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Die berufliche Differenzierung des Wortschatzes.

Die fachliche Spezialisierung führt zur Herausbildung von Fachsprachen.


Fachsprache, auch Technolekt genannt, ist die für ein bestimmtes Fachgebiet oder für eine
bestimmte Branche geltende Sprache und unterscheidet sich vor allem durch den Wortschatz
von der Gemeinsprache unterscheidet. Z.B. medizinische Fachsprache, juristische
Fachsprache, Jägersprache, Seemannssprache, Bergmannssprache, Druckersprache. Man
rechnet mit ca. 300 Fachsprachen, Fächer und Fachsprachen nehmen in ihrer Zahl stetig zu.
Die Bergmannssprache ist Fachsprache im Bergbau. Neben vielen Fachtermini
(Mundloch: Öffnung des Stollens an der Tagesoberfläche) haben auch derbe Worte aus der
Alltagssprache Aufnahme gefunden (Arschleder - Hose). Die Bergmannssprache gehört zu
den ältesten Fachsprachen; bereits aus dem 13. Jahrhundert sind Ausdrücke belegt. Die
Sprache ist über Jahrhunderte gewachsen und bewahrt dadurch häufig alte Wortformen und
Bedeutungen, die in der modernen Sprache bereits ausgestorben oder verdrängt sind. Die
ersten Glossare der Bergmannssprache lassen sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts finden.
Als Kern der Fachsprachen und Wissenschaftssprachen, dienen Terminologien. Die
Terminologie - das System der Termini einer Wissenschaft, einer Fachsprache (Technolekt).
Terminologien können in einem Wörterbuch, einem Glossar oder einem Thesaurus formuliert
sein. Termini sind festgelegt, definiert, zeichnen sich durch Eindeutigkeit, Bestimmtheit und
Genauigkeit aus und haben seinen Platz im terminologischen System (Fingerknochen,
Mittelhandknochen, Fußwurzelknochen, Handwurzelknochen, Oberarmknochen,
Mittelfußknochen, Oberschenkelknochen). Termini sind stilistisch neutral, vermeiden
konnotative Merkmale.
Naturwissenschaftliche/technische und gesellschaftswissenschaftliche Terminologien
unterscheiden sich, da gesellschaftswissenschaftliche stärker als naturwissenschaftliche Ter-
mini in die Kommunikation breitester Kreise der Bevölkerung einbezogen und in der
Kommunikation auch außerhalb der jeweiligen Wissenschaft gebraucht werden, sind sie
leichter der Emotionalisierung, der Wertung, aber auch der Entterminologisierung
zugänglich.
Eine Untergruppe von Termini ist die Nomenklatur. Die Nomenklatur sind
Einzelbegriffe, die man nicht definieren, sondern nur beschreiben kann. (Bsp. aus der
Zoologie: Säugetier [Terminologie], Eisbär, Hausschwein [Nomenklatur].) Dadurch ergeben
sich große Unterschiede von Fach zu Fach: Es gibt viele Fächer, in denen es sehr viele
Termini gibt, aber auch welche, in denen das überhaupt nicht so ist.
Neben den festgelegten Termini gehören zu den Fachwortschätzen Halbtermini.
Halbtermini sind zwar eindeutig fachspezifisch, doch sind sie nicht bzw. nicht so exakt
definiert, wie die Termini. Die Fachwortschätze der Geisteswissenschaften enthalten
besonders viele Halbtermini, z.B. Wortart, Rektion, Prädikat usw. aus der Sprachwissenschaft
oder Gattung, Roman, Novelle, Epik, Lyrik aus der Literaturwissenschaft.
Ausserdem zählt zu jeder Fachsprache allgemein-wissenschaftlicher Wortschatz.
Sie beschreiben allgemeine wissenschaftliche Verfahren und sind Bestandteile vieler
Fachsprachen, wie aktuell, positiv, negativ, integrativ, integrieren, proportional, aktiv;
Analyse, Synthese, Funktion, Transformation;
Der fachlichen und beruflichen Diskussionen dienen weiter die Fachjargonismen. Zu
Fachjargonismen gehören auch expressive Dubletten der Fachwörter. Sie werden im
alltäglichen vertrauten Umgang mit Arbeitskollegen gebraucht (Klavier spielen –
Fingerabdrücke abnehmen, ein Tischler nennt Hobel auch „Bulle“, „Wolf“, „Runks“, Teile
des Hobels „Nase“, „Maul“, „Sohle“. Die Seeleute nennen den Koch ironisch
„Speisemeister“, „Schmierdieb“, „Speckschneider“, Feldküche - “Gulaschkanone“,
Konservenfleisch – „Kabelgarn“.).
Fachwortschätze müssen ständig erweitert werden, da sich auch die Fächer
weiterentwickeln. Es besteht ein lexikalischer Bedarf. (Bsp.: Chemie: ca. 10 Mio. Wörter)

