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Aromaten
261
Aromatizität
Ein Beispiel:
H H
H H
Merke: Die wichtigste Eigenschaft der Aromaten ist ihre besonders hohe
Stabilität, die durch Mesomerie verursacht wird.
262
Mit anderen Worten: Aromaten sind mesomere Systeme und sind daher sehr stark
mesomeriestabilisiert. Sie sind besonders stabile (= besonders energiearme) Verbin-
dungen.
1 2 3
6 4
5
A B
263
An den mesomeren Grenzformeln lässt sich die ständige Zirkulation der
pi-Elektronen im Benzol-Ring erkennen.
Benzol ist um 151 kJ/mol mesomeriestabilisiert.
Hückel-Regel: X = 4n + 2
264
Da die Zahl 1 für den Faktor „n“ eine natürliche Zahl ist, folgt Benzol der
Hückel-Regel bzw. erfüllt die erste Anforderung an Aromaten.
Achtung: Alle Aromaten müssen der Hückel-Regel folgen. Aber umgekehrt ist
nicht jeder Ring, der der Hückel-Regel folgt, auch aromatisch.
Ein Beispiel:
1,3,5-Cycloheptatrien folgt zwar mit n = 1 der Hückel-Regel, ist aber trotzdem nicht-
aromatisch.
2
3
1
4
7
5
6
1,3,5-Cycloheptatrien
ist nichtaromatisch!
265
1. Beispiel: Thiophen
Thiophen
Begründen Sie die Aromatizität des Thiophens, wenden Sie die Hückel-Regel auf
das Thiophen-Molekül an und zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des
Thiophens.
Antwort:
Hückel-Regel: X = 4n + 2
Frage: Warum müssen Aromaten eine ungerade Zahl von pi-Elektronenpaaren (1, 3,
5,…) haben?
Antwort: Das resultiert aus der Hückel-Regel!
266
Achtung: Die delokalisierten Elektronenpaare sind keine freien Elektronenpaare,
sondern pi-Elektronenpaare.
Da die Zahl 1 eine natürliche Zahl ist, folgt Thiophen der Hückel-Regel.
. ..
S
. ..
S S S S
267
2. Beispiel: Furan
Zusätzlich liefert die Anwendung der Hückel-Regel auf dieses pi-System für den
Faktor „n“ die natürliche Zahl 1. Das ist der Beweis dafür, dass Furan als ein Aromat
der Hückel-Regel folgt.
Die mesomeren Grenzformeln des Furans sind genauso wie die mesomeren
Grenzformeln des Thiophens.
Furan hat eine durchgängige Ringmesomerie und erfüllt damit auch die 2. Anforde-
rung an Aromaten.
Aufgabe:
Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des Furans und stellen Sie damit seine
durchgängige Ringmesomerie dar.
Wenn es sich bei der Anwendung von Hückel-Regel auf ein ringförmiges pi-System
für den Faktor „n“ eine Bruchzahl (z.B. ½ oder ¾ ….) ergibt, so ist das betreffende
pi-System nichtaromatisch bzw. antiaromatisch.
268
3. Beispiel: Cyclobutadien
Cyclobutadien
ist antiaromatisch!
Hückel-Regel: X = 4n + 2
X=4
4n + 2 = 4
n = 1/2
Da 1/2 keine natürliche Zahl, sondern eine Bruchzahl ist, folgt Cyclobutadien nicht
der Hückel-Regel und ist daher antiaromatisch.
269
Beispiele für Aromaten mit n = 0, 1, 2 und 3
Cyclopropenyl-Kation
X = 4n +2
X = 2 (Es gibt nur ein pi-Elektronenpaar im Ring)
4n + 2 = 2
Daraus folgt: n = 0
Die Anwendung der Hückel-Regel auf das Cyclopropenyl-Kation ergibt für den
Faktor „n“ die natürliche Zahl 0, womit bewiesen ist, dass Cyclopropenyl-Kation der
Hückel-Regel folgt.
Das ist aber kein Beweis für die Aromatizität des Cyclopropenyl-Kations, sondern wie
erwähnt nur eine zusätzliche Anforderung an alle Aromaten: Aromaten müssen der
Hückel-Regel folgen.
Die zweite Anforderung an alle Aromaten lautet: Aromaten müssen eine
ununterbrochene (durchgängige) Ringmesomerie aufweisen.
Cyclopropenyl-Kation erfüllt auch diese Anforderung, wie es aus seinen
mesomeren Grenzformeln ersichtlich ist.
