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Drama: Faust I / Faust. Der Tragödie erster Teil.

/ Faust I (1770-1832)
Autor: Johann Wolfgang von Goethe
Epochen: Sturm und Drang / Geniezeit, Weimarer Klassik

Über die Epochenzuordnung von Faust I


Goethes Faust entstand zwischen 1770 (der sog. Urfaust) und 1832.
Aufgrund der langen Entstehungsgeschichte ist die Zuordnung zu einer
einzelnen Epoche schwierig. Je nach Gegenstand der Betrachtung lassen
sich Merkmale der Aufklärung (ca. 1720-1800), des Sturm und Drangs (ca.
1767-1785), der Weimarer Klassik (ca. 1794-1805) und der Romantik (ca.
1795-1848) erkennen.

AK03 | Literatur-Epoche des Sturm & Drangs (Abiturwissen


Deutsch)
Die Literaturepoche des Sturm und Drangs: Gegenbewegung oder Teil der
Aufklärung? Diese und andere spannende Fragen beantwortet euch der
Germanist Dr. Tobias Klein von Huhn meets Ei: Katholisch in Berlin im
Gespräch mit dem Podcaster Wilhelm Arendt.
Epochen Autor

Inhaltsangabe, Gedicht-Analyse und Interpretation

Die Tragödie „Faust I“ von Johann Wolfgang von Goethe, veröffentlicht 1808,
thematisiert die Suche des Wissenschaftlers Heinrich Faust nach
ganzheitlicher Erfahrung, welche er durch einen Pakt mit dem Teufel
Mephistopheles erreichen möchte. Dies führt dazu, dass er sich in das sehr
junge und naive Mädchen Gretchen verliebt, sie schwängert und Faust zum
Verantwortlichen für den Tod von Gretchens Mutter, Bruder, ihrem
gemeinsamen neugeborenen Kind und ihr selbst macht. In der zu
analysierenden Szene „Straße I“, welche von Vers 2606 bis 2677 geht, treten
als Gesprächspartner Faust, Gretchen und Mephistopheles auf.
Das Thema der Szene ist die erste Begegnung zwischen Faust und
Gretchen. Faust, der nach seinem Besuch in der Hexenküche auf die Straße
geht, sieht Gretchen, die gerade von der Beichte aus der Kirche kommt. Er
entwickelt sofort Liebesgefühle für das junge Mädchen und spricht sie mit
schmeichelnden Worten an, worauf sie abweisend reagiert. Nachdem
Mephistopheles erschienen ist, unterhält Faust sich mit diesem darüber, wie
er durch seine Unterstützung schnellstmöglich ein Verhältnis mit Gretchen
beginnen und sie verführen kann.
Die vorliegende Szene kann ungefähr in die Mitte der Tragödie eingeordnet
werden. Vor der Szene befindet sich Faust in einer Hexenküche, in die er von
Mephistopheles gebracht wurde, damit er endlich Freude verspürt und
Mephisto somit seine Wette um Faust mit Gott gewinnt. Obwohl er anfangs
skeptisch ist, bekommt er einen Hexentrunk verabreicht, der ihn von einem
alten Mann in einen jungen verwandelt und zu der Entstehung starker
Liebesgefühle führt, die durch Helena aus der griechischen Mythologie
repräsentiert werden. Nach der Szene statten Faust und Mephistopheles
Gretchens Zimmer in ihrer Abwesenheit einen Besuch ab, wie es Faust von
Mephisto versprochen worden ist. Dort ist Faust völlig eingenommen von
Gretchens Aura und fühlt sich noch mehr hingezogen zu ihr. Die beiden
hinterlassen Gretchen das ebenfalls von Mephisto versprochene
Schmuckkästchen.
Den Anlass der Szene stellt eben diese Verwandlung Fausts dar, die ihn dazu
verleitet, sich in die erste Frau zu verlieben, der er begegnet, was in diesem
Fall Gretchen ist. Aufgrund dieser äußerst intensiven Gefühle möchte er dem
Mädchen unbedingt näher kommen und sucht deshalb Mephistos Hilfe, der
sich durch den Pakt in Form einer Wette zu seinem Diener verpflichtet hat,
wenn auch nur um Diesseits.
Die Szene kann in drei Textabschnitte gegliedert werden. Der erste
Textabschnitt geht von Vers 1 bis 17, der zweite von Vers 18 bis 39 und der
dritte von Vers 40 bis 80.
Im ersten Abschnitt findet die erste Begegnung zwischen Faust und Gretchen
auf der Straße statt, bei der Faust versucht, durch Komplimente Gretchens
Aufmerksamkeit zu erlangen, welche jedoch ablehnend reagiert und
„ungeleitet nach Hause“ (V. 6) geht, nachdem sie sich von Fausts Arm befreit
hat. Faust verspürt Liebe und Bewunderung für das „Kind“ (V. 8), welche sich
„tief [in] [s]ein Herz geprägt [habe]“ (V. 15). Faust, der das Gespräch mit
Gretchen initiiert, kann keine Bindung zu ihr aufbauen und kann den Dialog
nicht halten, obwohl er großes Interesse an Gretchen hat. Diese beendet das
Gespräch abrupt, indem sie nach Hause geht, und macht so ihre ablehnende
Haltung gegenüber Faust deutlich, von dessen nicht standesgemäßem
Verhalten sie überrascht und überrumpelt ist.