Quellen der Entstehung fachsprachlicher Lexik:


1. Terminologisierung: Ein großer Teil der Fachwortschätze enthält gemeinsprachliches
Wortgut, das durch Definition terminologisiert worden ist.
2. Entlehnung. Dieser Prozess lässt sich mit der verstärkten wissenschaftlichen
Zusammenarbeit in Forschung und Wirtschaft erklären. Häufig handelt es sich dabei um
Internationalismen, vgl. z. B. den Wortschatz der Mikroelektronik. Auf diese Weise
werden jedoch auch Synonymie, Homonymie, Polysemie, emotionale und assoziative
Belastung nationalsprachlicher Termini vermieden. Für einige Fächer sind bestimmte
Quellsprachen typisch: Musik hauptsächlich aus dem Italienischen,
Computersprache hauptsächlich aus dem Englischen, Biologie, medizinische und
juristische Fachsprache aus dem Lateinischen.
3. Metaphorisierung: Sehr beliebt sind Tierbezeichnungen beziehungsweise
Körperbezeichnungen für Werkzeuge. (Bsp.: Muschel, Fuchsschwanz, Schnecke,
Frosch, Auge, Zahn, Knie, Nase; andere Beispiele: Mathematik: Bündel, Halm,
Keim, ...; Chemie: jungfräuliche Ionen, ...)
4. Im Wortbildungsbereich gibt es oftmals lange Komposita (bis zu acht). Grund dafür
sind die sehr komplexen Sachverhalte. Fachspezifische Wortbildungsmodelle, die für
die Bildung von Fachwörtern genutzt. Das betrifft vor allem die Bildung des
fachsprachlichen Verbs, die Bildung deverbaler Substantive (-ung-Derivate,
Konversion), die Kompositabildung und Kurzwortbildung. Insbesondere muss die
Bildung fachsprachlicher Verben nach in der Gemeinsprache relativ wenig genutzten
Modellen genannt werden, wie Nomen + Verb: punktschweißen, sandstrahlen. Auch
Fremdaffixe dringen über den fachsprachlich-terminologischen Bereich ein. In den
Gesellschaftswissenschaften z. B. anti-, neo-, hyper- usw. Das Suffixsystem: in der
Chemie: - ase (= Fermente: Amylase), -it (= sauerstoffarme Salze:Sulfit); in der
Medizin:-itis (= Entzündung: Bronchitis); in der Sprachwissenschaft: -em
(= abstrakte Einheiten: Phonem, Morphem).
5. Transposition von Eigennamen: Fachwort bekommt die Bezeichnung des Erfinders,
Forschers (Bsp.: Hertz, Gauss, Parkinsonsyndrom, Volt, Basedowsche Krankheit).

Wir leben in einer Medienwelt. Auf diese Weise dringt sprachliches Material, das
fachsprachlicher Herkunft ist, in großer Zahl in die Gemeinsprache ein, und zwar durch
Massenmedien, Fach- und
Sachbücher, Werbung.
Die Grenzen zwischen Fach- und Gemeinsprache, zwischen Fachexperten und Laien sind
unscharf.
Fachsprachen, die in die Gemeinsprache eindringen: Politik, Verwaltung, Wirtschaft,
Wissenschaften (Medizin, technische Wissenschaften, Chemie, Geisteswissenschaften,
Philosophie, Soziologie etc.), Sport (vorrangig Fußballsport, aber auch Tennis und Skisport).

Die soziale Differenzierung des Wortschatzes: sozialspezifische Wortschätze.