270
Die mesomeren Grenzformeln des Cyclopropenyl-Kations:
H H
Diese mesomere Grenzformeln lassen erkennen, dass die positive Ladung durch die
ununterbrochene Ringmesomerie bei jedem C-Atom des aromatischen Ringes
ankommt und sich auf diese Weise gleichmäßig auf die einzelnen Ringatome verteilt.
1 2
.
3
Cyclopropenyl-Anion
Begründung:
Wenn das freie Elektronenpaar am C3-Atom des Ringes durch Mesomerie in den
Ring gespeist wird, so hat der Ring 2 pi-Elektronenpaare (gerade Zahl von pi-
Elektronenpaaren) und ist somit nichtaromatisch.
Wenn das freie Elektronenpaar am C3-Atom des Ringes an der Mesomerie nicht
teilnimmt und am C3-Atom lokalisiert bleibt, so ist das C3-Atom sp3-hybridisiert.
In beiden Fällen ist das Cyclopropenyl-Anion nichtaromatisch.
271
Beispiele für Aromaten mit n = 1: Cyclopentadienyl-Anion
2 3
1
.. 5
4
Cyclopentadienyl-Anion
ist aromatisch!
Das freie Elektronenpaar am C5-Atom ist kein fixiertes (= lokalisiertes), sondern ein
delokalisiertes pi- Elektronenpaar, welches in den Ring gespeist wird. Somit verfügt
der Ring über 3 pi-Elektronenpaare (eine ungerade Zahl von pi- Elektronenpaaren)
und das C5-Atom ist nicht sp3-, sondern sp2-hybridisiert. Cyclopentadienyl-Anion
erfüllt alle 3 Bedingungen für die Aromatizität und ist daher aromatisch.
Wendet man die Hückel-Regel auf das Cyclopentadienyl-Anion an, erhält man für
den Faktor „n“ die natürliche Zahl 1.
Frage: Woher wissen wir, ob ein Elektronenpaar an einem Ringatom ein freies
Elektronenpaar oder ein pi-Elektronenpaar ist?
Antwort: Es kommt darauf an, ob der Ring zu seiner Aromatizität noch ein weiteres
Elektronenpaar braucht oder nicht.
Wenn der Ring zu seiner Aromatizität noch ein weiteres Elektronenpaar braucht, so
zieht er ein Elektronenpaar in den Ring hinein, das sich an einem Ringatom befindet.
Ein mesomeriefähiges Elektronenpaar, das sich an einem Ringatom befindet und zur
Aromatizität benötigt wird, wird auch durch Mesomerie in den Ring gespeist und
delokalisiert. Ein delokalisiertes Elektronenpaar ist kein freies Elektronenpaar,
sondern ein pi-Elektronenpaar und gehört zum aromatischen System dazu!
272
Aufgaben:
1
H
2
Cyclopentadien Cyclopentadienyl-Kation
ist nichtaromatisch! ist nichtaromatisch!
8 1
9
7 2
6 3
10
5 4
Naphthalin
273
Alternierend bedeutet regelmäßig abwechselnd: Wenn in einem pi-System
(= Moleküle mit mehreren Doppelbindungen) nach einer Doppelbindung eine
Einfachbindung und nach der Einfachbindung wieder eine Doppelbindung vorhanden
ist, wird dieses pi-System als konjugiertes pi-System bezeichnet. Diese spezielle
Anordnung der Doppelbindungen ist das sichtbare Kennzeichen aller Aromaten.
Insgesamt breitet sich das ganze Pi-System des aromatischen Naphthalins über zwei
anellierte 6-gliedrige Ringe, welche zusammen insgesamt über 5 pi-Elektronenpaare
(eine ungerade Zahl von pi- Elektronenpaaren) verfügen.
Die Anwendung der Hückel-Regel auf das Naphthalin ergibt für den Faktor „n“ die
natürliche Zahl 2, womit bewiesen ist, dass Naphthalin der Hückel-Regel folgt.
Das ist aber kein Beweis für die Aromatizität des Naphthalins, sondern nur eine
zusätzliche Anforderung an alle Aromaten: Aromaten müssen der Hückel-Regel
folgen.
Naphthalin ist aromatisch, weil beide Ringe zusammengenommen alle 3
Bedingungen für die Aromatizität erfüllen. Man darf bei der Analyse der Aromatizität
solcher aus mehreren Ringen bestehender Aromaten nicht jeden Ring für sich alleine
betrachten, sondern alle Ringe zusammen.
