscs die Lelire von der prinzipiellen Gleichheit der gött
lichen und der menschlichen Tugend. Dagegen wird in dem
Einscliiebsel (§ 38) die Vollkommenheit, die doch sclion § 37

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Die drei kosmol. Systemo in Ciceros Schrift iib. d. Wcson d. Gutter 105

durch die den Kosmos durchwaltende Teleologie bewiesen ist,


noch einmal bewiesen und zwar diesmal dadurch, dass der
Kosmos alles umfasst (quoniam omnia complexus est neqtie
est quiequam, quod non insit in eo). \Vo ist da noch cine
Spur von einer den ganzen Kosmos, durchwaltenden Teleo
logie? Dieser Beweis ist auf einem anderen Boden gewachsen.
Freilich gipfelt auch er in dem Satz: iyitur mundi est propria
virtus. Aber was hat der Menscli mit diesem Beweis zu tun?
Wollte man annehmen, dass der Schlusssatz von c. 14 in Ciceros
Vorlage mit dem unmittelbar Vorausgchenden verbunden war,
so ware die Einbeziehung des Menschen und der Vergleich
der göttlichen und der menschlichen Tugend in diesem Beweis
ganz unvermittelt und unmotiviert. Man muss auf § 37 zu
riickgehen, um einen vernünftigen Zusammenhang herzustellen.
Aber nun nehme man einmal an, hinter dem Schlusssatz des
Einschiebsels (igilur mundi est propria virtus) ware in der
Vorlage sinngemäss zu lesen gewesen: quocirea sapientcm esse

mundum necesse est, naturamque earn, quae res omncs

complexa teneat, perfeclione rationis excellcre, coque dcum

esse mundum omnemque vim mundi natura divina contineri.


Wir wissen: das ist das aus § 36 licrausgenonimene Anhiingsel
von § 30. Liest man § 38 mit dieser l'ortsetzung, so sieht
man auf den ersten Blick, dass dies der einzig richtige Ab
schluss des Beweises ist. Hier ist wieder Bezug genommen
auf den Kosmos, der alles andere umfasst — und darauf
stiitzt sich ja der ganzc Beweis. Auf der Leiter perfectus —
— mente, ratione, virtute praeditus — steigen wir jetzt
optimus
empor zu sapiens und deus. Fügen wir jetzt das Einschiebsel
von § 38 mit dem Anhängsel von § 30 in die Liicke von § 36
ein, so schliesst sich diese jetzt ganz und wir haben dort den
auf Gottes Macht und ethische Vollkommenheit gegriindeten
Beweis dafür, dass der Kosmos ein mit Vernunft, Tugend
und Weisheit begabter Gott ist — den Beweis des Paniitius.
Nachdem wir so das Erz von seinen Schlacken befreit
haben, wollen wir die.Natur dieses Erzes genauer feststellen.

Nun weist aber auf Posidonius gebieterisch sclion dio Ein


leitung des Abschnittes hin. Cicero sagt hier: neque est
quiequam aliud praeter mundum, cui nihil absit. Nun ist
aber der Satz, dass dem Kosmos nichts fehlt, der zweite
Hauptpunkt der aus Posidonius genommenen Disposition der
Abhandlung iiber die Weltregierung (vgl. § 58) gewesen, wie

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1 (Hi I'll. Fin go r

lleinhardt selbst annimmt: Deinde re egeat. lit nulla


W.irum soil dann das gleiche Argument § 37 nicht aus Posi
donius stammen? Fcrnor begegnen wir in diesem Abschnitt
der Telosformel des l'osidonius: homo or/us est ad muudum
con tempi nudum et imilandnm. Die Ilomologie ist in dicser
Fassung von keinein anderen Stoikcr gefordert worden').
Niinint man diese Telosformel lieraus, dann stürzt der ganze
15cweis wie ein iinterminiertes Gebäude zusammen. Und mit
dicser Telosformel hiingt wieder aufs engste zusammen die
(wenn aueh durch das J'acilius etwas verschleierte) Lehre von
der Clleicblieit der güttlichen und der menschlichen Tugend2).
Denn die Fordcrung der denkenden Betrachtung,
wozu wenn
sic das Wcsen (iottes nie erl'assen, wozu die Forderung der
Nacbalimimg, wenn sic ihr Vorbild — natiirlich nur in ethi
schcr Ilinsicht — nic crreichen kann? Die Aufstcllung von

Sittengcsctzen hat, wic z. 13. die Lehre von Kant zeigt, nur
einen Wert, wenn sie audi erfiillt werden können. Gerade in
unscrer Fragc untcrscbcidet sich l'osidonius von Antiocbus
tind l'aniit.ius, die beide eine Überlegenheit der güttlichen
Vernunft iiber die menschliche annehmen. Abcr Taniitius
fasst das Wesen der Seele ganz anders auf ais l'osidonius,
was sicb schon aus der Leugnung der Unsterblichkeit ergibt,
und Antioclius ist noch weniger ais jener ein echter Stoiker.
/weifellos stainmt unser Abschnitt aus l'osidonius; er bildet
die notwendigo Ergiinzung zuin ersten Abschnitt, in welchem
der Kosmos ais Lebewesen erwiesen wird; denn er zeigt, dass
dieses I.cbcwesen ein niit Tugend und Wcisheit begabtes,
göttliches Wesen ist. Oder wilrc (las noch dio Lehre des
l'osidonius voni Kosmos, wenn man diesen Abschnitt weg
nimmt V

Dor Anliang:
') nulla in odo pur feet us, sed est quae,dam par
t.icula perfecti driickt, wio boi Clom. Al. Rtroin. IL 4!I7, das xatu ti>
livraiiir, oino gowisso ICinscliritiikung aus. VVonn l>ei Cicero niclit. wio
<lort :wf oinen unvcrniinftigon Kcclcntoil (bzw. Soolenkritfto) Itingewiosen
ist. so lag in diosotn Zusainrnctihang gowiss audi kein Grnnd dazu vor.
Dor wosi'iitliolio Bcstandtoil (lor posidonisclion Tolosfonncl int dio
Kordorung dor Itotraclitung und Naolialummg dos Kosmos, und dicsen

JTauptbostnndtcil lindon wir audi Tusc. V 70: ea cogitatio dc vi ct


uatura deornm studium ivcendil illitts aetcrnitatem imitandi.

J) Im Anfang von § 7i) wird im Anschluss ail I'osidonitis dio


(ileicldioit klar ausgcsproclion (ratiem ratio, Veritas, lex).

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Die drei kosmol. Systems in Ciceros Sclirift iib. tl. Woseu (I. Göttor 107

C. Panätius (dritter und fiinfter Abschnitt).


Auch dem Panätius widmet Cicero zwei Abschnitte, einen
kürzeren (§ 32 von atque ex hoc quoque an) und einen liingeren
(§ 35 und 36). Seine Lehre ist sofort erkennbar aus dor Ver
bindung des Pantheisraus mit der Lelirc von der Ewigkeit
der Welt (sic mtindum universum pluris esse ncccsse est
quam partem aliquam universi; muudus aulem si in aeterno

praeteriti tempori* spatio J'uit insipidus). Durch den Pan


theismus untcrscheidet er sich von Autiochus, durcli die Lehre
von der Ewigkeit der Welt von Posidonius. Yiclleiclit konnte
man in bezug auf den letzteren Punkt einwenden: Aber auch
für Posidoniusist der Äther (= muudus: ex muu di ardore)
ewig. Dazu ist zu sagen: In unseren beiden Abschnitten ist
mundus iuiiner und notwendig im Sinne von universus
mundus zu verstehen und von diesem könnte Posidonius nicht
mit den Worten sprechen: in aeterno praeteriti temporis spatio;
der ganze Kosmos, wie wir ihn jetzt selien, existiert fiir den
Schüler des Panätius eben nicht seit ewiger Zeif. Uud wollto
man sagen: aber doch mit Unterbrechungen existiert er seit
ewiger Zeit, so ist es auch mit diesem Min wand nichts; denn
gerade auf die ununterbrochene Dauer stiitzt sich die Wider
legung des ,insipiens'.
Panätius erkennt keinen Athergott an, Gott ist fiir ihn
die Totalität des Kosmos. Der Ueweis, dass der Kosmos ein
weises, göttliches Wesen ist, zcrfällt in einen begriindenden
Teil und in die Widerlegung des contrarium. Im ersten Teil
wird die Weisheit des Kosmos gefolgert I. aus seinem über
legenen Wert: das Ganze ist wertvoller als die Teile (£ 32),
2. aus seiner überlcgenen Maclit (die unteren Stufen der
Natur können gehindert werden, die vierte Stufe, oll'enbar
das panätianische Hegemonikon, nicht; >535 f.), 3. aus .seiner
ethischen Vollkommenheit (dies ergibt sich aus dem in die
Lehre des Posidonius eingeschobeneii Teil $ 38; dicse Exklavc

ist vor der Widerlegung des contrarium, also vor dem Satz:

neque enim, si stirpium similis sit ... einzufiigen).


In den» widerlegenden Teil lehilt Panätius jeden Ver
des lycbens des Kosmos mit dem Leben der Pllanzen
gleicli
und Tiere nachdriicklich ab'); ebensowenig kann die Weis

wio Hoincmnims Italian das


') Man sielit, wonig piling lliclitigo
trifft, L'aniltius loliro eino leiliglicli pllanzonarti^ xvirksamo l'liysis;

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H>8 Ph. Finger

heit des Kosmos der nur durch Entwicklung möglichen Weis


licit des Mensclien gleich scin; sie muss ewig sein. Yon ciner
Überlegenheit der göttlichen Vernunft über die menschliche
audi dem Grade nach wird hier zwar nicht gesproclien, aber
man sieht, dass zu diesem Lehrsatz nur noch ein kleiner
Schritt ist, und tatsächlich ergibt sich aus dem Schlusssatz
von § 79 (von cumque sint in nobis an), wo Cicero von Panätius

abhängig ist, für diesen die erwähnte Folgerung (necesse est


dcos haec ipsa habere mai or a).
Den aus dem
stufenartigen Aufbau des Kosmos sich
ergebenden Beweis für die Existenz eines persönlichen Gottes
hat sich auch Panätius nicht entgehen lassen. Wir haben
geselien, dass Antiochus die vierte und höchste Stufe der
Natur § 34 rein logiscli erschliesst, Posidonius hingegen cine
den ganzen Kosmos und alio Naturstufen durchwaltende Teleo
logie annimmt. Panätius gibt dem Beweis eine von den beiden
genannten Fassungen abweichende Form. Man hat diesen
Unterscliied ganz übersehen. Panätius nimmt § 35 auch eine
Teleologie1) an, aber nicht wie Posidonius eine den ganzen
Kosmos durchwaltende, sondern eine Teleologie innerhalb
der cinzelnen Naturstufen. Mensch — die drei
PHanze, Tier,
unteren Naturstufen — tragen in sich die Tendenz, etwas Voll
kommenes zu erzielen. Sic können aber wegen ihrer Schwäche
gehindert werden, also muss es eine vierte und höchste
Stufe geben, die nicht gehindert werden kann, und das ist
eben der Kosmos, der alien Einzeldingen an Macht überlegen
ist. Interessant ist die Art und Weise, wie unsere drei
l'hilosophen den Übergang zur höchsten Stufe, zum Hege
monikon finden. Antiochus schliesst von einer sich ent
wickelnden Vernunft auf cine angeborene vollkommene Ver
nunft, Panätius von einer .verhinderbaren' Macht auf eine
.unverhinderbare', Posidonius von einem Wesen, das zu seiner
vollkommenen — es ist der Mensch — ein Vorbild
Entwicklung
braucht, auf ein absolut vollkommenes Wesen, auf Gott.

dann kann aber auch nicht worden, Paniltius ,zersclineide'


gofolgert
jede Urttcko ,mit' der Religion (II S. 203f.).

') § 35 ist niclit melir von einer Boschenkung oder Ausstattang


der vom Ordner scharf unterschiodenen Stufen die Rede wio bei
Antiochus § 33 f., sondern von einer weiclio die Natur
Einrichtung,
des Universumi hub sich selbst liervorbringt.

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Die drei kosmol. Systems in Cicoros Sclirift lib. d. Wesen d. Güttor 1G9

Bemerkenswert ist, dass Cicero hier ira Anschluss an


Panätius zwischen Denkkraft und Vernunft nicht scharf unter
scheidet; er spricht nur von intcllegentia und mcint damit
offenbar beides (vgl. necesse est intellegentem esse mundmn el
quidem eliam sapientem § 36). Dagegen spricht Cicero im
Anschluss an Antiochus § 30 nur von soisus und ratio, ohne

die Denkkraft besonders zu erwähnen, siber er schliesst sie


selbstverständlich ein. Von Posidonius und seiner Unter
scheidung zwischen Intellekt und ratio kann hier in diesem
Zusammenhang noch nicht gesprochen werden.

