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Kapitel 13

Aromaten

261
Aromatizität

Bedingungen für die Aromatizität

Es gibt 3 Bedingungen für die Aromatizität:


1) Aromaten sind cyclisch (= ringförmig),
2) Alle Ringatome sind sp2-hybridisiert,
3) Der aromatische Ring verfügt über eine ungerade Zahl (1, 3, 5, 7….)
von pi-Elektronenpaaren.

Ein Beispiel:

Benzol ist der bekannteste Aromat.


H

H H

H H

Die 3 pi-Bindungen (ungerade Zahl!) des Benzols sind in rot dargestellt.

Alternativ kann Benzol auch wie folgt gezeichnet werden:

Die drei pi-Elektronenpaare


Die H-Atome werden
werden der Einfachheit halber
der Übersichtlichkeit halber
als ein Kreis im Ring dargestellt
weggelassen

Merke: Die wichtigste Eigenschaft der Aromaten ist ihre besonders hohe
Stabilität, die durch Mesomerie verursacht wird.

262
Mit anderen Worten: Aromaten sind mesomere Systeme und sind daher sehr stark
mesomeriestabilisiert. Sie sind besonders stabile (= besonders energiearme) Verbin-
dungen.

Mesomere Grenzformeln (GF) des Benzols:

1 2 3

6 4
5

6 gleichberechtigte mesomere Grenzformelndes Benzols

Vereinfachte Darstellung der mesomeren Grenzformeln (GF) des Benzols:


Da die Grenzformeln 1, 3 und 5 völlig gleich sind, werden sie zusammengefasst und
schematisch wie folgt als A und die anderen Grenzformeln 2, 4 und 6 als B
dargestellt.

A B

mesomere Grenzformeln des Benzols

263
An den mesomeren Grenzformeln lässt sich die ständige Zirkulation der
pi-Elektronen im Benzol-Ring erkennen.
Benzol ist um 151 kJ/mol mesomeriestabilisiert.

Benzol ist cyclisch, hat 3 pi-Elektronenpaare und alle Ring-Atome sind


sp2-hybridisiert.
Benzol erfüllt somit alle 3 Bedingungen für die Aromatizität und ist daher aromatisch.

Es gibt 2 Anforderungen an Aromaten:


1) Aromaten müssen der Hückel-Regel folgen!
2) Aromaten haben eine ununterbrochene bzw. durchgängige Ringmesomerie!

Was ist Hückel-Regel?

Hückel-Regel: X = 4n + 2

X ist die Anzahl der einzelnen -Elektronen im aromatischen


Ring.
Der Faktor "n" ist eine natürliche Zahl (0, 1, 2, 3...).

Achtung! Bei Hückel-Regel geht es nicht um Anzahl der pi-Elektronenpaare,


sondern um die Anzahl der einzelnen pi-Elektronen im aromatischen Ring.

Anwendung der Hückel-Regel auf das Benzol:


Benzol hat 3 pi-Elektronenpaare, umgerechnet also 6 einzelne pi-Elektronen.
Immer wenn sich bei der Anwendung von Hückel-Regel auf ein cyclisches pi-System
für den Faktor „n“ eine natürliche Zahl ergibt, so folgt dieses pi-System der
Hückel-Regel.

Ermittlung des Faktors „n“ für Benzol:


4n + 2 = 6
Daraus folgt: n = 1

264
Da die Zahl 1 für den Faktor „n“ eine natürliche Zahl ist, folgt Benzol der
Hückel-Regel bzw. erfüllt die erste Anforderung an Aromaten.

Achtung: Alle Aromaten müssen der Hückel-Regel folgen. Aber umgekehrt ist
nicht jeder Ring, der der Hückel-Regel folgt, auch aromatisch.

Ein Beispiel:

1,3,5-Cycloheptatrien folgt zwar mit n = 1 der Hückel-Regel, ist aber trotzdem nicht-
aromatisch.

2
3
1
4
7
5
6

1,3,5-Cycloheptatrien
ist nichtaromatisch!

1,3,5-Cycloheptatrien ist cyclisch, hat 3 pi-Elektronenpaare (eine ungerade Zahl von


pi-Elektronenpaaren) und folgt auch der Hückel-Regel. Trotzdem ist diese
Verbindung nichtaromatisch!
Der Grund dafür ist der sp3-Hybridisierungszustand (= der sp3-Hybridisierungsgrad)
eines Ring-Atoms, nämlich des C7-Atoms. Dieser Ring erfüllt nicht alle 3
Bedingungen für die Aromatizität und ist daher nichtaromatisch.

Im Folgenden sind mehrere cyclische pi-Systeme abgebildet. Wir wollen gemeinsam


herausfinden, welche aromatisch und welche nichtaromatisch sind.

265
1. Beispiel: Thiophen

Thiophen

Begründen Sie die Aromatizität des Thiophens, wenden Sie die Hückel-Regel auf
das Thiophen-Molekül an und zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des
Thiophens.

Antwort:

Hückel-Regel: X = 4n + 2

X ist die Anzahl der einzelnen -Elektronen im aromatischen


Ring.
Der Faktor "n" ist eine natürliche Zahl (0, 1, 2, 3...).

Frage: Warum müssen Aromaten eine ungerade Zahl von pi-Elektronenpaaren (1, 3,
5,…) haben?
Antwort: Das resultiert aus der Hückel-Regel!

Diese pi-Elektronenpaare können reine Doppelbindungen sein, oder aus 2 Doppel-


bindungen und einem delokalisierten pi-Elektronenpaar an einem der Ringatome
bestehen.
Thiophen ist aromatisch, da der Ring über 6 pi-Elektronen bzw. 3 pi-Elektronenpaare
verfügt und alle Ringatome sp2-hybridisiert sind.
Die zwei freie Elektronenpaare am S-Atom des Thiophens sind nicht gleich.
Während das eine freie Elektronenpaar am S-Atom fixiert (lokalisiert) ist, tritt
das andere freie Elektronenpaar am S-Atom mit den beiden im Ring vorhandenen
zwei Doppelbindungen in Mesomerie und wird delokalisiert.

266
Achtung: Die delokalisierten Elektronenpaare sind keine freien Elektronenpaare,
sondern pi-Elektronenpaare.

Das S-Atom ist auf den ersten Blick sp3-hybridisiert.


Das S-Atom ist auf den zweiten Blick nur scheinbar sp3-hybridisiert.
Das S-Atom ist in Wirklichkeit sp2-hybridisiert, weil ein Elektronenpaar am S-Atom
des Thiophens ein delokalisiertes pi- Elektronenpaar ist, welches in den Ring
gespeist wird.
Damit erfüllt Thiophen alle 3 Bedingungen für die Aromatizität und ist daher
aromatisch.
Die Anwendung von Hückel-Regel auf Thiophen ergibt für den Faktor „n“
die natürliche Zahl 1. Somit folgt Thiophen der Hückel-Regel bzw. erfüllt diese Anfor-
derung an Aromaten.

