Sie sind auf Seite 1von 10

Wohn- und Atelierhaus Jodat

WOHN UND ATELIERHAUS IN HALDENSTEIN, 1985 – 2016

Peter Zumthor lebt seit 1979 in Haldenstein. Sein Atelierhaus von 1986 bildet für ihn die Keimzelle eines kleinen
Architekturcampus aus mehreren Gebäuden. 2005 folgte das zweite Haus gleich daneben, ein Haus aus Beton, in
dem der Architekt arbeitet und wohnt. Gegenüber steht nun sein neues Atelierhaus von 2016. Es ist aus Glas. Holz,
Beton, Glas – das klingt nach Konzept, nach einem komponierten Ensemble. Ist es aber nicht. Die drei Häuser
haben genauso wenig miteinander zu tun wie mit jedem anderen Haus in Haldenstein. Und genauso viel. Jedes ist
aus einer eigenen Logik entstanden. « Früher musste ich mehr
kämpfen, in Haldenstein, heute nicht mehr. Mittlerweile bin ich hier Dreimal Atelier Zumthor in Haldenstein
1 Atelierhaus mit Garten ( Holz ), 1986
mit allen per Du, bin akzeptiert, die Haare sind auch nicht mehr lang.
2 Atelier- und Wohnhaus ( Beton ), 2005
Diejenigen, die im Bauvorstand sitzen, sind mit meinen Kindern in 3 neues Atelierhaus ( Glas ), 2015
die Schule gegangen. Das hat sich entspannt, und ich habe das
gerne.
»Das Dorf ist Zumthors zweite Heimat geworden. Seine drei Häuser
zeugen von der veränderten Zeit und von der wachsenden
Sicherheit des Architekten. Sie zeugen aber auch davon, wie sich sein
Verhältnis zum Dorf gewandelt hat: Die ersten beiden Bauten und
ihre Garten schlossen sich zur Gasse hin und gegenüber der
Öffentlichkeit ab. Das neue Glashaus zeigt dem Dorf sein Innerstes.
Sogar die Gasse wird Teil des Ateliers, indem die Mitarbeiter
zwischen den drei Häusern hin und her gehen. Im ehemaligen
Bauerndorf ist das ‹Gehöft Zumthor› einer der letzten Orte, an
denen gearbeitet wird. Und es trägt den Anschluss zur „Welt“ in die
Gemeinde mit weniger als tausend Einwohnern hinein. Das neue 3
Haus blickt über Haldenstein wie die Villen Hollywoods über Los
Angeles. Es inszeniert die Landschaft, wie es seinen Inhalt inszeniert.
Es ist nicht nur wunderbarer Arbeitsplatz, sondern auch Teil einer Gesamtinszenierung. Wenn die Bauherrschaften
aus Kalifornien, Seoul oder Malans hierherkommen, um von Zumthor den Planungsstand ihres Museums oder
Weinguts erklärt zu bekommen, wird ihnen die Bruchsteinmauer hinter Glas genauso Eindruck machen wie der
offene Raum, sie werden die Aussicht fühlen und die Modelle riechen, während der Meister im schwarzen Leinen
Tee zubereitet. Zumthor ist auch eine Marke.
Das Glashaus ist nun Teil davon. « Fast alle Bauern sind weg, viele Häuser wurden abgebrochen oder schlecht und
recht renoviert. Aus Ökonomiegebäuden wurden relativ banale Wohnhäuser, die dank der Bauberatung
altertümelnd und ortsbildgerecht aussehen. Das Atelier aus den Achtzigerjahren respektiert das Dorf. Mein neues
Atelier und auch schon mein Wohnhaus setzt dieser Ortsbildschutzbauweise etwas Neues entgegen. » Bei aller
Inszenierung: Im neuen Haus steckt viel Pragmatismus. Sollte der 75-Jährige sein Atelier zum Beispiel einmal
aufgeben, ließe sich auf jeder Etage ein Büro oder eine loftige Wohnung einrichten. In der obersten stehen
Küchenzeile, Dusche und Holzbadewanne schon bereit, in den anderen warten die Leitungen unterm Parkett. Am
besten zeigt sich die Contenance des Alters daran, wie man die beiden Atelierhäuser betritt: Beim Haus von 1986
zwingt ein hohes Türblatt den Gast zu Haltung. Ein tiefer Stahlrahmen hebt ihn über den Asphalt. Hat er die dunkle
Schleuse im Innern verlassen, ist er initiiert. Beim Neubau steht das Glas der Fassade unmittelbar auf dem Boden,
breite Vordächer schützen den Gast vor Regen und Schnee. Das Raunende, Peter-Handke-hafte der frühen Bauten
fehlt. Peter Zumthor ist gelassener denn je. «Das Atelier aus Holz war eines meiner ersten Häuser. Unsicher ist es
nicht gerade, aber das neue Glashaus ist eine große, selbstverständliche Welt. Da spürt man vermutlich schon,
dass ich auch anderswo baue und mir meiner Sache sicher bin. Das zeigt eine stolze Allüre.»

