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Leitungsstörungen

Kompletter und
inkompletter
Rechtsschenkelblock
Unter einem Rechtsschenkelblock wird eine
Blockierung oder starke Verzögerung der
Erregungsleitung im rechten Tawara-Schenkel
verstanden. Welche Form der Störung vorliegt,
kann mittels EKG nicht eindeutig unterschieden
werden. In den meisten Fällen ist der proximale
Anteil des rechten Tawara-Schenkels betroffen.
Distale Blockierungen können z. B. in
Zusammenhang mit chirurgischen Maßnahmen
beobachtet werden (z. B. bei der Korrektur
angeborener Herzfehler).

Der rechte Tawara-Schenkel verläuft als dünnes


Bündel endokardial entlang des Septums und
verzweigt sich erst im Bereich der Basis des
rechten anterioren Papillarmuskels. Deshalb
spielt der rechte Tawara-Schenkel bei der
Aktivierung des Septums keine wesentliche Rolle
(siehe unten). Das erste Drittel verläuft
subendokardial - hieraus resultiert ein relativ
hohes Verletzungspotenzial (und damit Risiko für
einen Block) bei Dehnung, Ischämie und Trauma.

Die Blutversorgung des rechten Tawara-


Schenkels erfolgt überwiegend durch die septalen
Äste des Ramus interventricularis anterior.

Fokus-EKG Blickdiagnosen: Rechtsschenkelblock


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BLICKDIAGNOSE: Kompletter
Rechtsschenkelblock
V1 ist die Ableitung, die die Erkennung eines
kompletten Rechtsschenkelblocks auf den ersten
Blick erlaubt. Hier zeigt sich die als pathognomonisch
zu bezeichnende M-Form des QRS-Komplexes. QRS
muss auf über 120 ms verlängert sein.

Kompletter
Rechtsschenkelblock
Das Septum wird bei einem kompletten
Rechtsschenkelblock (wie üblich) von links nach
rechts erregt. Da die linke Kammer rasch erregt
wird, weist der Hauptvektor nach links (oft nach
hinten unten). Erst wenn der linke Ventrikel
nahezu komplett erregt ist, erfolgt eine Erregung
des rechten Ventrikels (sequentielle Erregung
der Ventrikel). Dies führt dazu, dass sich der
Summationsvektor jetzt wieder nach rechts vorne
wendet.

EKG
Folge der Leitungsstörung und gleichzeitig
dominierender EKG-Befund bei einem kompletten
Rechtsschenkelblock ist eine Verbreiterung des
QRS-Komplexes auf mindestens 120 ms. Bei
Kindern im Alter von 4 bis 16 Jahren gilt als
unterer Grenzwert 100 ms, bei kleineren Kindern
(<4 Jahre) 90 ms. Sie kommt zustande, weil die
Kammern nacheinander erregt werden.

Die späte Erregung des rechten Ventrikels führt


zu einer zweiten, breite R-Zacke (R) in V1/2. Die
initiale kleine R-Zacke (r) repräsentiert die
Erregung des linken Ventrikels! Dieser
Erregungsablauf führt zu der charakteristischen
M-Konfiguration des QRS-Komplexes in V1
und V2.

Als oberer Umschlagpunkt wird das Zeitintervall


zwischen dem Beginn des QRS-Komplexes in V1
und dem Peak der R-Zacke bezeichnet, die das
Ende des QRS-Komplexes einleitet (endgültige
Negativitätsbewegung). Das Intervall ist
normalerweise kürzer als 50 ms, bei einem
kompletten Rechtsschenkelblock ist es länger. In
der älteren Literatur wird auch >30 ms als
Kriterium verwendet.

Spiegelbildlich kommt es in den Ableitung I (oft


auch in II) und aVF sowie linkspräkordial (V5
und V6) zu tiefen S-Zacken. Das ST-Segment
bleibt in den präkordialen Ableitungen
isoelektrisch. Deswegen steht ein
Rechtsschenkelblock einer Ischämiediagnostik
nicht im Wege! Dabei sollten aber nur die
Ableitungen V5 und V6 Berücksichtigung finden.

Zu den Charakteristika eines kompletten


Rechtsschenkelblocks gehören damit:

eine QRS-Verbreiterung auf mindestens


120 ms und eine typische M-Form (rsr´,
rsR´, rSR´) in V1
eine Verspätung des oberen
Umschlagpunktes (endgültige
Negativitätsbewegung) in V1 (> 50 ms)
und
verbreiterte S-Zacken in den Ableitungen
I, aVF sowie linkspräkordial
(spiegelbildliche Veränderungen).

Abb.: Kompletter Rechtsschenkelblock (Ableitung


V1). Es ergibt sich eine rSR´-Konfiguration des
QRS-Komplexes. Der obere Umschlagpunkt tritt
deutlich verzögert auf (normal< 50 ms). 50 mm/s.

Abb.: Kompletter Rechtsschenkelblock. 54-jähriger


Patienten ohne Hinweis auf eine strukturelle
Herzerkrankung. Charakteristische rSR´-
Konfiguration des QRS-Komplexes in V1 und V2. S-
Zacken in I, II, aVF sowie in V5 und V6. 25 mm/s.