Ermittlung des Faktors „n“ für Thiophen:


4n + 2 = 6
Daraus folgt: n = 1

Da die Zahl 1 eine natürliche Zahl ist, folgt Thiophen der Hückel-Regel.

2. Anforderung an Aromaten: Bei Aromaten muss eine durchgängige


Ringmesomerie möglich sein!

Darstellung der durchgängigen Ringmesomerie des Thiophens:

. ..
S
. ..
S S S S

mesomere Grenzformeln des Thiophens

267
2. Beispiel: Furan

freies e--Paar -e--Paar


Furan

Furan ist genauso wie Thiophen auch aromatisch.


Ein Elektronenpaar am O-Atom ist freies Elektronenpaar und das andere ein
pi-Elektronenpaar, welches an der Mesomerie teilnimmt und dadurch in den Ring
gespeist wird.
Somit erfüllt Furan alle 3 Bedingungen für die Aromatizität: Das Molekül
1) ist cyclisch, 2) hat eine ungerade Zahl von pi- Elektronenpaaren und 3) alle seine
Ringatome sind sp2-hybridisiert.

Zusätzlich liefert die Anwendung der Hückel-Regel auf dieses pi-System für den
Faktor „n“ die natürliche Zahl 1. Das ist der Beweis dafür, dass Furan als ein Aromat
der Hückel-Regel folgt.

Die mesomeren Grenzformeln des Furans sind genauso wie die mesomeren
Grenzformeln des Thiophens.
Furan hat eine durchgängige Ringmesomerie und erfüllt damit auch die 2. Anforde-
rung an Aromaten.

Aufgabe:
Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des Furans und stellen Sie damit seine
durchgängige Ringmesomerie dar.

Beispiele für antiaromatische pi-Systeme:

Wenn es sich bei der Anwendung von Hückel-Regel auf ein ringförmiges pi-System
für den Faktor „n“ eine Bruchzahl (z.B. ½ oder ¾ ….) ergibt, so ist das betreffende
pi-System nichtaromatisch bzw. antiaromatisch.

268
3. Beispiel: Cyclobutadien

Cyclobutadien
ist antiaromatisch!

Cyclobutadien verfügt über 2 pi-Elektronenpaare (gerade Zahl von pi-


Elektronenpaaren) im Ring und erfüllt nicht alle 3, sondern nur 2 Bedingungen für die
Aromatizität.
Cyclobutadien folgt nicht der Hückel-Regel!

Hückel-Regel: X = 4n + 2
X=4
4n + 2 = 4
n = 1/2
Da 1/2 keine natürliche Zahl, sondern eine Bruchzahl ist, folgt Cyclobutadien nicht
der Hückel-Regel und ist daher antiaromatisch.

269
Beispiele für Aromaten mit n = 0, 1, 2 und 3

Ein Beispiel für Aromaten mit n = 0: Cyclopropenyl-Kation

Cyclopropenyl-Kation

Ermittlung des Faktors „n“ durch die Anwendung der Hückel-Regel


auf das Cyclopropenyl-Kation:

X = 4n +2
X = 2 (Es gibt nur ein pi-Elektronenpaar im Ring)
4n + 2 = 2
Daraus folgt: n = 0

Die Anwendung der Hückel-Regel auf das Cyclopropenyl-Kation ergibt für den
Faktor „n“ die natürliche Zahl 0, womit bewiesen ist, dass Cyclopropenyl-Kation der
Hückel-Regel folgt.
Das ist aber kein Beweis für die Aromatizität des Cyclopropenyl-Kations, sondern wie
erwähnt nur eine zusätzliche Anforderung an alle Aromaten: Aromaten müssen der
Hückel-Regel folgen.
Die zweite Anforderung an alle Aromaten lautet: Aromaten müssen eine
ununterbrochene (durchgängige) Ringmesomerie aufweisen.
Cyclopropenyl-Kation erfüllt auch diese Anforderung, wie es aus seinen
mesomeren Grenzformeln ersichtlich ist.

270
Die mesomeren Grenzformeln des Cyclopropenyl-Kations:

H H

mesomere Grenzformeln des Cyclopropenyl-Kations

Diese mesomere Grenzformeln lassen erkennen, dass die positive Ladung durch die
ununterbrochene Ringmesomerie bei jedem C-Atom des aromatischen Ringes
ankommt und sich auf diese Weise gleichmäßig auf die einzelnen Ringatome verteilt.

Nächstes Beispiel: Cyclopropenyl-Anion ist hingegen nichtaromatisch.

1 2
.
3

Cyclopropenyl-Anion

Begründung:
Wenn das freie Elektronenpaar am C3-Atom des Ringes durch Mesomerie in den
Ring gespeist wird, so hat der Ring 2 pi-Elektronenpaare (gerade Zahl von pi-
Elektronenpaaren) und ist somit nichtaromatisch.
Wenn das freie Elektronenpaar am C3-Atom des Ringes an der Mesomerie nicht
teilnimmt und am C3-Atom lokalisiert bleibt, so ist das C3-Atom sp3-hybridisiert.
In beiden Fällen ist das Cyclopropenyl-Anion nichtaromatisch.

271
Beispiele für Aromaten mit n = 1: Cyclopentadienyl-Anion

2 3

1
.. 5
4

Cyclopentadienyl-Anion
ist aromatisch!

Das freie Elektronenpaar am C5-Atom ist kein fixiertes (= lokalisiertes), sondern ein
delokalisiertes pi- Elektronenpaar, welches in den Ring gespeist wird. Somit verfügt
der Ring über 3 pi-Elektronenpaare (eine ungerade Zahl von pi- Elektronenpaaren)
und das C5-Atom ist nicht sp3-, sondern sp2-hybridisiert. Cyclopentadienyl-Anion
erfüllt alle 3 Bedingungen für die Aromatizität und ist daher aromatisch.
Wendet man die Hückel-Regel auf das Cyclopentadienyl-Anion an, erhält man für
den Faktor „n“ die natürliche Zahl 1.

Frage: Woher wissen wir, ob ein Elektronenpaar an einem Ringatom ein freies
Elektronenpaar oder ein pi-Elektronenpaar ist?
Antwort: Es kommt darauf an, ob der Ring zu seiner Aromatizität noch ein weiteres
Elektronenpaar braucht oder nicht.
Wenn der Ring zu seiner Aromatizität noch ein weiteres Elektronenpaar braucht, so
zieht er ein Elektronenpaar in den Ring hinein, das sich an einem Ringatom befindet.
Ein mesomeriefähiges Elektronenpaar, das sich an einem Ringatom befindet und zur
Aromatizität benötigt wird, wird auch durch Mesomerie in den Ring gespeist und
delokalisiert. Ein delokalisiertes Elektronenpaar ist kein freies Elektronenpaar,
sondern ein pi-Elektronenpaar und gehört zum aromatischen System dazu!

