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Industrie- und Schiffsmotoren

18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren & Garden, Landwirtschaft sowie Kleintraktoren, Stromer-


zeuger, Wasserpumpen und Bootsantriebe.
18.1.1 Einleitung Der klassische Einzylinder-Kleindieselmotor ist der ste-
hende Viertakt-Motor mit Direkteinspritzung. Die liegende
Der Einzylinder-Industrie-Dieselmotor hat eine tradi­ Bauart findet man heute nur noch in Asien. Vertikalwellen-
tionsreiche Geschichte, die vom ersten, betriebsfähigen Motoren, bislang als Benzinmotoren typisch für Rasenmä-
Dieselmotor im Jahre 1897 bis zu dem heutigen, luftgekühl- her- und Außenbordmotoren, werden seit 4 Jahren auch als
ten, vielfältig einsetzbaren Einzylinder-Kleindieselmotor Einzylinder-4 Takt-Dieselmotoren angeboten (Bild 18‑1).
reicht. Wegen geringer leistungsspezifischer Herstellkos- Die freien Massenkräfte und -momente machen sich bei
ten, geringem Kraftstoffverbrauch, günstigen Schmierbe­ Geräten mit tiefer Schwerpunktlage wie z. B. Rasenmäher
dingungen und besserer Abgasqualität wird er nur noch nicht stark bemerkbar.
als Viertaktmotor vor allem im Kleindieselsegment ausge- Die Wünsche der Motorenkunden sind vielfältig und sehr
führt. unterschiedlich. Jeder möchte seinen aktuellen Einbaufall in
Ungeachtet des erreichten hohen Entwicklungsstandes Funktion und Kosten optimal gelöst sehen. Auf alle Kun-
werden auch weiterhin Verbesserungspotenziale erforscht, denwünsche einzugehen würde zu einer Vielfalt unter-
die vor allem in der Nutzung neuer, hochwertiger Materi- schiedlichster Motoren führen, die sich nur rechnen, wenn
alien und in den Gemischbildungs- und Steuerungskriterien entsprechende Stückzahlen dahinter stehen. Dies ist i. d. R.
gesehen werden. nicht der Fall. Somit versucht jeder Motorenhersteller eigene
Wenn auch Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Indus- Konzeptstrategien zu entwickeln, die von einem Basismotor
triemotoren stets die erste Priorität besitzen werden, so sind ausgehend ein möglichst variables, universell einsetzbares
neben den komplizierten Marktmechanismen zunehmend und individuell aufadaptierbares Triebwerk anbieten kön-
zusätzliche Parameter, wie die Abgas – und Schallemission, nen. Einbauprojektierung im Dialog zwischen Motorenan-
zu berücksichtigen (s. Kap. 15 und 16). bieter und Anwender sind Vorbedingung. Die Abstimmung
Der technische Fortschritt in artverwandten Produktbe- des Pflichtenheftes und begleitende Einbauberatung bis zum
reichen beflügelt auch die Entwicklung der Kleindieselmo- Serienanlauf eines Gerätes einschließlich Abnahmeproto-
toren, aber nicht immer ist der gleiche Maßstab anzusetzen: koll gehören heute zum Standardprogramm eines Motoren-
Die Entwicklung einer neuen Motorengeneration oder die herstellers.
Einführung neuer Technologien erfordert sorgfältige Stu­
dien, einschließlich einer genauen Analyse der bisherigen, 18.1.2 Lastenheft und Grunddaten
jahrzehntelang im rauen Industrieeinsatz bewährten Motor- von Einzylinder-Dieselmotoren
technik. Nur bei richtiger Einschätzung abzusehender Ent-
wicklungsschritte und künftiger Anforderungen, können 18.1.2.1 Leistungsbereich und Verbrennungsverfahren
neue Technologien frühzeitig in die eigene Produktentwick-
lung eingebunden und erfolgreich mit zeitlichem Vorsprung Motorleistung
gegenüber der Konkurrenz angeboten werden. Einsatzge-
biete dieser Motoren mit einem Leistungsbereich von 2 bis Der Markt benötigt Viertakt-Einzylinder-Dieselmotoren mit
12 kW bei Drehzahlen von 3000, maximal 3600 min–1, sind 2 bis 12 kW Leistung und Zylindervolumen von Vh = 200 bis
Baumaschinen, der Kommunalbereich, die Bereiche Lawn 850 dm³. Der weltweite Bedarf an diesen Motoren beträgt
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Bild 18-1 Motor 1B20V – Vertikalwellenmotor Vh = 232 cm3, Pe = 3,8 kW / 3600 min–1

jährlich 1,2 Mio. – Tendenz steigend. Über 12 kW Leistung ohne Vorglühen startet, kommt für kleine Hubvolumen
sind bereits Zweizylinder-Motoren sinnvoll, wobei je nach (≤ 0,4 l) nur die direkte Einspritzung (DI) in Frage.
Anforderung an das Drehmoment eine untere Grenze von
8 kW bei 3600 min1 unter Berücksichtigung der Kosten ver- 18.1.2.2 Anforderungen an die Konstruktion
tretbar ist. Die geringen freien Massenkräfte und der damit
ruhigere, vibrationsärmere Motorlauf geben hier den Aus- Hub/Bohrungsverhältnis. Grundsätzlich ist ein Hub/Boh-
schlag. Einen Leistungsgewinn über höhere Drehzahlen zu rungsverhältnis von s/D>1 zu bevorzugen, jedoch verhin-
erzielen, ist anwendungstechnisch nachteilig und wenig ef- dern größere Hübe, die Vorteile einer optimalen Bauhöhe zu
fektiv. Hier haben sich Nenndrehzahlen von max. 3000 min1 nutzen. Dies kann mitunter ausschlaggebend für die Reali-
im oberen Hubraumbereich bzw. bis zu 3600 min1 im un- sierung eines Motorisierungsprojekts sein, so dass auch Mo-
teren Hubraumbereich bewährt. toren bis zu einem s/D- Verhältnis von ≥ 0,6 angeboten wer-
den. Stark im Kommen sind aus Gründen der Bauhöhe sog.
Verbrennungsverfahren Vertikalwellen -Motoren, z. B. für den Einbau in Rasenmä-
hern (s. Bild 18-1).
Grundbedingung für Einzylinder-Dieselmotoren ist nach
wie vor Handstartfähigkeit bei mindestens –6 °C (–12 °C) Kühlverfahren. Nahezu ausschließlich wird die direkte Luft-
ohne elektrische Hilfseinrichtungen wie Glühkerze oder kühlung angewendet, s. Abschn. 9.1.4, mit einem in das
Glühwendel. Da ein Wirbelkammer-Motor unter 0 °C nicht Schwungrad integrierten Radial-Sauggebläse. Bei diesem
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platzsparenden und kostengünstigen Prinzip wird die Kühl- Konzepte für vollständig gekapselte Motoren zu entwi-
luft mittels Leitbleche gezielt an die temperaturkritischen ckeln. Für Motoren der sog. B-Baureihe, Fa. Hatz, ist dafür
Bauteile wie Zylinderkopf und Zylinderrohr geführt. Je grö- eine Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl und externem
ßer die zur Kühlung herangezogene Motoroberfläche ist, Wärmetauscher in der Erprobung (Bild 18-2). Erkennbar
umso größer ist die Reserve für den Einsatz in Ländern mit sind der geänderte Zylinderkopf, die Ölführung an der
hohen Umgebungstemperaturen. Eine Wasserkühlung, wie Steuerseite sowie der größere Ölvorrat. Der vergrößerte
bei kleinen Mehrzylindermotoren, ist zu aufwendig und und mit Öl gefüllte Spalt zwischen den slip-fit-Laufbuch-
kommt daher nicht in Betracht. sen dient zu deren Kühlung bzw. als Wärmebrücke zum
Die ständig verschärften Vorschriften für die Geräusch- Gehäuse.
emission von Geräten, Apparaten etc. zielen auch auf den
Antrieb, den Verbrennungsmotor, so dass oftmals nur die Motorbefestigung. Sofern möglich, sollte der Motor elas-
vollständige Kapselung des Motors Abhilfe schafft, s. tisch gelagert werden. Hierfür bietet die Zulieferindustrie
Abschn. 16.5. Die dabei auftretenden thermischen Pro- umfangreiche Möglichkeiten: Hydrounterstützte Elemente auf
bleme beim Motor und die notwendige Dämpfung der der Basis Gummi/Polymere haben sich hier sehr gut be-
Kühlluftgeräusche, zwingen die Motorenhersteller neue währt, auch dann, wenn beim Hochlauf des Motors bzw. Aus-

Bild 18-2
Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl
und externem Wärmetauscher der
sog. B-Baureihe, Fa. Hatz (in Erpro-
bung)
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lauf beim Motorstop Resonanzdrehzahlen durchfahren Abtriebsmöglichkeiten wie es z. B. der 1D81 Motor mit 4 Aus-
werden. gängen (PTO’s) darbietet (s. Bild 18-3).
Beim Riemenantrieb von Arbeitsmaschinen gibt es die Neben Links- (Standard) oder Rechtslauf bestehen fol-
Möglichkeit, diese zunächst zusammen mit dem Motor auf gende Optionen für die Drehmomentabnahme:
einen Zwischenrahmen starr aufzubauen und diesen Rah- – 100% an der Schwungradseite axial über Kupplungsflansch
men über Dämpfungselemente zum Fundament zu entkop- oder radial über Riemenscheibe (1),
peln. Ein starrer Aufbau des Motors ist in Verbindung mit – 100% steuerseitig an der Kurbelwelle radial und axial (2),
sehr steifen und massebehafteten Rahmen und Fundamen- – 100% zusätzlich bei Handkurbelstart auch auf der
ten möglich. Steuerseite, an der Nockenwelle durch Keilriemenschei-
benanbau (3),
Abtriebsmöglichkeiten. Universeller Motoreinsatz erfordert – begrenzte Momentabnahme an der Nockenwelle zum
den Abtrieb sowohl auf der Schwungradseite als auch auf der Antrieb kleiner Hydraulikpumpen (4).
gegenüberliegenden Steuerseite, womit sich der Drehsinn um-
kehrt. Die heute verstärkt eingesetzte Reversierstarteinrich- Starteinrichtungen, Startmöglichkeiten
tung blockiert jedoch die Abtriebsmöglichkeit auf der
Schwungradseite. Verzichtet man auf die simple Handstartein- Handkurbelstart. Dieser erfordert in jedem Fall ein höheres
richtung und wählt den komfortableren, aber auch anfälligeren Massenträgheitsmoment, als dies beim Elektro-Start erfor-
Elektro-Start, ergeben sich je nach Motorkonzeption weitere derlich ist. Höheres Massenträgheitsmoment heißt jedoch