Den Übergang zum zweiten Abschnitt stellt der Auftritt Mephistos dar. Faust
bittet Mephisto darum, eine Beziehung zwischen ihm und Gretchen
einzufädeln, woraufhin dieser entgegnet, dass er über dieses „gar unschuldig
Ding“ (V. 25), welches gerade von der Beichte kommt, als Teufel keine
„Gewalt“ (V. 27) habe. Des Weiteren macht er Faust darauf aufmerksam,
dass ihm nicht jede Frau zur Verfügung steht, womit er sich abfinden sollte.
Faust droht Mephisto damit, dass er bei Nichterfüllen dieses Wunsches den
Pakt beenden werde. Als Mephisto beginnt, Faust zu kritisieren, stellt er
diesem direkt ein Ultimatum, dass die Beziehung der beiden auf die Probe
stellt. Faust richtet dabei zu Beginn ihres Gespräches seinen Wunsch nach
einer Liebesbeziehung mit Gretchen an Mephisto, welcher ihm diesen
erfüllen soll.
Im dritten Abschnitt wird der Plan von Mephisto zur Verführung Gretchens
thematisiert. Mephisto erklärt, dass er etwas mehr Zeit braucht, um Gretchen
zu beeinflussen, dies aber mithilfe einer „List“ (V. 59) erreichen könne. Er
schlägt vor, Gretchens Haus am Abend zu besuchen, damit Faust sich dort
„[i]n ihrem Dunstkreis satt […] werden“ (V. 73) kann und sie ihr ein Geschenk
hinterlassen können. Hier ist Mephistos Redeanteil deutlich größer als der
von Faust, da er hier direkte Lösungsvorschläge für Fausts Problem
präsentiert und ihn nicht mehr abweist. Der Konflikt, der durch ihre
abweichenden Meinungen im Bezug auf Gretchen ausgelöst wurde, gerät
hier wieder in den Hintergrund, da Mephisto Faust entgegenkommt und ihm
konkrete Vorschläge und Versprechungen wie den Besuch in Gretchens
Zimmer macht, um ihn zu beruhigen. Obwohl die Beziehung zwischen Faust
und Mephistopheles immer noch relativ kühl erscheint, was an Befehlen (vgl.
V. 76) erkennbar ist, hat sie sich wieder normalisiert.
Alle Dialogpartner, aber hauptsächlich Mephistopheles, setzen eine spezielle
Gesprächsstrategie ein, an der ihre jeweiligen Intentionen klar werden. Dies
spiegelt sich auch in ihrer Sprache wider, die von besonderen sprachlichen
Figuren gekennzeichnet ist.
Zu Beginn der Textstelle spricht Faust Gretchen, da er positiv auf sich
aufmerksam machen möchte und Gretchens Interesse wecken will. Er nennt
sie ein „schönes Fräulein“ (V. 3), was als Anrede normalerweise adeligen
Frauen vorbehalten ist und für Gretchen als Angehörige des dritten Standes
unpassend wirkt. Faust bezweckt damit, dass Gretchen sich geschmeichelt
fühlt, damit er sie leichter verführen kann. Dies wird verstärkt, indem er
Körperkontakt zu ihr aufnimmt. Gretchen jedoch zeigt durch die Anapher1
„Bin weder Fräulein, weder schön“ (V. 5), dass sie kein Interesse hat, in Ruhe
gelassen werden möchte und als selbstbewusste, junge Frau nicht auf einen
solchen Mann angewiesen ist. Darauf folgt ein Monolog von Faust, in dem er
auf romantische Weise Gretchens Charakter, der „sitt- und tugendreich“ (V.
10), aber auch „etwas schnippisch“ (V. 11) ist und ihr Aussehen, das sich
durch rote Lippen und schöne Wangen auszeichnet (vgl. V. 13), beschreibt.
Diese plötzliche Verliebtheit von Faust, die hier deutlich wird, passt nicht zu
dem rational denkenden Wissenschaftler Faust vor seiner Verwandlung und
zeigt, dass „Helena“ seine Gedanken- und Gefühlswelt vollständig
übernommen hat. Dabei wird auch klar, dass er eigentlich kaum Interesse an
Gretchen als Mensch hat, sondern von seinen Trieben gesteuert wird. Als
Faust Mephisto auf das Mädchen anspricht, in das er sich frisch verliebt hat,
berichtet er davon, dass sie gerade von der Beichte bei „ihrem Pfaffen“ (V.
22) gekommen ist, obwohl sie keine wirkliche Sünde begangen hat. Hier wird
Gretchens tiefe Religiosität deutlich, die im weiteren Verlauf der Tragödie eine