272
Aufgaben:

1) Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln (GF) des Aromaten „Cyclopentadie-


nyl-Anion“ und begründen Sie seine Aromatizität.

2) Begründen Sie, warum die im Folgenden abgebildeten pi-Systeme „Cyclopentadi-


en“ (1) und „Cyclopentadienyl-Kation“ (2) im Gegensatz zu „Cyclopentadienyl-Anion“
nichtaromatisch sind.

1
H
2

Cyclopentadien Cyclopentadienyl-Kation
ist nichtaromatisch! ist nichtaromatisch!

Beispiel für Aromaten mit n = 2: Naphthalin

8 1
9
7 2

6 3
10
5 4
Naphthalin

Naphthalin besteht aus zwei anellierten Ringen.


Anellierte Ringe sind zwei Ringe, die zwei C-Atome miteinander teilen bzw. zwei
C-Atome gemeinsam haben.
Bei Naphthalin sind zwei 6-gliedrige Ringe über die C9- und C10-Atome verknüpft
(s. Struktur von Naphthalin).
Bei Naphthalin handelt es sich um ein aromatisches System, das alternierende
Doppelbindungen aufweist.

273
Alternierend bedeutet regelmäßig abwechselnd: Wenn in einem pi-System
(= Moleküle mit mehreren Doppelbindungen) nach einer Doppelbindung eine
Einfachbindung und nach der Einfachbindung wieder eine Doppelbindung vorhanden
ist, wird dieses pi-System als konjugiertes pi-System bezeichnet. Diese spezielle
Anordnung der Doppelbindungen ist das sichtbare Kennzeichen aller Aromaten.

Insgesamt breitet sich das ganze Pi-System des aromatischen Naphthalins über zwei
anellierte 6-gliedrige Ringe, welche zusammen insgesamt über 5 pi-Elektronenpaare
(eine ungerade Zahl von pi- Elektronenpaaren) verfügen.
Die Anwendung der Hückel-Regel auf das Naphthalin ergibt für den Faktor „n“ die
natürliche Zahl 2, womit bewiesen ist, dass Naphthalin der Hückel-Regel folgt.
Das ist aber kein Beweis für die Aromatizität des Naphthalins, sondern nur eine
zusätzliche Anforderung an alle Aromaten: Aromaten müssen der Hückel-Regel
folgen.
Naphthalin ist aromatisch, weil beide Ringe zusammengenommen alle 3
Bedingungen für die Aromatizität erfüllen. Man darf bei der Analyse der Aromatizität
solcher aus mehreren Ringen bestehender Aromaten nicht jeden Ring für sich alleine
betrachten, sondern alle Ringe zusammen.

Beispiel für anellierte Ringe mit einem aromatischen Ring:

Das folgende Beispiel zeigt, dass das konjugierte pi-System, das sich über zwei 6-
gliedrige Ringe erstreckt nicht durchgängig ist und im linken Ring unterbrochen ist.
Wenn die Durchgängigkeit eines konjugierten pi-Systems in einem von mehreren
Ringen unterbrochen ist, so wird jeder Ring für sich alleine auf die Aromatizität hin
geprüft.

Bei diesem konjugierten pi-System ist die Durchgängigkeit des pi-Systems im linken
Ring unterbrochen.
Der rechte Ring ist aromatisch, der linke Ring aber nichtaromatisch.

274
Der rechte Ring erfüllt alle 3 Bedingungen für die Aromatizität und folgt auch der
Hückel-Regel (n = 1). Die pi-Bindung im linken Ring gehört daher nicht zum
aromatischen System dazu.
Merke: Aromatizität bezieht sich in solchen Fällen auf die einzelnen Ringe und nicht
auf das ganze Molekül!

Beispiel für Aromaten mit n = 3: Anthracen

Anthracen

Anthracen ist ein ausgedehntes über drei anellierte 6-gliedrige Ringe verlaufendes
konjugiertes pi-System mit insgesamt 7 pi-Elektronenpaaren.
Man kann in der Struktur für Anthracen erkennen, dass eine Doppelbindung einer
Einfachbindung folgt und umgekehrt. Man kann eine Durchgängigkeit der
alternierenden Doppelbindungen über alle drei anellierten Ringe feststellen.
Anthracen ist ein Aromat mit drei aromatischen Ringen, welcher mit n = 3 der
Hückel-Regel folgt.

275
Aufgabe:

1) Begründen Sie die Aromatizität des im Folgenden abgebildeten Moleküls „Phe-


nanthren“, wenden Sie die Hückel-Regel auf das „Phenanthren“ an und ermitteln Sie
den Faktor „n“

Phenanthren

2) Entscheiden Sie, welche der im Folgenden abgebildeten Moleküle aromatisch und


welche nichtaromatisch sind und begründen Sie Ihre Entscheidung.
3) Wenden Sie die Hückel-Regel auf diese Systeme an und ermitteln Sie ihren
Faktor „n“.

O
..
(1) (2)
(3)

N
N

H
(4) (6)
(5)

4) Begründen Sie die Aromatizität dieser Verbindungen anhand der Hückel-Regel


und geben Sie bei allen Verbindungen an, welche der an den N-Atomen dieser

276
Aromaten gezeichneten Elektronenpaare zum aromatischen System gehören und
welche nicht.

. ..
N

.. . N
. N
N

..
..
N N

H
H
..
N
N

H
Chinolin Indol Imidazol
Purin

Faust-Regel:
Wenn ein Ring über eine ungerade Zahl von pi-Elektronenpaaren verfügt, und für
die Aromatizität keine weiteren pi-Elektronenpaare benötigt, so sind die an den
einzelnen Ringatomen gezeichneten freien Elektronenpaare auch in Wirklichkeit freie
Elektronenpaare: Bei der Bestimmung der Hybridisierung dieser Ringatome zählt
man diese freien Elektronenpaare mit, weil sie an diesen Atomen fixiert (= lokalisiert)
sind bzw. an der Mesomerie nicht teilnehmen.

Wenn aber ein Ring über eine gerade Zahl von pi-Elektronenpaaren verfügt, und
für seine Aromatizität ein weiteres pi-Elektronenpaar benötigt, so wird ein freies
Elektronenpaar, das an einem Ringatom gezeichnet ist und durch Mesomerie in den
Ring gespeist werden kann, in den Ring gespeist. Ein scheinbar freies Elektronen-
paar, das auf diese Weise delokalisiert wird, ist kein freies Elektronenpaar, sondern
ein pi-Elektronenpaar und wird bei der Bestimmung der Hybridisierung dieses Atoms
nicht mitgezählt (s. Pyrrol).

N
.
H

Pyrrol

Das freie Elektronenpaar am N-Atom des Pyrrols ist in Wirklichkeit kein freies
(= lokalisiertes = fixiertes) Elektronenpaar, sondern ein delokalisiertes

277
pi-Elektronenpaar, da es zur Aromatizität benötigt wird, welches an der Mesomerie
teilnimmt und in den Ring gespeist wird.

5) Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des Pyrrols, wenden Sie die Hückel-
Regel auf dieses System an und ermitteln Sie den Faktor „n“.

Es gibt cyclische pi-Systeme, die eine gerade Zahl von pi-Elektronenpaaren haben
und ihnen ein pi-Elektronenpaar zur Aromatizität fehlt und ein Ringatom eine freies
Elektronenpaar hat, aber dieses freies Elektronenpaar nicht in den Ring gespeist
werden kann.
Beim folgenden Molekül wird ein pi-Elektronenpaar zur Aromatizität benötigt und ein
C-Atom über ein freies Elektronenpaar verfügt, welches aber nicht an der Mesomerie
teilnehmen kann, weil es zu weit von den Doppelbindungen entfernt ist.

Merke: Nur ein freies Elektronenpaar, das sich in der unmittelbaren


Nachbarschaft zu einer Doppelbindung befindet, kann an der Mesomerie
teilnehmen.
Der Abstand zwischen dem freien Elektronenpaar und der Doppelbindung darf
nur eine einzige sigma-Bindung betragen!

..
H

nichtaromatisch!

Bei dieser cyclischen Verbindung beträgt der Abstand zwischen dem freien
Elektronenpaar und der Doppelbindung zwei sigma-Bindungen: Dieses freie
Elektronenpaar lässt sich nicht delokalisieren und in den Ring speisen.

6) Erläutern Sie, warum die im Folgenden abgebildeten pi-Systeme aromatisch bzw.


nichtaromatisch sind und zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln des
aromatischen Systems.

278
sp3

H
..
H O

Cycloheptatrienyl-Kation
ist aromatisch! Cycloheptatrienyl-Anion nichtaromatisch!
ist nichtaromatisch!

Die räumliche Struktur von Aromaten

Da alle Ringatome eines Aromaten sp2-hybridisiert sind und die räumliche Struktur
von sp2-Hybridorbitalen trigonal-planar ist, so sind Aromaten immer planar (= flach).
Die durchgängige (= ununterbrochene) Ringmesomerie bei den Aromaten zeigt, dass
ihre pi-Elektronen oberhalb und unterhalb der aromatischen Ring-Ebene zirkulieren.

nichthybridisierte
P-Atomorbitale

. .
. .
. .

Seitliche Ansicht eines aromatischen Ringes

Aromaten sind planar (= flach) und ihre Ringebene bzw. ihr aromatischer Kern ist von
ihrer pi-Elektronenwolke umhüllt: Ihre nichthybridisierten, hantelförmigen
p-Atomorbitale überlappen seitlich (= sie berühren sich oberhalb und unterhalb der
Ringebene) und ermöglichen dadurch die Zirkulation der pi-Elektronen in diesen
p-Atomorbitalen oberhalb und unterhalb eines aromatischen Ringes.

279
-Elektronenwolke
oberhalb der Ebene
des aromatischen
Ringes

aromatischer
Ring
-Elektronenwolke
unterhalb der Ebene
des aromatischen
Ringes

Schematische Darstellung der Zirkulation von -Elektronen oberhalb und


unterhalb eines aromatischen Ringes

Aromatische Substitutionsreaktionen

Prinzipiell sind 2 Möglichkeiten vorstellbar, wie man ein H-Atom an einem


aromatischen Ring durch eine andere Gruppe austauschen könnte: 1) Durch eine
nucleophile oder 2) durch eine elektrophile aromatische Substitutionsreaktion.

Aromatische Substitutionsreaktionen:

Br
H

H H
H H

H H
H H

H
H

Benzol Brombenzol

Der Austausch eines H-Atoms an einem aromatischen Ring durch ein anderes Atom
wird im Allgemeinen als Substitutionsreaktion bezeichnet.

280
Da Elektronen negativ geladene Teilchen sind, besitzen Aromaten einen negativen
(= nucleophilen) Charakter: Sie fungieren in ihren typischen Reaktionen als
Nucleophile (= Elektronendonatoren).

Da Aromaten aufgrund der Zirkulation von pi-Elektronen oberhalb und unterhalb des
aromatischen Ringes einen negativen (= nucleophilen) Charakter besitzen, können
sie viel leichter mit Molekülen reagieren, die einen positiven (= elektrophilen) Charak-
ter aufweisen: Nucleophile und Elektrophile ziehen sich gegenseitig an!

Merke: Nucleophile haben einen negativen Charakter und Elektrophile einen


positiven Charakter!
Nucleophile können nicht mit Nucleophilen und Elektrophile können nicht mit
Elektrophilen reagieren!
Zwei Nucleophile stoßen sich gegenseitig ab!
Zwei Elektrophile stoßen sich auch gegenseitig ab!
Nucleophile reagieren mit Elektrophilen!

Ergo: Es gibt kaum nucleophile aromatische Substitutionsreaktionen, weil bei


solchen Reaktionen beide Reaktanten (= Edukte) Nucleophile sind und sich
gegenseitig abstoßen.
Die typischen aromatischen Substitutionsreaktionen sind daher so genannte
„Elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen (Abkürzung = Ar-SE-Reaktionen)“.

Elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen


(Ar-SE-Reaktionen)

Erläuterung einer elektrophilen aromatischen Substitutionsreaktion (Ar-SE-Reaktion)


am Beispiel der Bromierung vom Benzol:

Benzol ist der bekannteste Aromat und wie alle Aromaten sehr stabil, da Aromaten
im Allgemeinen sehr stark mesomeriestabilisiert sind.
Das bedeutet, dass Benzol sehr energiearm bzw. sehr reaktionsträge ist.

281
Ein Beispiel:

Wenn man Benzol mit elementarem Brom (Br2) vermischt, stellt man fest, dass sie
nicht miteinander reagieren. Benzol reagiert nicht mit Brom, weil Benzol sehr
reaktionsträge und elementares Brom (Br2) ein schwaches Elektrophil ist.
In solchen Fällen muss man einen Katalysator verwenden, um das schwache
Elektrophil (Br2) zu aktivieren und die Reaktion zu starten.
Ein gerne verwendeter Katalysator bei der Bromierung von Benzol ist
das Eisentribromid (FeBr3).
Der Austausch eines H-Atoms eines aromatischen Ringes gegen ein Bromatom kann
nur mithilfe eines Katalysators z.B. Eisentribromid (FeBr3) erfolgen. Die durch das
Eisentribromid (FeBr3) katalysierte Bromierung vom Benzol ist eine typische
elektrophile aromatische Substitutionsreaktion.
Der Reaktionsmechanismus (= der genaue Ablauf einer Reaktion) der katalytischen
Bromierung vom Benzol besteht aus 4 aufeinanderfolgenden Einzelschritten:
1) Aktivierung des Elektrophils (Br2) durch den Katalysator, 2) Angriff des aktivierten
Elektrophils auf den aromatischen Ring unter Bildung eines nichtaromatischen
Zwischenproduktes, das als pi-Komplex bezeichnet wird, 3) Deprotonierung des
pi-Komplexes unter Bildung des aromatischen Endproduktes „Brombenzol“ und
4) Regenerierung des Katalysators, wie nachfolgend detailliert beschrieben wird.