Bild 18-3
Abtriebsmöglichkeit an einem luftge-
kühlten Einzylinder-Dieselmotor
(HATZ SUPRA 1D81). Vh=0,667 dm3
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beträchtlich höheres Motorgewicht aufgrund des notwendi- bei vollem Kraftaufwand über eine Zeitdauer von 3,5 s gera-
gerweise schwereren Schwungrades. Mögliche Korrosion an de noch vertretbar.
elektrischen Bauteilen sowie Beschädigung der Batterien Der Trend, die leistungsbezogene Motormasse durch
durch starkes Rütteln, sprechen gegen den Elektrostart im leichtere Schwungräder zu senken, geht zu Lasten von Start-
rauen Baumaschineneinsatz. sicherheit und Kaltstartverhalten. Hierzu stellt das Dia-
Das Baumaschinen-Verleihgeschäft ist durch Wartungs- gramm in Bild 18-4 die Zusammenhänge für einen sicheren
verfall, unsachgemäße Bedienung usw. gekennzeichnet: „ein- Kaltstart bei –6 °C dar.
fach“, „robust“ und „in der Funktion überschaubar“ lautet
hier die Forderung. Das spricht für den Handkurbelstart bei Reversierstart. Der bei Einbau-Benzinmotoren fast aus-
größeren Einzylinder-Dieselmotoren ab Vh > 0,5 dm3, bei nahmslos eingesetzte Reversierstarter wird zunehmend auch
dem über mehrere, vorwählbare, dekomprimierte Arbeits- bei Klein-Dieselmotoren angewendet, zumal kaum Verlet-
spiele das Schwungrad soweit auf Drehzahl gebracht wird, zungsgefahr besteht. Die über einen Seilzug von 0,7 bis 1 m
dass dessen Energie für einen oder mehrere OT-Durchläufe Auslenkung von Hand eingebrachte Energie muss das
bei voller Verdichtung Selbstzündung und Hochlauf des Schwungrad innerhalb eines Arbeitsspieles, also zwei Um-
Motors erreichen lässt. Gegen das gefährliche Rückschlagen drehungen, auf die Startdrehzahl bringen. Dekompression
(-drehen) bei unzureichendem Schwungmoment und vor durch Anheben des Auslassventils um ca. 0,1 bis 0,2 mm
OT einsetzender Zündung schreibt der deutsche Gesetzge- über ein einfaches, nach einem Arbeitsspiel zurücksprin-
ber Schutzmaßnahmen vor, indem z. B. eine in die Hand- gendes Hebelwerk oder eine automatische, fliehkraftgesteu-
kurbel verlegte Ausklinkmechanik den Kraftschluss zum erte Dekompressionseinrichtung erleichtern den Startvor-
Rückschlagmoment nach wenigen Winkelgraden aufhebt. gang. Dem Diagramm in Bild 18-4 ist auch das Trägheitsmo-
Der Handkurbelstart ist bei richtiger Wahl des Schwung- ment des Schwungrades für flimmerfreien Generatorbetrieb
rades und der Übersetzung von Handkurbel- zur Kurbel- mit 3000 min1 zu entnehmen, womit allerdings schon ab
wellendrehzahl bis 0,8 l Hubraum möglich. Ergonomisch ist 300 cm3 Hubraum ein Kaltstart mittels Reversierstart proble-
eine Handkurbeldrehzahl von 2,5 Umdrehungen pro Sekun- matisch ist. Der in diesem Fall günstigere Handkurbelstart
de mit einem maximalen Handkurbelradius von 200 mm lässt höhere Übersetzungen zu, die bei IDI-Motoren mit

Hubvolumen Vh in cm3

Bild 18-4 Erforderliches Trägheitsmoment des Schwungrades in Abhängigkeit vom Hubvolumen für Einzylinder-Dieselmotoren an der Kaltstartgrenze bei –6 °C
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Vh< 0,4 l zwischen 4:1 und 5:1 betragen. Außerdem erfor- 10fachen Hubvolumen wegen des Bauraums nicht möglich,
dern Nebenkammermotoren (IDI) unter –6 °C elektrische andererseits ist unter einem 3fachen Hubvolumen keine
Vorglüheinrichtungen. wirksame Dämpfung ohne Leistungsverluste bis zu 10% er-
Elektrostart. Abgesehen vom rauen Bausektor wird der reichbar. Der mittlere Gegendruck am Schalldämpfereintritt
Start mit elektrischem Startermotor über Ritzel und Zahn- (= Auslasskanalaustritt) soll dabei < 25 mbar (250 mm WS)
kranz am Schwungrad zunehmend eingesetzt, z. B. bei Kli- bei Nenndrehzahl betragen. Abgasleitungen sind abgesehen
maanlagen, Lift- und Hubgeräten, bei denen von vornherein von der Dichtheit je nach Motorbefestigung starr oder mit
eine Fernbedienung oder Regelelektronik vorgesehen ist. flexiblen Kompensatoren zur schwingungstechnischen Ent-
Wegen der langen Auspendelzeiten (bis 2,5 s) von Einzylin- koppelung anzubringen. Bei Motoreinbau sind innerhalb
der-Dieselmotoren ist ein Verzahnungsmodul > 2,5 mm zu geschlossener Räume möglichst kurze, wärmeisolierte Ab-
wählen, um Zahnausbrüche bei versehentlichem Nachstarten gasleitungen zu verwenden.
zu vermeiden. Grundsätzlich ist daher ein elektronisches
Startsperr-Relais zu empfehlen, das bei fernbedienten Motoren Motorraumbelüftung. Beim Motoreinbau in enge, geschlos-
unverzichtbar ist. Abschließend sei vermerkt, dass beim sene Räume (Kapseln) ist die Kühlluft möglichst ohne Tem-
Handstart in den Ansaugtrakt zu sprühende „Zündhilfen“ peraturanstieg (< 3 K) dem Gebläseradeintritt zuzuführen.
ebenso wie der einfache Handseilstart in Deutschland und Um den Wärmehaushalt des Motors bzw. des Einbauraumes
künftig in Europa wegen der Unfallgefahren verboten sind. zu entlasten, ist die erwärmte Abluft möglichst ohne Lässig-
keiten über Bälge, Schläuche oder Schächte auf dem kürzes-
Ansaug- und Abgasanlage ten Wege nach außen zu führen. Bei außerhalb des Einbau-
raumes angeordnetem Schalldämpfer und kurzer, isolierter
Luftfilter. Die bei Kleindieselmotoren früher verwendeten Abgasleitung genügt i. d. R. die Teilabsaugung aus dem Ein-
Ölbadluftfilter haben zwar schlechtere Abscheidegrade, sind bauraum mit dem Schwungradgebläse. Befindet sich der
jedoch einfach zu warten, da sie mit dem auf Baustellen ver- Schalldämpfer im Motorraum, muss dieser abgeschottet in
fügbaren Motoröl auskommen. Der hinsichtlich Abscheide- einem Abluftschacht platziert werden, ebenso die weiterfüh-
grad deutlich bessere Trockenluftfilter, s. Abschn. 13.1, be- renden Abgasrohre. Eine Fremdbelüftung ist nur dann not-
darf neben der Bevorratung von Filterpatronen einer War- wendig, wenn keine dichte Abluftführung vorliegt.
tung, indem die Filterbelegung kontrolliert wird. Die dazu
übliche Unterdruckanzeige am Filtersystem ist bei Einzylin- Kraftstoffversorgung
dermotoren wegen der starken Ansaugpulsationen proble-
matisch. Eine verstopfte Filterpatrone kann jedoch schon Standard ist ein am Motor angebauter Kraftstofftank mit Fil-
nach kurzer Zeit schwere Schäden im Zylinderkopfbereich ter, Kraftstoffleitung zur Einspritzpumpe sowie Rücklauf von
durch Überhitzen aufgrund Verbrennungsluftmangels initi- dieser bzw. Leckölrückführung vom Düsenhalter in den
ieren. Da bei Einsatz im Bausektor erhöhte Staubbelastungen Tank. Sicherer Motorbetrieb verlangt ein Mindestgefälle vom
auftreten, sollte das Motorgrundkonzept beide Filterarten Tank zur Einspritzpumpe von ≥ 50 mm, wobei ein möglicher
vorsehen und bei extremer Staubbelastung den Anbau eines Schräglagenbetrieb zu beachten ist. Ebenso sind horizontale
Vorabscheiders (Zyklons) ermöglichen. Bei unsicherer Er- oder wenig geneigte Leitungsführungen von < 10 ° zu ver-
satzteilversorgung, z. B. in sog. „Drittländern“, ist dem Öl- meiden. Dies gilt besonders für den Vorlauf vom Tank zur
badluftfilter der Vorrang zu geben. Einspritzpumpe. Für einen sicheren Abtransport der Gas-
bzw. Luftbläschen im Kraftstoff nach dem Abstellen des Mo-
Ansaugtrakt. Vom Luftfiltereintritt der Rohluft bis zum tors, vor allem im Bereich der Einspritzpumpe, ist zu sorgen.
­ otoreintritt der Ansaugluft ist eine dichte Anbindung, z. B.
M Bei Versorgung aus einem tiefer liegenden Kraftstofftank
über elastische Schläuche, vorzusehen. Bei Motoreinbauten sollte ein unmittelbar vor der Membranförderpumpe einge-
in halben oder ganz geschlossenen Räumen sollte die Luft von bautes Rücklaufsperrventil verhindern, dass sich das Kraft-
außen ohne Druckverluste und Temperaturerhöhung zuge- stoffsystem bei Motorstillstand entleert, was langwierige
führt werden (Richtwerte: ≤ 10 mbar (100 mm WS) Unter- Entlüftungsprozeduren beim Neustart erfordern würde.
druck bzw. 5 K Temperaturerhöhung gegenüber der Außen-
luft, gemessen am Einlasskanaleintritt bei Nenndrehzahl). Lichtmaschine

Abgasanlage. Das Schalldämpfervolumen soll möglichst Die Lichtmaschine wird am Einzylinder-Dieselmotor meist
groß gewählt werden. Einerseits ist ein hinsichtlich Leis­ platzsparend als sog. Schwungradlichtmaschine ausgebildet:
tungsverlust bzw. Mündungsgeräusch ideales Volumen vom Am Schwungrad in einem Ring angeordnete Magnetseg-
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mente laufen mit einem Spalt von etwa 0,4 mm an sternför- eingesetzt. Technisch optimale, kostengünstige Lösungen
mig am Kurbelgehäuse befestigten Spulenkörpern vorbei. bieten in Al-Druckguss hergestellte Gehäusekonstruktionen
Der Spannungsregler ist leicht zugänglich am Motor befes- mit integrierter, hochgezogener Aufnahme für die Laufbuch-
tigt und liefert drehzahlabhängig einen gleichgerichteten se, die einseitig offen und somit leicht entformbar sind (s.
Ladestrom von 15 A bei 12 V und 8 A bei 24 V und damit Bild 18-6 und Bild 18-7). Der Steuerdeckel als abschließen-
eine Ladeleistung von ≈ 200 W. Bei einem anderen Konzept des Bauteil nimmt ein Hauptlager auf. Verfolgt man den Kraft-
wirken am Schwungrad angebrachte Permanentmagnete linienverlauf erkennt man, dass dieses Konstruktionsprinzip
über einen axialen Luftspalt mit einem am Kurbelgehäuse jedoch Grenzen aufweist. Bei Hubvolumen größer als 0,6 dm3
fixierten Spulenträger zusammen. Nur dieser wird bei De- ergeben sich Zünddrücke, die nicht mehr beherrscht werden
fekten ausgewechselt, was den Ausbau des Motors bzw. können. Hier bietet sich für größere Einzylinder-Dieselmo-
Schwungrades erspart. Durch zusätzliche Spulen kann die toren eine druckgussfähige, einteilige und nach unten offene
Lichtmaschinenleistung einfach gesteigert werden. Konstruktion an, bei der wie bei Mehrzylindermotoren eine
angeschraubte Ölwanne das Gehäuse verschließt.
18.1.3 Konstruktiver Aufbau der Einzylinder-
Kleindieselmotoren Nockenwelle, Regler. Bei der Positionierung der Nocken-
welle verfährt man unterschiedlich: Sie kann entweder wie
18.1.3.1 Kurbelgehäuse bei einem Reihenmotor seitlich parallel zur Kurbelwelle an-
geordnet werden (Bild 18-7) oder mittig über der Kurbel-
Graugussgehäuse bieten zwar Vorteile hinsichtlich der Ge- welle, wahlweise steuer- oder schwungradseitig (Bild 18-6).
räuschemission, sind aber aus Gewichtsgründen und ebenso Bei für die Regelung der Einspritzpumpe verwendeten
wie die zwar leichten, im Sandguss- oder Kokillenverfahren P-Regler wird das Übertragungsglied meist von der No-
gegossenen Al-Gehäuse wegen der teuren Bearbeitung nicht ckenwelle oder dem Ölpumpenrad angetrieben. Dabei sind
mehr aktuell (Bild 18-5). Übersetzungen ins Schnelle regeltechnisch vorteilhaft und
Aus Kostengründen werden vorrangig druckgussfähige reduzieren den Raumbedarf für den Regler. Hier hat jeder
Kurbelgehäuse oder Gestellkonstruktionen aus Leichtmetall Motorenhersteller eigene, je nach Einsatz mehr oder weni-

Bild 18-5
Luftgekühlter Einzylinder-Dieselmo-
tor älterer Bauart mit Graugussgehäu-
se. s/D=82/82 (DEUTZ F1L 208)
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Bild 18-6
Luftgekühlter Einzylinder-Kleindiesel-
motor mit Leichtmetalldruckguss-
Topfgehäuse und direkter Einsprit-
zung (HATZ 1B20). Vh=0,23 dm3;
s/D=62/69
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 627