3. Die Lehre von den Gestirnen.


Die Abliandlung iiber die Gestirne zerfällt in zwei Teile;
der erste Teil umfasst c. 15 und 1G, der zweite c. 18 bis 21.
Unterbrochen wird der Zusammenhang durcli einen Einschub
(c. 17), in welchem Cicero, ausgehend von einer angeborencn
Gotteserkenntnis, einen die lluuptpunkte kurz nndeutenden
Auszug aus einer Abhandlung iiber den Kosmos bietet. Offen
bar ist der Autor derselben Panätius; denn der Kosmos wird
hier ais Hauptgottheit bezeichnet; vom Ather, der doch fiir
Posidonius den Vorrang haben miisste, wird gar nicht ge
sprochen (quam ut primum htmc ipsum mundum . . . dcum
iudicem). Der einleitende Abschnitt iiber die angeborenc
Gotteserkenntnis bildete wahrscheinlich die Kinleitung der
ganzen Schrift des Panätius. Das Exzerpt gcht natürlich auf
Cicero selbst zuriick.
Den Anfang der Abhandlung iiber die Sterne (c. 15 und 16)
bringt Cicero noch im ersten Hauptteil seiner Schrift (Kxistenz
der Götter) unter, den Schluss der Abhandlung (c. 18 bis 21)
versetzt er in den zweiten Hauptteil (Beschalfenheit der Götter).
Es ist klar, dass diese Halbierung und Zerreissung eines dein
StolT nach einheitlichen Ganzen auf Ciceros llechnung zu
setzen ist.

Die
Abhandlung stiitzt sich wieder auf das Triumvirat
Posidonius, Panätius und Antiochus:
1. Posidonius zu Wort c. 15.39 bis 16.43 (nihil
kommt
fortuitum) und § 56 (bis in terrisqiie versantur);
2. Panätius § 43 (von ordo autcm sidcrum an) und 44,
ferner § 49 (von primusque sol an) und 50;
3. Antiochus wahrscheinlich c. 18.48 bis 19.49 (ambitus
cognoscuntur)\ sicher §51 bis 55 u. 56 (von caelestium ergo an).

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170 I'll. Finger

A. Posi doni us.


In dem ersten Teil des Exzerpts aus Posidonius (c. 15f.
bis nihil fortuitnm) werden die Gestirne als Lebewesen er
wiesen, die niit überragender Intelligent begabt und deshalb
als Gutter zu betrachten sind (conscntanbum est in iis sensnm
inc.tsc et iviclleijcnliam, ex quo rfjicilur in deorum numero
antra esse dneeuda S 42; probabilo, est igilur praestantem
intellef/eutiam in sideribus esse § 43). Yon iiberragender In
telligenz k:mn Cicero natiirlich nur im Hinblick auf die
inferiore merischliche Intelligent sprechen. Da Posidonius die
Gleichheit der güttlichen und der menschlichen Vernunft
lelirt, wie wir bereits
festgestellt liaben, so kann liier der
HegrifT inleHei/enlia niclit die gleiche Iiedeutung liaben wie
dort, wo I'aniltius die Vorlage bildet; denn Cicero subsumiert
im Anschluss an diesen den IJegrilF ratio unter den Begrifl"
inle.lleijetilia (§ 3(! inte.Ueyentem esse mundum et quidem
etiam sapientem). Der Ucgrilt' inleUcgentia bedeutet in unserem
Absclmilt nur .Denkkraft'1), niclit aber wie fiir I'aniitius
Denkkraft und Vernunft zusaminen. Der gleichen Lehre von
der Überlegenlieit der göttlichen Denkkraft begegnen wir § 4
(aliqnod nnmcn praestantissimae mentis) und § 17 (esse ali
quam mcntcm, et cam quidem acriorcm et divinam). Auch an
diesen Stellen liegt die Lehre des Posidonius vor. Dass dieser
.Denkkraft' und ,Vernunft* scliarf unterschieden hat, ergibt
sich auch aus der All'ektenlehre dieses Stoikers (Galen, De
pi. Hipp, et IMatonis p. 4C>3; vgl. dazu meine Bemerkungen
I'hilolog. lid. 84, II. 1 S. (if) 11'.). Posidonius gewinnt dort durch
dio Annalnne von unvcrniinftigen Seelenkriiften sowie durch
din I Jnterscheidung des Vf.coq)]tixov von dem Tipaxnxuv die

Mögliclikeit, das Wesen


der Afiekte besser zu erklären, als dies
die llilupter der alten Stoa konnten. Es kann also keinein
Zweifel unterliegen, dass praestans inlcUegentia § 43 nur
iiberlegenc Denkkraft bedeuten kann. Ileinhardt hat - den
Untersebied in der Bedeutung von intellegentia bei Cicero niclit
erkannt und gibt (I S. 228) intellegens an unserer Stelle mit
.vernunftbegabt' wieder. Auf Grund dieses Irrtums spricht
er das Kiide von c. 15 samt dem Zitat aus Aristoteles dem

') Wcnn os § '13 lioissl: nihil est enim, quod rationc el numero
moveri )>ossil sine consilio, so bedentet liior ratio natllrlich nur
,l?orcchrnbarkcit', niclit Vcrnnnft.

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Dio drci kosmol. Syatome in (Jicoros JSclirift iib. d. Westm (I. Gutter 171

Posidonius ab. In Wirklichkeit ist (las Ganze aus eincm Guss


und die Gestirne sind fiir l'osidonius tatsächlich
wegen iluer
überragenden Denkkraft Götter (vgl. § 39 tribuenda est side
ribus eadem divinitas).
Welche llolle spielt in unserem Absclinitt die Sonne?
Es heisst hier von dem Tagesgestirn § 41: cum is qitoquc
official, ut omnia Jloreant et in sho quaequc genere pubcscant.
Dem ganzen Wortlaut nach kann dor Sonne nur eino Mit
wirkung bei dem Wachstum und tier Keifc dor Organismcn
zukommen. Das quoque lässt nocli auf einen anileron Faktor

schliessen, der mitbeteiligt ist. l)er Mond kann das niclit sein,
weil von ilun noch niclit die Itede war. Wir erkennen den
anderen Faktor
aus § 28 (quod intcUcgi debet calidum Mud
atque igneum ita in omni Jusum esse, nutm a, ut in co ins it
procrcandi vis et causa gignendi, a quo el animantia
omnia et ea, quorum stirpes terra continentur, et nasci sit
necesse et augescerc).. Es ist die vitalc VViirme, die Ather
kraft, die durcli alles, sogar das kleinste Stein fragment,, hin
durchgeht (§ 25). Diese Atlierkraft stammt aber otVenhar
niclit aus der Sonne; sic ist unabliängig von ilir, wie das
13eispiel von den .Koclibninnen' ($ 25) zur Gcniige zeigt. Und
diese Atlierkraft ist fiir Posidonius der llauptfaktor, der
Sonne kommt der eingeborenen Wiirme nur cine
gegeniiber
unterstützende Mitwirkung zu. Das ist die posidonische Lelire,
wie wir sie bei Diodor II c. 52.G lesen (?) avyynn% Oen/taoia,
cvrepyrjoanoQ rjliov). Posidonius hat gemiiss seiner Unter
scheidung eines{^EWQiytixov und eines jtquxtixov bei der menscli

lichen Seele die Gottnatur der Gestirne zunächst aus ilirer


überlegenen Sinnentätigkeit und ilirem überragenden Intellekt
abgeleitet. Seine Lehre iibcr die Vernunft der Gestirne wild
§ 56 in einen einzigen Satz zusammengefasst. Der Sclilusssatz
(von caelestium ergo an) kann unmitglich aus Posidoniiis ent
nommen sein; denn bier heisst es: Aus der wunderbaren

Ordnung und Beständigkeit der Gestirne entspringt die


Erhaltung und das Gedeihen aller Dingc. Nach Posidonius
(§ 28 und 41) dagegen ist diese heilsame Wirkung in erster
Linie der Atlierkraft zuzuschreiben, erst in zweiter der Sonne.

Wie Posidonius niclit von einer Überlegenheit


beim Kosmos
der Vernunft Gottes iiber die menschliche spricht, so audi
liier bei den Sternen niclit. Es wird ilinen ordo, Veritas, ratio,
constantia zugesprochen. Von der Gegend unter dein Monile

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J72 Ph. Finger

und von der Erde heisst cs: Es herrscht Zufall, Irrtum und
Liige, wo die den Sternen
zugeschriebenen Eigenschaften
fehlen. isl allerdings cin weiter Abstand, aber von einer
Das
Überlegenheit der Vcrnunft der Gestirne iiber die mensch
Iiche steht keine Si I be da — es heisst einfach ratio.
Posidonius lehrt also in bezug aut' die Gestirne: Sie sind
Götter (wenn sie auch an Macht
gleich dem Ather nicht
stclien);, sie besitzcn scbiirfere Sinne und grössere Denkkraft
als der Mensch, dagegeri ist ilirc Vernunft der menschlichen
niclit iibcrlegen. Nun kann tnan mit Kecht fragen: Wenn
l'osidonius bei den Gcstirnen der Heihe nach bewiesen hat,
dass sie Lebcwesen, dass sie mit Sinnen, Intellekt und Ver
nunft ausgestattet sind, warum bat er dann beim Kosmos

nur gezeigt, dass er cin Lebewesen ist und Vernunft besitzt?


Wo blcibt der Nachweis der überlegenen Intelligenz? Ich
babe oben sclion davon gesprochen, dass Cicero diesen Be
weis nach i; 17 versetzt hat. Aber er lässt den Leser dort
dariibcr iin unklarcn, ob er vom Ather oder von den Sternen
spricht; er sagt nur: omnia supera esse mcliora. Aber in
Ciceros Vorlagc kann an dieser Stelle nur von dem ersteren
die Ilede gewesen sein; denn es miisste doch sehr befremden,
wenn olfenbar der nämliche
die Intelligenz der Sterne
Autor
erwicsen hiitte, wie wir das c. 15 und 16 (Anfang) lesen, und
dann noch einmal an einer anderen Stelle das gleiche Thema
erörtert hatte. Oder crlaubt sich Cicero eine solcho unbe
greifliche Wiederholung? Nein! Was jetzt durch das unbe
stiinmtc omnia supera verschleiert ist, war in der Vorlage
deutlich und klar als mundus im Sinne von Atherwelt be
zeichnet, und unserc Stelle cnthielt den Nachweis der Intelli

genz ties Kosmos. Und auch hier wieder wird diese Intelligenz
als der menschlichcn überlegen bezeichnet (esse aliquant men tern,
et cam quidem acriorcm et divinam); denn die BegrilTe mens
und inteUegentia entsprechen einander bei Posidonius und
beziehen sich auf die theoretische Vernunft. So ging also
in Ciceros Vorlage der Beweis der Gottnatur des Kosmos
dem Nachweis der Gottnatur der Sterne parallel: in beiden
Abhandlungen hat Posidonius zucrst die Belebtheit nachge
wiesen, sodann die Intelligenz und schliesslicli die Vernunft.
Der Aufbau des Beweises fur die Gottnatur der Gestirne bci
Cicero sowie die Anzeichen fiir den gleichen Aufbau des
Beweises fiir die Göttlichkeit des Kosmos lassen zusammen

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Die drei kosmol. Syateme in Ciceros Schrift lib. d. VVoson d. Göttor 173

rait einer gewissen inneren Gesetzmässigkeit meine Rekon


struktion als die einzig richtige ersclieinen.

B. Panätius.
Die Gottnatur
des Kosmos liat Panätius, wie wir oben
gesehen haben, aus seinem iiberlegenen Wert, aus seiner über
ragenden Macht und aus seiner ethischen Vollkommenheit
abgeieitet. Sein Heweis für die Gottnatur der Gestirne stiitzt
sich an der friiher sclion bcsprochenen Stelle £ 43 (von ordo
autem sideriiin an) und 44 auf die Annalune der cwigcn Dauer
des in höclister Gleichmässigkeit und Ordnung sich vollziehen
den Sternenlaufs sowie auf die völlige Unabhängigkeit der
Gestirne; nur ihr freier Wille regiert iliren gcordneten Lauf
(sua sponte, suo scnsu ac divinitate moventur). Die Sponta
neität, die Posidonius der Bewegung des Atliers zuschreibt
§ 31, überträgt Panätius auf die Gestirne. Gegeniiber der
Auffassung Heinemanns, der dein Kosmos des Panätius die
Vernunft abspricht, möchte icli folgenden Satz dieses Stoikers
hervorheben: quae qui videat, non indocle solum, varum eliam
impie facial, si deos esse ncgct. Am Sclilusse unserer Stelle
erhält der Beweis fiir die Gottnatur der Gestirne eine weitere
Stiitze durch den Hinweis auf ilire tiltige Fiirsorge fiir die
unteren Naturstufen. Wenn Panätius von einer den Sternen

iiberlegenen Macht des Atliers niclits weiss, so lässt sich


schon im voraus feststellen, in welcher liichtung sich dieser
Hinweis bewegen wird. Er kann der Sonne, die fiir ilin den
Prinzipat iiber den Kosmos innehat, nicht wie Posidonius
nur eine Mitwirkung bei dieser Fiirsorge zusprechcn, son
dern er muss sie als die einzige Quelle alles Lebcns auf
der Erde betrachten. Und so verhält es sich audi. Während
es im Anschluss an Posidonius § 41 heisst: cum is (sol)
quo que e/Jieiat, ut omnia jloreant ct in suo quaequc genere
pubescanl, sagt Cicero § 49 im Anschluss an Panätius: ita
ex quattuor temporum mutationibus omnium, quae
terra marique gignuntur, initia causaeque ducuntur. Hier
wird die Sonne, deren verschiedener Stand die .lahreszeiten

bewirkt, als die Schöpferin der Organismen in Land und


Meer bezeichnet und von einem zweiten Faktor, der Zeuge
kraft der Ätherwärme, ist keine Ilede. Hier kann also nur
Panätius, nicht Posidonius als Vorlage in Betracht kominen,
wie gegen Bernhardt (I S. 232) betont werden muss. Auch

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174 Ph. Fingor

Antiochus, der § 51—55 die Vorlage bildet, wie bereits nach


gewiesen wurde, kann hier nicht in Krage kommen, wie schon
die andere Form $ 51 zeigt: niaxime veto sunt admirabiles
molus. Paniitius will belehren, Antiochus den Anlass zur
Iiewnndcriing aufzeigen. Zu Paniitius passt denn auch die
Tatsache, dass bci der Aufziihlung der Mondwirkungen § 50
wohl von dem Kinfluss des Mondes auf die Pllanzen und
Tiere gesproclien wird, abcr nicht. von einem solchen auf
Ebbe und Elut. Da die Aufzälilung docii wohl den Anspruch
erhebt vollstiindig zu sein, kann weder Posidonius, der wissen
schaftliche Entdeckcr der Abhiingigkeit der Gezeiten vom
Mond, nocli Antiochus, der diese Entdeckung aus Posidonius
kennen musstc, in Frage konnnen.