Das folgende Beispiel zeigt, dass das konjugierte pi-System, das sich über zwei 6-
gliedrige Ringe erstreckt nicht durchgängig ist und im linken Ring unterbrochen ist.
Wenn die Durchgängigkeit eines konjugierten pi-Systems in einem von mehreren
Ringen unterbrochen ist, so wird jeder Ring für sich alleine auf die Aromatizität hin
geprüft.
Bei diesem konjugierten pi-System ist die Durchgängigkeit des pi-Systems im linken
Ring unterbrochen.
Der rechte Ring ist aromatisch, der linke Ring aber nichtaromatisch.
274
Der rechte Ring erfüllt alle 3 Bedingungen für die Aromatizität und folgt auch der
Hückel-Regel (n = 1). Die pi-Bindung im linken Ring gehört daher nicht zum
aromatischen System dazu.
Merke: Aromatizität bezieht sich in solchen Fällen auf die einzelnen Ringe und nicht
auf das ganze Molekül!
Anthracen
Anthracen ist ein ausgedehntes über drei anellierte 6-gliedrige Ringe verlaufendes
konjugiertes pi-System mit insgesamt 7 pi-Elektronenpaaren.
Man kann in der Struktur für Anthracen erkennen, dass eine Doppelbindung einer
Einfachbindung folgt und umgekehrt. Man kann eine Durchgängigkeit der
alternierenden Doppelbindungen über alle drei anellierten Ringe feststellen.
Anthracen ist ein Aromat mit drei aromatischen Ringen, welcher mit n = 3 der
Hückel-Regel folgt.
275
Aufgabe:
Phenanthren
O
..
(1) (2)
(3)
N
N
H
(4) (6)
(5)
276
Aromaten gezeichneten Elektronenpaare zum aromatischen System gehören und
welche nicht.
. ..
N
.. . N
. N
N
..
..
N N
H
H
..
N
N
H
Chinolin Indol Imidazol
Purin
Faust-Regel:
Wenn ein Ring über eine ungerade Zahl von pi-Elektronenpaaren verfügt, und für
die Aromatizität keine weiteren pi-Elektronenpaare benötigt, so sind die an den
einzelnen Ringatomen gezeichneten freien Elektronenpaare auch in Wirklichkeit freie
Elektronenpaare: Bei der Bestimmung der Hybridisierung dieser Ringatome zählt
man diese freien Elektronenpaare mit, weil sie an diesen Atomen fixiert (= lokalisiert)
sind bzw. an der Mesomerie nicht teilnehmen.
Wenn aber ein Ring über eine gerade Zahl von pi-Elektronenpaaren verfügt, und
für seine Aromatizität ein weiteres pi-Elektronenpaar benötigt, so wird ein freies
Elektronenpaar, das an einem Ringatom gezeichnet ist und durch Mesomerie in den
Ring gespeist werden kann, in den Ring gespeist. Ein scheinbar freies Elektronen-
paar, das auf diese Weise delokalisiert wird, ist kein freies Elektronenpaar, sondern
ein pi-Elektronenpaar und wird bei der Bestimmung der Hybridisierung dieses Atoms
nicht mitgezählt (s. Pyrrol).
N
.
H
Pyrrol
Das freie Elektronenpaar am N-Atom des Pyrrols ist in Wirklichkeit kein freies
(= lokalisiertes = fixiertes) Elektronenpaar, sondern ein delokalisiertes
277
pi-Elektronenpaar, da es zur Aromatizität benötigt wird, welches an der Mesomerie
teilnimmt und in den Ring gespeist wird.
5) Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des Pyrrols, wenden Sie die Hückel-
Regel auf dieses System an und ermitteln Sie den Faktor „n“.
Es gibt cyclische pi-Systeme, die eine gerade Zahl von pi-Elektronenpaaren haben
und ihnen ein pi-Elektronenpaar zur Aromatizität fehlt und ein Ringatom eine freies
Elektronenpaar hat, aber dieses freies Elektronenpaar nicht in den Ring gespeist
werden kann.
Beim folgenden Molekül wird ein pi-Elektronenpaar zur Aromatizität benötigt und ein
C-Atom über ein freies Elektronenpaar verfügt, welches aber nicht an der Mesomerie
teilnehmen kann, weil es zu weit von den Doppelbindungen entfernt ist.
..
H
nichtaromatisch!
Bei dieser cyclischen Verbindung beträgt der Abstand zwischen dem freien
Elektronenpaar und der Doppelbindung zwei sigma-Bindungen: Dieses freie
Elektronenpaar lässt sich nicht delokalisieren und in den Ring speisen.