Die soziale Gliederung des Wortschatzes ist durch die Art der sozialen Beziehungen
bestimmt. Zunächst unterscheidet man den Allgemeinwortschatz, d. h. die Lexik, die von
allen Sprachbenutzern verstanden wird. Dem Allgemeinwortschatz wird der nach dem
sozialen Träger benannte Wortschatz gegenübergestellt. Alter, Geschlecht, Interessen wirken
sich sprachlich aus. Den besonderen Wortschatz sozialer Gruppen bezeichnet man als
gruppenspezifischen Wortschatz, Gruppensprache, Sondersprache, Soziolekt. Es werden
transitorische (Lebensalter-Sprachen: Schüler-, Studenten-, Jugendsprachen), temporäre (z.B.
Soldatensprache, Gefängnis, Sport, Hobby), habituelle (geschlechterspezifische
Sprechweisen) und historische (z.B. Klostersprache) Soziolekte unterschieden, die jeweils
charakteristische linguistische Merkmale aufweisen können. Diese Gruppen entwickeln
Normen speziell beim Wortschatz, wodurch eine optimale Verständigung, Identitätsfindung
bzw. Abgrenzung erreicht werden soll. Zum Unterschied von Fach- und Berufssprachen sind
die besonderen Ausdrücke der gruppenspezifischen Wortschätze oft expressiv.
Jugendsprachen, lexikalische Merkmale: trotz ständigen Wandel und regionalen
sozialen Differenzierungen gibt es Typisches:
1) neue Bedeutungen der Standardlexik (fett, schlumpf - vom Alkohol blau; Radierer
= die Anty-Baby-Pille)
2) Gebrauch provokanter Lexeme (Tabuwörter, Vulgarismen, Fäkalsprache:
Wichser, Arschgesicht),
3) Intensitätsadverbien bzw. –adjektive megacool, krass, hyperhysterisch
4) Anglizismen high sein, chillen, swag - lässig-coole Ausstrahlung (2011
Jugendwort)
5) Ethnolekte (Babo – türk. Boss – Jugendwort 2013, aus dem Arabischen
stammende Befehl "Yalla!" - "Beeil dich!")
6) Empfindungs- und Lautwörter ups, wow,...
7) originelle Gruß- und Anredeformeln tschüssi, ahoi
8) kreative Wortspiele (McDoof – McDonalds, labundig = lebendig)
9) Neuschöpfungen, viele davon verstoßen gegen die Norm (auf keinsten = auf
keinen Fall, Ischwöre, "Wulffen" - "auf Kosten anderer leben", "Komasutra", -
"versuchter Geschlechtsverkehr zwischen zwei sehr betrunkenen Personen")
10) Abkürzungen (Sponti – diejenigen, bei denen Spontaneität am wichtigsten ist,
Yolo-You only live once – Jugendwort 2012, "FU!" - "Fuck You!" Jugendwort
2012 Platz 2)
11) Idiome (null Bock haben, die Sau rauslassen – kräftig feiern)
Besondere Vielfalt an gruppenspezifischen Lexemen weist der Themenkreis auf, der für
Jugendliche von Bedeutung ist: sie selbst (junges Mädchen: Sahneschnitte, Torte, Tussi, Alte,
Mutti, Tante, Suppermutter, Kirsche, Weib, Ische, Praline, Madame), Musik, Freizeit, Computer,
Sozialkontakte.
Gruppenspezifische Lexik entsteht also oft auf dem Wege der Metaphorisierung und
Metonymie (aldig (Adj. von ALDI)), Entlehnungen aus anderen Gruppensprachen (Freundin:
Brummе aus der Soldatenlexik, Ische aus der Gaunersprache, wacken – feiern aus der Hip
Hop Sprache), Fremdsprachen (Rauschgift: Tea, Pot, Mary Jane, Afghan, Shit, Dope), Ethnolekten
(Das Türkische «lan» bedeutet dann Kumpel, oder «Alter». Das Arabische «wallah» steht am Satzende, oft
im Sinne einer Bekräftigung wie «echt»). Ethnolekte sind beliebt bei den Jugendlichen, deswegen sprechen
die Wissenschfteler von Kiezdeutsch (Machst du rote Ampel - Du gehst bei Rot über die Straße).