(J. Antiochus.
Cicero spricht § 47 (von interca, Vellei an) bis 49 (rotundi
ambitus cognoscunlur) zunächst von der Schönheit, dann von
der Zweckmiissigkeit, ja Notwendigkcit der Kugelgestalt des
Kosmos und der Gestirne. Ileinemann (II S. 181 u. 184) spricht
diesen Abschnitt dem Posidonius zu und beruft sich auf
I)iog. L. 140, wo es heisst: 7TQog yag zijv mvtjotv aQ/iodiditazov
to loiovror (id aqxuQOEides). Er scheint mir aber nur recht
zu liaben in bezug auf c. 18.47; denn hier laufcet der Schluss:
quo nihil fieri potest aptius. Das deckt sich mit dem bei
Diog. L. Gesagten. Im iibrigen mussten docli wohl alle drei
Autoren von der Kugelgestalt des Kosmos sprechen. Aber
im folgenden scheint mir der Ausdruck non potuissc servari
(S 48) und das esse non posset (§ 49) docli entschieden schärfer
zu sein ais der posidonische Ausdruck ,am passendsten*.
Vielleicht hat hier der antiochische Gedanke, dass dem
Schöpfer ein
seinem Wesen fremder StofT gegeniiberstand,
cingewirkt. Von dem die Planetenliste enthaltenden antiochi
schen Abschnitt (>$51—55) wurde schon gesproclien. Ich gelie
deshalb zu dem Schlusssatz von 56 über. Da hier unter
§
den raciest in die Gestirne zu verstehen sind, wird Posidonius,
wie erwiihnt, als Vorlage ausgeschlossen, weil die Ather
wirkung fohlt. Im iibrigen ist die Stelle wieder so viel
deutig, dass man daraus ebensognt den des Pantheismus
Paniitius
wie den Diialismus des Antiochus herauslesen kann.
Da aber die Lehre des Panätius vom Einfluss der Sonne
und des Mondes auf die Organismen schon § 49 f. erörtert

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Dio droi kosmol. Systeme in Ciceros Schrift iib. d. Wosen d. Götter 175

wurde, können wir im Schlusssatz von § 56 Antiochus als


Vorlage betrachten. Unterstiitzt wird meino Ansiclit durch
die Tatsaclie, dass hier den Gestirnen ottenbar kcin so weit
gehender Einfluss cingeriiumt wild wie bei Panätius. Erhal
tang und Wohlfahrt (conscrvatio et sulus) deuten auf dio
Fortpflanzung eines schon G eschaffenen; das passt genau
zu der Lelire des Antiochus, wonach der Gottesgeist als Welt
ordner alles oingerichtet und zu seiner jutzigen Konn gestaltet
hat. Wenn
dagegen WirkungPanätius auf die der Sonno
die Anfänge und Ursachen (inilia causaequc) alier Dingo
in Land und Meer zurückfülnt, so stimnit das aufs beste mit
seiner Lehre vom Prinzipat der Sonne iiber den als Person
gedachten Kosm'os iiberein, die Sonne ist eben dann die Haupt
kraft des schaffenden Kosmos; sie erliält nicht nur die Orga
nismen, sondern sie hat sie auch erschaffen.
Der zweite Abschnitt iiber die Gestirne von c. 18—21
staijimt demnach in
der llauptsache aus Antiochus.
Wir
haben, abgesehen von der Einleitung, dio wohl aus Posidonius
stammt, nur zwei Enklaven, die Lehre des Panätius von der
Sonne und vom Mond (§ 49 f.), sowie die knappc Zusammen
fassung der Lehre des Posidonius iiber die Vernunft der Ge
stirne im ersten Teil von § 56. Das Ganze soil olYenbar nach
der Absicht Ciceros auf den Leser den Eindruck eines ein
heitlichen Ganzen machen. Zu diesem liehufe hat cr aus
Paniitius zwar die Lehre iiber Sonne und Mond gcnommen,
seine Lehre von den übrigen Gestirnen aber weggelassen und
dafiir die Lehre des Antiochus iiber das
gleiche Thema ein
gesetzt. Nun erhebt sich aber die Frage: Warum hat Cicero
die Lehre des Antiochus von der des Posidonius und des
Panätius (c. 15 u. 16) getrennt? Die Antwort ergibt sicli aus
dem Anfang von c. 15; hier heisst es: alquc liac mundi divi
nitate perspccla tribuenda est sideribus e a d e in d i v i n it as.
Demnach will er hier in diesem ersten Teil Lehreu eiörtern, in

denen die Gestirne als Götter gekennzeichnet sind. Also konnte


er hier die Lehre des Antiochus nicht bringen, weil dieser die
Gestirne selbst nicht als Gottheiten betrachtet, sondern sie
nur als die Wohnsitze der unsichtbaren Götter ansieht. Zwar

sucht Cicero diesen Sachverhalt durch zweidentige und ver

klausulierte Ausdrucksweise möglichst zu verdecken, aber er


selbst kannte doch den Sachverhalt ganz genau und scheute
sich deshalb, die Lehre des Antiochus in einem Abschnitt zu

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17(1 I'll. Finger

bringen, welclier die Übcrschrift trug: ,Die Gestirne sind


Götter'. So griflf er denn zu dem Auskunftsniittel, dass er
die Leliren des Posidonius und des Panätius in dem von dcr
Existenz der Götter handelnden ersten Hauptteil seiner ganzen
Abliandlnng unterbrachte, dagegen die Lehre des Antiochus
mit einigen Enklaven aus Posidonius und Panätius in dem
von der Beschaffenheit der Götter handelnden zweiten Haupt
teil. Diese Enklaven sind aber insofern der Lehre des Anti
ochus angepasst, als in ihnen die Gestirne nirgends direkt als
Götter bezeichnet werden.

4. Die göttliche Weltregierung.


I)er
dritte Ilauptteil Ciceros bandelt von der göttlichen
Weltregierung. Die Dispositional der Quellenschriften linden
sich uninittelbar vor und nach der Abhandlung iiber die
Staatsreligion und die Religion der Dichter: § 58 bringt Cicero
die Disposition des Posidonius, §75 eine dein Anschein nach ein
heitliche, in Wirklichkeit aber aus zwei heterogenen Bestand
teilen /.usammengesetzto Disposition, die des Panätius und die
des Antiochus. Nach der ersteren (58) erstreckt sich das
göttliche Weltregiment auf drei Punkte: 1. auf die Welt
crhaltung, 2. auf die Mangellosigkeit, 3. auf die Schönheit
des Kosmos. Die zweite Disposition (75) enthält ebenfalls drei
Punkte: 1. Aus dem Dasein der Götter wird auf die göttliche
Weltregierung geschlossen; 2. alle Dinge unterstehen der
Geistnatur; alles wird von dieser aufs beste gelenkt; 3. die
Welt ist iiberaus herrlich. Reinhardt (K. u. S. S. 95) meint,
es sei bci der zweiten Disposition alles in Ordnung, Punkt 1
beweise das Weltregiment von der Gottheit her, Punkt 2
von der Welt aus; auch halt er die Begriffo fiir einheitlich.
In Wirklichkeit aber ergänzen sich die beiden Betrachtungs
weisen keineswegs und auch die Begriffe decken sich nicht.
Bei Punkt 1 bandelt es sich um den Pantheismus des Pan
ätius, bei Punkt 2 um das dualistische, Geist und Materie
trennende System des Antiochus. Von der Schönheit des
Kosmos haben, wie die Ausführung zeägt, beide gesprochen
(iibrigens auch Posidonius).
Die Lehre
von der Weltregierung beginnt § 76 mit einem
kleincn Bruclistück aus Panätius, das mit den Worten deorutn
igilur consilio administrator abschliesst. Es steht im Einklang
mit Punkt 1 der § 75 angegebenen Disposition. Das Kenn

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Die droi kosmol. Systeme in Ciceros Sclirift iib. d. Woacn d. Gutter 177

zeichen ist der Nachdruck, der auf ein tätiges Sein golegt
wird: ohne Tätigkeit kein Sein. Genau so wird § 44, wo
Panätius die Vorlage bildet, aus der Existenz der Goiter als
solcher die tätige Fürsorge der Götter abgeleitet. Und was
hier von den Göttern gesagt ist, stimmt wieder niit dem Lob des
tätigen Lebens in Ciceros Pflichtenlehre iiberein. Antioclius
kann hier
schon deshalb nicht in Betracht koinmen, weil
dieser, wie ich Rliein. Mus. Bd. 78 H. 4 S. 392 f. in bezug auf
de div. I § 63 nachgewiesen babe, an das Vorhandensein von

imagines mortuorum geglanbt bat. Dann kann er aber niclit


so scharf die Lehre von den imagines, den Göttern Epikiirs,
verurteilt haben, wie es hier geschieht. wenn er selbst die
Götter aucb anders auffasste.

Von duod, si alitor est an bis § 77 (Scliluss) kommt Anti


ochus zu Wort: Uber der scbeinbar blinden Notwendigkeit,
die Himmel, Erde und Meere beher'rscht, steht ein cinsichts
volles Wesen, das alles lenkt. In welchem Verhältnis stebt
nun dieses Wesen zur Notwendigkeit? Wenn es biesso: Gott
ist diese Natur, diese Notwendigkeit, dann liige natiirlich
Pantheismus vor; nur wir Menscben würden in diescm Kalle
das, was in Wirklichkeit die Kausalität eines liüchst ein
sichtsvollen Wesens ist, als Notwendigkeit erfasscn. Aber es
heisst regit naturam, und zwar nicht in dem Sinn, wie ctwa
der Stoiker von einer Weltlenkung spricht, sondern in dem
anderen, dass die Notwendigkeit Gott ,unterworfen' ist, also
in dualistischem Sinne. Gott ist nicht selbst diese tatsäeh
lich vorhandene Notwendigkeit bzw. Natur, sondern sie ist
ausser ihm da, wenn audi von ilim gcschaften und geleitet;
das ist der Dualismus des Antioclius. Die Vorsehung erstreckt
sich für ihn nur auf die wichtigsten Dingo (providentes rerum
maximarutn). Wenn Heinemann (II S. 216 f.) meint, Antioclius
stsi die Abneigung gegen die Metaphysik nie lofgeworden,
aber es sei dass er sich durch die Fassung, die
begreiflich,
Panätius der Metaphysik gegeben hatte, besonders angezogen

fiihlte, so ist das unriclitig. Wie kann sich der Dualist


Antiochus durch das pantheistischc System des Panätius
besonders fiihlcn? Und wie kommt Antiochus als
angezogen
Partner sowohl in de div. I1) als anch in de natura deorum II

hinein, wenn er Abneigung gegen Metaphysik besassV Nacli

dazu meine Ausfillirnngon Hhein. Mils. (a. a. O.).