278
sp3
H
..
H O
Cycloheptatrienyl-Kation
ist aromatisch! Cycloheptatrienyl-Anion nichtaromatisch!
ist nichtaromatisch!
Da alle Ringatome eines Aromaten sp2-hybridisiert sind und die räumliche Struktur
von sp2-Hybridorbitalen trigonal-planar ist, so sind Aromaten immer planar (= flach).
Die durchgängige (= ununterbrochene) Ringmesomerie bei den Aromaten zeigt, dass
ihre pi-Elektronen oberhalb und unterhalb der aromatischen Ring-Ebene zirkulieren.
nichthybridisierte
P-Atomorbitale
. .
. .
. .
Aromaten sind planar (= flach) und ihre Ringebene bzw. ihr aromatischer Kern ist von
ihrer pi-Elektronenwolke umhüllt: Ihre nichthybridisierten, hantelförmigen
p-Atomorbitale überlappen seitlich (= sie berühren sich oberhalb und unterhalb der
Ringebene) und ermöglichen dadurch die Zirkulation der pi-Elektronen in diesen
p-Atomorbitalen oberhalb und unterhalb eines aromatischen Ringes.
279
-Elektronenwolke
oberhalb der Ebene
des aromatischen
Ringes
aromatischer
Ring
-Elektronenwolke
unterhalb der Ebene
des aromatischen
Ringes
Aromatische Substitutionsreaktionen
Aromatische Substitutionsreaktionen:
Br
H
H H
H H
H H
H H
H
H
Benzol Brombenzol
Der Austausch eines H-Atoms an einem aromatischen Ring durch ein anderes Atom
wird im Allgemeinen als Substitutionsreaktion bezeichnet.
280
Da Elektronen negativ geladene Teilchen sind, besitzen Aromaten einen negativen
(= nucleophilen) Charakter: Sie fungieren in ihren typischen Reaktionen als
Nucleophile (= Elektronendonatoren).
Da Aromaten aufgrund der Zirkulation von pi-Elektronen oberhalb und unterhalb des
aromatischen Ringes einen negativen (= nucleophilen) Charakter besitzen, können
sie viel leichter mit Molekülen reagieren, die einen positiven (= elektrophilen) Charak-
ter aufweisen: Nucleophile und Elektrophile ziehen sich gegenseitig an!
Benzol ist der bekannteste Aromat und wie alle Aromaten sehr stabil, da Aromaten
im Allgemeinen sehr stark mesomeriestabilisiert sind.
Das bedeutet, dass Benzol sehr energiearm bzw. sehr reaktionsträge ist.
281
Ein Beispiel:
Wenn man Benzol mit elementarem Brom (Br2) vermischt, stellt man fest, dass sie
nicht miteinander reagieren. Benzol reagiert nicht mit Brom, weil Benzol sehr
reaktionsträge und elementares Brom (Br2) ein schwaches Elektrophil ist.
In solchen Fällen muss man einen Katalysator verwenden, um das schwache
Elektrophil (Br2) zu aktivieren und die Reaktion zu starten.
Ein gerne verwendeter Katalysator bei der Bromierung von Benzol ist
das Eisentribromid (FeBr3).
Der Austausch eines H-Atoms eines aromatischen Ringes gegen ein Bromatom kann
nur mithilfe eines Katalysators z.B. Eisentribromid (FeBr3) erfolgen. Die durch das
Eisentribromid (FeBr3) katalysierte Bromierung vom Benzol ist eine typische
elektrophile aromatische Substitutionsreaktion.
Der Reaktionsmechanismus (= der genaue Ablauf einer Reaktion) der katalytischen
Bromierung vom Benzol besteht aus 4 aufeinanderfolgenden Einzelschritten:
1) Aktivierung des Elektrophils (Br2) durch den Katalysator, 2) Angriff des aktivierten
Elektrophils auf den aromatischen Ring unter Bildung eines nichtaromatischen
Zwischenproduktes, das als pi-Komplex bezeichnet wird, 3) Deprotonierung des
pi-Komplexes unter Bildung des aromatischen Endproduktes „Brombenzol“ und
4) Regenerierung des Katalysators, wie nachfolgend detailliert beschrieben wird.
+
Br Br + FeBr3 Br Br FeBr3
1 2 3
unpolare polare
Bindung Bindung
Das elementare Brom (1) verfügt über 3 freie Elektronenpaare an jedem einzelnen
Bromatom.