Nordfassade Ostfassade Westfassade


Wohn- und Atelierhaus Jodat
Wohn- und Atelierhaus Jodat

Seit 45 Jahren lebt der gebürtige Basler in Haldenstein an der Gasse namens Süsswinkel. 1986 baute er sich dort
das Haus, mit dem sein offizielles Oeuvre beginnt: sein Atelierhaus, ein Haus aus Holz. „Anfang der 80er Jahre
konnten wir im Süsswinkel in Haldenstein gleich neben dem Bauernhaus, das wir 1971 umgebaut hatten und in
dem unsere Familie lebte, ein altes Bauernhaus mit etwas Umschwung kaufen. Unglücklicherweise erhielt das neu
erworbene Haus wenig Sonne. Es war im Süden an ein benachbartes Bauernhaus angebaut. Wir haben viele
Umbaupläne gezeichnet, um die Sonne trotzdem noch ins Haus zu locken, es fruchtete nichts. Schließlich wagten
wir es, das alte Haus abzureißen und an seiner Stelle ein Atelier zu bauen und einen Garten anzulegen. Der Neubau
aus Holz – eine Referenz an die mehrheitlich aus Holz bestehenden Wirtschafts- und Gewerbebauten des Dorfes
und ein Gruß an ein paar Kollegen im Vorarlberg, die begonnen hatten, gute neue Häuser aus Holz zu bauen –
steht nun im Norden und der Garten im Süden, wie es sich gehört.“ Das Gebäude ist ein traditioneller konstruktiver
Holzständerbau. Die Fassadenverkleidung besteht aus Lärchenholz. Die Oberfläche ist feingliedrig und möbelartig
gestaltet. Der Baukörper ist in seiner äußeren Wirkung zusammengefasst und das Volumen wird betont. Zumthor
möchte mit dieser Gestaltungsweise einen Gegenpol bzw. einen Kontrast zum rustikalen Baustil der Gegenwart in
den Alpen schaffen. Es soll ein Zeichen für Klarheit und Ruhe darstellen. Zumthor nimmt eine ganz bewusste
Setzung der Baumaterialien vor, um den sinnlichen Ausdruck des Gebäudes aus der Sache selbst heraus zu
formulieren. Die Stäbe aus Lärchenholz wirken wie ein Vorhang. Flacheisenstücke und Beschläge ergänzen die
Fassade. Das Atelier enthält zwei zur Sonne gerichtete Räume. Der obere ist gedacht als Raum zum Arbeiten, (im
Obergeschoss befindet sich also ein Zeichensaal), der untere, das Erdgeschoss, als Gartensaal mit Chiminée und
kleiner Küche für gesellige Anlässe. Für lange Zeit stand dort vor dem Wandbild von Matias Spescha ein Flügel und
vor dem Chiminée eine Sitzgruppe mit dem Sofa, das Alvar Aalto für den Wohnbedarf in Zürich entwarf. Heute
dient der Raum ebenfalls als Zeichensaal. Davor liegt ein winziger Park mit quadratischen Feldern, einem
Wasserstreifen und einem japanischen Kirschbaum.