Eine genaue Trennung zwischen Fachwortschatz und gruppenspezifischem


Wortschatz ist nicht immer möglich, es bestehen hier fließende Grenzen, z.B. kann die Hip-
Hop-Lexik als Fachwortschatz oder als gruppenspezifischer Wortschatz betrachtet werden, da
hier genau festgelegte Termini wie dissen, texten, flow sowie auch alle obengenannten
Elemete der Jugendlexik verwendet werden (Fulgarismen, Anglizismen, Abkürzungen usw.).
Im Bereich der Soziolekte nimmt momentan die Beschäftigung mit der
Frauensprache, Sprache und Sexus, Feministischer Sprachgebrauch breiten Raum ein
(Trömel-Plotz 1982, 1984, Pusch 1984, 1990). „Frauensprache“ gekennzeichnet durch: -mehr
abschwächende Partikel, Adverbien, Modalverben,... (Nicht: Es ist so. Sondern: Es könnte so
sein. Oder Möglicherweise... Ursache: Konfliktscheuheit). -weniger Vulgarismen, mehr
Euphemismen, Intonation drückt oft Höflichkeit aus, indirekte Bitte statt Befehl, oft „Ja“ als
Kontaktzeichen und nicht als Antwort, mehr Metapher und Vergleiche. Die Sprache der
Frauen ist konservativer, sie verädert sich nicht so schnell, deswegen gibt es mehr
Archaismen, mundartliche Lexeme, weniger Neologismen und Termini.
Durch globale Vermarktung durch Werbung und Medien finden gruppenspezifischen
Wortschätze ständig Aufnahme in die Gemeinsprache. So werden jetzt jedes Jahr in
Deutschland und Österreich das Jugendwort des Jahres gewählt, was von der großen sozialen
Bedeutung dieses Phänomens spricht. Die Gewinner von 2011 sind liken (über das
Internetportal Facebook persönliche Vorlieben anzeigen) und Swag (Beneidenswerte, coole
Ausstrahlung).