282
Der Katalysator Eisentribromid (FeBr3) (2) ist eine Elektronenmangel-Verbindung
(Lewis-Säure), weil das Eisenatom (Fe) in Eisentribromid (FeBr3) kein Oktett auf-
weist (das Eisenatom hat keine vollbesetzte äußere Achterschale). Deshalb lagert
sich das elementare Brom durch die Betätigung eines seiner freien Elektronenpaare
freiwillig an den Katalysator, wie es in oberer Reaktionsgleichung dargestellt ist.
Durch die Anlagerung von elementarem Brom (1) an den Katalysator Eisentribromid
(FeBr3) (2) entsteht der Komplex (3). Im Komplex (3) ist die Bindung zwischen den
zwei Bromatomen polarisiert, wodurch das äußere Bromatom eine positive
Partialladung (= Delta-Plus) erhält. Die Polarisierung der Bindung zwischen den
beiden Bromatomen durch den Katalysator bezeichnet man als Aktivierung des
Elektrophils. Der entstehende Komplex (3) ist das aktivierte Elektrophil, das in der
Lage ist, mit dem Aromaten zu reagieren.
H
H
H
+
+ Br Br FeBr3 + FeBr4
Br
Eisentetrabromid-
Anion
-Komplex,
oder das
nichtaromatische
Zwischenprodukt!
Benzol greift mit einer Doppelbindung das aktivierte Elektrophil unter Bildung des
nichtaromatischen Zwischenproduktes an.
Dabei wird das aktivierte Elektrophil an seinem äußeren Bromatom, das die positive
Partialladung trägt durch Benzol als Nucleophil angegriffen, wobei die Bindung
zwischen den 2 Bromatomen gespalten wird (= bricht).
283
3) Deprotonierung:
H
H Br
+ H
Br
Brombenzol
-Komplex,
oder das
nichtaromatische
Zwischenprodukt!
Eisentetrabromid- Katalysator
Anion
284
Weitere Elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen
(Ar-SE-Reaktionen)
Bei der Nitrierung von Aromaten dient das reaktive Nitronium-Ion (NO2+) als
Elektrophil, das in Salpetersäure infolge der Autoprotolyse in geringer Menge
vorhanden ist, oder durch Zugabe von katalytischen Mengen an Schwefelsäure zu
Salpetersäure insitu generiert wird.
Dieses Elektrophil ist reaktiv genug, und reagiert ohne einen Katalysator mit dem
reaktionsträgen Benzol.
Der Reaktionsmechanismus dieser Reaktion, die ohne einen Katalysator auskommt,
besteht daher aus nur zwei aufeinanderfolgenden Einzelschritten: 1) Angriff und 2)
Deprotonierung.
285
1) Angriff des Elektrophils
H H
H O
H
N
+ O N O
O
Benzol Nitronium-Ion
sigma-Komplex
Benzol greift mit einer Doppelbindung das reaktive und positiv geladene Zentrum des
Elektrophils unter Bildung vom nichtaromatischen sigma-Komplex an.
2) Deprotonierung
H O
H O N
O + H
N
Nitrobenzol
sigma-Komplex
Bei der Sulfonierung von Benzol dient das Schwefeltrioxid (SO3), das in relativ
großen Mengen in rauchender Schwefelsäure vorhanden ist als reaktives
Elektrophil.
Zeichnet man die Valenzstrichformel (= mesomere Grenzformel) von Schwefeltrioxid
(SO3), so erkennt man das positive Zentrum des Moleküls: Das S-Atom ist mit
286
3 elektronegativeren O-Atomen verknüpft, welche die pi-Elektronen stark an sich
ziehen, wodurch das S-Atom stark positiv wird bzw. sehr geringe Elektronendichte
aufweist.
O O
S S
O O O O
Schwefeltrioxid (SO3) ist ein sehr reaktives Elektrophil und braucht keinen
zusätzlichen Katalysator, um mit einem Aromaten reagieren zu können.
Der Reaktionsmechanismus dieser Reaktion, die ohne einen Katalysator auskommt,
besteht wie bei der Nitrierung von Aromaten mit Nitronium-Ion auch aus nur 2
aufeinanderfolgenden Einzelschritten: 1) Angriff und 2) Deprotonierung.
H
H
H
O
O
+
S S
O O O
O
Schwefeltrioxid -Komplex
(Zwischenprodukt)
Benzol greift mit einer Doppelbindung das reaktive und positiv geladene Zentrum des
Elektrophils unter Bildung vom nichtaromatischen sigma-Komplex an.