Bild 18-7
Luftgekühlter Einzylinder-Kleindiesel-
motor mit Leichtmetalldruckguss-
Topfgehäuse und direkter Einsprit-
zung (LOMBARDINI 15LD315).
Vh=0,315 dm3; s/D=66/78
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ger flexible Systeme. Zum Standard gehören: Alldrehzahlre- Schwungrad. Das Schwungrad besteht vorwiegend aus
gelung, ± Angleichung zur Steuerung des Drehmoments, Grauguss mit eingegossener Beschaufelung. Man findet auch
frei wählbarer Proportionalitätsgrad von 3 bis 10% (bei am Schwungrad angeschraubte Gebläseringe aus Kunststoff.
Strom­erzeuger 3 bis 5%). Nockenwelle mit Einspritznocken Bei kleinen Motoren sind tiefgezogene, aus mehreren Blech-
und Ventiltrieb werden zusammen mit Einspritzpumpe, lagen bestehende und damit schalltote Schwungräder im
Drehzahlregler und Antrieb der Ölpumpe meist in den of- Trend s. Bild 18‑6.
fenen Raum zwischen Steuerdeckel und Kurbelwange un-
tergebracht (s. Bild 18‑7). Lediglich die Ausgleichswelle für Massenausgleich. Für den Massenausgleich sind ange-
den 100%igen Massenausgleich 1. Ordnung unter Inkauf- schraubte Gegengewichte üblich, die zusätzlich zum rotie-
nahme eines freien Massenmomentes befindet sich auf der renden Masseanteil 35 bis 70% der oszillierenden Massen um-
Schwungradseite. fassen, s. Abschn. 8.1 und 8.3. Unter 0,5 l Hubraum genügt
meist der 50%-Massenausgleich (Normalausgleich) ers­ter
Triebwerk Ordnung. Der 100%-Massenausgleich der Massenkräfte
1. Ordnung ist häufig mit einem zusätzlichen, freien Moment
Kurbelwelle. Die geschmiedete Kurbelwelle wird vergütet verknüpft, s. Abschn. 8.3. Einen im Vergleich dazu idealen
und im Bereich der Hauptlagerzapfen und des Hubzapfens 100%-Massenausgleich 1. Ordnung erreicht der im Bild 18‑3
gehärtet. Gleitlager stehen nach wie vor für lange Lebens- dargestellte Motor (HATZ SUPRA-Baureihe 1D30/40/60/80)
dauer, Wälzlager für geringe Reibung. Auch werden in jüngs- Bild 18‑8 lässt das Prinzip erkennen: Eine einzelne, kleine Ge-
ter Zeit zur Reduzierung der Reibung, vor allem der genmasse an der schwungradseitigen Kurbelwange ermög­licht
Kaltreibung, PTFE- beschichtete Gleitlager eingesetzt. Ril- eine kleine Motorbauhöhe und gleichzeitig einen steuerseitigen
lenkugellager erreichen heute rechnerische Lebensdauerer- Freiraum, um in fast idealer Position ein zur Dreh­richtung
wartungen von 4000 bis 5000 Betriebsstunden, was für Stan- ­gegenläufiges Ausgleichs­wellensystem zu betrei­ben,  s. Abschn.
dardanwendungen von Einzylinder-Dieselmotoren aus­ 8.3.6. Alle übrigen Gegenmassen werden im Schwungrad an­
reicht. Oft sind Kombinationen von Wälz- und Gleitlagern geordnet, ohne im Gehäuseinnenraum zu stören.
bei Anordnung des Wälzlagers auf der Schwungradseite zu
finden. Sphäroguss-Kurbelwellen sind bei kleinen Einzylin- Laufbuchse, Zylinderkopf, Ventiltrieb
der-Motoren denkbar, doch steht die praktische Bewährung
im harten Baumaschineneinsatz noch aus. Gebaute Kurbel- Zylinder. Verrippte und aufs Kurbelgehäuse aufgesetzte
wellen sind selbst im Kleinst-Dieselmotorenbau nicht ver- Graugusskompaktzylinder mit durchlaufender Zuganker-
lässlich genug und bleiben Ottomotoren vorbehalten.

Pleuelstange. Das Standardpleuel ist aus Stahl geschmiedet,


im großen Pleuelauge geteilt und im Bolzenauge mit einer
Bronzebuchse versehen. Geschmiedete Aluminiumpleuel
können bei Kurzhubmotoren unter 0,3 l Hubvolumen bei
entsprechender Formgestaltung eingesetzt werden. ­Zukünftig
ist mit Pleuelstangen aus Sintermaterial zu rechnen. Auch
GGG 60 kann als Pleuelmaterial eingesetzt werden, mit dem
Vorteil büchsenlos im kleinen Bolzauge fahren zu können.

Kolben. Wegen möglichst geringer oszillierender Massen


werden ausschließlich Vollschaftkolben aus Al‑Legierungen,
s. Abschn. 8.6, verwendet. Regelkolben sind die Ausnahme
und nur bei großen Einzylinder-Motoren sinnvoll.
Die Standardbestückung besteht aus drei Ringen:
– einem meist verchromten Verdichtungsring als Rechteck-
oder Trapezring, ballig gehont und mit Minuteneffekt,
– einem weiteren Verdichtungsring mit Minuteneffekt als Bild 18-8  Anordnung von Ausgleichsmassen und -wellen für einen voll­
Nasenring bzw. Ring mit Innenfase und ständigen Ausgleich der Massenkräfte 1. Ordnung (HATZ-SUPRA-Baureihe,  
– einem Ölabstreifring als Gleichfasen- oder Dachfasenring s. Bild 18‑3)
ohne oder mit Federunterstützung (Schlauchfederring).
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 629

Bild 18-10 Darstellung des patentierten Single-Cam System SCS (HATZ)

sante Lösung bietet das für den Druckguss geeignete Kern-


teilungs- und Auszugsverfahren, das bei den Zylinderköpfen
der Baureihe B der Firma Hatz verwendet wird (Bild 18-6).
Die Ventile werden ausschließlich durch Kipphebel und
Stoßstangen betätigt, wobei entweder die Ventilstößel oder
der zwischengeschaltete Schlepphebel den direkten Kontakt
mit dem Nocken haben. Als Kipphebel werden geschmiede-
te oder tiefgezogene Blechhebel verwendet. Interessant ist
ein rein mechanischer Ventilspielausgleich, Patent Hatz (s.
Bild 18-9), der zusammen mit aus Blech gefertigten Kipphe-
beln erfolgreich in den Motoren der B-Baureihe dieser
Bild 18-9 Mechanischer Ventilspielausgleich – automatisch nachsprin-
Firma eingesetzt wird. Bei diesen Motoren werden zudem
gendes Exzenterrastenwerk
Platz sparend das Einlass-, Auslassventil und der Einspritz-
pumpenantrieb nur über eine Nockenprofilbahn betätigt
(pat. Single-Cam System SCS; Bild 18-10).
konstruktion werden wegen ihrer guten Formstabilität ein-
gesetzt. Weit verbreitet sind auch aufgesetzte Aluminium- Einspritzsystem. Es überwiegt das PLD (Pumpe-Leitung-
Rippenzylinder mit eingegossener Graugussbuchse. Düse)-System, wobei für die direkte Einspritzung (DI) kurze
Bis zur Zylinderkopfauflage hochgezogene Kurbelgehäuse Einspritzleitungen für kleinste Totraumvolumina im Hoch-
mit integrierter, eingegossener Graugusslaufbuchse sind bei drucksystem sowie größtmögliche dynamische Steifheit des
Motoren mit Vh < 0,4 l ebenfalls Stand der Technik und Antriebes gefordert werden. Diese Forderungen erfüllt im
werden aus Kostengründen bevorzugt (s. Bild 18-7). Die besonderen Maße eine über Rollenstößel oder obenliegen-
Firma Hatz verwendet in der B-Motorenreihe eine auf de Nockenwellen angetriebene Pumpe-Düse-Einheit (Unit-
einem Ölpolster schwimmende Schlendergussbüchse, mit Pump-System UPS) und gilt daher auch hinsichtlich Einbau-
dem Vorteil der Auswechselbarkeit im Servicefall raum als eine denkbare Alternative für künftige Einzylinder-
(s. Bild 18-6). Die Zylinderköpfe luftgekühlter Einzylinder- Kleindieselmotoren.
Dieselmotoren sind vorwiegend aus Aluminium-Gusslegie- Für PLD-Systeme sind Stangendüsenhalter und P-Düsen
rungen mit im Croning-Kernverfahren eingebrachten Spi- mit 4 mm Nadeldurchmesser, also kleiner bewegter Masse, der
ral-Drall-Kanälen zur Luftdrallerzeugung für die Gemisch- Standard. Zweifeder-Düsenhalter ermöglichen eine Vorein-
bildung bei direkter Einspritzung (DI). Eine sehr interes- spritzung zur Minderung des Verbrennungsgeräusches bei
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Schwachlast mit dem Nachteil hoher Rauchwerte im Volllast- bei 1800 min–1 betrieben werden. Die Zertifizierung erfolgt
bereich. Eine Multijet-Einspritzung wäre auch für die Klein- gemäß ISO 8178 im D2‑Zyklus, s. Abschn. 15.2.
dieselmotoren wünschenswert, scheidet hier jedoch wegen zu Der Anwendungsbereich der mobilen Arbeitsmaschinen
hoher Kosten aus. Als sehr geeignet haben sich RSN-Düsen umfasst sowohl den großen Bereich der Baumaschinen, wie
erwiesen, die bei größerem Nadelhub eine variable Vordros- Bagger, Radlader und Planierraupen sowie auch ­Gabelstapler,
sel-Steuerung erreichen und somit sowohl das Verbrennungs- Schienenfahrzeuge und Flugfeldschlepper. Je nach An­wen­
geräusch als auch die NOx- und CO- Emis­sion reduzieren. Da dung werden Motoren in mobilen Arbeitsmaschinen im
elektronische Komponenten für die Steuerung des Spritzbe- gesamten Kennfeld betrieben, wie auch bei einer festen
ginns ebenfalls aus Kostengründen ausscheiden bzw. für die Arbeitsdrehzahl, wenn die Leistungsanforderung von einer
Einzylinder-Kleindieselmotoren nicht verfügbar sind, ist man Hydraulikeinheit kommt. Die Arbeitsdrehzahl entspricht meis­
auf einfache, wenn auch nicht optimale hydraulische Maßnah- tens der Nenndrehzahl des Motors. Bahnmotoren werden
men am Pumpenelement und am Einspritzventil angewiesen. entweder wie Industriemotoren zertifiziert oder aber auch
entsprechend der Gesetzgebung für Nutzfahrzeugmotoren.
18.2 Einbau- und Industriemotoren Landtechnikmotoren entsprechen in ihrer Anwendung
ei­gent­lich den mobilen Arbeitsmaschinen, jedoch stellt die
18.2.1 Definition und Einteilung Land­technik bezüglich der Leistungsanfor­derungen und der
Einbauten eine Besonderheit dar, weswegen die Landtechnik­
Unter dem Begriff Einbau- und Industriemotoren kann man
mo­toren auch technologisch eine eigene Gruppe bilden.
fast alle Verbren­nungsmotoren verstehen, die für den Einsatz
Eine konstruktive Besonderheit von Landtechnikmotoren
außerhalb des Straßenverkehrs ab­ge­stimmt und zertifiziert
liegt häufig in der Übernahme einer versteifenden Funktion
wurden, auch als Non-Road-Anwendungen bezeichnet. Fahr-
des Fahrzeugs.
zeuge mit Industriemotoren dürfen zwar auch teilweise auf öf-
Entsprechend ihrer konstruktiven Basis lassen sich Indus-
fentlichen Straßen betrieben werden, wie z. B. Traktoren, Stra-
triemotoren in modifizierte Fahrzeugmotoren und gezielt für
ßenreinigungsmaschinen oder Radlader, jedoch spielt der An-
die Industrieanwendung entwickelte Motoren einteilen. Zu den
teil des Straßen­verkehrs für diese Anwendungen nur eine unter-
modifizierten Fahrzeugmotoren gehören sowohl abge­lei­tete
geordnete Bedeutung. Die Zertifizierung erfolgt in einem von
Pkw-Motoren für Leistungen bis ca. 100 kW als auch Nfz‑Mo-
der Anwendung abhängigen Stufenzyklus gemäß ISO  8178
toren für Motor­leistungen bis ca. 500 kW. Generell decken
(s. Abschn. 15.2). Charakteristisch für Einbau- und Indus­trie­
Industriemotoren einen Leistungs­bereich von 2 bis ca. 500 kW
motoren ist die Vielzahl der Applika­tionen mit oft nur geringen
ab. Anwendungen oberhalb 1000 kW werden durch mittel-
Stückzahlen. Daraus resultiert die Anforderung an den Herstel-
schnelllaufende und langsamlaufende Mittel- und Großmoto­
ler, die Motoren in einer Modul­bauweise herzustellen, um den
ren bedient (s. Abschn. 18.3 und 18.4). Im Leistungsbereich
Gegebenheiten des jeweiligen Einbaus gerecht zu werden. Für
zwischen 500 und 1000 kW gibt es nur sehr wenige Motoren.
die Anbauteile ist ein Baukas­tensystem erforderlich, mit dem
Wie bei Pkw- und Nfz-Motoren, setzen sich auch bei
eine möglichst hohe Anzahl von möglichen Anwendungen ab-
Industriemotoren elektro­nisch geregelte Einspritzsysteme
gedeckt wird, ohne die Variantenvielfalt in unwirtschaftliche
durch; dies gilt vor allem für Motorleistungen oberhalb
Größenordnungen wachsen zu lassen. Bei den Anwendungen
75 kW. Mit der 2006 in Kraft getretenen Abgasgesetzgebung
lässt sich eine grobe Einteilung in drei Gruppen vornehmen:
der Stufe 3 für Industriemotoren sind die Anforderungen in
– Stationärmotoren,
diesem Leistungsbereich nicht mehr mit vertretbarem Auf-
– Mobile Arbeitsmaschinen,
wand mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen zu
– Landtechnik.
erreichen. Im Wettbewerb der Einspritzsysteme stehen hier
Stationärmotoren dienen im Wesentlichen der Stromerzeu- Steckpumpen, Pumpe-Düse und in zunehmendem Maß
gung (Gensets), werden aber auch für andere Aggregate wie auch Common Rail. Die Elektronik erlaubt darü­ber hinaus
z. B. Kühlsysteme, Pumpen und Kompressoren verwendet. Je auch die Übernahme von Kundenfunktionen und eine intel-
nach Anwendung befinden sie sich im Dauereinsatz mit zum ligente Verknüpfung von Motorelektronik und Fahrzeug-
Teil hohen Anteilen im Schwachlastbetrieb oder im stark bzw. Maschinenelektronik, s. Kap. 5 bzw. 6.
inter­mittierenden Einsatz, dann aber mit hoher Auslastung, Für Motoren kleiner 75 kW sind viele Motoren auch auf-
wie z. B. bei Notstromaggregaten. Stationär­motoren werden grund der weniger scharfen Emissionsanforderungen mit
mit wechselnder Last, aber mit konstanter Drehzahl betrie- mechanisch geregelten Einspritzsystemen ausgerüstet. Da in
ben. Dies gilt insbesondere für Stromaggregate, die zur Ge- diesem Marktsegment der Anschaffungspreis des Motors
währleistung einer konstan­ten Wechselstromfrequenz von gegenüber den Betriebskosten eine dominierende Rolle spielt,
50 Hz in Europa bei 1500 min–1 bzw. für 60 Hz in den USA verzichtet man hier auf die Vorteile der Motorelektronik.
18.2  Einbau- und Industriemotoren    631