DIE TERRITORIALE DIFFERENZIERUNG DES DEUTSCHEN


WORTBESTANDES
Die territorialgebundene Lexik ist für zwei Erscheinungsformen der deutschen
Gegenwartssprache kennzeichnend: l. Umgangssprache. 2. Mundart.
Unter Mundart bzw. Dialekt – beide Bezeichnungen werden vielfach
gleichbedeutend verwendet – verstehen wir eine landschaftlich gebundene Form des
Sprechens (Besch 1982), die vorwiegend gesprochen wird, das Kommunikationsmittel einer
geographisch enger begrenzten (lokalen) Sprachgemeinschaft darstellt, eine bestimmte
soziale Trägerschicht besitzt, nicht universell verwendbar ist. Dialekte unterscheiden sich von
anderen Dialekten wie auch von der Standardsprache in allen Sprachbereichen – Lautebene
(Phonologie), Wortbeugung (Morphologie), Wortschatz (Lexik), Satzbau (Syntax) und
Idiomatik – unterscheiden. Die miteinander verwandten Dialekte werden als Dialektgruppe
bezeichnet. Solche Dialekte müssen linguistisch miteinander verwandt sein und eine
weitgehende gegenseitige Verständlichkeit haben.
Die bedeutenden territorialen Unterschiede in Lexik und Phraseologie bilden eine
spezifische Eigenart der deutschen Sprache. Die langjährige Zersplitterung Deutschlands war
der entscheidende Grund zur späten Herausbildung der deutschen bürgerlichen Nation und
der nationalen Schriftsprache. Die Grundlage der deutschen Schriftsprache bilden die
ostmitteldeutschen Dialekte von Obersachsen und Ostthüringen.
Im mundartlichen Wortschatz sind verschiedene Gebiete des landwirtschaftlichen
Berufes, die in der betreffenden Landschaft bestehen, reich vertreten. Das sind
Feldwirtschaft, Viehzucht, Gemüseanbau, Gartenbau, ferner der Wortschatz verschiedener
Gewerbe wie Fischfang, Jagd, Weberei, Zimmerei u.a. Außerdem zeigt der mundartliche
Wortschatz eine Fülle von Synonymen zum Ausdruck der Lebensbedürfnisse, der
Hauswirtschaft, des Alltags.
Viele Bereiche sind dagegen in den Mundarten nur schwach oder gar nicht entwickelt,
z.B. Staats- und Heerwesen, Wissenschaft, Kunst u. dgl. m. Was diese Lexik abstrakten
Charakters anbelangt, so fällt sie mit der der Schriftsprache zusammen.
Man unterscheidet im Allgemeinen Großraummundarten (z.B. das Bayerische, das
Alemannische, das Schwäbische), und Ortsmundarten (z.B. die Mundart von Garmisch-
Partenkirchen). Für die großräumige Gliederung der Dialekte werden lauthistorische
Kriterien angesetzt, für die Abgrenzung der einzelnen Ortsmundarten werden vielmehr
lexikalische Unterschiede herangezogen.
Die territorialgebundene Lexik lässt sich entsprechend in 3 Gruppen einteilen:
1) mundartliche Varianten. Sie sind landschaftlich eng begrenzt und nur auf
mundartlicher Ebene bekannt und geläufig. Beispiele: Frosch — Padde — Pogge —
Hetsche — Kecker. Der Brotanschnitt: „Scherzl" (nördliche Oberpfalz), „Kanten"
(Göttingen), „Stupsel" (Oberbayern), „Gnötzla" (Nürnberg), „Giggl"
(Meitingen/Schwaben), „Knust" (Hildesheim), „Kipferle" (Hassfurt), „Rampftl"
(Schlesien). "Fei" (doch), "dantschig" (liebreizend), "Gnärzla" (Anschnitt eines
Brotlaibs) und "schdriala"(durchsuchen) sind die liebsten Wörter der Bayern 2004.
2) territoriale Varianten (territoriale Tautonyme). Sie sind mundartlicher Herkunft, aber
unterscheiden sich von der Mundartlexik dadurch, dass sie zum Wortbestand einer
anderen Erscheinungsform der Sprache (Umgangssprache) gehören. Diese
landschaftlichen Varianten sind zwar landschaftlich gebunden, aber überall bekannt.
Beispiele: Sonnabend — Samstag; Fleischer (ostdt.) — Metzger (süddt.) — Schlächter
(norddt.)
3) nationale Varianten der Lexik. Es handelt sich in diesem Fall um die Lexik solcher
mehr oder weniger standardisierten Varianten der deutschen Sprache, die als
Literatursprachen anderer Nationen funktionieren. Dazu gehören vor allem die
österreichische nationale Variante und die Schweizer Variante (Schwyzertütsch -
Schweizerhochdeutsch): Apfelsine (Deutschland), Karfiol (= Blumenkohl)
Österreich, Estrich (= Dachboden) in der Schweiz,Gemeindevorsteher (=
Bürgermeister) in Liechtenstein, Affaire (= Gerichtsprozess) in Luxemburg,
Hydrauliker (= Klempner) in Südtirol,relax (= entspannt) in Belgien gebräuchlich.
Ammon et al. 2004: Variantenwörterbuch des Deutschen, das eben die genannten
nationalen Spezifika der deutschsprachigen Länder, in denen Deutsch als Amtssprache
fungiert, auflistet.