287
2) Deprotonierung
H
H O
O OH
S
S
O
O
O
-Komplex Benzolsulfonsäure
(Zwischenprodukt)
Aufgabe:
Formulieren Sie den Reaktionsmechanismus der Chlorierung von Benzol mit
elementarem Chlor (Cl2) mithilfe des Katalysators „Aluminiumtrichlorid“ (AlCl3).
Tipp: Orientieren Sie sich dabei an der oben beschriebenen Bromierung des
Benzols.
288
IUPAC-Nomenklatur substituierter Aromaten
Alkylaromaten:
Me CH3 CH3
Et C2H5
Halogenaromaten ( = Arylhalogenide):
Br Cl I
289
Andere Benzol-Derivate:
OH NH2 OMe
NH3
Aufgabe:
Zeichnen Sie die Valenzstrichformel (VSF) der Substituenten von allen oben
dargestellten Aromaten.
Achtung: Bei den Valenzstrichformeln (VSF) müssen alle Bindungen, alle freien
Elektronenpaare und alle vorhandenen Formalladungen im Molekül sichtbar sein.
Tipp: Man geht bei der Zeichnung von Valenzstrichformel der Substituenten von
Aromaten immer nach dem Prinzip der „Oktett und Oktett-Erweiterung“ vor: Oktett für
Atome der zweiten Periode und Oktett-Erweiterung für alle anderen Atome.
290
Zweitsubstitution bei den Aromaten
Substituent
1
6 2
5 3
4
Die Positionen C-2 und C-6 sind gleich. Sie sind die direkten Nachbarpositionen zu C-1 und werden
als ortho-Position bezeichnet.
Die Positionen C-3 und C-5 sind auch gleich, weil sie sich in Bezug auf ihren Abstand zu C-1 nicht
unterscheiden.
Die Positionen C-3 und C-5 werden als meta-Position bezeichnet.
Die Position C-4 ist die am weitesten vom C-1 entfernte Position, welche als para-Position
bezeichnet wird.
291
Zweitsubstitution
1. Möglichkeit: ortho-Substitution
Z Z
1 1
H Y
6 6
2 Y+ 2
+
5 3 -H+ 5 3
4 4
Edukt ortho-Produkt
2. Möglichkeit: meta-Substitution
Z Z
1 1
6 2 6 2
+
+ Y
3 3
5 -H+ 5
H Y
4 4
Edukt meta-Produkt
292
3. Möglichkeit: para-Substitution
Z Z
1 1
6 2 6 2
+
+ Y
5 4 3 -H+ 5 4 3
H Y
Edukt
para-Produkt
Y+ als aktiviertes Elektrophil substituiert (= ersetzt) das H-Atom am C-4.
Ein Aromat mit einem Substituenten wird als ein monosubstituierter Aromat
bezeichnet.
293
Regioselektivität bei aromatischen Zweitsubstitutionen
Welche der drei möglichen Positionen eines monosubstituierten Aromaten bei der
Zweitsubstitution bevorzugt angegriffen werden, und welche Produkte dabei
bevorzugt entstehen, hängt ausschließlich vom Erstsubstituenten Z ab.
Erläuterung:
Wenn das erste Atom des Substituenten über ein freies Elektronenpaar verfügt,
so liefert die Zweitsubstitution dieses Aromaten ortho- und para-Produkte als Haupt-Produkte.
CO2Me
CO2Me CO2Me CO2Me
NO2
+ NO2+ +
+
-H+
NO2
Benzoesäure- (1) (2) NO2
methylester
(3)
Die erwarteten Produkte dieser aromatischen Zweitsubstitution und ihre statistisch
erwarteten Ausbeuten:
294
Diese Zweitsubstitutionsreaktion ist streng regioselektiv und liefert nur das
entsprechende meta-Produkt.
Der Grund dafür liegt im Erstsubstituenten „Methylester (CO2Me)“.
Um das zu verstehen, muss man zuerst die Valenzstrichformel für den
Erstsubstituenten „Methylester (CO2Me)“ zeichnen:
O O
C
Alpha-Atom: Das erste Atom
des Erstsubstituenten
wird auch
ortho ortho als Alpha-Atom bezeichnet.
meta meta
para
Begründung:
Um das zu verstehen, muss man sich die dirigierende Wirkung des Erstsubstituenten
genauer anschauen, indem man sich klar macht, ob der Erstsubstituent Elektronen
aus dem aromatischen Ring herauszieht oder Elektronen in den aromatischen Ring
hineinschiebt.