Ursprünglich wurden Industriemotoren nur als luftge- gen Stückzahlen einhergeht. Dennoch gibt es zahlreiche nam-
kühlte Motoren gebaut (s. Abschn. 9.1.4). Der Verzicht auf hafte Fahrzeughersteller, die auch Industriemotoren anbieten.
ein zusätzliches Kühlmedium bedeutet für die Handhabung Einen Einblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf das
und Wartung einen unbestreitbaren Vorteil hinsichtlich der weltweite Angebot von Industriemotoren gibt Bild 18-11.
Robust­heit besonders für die teilweise sehr harten Einsatzbe- Die Verwendung von modifizierten Fahrzeugmotoren im
dingungen, z. B. bei extremen klimatischen Bedingungen. Industriemotorenbe­reich bietet insbesondere die sich aus
Die schrittweise Verschärfung der Emissions­grenz­werte einer Großserienfertigung ergebenden Vor­teile. Allerdings
bewirkte eine teilweise Verdrängung der Luftkühlung durch geht dies häufig mit einer geringen Flexibilität bezüglich
die Wasser­kühlung, da letztere aufgrund der niedrigeren einbau­bedingter Abweichungen einher. Gerade in der Flexi-
Bauteiltemperaturen einen Vorteil bei den Stickoxid­ bilität liegt jedoch die Stärke der auf die Produktion von
emissionen, aber auch bei der Leistungsdichte besitzt. Da es Industriemotoren spezialisierten Hersteller.
den Entwicklern in den vergangenen Jahren immer gelungen Bei den Herstellern von Industriemotoren ist zwischen
ist, alle Grenzwertstufen entgegen der ursprünglichen Erwar- den sog. Captive und Non-Captive-Herstellern zu unter-
tung auch mit luftgekühlten Motoren zu er­füllen, ist auch in scheiden. Für die „Captive“ Hersteller (captive = gefangen)
naher Zukunft von einem Fortbestand des Marktes für luft­ besteht das Kerngeschäft in der Produktion von Industrie­ma­
gekühlte Motoren auszugehen. Es sei an dieser Stelle noch schi­nen oder -fahr­zeugen. Die für diese Maschinen erfor-
darauf hingewiesen, dass der Hersteller Deutz mit einem derliche Motorenpalette decken sie aus einer eigenen
Konzept ölgekühlter Motoren sehr erfolgreich im Markt ver­ Motorenproduktion ab. Für diesen Markt typische Herstel-
treten ist (s. Abschn. 9.1.3). Das Grundkonzept kommt der ler sind z. B. Caterpillar, JohnDeere und Yanmar. Dieses
Konstruktion wassergekühlter Motoren sehr nahe, vermeidet Marktsegment wird als „captive“ bezeichnet, weil es für
aber das zusätzliche Kühlmedium Wasser. Da jedoch die andere Motorenhersteller nicht erreichbar ist. Die genann-
Öltem­peraturen gemeinhin oberhalb der Kühlmitteltempe- ten Hersteller bieten ihre Motoren aber auch auf dem „non-
ratur wassergekühlter Motoren liegt, wird auch der ölgekühl- captive“ Markt an und stehen damit im Wettbewerb mit
te Motor mit etwas höheren Bauteiltemperaturen betrieben, reinen Motorenherstellern wie Cummins oder Deutz.
s. Abschn. 9.1.3. Aufgrund der auch durch die Abgasgesetzgebung getrie-
benen zunehmenden Kom­plexität zeichnet sich in den ver-
18.2.2 Angebot und Auswahl gangenen Jahren bei den Herstellern von In­dus­trie­motoren
ein Konzentrationsprozess ab, wie man ihn auch in der Auto-
Trotz des in den vergangenen Jahren in der weltweiten Auto- mobilindustrie beobachten kann. Besonders kleinere „Cap-
mobil- und Motorenindustrie stattfindenden Konzentra­tions­ tive“ Hersteller – deren Motorenproduktion bei 20000 bis
prozesses ist das weltweite Motorenangebot immer noch sehr 30000 Einheiten im Jahr liegt – gehen vermehrt dazu über,
groß, so dass es hier nicht ausführlich und vollständig behan- ihre Motoren auf dem „Non-Captive“ Markt einzukaufen.
delt werden kann. Tabelle 18‑1 vermittelt eine Vorstellung über
die weltweiten Einsatzfelder der Dieselmotoren. Die maßgeb- 18.2.3 Applikationen
lichen Anwendungen kommen aus den Bereichen Pkw, Nfz
und Landtechnik. Dies dokumentiert, dass die Vielzahl der An- Der Markt für Einbau- und Industriemotoren ist geprägt von
wendungen für Einbau- und Industriemotoren i. d. R. mit gerin­ einer Vielzahl von Applikationen, die sehr häufig mit geringen

Tabelle 18-1  Verwendung der hergestellten Dieselmotoren (100 Stück)

Land Japan Ost­asien Nord­amerika West­europa Ost­europa Summe weltweit


Personenkraftwagen 323 167 0 4.383 1.013 6.209
Nutzfahrzeuge 774 1.047 693 2.328 277 5.853
Landmaschinen 590 7.156 42 340 67 8.792
Baumaschinen 299 61 112 271 22 812
Industriemotoren 140 47 31 186 9 482
Stromaggregate 204 179 17 247 28 711
Schiffs- und Schiffshilfsmotoren 38 203 13 35 3 297
Summe 2.368 8.860 908 7.790 1.1419 23.156
632    18  Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-11  Das Leistungsangebot für Industriemotoren der wichtigsten in- und ausländischen Hersteller (Quelle: Marktanalyse der DEUTZ AG)

Stückzahlen bis hin zur Einzelfertigung verbunden sind. Die falt aufgrund der Einbaubedingungen besteht für Ölwannen,
Kunst des Motorenherstellers besteht darin, diese Applikations­ Ansaug- und Abgaskrümmer. Letztere müssen den verschie-
vielfalt abzudecken, ohne dabei in der eigenen Produktion in denen Anbaulagen für Abgasturbolader gerecht werden.
eine unüberschaubare und kommerziell nicht tragbare Varian- Eben­so variabel ist der Anbau von Lichtmaschinen, wenn sie
tenvielfalt zu geraten. Der Lösungsansatz besteht in einer Platt- für den Einbau überhaupt erforderlich sind.
formstrategie basierend auf einem Grundmotor und einem Die Applikationsvielfalt ist nicht nur ein Resultat der Einbau-
Baukastenkonzept für die Anbauten, wie dies beispielhaft in restriktionen, sondern auch durch Lastprofile, klimatische
Bild 18‑12 dargestellt ist [18-1]. Eine besondere Variantenviel- Einsatzbedingungen, Kraftstoff­quali­tä­ten, unterschiedliche
18.2 Einbau- und Industriemotoren 633

Bild 18-12
Modulkonzept eines Industriemotors
bestehend aus dem Basismotor und
verschiedenen Optionen für Anbau-
teile

Emissionsstandards, Anforderungen an den Kraftstoffver- einigen Regionen über 5000 ppm – eine Herausforderung
brauch und den erzielbaren Verkaufspreis des Motors bedingt. dar; dies sowohl hinsichtlich der Auswirkungen auf die Par-
Während in der EU und Nordamerika nur noch Motoren tikelemissionen wie auch auf Schäden durch Schwefelsäure-
verkauft werden, die die Anforderungen der Abgasgrenzwert- korrosion. In einigen EU-Ländern darf Heizöl für Industrie-
stufe 3 (s. Abschn. 15.2) erfüllen, gelten in großen Teilen motoren verwendet werden. Auch dies entspricht nicht dem
Afrikas und des Nahen- und Mittleren Ostens keinerlei Emis- EN590 Standard. Es sei noch erwähnt, dass zunehmend
sionsstandards. In diesen Regionen ist der Verkauf von Moto- Biokraftstoffe verwendet werden. Für diese unter dem
ren, die die Grenzwertstufe 3 erfüllen, aus kommerziellen Begriff FAME (Fatty acid methyl ester) zusammengefassten,
Gründen wie auch aufgrund der technologischen Komplexität auf Pflanzenölbasis veresterten Kraftstoffe erteilen die Her-
der Motoren nicht möglich. Auch aus klimatischen und logis- steller von Einspritzsystemen i. d. R. keine Freigabe, so dass
tischen Gründen werden hier luft- oder ölgekühlte Motoren das Freigaberisiko auf der Seite des Motorenherstellers liegt.
mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen bevorzugt. Bei dem in Deutschland gängigen Biodiesel handelt es sich
Ein weiterer schon bei der Entwicklung zu beachtender um Rapsölmethylester (RME), s. Abschn. 4.2.
Gesichtspunkt sind die weltweit sehr unterschiedlichen Da die Dauerhaltbarkeit eines Motors auch von seiner Bean-
Kraftstoffqualitäten. Dem für Westeuropa geltenden Kraft- spruchung abhängt, wird die Einstellung herstellerseitig in sog.
stoffstandard gemäß EN590 mit einer Cetanzahl von min- Leistungsgruppen vorgenommen, s. Tabelle 18-2. Dabei wird
destens 51 stehen in den USA Dieselkraftstoffe mit einer die Leistung des Motors reduziert, um eine thermische Über-
Cetanzahl von durchschnittlich 40 bis 42 gegenüber. Dies lastung durch einen dauerhaften Volllastbetrieb zu vermeiden.
führt erfahrungsgemäß zu einem Anstieg der Stickoxid- Die Komplexität eines Einbaus veranschaulicht Bild 18-13
emissionen um ca. 0,2 g/kWh. Da für die USA und Europa anhand des Kühlerpakets für einen Traktor. Der Einbau
die gleichen Grenzwerte für Industriemotoren gelten, muss wird der nach unten gezogenen Frontpartie des Traktors
dies bei der Abstimmung des Motors berücksichtigt werden. gerecht, deren Konstruktion der Verbesserung des Sichtfelds
Des Weiteren stellt der Schwefelgehalt des Kraftstoffs – in für den Fahrer dient. Da der Wirkungsgrad der Kühler ganz
634 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Tabelle 18-2 Beispiel für die Definition von Leistungsgruppen und den jeweiligen Zuordnungen der Anwendungen auszugsweise