"Wie sagt man in Österreich?". von Jakob Ebner zeigt den Wortschatz, der mit dem in
Deutschland oder in der Schweiz nicht übereinstimmt. Es sind jetzt rund 8000 Stichwörter.
Dabei wird das Dialektale ausgespart. Ebner will unterstreichen, dass das österreichische
Deutsch nicht ein Dialekt ist, sondern eine nationale Standardvarietät des Deutschen:
Beiried / Roastbeef; Eierschwammerl / Pfifferlinge; Erdäpfel / Kartoffeln; Faschiertes /
Hackfleisch; Fisolen / Grüne Bohnen; Grammeln / Grieben; Hüferl / Hüfte; Karfiol /
Blumenkohl; Kohlsprossen / Rosenkohl; Kren / Meerrettich; Lungenbraten / Filet; Marillen /
Aprikosen; Melanzani / Auberginen; Nuss / Kugel; Obers / Sahne; Paradeiser / Tomaten;
Powidl / Pflaumenmus; Ribisel / Johannisbeeren; Rostbraten / Hochrippe; Schlögel / Keule;
Topfen / Quark; Vogerlsalat / Feldsalat; Weichseln / Sauerkirschen.
Die sprachliche Situation in deutschsprachigen Ländern kann man also wie eine
Pyramide darstellen: Mundarten – Halbdialekte (Stadtmundarten) – Umgangssprache –
Hochsprache.
In vielen Gebieten, vor allem in Norddeutschland und Ruhrgebiet werden die
traditionellen Dialekte allerdings nur noch von älteren Sprecherinnen und Sprechern
verwendet. In seinem Buch „Pfälzisch“ aus dem Jahr 1990 meint Rudolf Post, dass das
Pfälzische mit jeder neuen Generation neun Prozent seines Wortschatzes verliere. Dialekte
seien heute kaum mehr fähig, eigenständige Neologismen gegenüber dem Hochdeutschen zu
entwickeln, es werde fast stets der hochdeutsche Ausdruck verwendet. Andernorts
(Süddeutschland) sind die Dialekte noch lebendiger, aber auch dort, wo dies der Fall ist,
findet die Alltagskommunikation häufig in einem Zwischenbereich zwischen Dialekt und
Hochdeutsch statt. Insgesamt sind die Unterschiede im Sprachgebrauch verschiedener
Regionen nicht nur in den Dialekten, sondern auch in diesem Zwischenbereich immer noch
erheblich.
Gründe für das Verschwinden der Dialekte:
- Globalisierung
- Wenig Dialekt – Schriftsteller oder -Sänger
- Diskriminierung des Dialektes in der Schule
- Einflüsse aus dem Angelsächsischen
- Jugendkultur (Popmusik, Computersprache…)
- Mobilität der Menschen
- Auflösung ländlicher bzw. dörflicher Strukturen
Ansonsten besteht eher die Tendenz, dass sich Dialekte der allgemeinen Standard-
oder Umgangssprache annähern, und dass mehrere Orte im Laufe der Zeit eine gemeinsame
Regionalsprache entwickeln, den so genannten Regiolekt (eine dialektal geprägte, regional
verbreitete Umgangssprache). Von den örtlichen Dialekten unterscheidet er sich darin, daß er
die meisten uneinheitlichen dialektalen Eigenheiten bezüglich Vokabular, Grammatik und
Aussprache zugunsten eher überregionaler oder hochsprachlicher Elemente abgelegt oder
abgeschliffen hat (Niederheinisch, Ruhrdeutsch). Somit nimmt der Regiolekt eine
vermittelnde Stellung zwischen Standardsprache und Dialekt ein. An einigen Beispielwörtern
kann der Übergang zwischen Dialekt, Regiolekt und Standarddeutsch nachvollzogen werden:
Standarddeutsch: Garten - Rheinisch: Jachten - Kölsch: Jaade
Standarddeutsch: Schirm - Rheinisch: Schirrem - Koblenzer Platt: Baraplü -
Kölsch: Parraplüh (Ruhrdeutsch bzw. westfälischer Regiolekt im Vergleich: Schiam)
Standarddeutsch: Apfelwein - hessischer Regiolekt: Äppler - Frankfurterisch:
Ebbelwoi
Das 2004 erschienene „Variantenwörterbuch des Deutschen“ beschreibt erstmals die
geographischen Varietäten der deutschen Standardsprache.
PHRASEOLOGIE
Die Erweiterung des Wortschatzes erfolgt auch dadurch, dass aus syntaktischen
Wortverbindungen Wortgruppen mit fester Bedeutung entstehen können. Die Bezeichnung
dieser vielfältigen Erscheinungen ist viel diskutiert (Phraseologismus, Idiom, festes
Syntagma, Wortgruppenlexem, Paralexem, feste Wortverbindung, sprichwörtliche Redensart
u.a.).
Phraseologismen unterscheiden sich von den freien Wortverbindungen durch 4 Kriterien:
Idiomatizität, Stabilität, Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit.
1) Idiomatizität: Eine Wortverbindung wird dann als idiomatisch angesehen, wenn die
Summe der Bedeutungen der einzelnen Komponenten nicht der Bedeutung der