wichtige Rolle spielt. Des Weiteren zeigt Mephisto, dass seine Macht
eingeschränkt ist und gegenüber Personen, die an Gott glauben, keine
Wirkung zeigt. Er gesteht sich also ein, dass Gott, mit dem er eine Wette
abgeschlossen hat, mächtiger als er selbst ist. Mephisto bezeichnet Faust als
einen „Hans Liederlich! (V. 29), der „jede liebe Blum für sich (V. 30), also mit
jedem hübschen Mädchen eine Affäre haben möchte. Durch diese Aussage
versucht er, Faust von seinem Wunsch abzubringen und ihn wieder zur
Vernunft kommen zu lassen, da er weiß, dass er Faust diesen Wunsch
aufgrund seiner nicht existenten Macht gegenüber Gott und damit auch
gottesfürchtigen Menschen nicht erfüllen kann. Faust bezeichnet ihn
wiederum mit dem akademischen Titel „Herr Magister Lobesan“ (V. 34), der
zwar typisch für Fausts Charakter als Wissenschaftler ist, in diesem Fall
jedoch ironisch gemeint ist. Mephisto argumentiert damit, dass Fausts
Verhalten nicht richtig sei (vgl. V. 33), wovon Faust nichts wissen will (vgl. V.
35). Faust verfolgt das Ziel, „das süße junge Blut“ (V. 37) in seinen Armen zu
halten, und ist bereit, dafür sogar den Pakt mit Mephisto aufzulösen, wenn
dieser ihm den Wunsch nicht erfüllt. Daran wird deutlich, dass Faust sich
völlig außerhalb seines Verstandes befindet und von seiner Liebe zu
Gretchen so eingenommen ist, dass er sogar die Autorität des Teufels infrage
stellt, um mit ihr eine Affäre einzugehen. Nachdem Faust diese Drohung
geäußert hat, ändert sich Mephistos Gesprächsstrategie schlagartig, da er
große Angst vor einer Auflösung des Paktes hat. Dazu relativiert er seine
Aussage, dass er Fausts Wunsch nicht erfüllen könne, und setzt eine Frist
von „vierzehn Tag“ (V. 41), um Faust zu beruhigen und ihn von seinem
Vorschlag zu entfernen. Faust hingegen zweifelt weiterhin an der
Notwendigkeit des Paktes, was an seiner Behauptung, selbst in „nur sieben
Stunden Ruh“ (V. 43) so ein „Geschöpfchen“ (V. 45) wie Gretchen verführen
zu können, deutlich wird. Mephisto versucht, Faust von seinen Zweifeln
abzubringen, indem er ihn davon überzeugen will, dass „[d]ie Freud lange
nicht so groß [ist]“ (V. 49), wenn er Gretchen sofort bekommt. Er beginnt,
seinen Plan zur Verführung des „Püppchen[s]“ (V. 52) darzulegen. An dieser
Bezeichnung für Gretchen wird deutlich, dass sie noch sehr kindlich, naiv und
deshalb leicht beeinflussbar ist, was ihm bei der Durchführung seiner
„List“ (V. 59) zugute kommt. An dem Verlangen Fausts nach einem „Halstuch
von ihrer Brust“ (V. 62) und einem „Strumpfband [s]einer Liebeslust“ (V. 63)
wird gezeigt, dass er sich weniger eine emotionale Verbindung zu Gretchen
wünscht als eine reine körperliche Nähe, was durch die „Liebesglut“
ausgelöst wurde. Mephistopheles präsentiert sich selbst als „förderlich und
dienstlich“ (V. 65), um einen erneuten Bezug zum Pakt herzustellen, den er
unbedingt erhalten möchte. Er verfolgt das Ziel, Faust davon zu überzeugen,
dass er immer noch sein treuer Knecht und Geselle ist und seine Pflichten,
die im Pakt festgelegt worden sind, keineswegs vergessen hat. Um dies
weiter zu verstärken, macht er Faust Versprechungen von einem Besuch in
Gretchens Zimmer (vgl. V. 67), der am Abend stattfinden soll. Obwohl er
Faust die Grenze setzt, dass er Gretchen nicht treffen darf, ist dieser sehr
erfreut über „die Hoffnung künft’ger Freuden“ (V. 77, die ihm versprochen
werden. Mephisto hat damit sein Ziel erreicht, da nunmehr nicht die Gefahr
besteht, dass Faust den Pakt auflöst. Als weiteres Mittel zur geplanten
Verführung Gretchens wollen sie ein „Geschenk“ (V. 76) besorgen, das das
Mädchen beeindrucken und Faust seinen Wünschen damit noch näher
bringen soll.

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