Leistungs- Leistungs- Fahrzeugmotoren Einbaumotoren


gruppe reduktion
Baumaschine Land- und Forstmaschinen Pumpen und Verdichter
I 0% Baustellenfahrzeuge Radlader Mähdrescher Feuerlöschpumpen
Feuerlöschfahrzeuge Baggerlader Notpumpen
Muldenkipper Grader
Kranfahrzeuge Erdtransportgeräte
Straßenreinigungsmaschinen Straßenwalzen
Beton- und Mörtelmischer
II 5% Schneefräsen Hydraulikbagger Vierradschlepper Beregnungs- und
Schneeräumer Schwarzdeckenfertiger Forstschlepper Bewässerungsanlagen
Beton- und Straßenfräsen Baumschneider Hochdruckkompressoren
Feldhächsler bis 10 bar
Erntemaschinen
III 10% Grabenfräsen Hochdruckkompressoren
Bohrgeräte über 10 bar

Bild 18-13
Kühlerpaket eines Traktors mit sieben
Kühlmodulen
18.2  Einbau- und Industriemotoren    635

erheblich von der An­ord­nung und der Durchströmung Um die Möglichkeiten eines serienmäßigen Fahrzeugmo-
abhängt, muss vor der technischen Freigabe eine Ein­bau­ tors zur Anpassung an die Belange beim Einsatz als Indus­trie­
simulation durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass motor abschätzen zu können, sind diese mit den dabei auf-
das Küh­ler­paket die Auslegungsdaten des Motors erfüllt. tretenden Anforderungen in Übereinstimmung zu bringen.
Dies ist erforderlich, um einer­seits die Emissionsanforde- Für Industriemotoren spielen Lebensdauer und Wartungs­
rungen zu erfüllen und andererseits eine thermische Über­ intervalle eine ausschlaggebende Rolle. Zugunsten längerer
lastung des Motors zu vermeiden. Ölwartungsintervalle sind für diese Einsätze oft größere
Motorölvolumen erforderlich. In Abstimmung mit den
18.2.4 Modifizierte Fahrzeugmotoren Einbaugegeben­heiten werden spezielle Ölwannen mit bis
zu 20 Liter Ölvolumen gegenüber der Pkw-Version mit ca.
18.2.4.1 Allgemeine Bemerkungen 4 Liter verwendet. Hierbei sind nicht nur die Sonderkos­ten,
sondern auch die bestehenden Fertigungsein­rich­tungen
Neben den speziell ausschließlich als Industriemotoren ent- bzw. Fertigungsmöglich­keiten abzuwägen, ob eine derartige
wickelten Diesel­motoren gibt es Triebwerke, die als Modifi- Modifikation noch zielführend bzw. noch bezahlbar ist.
kation von Pkw- oder Nfz-Motoren in den allgemeinen in-
dustriellen Einsatz gelangen. Die unbestreitbaren Vorteile 18.2.4.2 Ausgeführte Motoren
der modifizierten Fahrzeugmotoren für diese Verwendung
sind insbesondere der Kosten­vorteil infolge der Synergien Ein Beispiel für einen modifizierten Fahrzeugmotor [18‑2]
mit der Großserienfertigung und der Leichtbau mit einem zeigt Bild 18‑14 am Beispiel des Herstellers Volkswagen.
günstigen Verhältnis von Leistung zu Motormasse. Der Motor basiert auf dem Pkw-Motor und unterscheidet
Gren­zen der Anwendung bestehen dann, wenn Wirt­ sich von diesem nur noch in seinem Datensatz, um ein
schaft­lichkeit oder technische Eigenschaften leiden, z. B. Höchstmaß an Synergie mit der Pkw-Großserienproduk-
durch zu hohe Beanspru­chung des Triebwerkes, das sich bei tion zu erreichen. Wirbel­kammermotoren werden als Saug-
Fahrzeugmotoren durch Leichtbau auszeich­net. Das motoren nur noch im Leistungsbereich bis 37 kW herge-
gewichtsoptimierte Trieb­werk sollte deshalb hinsichtlich der stellt, die aber ab der Grenzwertstufe 3A durch direktein­
Motorlage­rung auch wie beim Fahr­zeug­einbau behandelt sprit­zende Motoren ersetzt werden. Diese werden bis ca.
werden. Deshalb sollte aus Festigkeits­gründen das Motor­kur­ 80 kW mit 1,9 und 2,5 l Hubvolumen sowohl als Saugmo-
bel­gehäuse nicht zu systemtragenden Aufgaben herangezo­ toren wie auch als aufgeladene Motoren mit und ohne Lade-
gen werden, so wie dies häufig bei Land- und Baumaschinen­ luftkühlung hergestellt.
konstruk­tionen üblich ist. Der masse­optimierte Fahrzeug- Für die Anpassung dieser für den Fahrzeugeinsatz ent­
motor ist infolge seiner kleineren Massen bei den Geräusch- wickelten Basismotoren an die verschiedenartigen Anforde-
und Schwingungsdämpfungsmaßnahmen gegenüber einem rungen von Industrieapplikationen wurde ein Daten­satz­
schwe­re­ren Industrie­motor schon etwas aufwändiger zu konzept entwickelt, das aus einem Block von der jeweiligen
behandeln. Die Leistun­gen eines Fahrzeug­motors sind auf Applikation unabhängiger Motorgrundfunk­tionen und
fahrzeugspezifische Anforderungen abge­stimmt und sollten ei­nem Block Industriemotorenfunk­tionen besteht. Die In­­
zugunsten der Motorlebensdauer mit geringem Verschleiß dus­triemotorenfunktionen sind in sieben spezifischen
für Industriemotoren im Dauereinsatz entsprechend der Datensätzen im Motorsteuergerät gespeichert. Diese unter-
DIN/ISO 3046 deutlich nie­dri­ger gewählt werden, vgl. scheiden sich in der Art der Motorregelung:
Abschn. 18.2.3. Bei der Motorenauswahl sollte auch darauf – Momentensteuerung mit Vorgabe über das Fahrpedal,
geachtet wer­den, dass bei Forderungen nach einem hohen – Leistungssteuerung mit Vorgabe über das Fahrpedal,
Anfahr­dreh­moment nach Möglich­keit kein Pkw-Dieselmo- – Arbeitsdrehzahlregelung mit Vorgabe über das Fahrpedal
tor, sondern besser gleich ein Nfz-Triebwerk zur Basis in Form eines P-Reglers,
erklärt wird: Pkw-Motoren erreichen i. d. R. ihr maximales – Arbeitsdrehzahlregelung über eine 0 – 5 V-Schnittstelle in
Drehmoment erst im oberen Drehzahlbereich. Es besteht Form eines PI-Reglers mit oder ohne Sicherheitskonzept,
zwar die Möglichkeit, mit einer speziellen Abstimmung der – Automotives Fahren durch Umsetzung des Fahrerwunsches
Einspritzpumpe das maximale Drehmoment innerhalb über das Fahrpedal in eine Einspritzmenge,
bestimmter Grenzen in den unteren Drehzahlbereich zu ver­ – Stationärer Betrieb durch eine extern geschaltete Fest­dreh­
lagern. Doch jede Abweichung von einer Fahrzeug Se­­rien­ zahlregelung.
ausrüstung wird teuer und unrentabel, wenn zu viele zwar
wünschenswerte, aber nicht unbedingt notwendige Sonder- Abweichend vom Fahrzeugmotor verfügt die Elektronik über
ausstattungen gefordert werden. einige für Industrie­anwendungen spezifische Aktoren und
636 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-14 Aufgeladener 2,5 l TDI®-Motor von VW mit elektronisch geregelter Verteilereinspritzpumpe, Zweiventilzylinderkopf, Abgasturbolader mit variabler Turbi-
nengeometrie. Maximale Leistung 80 kW bei 3500 min–1

Sensoren. Diese hier dargestellte Varianz war bislang bei Mo- wellenende sind üblich. Geringe Wartungsansprüche führen
toren mit einer mechanisch-hydraulisch arbeitenden Ein- bei dieser Leistungsklasse u. a. dazu, dass ein sehr hoher An-
spritzpumpe nur durch eine applikationsabhängige Einstellung teil luft- oder öl-/luftgekühlt ist.
der Einspritzpumpe in Verbindung mit einer speziellen Aus- Industriemotoren im Leistungsbereich oberhalb von
rüstung, wie einem Alldrehzahlregler, häufig nur zusammen 75 kW – ausgeführt als 4-, 6- oder 8-Zylindermotor – sind
mit einer zusätzlichen elektronischen Regelung darstellbar. meistens entweder von Nfz-Motoren abgeleitet oder Indus-
triemotoren, die auch als Fahrzeugmotoren einsetzbar sind,
18.2.5 Industriemotoren sodass bezüglich Abgas- und Lärmemission, Wartung,
Lebensdauer, Leistungsgewicht und -dichte usw. in dieser
18.2.5.1 Produktkonzept Leistungsklasse für Industriemotoren ähnliche Anfor-
derungen wie an Nfz-Motoren bestehen. Sie unterscheiden
Ausschließlich als Einbau- und Industriemotoren entwickelte sich von Nfz-Motoren nur durch spezielle konstruktive
Dieselmotoren sind in der Klasse bis ca. 75 kW Leistung zu Merkmale wie zusätzliche Nebenabtriebe, Kraftabnahme
finden. Zwischen einem und vier Zylindern sind alle Zylin- auch am dämpferseitigen Kurbelwellenende, besonders stei-
derzahlen üblich. Kraftstoffverbrauch und Leistungsdichte fe Motorblöcke, versteifte Ölwannen und Massenausgleichs-
spielen eine untergeordnete Rolle; wichtiger sind Anschaf- getriebe bei Schleppereinbau, zusätzliche Kühlsysteme für
fungskosten, Robustheit und Vielseitigkeit. Aufgrund der Hydraulikanlagen und Generatoren.
Emissionsanforderungen werden die Saugmotoren zuneh- Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Industriemo-
mend durch aufgeladene Motoren ersetzt; aus Einbau- und toren und damit der Kundenwünsche erfordert entspre-
Kostengründen aber häufig ohne Ladeluftkühler. Im Leis- chend viele Ausrüstungsvarianten, die oft nur in relativ
tungsbereich bis 37 kW dominieren jedoch noch Saugmo- kleinen Stückzahlen produziert werden. Industriemotoren
toren. Mehrere Nebenabtriebe und die Möglichkeit einer sind daher im Normalfall etwas teurer als entsprechende
100prozentigen Kraftabnahme am dämpferseitigen Kurbel- Pkw- oder Nfz-Motoren.
18.2 Einbau- und Industriemotoren 637