Der angewendete Holzständerbau erfreut sich in den letzten Jahren einer zunehmenden Beliebtheit. Kein Wunder,
denn ein Haus in Holzständerbauweise überzeigt durch einen geringen Preis, eine kurze Aufbauzeit sowie gute
Dämmeigenschaften. Weitere Vor- aber auch Nachteile, Unterschiede zur Massivbauweise sowie Preise zeigt die
folgende Übersicht.
Der Holzständerbau findet auch als Holzrahmenbau, Holzriegelbau oder Holztafelbau Bezeichnung. Fachleute
bezeichnen diese Bauform auch als Skelettbauweise. Wie bei einem Skelett die Knochen bilden bei der
Holzständerbauweise Holzbalken das tragende Grundgerüst. Das Aufstellen dieses Grundgerippes bildet die Basis
eines jeden Ständerbaus. Im nächsten Schritt erfolgt die Beplankung der Holzständer, wobei in der Regel
Gipsfaser- oder Holzplatten zum Einsatz kommen. Dabei wird das grundliegende Gerippe aus Holzbalken sowohl
von innen als auch von außen beplankt. Der entstandene Hohlraum zwischen der Innen- und Außenhülle des
Gebäudes dient zum Einlassen der Wärmedämmung. Hier können Eigentümer je nach Bedarf ein bis zwei
Dämmschichten anbringen. Dabei verfügt ein Holzständerbau auch ohne zusätzliches Dämmschicht bereits über
eine gute Wärme- und Schalisolierung. Der Wandaufbau eines Holzständerbaus besteht also aus einer äußern und
einer inneren Beplankung. Im Zwischenraum befinden sich die tragenden Holzständer. Zusätzlich besteht hier
Raum für die Anbringung von Dämmschichten.

Vor- und Nachteile der Holzständerbauweise


Gerade im Fertigbau hat sich das Holzständerhaus als bevorzugte Konstruktion durchgesetzt. Im Gegensatz zu Elementen aus Beton sind die hier
verwendeten Holz- und Gipsplatten vergleichsweise leicht. Das erleichtert den Transport und ermöglicht den Aufbau auch auf schwierigen Grundstücken
beispielsweise mit Hanglage.
Hinzu kommt, dass Hersteller die einzelnen Elemente bereits vorgefertigt zum Aufbauort liefern. So lässt sich ein Holzständerbau innerhalb weniger
Tage errichten. Es handelt sich um einen Trockenbau, bei dem kein bis wenig Beton zum Einsatz kommt. Somit entfallen lange Trockenzeiten. Der
reduzierte Zeit- und Ressourcenaufwand führt dazu, dass die Preise für einen Holzständerbau deutlich günstiger sind als für einen vergleichbaren
Massivbau.
Wohn- und Atelierhaus Jodat

Ein weiterer Vorteil ist die hohe Flexibilität des Holzständerhauses. Die Holzständer als tragendes Gerüst ermöglichen nahezu jede Form von Grundriss.
Die Beplankung lässt sich ganz einfach auf die Bedürfnisse der Bewohner zuschneiden. Da die Holzständerwände in Form von Gips- oder Holzplatten
nicht tragend sind, können Eigentümer Fenster und Türen an beliebiger Stelle einbauen ohne dass es die Statik des Gebäudes gefährdet. Das gilt auch
im Nachhinein: Nachträgliche Fenster, Türen oder Anbauten sind im Vergleich zu Massivbauten deutlich weniger problematisch. Im Folgenden die
Vorteile der Holzständerbauweise in der Zusammenfassung:

Vorteile:
Kurze Aufbauzeit: Vorgefertigte Module und keine Trockenzeit für Beton reduzieren die Bauzeit für den Holzrahmenbau.
Geringe Kosten: Der unkomplizierte Aufbau erfordert weniger Personal als ein Massivbau. Hinzu kommt die Zeitersparnis. Das erlaubt es Herstellern,
Holzständerhäuser deutlich günstiger anzubieten als Massivbauten.
Flexible Anpassung: Im Gegensatz zu Beton lassen sich Holz- und Gipsplatten flexibel auf die Bedürfnisse der Hauseigentümer zurechtschneiden.
Nachhaltigkeit: Ein Holzständerbau besteht zum Großteil aus Holz und setzt damit auf einen nachwachsenden, Co2-neutralen Baustoff.
Geringes Gewicht: Der Ständerbau zählt zu den Leichtbauweisen. Aufgrund des geringen Gewichtes eignet er sich vor allem auch für einen Hausanbau
oder eine Dachaufstockung.
Mehr Wohnfläche: Holzständerwände sind üblicherweise dünner als Betonwände. So profitieren Eigentümer bei gleicher Grundfläche von mehr
Wohnfläche.
Geht es die Vor- und Nachteile des Holzständerhauses werden häufig zwei Vorurteile genannt, die im Folgenden entkräftet werden sollen:
Brandschutz: Ein moderner Holzrahmenbau steht einem Massivbau hier in nichts nach. Hinzu kommt, dass Holz entgegen landläufigen Meinungen als
schwer entflammbares Material einzustufen ist.
Lärmschutz: Holz verfügt bereits von Natur aus über eine gute Schallisolierung. Demnach benötigt ein Holzbau häufig sogar weniger Schalldämmung als
ein herkömmliches Haus.