Abb.: Kompletter Rechtsschenkelblock, AV-Block


I. Grades. Die zweite Aktion von links ist eine atriale
Extrasystole, der eine nicht-kompensatorische
Pause folgt. Die atrioventrikuläre Überleitung der
Extrasystole erfolgt im Vergleich zu den
Normalschlägen verzögert. Extremitätenableitungen.
Schreibgeschwindigkeit 50 mm/s.

Abb.: Die zum obigen EKG gehörigen


Brustwandableitungen. Kompletter
Rechtsschenkelblock und AV-Block I.
Grades (bifaszikulärer Block). Die Aufsplitterung
des QRS-Komplexes in V3 ist nicht Kennzeichen
eines Rechtsschenkelblock, sondern am ehesten
durch eine zusätzliche diffuse Beeinträchtigung der
myokardialen Erregungsleitung bedingt. Die atriale
Extrasystole fehlt, was zeigt, dass die EKGs
sequenziell aufgezeichnet und geschrieben wurden.
50 mm/s.

Abb.: Auftreten eines kompletten


Rechtsschenkelblocks nach einer geringen
Abnahme des RR-Intervalls. Patientin ohne Hinweis
auf das Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung.
Brustwandableitungen. 50 mm/s.

Differenzialdiagnose
In der Literatur findet sich der Begriff „Pseudo-
Rechtsschenkelblock“ für Krankheitsbilder, die
mit einer Rechtsschenkelblock-ähnlichen QRS-
Konfiguration in den rechtspräkordialen
Ableitungen einhergehen. Hierzu gehören das
Brugada-Syndrom und die arrhythmogene
rechtsventrikuläre Kardiomyopathie.

Klinische Bedeutung
Ein kompletter Rechtsschenkelblock ist in jungen
Jahren (Alter < 50 Jahre) selten; bei über 50-
Jährigen nimmt die Prävalenz deutlich zu (>5%
bei über 70-Jährigen) (Bussing et al. 2013). Die
Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer
strukturellen Herzerkrankung ist erhöht. Art und
Ausmaß der kardialen Grunderkrankung sind die
wesentlichen Determinanten der Prognose. Der
komplette Rechtsschenkelblock sollte daher nicht
als eine harmlose Entität angesehen werden.
Patienten mit einem kompletten
Rechtsschenkelblock sollten hinsichtlich des
Vorhandenseins einer strukturellen
Herzerkrankung abgeklärt werden.

Neu auftretender kompletter


Rechtsschenkelblock nach Myokardinfarkt
Der mit einem neu auftretenden
Rechtsschenkelblock einhergehende
Vorderwandinfarkt ist mit einer schlechten
Prognose assoziiert. Ein proximaler Vorschluss
des Ramus interventricularis anterior ist
wahrscheinlich.

Kompletter Rechtsschenkelblock bei


hypertropher Kardiomyopathie
Bei einer hypertrophen Kardiomyopathie ist ein
kompletter Rechtsschenkelblock als Zeichen für
eine vermehrte septale Fibrose zu werten (und
damit für eine eher schwere
Krankheitsausprägung). Nach interventioneller
Septumablation (TASH) ist ein kompletter
Rechtsschenkelblock häufig. Dies verwundert
nicht, da der rechte Tawara-Schenkel durch
septale Äste des Ramus interventricularis anterior
versorgt wird.

Kompletter Rechtsschenkelblock bei


kongenitalen Herzfehlern
Ein kompletter Rechtsschenkelblock ist vermehrt
bei einem Vorhofseptumdefekt vom Primum Typ
und bei der Ebstein-Anomalie zu beobachten.
Nach chirurgischer Korrektur kongenitaler
Herzfehler tritt er ebenfalls häufig auf. Bei
Korrektur einer Fallot´schen Tetralogie lässt er ein
neuer Rechtsschenkelblock in über 80% der Fälle
beobachten.

Kompletter Rechtsschenkelblock bei


chronischen Lungenerkrankungen
Bei einer chronisch obstruktiven
Atemwegserkrankung korreliert das Vorliegen
eines kompletten Rechtsschenkelbocks positiv
mit dem Schweregrad der Lungenerkrankung.

Neuer kompletter Rechtsschenkelblock bei


Katheterinterventionen
Der initial subendokardiale Verlauf des rechten
Tawara-Schenkels macht ihn anfällig für
Verletzungen. Der bei
Rechtsherzkatheteruntersuchungen durch
mechanische Manipulation mit dem Katheter
verursachte komplette Rechtsschenkelblock ist
meistens reversibel (manchmal erst nach Tagen).
Bei einem vorbestehendem Linksschenkelblock
wird empfohlen sicherheitshalber einen
Elektrodenkatheter im rechten Ventrikel zu
platzieren, um im Fall der kompletten AV-
Blockierung unverzüglich eine temporäre
Stimulation durchzuführen zu können.