!) Vgl.
Itlicin. Mus. f. Pliilol. N.F. I,XXX. 12

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178 Ph. Finger

Ileinemann (a. a. 0.) soli die ,Physis' des Antiochus, die ura
ihrer selbst wiilen, aus verständlichem Egoismus (?) also, ihre
Glieder erhalte, genau die des Paniitius sein. Und bei der
,1'liysis' des Paniitius wieder soli alles Noetische auszuschliessen
sein. Dagegen ist zu sagen: Eine Physis ohne Geist und
Vernunft kennt keines von den drei in de nat. deorum II
niedergelegten Systemen. Zum Beweis dafiir, dass an unserer
Stelle bei Cicero tatsächlich die Lehre des Antiochus vor
liegt, verweise ich auf Ac. post. I § 29: quam vim animum
esse dicunt mundi, candemque esse menlem sapientiamque per
fectam'), quern ileum ajipellant, omniumque rerum, quae sint ei
subiectae, quasi prudentiam quandam, procurantem cac
Ic.stia maximc, deinde in tcrris ca quae perlineant
ad homines; quam interdum eandem necessitatem appellant,

quia nihil
aliter possil, atque ab ca constitutum sit evenire,
quasi, fatalem el immulabilem continuationem ordinis sempi
terni. Ilier kehren die Hauptthesen wieder, die Cicero de
nat. deor. II 77 aufstellt: dio Trennung von Gott und Welt
(vgl. subiectae) dio partielle Vorsehung Got.tes. Wenn
sowic
es § 77 heisst: ,Die Vorsehung Gottes erstreckt sich auf die
wichtigstcn Dingo', so bietet die Stelle aus den Ac. post, dazu
eine wertvolle Spezialisierung, insofern
wichtigsten als die
Dinge cben die himinlischcn Dingo sind und die irdischen
Angclegenheiten, dio auf den Menschen Bezug haben.
Im Gegensatz zu dem Dualismus des Antiochus \steht dor
Monismus des Posidonius, den Cicero § 78 von atqui necesse
est an bis tj 79 (ab superis defluere potuerunt) darlegt2). Fiir
diesen Stoiker ist der Kosmos eino einlieitliche Vernunftwelt,
ein prossor Vcrnunftsta.it, in welchem dio die
Vernunftwesen,
Gutter und Menschen, unter einem einheitlichen Gesetz leben.
Menschliche und göttliclie Vernunft sind ihrem Wesen nach
gleich (radem ratio). Iicinhardt (K. u. S. S. 186) spricht diese
I>ehre dem Posidonius mit Unrecht ab. Wir haben schon aus
39 ersehen, dass dieser /.war von äusseren der
Hemmungen
nienschlichen Tugend und Vernunft spricht^ nicht aber von

■) Ein editor Stoikor spriclit nur von sapientia, niclit von per
fecta snpientia.
') Violleieht wird in dioscm Absclinitt dor zwoito Punkt dor § 58
•inppRoboncn Disposition orürtort: tit nulla re eycal (quae con
qui
venit penes (leos esse nc{/arc?).

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Dio drei kosinol. Systeme iu Cicoroa Schrift iib. d. Wosen d. Güttor 179

einer inneren Ungleichheit der göttliclien und der mensch


lichen Vernunft.
Stoisch-monistischen Charakter
trägt auch das Folgende
(von cumque sint in nobis an bis § 80 Schluss), aber es ist
nicht raehr Posidonius, der liier spricht, sondorn Panätius.
Die Argumentierung ist wieder dieselbc, wic wir sie sclion
früher bei Panätius kennen gelernt haben: es wird von der
menschlichen Vernunft auf die güttliche geschlossen: es gibt
nichts Grösseres und niclits Bessercs
Kosmos (vgl. als den
§ 32, 35—36 und die Enklave von 38). Wic wir das friiher
fiir Antiochus festgestellt haben, lehrt auch Panätius die
Überlegenheit der göttlichen Vernunft iiber dio menschliche
(cumque sint in nobis consilium, ratio, prudentia, ncccsse est
deos haec ipsa habere maiora). Wieder wird das Handeln
mit Nachdruck hervorgehoben (nec habere solum, sed etiam
iis uti). Die Weltregierung erstreckt sicli auf die wichtigsten
und die besten Dinge (uti in maximis el oplimis rebus).
Während nach der Formel des Antiochus das Weltregiment
sich mit den wichtigsten Dingen befasst, fügt Panätius zu
den wichtigsten noch die besten Dinge hinzu; er bctont also
ausdriicklich die etliische Qualität. Im übrigen ist der Unter
schied nicht von Bedeutung; denn selbstverständlich schliesst
auch die Formel des Antiochus die sittliche Beschaifenhcit ein.
Zuletzt — man würde erwarten zuerst — werden die stoischen
Gottheiten aufgezählt. Im Gegensatz zu seincm Schiiler
Posidonius betont Panätius genau so wie Antiochus den Nutzen
für den Menschen') (quae incssent in oiuni mundo cum magno
usu et commoditate generis kumani). Posidonius legt das
Hauptgewicht auf die göttliche Kraft, die sich in überaus
herrlichen Werken manifestiert, der Nutzen fiir die Menschen
kommt für ihn erst in zweiter Linie. Wie das fiir die Lehre
des Posidonius über die Mantik gilt (vgl. meine Ausfiihrungen
Ithein. Mus. a. a. O. S. 381 IT.), so aucli für seinu Lehro von

den Göttern (vgl. z. B. §138 vim qnandam incredibilcm arti


ficiosi operis diviniqWe testantur). Das stoische System des
Panätius unterscheidet sich also von dem des Posidonius auf
Grund unseres Abschnittes in zwei wesentlichen Pnnkten:

erstens er nimmt, wio auch Antiochus, eine Überlegenheit

') Vgl. (lo off. II II proximo aulem ct secundum deos

homines hominibus maximc utiles esse possunt.


12*

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180 Ph. Fingor

der göttlichen Vernunft über die menschliche an, zweitens


er betont, ebenfalls wie Antiochus1), den Nutzen für den
Mensclien.
I)cr Alischnitt S 81—90 bandelt von dem zweiten Punkt
der Disposition des Akademikers, dem Schluss von der aus
gezeichneten Welti egierung auf einen vernunftbegabten Ordner
und Lenker, aber die Ausfülirungen des Antioebus sind mit
frcindcn liestandteilen durchsetzt. Cicero verbreitet sich bier
über die
antiocliische und die stoische Auffassnng des Be
grill'.s Natur. Mr gil)t im Anschluss an Antiochus zunächst
einen Uberblick über die Auffassung gegnerischer Itichtungen.
Die einen, sagt er, verstehen unter Natur eine vernunftlose,
niit Notwendigkeit wiikende Kraft, die anderen eine vernunft
begabte, planmässig vorsclireitende und künstleriscli gestal
tende Kraft (offenbar die Stoiker, vgl. c. 22), Epikur aber
(eile ein in Kürper und das Leere. Dicsen drei Auffassungen
stellt Antiochus seine
eigene gegenüber. Zunäclist sagt er
§ 82: sed nos cmn dicimus natnra constare administrarique
muudum, non ita dicimus, nt glaebam aut fragmentum lapidis
aul aliquid eiusmodi nulla cohaerendi natnra, sed nt arborem,
nt animal, in quibus nulla temeritas, sed ordo apparet ct artis
quaedam simiüludo. Aber damit ist der Gedankenga.ng des
Antiochus keineswegs abgeschlossen. Es muss aus § 85 not
wendig dazu genommen werden: quae enim classinm navi
gatio aut quae instructio cxcrcitus nut, rursus nt ca, quae
natur a rflicit, conferamus, quae proereatio vilis aut arboris,
quae porro animantis Jigura conformatioque membrorum tantam
naturae soUerliam signijicat, quantam ipse mundris:' Aut igitur
nihil est, quod sentiente va/ura regatnr, aut mundum regi
confitendum est. Das Ganze ist eine dem Sinne nach eng
zusammenhängende, von Cicero aber durch eine Einlage aus
1'aniitius getrennte 1'olemik des Antiochus gegen die drei
gegnerischen Itichtungen. Zwischen der vernunftlosen Kraft
der Atoinisten und
der vernunftbegabten Kraft der Stoiicer,
die unmittelbar in den Dingen sellist wirkt, steht die necessitas
vel na/ura des Antiochus, wie sie bereits 4; 77 geschildert ist,
in der Mitte, insofern sie zwar selbst vernunftlos ist, aber von
Gott nach den Gesetzen der Vernunft geschafTen wurde und

') Vgl. § l(i3 mull ae saepe res ex liominum sententia at que


utilitate purtae, multa etiam pericula depulsa sunt.

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Die drei kosinol. Syateme in Cicoros Schrift üb. d. Wescn tl. Gutter 181

(liesen gemäss weiter wirkt. Sie ist den Gesetzen der giitt
lichen Vemunft .unterworfen' (subiccta). Also die göttlicho
Vernunft, die im Gegensatz zti der Lehre der Atomisten tat
siichlich vorhanden ist, wirkt im Gegensatz zu den Stoikern
nicht in den Dingen d r i n, sondern a in A n f a n g der
Schöpfung und über den gcschaffenen Dingen. So sagt
Cicero im Anschluss an Antiochus de div. I 118: nam non
placet Stoicis') singulis iccorum Jissis aut avium cantibus
interesse deum; ncquc enim decorum est ncc dis ditjnum ncc
fieri ullo pacto potest; scd ita a principio inchoatum
esse mundum, ut certis rebus certa signa praccurrercnt. Waruni

kann aber Gott unmöglich in den Dingen dieser Welt zu


gegen sein? Weil er eben nach der Lehre des Antiochus
reiner Geist ist und
im Ilimmel seinen Wohnsitz hat, von
wo aus er alles
lenkt (de nat. deor. II 90). Aus dein Ge
sagten geht hcrvor, dass Antiochus zwei Naturen unterscheidct,
die Natur Gottes, die er §85 auch natura senticns nennt,
und die am Anfang der Welt geschaffene ncccssitas vel natura
(§ 87 quodsi omnes mundi partes ita constitutac sunt, ut
neque ad ustim meliores potuerint esse ncquc ad speciem
pulchriorcs, videamus, utrum en fortui/anc suit an co statu,
quo cohaerere mdlo modo potuerint nisi sensn moderantc
divinaque providentia). llätte Cicero § 77, anstatt von
Gott zu sprechen, natura senticns eingesetzt, so ware die
vorgetragene Lehre um vieles klarer, aber wie die Sache jctzt
liegt, muss man die zerstreuten Bruchstiicke erst zusammen
suchen, um ein richtiges Bild zu bekommen. Die Deutlich
lichkeit leidet besonders auch darunter, dass in dem Keferat
über die Lehre der Gegner (§ 81 f.) nicht recht klar wird, ob
Cicero die natura senticns im Auge hat oder die geschaffene
Natur (sequitur, ut doceam omnia subiccta esse naturae,
eaque ab ea pulcherrime geri. Sed quid sit ipsa natura,
explicandum est ante breviter). Offenbar will er, wie aus § 82

hervorgeht, die geschaffene Natur erklären, aber das pul


'
cherrime geri deutet doch zweifellos auf die Geistesnatur
= natura scntiens = ebenso wird doch auch
(natura Gott);

Epikur belciimpft, weil er in seiner Definition den das Weltall


lenkonden Gottesgeist nicht berücksichtigt hat. Den Natur

') Wio ich Khoin. Mug. a. .1. O. S. 377 nacligowiesen liabo, ist mit
den Stoici Antioclms gemeint.

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182 I'll. Finger

begriir, don Ciccro § 82 don gcgnorisclicn Leliren entgegen


setzt, hiilt Hcinhardt (K. u. S. S. 100) fiir stoisch. Aber das
ist schon aus eineni rein äusserlichcn Grunde unmöglich.
Niclit Epikur alloin ist der Gegcnsatz, sondern die drei voraus
gehenden Richtungen zusammen, also auch die an zweiter

Stelle gemeinten Stoiker. Wie sonderbar, wenn der Philosoph


seine cigene Rich tung mit alii bezeichnct hütte. Und dann
der liilialt! Die Erdscbolle und das Felsstiick sind nicbts
anderes als Beispielc fiir die
anorganische, wie der Baum
und das Lebewescn solche fiir die organische Natur sind.
Unmöglich künnte der Stoiker die Erdscholle und das Fels
stiick von seinem NaturbegrifT ausschliessen. Die Erdscbolle
ist ja gerade die concipicns comprehendensque nahtra, von
der § HI bei der Wiedergabe der stoischen Lebre die Rede
ist; sic ist wie die Erde selbst die mit-erzeugen-helfende
Mutter. Der Akademiker wie der Stoiker schreiben der Erde
cine ernährende und das Waclistum fördernde Kraft zu, aber
der Unterscliied zwiscben beiden beruht darauf, dass der
Akademiker die Erde dem Samenkorn als einem glcichsam
in sicli fertigen Produkt Nahrung und Kraft zum Waclistum
spenden lässt. Fiir den Stoiker dagegen ist das Samenkorn
gleichsam dor miinnliche Same, die Erde aber, und auch die
Erdscbolle, das weibliclie Element (vgl. concipiens comprehen
densque nalnra § 81; auch Paniitius dachte nicht anders, wie
sich aus S 83 quippe quae gravidata scminibus omnia pariat
ct fundat ex scsc ergibt). Mit anderen Worten: fiir den
Akademiker ist das Erdreich der tote StoiT, der zur Nahrung
,dient', für den Stoiker aber ein Lebendes, das von der
lebenspendenden Wiirme durchdrungen und so zum Erzeugen

befiibigt wird (§ 28). Auch das Reich der anorganischen Natur


ist fiir den Stoiker ein Teil jenes lebendigen Ganzen, das er
seinen Kosmos nennt; für den Akademiker ist nur die
organische Natur ein Lebendes. Auch das Felsstiick enthiilt
für den Stoiker vitale Kräfte; denn der Stein wird ja, was
Reinhardt nicht beachtet, zusammen mit der Erdscholle1)
§ 25 gerade als Deispiel dafiir gebraucht, dass die vom Ather
ausgehende vitale Kraft durch alles hindurchgeht: nam et
lapidum conjlictu atqiie tritri clici ignctn videmus ct recenti

') Hoidu, Stoin iiiitl Erdacliolle, sind nncli § 25 Uoispielo fllr


•cna natnra, also f(\r die anorgnnisclie Natur.