Nachteile:
Geringere Lebensdauer als Massivbauten: Holz verfügt über eine geringere Lebensdauer als Beton. Verschiedene Gutachten zeigen. Die Lebensdauer
eines Holständerbaus beträgt bis zu 60 Jahre, die Lebensdauer eines Massivbaus bis zu 100 Jahre. https://www.modulheim.de/holzstaenderbau/
Wiederverkaufswert: Der zuvor genannte Punkt führt auch dazu, dass die Preise für einen Widerverkauf regelmäßig geringer ausfallen als bei massiven
Häusern.
Anfälliger gegenüber Schädlingen und Feuchtigkeit: Bei fachlich richtiger Ausführung besteht hier für moderne Holzhäuser keine Gefahr. Sollte es durch
Baumängel jedoch zu einem Schädlingsbefall oder Feuchtigkeit kommen, sind die Folgen gravierender als bei einem Massivhaus.

Atelier- und Wohnhaus, 2005


Das Wohn- und Atelierhaus Süsswinkel 28 wurde 2005 erbaut. Es ist ein umbautes Bauernhaus. In den frühen 80-
er Jahren lehnten die Behörden das Bauprojekt aus ästhetischen Gründen ab. Der Entwurf sah ein Gartenhaus für
alle vor. Der Grundriss des Gebäudes besteht aus einem einzigen großen Innenraum, der von einer langen Wand
unterteilt wird. Vor dieser Wand wird der Baukörper durch eine Fensterfläche geöffnet. Die Fenster geben den
Blick auf den Ziergarten frei, der, im Süden vor dem Haus, in die unregelmäßig gewachsenen Umgebung eingefügt
ist. Die eigentliche Arbeit des Architekten findet vor der Wand statt. Die Wandfläche wirkt somit als Schutz. Eine
Laube schützt die Südfenster, wie eine Schicht aus Licht und Schatten zwischen innen und außen. Weinreben
wachsen vor Sonnensegeln. Die Oberflächen bestehen aus Kalikogewebe und erinnern an Texturen von Mark
Rothko (Künstler).
Kaliko ist ein Gewebe, das vor allem in der Buchbinderei als Bezugsmaterial von Einbänden und auch bei der Ablösung von Fresken Verwendung findet. Es handelt sich um ein
durchappretiertes Baumwollgewebe, das glatt kalandert oder gaufriert und teilweise mit einer Griffschutzausrüstung versehen ist.
Wohn- und Atelierhaus Jodat