Kompletter Rechtsschenkelblock und


aberrante Erregungsleitung
Bei aberrierender atrioventrikulärer Überleitung
(Aberranz) findet sich in etwa 80% der Fälle eine
rechtsschenkelblockartige QRS-Konfiguration
(nicht selten mit einem zusätzlichen
Faszikelblock). Es handelt sich um ein
funktionelle Leitungsblockierung, die deshalb
meistens den rechten Tawara-Schenkel betrifft,
weil dessen relative Refraktärperiode länger ist,
als die des linken Tawara-Schenkels. Dies sollte
aber nicht dazu führen bei Tachykardien mit
typischer rechtsschenkelblockartiger QRS-
Konfiguration immer von Aberranz auszugehen!
Bei bedeutsamer struktureller Herzerkrankung
zeigt Aberranz gehäuft eine
linksschenkelblockartige Konfiguration.

Inkompletter
Rechtsschenkelblock
Von einem inkompletten Rechtsschenkelblock
wird gesprochen, wenn die QRS-Verbreiterung
110 bis 119 ms beträgt und gleichzeitig der
Umschlagpunkt in V1 verzögert auftritt. Wenn
fälschlicherweise ein niedrigerer unterer
Grenzwert zugrunde gelegt wird (>100ms),
nimmt die Fallzahl erheblich zu. Beim alleinigen
Vorliegen einer rsr- oder rsr´-Konfiguration sollte
nicht von einem inkompletten
Rechtsschenkelblock gesprochen werden. Ein rsr
´-Muster zeigt sich relativ oft, wenn die Elektroden
V1 und/oder V2 nicht - wie vorgeschrieben - im 4.
Interkostalraum, sondern höher (im 2. oder 3.
Interkostalraum) platziert werden.

Bei einem inkompletten Rechtsschenkelblock


liegt in vielen Fällen keine fokale Blockierung
bzw. Verzögerung im Leitungssystem vor. Bei
jungen Menschen und Sportlern scheint er
vielmehr die vergrößerte rechtsventrikuläre
Muskelmasse widerzuspiegeln. Bei der erhöhten
Prävalenz des inkompletten
Rechtsschenkelblocks im fortgeschrittenen
Lebensalter scheinen diffuse, chronisch-
degenerative Myokardveränderungen eine Rolle
zu spielen. Ein inkompletter Rechtsschenkelblock
findet sich häufiger bei Männern, als bei Frauen
(Verhältnis 2-3:1).

EKG
Auch für die Stellung der Diagnose inkompletter
Rechtsschenkelblock sind die rechtspräkordialen
Ableitungen wegweisend.

Zu den Charakteristika eines inkompletten


Rechtsschenkelblocks gehören:

eine QRS-Dauer von 110 - 119 ms mit


rechts parasternal (V1) M-förmigem QRS-
Komplex (z. B. rSr´, wobei r´ meistens
größer bzw. plumper ist als r),
eine Verspätung des oberen
Umschlagpunktes (endgültige
Negativitätsbewegung) in V1 (> 50 ms)
und
S-Zacken in Ableitung I, aVF und
linkspräkordial (V5, V6).

Abb.: Inkompletter Rechtsschenkelblock. QRS-


Dauer 113 ms, M-Form in V1 (r´ ist plumper als r) und
in V2. Betonte S-Zacken in den Ableitungen I, II, aVF
sowie V5 undV6. 50 mm/s.

Abb.: Inkompletter Rechtsschenkelblock. QRS-


Dauer 112 ms, M-Form in V1 (r´ ist plumper als
r). Schreibgeschwindigkeit 50 mm/s.

Klinische Bedeutung
Der inkomplette Rechtsschenkelblock ist bei
Kindern physiologisch. Bei Militärangehörigen
(junge Männer, mittleres Alter 19 Jahre) fand es
sich in 13,5% der Fälle (Kobza et al. 2010). Mit
zunehmendem Alter wird er seltener (3,4% bei
50-Jährigen) um dann bei sehr alten Patienten
wieder häufiger zu werden (Bussink et al. 2013).
Wesentliche prognostische Bedeutung kommt
ihm, wenn er isoliert auftritt, nicht zu. Eher selten
geht der inkomplette Rechtsschenkelblock in
einen kompletten Rechtsschenkelblock über.

Ein inkompletter Rechtsschenkelblock kann in


Zusammenhang mit einer akuten
rechtsventrikulären Belastung auch neu bzw.
transient auftreten (z. B. bei einer akuten
Lungenembolie).

Literatur

Bussink BE, Holst AG, Jespersen L, et al.


Right bundle branch block: prevalence, risk
factors, and outcome in the general
population: results from the Copenhagen City
Heart Study. Eur Heart J 2013;34:138.
Kobza R, Cuculi F, Abächerli R, et al. Twelve-
lead electrocardiography in the young:
physiologic and pathologic abnormalities.
Heart Rhythm 2012;9:2018.
Surawicz B, Childers R, Deal BJ, et
al. AHA/ACCF/HRS recommendations for the
standardization and interpretation of the
electrocardiogram. Part III: intraventricular
conduction disturbances. Circulation
2009;119:e235-e240.

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