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Die drei kosinol. Systeme in Cicoros Sclirift iil). d. Wcscn d. Gutter 183

fossionc terram fumare calenlem. Wenn dor Stoiker selbst


diese etwas extreme» Beispiele für soinen NaturbegriiY ver
wendet, kann man sich nicht wundern, wenn sie der Aka
demiker in polemischer Absicht aufgreift. Die Erdscholle
und das Felsstück sind für Antiochus Beispiele für die an
organische Natur, die er von seinem Begriff der lebendigen
Natur ausschliesst. Aber andererseits sind auch Baum und

Tier nur Beispiele für die organische Natur. Antiochus


wollte nur den Gegensatz zwischen anorganiscli und organisch
hervorheben und dazu genügten die beiden Beispiele fiir die
zwei untersten Naturstufen (riach seinem NaturbegrilTe); er
brauchte die beiden höheren Stufen: Mensch und Gott, nicht
ausdrücklich zu erwähnen. Dieser Sachverhalt ist ja schon
§ 33 angedeutet; dort lieisst es: si a primis inchoalisque
naturis ad ultimas perfectasque volumus procedere, ad dcorum

naturam perveniamus nccesse est. Wir erlialten bier die Be


stätigung dafür, dass für Antiochus die eigentliche Natur
erst mit der organischen beginnt. Und warum das? Gewiss
halt Natur, d. h. die leitende nalura sentient; und die von
ihr geleitete necessitas bzw. nalura den ganzen Kosmos zu

sammen (§ 29), aber die anorganischc Natur umfasst die


jenigen .Naturen', die der Weltbaumeister nach § 8lif. vor
fand, d. h. die Materie und die Elemente; diese wenlen zwar
im letzten Grunde von der nalura sentiens selbst zusammen

gehalten, aber die


eigentliche schöpferische Tätigkeit des
Weltordners beginnt erst mit der Schaffung der organischen
Natur. Die Polemik § 82 bedeutet also vor alien Dingen
eine Ablehnung des stoischen Pantheismus, fiir den
das anorganische Reich der Natur ein Teil Gottes ist. Der
Akademiker vermisst an dieser Naturstufo das tätige und
selbständige Leben (nulla cohaerendi nalura), erst wo sich
in den Gebilden der Natur Ordnung und eine gewisse Kunst
beginnt fiir ilin die eigentliche, von Gott geschaffene
zeigt,
Natur (in nulla temeritas apparel el arlis qnaedatn
quibus

similitudo). Bernhardt (I S. 237) sagt: ,Natur ist nicht der


Zusammensetzung der Erdscholle oder des Steins vergleich
sondern der Pilanze oder des Tiers'. Das bezeichnet er
bar,
als einen neuen Natui begrill' (des Posidonius), als ,etwas,
ganz
was die erreicht hat'.
orthodoxe Freilich nicht,
Stoa nie
weil das überhaupt nicht stoisch ist. lleinemann II S. 187 ft.
betrachtet PHanze und Tier § 82 nicht als Beispiele für die

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181 Ph. Finger

organische Natur, die ihren notwendigen Abschluss in den


beiden oberen Naturstufen, im Menschen und in Gott = nutura
scnticns 85), finden muss, sondorn er sieht darin ein voll
ständig abgeschlossenes System einer weder .mechanisch' nocli
.noetisch' wirkenden Physis; von Vernunft und Absicht oder
auch nur Beseelung der schafl'enden Naturkraft soli sich keine
Spur finden (II S. 200); und diese Lelire schreibt er im Gegen
satz zu lleinhardt dem Paniitius zu. Ich frage: Wo bleibt
denn in dieser
.Physis' dcr Menscl) und seine Vernunft?
1st er nicht auch ein Teil dcr Physis? Und die Sternenwelt
soil nach Art von PHanze und Tier verwaltet werden? Ich
gestehe, mir fehlt das Verstilndnis fiir eine derartige I'hysis,
fiir einen solchen Kosmos, lleinhardt und Heinemann haben
nicht erkannt, dass die nalura sentiens ganz unstoisch ist1)
und dass sie dem System des Antiochus angehürt, wie das
aus Ac. post. I § 28 klar und deutlich hervorgeht: partes atitem
esse mündi omnia, quae insint in eo, quae natura sentiente
teneantur in qua ratio perfeet a insit (und von dieser natura
scnticns wird dann im folgenden gesagt, dass sie Gott ist).
Alle vier Naturstufen werden im Sinne des Antiochus
erst § 85 aufgezählt (von quae enim classium an). Der Hinweis
auf Flotto und Heer kennzeichnet das Schaffen des Menschen,
der dritten Stufe der Natur. Mit rtirsus ut ea, quae natura
vffieit2), eonferamus, quae procreatio vitis aut arboris, quae
porro animantis figtira conformatioque membrorum weist Cicero
auf die zwei (§ 82) genannten unteren Naturstufen, auf die
Pflanzen- und Tierstufe, zuriick; er stellt also um. Mit nalura
sentiens wird dann die höchste Stufe (eorum, qui natura boni
sapicntesque gignuntur nach § 34), die Stufe der Götter, be
zeichnet. Nach lleinhardt (K. u. S. S. 93) soil § 85 ein Mon
strum sein. ,Eine Flotte eine Naturschöpfung!', ruft er aus.
Ich halte den Satz fiir ganz vernünftig: Heer und Flotte sind
eben Schüpfungen der dritten Naturstufe, der Menschennatur.
Auch Heinemann (II 191) findet in diesem Satz nur ,Unsinn'
und hiilt deshalb eine einigermassen ,ernsthafte' Quelle fiir
ausgeschlossen. Ach ja, Cicero hat an dieser Stelle recht, das

') L. li. spriclit ilcinoiniinu II S. 18!) vom ,orthodoxon' Uegriff oiner


tialtira senticns.

') Kino Natur. dio bloss Pflanzon und Tiere hervorbrilchte, gibt
es jagar niclit. Ciccro mcint eben : ,um lioch einmal daranf hinzti
wciscn, was die boiden obongonannton Naturstufen liervorbringen'.

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Die drei kosmol. Systome in Cicoros Sclirift lib. d. Wcsen d. Gutter 185

Schaffen der Menschen ist wirklich nur unvollkonlnienes Stiick


werk! Wenn Cicero sagt, das Schaffen der unteren drei Natur
stufen halte keinen Vergleich aus mit der Kunstfertigkeit des
Kosmos, so ist der Kosmos hier natiirlich Objekt, nicht Sub
jekt des Schaffcns. Man sieht, wir haben hier die Lehre dcs
Antiochus, die mit dem, was wir bisher von ihm gehört haben,
im schönsten Einklang steht.
Durch allerlei Textveränderungen suchen Roinhardt (K.
u. S. S. 100 f.) und Heinemnnn (II S. 189 f.) § 82 und 83 f.
unter einen Hut zu bringen. So sugt der letztere: ,Mit vollem
Recht erklärt Ileinhardt ein Leben durch die Kunst fiir un
möglich.' Aber warum denn unmöglich? Sind Blumen des
halb etwa Papierblumen, d. h. Kunstprodukte, weil sie durch
die Kunst der Natur und zwar der als Lebewesen gedachten
Natur geschaffen sind? Nur deshalb unmöglich, damit das
Vorurteil von der vernunftlosen Natur sicli durchsetzen kann?

Nachdem Reinhardt und Heinemann mit aller Kunst alien


Geist aus § 83 f. hinausdestilliert haben, bleibt denn freilich
nichts anderes als ein entgeisterter, gottverlassener Rest iibrig.
Lassen wir ihn auf sich beruhen und halten wir uns an das,
was Cicero sagt. Der Abschnitt 83 f. hängt nicht mit § 82
inhaltlich zusammen. Vielmehr setzt Cicero dem Naturbegriff
des Antiochus (§ 82) den stoischen Naturbegriff, und zwar
den des Panätius, entgegen (§83f.). Für den Stoiker wirkt
die kiinstlerisch schaffende Natur nicht nur in der organischen
Welt, wie im Baum und im Lebewesen, sondern auch in der
anorganischen, in den Elementen. Die Erde ist aber nicht
nur die lebendige und lebenspendende Mutter der l'flanzen
und Lebewesen, sondern sie nährt auch die Luft, den Ather
und alle Ätherwesen (eiusdemque exspiralionibus ct aer alilur
et aether ct omnia supera), wie anderseits sie wieder von oben
ernährt wird. Auch die Luft ist fiir den Stoiker kiinstlerisch
schaffende Natur (ipseque aer nobiscum videt, nobiscum audit,
nobiscum sonat; quin eliam movetur nobiscum). Auf dem bo
ständigen Übergang dfer vier Elemente ineinander beruht die
Beständigkeit der Welt. Auf dem Wege hinauf entsteht aus
der Erde das Wasser, aus dicsem die Luft und aus der Luft

der Ather; auf dem Wege hinab entsteht aus dem Äther die
Luft, aus dieser das Wasser und aus diesem wieder die Erde.
Aber mit keiner Silbe ist da etwas gesagt von einem Über
gewicht des Äthers über die anderen Elemente, der Kreislauf

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180 I'll. Finger

der Elemente erfährt oflfenbar keine Unterbrechung, wie sie


durcli die Ekpyrose bedingt ware; die vier Elemente sind
oflfenbar ewig gedaclit, sie lialten sich in ununterbrochenem
Gleichgewicht: ct cum quattuor genera sinl corpomm, vicissi
tudine eorutn mundi continuata nalura est. Aus dieser Lehre
kann nur die Ewigkeit der Welt gefolgert worden sein und
diese scheint denn auch das Thema des ganzen Abschnitfces
zu sein. Aber der Autor dieser Lehre ist nicht Posidonius,
wie Keinhardt ineint, sondern Paniitius. Insofern liat Heine
inann (II S. 200), wenigstens was diesen Abschnitt anlangt,
rcclit; unrichlig ist nur lleinemanns Annahme einer vernunft
losen I'hysis. Aber kauin vermeinen wir festen Boden unter
den Fiissen zu liaben, so gerät alles wieder ins Schwanken
durch ein Anhängsel, das nur allzu deutlich die übermalende
Hand Ciceros zeigt (§ 85): aut ccrte perdiuturna, pcrmanens
ad longinquum ct immensum paene tempus; aber wo zeigt sich
in der ganzen Beweisfiihrung auch nur der geringste Anhalts
punkt liir eine niclit ewigc Dauer des geschilderten Natur
prozesses ?

I)er kurze § 86 (bis nutricatur ct conlinet)


Abschnitt
stammt aus Paniitius.
Hier ist der Kosmos wieder Subjekt,
nicht wie für Antiochus Objekt des Schaffens, und die Welt
regierung wird nach der aus § 35 f. uns bekannten Weise
des Panätius aus der alluinfassenden Natur des lebendigen
Kosmos bewiesen. Wieder wird wie § 32 der Kosmos und
seine Glieder mit dem Menschen und seinen Gliedern ver
glichen und die grössere Vollkommenheit des Ganzen gefolgert.
Der lebendige Kosmos wird ais Vater oder Sämann gedacht
(seminator, sator, parens, educator, altor); er hat nicht nur

Teile, sondern alle einzelnen Dinge sind organisch, d. h. lebens


voll, mit dem Gesamtorganismus verbundene Glieder. Gerade
liierauf beruht der Unterschied
zu dem folgenden antiochi
schen Abschnitt, der § 8(i mit quodsi mundi partes natura ad
ministrantur beginnt und bis 87 sensu modcrante divinaque
providentia reicht. Antiochus spricht nicht von Gliedern,
sondern nur von Teilen, weil er den Kosmos niclit als einen

lebendigen Leib betrachtet. Der Weltbaumeistor hat fiir ihn


don seinein Wesen fremden StolT zu cinem harmonischen,
durch seinen Nutzen und seine Schönheit sich auszcichnenden
Gan/.en geschalfen. Wie hier ist auch Ac. post. I 29 Golt als
der Weltordncr gedacht, der alles nach verniinftigen Gesetzen

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Die droi kosmol. Systemo in Cicoroa Sclirift lib. d. Wosen il.Güttor 187

geformt und eingerichtet hat. Ileinemann (II S. 193) ruft bier,


wo uns die Lehre des Antiochus so klar und dcutlich wie
nur möglich entgegentritfc, den stets gefälligen Ciccro zu Hilfe,
damit er den Erklärer aus der fatalen Lage bcfreie, in die
er sich durch sein Vorurteil, Antiochus habe von Metaphysik
nicht viel wissen wollen, selbst gebracht hat; er sagt: ,Jeden
falls ist wieder deutlich, dass Cicero den stoischen Standpunkt
in der Richtung verbiegt, nach welcher der Angriff des Gegners
ging'. Wer verbiegt da, Cicero oder der Erklärer V
Voh § 87 si iifitur meliora sunt ea an bis 88 Schluss
schöpft Cicero wieder aus Panätius. Der Kosmos ist im
Gegensatz žu Antiochus wieder pantheistisch ais Yater aller
einzelnen Dinge gedacht (de mundo, cx quo et oriuntur ct
Hunt omnia; der Unterschied von Posidonius bcruht vor allem
auf der
hier, wie auch § 80, gelehrten Überlegenheit der
göttlichen Vernunft (ratione ct mcnte divinu). Posidonius würde
zwar auch von divina men te sprechen, aber nicht von divina
ratione (vgl. § 78). Das verniinftige Schaifen des Kosmos wird
aus dem vernünftigen Scliaffen des Menschen, ais eines Gliedes
oder Teiles des Ganzen, erwiesen (Bildhauerei, Malerei, Schiff
fahrt, Sonnenuhr, Wasseruhr, Sphära des Posidonius und des
Archimedes [Posidonius ist natürlich von Cicero eingeführtj).
Der folgende Abschnitt (§ 89 und 90) stammt aus Antiochus.
Gott ist nicht inehr der Kosmos selbst,1 sondern der in der
f
Sternenwelt wohnende Baumeister und Lenker der Welt.