Fassade Fassadenstruktur
Wohn- und Atelierhaus Jodat

Untergeschoss

Obergeschoss Wohnbereich

Beachtet! Ein Wohnhaus für sich selbst zu bauen, ist nicht jedes Architekten Sache. Wenn es dennoch einmal
geschieht, kann es zum Ereignis werden. Dem Entwerfer, Bauherr und Nutzer in Personalunion steht bei der
Verwirklichung lange gehegter Utopien einmal nichts im Weg, und sowohl Autor als auch Publikum hoffen auf ein
exemplarisches Gebäude. Doch das Haus, das aus einer solchen Konzentration auf ein bestimmtes Individuum
resultiert, verkörpert nicht nur dessen Entwurfsstrategien und Raumkonzepte; bewusste oder unbewusste
Wünsche, Sehnsüchte und Gefühle drücken sich mit ebensolcher Unmittelbarkeit darin aus. Die
Auseinandersetzung des Architekten mit dem Entwurf setzt sich, kaum sind die Bauarbeiten abgeschlossen, mit
neuer Intensität am eigenen Leib fort und geht nahtlos in eine tägliche Begegnung mit der eigenen Persönlichkeit
über. In Peter Zumthors Wohn- und Atelierhaus in Haldenstein vollzieht sich dies mit großer Gelassenheit –
vielleicht auch deswegen, weil das Persönliche in Zumthors Architektur ohnehin immer stark präsent ist und sich
imObergeschoss
eigenenWohnbereich
Haus lediglich noch etwas ausgeprägter manifestieren kann. Wie alle Bauten Zumthors ist auch dieser
von der sinnlichen Abstraktion individueller Empfindungen geprägt - eine sehr dichte, sehr persönliche
Komposition von Stimmungen. Zumthor hat sich mit der Realisierung Zeit gelassen, hat die Bilder reifen lassen,
und das merkt man. Doch so intim Haus und Architekt miteinander verbunden sind, so deutlich ist auch, dass diese
Verbindung eine Qualität generiert, die über das Persönliche hinausgeht und selbst Besucher zu berühren vermag,
die sich auf völlig andere Erfahrungen und Erinnerungen berufen. In Peter Zumthors Haus verdichten sich
Erinnerungen, Stimmungen und Sehnsüchte. Im Haus werden sinnbildlich die Bereiche des Lebens verknüpft
(Leben, Arbeiten, Familie, Kinder, Enkel). Hier befinden sich die Räume zum Wohnen und die Räume zum Arbeiten
mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Für Peter Zumthor gehören die Bereiche zusammen.

Beim Atelier- und Wohnhaus von 2005 erkennt man in der Sichtbetonschalung der Fassade ein plastiziertes
Gewebe, das einen Abdruck hinterlassen. Die Farbe der Außenhaut ist ein lebendiges changierendes Grau. Das
Gebäude verbindet sich mit den gewachsenen dörflichen Strukturen (Gebäude, Wiesen, Gärten, Zäunen,
Wegen…).
Eine Besonderheit des Hauses liegt im Verhältnis von Erd- und Obergeschoss, welche auch ohne sichtbare
Verbindung spürbar ineinander verzahnt sind. Während das Erdgeschoss ein Kontinuum von weitgehend offenen
Haupträumen bildet, das um den Hof herum angeordnet ist und durch geschlossene, höhlenartige Nebenräume
gegliedert wird, findet im Obergeschoss eine weitere Differenzierung statt: Der Raum fließt hier nicht um den Hof,
sondern um den Luftraum des Ateliers herum und wird begrenzt durch den Luftraum von Stube und Küche. Einen
Sichtbezug zu diesen Räumen gibt es indes nur an einem einzigen Ort: Im westlichen Schlafzimmer öffnet sich ein
quadratisches Guckloch, durch das man ins Atelier hinunterblicken kann. Weil die meisten räumlichen
Verzahnungen aber nicht direkt ersichtlich sind, bewahrt das Haus – trotz des zum Teil spektakulären Panoramas,
das jegliche Orientierungsschwierigkeit von vornherein ausschließt, und trotz der puristischen Klarheit seiner
Materialisierung – immer ein wenig von seinem Geheimnis. Das u-förmige Gebäude befindet sich gleich gegenüber
dem Architekturbüro von 1986. Trotz seiner Größe fügt es sich in die Topografie des Dorfes ein: Büro- und
Besprechungstrakt sind eingeschossig mit Flachdach, nur der Wohntrakt auf der Nordseite hat zwei Geschosse
Wohn- und Atelierhaus Jodat