Mechanismus der elektrophilen aromatischen Bromierung


von Benzol

1) Aktivierung des Elektrophils durch den Katalysator:

+
Br Br + FeBr3 Br Br FeBr3

1 2 3
unpolare polare
Bindung Bindung
Das elementare Brom (1) verfügt über 3 freie Elektronenpaare an jedem einzelnen
Bromatom.

282
Der Katalysator Eisentribromid (FeBr3) (2) ist eine Elektronenmangel-Verbindung
(Lewis-Säure), weil das Eisenatom (Fe) in Eisentribromid (FeBr3) kein Oktett auf-
weist (das Eisenatom hat keine vollbesetzte äußere Achterschale). Deshalb lagert
sich das elementare Brom durch die Betätigung eines seiner freien Elektronenpaare
freiwillig an den Katalysator, wie es in oberer Reaktionsgleichung dargestellt ist.
Durch die Anlagerung von elementarem Brom (1) an den Katalysator Eisentribromid
(FeBr3) (2) entsteht der Komplex (3). Im Komplex (3) ist die Bindung zwischen den
zwei Bromatomen polarisiert, wodurch das äußere Bromatom eine positive
Partialladung (= Delta-Plus) erhält. Die Polarisierung der Bindung zwischen den
beiden Bromatomen durch den Katalysator bezeichnet man als Aktivierung des
Elektrophils. Der entstehende Komplex (3) ist das aktivierte Elektrophil, das in der
Lage ist, mit dem Aromaten zu reagieren.

2) Angriff des Elektrophils auf den Aromaten:

H
H
H
+
+ Br Br FeBr3 + FeBr4
Br
Eisentetrabromid-
Anion
-Komplex,
oder das
nichtaromatische
Zwischenprodukt!

Benzol greift mit einer Doppelbindung das aktivierte Elektrophil unter Bildung des
nichtaromatischen Zwischenproduktes an.
Dabei wird das aktivierte Elektrophil an seinem äußeren Bromatom, das die positive
Partialladung trägt durch Benzol als Nucleophil angegriffen, wobei die Bindung
zwischen den 2 Bromatomen gespalten wird (= bricht).

283
3) Deprotonierung:

H
H Br

+ H
Br

Brombenzol
-Komplex,
oder das
nichtaromatische
Zwischenprodukt!

Das nichtaromatische Zwischenprodukt (= sigma-Komplex) ist sehr energiereich, weil


es nichtaromatisch ist. Ein energiereiches Molekül ist immer instabil bzw. sehr
reaktiv. Deshalb spaltet das energiereiche Zwischenprodukt spontan ein Proton (H+)
ab, und gewinnt damit seinen aromatischen Charakter zurück. Die Abspaltung eines
Protons (H+) wird als Deprotonierung bezeichnet.

4) Regenerierung des Katalysators:


Definition für „Katalysator“: Ein Katalysator ist ein Stoff, der an der Reaktion
teilnimmt und die Reaktion beschleunigt (= die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht) und
am Ende unverändert aus der Reaktion hervorgeht.

Br FeBr3 + H FeBr3 + HBr

Eisentetrabromid- Katalysator
Anion

Eisentetrabromid-Anion reagiert am Ende mit dem zuvor aus dem Zwischenprodukt


abgespaltenen Proton (H+), wobei sich der Katalysator Eisentribromid zurückbildet
bzw. regeneriert und erneut für einen weiteren Katalyse-Cyclus bereitsteht.

284
Weitere Elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen
(Ar-SE-Reaktionen)

Halogenierung von Aromaten: Bromierung und Chlorierung von Aromaten werden im


Allgemeinen als Halogenierung von Aromaten bezeichnet. Bei Halogenierung von
Aromaten wird ein H-Atom des aromatischen Ringes gegen ein Halogenatom
ausgetauscht.
Neben der Halogenierung von Aromaten ist eine Reihe von anderen elektrophilen
aromatischen Substitutionsreaktionen bekannt.

Die bekanntesten unter ihnen sind wie folgt:


Alkylierung von Aromaten: Austausch eines H-Atoms des aromatischen Ringes
gegen eine Alkyl-Gruppe,
Acylierung von Aromaten: Austausch eines H-Atoms des aromatischen Ringes
gegen eine Acyl-Gruppe,
Nitrierung von Aromaten: Austausch eines H-Atoms des aromatischen Ringes
gegen eine Nitro-Gruppe (NO2-Gruppe),
Sulfonierung von Aromaten: Austausch eines H-Atoms des aromatischen Ringes ge-
gen eine Sulfonsäure-Gruppe (SO3H-Gruppe).

Reaktionsmechanismus der Nitrierung von Benzol

Bei der Nitrierung von Aromaten dient das reaktive Nitronium-Ion (NO2+) als
Elektrophil, das in Salpetersäure infolge der Autoprotolyse in geringer Menge
vorhanden ist, oder durch Zugabe von katalytischen Mengen an Schwefelsäure zu
Salpetersäure insitu generiert wird.

Dieses Elektrophil ist reaktiv genug, und reagiert ohne einen Katalysator mit dem
reaktionsträgen Benzol.
Der Reaktionsmechanismus dieser Reaktion, die ohne einen Katalysator auskommt,
besteht daher aus nur zwei aufeinanderfolgenden Einzelschritten: 1) Angriff und 2)
Deprotonierung.

285
1) Angriff des Elektrophils

H H

H O
H

N
+ O N O
O

Benzol Nitronium-Ion
sigma-Komplex

Benzol greift mit einer Doppelbindung das reaktive und positiv geladene Zentrum des
Elektrophils unter Bildung vom nichtaromatischen sigma-Komplex an.

2) Deprotonierung

H O

H O N

O + H
N

Nitrobenzol
sigma-Komplex

Der nichtaromatische sigma-Komplex wird deprotoniert, wodurch das aromatische


Endprodukt „Nitrobenzol“ entsteht.

Reaktionsmechanismus der Sulfonierung von Benzol

Bei der Sulfonierung von Benzol dient das Schwefeltrioxid (SO3), das in relativ
großen Mengen in rauchender Schwefelsäure vorhanden ist als reaktives
Elektrophil.
Zeichnet man die Valenzstrichformel (= mesomere Grenzformel) von Schwefeltrioxid
(SO3), so erkennt man das positive Zentrum des Moleküls: Das S-Atom ist mit

286
3 elektronegativeren O-Atomen verknüpft, welche die pi-Elektronen stark an sich
ziehen, wodurch das S-Atom stark positiv wird bzw. sehr geringe Elektronendichte
aufweist.