Wortverbindung entspricht: ein alter Hase – „ein erfahrener Fachmann“, aus der
Haut fahren - 'wütend sein'.
Einzelne Wortverbindungen können sowohl als freie als auch feste Wortverbindung
vorkommen: jemandem den Kopf waschen - 'jemanden tadeln', zur Kasse gebeten werden -
'bezahlen müssen'.
Oft wird die idiomatische Bedeutung durch eine Metapher vermittelt. Der
Metaphorisierungsprozess ist aber häufig ohne etymologische Kenntnisse nicht mehr
nachvollziehbar. Das Bild, das mit der Wendung vermittelt wird, hat keine Beziehung zur
Bedeutung der Wortverbindung: das Heft in der Hand haben - 'die Macht haben', ins
Fettnäpfchen treten - 'bei jemandem Verärgerung hervorrufen'.
Es gibt unterschiedliche Grade der Idiomatizität. Wenn beide Komponenten
phraseologisch gebunden sind, wie: etwas übers Knie brechen - 'voreilig handeln', jemandem
einen Bären aufbinden - 'jemandem etwas Unwahres sagen' so spricht man von
vollidiomatischen Wendungen. Als teilidiomatische Wendungen werden Phraseologismen
bezeichnet, wenn nur ein Teil phraseologisch gebunden ist (diebische Elster - "diebische
Frau', faule Ausrede - 'wenig überzeugende Ausrede').
2) Stabilität: Während in einer freien syntaktischen Fügung die einzelnen Komponenten
durchaus mit Hilfe von Synonymen ersetzbar sind, ist eine Austauschbarkeit bei
Phraseologismen meist nicht möglich. So kann man auch nicht den Stuhl vor die Tür stellen -
"jemanden rauswerfen' durch den Sessel vor die Tür stellen ersetzen. Phraseologisch
gebundene Wörter können mit unikalen Komponenten existieren. Das sind Wörter, die
außerhalb der Wendung nicht mehr vorkommen: Fersengeld geben – „fliehen“, auf dem
Holzweg sein – „sich irren“, fehl am Platze - „unpassend sein“, lautbar werden - 'bekannt
werden'.
Stabilität zeigt sich weiterhin durch syntaktische Anomalien - 'Abweichungen', wie durch den
unflektierten Gebrauch des attributiven Adjektivs: frei Haus liefern - 'Transport bis zum Haus
ohne zusätzliche Kosten', auf gut Glück - 'ohne Garantie eines günstigen Ausgangs'; oder
auch durch Voranstellung des attributiven Genitivs als Beispiele neben anderen Erschei-
nungen: auf des Messers Schneide stehen - 'kurz vor der Entscheidung".
Am festesten sind die idiomatischen Phraseologismen (über den Jordan gehen – weder mit
Donau noch mit laufen möglich). Die nicht-idiomatischen phraseologischen Konstruktionen
(= Kollokationen) sind weniger fest (einen Vertrag abschließen, ein bunter Abend).
Eine gewisse Variation kommt bei vielen Idiomen vor, z.B. bekannt sein wie ein
bunter/scheckiger Hund, ein Auge/beide Augen zudrücken, (nicht) die leiseste/geringste Idee
von etw. haben.
Auch lassen sich Idiome im Prinzip leicht modifizieren, z.B. durch Attribute oder
Adverbialbestimmungen, wobei in der Regel ein besonderer stilistischer Effekt erzielt wird,
z.B. ein kleiner/winziger Tropfen auf einen kochend/sehr heißen Stein - Tropfen auf den
heißen griechischen Stein usw.
Da die normale Regel der Verwendung des Phraseologismus dabei verletzt wird, empfinden
die Hörer solche Abwandlungen als überraschend, sie dienen deshalb dazu, Aufmerksamkeit
zu erregen oder sollen humorvoll erscheinen.
3,4) Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit: Phraseologismen werden wie ein Wort im
Gedächtnis gespeichert und müssen bei dem Sprecher nicht nach einem syntaktischen Modell
produziert werden, sondern Phraseologismen werden als fertige sprachliche Einheiten
reproduziert. Phraseologismen bestehen aus mindestens zwei morphologischen Wörtern,
sind jedoch trotz ihrer Komplexität als Ganzes im Lexikon gespeichert. Sie sind besondere
Einheiten des Lexikons: Mehrwortlexeme, die gegenüber dem freien Syntagama eine neue
semantische Einheit bilden (Lexikalität). Ihre Konstituenten können ihre Selbständigkeit
teilweise oder ganz verlieren.
Phraseologismen sind konventionell. Phraseologismen gelten nur dann als Einheiten des
lexikalischen Teilsystems des deutschen Sprachsystems, wenn sie deutschen
Muttersprachlern allgemein bekannt sind, d.h. von ihnen verwendet und verstanden werden.