und ein mit Blech gedecktes Satteldach. Nach außen gibt sich das Haus weitgehend geschlossen, wobei dieser
Eindruck gleichzeitig dadurch relativiert wird, dass der Flügel mit dem Atelier etwas kürzer ist als derjenige mit
den Wohnräumen: Auf diese Weise wird der geschützte Hof über der Diagonalen von der Straße aus sichtbar, und
auch ein Blick in die Stube am westlichen Ende des Wohntrakts wird angedeutet. Ansonsten aber lässt das Haus
mit seinen glatten Sichtbetonmauern wenig von seinem Innenleben erahnen. Man betritt den privaten Bereich
über ein langes und schmales Entree im Wohntrakt, das parallel zum lang gezogenen Gebäudekörper und
orthogonal zur Gehrichtung verläuft, und gelangt unvermittelt in Zumthors privates Atelier. Hier herrscht – trotz
der relativ exponierten Lage gleich beim Eingang – meditative Ruhe. Der hallenartige, zweigeschossige Raum lässt
innehalten. Auf der Südseite, zum Hof hin, ist die Fassade auf der ganzen Höhe verglast; ein sanfter Widerschein
organischer Üppigkeit dringt nach innen. Ahornbäume verschiedener Sorten, kunstvoll arrangiert und von den
ephemeren (flüchtig, momentan, temporär, vergänglich, zeitlich) Farbtupfern diverser Blumen durchsetzt,
evozieren die stille Vielfalt japanischer Gärten. Der ganze Raum atmet Heiterkeit und Konzentration.

Verborgene Privaträume: Es gibt zwei Verbindungen zwischen Erd- und Obergeschoss, und beide muten wie
Geheimwege an. Die eine beginnt in einem kleinen, fensterlosen Archivraum hinter dem Atelier: eine schmale,
zwischen zwei Betonwänden eingespannte Treppe, die Assoziationen an versteckte Korridore weckt, wie sie
zuweilen In den Mauern von historischen Festungen entdeckt werden. Die andere, etwas breitere Treppe führt in
die Küche, bleibt dort aber unsichtbar, weil sie direkt in der geschützten Sitznische mündet, von der sie zudem
durch einen Ledervorhang getrennt ist. Durch dieses Verbergen der vertikalen Verbindungen wirkt das
Obergeschoss wie eine Welt für sich – ein vom Boden abgehobenes Raummäander mit zwei Schlafzimmern, den
zugehörigen Nassräumen und einem langen, verglasten Verbindungsteil, der von einem Arbeitsplatz und einer frei
stehenden Holzbadewanne rhythmisiert wird. Zimmer und Verbindungsteil sind großflächig verglast und bieten
schöne Ausblicke auf die Landschaft beziehungsweise den Hof; als Gegensatz zu dieser Weite bilden die mit Stucco
Lustra ausgekleideten Nassräume kleine Farbnischen.

Neues Atelierhaus, 2016


« Das erste Atelier wollte Holz sein. Da war ich noch Denkmalpfleger: Nur die Wohnhäuser sind aus Stein! Und ein
Atelier ist nicht aus Stein, das hört man ja, das ist etwas Leichteres. Damals brauchte es eine neue Einstellung, um
mit Holz zu bauen. Das Atelier ist dann ein bisschen wie ein Möbel geraten. Beim neuen Haus ist das anders. Im
französischen Jura und im oberen Baseler Land gab es früher diese kleinen Uhrenfabriken, schmal und mit viel
Glas. Die Typologie des kleinen Gewerbebaus im Dorfverband. Das ist es. » Ein Haus aus Glas und trotzdem kein
Fremdkörper im Dorf: Peter Zumthors drittes Atelierhaus in Haldenstein. «Meine Kinder sind hier aufgewachsen.
Als die Stallscheune zum Verkauf stand, sagten sie zu mir: Das müssen wir erhalten! Das Wohnhaus, die
Stützmauer, die alten Bäume, die Lampe, der vordere Garten bis zum Brunnen. Hinten stehen noch die
Umfassungsmauern. Man sieht die verschiedenen Bauetappen, einen Teil der alten Jauchegrube. Als wir die
Stallscheune wegnahmen, blieb von ihr diese Nische, in der nun etwas abgerückt dieses Gebäude sitzt. In hundert
Jahren wird kein altes Haus mehr stehen. Aber die Neubauten erinnern dann noch verwinkelt an die vergangene
Struktur. »