§ 76—90 enthält eine Auseinandersetzung


Der Abschnitt
über das Weltregiment. In der llauptsache sind Bruchstiicke
aus der pantheistischen Lehre des Panätius und aus der
dualistischen des Antiochus ineinandorgearbeitet. 1'osidonius
kommt nur in dem kurzen Abschnitt über den Vernunftstaat

der Götter und Menschen (§ 78 f. bis dejluerc potucrunt) zu


Wort, sowie in dem kurzen Hinweis auf die lange, aber nicht
unendliche Dauer des Kosmos in seiner jetzigen Gestalt (§ 85).

5. Die Schönheit der Wclt.


Das Bruchstück icli zunächst, weil es
§ 91 f. übergehe
-an anderer Stolle muss.
eingefügt werden Der Abschnitt
§ 93—97 enthält, wie Cicero selbst § 94 sagt, den 1'reis der
Schönheit des Himmels. Eingeleitet ist dieser Preis durch
eine Polemik gegen die epikureische Lehre vom Zufall ais
dem aller Dinge. Den Schluss des Ganzen bildet
Schöpfer

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188 Ph. Finger

cin Hinweis auf die


segensreiclie, auf die Erhaltung aller
Dinge gericlitete Wirkung des Himmels. Heinemann (II S. 194)
meint, Cicero habe hier suo Marte gearbeitet. Aber seine
Griinde sind niclifc stichhaltig. Man kann sich nicht über
Wiederliolungen wundern, da Cicero ja aus drei Quellen
schriftcn schöpft. Freilich hat Cicero im Anschluss anAntiochus
§ 85 von der Überlegenheit des göttlichen Wirkens iiber das
SchafTen des Menschen und der geschaiTenen Natur gesprochen.
Aber während dort aus der höheren Kunst, die sich in der
Ordnnng des Kosmos manifestiert, auf das Dasein einer
vicrten Stufe, der natura sentiens, geschlossen wird, wird
hier auf der Basis der dort erwiesenen höchsten künstleri
schen Meisterschaft weiter geschlossen, dass die Welt, ein so
vollendetes Kunstwerk, noch viel weniger darch Zufall ent
standen sein könne ais ein Kunstwerk des Menschen, wie
z. 13. die Annalen des Ennius, eine Säulenhalle, ein Tempel,
ein llaus oder eine Stadt. Und § 87 f. kämpft Cicero mit
den gleichen Mittcln wie hier gegert die Lehre vom Zufall,
aber, wie ich festgestellt habe, im Anschluss an Panätius.
Eben die Wiederholung legt doch den Anschluss Ciceros an
einen anderen Autor nähe. Posidonius kann hier nicht in
Betracht kommen
wegen der Lehre von der Ewigkeit der
Stcrnenwelt, der wir in dem Zitat aus Aristoteles begegnen
(in omni actcrnitatc ratos immutabilesquc cursus § 95) und
wegen der Lehre von der Überlegenheit der göttlichen Ver
nunft (t? 97 quin ea turn solum ratione fiant, sed ctiam ex
cellent i, di vina que ratione). Also steht nur noch die Wahl
frei zwischen Panätius und Antiochus, die sich beide zu den
genannten Lehren bekannt haben. Aber was lehrt Panätius
iiber die Wirkung der vicissitudines anniversariae cacli, also
der vier Jahreszeiten, und wafe steht hier? Panätius führt
auf sie die Anfänge und Ursachen aller Dinge in Land und
Meer zurück (initia causaeque omnium, quae terra mari
quc gignuntur $ 49). Hier aber lesen wir § 97: conjicientem
vicissitudines anniversarias cum summa salute et conser
vation e rerum omnium. Beide Lehren sind grundverschieden.
Gewiss wird Panätius aus dem verschiedenen Stand der Sonne
neben den
Anfängen und Ursachen
Dinge auch ihre aller
Erhaltung und Wohlfahrt abgeleitet haben, aber dor Autor,
der i; 97 zu Wort kommt, fiihrt nur die gedeihliche Fort
cntwicklung und die Erhaltung, nicht aber dio Anfänge und

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Die drei kosmol. Systomo in Ciceros Schrift lib. d. VVcsen d.Gutter 189

Ursachen auf die


segensreiche Wirkung der Sonne zurück.
Also kann liier nur ein Autor in Frage koroinen, der die
Anfänge und Ursaclien der Dinge einer andereu Macht zu
schreibt. Und das ist Antiochus, der die Anfänge und Ur
sachen aller Dinge auf das Wirken der natura sentiens, der
Geistnatur, zuriickfiihrt. Man sielit, Heinemanns Vorwurf der
Leichtfertigkeit (II S. 194) trifft Cicero nicht. Ich bewundere
eher die Kunst, mit der es Cicero versteht, den Leser und
audi die Erklärer beziiglich seiner .Arbeitsweise' hinters Liclit
zu fUliren.

Im folgenden (c. 39) spricht Cicero iiber die Schonheit


der Erde und zwar im Anschluss an Panätius. l'osidonius
kann schon deshalb nicht in Betracht koinmen, weil liier die
Gravitation der Erde nach ilirem Mittelpunkt ganz anders
begriindet wird, als dies Posidonius tut. Dieser lehrt eine
allgemeine Gravitation des ganzen Kosmos nacli dem Mittel
punkt der Erde und begriindet dies mit den Worten: quod
facit ea natura, quae per omnem mundmn omnia mente et

ratione conficiens funditur $ 115). Diese Natur ist olVetibar


die posidonische Ätherkraft, die durch alles, sogar das kleinste
Steincben, hindurchgeht. Dagegen wird § 116 f. eine von jeder
anderen Kraft
unabhiingige, selbstiindige Gravitation aller
Weltkugeln nacli ilirem eigenen Mittelpunkt gelehrt (ipsae
per se atque inter se continentur). Aucli die Luft wird niclit
etwa von dem Mittelpunkt der Erde angezogen, bzw. vom
Äther in diese Richtung gedrückt, sondern es heisst § 11G
se ipse fundit. Wenn Reinhardt (K. u. S. S.174f.) beide Arten
der Gravitation dem l'osidonius zuschreibt, so scheitert diese
Ansicht daran, dass für diesen die Attraktion der Weltkugeln
nacli ihrem eigenen Mittelpunkt auch wieder Wirkung der
aucli durch sie >iindurchgehenden Ätherkraft ist, § 116f. aher
wird die Selbstiindigkeit und Unabhängigkeit dieser Gravi
tation der Weltkörper nach dem eigenen Mittelpunkt gelehrt.
Reinhardt berücksichtigt immer wieder den Satz aus l'osido
nius ex mündi ardorc molus omnis oritur.
nicht: Oder ist
Gravitation keine Bewegung? Wenn es also im Anfang von
c. 39 von der Erde heisst: ipsa in scse nutibus suis conr/lo
bata, so ist das die Lehre des l'aniitius von der selbstiludigen
Gravitation aller Weltkörper nach ilirem Mittelpunkt. l)ann
ist aber Panätius aucli der Autor, aus dem Cicero den ganzen

Abschnitt genommen hat. Zu ilim passt auch dio auf das

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1 IM) Ph. Fingor

Diesseits beschränkto Auffassnng vom Beruf dcs Menschen,


wio wir sie >; 99 lesen: qui quasi cultores tcrrae constituti.
Er hat ja an ein Fortleben des Menschen nach dem Tode
nicht geglaubt. Wio ganz anders fasst Antiochus den Beruf
des Menschen Tusc. I 70 auf! Aucli dort wird der Mensch
ais cullor
bezeichnet, aber ais cultor deorum und ais con
tcmplator cacli. Alinlich Antiochus anch de nat. deor. II 140:
sunt enim ex terra homines non nt incolae atque habitatores,
sed quasi spectator es super aruni
atque caelestium, reruni
quaruni spcctaculnm ad nullum
aliud genus animantium
pertinet. Natürlich: denn der Himmel ist ja für Antiochus,
da er an die Präexistenz der Seele glaubt, die ursprüngliche
Heimat Und noch weiter ais Antiochus geht
dcs Menschen.
Posidonius, der nicht nur die dei\kende Betrachtung des Him
mels und des ganzen Kosmos verlangt, sondern auch die
Nachahmung (§ 37; vgl. auch Tusc. V 70). Wie an unserer
Slello der Beruf des Menschen auf das Diesseits beschränkt
ist, so auch do off. I 22, wo cs im Sinne des l'aniitius heisst:
homines hominum causa esse generatos (auf den Beruf des
Menschen als cullor tcrrae weišt hier der Satz hin: quae in
tcrris gignantur, ad usum hominum omnia creari). Mit der
Lehre des Paniitius von dor Überlegcnheit der göttlichen
Vernunft iibcr die menschliche stimmt in unserem Abschnitt
auch der Zusatz divina bei ratio iiberein § 99. Man braucht
nur etwa § 115 (quae noil, modo id Jierent, ratione eguerunt)
7.u botrachten, urn den Gegensatz zu Posidonius, der nur von
ratio spricht, weil er an dio Gleichheit der göttlichen und
der menschlichen Vernunft glaubt, herauszufinden. Nur neben
bei sei erwähnt, dass der Sat?: § 100: ut una cx duabus
naturis cov/lata videatur auf den engen der
Zusammenhang
Elemente hinzudeuten scbeint, wie er im Sinne des Panätius

S 84 geschildert ist.
Der Abschnitt c. 40—44 stammt (natiirlich mit Ausnahme
der Aratiibersctzung) aus Posidonius. Für ihn kennzeichnend
ist dio Lehre vom Ather (= Ilimmel), die uns gleich am
Anfang dcs Abschnittes entgegentritt: restat ultimus ct a
domiciliis nostris altissimus omnia cingens ct cocrcens cacli
complcxus. Diese Lehro ist die niimliche, der wir § 32 schon
begegnet sind. Ciccro liisst dort von dem Äther alle Be
wegung im Kosmos ausgelien; hier lässt or den Äthor alles
umschlicssen und ,in Schranken haltcn'. Beide Male denkt

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Dio drei kogmol. Systeme in Ciceros Sclirift lib. d. Woson d. Göttcr 191

sich der Autor der Quellenschrift den Ather als Ilegemonikon


des Kosmos. Fiir Panätius bilden das Hegemonikon ofl'enbar
die Sterne, iiber denen naeh § 44 keine höhere Macht steht,
und vor allem die Sonne, die nacli § 49 den Prinzipat iiber
die Sterne innehat1). Fiir Antiochus ist das Hegemonikon
die natura sentiens, die Geistnatur, die in den Sternen ihren
Wohnsitz hat. Also ist Positlonius die Quelle für unseren
Abschnitt. Wenn Reinbardt (K.u.S. S. 156.1) behauptet, die
posidoniscbe Betrachtung iiber dio Scliönbeit der Welt soi
ausgefallen, so gilt das nur fiir die Erde; den Abschnitt iiber
diese hat Cicero aus
Panätius genommen. Warum soli Posi.
donius nicht auch
von einetn bewunderungswürdigen Schau
spiel gesprochen haben, wenn er sich doch in cinem beson
deren Abschnitt (nach § 58) iiber die Schönheit des Kosmos
verbreitet hat? Und wenn er die contemplatio mundi sogar
in seiner Telosformel gefordert hat, so darf diese Betrach
tung neben der Belehrung doch wohl auch dem Genuss dienen?
Posidonius betrachtet in Wirklichkeit die Welt in dem Masse
ais Ästhet, dass er es sogar noch nach dem Tode als einen

Hauptgenuss der Seele betrachtet, das himmlische Schauspiel


zu geniessen (Tusc. I § 47 quam mulla, qiiam varia, quanta
spectacula animus in locis caelestibus csscl habiturus;
§ 27—52 stammen aus Posidonius). Auch der Schluss von
c. 44 ist aus genommen, wie icli oben schon aus
Posidonius
der Tatsache, dass nur von ratio, nicht divina ratio gcsprochen
wird, erschlossen habe.
Die Abhandlung iiber die Schönheit des Kosmos, die von
Cicero zwischen die Erörterung der Weltregierung und die
der Welterhaltung (letztere von c. 45 an) eingeschoben ist,
setzt sich also aus drei, aus Antiochus, Panätius und Posi
donius Abschnittcn zusammen. Was insbesondere
genommenen
Panätius betrifft, so ersehen wir aus seiner Mitarbeiterschaft
bei dieser Abhandlung, dass dio auffällige Disposition § 75
von Cicero selbst in dieser Weise zusanimengestellt ist; tlenn
Punkt 3 der Dispositiön, die Bewunderung der irdisclien und
der himmlischon Dingc, gilt fiir Antiochus und Panätius
Und wenn auch Posidonius als Mitarbeiter bei
gemeinsam.
dieser Abhandlung auftritt, so können wir uns nicht dariiber

') Deslialb schroibt PaiWltius «loin vorseliiodcnon Stand dor 8011110

die und dio Ursachen aller Dingo in Land und Moor zu.
Anfflngo

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192 Ph. Finger

wundern; denn Punkt 3 der § 58 festgestellten, aus Posidonius


entnommenen Disposition betrifft ja auch die Schönheit dea
Ivosmos.