Da aber nicht immer alle vier hier genannten Kriterien in einem Phraseologismus vorhanden
sind, und außerdem P. unterschiedliche syntaktische, funktionale und semantische
Charakteristika haben, hat es eine Vielzahl von Klassifizierungsversuchen hervorgerufen.

Verwendung und Funktionen von Phraseologismen


Die Verwendung von Phraseologismen unterliegt bestimmten Gebrauchsregeln und
Restriktionen: soziale Faktoren (Alter, Geschlecht, geographische Herkunft des
Sprechers/Hörers), Gesprächssituation usw.
1) Altersspezifik
Der Gebrauch von Phraseologismen hängt von der Zugehörigkeit zu einer Altersgruppe ab.
Bestimmte Phraseologismen werden von Jugendlichen verwendet, andere von älteren
Sprechern. Dies hängt auch mit der Dynamik der Phraseologie zusammen: einst häufig
gebrauchte Phraseologismen kommen außer Gebrauch und neue entstehen z.B. sehr häufig in
der Jugendsprache, die für ältere Sprecher nicht mehr bekannt sind. Die Bekanntheit von
Phraseologismen nimmt mit dem Alter in der Regel zu. Z.B.: ins Gras beißen, den Löffel
abgeben, die Krise kriegen: eher jüngere Sprecher (Markierung - umgangssprachlich-salopp);
jmdm. einen Bärendienst erweisen, Maulaffen feilhalten: eher ältere (Markierung - gehoben)
2) Regionalspezifik
Regionale Varietäten einer Sprache weisen einen zum Teil unterschiedlichen Bestand
an
Phraseologismen auf. Auf jeden Fall gelten regionale Einschränkungen für Phraseologismen,
die auf region- bzw. landesspezifische Gegenstände, Sachverhalte u.д. referieren:
Jeden Schilling (zweimal/dreimal usw.) umdrehen: Austriazismus
Jeden Pfennig/jede Mark (zweimal/dreimal usw.) umdrehen: Teutonismus
Zu den Funktionen der Phraseologismen gehören folgende:
1) Man möchte etwas nicht direkt nennen (euphemistische Funktion), z.B. keine
großen Sprünge machen können = arm sein, jmdm. einen Bären aufbinden = jmdn.
belügen;
2) Man will sich in einer verstärkten Weise ausdrücken (emotional-wertende
Funktion), z.B. jmdm. platzt der Kragen, sich den Mund fusselig reden.
3) Sprach-ökonomische Funktion. Feste Wortgruppen haben oft den Charakter des
Klischees: in Betracht ziehen, außer acht lassen, Rechnung tragen (Presse).
Bei der Übersetzung in andere Sprachen muss man auf die Funktion von Phraseologismen
achten, denn es kommt vor allem darauf an, expressive und wertende Elemente in der
Zielsprache wiederzugeben. Ähnlichkeiten der Bildhaftigkeit lassen sich in mehreren
Sprachen finden. Eine Untersuchung von deutschen und russischen Phraseologismen hat
ergeben, dass in beiden Sprachen folgende Wörter gehäuft auftreten: Auge, Nase, Ohr, Herz,
Tag, Teufel, Katze, Hund, Pferd, Fisch, Luft, Licht, Feuer, Wasser, Wind. Für "viele
Wendungen gibt es in mehreren Sprachen vollkommene Übersetzungsmöglichkeiten: den
Kopf verlieren, den Stier bei den Hörnern fassen, arm wie eine Kirchenmaus (dt, engl, poln,
russ, frz). Wenn nicht, muss man den Phraseologismus durch einen synonymen übersetzen
oder durch nichtphraseologische Formen umschreiben.

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