Peter Zumthors drittes Atelierhaus in Haldenstein ist ein Glashaus. Es zeigt die Meisterschaft und das
Selbstbewusstsein des 74-jährigen Architekten. Und stärkt die Marke Zumthor. « Ich nehme nur das Essenzielle
auf, das ich im Dorf noch sehe: Stein, Metall, Holz, Wellblech, arm und elegant zugleich, mit der allereinfachsten
Schöpfe und Unterstände vor dem Regen geschützt werden. » Jedes Haus des Architekturensembles ist aus einer
eigenen Logik entstanden. Auch das Glashaus. Vorher stand an seiner Stelle eine große Stallscheune, angebaut an
das weiß verputzte Bauernhaus davor,
mit der Traufe zur Gasse, von ihr aber
erhöht und zurückgesetzt. Eine
privilegierte Lage, abgesehen davon,
dass die Rückseite der Parzelle im Hang
sitzt. Die hintere, rund sechs Meter
hohe Mauer der Scheune steht noch
immer, denn sie stützt den steilen
Hang. Vorher diente diese einer
Längsschnitt Querschnitt Stallscheune als hintere Außenmauer.
Ihre schönen Bruchsteine gehören zum
neuen Haus. Dessen Fassade steht so dicht davor, dass man zwischen Stein und Glas gerade noch stehen kann. Bis
auf wenige Meter schiebt sich der Neubau an die Stützmauer heran. Der Hang hinter dem Haus wirkt nur wie eine
Wand. Das einst angebaute Bauernhaus hat der Architekt Michael Hemmi sanft umgebaut. Früher hat er bei
Wohn- und Atelierhaus Jodat

Zumthor gearbeitet, nun wohnt er neben dem neuen Atelier. Das Glashaus gibt sich keinerlei Mühe, so zu tun, als
sei es ein Stall. Keine Holzlamellen vor den Fenstern versuchen, wie so oft verordnet, Geschlossenheit
vorzugaukeln. Es ist, was es ist: ein Bürohaus. Weil es sich an die bestehenden Regeln hielt, brauchte es keine
Sonderbewilligung. Doch warum fällt der neue Glasbau im kleinen Haldenstein nicht unangenehm auf? Wie hat es
Zumthor geschafft, ihn so selbstverständlich einzufügen in die Reihe der zumeist kleineren und steinernen Häuser
im Süsswinkel? Erstens mit dem leichten Satteldach aus Wellblech, das den Neubau seinen Nachbarn annähert.
Das Dach besteht aus zwei Flächen, die über dem Baukörper zu schweben scheinen.
Im First berühren sie sich nicht einmal, die vordere ist länger als die hintere. Zweitens mit dem Material der
Fassade: Die Pfosten und Riegel aus Eiche sorgen für strenge Struktur und Kraft. Schmale Lüftungsflügel darin
ersetzen aufwendige Technik (der Klimaingenieur wünschte sie sich größer, der Architekt fand, das reiche, und
behielt bisher Recht). Holz und Glas stehen eine Handbreit vor den hohen Stirnen der Betondecken und sind nur
daran befestigt. Breit und schwer stehen sie auf ihren zarten Stahlfüßen. Der Sonnenschutz (SUNLUX 6016
Spezialausführung) ist an filigranen Schwertern befestigt, welche aus den Holzpfosten hinauskragen. Die
Drahtseilführungen sind einteilig über drei Stockwerke durchgehend und jeweils an den Schwertern geführt.
Sämtliche Stahlteile sind aus Chromstahl. Das transparente Textil ist doppelseitig aluminisiert.