18.2.5.2 Ausgeführte Motoren prinzip ist bei allen sehr ähnlich, jedoch findet eine breite
Varianz der Einspritzausrüstung vom System Pumpe-Lei-
Angesichts der breiten Palette der Industriemotoren sollen in tung-Düse über Verteilerpumpen, Reihenpumpen bis zu
diesem Abschn. anhand einiger Ausführungsbeispiele Einsteckpumpenblöcken. Häufig wird das indirekteinsprit-
grundsätzliche Merkmale für das Hubraumsegment zwi- zende Wirbelkammerverfahren angewandt, dass gegenüber
schen 200 und 400 cm3 und das Segment im Bereich 1 l pro dem direkteinspritzenden Verfahren neben dem Geräusch-
Zylinder dargestellt werden. Die ganze Vielfalt lässt sich an vorteil und den geringeren Herstellkosten auch ein nied-
dieser Stelle nicht erfassen. rigeres Stickoxidemissionsniveau aufweist. Der damit ver-
Im kleinen Hubraumsegment bis 400 cm3 gibt es eine bundene Verbrauchsnachteil wird in diesem Marktsegment
Vielzahl von mehrzylindrigen, fast ausschließlich als Rei- akzeptiert.
henmotoren konzipierte, wassergekühlte Triebwerke. Maß- Ein konstruktiv sehr interessantes Beispiel ist die Baureihe
gebliche Hersteller sind hier Kubota, Yanmar, Daihatsu, W35 des Herstellers Hatz (s. Bild 18-15), die mit einem
Isuzu, Lister Petter und Deutz. Das konstruktive Grund- Hubraum von 350 cm3 pro Zylinder als Reihenmotor mit 2,

Bild 18-15
Querschnitt des Motors 4W35NA der
Fa. Hatz Vertikal in Längsrichtung ge-
teiltes Alu-Druckguss-Kurbelgehäuse
638 18 Industrie- und Schiffsmotoren

3 und 4 Zylindern angeboten wird. Der Reihenmotor hat forderungen die Ausführung eines Motors einer Baureihe
eine in Längsrichtung vertikale Teilungsebene. Beide in Alu- beeinflussen. Für die 64 kW-Variante gilt ein Emissionsgrenz-
Druckguss herstellbaren Gehäusehälften beinhalten bereits wert von 4,7 g/kWh für NOX+HC und 0,3 g/kWh für Partikel
Ölwanne, Steuergehäuse, Räderkasten, Schwungradgehäuse, im C1-Zyklus gemäß ISO 8178, s. Abschn. 15.2. Aus Bau-
Zylinderkopf- und Laufbüchsenaufnahme. Der Zylinder- raum- und Kostengründen besitzt dieser Motor keinen Lade-
kopf und die dünnwandige Schleuderguss-Laufbuchse sind luftkühler und ist mit einem mechanisch geregelten Steck-
Module. Die Wasserpumpe ist im Rädertrieb des Steuerkas- pumpeneinspritzsystem ausgestattet. Das Emissionsziel wurde
tens integriert. Mit lediglich drei Bauteilen bestehend aus durch die entsprechende Gestaltung der Brennraum- und
der linken und der rechten Kurbelgehäusehälfte sowie dem Einspritzdüsengeometrie, des Einspritzzeitpunktes und des
Ventildeckel ist der Motor bereits komplett geschlossen. Ladungswechsels erreicht. Die mit diesem Konzept verbunde-
Auch das Einspritzsystem und dessen Steuerung sind modu- nen Nachteile im Kraftstoffverbrauch werden durch die nied-
lar aufgebaut. Zum Einsatz kommt eine mechanisch geregel- rigen Herstellkosten mehr als kompensiert. Die 113 kW-Vari-
te sehr kurz bauende Pumpe-Düse, deren Antrieb über die ante in Bild 18-18 wurde für eine hohe Auslastung in einem
oben liegende Nockenwelle und den Antriebshebel erfolgt. Traktor abgestimmt. Für diese Leistung gilt ein Emissions-
Bild 18-16 zeigt den konstruktiven Aufbau des komplett grenzwert von 4,0 g/kWh für NOX+HC und 0,2 g/kWh für
ausgerüsteten 4W35-Saugmotors. Partikel im C1-Zyklus. Aufgrund des Lastkollektivs wie auch
Die Ausführungsbeispiele in den Bildern 18-17 und 18-18 der hohen Betriebsstundenzahl pro Jahr spielt der Kraftstoff-
zeigen, wie unterschiedliche Markt- und Gesetzgebungsan- verbrauch eine wesentlich größere Rolle. Dabei werden ein

Bild 18-16
Wassergekühlter 4 Zylinder OHC-Rei-
henmotor mit mechanisch geregelter
Pumpedüse aus der Motorbaureihe
W35 des Herstellers Hatz
18.2  Einbau- und Industriemotoren    639

Bild 18-17 
Aufgeladener Vier­zylinder­motor ohne
Ladeluftkühlung der DEUTZ Baureihe
2012, Typ TD2012L04 2V mit mecha-
nisch geregeltem Pumpe-Leitung-
Düse Einspritzsystem, Zwei­
ventilzylinderkopf, seitlich ange-
bautem Abgasturbolader. Maximale
Leistung 67 kW bei 2200 min–1

technologisch höherer Aufwand und damit ein höherer Preis zusätzlicher Kühler für Hydrauliköl vorgesehen werden
des Motors akzeptiert. Sowohl die Ladeluftkühlung wie auch kann. Dies ermöglicht nicht nur eine sehr kompakte Bau-
die gekühlte Abgasrückführung sind geeignete Maßnahmen, weise, sondern vereinfacht auch die Montage des komplett
niedrige Stickoxidemissionen verbunden mit einem guten mit der integrierten Kühlung angelieferten Motors.
Kraftstoffverbrauch zu erzielen. Darüber hinaus erlaubt das Ein typischer Einsatzfall des Industriemotors ist die Land-
Common Rail Einspritzsystem eine Optimierung von Kraft- maschine. Die hohe Steifigkeit des Motorblocks verringert
stoffverbrauch, Verbrennungsge­räusch und Emissionen im nicht nur die Geräuschemission, sondern ermöglicht auch,
gesamten Motorkennfeld [18‑3], [18‑4]. den Motor als tragendes Schlepper-Bauteil einzusetzen.
Die Motoren bieten als charakteristische Einbaumotoren Dazu eliminiert ein Massenausgleichsgetriebe bei der Vier-
mehrere Möglich­kei­ten zur Kraftabnahme: über den Steuer- zylinder-Variante die freien Massenkräfte und garantiert
rädertrieb können neben der Nockenwelle auch eine oder dadurch die für einen starren Einbau in den Schlepper not-
mehrere Hydraulikpumpen und/oder Kompressoren ange- wendige Laufruhe.
trieben werden. Alternativ können bis zu 100% der Motor-
leistung auch stirnseitig abgenommen werden. Auch für 18.2.6 Ausblick
diese wassergekühlten Motoren ist ein integriertes Kühl­
system vorgesehen: Öl- und Wasserkühler werden dazu Die Weiterentwicklung der Industriemotoren wird, wie die
seitlich am Motor befestigt, wobei wahlweise auch ein Entwicklung der Fahr­zeugmotoren, in den nächsten Jahren
640    18  Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-18 
Aufgeladener Vier­zylindermotor mit
Ladeluftkühlung der DEUTZ Baureihe
2012, Typ TD2012L04 2V mit elektro-
nisch geregeltem Common Rail Ein-
spritzsystem, Vierventil­zylin­der­kopf,
mittig oben angebautem Abgas­turbo­
lader und externer gekühlter
Abgasrück­führung. Maximale Leis­
tung 113 kW bei 2200 min–1

von einer weiteren drastischen Verschärfung der Abgasge- lich, dass auch die Abgastempe­ratur­regelung für die Abgas-
setzgebung geprägt sein (s. Abschn. 15.2). Die damit verbun- nachbehandlung übernimmt. Aufgrund der höheren Emis-
denen technologischen Anforderungen haben bereits in der sionsgrenzwerte ist lediglich im Leistungsbereich unter
Grenz­wert­stufe 3A bei vielen Motoren zu einer Ablösung der 56 kW auch künftig die Anwendung der kostengünstigen
mechanisch geregelten Ein­spritzsysteme durch elektronisch mechanisch geregelten Einspritzsysteme wahr­scheinlich.
geregelte Systeme geführt. Ledig­lich im Leis­tungsbereich un- Mit seiner Flexibilität, insbesondere der Möglichkeit von
ter 75 kW dominieren weiterhin mechanisch geregelte Ein­ Mehrfachein­sprit­zungen, wird dem Common Rail Ein-
spritz­systeme. spritzsystem das größte Zukunftspotenzial zu­ge­schrieben.
Die Erfüllung der Grenzwertstufe 4 erfordert die Einfüh- Dies erleichtert auch die Abstimmung des dynamischen
rung von Abgasnachbe­hand­lungstechnologien wie dem Betriebs­verhaltens, das neben den Kundenanforderungen
Partikelfilter und der Stickoxid­nach­be­handlung durch SCR. durch die Einführung eines Transient­zyklusses auch der
Da diese Technologien eine Überwachung und Regelung Emissionsgesetzgebung genügen muss. Das elektro­nische
benötigen, ist ein integriertes Motormanagement unerläss- Motormanagement bietet darüber hinaus die Möglichkeit
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 641

der Integration zusätzlicher Kundenfunktionen und erlaubt Die Zylinderabmessungen reichen von unter 200 mm bis
einen Datenaustausch mit anderen Fahrzeug- bzw. Maschi- über 600 mm. Die mittleren Kolbengeschwindigkeiten
nensystemen. haben sich in den letzten Jahren bei ca. 9 bis 11 m/s, in Ein-
Diese zunehmende Komplexität der Technologien und zelfällen auch darüber, eingependelt.
ihre Integration in das Gesamtsystem Motor erfordern von Dazu werden mittlere effektive Drücke pe von bis zu
dem Motorenhersteller neben der Kompetenz auf den 29 bar erreicht, was einer effektiven Nutzarbeit von we ≤
Gebieten Einspritzung und Verbrennung zusätzliches 2,9 kJ/dm3 entspricht.
Expertenwissen in der Elektronik und der Abgasnachbe- Ausgehend von diesen Werten ergibt sich ein Leistungs-
handlung. Von Maschinenherstellern, die Motoren in ver- bereich moderner mittelschnelllaufender Viertakt-Motoren
hältnismäßig geringen Stückzahlen für den Eigenbedarf von etwa 100 kW/Zyl. bis über 2000 kW/Zyl.
herstellen, ist dies kaum noch zu leisten. Sie gehen vermehrt Es werden heute Reihenmotoren 6 bis 10 Zylindern (teil-
dazu über, Motoren bei Herstellern zu kaufen, die aufgrund weise auch darunter) sowie V-Motoren mit 12 bis 20 Zylin-
ihrer Größe die genannten Fachgebiete als Kernkompetenzen dern gebaut.
besitzen. So ist auch in den kommenden Jahren mit einer
Fortsetzung des Konzentrationsprozesses bei den Motoren- 18.3.1.2 Einsatz mittelschnelllaufender Dieselmotoren
herstellern zu rechnen.
Mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren werden als Schiffs-
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt- hauptmotoren, als Schiffshilfsmotoren sowie im Statio-
näreinsatz zum Antrieb von Generatoren verwendet. Kleinere
Dieselmotoren Mittelschnellläufer werden auch zum Antrieb von Pumpen
und Verdichtern, in Blockheizkraftwerken oder als Traktions-
18.3.1 Definition und Beschreibung motoren eingesetzt.
In der zivilen Schifffahrt haben sich in den letzten 40
18.3.1.1 Einordnung der mittelschnelllaufenden
Jahren die Dieselmotoren gegenüber anderen Antriebsmög-
Viertakt-Dieselmotoren
lichkeiten (Dampf- oder Gasturbinen) durchgesetzt. Mittel-
Unter dem Begriff „Mittelschnellläufer“ werden Tauchkol- schnelllaufende Viertakt-Motoren haben stark an Bedeu-
benmotoren verstanden, die heute fast ausschließlich im tung gewonnen und Eingang auch bei Schiffstypen gefun-
Viertakt-Verfahren arbeiten. Die am Markt noch vereinzelt den, die bisher dem langsamlaufenden Zweitakt-Motor
existierenden Zweitakt-Tauchkolbenmotoren sind von un- vorbehalten waren (Bild 18-19). Für viele Anwendungsfälle
tergeordneter Bedeutung und sollen hier nicht näher be- kommen aus Gründen der Raumnutzung von vornherein
trachtet werden. nur mittelschnelllaufende Motoren in Frage, wie beispiels-
Die Drehzahlen der mittelschnelllaufenden Viertakt- weise bei Fährschiffen, RoRo- und sonstigen Spezialschif-
Motoren liegen zwischen etwa 300 min–1 und 1200 min–1. fen. Bei Passagier- und Kreuzfahrtschiffen werden aufgrund