295
Wenn der Erstsubstituent Elektronen aus dem aromatischen Ring herauszieht, so hat
er einen Elektronenzug-Effekt, umgekehrt jedoch einen Elektronenschub-Effekt.
Der Elektronenzug-Effekt wird als negativer Mesomerie-Effekt bzw. Minus-M-Effekt
(Kurz: -M) bezeichnet. Durch den -M-Effekt des Erstsubstituenten wird die
Elektronendichte des aromatischen Ringes herabgesetzt. Dadurch entsteht eine
positive Ladung im Ring!
H C H
O O
C
Das Alpha-Atom (C) hat kein freies e--Paar, welches durch eine pi-Bindung mit dem Beta-Atom
(O) verbunden ist und einen Elektronenzug-Effekt auf den
aromatischen Ring ausübt.
296
Darstellung des Elektronenzug-Effektes bei Benzoesäuremethylester durch Mesomerie:
H H
Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass durch den Elektronenzug-
Effekt des Erstsubstituenten eine positive Ladung im Ring verursacht wird, welche in
ortho- und para-Positionen auftritt, jedoch nicht in meta-Position.
Da ein Elektrophil, das mit einem solchen Aromaten reagieren soll, auch ein positiv
geladenes Teilchen ist, wird sein Eintritt in die positiv geladenen ortho- und para-
Positionen erschwert, in meta-Position aber nicht.
Deshalb entsteht bei der Zweitsubstitution von Aromaten mit einem Erstsubstituen-
ten, der einen Minus-M–Effekt aufweist, das meta-Produkt bevorzugt.
Den Elektronenzug-Effekt eines Substituenten bezeichnet man auch als „negativen
Mesomerie-Effekt (ausgesprochen: Minus-M–Effekt)“.
297
Als nächstes beschäftigen wir uns mit der Zweitsubstitution von Aromaten, deren
Erstsubstituent einen positiven Mesomerie–Effekt (Plus-M–Effekt) aufweist.
Als Beispiel soll im Folgenden die Zweisubstitution von Anisol (Methoxybenzol) mit
dem Nitronium-Ion (NO2+) als einem sehr reaktiven Elektrophil dienen.
OMe
+ NO2+ ?
Anisol Nitronium-Ion
H C
O
H
H H
O N O
H H
298
An der Valenzstrichformel für den Substituenten erkennt man, dass das erste Atom
des Substituenten (das Alpha-Atom) über zwei freie Elektronenpaare verfügt.
Ein freies Elektronenpaar des Alpha-Atoms tritt mit den pi-Elektronenpaaren des
aromatischen Ringes in Mesomerie und erhöht damit die Elektronendichte des
aromatischen Ringes, wobei eine positive Formalladung am Alpha-Atom (O-Atom)
und eine negative Formalladung im Ring auftreten:
.. ..
..
mesomere Grenzformeln des Anisols
Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass der Erstsubstituent einen
Elektronenschub-Effekt auf den aromatischen Ring ausübt und damit die
Elektronendichte des aromatischen Ringes erhöht bzw. eine negative Formalladung
im Ring verursacht.
Die oben dargestellten mesomeren Grenzformeln zeigen, dass die dadurch
verursachte negative Formalladung im Ring nur in den ortho- und para-Positionen,
jedoch nicht in der meta-Position auftreten.
Da das angreifende Elektrophil (E+) eine positive Ladung trägt, wird sein Angriff in
ortho- und para-Positionen erleichtert, da sich positiv und negativ geladene Teilchen
gegenseitig anziehen. Der Angriff des Elektrophils erfolgt hierbei daher hauptsächlich
in ortho- und para-Stellungen, und führt zur bevorzugten Bildung von ortho- und
para-Produkten als Hauptprodukten.
299
Reaktionsmechanismus der elektrophilen aromatischen
Zweitsubstitutionsreaktion
1) Angriff:
OMe OMe
OMe
H
NO2
+ NO2+ +
H
1 O2N
3
2
-Komplexe
(Zwischenprodukte)
2) Deprotonierung:
OMe OMe
H
NO2
NO2
-H+
2 4
ortho-Nitroanisol
OMe OMe
-H+
O2N H
NO2
3
para-Nitroanisol
5
300
Zusammenfassung der Ergebnisse der Zweitsubstitution von Aromaten:
301
Heteroaromaten
Antwort: Alle Aromaten, deren aromatische Ringe außer C-Atomen auch andere
Atome enthalten, werden als Heteroaromaten bezeichnet.