O O

S S
O O O O

mesomere Grenzformeln des Schwefeltrioxids

Schwefeltrioxid (SO3) ist ein sehr reaktives Elektrophil und braucht keinen
zusätzlichen Katalysator, um mit einem Aromaten reagieren zu können.
Der Reaktionsmechanismus dieser Reaktion, die ohne einen Katalysator auskommt,
besteht wie bei der Nitrierung von Aromaten mit Nitronium-Ion auch aus nur 2
aufeinanderfolgenden Einzelschritten: 1) Angriff und 2) Deprotonierung.

1) Angriff des Elektrophils

H
H
H
O
O
+
S S
O O O
O

Schwefeltrioxid -Komplex
(Zwischenprodukt)
Benzol greift mit einer Doppelbindung das reaktive und positiv geladene Zentrum des
Elektrophils unter Bildung vom nichtaromatischen sigma-Komplex an.

287
2) Deprotonierung

H
H O

O OH
S
S
O
O
O

-Komplex Benzolsulfonsäure
(Zwischenprodukt)

Der nichtaromatische sigma-Komplex wird deprotoniert, wodurch das aromatische


Endprodukt „Benzolsulfonsäure“ entsteht.
Das dabei vom Ring abgespaltene Proton (H+) gesellt sich automatisch zu dem
negativ geladenen O-Atom der Sulfonsäure-Gruppe.

Aufgabe:
Formulieren Sie den Reaktionsmechanismus der Chlorierung von Benzol mit
elementarem Chlor (Cl2) mithilfe des Katalysators „Aluminiumtrichlorid“ (AlCl3).
Tipp: Orientieren Sie sich dabei an der oben beschriebenen Bromierung des
Benzols.

288
IUPAC-Nomenklatur substituierter Aromaten

Alkylaromaten:

Im Folgenden sind die Moleküle „Methylbenzol“ und „Ethylbenzol“ in verschiedenen


erlaubten Varianten dargestellt.

Me CH3 CH3

Methylbenzol Methylbenzol Methylbenzol Methylbenzol

Et C2H5

Ethylbenzol Ethylbenzol Ethylbenzol

Halogenaromaten ( = Arylhalogenide):

Br Cl I

Brombenzol Chlorbenzol Iodbenzol

289
Andere Benzol-Derivate:

OH NH2 OMe
NH3

Hydroxybenzol Aminobenzol Methoxybenzol


(Phenol) Anilinium-Kation
(Anilin) (Anisol)

CO2H COH SO3H NO2 CN

Benzoesäure Benzaldehyd Benzolsulfonsäure Nitrobenzol Cyanobenzol

Aufgabe:

Zeichnen Sie die Valenzstrichformel (VSF) der Substituenten von allen oben
dargestellten Aromaten.

Achtung: Bei den Valenzstrichformeln (VSF) müssen alle Bindungen, alle freien
Elektronenpaare und alle vorhandenen Formalladungen im Molekül sichtbar sein.
Tipp: Man geht bei der Zeichnung von Valenzstrichformel der Substituenten von
Aromaten immer nach dem Prinzip der „Oktett und Oktett-Erweiterung“ vor: Oktett für
Atome der zweiten Periode und Oktett-Erweiterung für alle anderen Atome.

290
Zweitsubstitution bei den Aromaten

Frage: Was ist eine Zweitsubstitution bei den Aromaten?


Antwort: Wenn ein Aromat bereits einen Substituenten hat, kann er noch ein zweites
Mal in einer so genannten „Zweitsubstitution bei den Aromaten“ substituiert werden.

Substituent

1
6 2

5 3
4

Dieser Aromat enthält bereits einen Substituenten.


Die Nummerierung der Ringatome beginnt beim substituierten C-Atom: 1

Eine Zweitsubstitution kann an 5 verschiedenen Positionen erfolgen, nämlich an Positionen 2-6.

Die Positionen C-2 und C-6 sind gleich. Sie sind die direkten Nachbarpositionen zu C-1 und werden
als ortho-Position bezeichnet.

Die Positionen C-3 und C-5 sind auch gleich, weil sie sich in Bezug auf ihren Abstand zu C-1 nicht
unterscheiden.
Die Positionen C-3 und C-5 werden als meta-Position bezeichnet.

Die Position C-4 ist die am weitesten vom C-1 entfernte Position, welche als para-Position
bezeichnet wird.

291
Zweitsubstitution

1. Möglichkeit: ortho-Substitution

Z Z

1 1
H Y
6 6
2 Y+ 2
+
5 3 -H+ 5 3
4 4
Edukt ortho-Produkt

Y+ als aktiviertes Elektrophil substituiert (= ersetzt) das H-Atom am C-2.

2. Möglichkeit: meta-Substitution

Z Z

1 1
6 2 6 2
+
+ Y
3 3
5 -H+ 5
H Y
4 4
Edukt meta-Produkt

Y+ als aktiviertes Elektrophil substituiert (= ersetzt) das H-Atom am C-3.

292
3. Möglichkeit: para-Substitution

Z Z

1 1
6 2 6 2
+
+ Y
5 4 3 -H+ 5 4 3

H Y

Edukt
para-Produkt
Y+ als aktiviertes Elektrophil substituiert (= ersetzt) das H-Atom am C-4.

Ein Aromat mit einem Substituenten wird als ein monosubstituierter Aromat
bezeichnet.

Da ein monosubstituierter Aromat über zwei ortho-Positionen, zwei meta-Positionen


und eine para-Position verfügt, erwartet man bei jeder Zweitsubstitution statistisch
eine Ausbeute von 40% an ortho-Produkt, 40% an meta-Produkt und 20% an
para-Produkt.
Das wird aber bei keiner Zweitsubstitution beobachtet.
Manchmal entstehen bei Zweitsubstitution ortho- und para-Produkte als
Hauptprodukte und manchmal das meta-Produkt als Hauptprodukt.

Dieses Phänomen bezeichnet man als Regioselektivität: Die aromatischen


Zweitsubstitutionen sind regioselektive Reaktionen!

Zum Auswendiglernen: Entweder sind die Hauptprodukte bei einer aromatischen


Zweitsubstitution die ortho- und para-Produkte, wobei kaum meta-Produkt entsteht
oder das Hauptprodukt ist das meta-Produkt, wobei kaum ortho- und para-Produkte
entstehen.

293
Regioselektivität bei aromatischen Zweitsubstitutionen

Welche der drei möglichen Positionen eines monosubstituierten Aromaten bei der
Zweitsubstitution bevorzugt angegriffen werden, und welche Produkte dabei
bevorzugt entstehen, hängt ausschließlich vom Erstsubstituenten Z ab.

Erläuterung:

Wenn das erste Atom des Substituenten über ein freies Elektronenpaar verfügt,
so liefert die Zweitsubstitution dieses Aromaten ortho- und para-Produkte als Haupt-Produkte.

