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Wir leben in einer Medienwelt. Auf diese Weise dringt sprachliches Material, das
fachsprachlicher Herkunft ist, in großer Zahl in die Gemeinsprache ein, und zwar durch
Massenmedien, Fach- und
Sachbücher, Werbung.
Die Grenzen zwischen Fach- und Gemeinsprache, zwischen Fachexperten und Laien sind
unscharf.
Fachsprachen, die in die Gemeinsprache eindringen: Politik, Verwaltung, Wirtschaft,
Wissenschaften (Medizin, technische Wissenschaften, Chemie, Geisteswissenschaften,
Philosophie, Soziologie etc.), Sport (vorrangig Fußballsport, aber auch Tennis und Skisport).
"Wie sagt man in Österreich?". von Jakob Ebner zeigt den Wortschatz, der mit dem in
Deutschland oder in der Schweiz nicht übereinstimmt. Es sind jetzt rund 8000 Stichwörter.
Dabei wird das Dialektale ausgespart. Ebner will unterstreichen, dass das österreichische
Deutsch nicht ein Dialekt ist, sondern eine nationale Standardvarietät des Deutschen:
Beiried / Roastbeef; Eierschwammerl / Pfifferlinge; Erdäpfel / Kartoffeln; Faschiertes /
Hackfleisch; Fisolen / Grüne Bohnen; Grammeln / Grieben; Hüferl / Hüfte; Karfiol /
Blumenkohl; Kohlsprossen / Rosenkohl; Kren / Meerrettich; Lungenbraten / Filet; Marillen /
Aprikosen; Melanzani / Auberginen; Nuss / Kugel; Obers / Sahne; Paradeiser / Tomaten;
Powidl / Pflaumenmus; Ribisel / Johannisbeeren; Rostbraten / Hochrippe; Schlögel / Keule;
Topfen / Quark; Vogerlsalat / Feldsalat; Weichseln / Sauerkirschen.
Die sprachliche Situation in deutschsprachigen Ländern kann man also wie eine
Pyramide darstellen: Mundarten – Halbdialekte (Stadtmundarten) – Umgangssprache –
Hochsprache.
In vielen Gebieten, vor allem in Norddeutschland und Ruhrgebiet werden die
traditionellen Dialekte allerdings nur noch von älteren Sprecherinnen und Sprechern
verwendet. In seinem Buch „Pfälzisch“ aus dem Jahr 1990 meint Rudolf Post, dass das
Pfälzische mit jeder neuen Generation neun Prozent seines Wortschatzes verliere. Dialekte
seien heute kaum mehr fähig, eigenständige Neologismen gegenüber dem Hochdeutschen zu
entwickeln, es werde fast stets der hochdeutsche Ausdruck verwendet. Andernorts
(Süddeutschland) sind die Dialekte noch lebendiger, aber auch dort, wo dies der Fall ist,
findet die Alltagskommunikation häufig in einem Zwischenbereich zwischen Dialekt und
Hochdeutsch statt. Insgesamt sind die Unterschiede im Sprachgebrauch verschiedener
Regionen nicht nur in den Dialekten, sondern auch in diesem Zwischenbereich immer noch
erheblich.
Gründe für das Verschwinden der Dialekte:
- Globalisierung
- Wenig Dialekt – Schriftsteller oder -Sänger
- Diskriminierung des Dialektes in der Schule
- Einflüsse aus dem Angelsächsischen
- Jugendkultur (Popmusik, Computersprache…)
- Mobilität der Menschen
- Auflösung ländlicher bzw. dörflicher Strukturen
Ansonsten besteht eher die Tendenz, dass sich Dialekte der allgemeinen Standard-
oder Umgangssprache annähern, und dass mehrere Orte im Laufe der Zeit eine gemeinsame
Regionalsprache entwickeln, den so genannten Regiolekt (eine dialektal geprägte, regional
verbreitete Umgangssprache). Von den örtlichen Dialekten unterscheidet er sich darin, daß er
die meisten uneinheitlichen dialektalen Eigenheiten bezüglich Vokabular, Grammatik und
Aussprache zugunsten eher überregionaler oder hochsprachlicher Elemente abgelegt oder
abgeschliffen hat (Niederheinisch, Ruhrdeutsch). Somit nimmt der Regiolekt eine
vermittelnde Stellung zwischen Standardsprache und Dialekt ein. An einigen Beispielwörtern
kann der Übergang zwischen Dialekt, Regiolekt und Standarddeutsch nachvollzogen werden:
Standarddeutsch: Garten - Rheinisch: Jachten - Kölsch: Jaade
Standarddeutsch: Schirm - Rheinisch: Schirrem - Koblenzer Platt: Baraplü -
Kölsch: Parraplüh (Ruhrdeutsch bzw. westfälischer Regiolekt im Vergleich: Schiam)
Standarddeutsch: Apfelwein - hessischer Regiolekt: Äppler - Frankfurterisch:
Ebbelwoi
Das 2004 erschienene „Variantenwörterbuch des Deutschen“ beschreibt erstmals die
geographischen Varietäten der deutschen Standardsprache.
PHRASEOLOGIE
Die Erweiterung des Wortschatzes erfolgt auch dadurch, dass aus syntaktischen
Wortverbindungen Wortgruppen mit fester Bedeutung entstehen können. Die Bezeichnung
dieser vielfältigen Erscheinungen ist viel diskutiert (Phraseologismus, Idiom, festes
Syntagma, Wortgruppenlexem, Paralexem, feste Wortverbindung, sprichwörtliche Redensart
u.a.).