Modelle aus Holz, aus Erde, aus Wachs stehen hinter den raumhohen Glasscheiben, scheinen nur wenige junge
Architekten mit Bildschirmen zwischen sich zu dulden. In einem Regal warten Minimenschen, Minimöbel und
Minipalmen säuberlich aufgereiht auf ihren Einsatz. Pendelleuchten lassen die Modelle erstrahlen und machen
aus dem drei Etagen hohen, schlanken Glashaus einen Leuchtturm in der Haldensteiner Dämmerung. Ein großer
Teil von Peter Zumthors dreißig Mitarbeitenden arbeitet nun da. Acht von ihnen widmen sich nur dem Modellbau.
Im Betonhaus gegenüber haben sie eigene Räume, um Holz zu schneiden oder Landschaften zu gießen. Im neuen
Haus gehört ihnen das Erdgeschoss, das Werkstatt und Eingang in einem ist. Im Sommer stehen die Glastüren
offen. Dann weitet sich der hohe Raum mit dunklem Terrazzoboden aus geschliffenem Gussasphalt auf den
Vorplatz, der leicht erhöht über der Gasse liegt. Bei Zumthor zieht der Gast üblicherweise die Schuhe aus, auch
wenn der Eingang eine Modellbauwerkstatt ist. «Wir haben jetzt Platz. Der Modellbau wurde durch den Verlust
des Handzeichnens wichtiger und wichtiger. Mit diesem Haus zeigt sich nun schön seine Stellung. Das Haus passt
zur Art, wie ich heute arbeite. Es hat etwas Befreiendes, Luftiges.» Die Räume sind nicht gleich hoch: Im obersten
Geschoss ist der Raum mit 3,21 Metern höher als diejenigen darunter mit 2,69 Metern. Die Werkstatt im
Erdgeschoss misst 2,86 Meter. Abgesehen von Treppenhaus und Aufzug, sind die Etagen rundum offen. Wenn die
Augen der Mitarbeitenden müde sind vom Blick auf Bildschirm oder Modell, schweifen sie hinaus, über
Haldenstein und den Rhein, über die Autobahn und die bunten Reihenhäuser von Chur bis hinauf zu Fürhörnli und
Montalin. Ein Hauch grauer Vorhänge begrenzt das Panorama. Ihr Polyester verbessert die Akustik und wirft, etwas
zu lang, Falten wie das Gewand einer Carrara-Göttin. Die Räume sind nicht tief, aber offen. Trotzdem fühlt man
sich geborgen, weil Hang und Stützmauer die eine Seite des Raums visuell begrenzen: Obwohl sie draußen sind,
bilden sie doch den Rücken des Hauses. Wichtig ist auch die niedrige Betonbank, die die Raume umfährt. Als
Aufwölbung der Decke sitzt sie eine Handbreit vor dem Glas, fasst den Holzboden und heizt mit eingelegten
Schläuchen das Haus. In der geschliffenen Oberseite glänzen die Rheinkiesel. Eine Ofenbank, nicht als Zentrum,
sondern als Rand des Raums. Sie gibt den Mitarbeitern Halt und Schutz – auch vor den Kameras aufdringlicher
Architekturtouristen.

Zumthors Häuser riechen. Was in Vals das metallische Thermenwasser und das Leder der Umkleiden ist, ist in der
Eifler Kapelle der Rauch verbrannter Schalungsstämme und in den Strickbauten das massive Holz. Auch in
Haldenstein fehlen Ausdünstungen von Kunst- und Klebstoffen. Stattdessen vermischen sich die Gerüche von
Beton, schmiedeeisernen Geländern im Treppenhaus oder Kastanienriemenboden in den Obergeschossen mit
denjenigen von erdigen, mit Kokosfett gebundenen Modellen. Während die Nase sich treiben lässt, sucht das Auge
nach Ordnung. Die Wand des Treppenhauskerns ist der einzige Ort, an dem Pläne hängen können. Nur wenig
Wand bleibt den Architekten für ihre Pläne: Diese hängen an der Betonwand zum Treppenhaus, dessen Schacht
sich in den Hang stemmt. Daneben befördert ein Aufzug die Modelle zwischen Werkstatt, Kellerlager und
Atelierräumen. Der Aufzugsschacht schiebt sich unter die Decke, die innere Betonbank vor die Holz-Glas-Fassade.
Ganz oben schiebt sich die Betondecke über den Aufzugsschacht, durch die Fuge sickert Licht. Peter Zumthors
Architektur ist eine Kunst der Fuge. Die Struktur des Hauses ist einfach, fast symmetrisch: In der Mittelachse halten
zwei Stützen und ein kleiner WC-Kern die Betondecken, die bis zur Fassade auskragen, stark und stramm.
Wohn- und Atelierhaus Jodat
Wohn- und Atelierhaus Jodat

Erdgeschoss Obergeschoss

Quellen:
§ http://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/musische-faecher/kunst/unterricht-materialien-und-medien/schwerpunktthemen-oberstufe/material-form-
raum/haldensteinHaldenstein Unterstützungs- und Ergänzungsmaterial zum Schwerpunktthema Material-Form-Raum
§ https://www.archiweb.cz/en/b/atelier-zumthor
§ https://www.italian-architects.com/sv/kastli-storen-belp/project/neues-atelier-susswinkel-17-atelier-peter-zumthor-and-partnerSonnenschutz
§ archithese, 05.03.2006

Das könnte Ihnen auch gefallen