Zweitsubstitution am Beispiel der Nitrierung von Benzoesäuremethylester mit


Nitronium-Ion (NO2+) als aktiviertem Elektrophil:

CO2Me
CO2Me CO2Me CO2Me

NO2

+ NO2+ +
+
-H+
NO2
Benzoesäure- (1) (2) NO2
methylester
(3)
Die erwarteten Produkte dieser aromatischen Zweitsubstitution und ihre statistisch
erwarteten Ausbeuten:

(1): ortho-Nitrobenzoesäuremethylester oder 2-Nitrobenzoesäuremethylester (40%)


(2): meta-Nitrobenzoesäuremethylester oder 3-Nitrobenzoesäuremethylester (40%)
(3): para-Nitrobenzoesäuremethylester oder 4-Nitrobenzoesäuremethylester (20%)

Die experimentell ermittelten Ausbeuten:

(1): ortho-Nitrobenzoesäuremethylester (nicht nachweisbar)


(2): meta-Nitrobenzoesäuremethylester (80%)
(3): para-Nitrobenzoesäuremethylester (nicht nachweisbar)

294
Diese Zweitsubstitutionsreaktion ist streng regioselektiv und liefert nur das
entsprechende meta-Produkt.
Der Grund dafür liegt im Erstsubstituenten „Methylester (CO2Me)“.
Um das zu verstehen, muss man zuerst die Valenzstrichformel für den
Erstsubstituenten „Methylester (CO2Me)“ zeichnen:

Beta-Atom: Das zweite Atom


des Erstsubstituenten
wird auch H
als Beta-Atom bezeichnet.
H C H

O O
C
Alpha-Atom: Das erste Atom
des Erstsubstituenten
wird auch
ortho ortho als Alpha-Atom bezeichnet.

meta meta

para

Zum Auswendiglernen: Immer, wenn das Alpha-Atom des Erstsubstituenten eines


Aromaten kein freies Elektronenpaar besitzt und durch eine pi-Bindung mit dem
Beta-Atom verbunden ist, liefert die Zweitsubstitution das meta-Produkt als das
Haupt-Produkt.

Mit anderen Worten: Der Substituent „Methylester“ ist meta-dirigierend!


Der Erstsubstituent bewirkt, dass der Zweitsubstituent bevorzugt in die
meta-Position eintritt.

Begründung:

Um das zu verstehen, muss man sich die dirigierende Wirkung des Erstsubstituenten
genauer anschauen, indem man sich klar macht, ob der Erstsubstituent Elektronen
aus dem aromatischen Ring herauszieht oder Elektronen in den aromatischen Ring
hineinschiebt.

295
Wenn der Erstsubstituent Elektronen aus dem aromatischen Ring herauszieht, so hat
er einen Elektronenzug-Effekt, umgekehrt jedoch einen Elektronenschub-Effekt.
Der Elektronenzug-Effekt wird als negativer Mesomerie-Effekt bzw. Minus-M-Effekt
(Kurz: -M) bezeichnet. Durch den -M-Effekt des Erstsubstituenten wird die
Elektronendichte des aromatischen Ringes herabgesetzt. Dadurch entsteht eine
positive Ladung im Ring!

Der Elektronenschub-Effekt wird als positiver Mesomerie-Effekt bzw. Plus-M-Effekt


(Kurz: +M) bezeichnet. Durch den +M-Effekt des Erstsubstituenten wird die
Elektronendichte des aromatischen Ringes erhöht. Dadurch entsteht eine negative
Ladung im Ring!

Sowohl der Elektronenzug-Effekt als auch der Elektronenschub-Effekt eines Erstsub-


stituenten auf den aromatischen Ring werden durch Mesomerie verursacht.

H C H

O O
C

Das Alpha-Atom (C) hat kein freies e--Paar, welches durch eine pi-Bindung mit dem Beta-Atom
(O) verbunden ist und einen Elektronenzug-Effekt auf den
aromatischen Ring ausübt.

296
Darstellung des Elektronenzug-Effektes bei Benzoesäuremethylester durch Mesomerie:

O OMe O OMe O OMe


O OMe
C C C
C

H H

Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass durch den Elektronenzug-
Effekt des Erstsubstituenten eine positive Ladung im Ring verursacht wird, welche in
ortho- und para-Positionen auftritt, jedoch nicht in meta-Position.
Da ein Elektrophil, das mit einem solchen Aromaten reagieren soll, auch ein positiv
geladenes Teilchen ist, wird sein Eintritt in die positiv geladenen ortho- und para-
Positionen erschwert, in meta-Position aber nicht.
Deshalb entsteht bei der Zweitsubstitution von Aromaten mit einem Erstsubstituen-
ten, der einen Minus-M–Effekt aufweist, das meta-Produkt bevorzugt.
Den Elektronenzug-Effekt eines Substituenten bezeichnet man auch als „negativen
Mesomerie-Effekt (ausgesprochen: Minus-M–Effekt)“.

Fazit: Carboxygruppen (z.B. die Methylestergruppe) als Erstsubstituenten an den


Aromaten haben einen negativen Mesomerie-Effekt (Minus-M–Effekt) und sind daher
meta-dirigierend!

297
Als nächstes beschäftigen wir uns mit der Zweitsubstitution von Aromaten, deren
Erstsubstituent einen positiven Mesomerie–Effekt (Plus-M–Effekt) aufweist.

Merke: Substituenten mit einem positiven Mesomerie–Effekt (Plus-M–Effekt) sind


ortho/para-dirigierend!

Als Beispiel soll im Folgenden die Zweisubstitution von Anisol (Methoxybenzol) mit
dem Nitronium-Ion (NO2+) als einem sehr reaktiven Elektrophil dienen.

Frage: Welches Produkt erwartet man bei der folgenden Reaktion?

OMe

+ NO2+ ?

Anisol Nitronium-Ion

Antwort: Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst die Valenzstrichformel


für den Substituenten am aromatischen Ring und für das Elektrophil zeichnen.

H C
O
H
H H

O N O

H H

Valenzstrichformel für den Substituenten am aromatischen Ring und für das


Elektrophil

298
An der Valenzstrichformel für den Substituenten erkennt man, dass das erste Atom
des Substituenten (das Alpha-Atom) über zwei freie Elektronenpaare verfügt.

Ein freies Elektronenpaar des Alpha-Atoms tritt mit den pi-Elektronenpaaren des
aromatischen Ringes in Mesomerie und erhöht damit die Elektronendichte des
aromatischen Ringes, wobei eine positive Formalladung am Alpha-Atom (O-Atom)
und eine negative Formalladung im Ring auftreten:

H3C H3C H3C H3C


O O O O

.. ..
..
mesomere Grenzformeln des Anisols

Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass der Erstsubstituent einen
Elektronenschub-Effekt auf den aromatischen Ring ausübt und damit die
Elektronendichte des aromatischen Ringes erhöht bzw. eine negative Formalladung
im Ring verursacht.
Die oben dargestellten mesomeren Grenzformeln zeigen, dass die dadurch
verursachte negative Formalladung im Ring nur in den ortho- und para-Positionen,
jedoch nicht in der meta-Position auftreten.
Da das angreifende Elektrophil (E+) eine positive Ladung trägt, wird sein Angriff in
ortho- und para-Positionen erleichtert, da sich positiv und negativ geladene Teilchen
gegenseitig anziehen. Der Angriff des Elektrophils erfolgt hierbei daher hauptsächlich
in ortho- und para-Stellungen, und führt zur bevorzugten Bildung von ortho- und
para-Produkten als Hauptprodukten.