Phraseologismen unterscheiden sich von den freien Wortverbindungen durch 4 Kriterien:
Idiomatizität, Stabilität, Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit.
1) Idiomatizität: Eine Wortverbindung wird dann als idiomatisch angesehen, wenn die
Summe der Bedeutungen der einzelnen Komponenten nicht der Bedeutung der
Wortverbindung entspricht: ein alter Hase – „ein erfahrener Fachmann“, aus der
Haut fahren - 'wütend sein'.
Einzelne Wortverbindungen können sowohl als freie als auch feste Wortverbindung
vorkommen: jemandem den Kopf waschen - 'jemanden tadeln', zur Kasse gebeten werden -
'bezahlen müssen'.
Oft wird die idiomatische Bedeutung durch eine Metapher vermittelt. Der
Metaphorisierungsprozess ist aber häufig ohne etymologische Kenntnisse nicht mehr
nachvollziehbar. Das Bild, das mit der Wendung vermittelt wird, hat keine Beziehung zur
Bedeutung der Wortverbindung: das Heft in der Hand haben - 'die Macht haben', ins
Fettnäpfchen treten - 'bei jemandem Verärgerung hervorrufen'.
Es gibt unterschiedliche Grade der Idiomatizität. Wenn beide Komponenten
phraseologisch gebunden sind, wie: etwas übers Knie brechen - 'voreilig handeln', jemandem
einen Bären aufbinden - 'jemandem etwas Unwahres sagen' so spricht man von
vollidiomatischen Wendungen. Als teilidiomatische Wendungen werden Phraseologismen
bezeichnet, wenn nur ein Teil phraseologisch gebunden ist (diebische Elster - "diebische
Frau', faule Ausrede - 'wenig überzeugende Ausrede').
2) Stabilität: Während in einer freien syntaktischen Fügung die einzelnen Komponenten
durchaus mit Hilfe von Synonymen ersetzbar sind, ist eine Austauschbarkeit bei
Phraseologismen meist nicht möglich. So kann man auch nicht den Stuhl vor die Tür stellen -
"jemanden rauswerfen' durch den Sessel vor die Tür stellen ersetzen. Phraseologisch
gebundene Wörter können mit unikalen Komponenten existieren. Das sind Wörter, die
außerhalb der Wendung nicht mehr vorkommen: Fersengeld geben – „fliehen“, auf dem
Holzweg sein – „sich irren“, fehl am Platze - „unpassend sein“, lautbar werden - 'bekannt
werden'.
Stabilität zeigt sich weiterhin durch syntaktische Anomalien - 'Abweichungen', wie durch den
unflektierten Gebrauch des attributiven Adjektivs: frei Haus liefern - 'Transport bis zum Haus
ohne zusätzliche Kosten', auf gut Glück - 'ohne Garantie eines günstigen Ausgangs'; oder
auch durch Voranstellung des attributiven Genitivs als Beispiele neben anderen Erschei-
nungen: auf des Messers Schneide stehen - 'kurz vor der Entscheidung".
Am festesten sind die idiomatischen Phraseologismen (über den Jordan gehen – weder mit
Donau noch mit laufen möglich). Die nicht-idiomatischen phraseologischen Konstruktionen
(= Kollokationen) sind weniger fest (einen Vertrag abschließen, ein bunter Abend).
Eine gewisse Variation kommt bei vielen Idiomen vor, z.B. bekannt sein wie ein
bunter/scheckiger Hund, ein Auge/beide Augen zudrücken, (nicht) die leiseste/geringste Idee
von etw. haben.
Auch lassen sich Idiome im Prinzip leicht modifizieren, z.B. durch Attribute oder
Adverbialbestimmungen, wobei in der Regel ein besonderer stilistischer Effekt erzielt wird,
z.B. ein kleiner/winziger Tropfen auf einen kochend/sehr heißen Stein - Tropfen auf den
heißen griechischen Stein usw.
Da die normale Regel der Verwendung des Phraseologismus dabei verletzt wird, empfinden
die Hörer solche Abwandlungen als überraschend, sie dienen deshalb dazu, Aufmerksamkeit
zu erregen oder sollen humorvoll erscheinen.
3,4) Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit: Phraseologismen werden wie ein Wort im
Gedächtnis gespeichert und müssen bei dem Sprecher nicht nach einem syntaktischen Modell
produziert werden, sondern Phraseologismen werden als fertige sprachliche Einheiten
reproduziert. Phraseologismen bestehen aus mindestens zwei morphologischen Wörtern,
sind jedoch trotz ihrer Komplexität als Ganzes im Lexikon gespeichert. Sie sind besondere
Einheiten des Lexikons: Mehrwortlexeme, die gegenüber dem freien Syntagama eine neue
semantische Einheit bilden (Lexikalität). Ihre Konstituenten können ihre Selbständigkeit
teilweise oder ganz verlieren.
Phraseologismen sind konventionell. Phraseologismen gelten nur dann als Einheiten des
lexikalischen Teilsystems des deutschen Sprachsystems, wenn sie deutschen
Muttersprachlern allgemein bekannt sind, d.h. von ihnen verwendet und verstanden werden.
Da aber nicht immer alle vier hier genannten Kriterien in einem Phraseologismus vorhanden
sind, und außerdem P. unterschiedliche syntaktische, funktionale und semantische
Charakteristika haben, hat es eine Vielzahl von Klassifizierungsversuchen hervorgerufen.