Es gibt zahlreiche Heteroaromaten. Die folgenden 4 Heteroaromaten sind die
bekanntesten unter ihnen:
O S N
N
Furan Thiophen
H
Pyrrol Pyridin
Alle diese cyclischen -Systeme erfüllen die 3 Bedingungen für die Aromatizität:
1) sie sind cyclisch,
2) ihre Ringe verfügen über je eine ungerade Zahl von -e--Paaren und
3) alle ihre Ringatome sind sp2-hybridisiert.
Wir wissen, dass bei den Aromaten eine ununterbrochene Mesomerie im Ring als ein
zusätzlicher Beweis für ihre Aromatizität möglich sein muss.
Im Fall von Furan werden die mesomeren Grenzformeln wie folgt dargestellt:
302
..
..
..
..
..
O
.. .
O
.. ..
..
O O O
.
am O-Atom fixiertes
freies Elektronenpaar
delokalisiertes
Elektronenpaar
Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass eines der beiden
Elektronenpaare am O-Atom in Wirklichkeit ein delokalisiertes -e--Paar ist und das
O-Atom nur scheinbar sp3-hybridisiert, in Wirklichkeit aber sp2-hybridisiert ist.
Diese durchgängige Mesomerie im Ring des Furans ist eine weitere Bestätigung für
die Aromatizität des Furans!
Hückel-Regel
Wir wissen auch, dass die Aromaten einen zweiten Beweis für ihre Aromatizität
dadurch erbringen müssen, dass sie der Hückel-Regel folgen.
Hückel-Regel: 4n + 2 = X
(X = Anzahl der einzelnen -e- im Ring)
(n = eine natürliche Zahl)
Die Anwendung der Hückel-Regel auf ein aromatisches System muss eine natürliche
Zahl für den Faktor „n“ (0, 1, 2, 3,…) liefern.
Im Fall von Furan ergibt die Anwendung der Hückel-Regel die für Aromaten
geforderte natürliche Zahl 1 für den Faktor n!
303
Das kommt wie folgt zustande:
4n + 2 = 6 einzelne delokalisierte -e- im Ring
Daraus folgt: n = 1
Das ist nur eine weitere Bestätigung für die Aromatizität des Furans!
Aufgabe:
Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln für die anderen drei oben gezeichneten
Heteroaromaten „Thiophen, Pyrrol und Pyridin“ und beweisen Sie deren Aromatizität
anhand der Anwendung von Hückel-Regel.
304
Elektrophile aromatische Substitutionsreaktion bei
Heteroaromaten
+ Br2 ?
O
Furan
H H
Br Br
H H
O
305
Antwort: Es gibt hierbei zwei Angriffs-Möglichkeiten: C2-Angriff und C3-Angriff.
Br
3
4
3-Stellung
2
5
1
O
4 3 3-Bromfuran
+ Br2
5 2 -HBr
1
O
Brom 4 3
Furan
2-Stellung
2
5
1 Br
O
2-Bromfuran
Welches dieser beiden Produkte bevorzugt gebildet wird, kann nur durch die
Zeichnung der mesomeren Grenzformeln ihrer Zwischenprodukte beantwortet
werden.
306
Mesomere Grenzformeln der beiden Zwischenprodukte:
Br Br
H H
3-Stellung
.. O ..
O
..
4 3
2 mesomere Grenzformeln
5 2 + Br2
.. O
-Br-
..
1
2-Stellung
Br Br Br
..
O H ..
O
..
O
..
..
H
3 mesomere Grenzformeln
Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass bei den elektrophilen
aromatischen Substitutionsreaktionen des Furans das 2-Bromfuran bevorzugt bzw.
als Hauptprodukt entsteht.
Begründung:
Der C2-Angriff ist bevorzugt, da das Zwischenprodukt beim C2-Angriff 3 mesomeren
Grenzformeln aufweist und daher höher mesomeriestabilisiert ist als das Zwischen-
produkt des C3-Angriffs, die nur 2 mesomeren Grenzformeln hat.
Mit anderen Worten: C2-Angriff ist bevorzugt, weil das Zwischenprodukt des C2-
Angriffs 1 mesomere Grenzformel mehr hat als beim C3-Angriff und daher höher
mesomeriestabilisiert ist.
Aufgaben:
Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln der möglichen Zwischenprodukte der
Bromierung von Thiophen und Pyrrol mit elementarem Brom (Br2) und benennen Sie
jeweils die Haupt- und Nebenprodukte.
Tipp: Orientieren Sie sich dabei an der Bromierung von Furan!
307