Fazit: Methoxygruppe hat einen positiven Mesomerie-Effekt [(+)-M-Effekt, (Plus-M–


Effekt)] und ist daher ortho/para-dirigierend!

299
Reaktionsmechanismus der elektrophilen aromatischen
Zweitsubstitutionsreaktion

1) Angriff:

OMe OMe
OMe
H

NO2

+ NO2+ +

H
1 O2N
3
2

-Komplexe
(Zwischenprodukte)

2) Deprotonierung:

OMe OMe

H
NO2
NO2

-H+

2 4

ortho-Nitroanisol

OMe OMe

-H+

O2N H
NO2
3
para-Nitroanisol
5

300
Zusammenfassung der Ergebnisse der Zweitsubstitution von Aromaten:

Hat der Erstsubstituent einen Elektronenzug-Effekt [negativen Mesomerie-Effekt


(Minus-M–Effekt)], so ist er meta-dirigierend und das Hauptprodukt ist das
meta-Produkt.

Hat der Erstsubstituent einen Elektronenschub-Effekt [positiven Mesomerie-Effekt


(Plus-M–Effekt)], so ist er ortho/para-dirigierend und die Hauptprodukte sind
das ortho-Produkt und das para-Produkt.

301
Heteroaromaten

Frage: Was sind Heteroaromaten?

Antwort: Alle Aromaten, deren aromatische Ringe außer C-Atomen auch andere
Atome enthalten, werden als Heteroaromaten bezeichnet.
Es gibt zahlreiche Heteroaromaten. Die folgenden 4 Heteroaromaten sind die
bekanntesten unter ihnen:

O S N
N
Furan Thiophen
H
Pyrrol Pyridin

Alle diese cyclischen -Systeme erfüllen die 3 Bedingungen für die Aromatizität:
1) sie sind cyclisch,
2) ihre Ringe verfügen über je eine ungerade Zahl von -e--Paaren und
3) alle ihre Ringatome sind sp2-hybridisiert.

Ununterbrochene (= durchgängige) Mesomerie im Ring

Wir wissen, dass bei den Aromaten eine ununterbrochene Mesomerie im Ring als ein
zusätzlicher Beweis für ihre Aromatizität möglich sein muss.
Im Fall von Furan werden die mesomeren Grenzformeln wie folgt dargestellt:

302
..

..
..
..

..
O
.. .
O
.. ..
..
O O O

.
am O-Atom fixiertes
freies Elektronenpaar

delokalisiertes
Elektronenpaar

Mesomere Grenzformeln des Furans

Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass eines der beiden
Elektronenpaare am O-Atom in Wirklichkeit ein delokalisiertes -e--Paar ist und das
O-Atom nur scheinbar sp3-hybridisiert, in Wirklichkeit aber sp2-hybridisiert ist.

Diese durchgängige Mesomerie im Ring des Furans ist eine weitere Bestätigung für
die Aromatizität des Furans!

Hückel-Regel

Wir wissen auch, dass die Aromaten einen zweiten Beweis für ihre Aromatizität
dadurch erbringen müssen, dass sie der Hückel-Regel folgen.

Hückel-Regel: 4n + 2 = X
(X = Anzahl der einzelnen -e- im Ring)
(n = eine natürliche Zahl)
Die Anwendung der Hückel-Regel auf ein aromatisches System muss eine natürliche
Zahl für den Faktor „n“ (0, 1, 2, 3,…) liefern.
Im Fall von Furan ergibt die Anwendung der Hückel-Regel die für Aromaten
geforderte natürliche Zahl 1 für den Faktor n!

303
Das kommt wie folgt zustande:
4n + 2 = 6 einzelne delokalisierte -e- im Ring
Daraus folgt: n = 1
Das ist nur eine weitere Bestätigung für die Aromatizität des Furans!

Aufgabe:
Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln für die anderen drei oben gezeichneten
Heteroaromaten „Thiophen, Pyrrol und Pyridin“ und beweisen Sie deren Aromatizität
anhand der Anwendung von Hückel-Regel.

304
Elektrophile aromatische Substitutionsreaktion bei
Heteroaromaten

Auch bei Heteroaromaten sind elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen


(Ar-SE-reaktion) die typischen Reaktionen.

Elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen (Ar-SE-reaktion) bei


Heteroaromaten am Beispiel der Bromierung von Furan

Frage: Welche Produkte entstehen bei der Bromierung von Furan?

+ Br2 ?
O

Furan

Die Valenzstrichformeln der beiden Reaktanden sehen wie folgt aus:

H H

Br Br
H H
O

305
Antwort: Es gibt hierbei zwei Angriffs-Möglichkeiten: C2-Angriff und C3-Angriff.

Br
3
4
3-Stellung
2
5
1
O

4 3 3-Bromfuran

+ Br2
5 2 -HBr
1
O

Brom 4 3
Furan
2-Stellung
2
5
1 Br
O

2-Bromfuran

Welches dieser beiden Produkte bevorzugt gebildet wird, kann nur durch die
Zeichnung der mesomeren Grenzformeln ihrer Zwischenprodukte beantwortet
werden.

306
Mesomere Grenzformeln der beiden Zwischenprodukte:

Br Br

H H

3-Stellung
.. O ..
O

..
4 3

2 mesomere Grenzformeln
5 2 + Br2
.. O
-Br-
..

1
2-Stellung

Br Br Br

..
O H ..
O
..
O
..

..
H

3 mesomere Grenzformeln

Aus diesen mesomeren Grenzformeln ist ersichtlich, dass bei den elektrophilen
aromatischen Substitutionsreaktionen des Furans das 2-Bromfuran bevorzugt bzw.
als Hauptprodukt entsteht.

Begründung:
Der C2-Angriff ist bevorzugt, da das Zwischenprodukt beim C2-Angriff 3 mesomeren
Grenzformeln aufweist und daher höher mesomeriestabilisiert ist als das Zwischen-
produkt des C3-Angriffs, die nur 2 mesomeren Grenzformeln hat.
Mit anderen Worten: C2-Angriff ist bevorzugt, weil das Zwischenprodukt des C2-
Angriffs 1 mesomere Grenzformel mehr hat als beim C3-Angriff und daher höher
mesomeriestabilisiert ist.

Aufgaben:
Zeichnen Sie die mesomeren Grenzformeln der möglichen Zwischenprodukte der
Bromierung von Thiophen und Pyrrol mit elementarem Brom (Br2) und benennen Sie
jeweils die Haupt- und Nebenprodukte.
Tipp: Orientieren Sie sich dabei an der Bromierung von Furan!

307

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