G. Ewigkeit der Welt oder poriod.ische Auflösung?


Die
Krage der
Ewigkeit der schon
Welt hat Paniitius
gestreift bei dem Nachwcis, dass der ganze Kosmos ein
lebender Organismus ist, dcssen ewige Dauer auf dem per
manentcn Kreislauf der Elemente beruht (§ 83 f.). Einen
zweiten Bewcis für die Ewigkeit der Welt stiitzt er auf die
Kugelform der Welt im ganzen und der grossen Weltkörper
im einzelnen. Wir begegnon ihm § 116f. Vergleichen wir
<len Anfang von c. 45 (115) mit § 116 f., so treten uns, wie
ich oben schon Icurz ge/.eigt habo, zwei ganz verschiedene
lichren von der Gravitation entgegen. Dort soil die Welt nach
ihrem Mittelpunkt, nach der Erde, gravitieren (omncs enim
partes eius undi que medium locum capessenles nituntur
acqualitcr). A Is die Ursache wird eine durch den Kosmos
wirkendeKraft angegeben (quod facit ea natura, quae per
omnem muudum funditur). Es ist die Ätherkraft des Posi
donius; sie bewirkt die
stoffliche, dynamische und geistige
Einheit des Kosmos.
Zwar sagt auch Panätius §84: quaeque
in medium locum mundi, qui est infimus, et quae a medio in
snperutn ...fcruntur, aber der Träger dieser Wechselwirkung
zwischen oben und unten ist nicht eine besondere Kraft, nicht
die Ätherkraft. Die Wechselwirkung ergibt sich für ihn schon
aus dem organischen Leben des Kosmos und aus dem e\rigen
Kreislauf der einander
gleichwertigen Für Posi Elemente.
donius hat der At her ein Übergewicht über die anderen Ele
mente, die Ätherkraft ist im kleinsten Steinchen noch wirk
sam, alles Leben, alle Bewegung hängt von ihr ab. Von einer
Ereiheit, einer freien Bewegung der Gestirnkugeln kann, wie
wir gesehen haben, fiir Posidonius keine Rede sein: ex mundi
ardore motus oninis oritur (i? 32). Wie alle Bewegung, so ist
auch die allgemeino Gravitation des Kosmos nach dem Mittel
punkt der Erde an die Ätherkraft gebunden. In denkbar
schärfstcm Gegensatz dazu heisst es §115: omncs eius paries
undique aequabiles (sic sind ja Kiigeln) ipsae per se atque
inter se conlinenlur. Jlier wird gelchrt: Die Gestirnkugeln
haltcn sich durch sich selbst, durch ihre eigene Kraft, zu
sammen. Wo bleibt, da die durch alles hindurchgehende

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Die droi kosmol. Systome in Cicoros Sclirift iib. d. Woson d.Uüttor 193

Kraft? Und das Nämliche soli auch bei der Erde der Fall
sein, auch sie soil sich durch sich selbst, durch ihre eigene
Kraft, zusammenhalten (contingere idem tcrrac necesse est).
Wo ist da Raum für die allgemeine Gravitation nacli dem
Mittelpunkt der Erde? Erde und Meer, heisst es liier, gravi
tieren nacli dem Mittelpunkt der Erde. Nun miisste doch,
wenn dieser Autor die allgemeine Gravitation leliren sollte,
auch die Luft nacli
dem Mittelpunkte der Erde gravitieren.
Aber was lehrt unser Philosoph? Die Luft, sagt er, steigt
ihrer Natur nach zum Himmel empor und ergiesst sicli per

se, d. h. auf Grund ihrer eigenen, ;ilso freien Natur, demnach

wegen ihrer Leichtfliissigkeit, in alle Zwischenraume. Also


ist hier wohl von einem ununterbrochenen Zusammenhang
die Rede, aber nicht von einer Attraktion oder Gravitation
nach dem Mittelpunkt der Erde. Eine solche wird durch die
Lehre von der freien, selbständigen Bewegung der Luft oline
weiteres ausgeschlossen. Die Gestirne hinwiederum ballen sich
durch das Streben ihrer Teile nacli dem Mittelpunkt zusani
men und bleiben durch ihre Bildung und Gestalt. im Gleich
gewicht. Das ist die Lehre des I'hilosophen, der § 44 oine
den Sternen überlegene Kraft lengnet und von ihrer Bcwe

gung sagt: sua sponte, suo sensu, sua divinitate movenlur.

Auch hinsichtlich ihrer Gravitation nacli ihrem eigenen Mit


telpunkt sind sie völlig unabhängig von jeder anderen Maclit;
sie sind für ihn Haupt.gottheiten, nicht wie fiir L'osidonius
Nebengötter. Wenn Reinhardt (K. u. S. S. J74 f.) beide Leliren
für vereinbar halt, so hat er nicht erkannt., dass bei der An
nahme durch alles hindurchgehcnden
einer Atherkralt, auf
der auch die allgemeine Gravitation des Kosmos nach seinem
Mittelpunkt bernhen soil, von irgendwelcher Freiheit der Ge
stirne hinsichtlich der Gravitation nach ihrem eigenen Mittel
punkt nicht mehr gesprochen wenlen kann. Und ebenso
kann sich die Luft kraft ilirer eigenen Natur bewegen,
wenig
wie doch der Autor dieses Abschnittes lehrt, wenn sie dem

Gesetz einer allgetneirien Anzicluing unlertan ware'). Audi

Heinemann (II S. 194) hat. diesen wiclitigen Unterschied in der


Lehre von dor Gravitation nicht, erkannt.

') Mu» kiinnto den GegonKatz zwisclion I'an.'ltiiis und I'osidoniiiK

in dieser kurz daliin hozoirlinim: In doni Knsinos di;s 1'aniltiiiK


Frago
liorrscht Freilioit dor eiuzolnon WoltkCrpur, in doin dos I'oHidonius

straffo Konznntration.

UUoin. Mus. f. Philol. N. F. LXXX. l«l

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194 Ph. Finger

Am Schlusse des Abschnittes aus Panätius (§ 117) weist


Cicero auf § 47 znriick, wo gesagt ist, dass die Kugelform
am passendsten sei; § 1' 1 Silgt e1' deutlicher, es könne der

Kugelform am wenigsten Schaden zugefiigt werden1). Ob aber


§ 47 aus Panätius stammt und etwa die Einleitung zu § 116
bildetc, liisst sich nicht, mit Bestimmtheit sagen. Es ware
audi möglich, dass der Abschnitt iiber Sonne und Mond §49f.
in der yucllenschrift die Fortsetzung von §116 und 117 bil
dete. Jedenfalls ist in dein Hruchstück aus Panätius (§ 1 lGf.)
alles angelegt auf den Heweis der Ewigkeit der Welt. Iin
folgenden (§ 118) wird von der Nahrung der Gestirne ge
sprochen und von der langen Dauer der Welt, nach Posidonius.
Nimmt man das Bruchstück aus Panätius, aus dem Zusam

mcnliang, in den cs nicht hineinpasst, heraus, so haben wir


die Ijchre des Posidonius von der langen Dauer der Welt.
Aber man vermisst den Nachweis
,allgemeinen' Gravi der
tation für die einzelnen Er steht §91f.; Weltteile.
dieses
Bruchstück bat mit dem des Panätius (§ 116f.) die grösste
Änlichkcit. Wieder ist von der Lage der Erde, der Luft,
des Athers und der Sterne die Rede, zum Teil mit ganz den
gleiclien Ausdriicken (vgl. § 91 amplectilnr immensus aether,
§117 quem complexa summa pars caeli, quae aetheria dici
lur). Aber boi Panätius lieisst es von der Luft 'per se fundit,
in dem Hruchstück § 91 f. felilt dieser Zusatz; und das ist
wesentlich. Wir haben hier offenbar die Fortführung des
posidonisclicn Beweises für die allgemeine Gravitation (§ 115)'
Von den Sternen lesen wir § 92; sie entstehen aus dein

Ather; also liegt liicr die Lehre des Posidonius zugrunde,


nach der die Welt geworden ist. Für Panätius ist die Welt
ewig; desbalb sagt er: in adhere astra volvunlur. Von den
Sternen wird in dem liruchstiick aus Posidonius gelehrt: sie
sind in ihrer Temperatur aufoinander wenn sie
abgestimmt;
ilire Plätze verliessen, miisste die Erde verbrennen. Also
bandelt es sich hier nm die Welterhaltung und das Bruch
stiick gehört in die Lücke zwiscben §115 und 118. Man
beach te, wie genau es sich cinfiigt. An das allgemeine Ge
setz der Gravitation (§115) schliesst sich der Heweis für das

') [Tnriclitig ist IiciiiMiianim


Auffasmmg (II S. 201): ,Dtircli ilio
knpolform kann dor Scliaden
£oriii{;6to
gostiftot werdon.' lift muss
natiirliel' lmisHon : Do r Kupolform kann am wonipsluii Roscliadot worden.
Ks null j.i die Kwigkoit dug Stonionlaufns bowieson werdon.

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Die drei kosmol. Systeme in Cicoros Schrift lib. d. Woson d. GiSttor 105

Ginzelne an, § 91. Von der welterhalteqden Wirkung der


feurigen Gestirne wird § 92 gesprochen; von ihrer Nahrung
§ 118. Aus dem Überschuss der aus der Erde herausgezogenen
Nahrung wird dann die nicht ewige Dauer dor Welt erschlossen.
So ergibt sich ein ununterbrochener Zusammenhang.
stiitzt also an den besprochenen Stellen seinen
Posidonius
Beweis für die iiberaus lange Dauer der Welt in ihrer jetzigen
Form a) positiv, in welterhaltendem Sinne, auf die allgemeine
Gravitation des Kosmos nacli dem Mittelpunkt der Erde und
auf die gegenseitige Abstimmung der Temperatur der Gestirne,
b) negativ, in weltzerstörendem Sinne, auf den Überschuss
der von der oberen Welt aus der untcren herausgezogenen

Nahrung. Panätius stiitzt seinen


Ewigkeit Beweis für die
der Welt § 116 f. 1. auf die Gravitation aller Weltkörper, ein
schliesslich der Erde, nach ihrem eigenen Mittelpunkt, 2. auf
die vollkommene Anpassung der Kugelform der Gestirne an
ihre Bewegung, 3. auf die Unabhängigkeit der grossen Welt
körper von einer iiberlegenen Macht. Kinen zweiten Beweis
stiitzt er § 83 f. auf den freien Kreislauf der Elemente, auf
die Kreisbewegung der Gestirne (vgl. § 47 das Lob der Kreis
form) und auf die Annahme, dass die Teile der Welt loben
dige Teile des göttlichen Weltorganismus sind.
Antiochus kommt § 11*.) zu Wort. Wir haben geselien,
dass ij 51—55 tatsächlich die ägyptische Planetenliste
vorlicgt.
Auf sie weist wieder § 119 der Satz: infra Marieni duac Soli
oboediunt. Demnach sind Merkur und Venus liier als Trabanten
der Sonne aufzufassen; § 119 stammt aus Antiochus. Dieser
spricht wie Posidonius (§ 92) von der gegenseitigen Abstim
mung dor Temperatur der Gestirne (Paniitius hat dieses Thema
nicht). Daraus wird auf die Unversehrtheit der Welt ge
schlossen (consentiens ad mundi incolumilulcm), also auf die
Ewigkcit dor Welt. Natürlich ist dieser Beweis nicht allein
Wenn ich Umschau lialte, welclien anderen con
gestanden.
sensus Antiochus noch herangezogen haben könnto, so sclieint

mir am besten hierher zu passen die aequabililas molus con


stantiaque ordinum dor Gestirne sowie der Iiinweis auf die
der Stcrnenwelt, wovon § 48 f. gesprochen wird.
Kroisbewegung
Dieser Abschnitt scheint ein Bruchstück aus eineni Beweis
für die Ewigkeit der Welt zu sein (vgl. auch spaliis immuta
bilibus; nullum umquam cur sus sui vestigium inilectat). (lehört
dieser Abschnitt wirklich hierher, dann hütte Antiochus seinen
13*

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100 Ph. Fin per

Beweis fiir die Ewigkeit 1. auf die Kugelform der


dcr Welt
Wclt und der Gestirne gestiitzt, 2. auf die Kreisbewegung,
3. auf die gegenseitige Abstimmung der Temperatur der Ge
stirne. Dagegen nimmt Antiochus keinen materieilen Träger
dcr Gravitation an, im Gegensatz zu Panätius') und Posi
donius. Kiir ilm bii.lt die nalura sentient den Kosmos zu
samiiien (§ 87 vidcamus, ulrum ea forluitane sint an en statu,

quo cohaerere nullo modo poluerinl nisi sensu mailer ante


divinaquc providential vgl. Ac. post. I 28 partes anient
esse mundi omnia, quae insint in co, quae nalura sen
tie tile leneantnr).