Bild 18-19
Einmotorenanlage mit Mittelschnell-
läufer, Untersetzungsgetriebe und Ge-
neratorantrieb über PTO (Power Take
off). Motorleistung 12500 kW bei
428 min–1 für den Antrieb eines
Kühlschiffes mit 400000 cft Ladeka-
pazität
642 18 Industrie- und Schiffsmotoren

der hohen Flexibilität vielfach dieselelektrische Antriebe mit Dies wurde durch konsequente Bauteilentwicklung, vor
Mittelschnellläufern eingesetzt. Auch in der Binnenschiff- allem im Bereich des Brennraumes, an den Ventilen, an Kol-
fahrt werden überwiegend kleinere Mittelschnellläufer als ben und Zylinderbuchsen usw., erreicht. Sowohl bei den als
Antriebsmotoren verwendet. Bei den Schiffshilfsmotoren Schiffshauptantrieb eingesetzten, als auch bei den Stationär-
kommen zumindest bei größeren Schiffen fast ausschließ- anlagen kommt bei großen Mittelschnellläufern heute fast
lich mittelschnelllaufende Motoren zum Einsatz (Bild 18- ausschließlich Schweröl zum Einsatz, soweit nicht Ein-
20). schränkungen durch Umweltauflagen vorhanden sind.
Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich sind Dieselkraft- Eine wesentliche Einflussgröße bei der Verbrennung von
werke zur Stromerzeugung, die vor allem in den industriel- Schwerölen ist die für die Verbrennung zur Verfügung ste-
len Schwellenländern, ohne flächendeckende Verbundnetze, hende Zeit. Es ist daher verständlich, dass die Schweröltaug-
große Verbreitung gefunden haben. Mit Aggregatleistungen lichkeit bei den größeren Mittelschnellläufern mit Drehzahlen
von 10 bis 20 MW lassen sich mit der entsprechenden bis 750 min–1 leichter darzustellen ist, als bei den kleineren
Anzahl von Maschinensätzen Kraftstationen bis zu 100 MW Motoren mit Drehzahlen im Bereich von 1000 min–1 und
und darüber in kurzer Bauzeit wirtschaftlich erstellen, darüber. Bei diesen höherdrehenden Motoren können sich
zumal ein stufenweiser, an den Bedarf angepasster Ausbau hinsichtlich der zulässigen Schwerölqualität u. U. gewisse
in einfacher Weise möglich ist. Einschränkungen ergeben. Dennoch wird auch bei den
Schiffshilfsmotoren in zunehmendem Maße Schwerölbe-
18.3.1.3 Kraftstoffe trieb vorgesehen, um Haupt- und Hilfsmaschinen mit
gleichem Kraftstoff versorgen zu können (Unifueled Ship).
Schwerölbetrieb Bei der Verbrennung von Schweröl sind entsprechende
Vorkehrungen, sowohl bei der Kraftstoffaufbereitung als
Moderne, größere Mittelschnellläufer können heute Schwer- auch bei der Wahl des Schmieröles, zu treffen (s. Abschn.
öle bis zu schlechten Qualitäten, wie sie beispielsweise in 4.3). Bei der Motorauslegung ist dafür zu sorgen, dass an
CIMAC H/K55 definiert sind, verarbeiten (vgl. Abschn. 4.3). den schwerölbeeinflussten Bauteilen die „richtigen“ Tempe-

Bild 18-20
Maschinenraumanordnung eines
Kreuzfahrtschiffes. – Hauptmotoren
in je 2x„Vater-und-Sohn“-Anordnung
über Untersetzungsgetriebe auf zwei
Schrauben arbeitend. Drei Hilfsmo-
toren des gleichen Motortyps für die
Erzeugung des Bordstroms, zusätzlich
Generatoren an den„Sohn“-Motoren
18.3  Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren    643

raturen herrschen, um schädliche Korrosionseinflüsse und Neben den Raumvorteilen sprechen noch weitere Punkte
Ablagerungen zu vermeiden (s. hierzu auch Abschn. 18.3.3 für den Mittelschnellläufer:
bzw. 7.1). – freie Wahl der optimalen Propellerdrehzahl,
Daher werden kleinere, höher drehende Mittelschnellläu- – gute Eignung für elastische Aufstellung zur Körper­schall­
fer oft mit Dieselöl betrieben. Hier lohnt sich der für die isolierung,
Schwerölaufbereitung erforderliche Aufwand in den meis­ – sehr einfache Möglichkeit der Abwärmenutzung,
ten Fällen nicht. – generatorgängige Drehzahlen,
– einfacher Wellengeneratoranbau zur Energieerzeugung im
Gasbetrieb Schwerölbetrieb,
– günstige Voraussetzungen für Maßnahmen zur Schad­
Neben Schwerölen und Dieselkraftstoffen verschiedenster stoffreduzierung,
Qualität werden mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren – leichter Anbau von Power- bzw. Compound-Turbinen zur
auch mit unterschiedlichen Brenngasen betrieben, wobei so- Erhöhung der Wirtschaftlichkeit,
wohl Otto-Gas- als auch Diesel-Gasverfahren, eingesetzt – gute Eignung für Motormanagementsysteme und Fern­
werden (s. Abschn. 4.4). über­wachung.
Bei der konventionellen Dieselgas-Ausführung, bei der
ein homogenes Gas-Luftgemisch verdichtet und die Zün- 18.3.2 Auslegungskriterien
dung durch das Einspritzen einer kleinen Zündölmenge
ausgelöst wird, muss der mittlere effektive Druck bzw. die 18.3.2.1 Spezifische Leistung
Leistung gegenüber dem Dieselbetrieb zurückgenommen
werden. Wie neuere Entwicklungen zeigen [18‑5], ist es bei Ausgelöst durch den Wettbewerbsdruck und ermöglicht
entsprechender konstruktiver Ausführung mit einem Die- durch die Weiterentwicklung der Aufladetechnik wurden die
sel-Gasmotor möglich, annähernd die Leistung des Diesel- spezifischen Leistungen im Laufe der Jahre kontinuierlich
betriebs zu realisieren, ohne das Gas-Diesel-Verfahren mit angehoben. Bei den mittleren effektiven Drücken bzw. der
seiner Hochdruck-Gaseinblasung anwenden zu müssen, spezifischen Arbeit ging man dabei teilweise bis an die
s. Abschn. 4.4.3.1. Grenze des mit einstufiger Aufladung Erreichbaren. Die
Um die Emissionswerte niedrig zu halten, wurde das sog. mittlere Kolbengeschwindigkeit erfuhr ebenfalls eine konti-
Lean-burn-Verfahren entwickelt: in einem Nebenbrenn- nuierliche Steigerung.
raum wird mittels Zündöl ein mageres Gas-Luftgemisch Kenngröße für den Stand der Technik ist die spezifische
entzündet, das beim Austritt aus der Nebenkammer als Kolbenflächenleistung PA, siehe Abschn. 1.2, die dem Pro-
energiereiche Zündhilfe für das arme Gemisch im Haupt- dukt aus spezifischer Arbeit und mittlerer Kolbengeschwin-
brennraum dient [18‑6]. digkeit proportional ist. Heutige mittelschnelllaufende Vier-
Sowohl dieses Lean-burn-Verfahren als auch Otto-Gas- takt-Dieselmotoren erreichen Kolbenflächenleistungen von
motoren haben in den letzten Jahren bei den mittelschnell- 5 W/mm2 bei Spitzenwerten von ca. 7 W/mm2.
laufenden Viertakt-Motoren zunehmende Verbreitung
gefunden. 18.3.2.2 Maximaler Zylinderdruck

18.3.1.4 Vorteile der Mittelschnellläufer Parallel zur Steigerung der spezifischen Kolbenflächenleis­
tung wurden, nicht zuletzt ausgelöst durch die Ölkrisen in
Der mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotor steht zwi- den 70er und 80er Jahren und den stetigen Kraftstoffpreisan-
schen dem schnelllaufenden Hochleistungsmotor und dem stieg, große Anstrengungen unternommen, den Kraftstoff-
langsamlaufenden Zweitakt-Motor. Die Übergänge hinsicht- verbrauch zu senken. Als eine wesentliche, den Wirkungs-
lich des Einsatzes sind fließend. grad kennzeichnende Größe, hat sich das Verhältnis von
Der wesentliche Vorteil des Mittelschnellläufers gegen­ maximalem Zylinderdruck zur effektiven Arbeit, auch aus-
über dem Zweitakt-Motor liegt in seinem geringeren Raum- gedrückt durch das Verhältnis pZmax/pe, erwiesen. Mit stei-
bedarf sowie dem vergleichsweise niedrigeren Leistungsge- gendem Mitteldruck müsste daher der Spitzendruck nach
wicht, verbunden mit günstigeren spezifischen Kosten Möglichkeit überproportional mit angehoben werden, um
[18‑7]. ein ausreichend hohes Verhältnis pZmax/pe von ca. 7 bis 8 und
Dies gilt obwohl ein Mittelschnellläufer als Propulsions- daraus resultierend einen möglichst niedrigen Kraftstoffver-
Motor in jedem Falle mit einem Untersetzungsgetriebe brauch sicherzustellen. Die maximalen Zylinderdrücke ha-
ausgestattet ist (Bild 18-21). ben daher in den letzten Jahren ein beachtliches Niveau er-
644    18  Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-21 
Größenvergleich eines mittelschnell-
laufenden Viertaktmotors und eines
leistungsgleichen, langsamlaufenden
Zweitakt-Kreuzkopf-Motors

reicht. Motoren mit 200 bar Spitzendruck sind heute bereits Aus thermodynamischen Erwägungen (vgl. Abschn. 2.2) ist
in Betrieb, und die Tendenz ist weiter steigend. Bild 18-22 die Höhe des Ladeluftdruckes begrenzt. Der zulässige Lade-
zeigt die Entwicklung des maximalen Zylinderdruckes und druck lässt sich zweckmäßigerweise mit einer Kenngröße
des spezifischen Kraftstoffverbrauches in den zurücklie- beschreiben, die das Verhältnis von Ladedruck zum mittle-
genden Jahrzehnten. ren effektiven Druck angibt. Um einerseits günstige Ver-
bräuche zu gewährleisten, andererseits aber auch das Tem-
18.3.2.3 Hub/Bohrungsverhältnis peraturniveau der Brennraumbauteile im Schwerölbetrieb
in einem betriebssicheren Rahmen zu halten, hat sich für
Gerade im Schwerölbetrieb ist es wichtig, dass die Druck- Mittelschnellläufer ein Verhältnis pL/pe von 0,15 bis 0,17 als
steigerungsrate dpZ/dφ, d. h. der Abstand zwischen Kom­ optimal erwiesen. Daraus folgt letztendlich, dass das Ver-
pres­sionsenddruck und maximalem Zylinderdruck, der sog. dichtungsverhältnis entsprechend angehoben werden muss,
Zündsprung, nicht zu groß wird. Daraus folgt, dass hohe um den gewünschten Verdichtungsenddruck zu erreichen.
­maximale Drücke auch deutlich höhere Kompressionsend- Somit beträgt das Verdichtungsverhältnis heutiger Mittel-
drücke erfordern. Der Kompressionsenddruck wird beein- schnellläufer abhängig vom Bohrungsdurchmesser ε = 13
flusst vom Ladedruck und dem Kompressionsverhältnis. bis 16.
18.3  Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren    645

Bild 18-22 
Entwicklung von maximalem Zylin-
derdruck und spezifischem Kraftstoff-
verbrauch bei mittelschnelllaufenden
Viertaktmotoren in den letzten  
40 Jahren.