7. Die Vorsehung Gottes fiir die irdischen Dinge.


Audi iiber die Vorsehung
der Abschnitt fiir die Erde
und ihrc Geschöpfe (§ 120—132) zeigt, dass Cicero aus drei
Autorcn schnpft*). Was zuniicbst § 120—127 anlangt, so ist
liicr dreimal vum Sclmtz dcr Tiere die Rede und jcdesmal
liegl cine sclbstiindigc Priigung des Gedankcns vor. § 121
lesen wir: alias esse cornibus armatas, alias habere effugia
pennarum; § 126: qnanto se opere custodiant besliae, id in
paslu circnmspeclcnt, ul in cubilibus delilescant; §127: iam
ilia cernimus, id contra, vim et meluni suis se armis quaeque
defendant, cornibus lanri, apri denlibtis, morsu leones; aliae
Juga se,. aliae occultalionr. tutanlur. Cicero hiingt allcs an
den Ilakcn dcr admiralio, aber sichcr ist die Bewnnderung
dcr irdischen Dinge niclit der einzige Gesichtspunkt gewesen,
untcr dem der Stuff in den Quellcnscliriften bchandelt war.
Auf mcbrcrc Quellcnscliriften deutct auch die isolicrtc Stol
lung des Bruolistiicks S 124 bis Scliluss von c. 48. Es Imndclt

von eincm angeborenen Triebe zur Erhaltiing der Eigenart


und ist von Cicero in die spanisclien Stiefel der admiratio

') Für dioscn ist dor Trilgor dor Gravitation nattlrlich dio Matorio
dor Woltkörpcr; an
Stollo dor allgoineinoii Gravitation im Sinno des
1'osidonius tritt boi ilim dor froio Willo dor Gostirngöttor (§ 43 f.).
') Koinbardt (K. u. S. S. 1(i!)) und lioinomnnn (II S. 196) betr.iclit.on
don Absrhnitt ata oino Kiuhoit; sio sind sich nbor niclit oinig darllbor,
oli 1'osidonius odor I'aniitius Cicoros Quollo ist. Mir iBt iii diosom
Ahsclmitt mir daruin zu tuil, nac.bzuwoisoii, dass drei Quollonsclirifton
bciuitzt sind. Dio
Zutoilung im oinzolnon ist natllrlicli snlir unsichor.
Dosbalb möclitc io.li dio obigon Ausfflbrungcn inolir ais oinon Versucli
bolraolitot wisfsrn. oinon gangbnron Wop 7.11 findon.

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Dio droi kosinol. Syateine in Cicoros Schrift Ub. d. Woson d. Götter 107

hineingepresst; es passt seinem Inha.lt nach nicht im geringsten


za seiner Umgebung, wo von der Gewinnung dor Nalirung
die Rede ist. Offenbar gehört das Bruchstiick z« dem Ab
schnitt § 121, wo es heisst: animantium veto quanta varictus
est, quanta ad cam rem vis, ut in suo quaequc gencre per
mancat. Es scheint liier cingeteilt gewi:son /.u sein: Das

Streben nach Erhaltung geht 1. auf die Erhaltung dus cigcnen


Lebens, 2. auf das Verbleiben in der eigenen Art. Der Ab
schnitt § 121, der sicli um die erstmalige Envilhnung des
Schutzes gruppiert, macht den Eindruck eines geschlossenen
Ganzen, das mit dem unmittelbar folgonden Satz, in welchem
davon gesproclien wird, dass die Tiere einen inneren Trieb
besitzen, die ihnen naturgemiisse Nalirung aufzusuchen, nichts
zu tun hat. Denn wenn man, wie es § 121 geschielit, sagt:
Die Natur hat den Tieren reichliche Nalirung bereitet, die
ihrer Natur gemäss ist, so ware es doch albern, gleich darauf
zu betonen: Die Tiere besitzen audi einen inneren Trieb, die
naturgemässe Nahrung aufzusuchen. Wenn Cicero ferner auf

eine Schilderung der engen Beziehung des Kürperbaus zu der


Art der Nahrung kurz hinweist mit den Worten enumerate
possum (ich könnte aufzälilen), so ist es doch im höchst.on
Grade unwahrscheinlich, dass dann trotzdem nocli eine so
ins einzelne gehende Schilderung aus der nämlichen Quellen
schrift folgen sollte, wie wir sie $ 122 lesen. Diese Schilde
rung stammt aus einer anderen Schrift. Der Autor, aus dem

§ 121 entnommen ist, schildert den ilusseren und den inneren


Hau der Tiere, in der Absicht, den Körper des Tieres ais
ein bewunderungswiirdiges Kunstwerk zu erweisen, au dem

alles seinen bestimmten Zweck hat, an dem uichts zu wenig


Die Bewunderung
und nichts zu viel ist. ist echt. Sie richtet
sich mehr auf das Tier ais auf die Tiere. Dagegon könnte
man in den folgenden Abschnitten die admirutio eher ais
Verwunderung iiber die Seltsamkeiten im Lebttn der Ticro

auffassen. Beides nicht zusammen. Man kann sich nicht


passt
vorstellen, dass diesei- Autor die K-unsl im Weltbau iiber
die Kunst im Bau der Tiere gestellt haben könnte, wie ütwa
Antiochus § 85. Und wenn in dieser Quellensclirift nach Giceros
Andeutungen der Innenbau der Tiere bis ins einzelne geschil
dert war, so orinnert das an die analoge Schilderung des
Menschen (c. 54 f.), die, wie lteinhardt richtig gesehen hat,
aus Posidonius entnommen ist. Und ebenso scheint $ 121

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1U8 I'll. Fingor

zusammen mit 124 bis c. 48 Schluss aus ilmi zu stammen.


Aber das übrige, zum Teil höchst
klingende abenteuerlich
Material hat rait ilmi niclits zu schaffen, so wenig Verwun
dorung iiber die Seltsamkeiten eines Haritätenkabinetts der
cchten Bewunderung eines wirklichen Kunstwerkes gleichzu
stellen ist.
Dagegen stammt der erste Satz von § 122 sicher aus
Antiochus. Man vergleiche:
§ 33 (aus Antiochus). § 122.
ltesliis uuteni sensum et Dcxlil atiletn cadem naltira

mohim dcdit et cum quodarn bcluis et sensum


ct appetitum,
appctitu acccssum ad res sa- ut allcro conatum haberent ad
lularcs, a pestiferis reccssutn. naturales pastus capessendos,
altero secernercnl pestifera a
salutaribus.
Antiochus erörtert im folgenden die nahe Beziehung, die
zwischen den körperlichen unrl seelischen Eigenschaften der
Tiore und der Art der Nahrung bezw. Gewinnung der Nahrung
besteht, fcrner die Unterscheidung des Heilsamen und des
Schiidlichen. Aber es macht sich dazwischen noch ein zweiter
Gcsichtspunkt geltend, es wird zwischenhinein das Gemein
schaftsleben dor Tiere in Kampf bzw. friedlichem Zusammen
wirken sowohl in llinsicht auf die Gewinnung der Nahrung
als auch auf das Leben im ullgemeinen betrachtet. Beido Be
trachtungsweisen ermöglichen es, die Grenzen fiir den Inhalt
zweior verscliiedenen Qtiellenschriften zu ziehen, wobei sich
auch die Beobaclitung der ltoilienfolge der Elemente, in denen
die Tiere leben, ais förderlich erweist. Nachdem Cicero fest
gestellt hat, dass den Tieren, die sich von anduren niihren,
Kraft und Schnelligkeit verliehen ist, er auf die seeli
gelit
sclion Eigenschaften über und spricht von der Kunstfcrtigkeit
und List, die manchen Tieren gegeben ist. Zuniichst nennt
er als Hcispiel die auf der Erdo lebende Spinne. Wenn er
dann zur Steckmuschel und dem Pinnenwiichter iibergeht, so
ist das ein an und fiir sich ganz berechtigter Fortschritt vom
Land zum Mcer, aber es findet sich da ein auffiilliger Go
dankenbruch. Hei der Steckmuschel und dem Pinnenwiichter
handelt es sich nicht um eine Kunstfertigkeit odor List,
sondern um ein gemeinschaftlichcs Zusammenwirken zweier
Tiere, also
um ein ganz anderes Thema; und dieser Über
gang ist mit keinem Worte gekonnzeichnet. § 124 bis c. 48

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Die drei koamol. Systemo in Ciceros Sclirift lib. d. Woson d. Gottor I'J'J

Schluss gehört, wie gesagt, zu Posidonius, also in einen dritten


Zusammenhang. Bei dem Pelikan, der dann c. 49 genannt
wird, ergibt sicli ein Fortschritt von dem Meer zur Luft nnd
das Bcispiel beleuchtet wieder das Gemeinschaftsleben, dies
mal natiirlich in negativem Sinne, durch Kampf jagt ein Tier
dem andern die Beute ab. Dieses Beispiel soli den Gegensatz
bilden zu dem von der Steckmuscbel und dem Pinncnwiichter.
Das zweite Beispiel vom Pelikan stelll inlialtiich wieder einen
Gedankenbruch dar. Trot/dem hier vom nämliehen Tier
gesprochen wird, soli damit nicht das Gemeinschaftsleben
beleuchtet werden wie bei dem ersten Beispiel vom Pelikan,
sondern es bandelt sich wieder urn einen KunstgrilT und zwar
diesmal um einen solchen der Natur selbst. Das Tier ver

schlingt Muscholn, erhitzt sie im Körper, speit sie wieder


aus und kann nun bequem das Geniessbare auslesen. Damit

rüekt das zweite Beispiel inhaltlich in eine Reihe mit der


ebenfallsniit machinatio ct sollertia
begabten Spinne. Das
folgende Beispiel vom Meerfrosch passt schon wegen des Ele
ments, dem es angehört, nicht in den Zusammenhang hinein.
Wir lyitten bisher Erde (Spinne), Meer (Steckmuscbel), Luft
(Pelikan); und jetzt kommt mit dem Meerfrosch wieder das
Meer. Es louchtet ein, dass so in der Quellenschrift nicht
disponiert gewesen sein kann. Auch bandelt es sich beim
Meerfrosch nicht um ein Gemeinschaftsleben. Vielmehr hiingt
dieses Beispiel inhaltlich mit dem von der Spinne und mit dem
zweiten Beispiel vom Pelikan zusammen; denn es bandelt sich
beim Meerfrosch auch wieder um eine machinatio c.t sollertia,
womit er seine Nahrung gewinnt. Inhaltlich gchören also
diese drei Beispieie in eine lleihe. Dann stimmt auch die
Heibenfolge der Elemente: Erde (Spinne), Luft (Pelikan), Meer
(Meerfrosch); vielleicht hat Cicero Meerfrosch und das zweite
Beispiel vom Polikan umgestellt, so dass die Ueihenfolge in
der war: Luft — Meer
Quellcnschrift Erde, Meer, Spinne,

frosch, Pelikan. Dann folgt wieder bei Cicero das Element

Luft mit den Beispiel'en vo"m Weill und Kaben, fcrner den
Kranichen. Diese beziehen sich wieder auf das Gemeinschafts
leben, auf Kampf oder fricdliches Zusaminenwirken, und zwar
hier nicht mehr beim Nahrungserwcrb, sondern beim Leben

im allgemeinen. Deshalb gehören diese zwei Beispieie zu


sammen mit dem von der Steckmuscbel sowie dem ersten vom

Pelikan. Dann stimmt auch bier die Ueihenfolge der Ele

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200 Ph. Fingnr: Dio drei koainol. SyBtomo in Ciceros Sclirift etc.

mcnte: 1. Wasser, 2. Luft. Offenbar hat Cicero aus Ver


dunkelungsabsichten (iie
lieispiele fiir die Erde aus dieser
Quellenschrift weggelassen, dafiir bringt er als Beispiel fiir
die Erde das von der Spinne, das aus der anderen Quellen
schrift starnmt. Die Beispiele aus denti Gemeinschaftsleben
linden ihren Abschluss in dem zweiten Hinweis auf den Schutz
der Tiere § 126 (quanlo sc opcrc custodiant bcstiae, ut in pastn
circumsyecle.nl, ut in cubihbus dclitcscant. Davon zu trennen
ist der dritte Hinweis auf den Schutz der Tiere § 127. Dieser
liiingt eng zusamincn mit dem c. 50 (Anfang) erwähnlen Streben
der Tiere nacli dem lleilsamen bei Verdauungsstörungen, bei
Verwundungen und beim Gebären. Da cs Antiochus ist, der
§ 122 den Tieren oin Unterscheidungsvermögen für das Heil
same beilegt, da ferner das geineinschaftliche Zusauimenwirken
mit anderen Tieren doch wohl nicht als ein IJnterscheiden
des lleilsamenbezeichnet werden l<ann, so muss dieser Schluss
abschnitt, der in dem dritt.cn Hinweis auf den Schutz der
Tiere § 127 gipfelt, aus Antiochus stammen. Dann aber ge
liört alles, was übor das Gemeinschaftsleben, sei cs in Kampf
odor Friedtfii, ges.igt ist, der dritten Quellenschrift an, d. h.
Paniitius.
(Scliluss folgt.)

München. Phi
Philipp
lipp Finger.

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