Ein höheres Verdichtungsverhältnis lässt sich mit einem 18.3.2.5 Weitere Kriterien
längerhubigen Motor leichter erreichen, ebenso wie auch
eine günstige Brennraumform. Mit kürzer werdendem Hub Bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren wird neben
wird bei vorgegebenem Verdichtungsverhältnis der Brenn- niedrigem Kraftstoff- und Schmierölverbrauch, Schweröl-
raum immer flacher, und es wird zunehmend schwieriger, tauglichkeit, günstigen Herstellkosten usw. von Seiten der
eine gute Verbrennung zu erzielen. Betreiber auch großen Wert auf Einfachheit im Aufbau und
Bei all diesen Überlegungen spielt auch die absolute Wartungsfreundlichkeit gelegt.
Motorgröße eine Rolle. Je kleiner die Zylinderabmessungen Dies ist u. a. der Grund, dass sich aufwendige technische
werden, umso nachteiliger machen sich die schädlichen Lösungen, wie z. B. eine zwei- oder mehrstufige Aufladung
Räume im Bereich der Ventile bemerkbar. Sie nehmen mit bislang bei den Mittelschnellläufern nicht durchgesetzt
kleiner werdenden Abmessungen überproportional zu. haben.
Daraus folgt, dass man zur Erzielung eines bestimmten Ver- Entwicklungsschwerpunkte sind die Schweröltauglichkeit
dichtungsverhältnisses bei einem größeren Zylinderdurch- auch unter hohen spezifischen Belastungen sowie Wirt-
messer mit einem kleineren Hub/Bohrungsverhältnis aus- schaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Verbesserung der Abgas­
kommt, als dies bei einem kleineren Zylinderdurchmesser emission. Im nachfolgenden Abschn. wird dies beispielhaft
der Fall ist. an konstruktive Lösungen dargestellt.

18.3.2.4 Drehzahl 18.3.3 Konstruktive Lösungen


Aus Kolbenhub und mittlerer Kolbengeschwindigkeit ergibt 18.3.3.1 Motorgrundaufbau
sich die entsprechende Motordrehzahl. Je nach Zylinder-
durchmesser, Hub/Bohrungsverhältnis und maximal zuläs- Es können hier nur einige wesentliche Bauteile herausgegrif-
siger mittlerer Kolbengeschwindigkeit ergeben sich Dreh- fen und in ihren grundsätzlichen Merkmalen beschrieben
zahlen im Bereich von etwa 300 min–1 bis zu 1200 min–1. werden.
Motoren zur Drehstromerzeugung mit 50 bzw. 60 Hertz kön- Die früher beim Motorgehäuse vielfach übliche Bauweise
nen somit mit den entsprechenden Generatordrehzahlen mit Grundplatte, von oben eingelegter Kurbelwelle und
betrieben werden (vgl. Abschn.1.2). einem aufgesetzten und mit Zugankern mit der Grundplatte
verschraubten Zylinderblock wurde bei neueren Konstruk­
646 18 Industrie- und Schiffsmotoren

tionen in den meisten Fällen von einer einteiligen Gestell- dass gewisse Mindestrestspalte im Schmierfilm nicht unter-
ausführung mit hängender Kurbelwelle abgelöst. Diese schritten werden dürfen, wenn befriedigende Standzeiten
Bauweise gewährleistet einen sehr günstigen Kraftfluss, ver- der Lagerschalen erreicht werden sollen. In Zusammenhang
meidet zusätzliche, belastete Trennflächen und ist kosten- mit den gegenüber früher deutlich höheren Zylinderdrücken
günstig. sind aus Festigkeitsgründen vielfach stärkere Grundlager-
Eine interessante Lösung wurde bei den Mittelschnellläu- und Kurbelzapfen erforderlich, die die Lagerflächen vergrö-
fern von MAN Diesel gewählt. Hier wird durch verlängerte, ßern. Darüber hinaus konnte durch die Einführung neuer
bis zur Oberkante des einteiligen Gestells führende Grund- Lagertechnologien, wie beispielsweise Rillenlagern oder
lagerschrauben und bis weit in das Gestell reichende Zylin- Sputterlagern, die Belastbarkeit erheblich gesteigert werden.
derdeckelschrauben eine deutliche Entlastung der Guss- Dadurch konnte erreicht werden, dass trotz höherer Gas-
struktur erzielt (Bild 18-23). kräfte die Betriebssicherheit der Lagerung und die Lager-
standzeiten gegenüber früher in vielen Fällen sogar deutlich
18.3.3.2 Triebwerk angehoben werden konnten, s. Abschn. 8.5.

Kurbelwelle und Kurbelwellenlager. Um Lagerschwierig- Pleuel. Eine einfache gerade Teilung am Kurbelzapfenlager
keiten im Schwerölbetrieb, hervorgerufen durch korrosiven ist nur in den wenigsten Fällen bei vergleichsweise gering be-
oder abrasiven Verschleiß, zu vermeiden, ist neben einer ent- lasteten Motoren möglich. In der Regel erfordern die der hö-
sprechenden Ölpflege auch die Dimensionierung der Kur- heren Belastung angeglichenen stärkeren Kurbelzapfen zu-
belwellenlager von großer Bedeutung. Die Praxis hat gezeigt, mindest eine Schrägteilung des Pleuels (Treibstange), um
beim Kolbenziehen das Pleuel bzw. den Pleuelschaft durch
die Zylinderbuchse durchführen zu können. In vielen Fällen
wird eine sog. Marinekopf-Ausführung verwendet, bei der
der Schaft mit einem eigenen, zweiteiligen Lagerkörper ver-
schraubt ist (Bild 18-24). Diese zusätzliche Trennfuge hat
den Vorteil, dass bei der Dimensionierung des Lagerkörpers
weniger räumliche Beschränkungen gegeben sind und daher
eine steife, verformungsarme Gestaltung möglich ist. Dar-
über hinaus braucht beim Ausbau eines Kolbens das Lager
nicht geöffnet zu werden.

18.3.3.3 Brennraumbauteile

Kolben. Mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren haben,


neben Monoblockkolben aus Sphäroguss bei kleineren Zy-
linderabmessungen, in den meisten Fällen gebaute Kolben.
Das Kolbenoberteil ist aus Stahl, die Ringnuten sind oft, um
den Verschleiß zu reduzieren gehärtet oder verchromt (siehe
Abschn. 8.6).
Das Kolbenunterteil besteht wegen der gestiegenen Belas-
tung vorwiegend aus Sphäroguss, seltener aus Leichtmetall.
Vereinzelt wird auch das Kolbenhemd wie die Kolbenkrone
aus Stahl gefertigt [18-8]. Mit derartigen gebauten Stahl-/
Sphärogusskolben lassen sich Zünddrücke bis über 200 bar
beherrschen.
Die hohe thermische Belastung erfordert eine optimale
Kühlung des Kolbenoberteiles (s. Abschn. 7.1). Als Kühlme-
dium wird Öl aus dem Umlaufsystem verwendet, das in den
meisten Fällen über das Pleuel dem Kolben zugeführt wird
Bild 18-23 Motorgestell mit Einzelzylindermänteln, verlängerten Hauptla- (s. Abschn. 8.6). Durch die Shakerwirkung bei der Auf- und
gerschrauben und verlängerten Zylinderdeckelschrauben (Bauart MAN Diesel) Abwärtsbewegung des Kolbens wird das Kühlöl an die
Innenwände des Kolbenbodens geschleudert, nimmt die
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 647

Bild 18-25 Gebauter Stufen-Kolben mit Stahloberteil und Sphärogusshemd


für sehr hohe Zylinderdrücke (Quelle: MAN Diesel)

Mit der Entwicklung von Chromringen mit keramischen


Einlagerungen, den sog. CKS-Ringen, wurde die hohe
Bild 18-24 Pleuelstange mit Marinekopf-Ausführung Belastbarkeit von Plasmaringen mit dem geringeren Ver-
schleiß von Chromringen verbunden, Damit können auch
bei schlechtesten Kraftstoffen niedrige Verschleißraten in
der Größenordnung von 0,01 bis 0,02 mm/1000 h erzielt
Wärme auf und läuft über entsprechende Rücklaufboh- werden (Bild 18-26). Moderne mittelschnelllaufende Diesel-
rungen im Kolbenhemd in den Triebraum zurück. Zur motoren haben daher beim ersten Kompressionsring eine
Vergrößerung der Wärmeübergangsfläche ist das Kolben- Chrom-Keramikbeschichtung und Chrombeschichtungen
oberteil oft mit Kühlbohrungen ausgestattet (Bild 18-25). für den zweiten und ggf. dritten Ring, womit eine hohe
In Verbindung mit einem Feuerstegring an der Laufbuch- Standfestigkeit des Ringpaketes erzielt wird.
se werden die Kolben als Stufenkolben ausgebildet, um
Ablagerungen von Verbrennungsrückständen an der Lauf- Zylinderlaufbuchse. Getrennt, einzeln stehende Zylinder-
buchse und somit Blankstellen an der Buchse zu vermeiden mäntel zur Aufnahme der Laufbuchsen bieten vor allem bei
sowie ferner den Ölverbrauch zu reduzieren. Durch ein größeren Motoren Vorteile, da Einwirkungen von benach-
enges Kolbenspiel, das abrasive Teilchen zurückhält und den barten Zylindern oder von Schiffsdeformationen reduziert
Schmierfilm schützt, wird die mechanische Belastung der und damit im Betrieb eine optimale Rundheit der Zylinder-
Kolbenringe verringert. laufbuchsen erreicht wird. Die Wasserführung und intensive
Alle Kolbenringe sind in der Stahlkrone angeordnet. Kühlung beschränkt sich auf den oberen Bereich der Lauf-
648 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-26
Durchschnittlicher Verschleiß des
ersten Kolbenringes bei mittelschnell-
laufenden Viertaktmotoren im
Schwerölbetrieb

buchse, da sie nur dort erforderlich ist. Ziel ist eine gleichmä- Zylinderkopf mit Ventilen. Mit zunehmenden Belastungen
ßige Temperaturverteilung über die ganze Buchsenoberflä- kommt beim Zylinderkopf in verstärktem Umfang Sphäro-
che als Vorbeugung gegen Kaltkorrosion und zur Sicherung guss zur Anwendung. Aufgrund seiner deutlich höheren me-
guter Schmierverhältnisse. Zusammen mit der stabilen Zy- chanischen Festigkeitswerte im Vergleich zu laminarem
lindergeometrie sind somit die Voraussetzungen für einen Grauguss trägt er in Verbindung mit einer beanspruchungs-
niedrigen Schmierölverbrauch gegeben, der bei modernen günstigen Gestaltung wesentlich zur Betriebssicherheit
Mittelschnellläufern nicht mehr als 0,5 bis 1 g/kWh betragen dieses mechanisch und thermisch hochbelasteten Bauteiles
sollte. bei.
Einen wesentlichen Fortschritt brachte in den 90er Jahren Bei höher belasteten Mittelschnellläufern werden heute
die Einführung von sog. Feuerstegringen, die u. a. auch vier Ventile verwendet (Bild 18-29). Auf Ventilkörbe wird
unter der Bezeichnung Anti-Polishing-Ring eine weite Ver- zunehmend auch bei größeren Motoren verzichtet [18-9].
breitung gefunden haben. Neben der in Bild 18-27 gezeigten Die Betriebssicherheit wurde erhöht und die Ventilstand-
Ausführung eines gekühlten Feuersteges werden auch unge- zeiten wurden so weit verlängert, dass der Zylinderkopf
kühlte bzw. indirekt gekühlte Ausführungen verwendet, bei auch für andere Wartungsarbeiten (z. B. Kolbenringe)
denen ein relativ dünnwandiger Ring direkt in die Lauf- demontiert werden muss. Damit entfällt der Wartungsvor-
buchse eingesetzt wird. Allen Ausführungen gemeinsam ist teil durch den Ventilkorb und es überwiegen dessen Nach-
der gegenüber der eigentlichen Lauffläche der Zylinderlauf- teile wie Bauaufwand, reduzierte Zylinderkopfsteifigkeit
buchse etwas kleinere Ringdurchmesser, wodurch in Kom- sowie zusätzliche potenzielle Leckagestellen. Die Ventilsitz-
bination mit einem Stufenkolben, das sog. „bore polishing“ ringe sind oft, zumindest auf der Auslassseite, gekühlt.
(durch harte Koksablagerungen an der Kolbenkrone hervor- Sowohl die Ventilkegel als auch die Sitzringe weisen übli-
gerufene blanke Stellen oder Vertiefungen im mittleren cherweise eine Sitzpanzerung z. B. mit Stelliten (Hartmetal-
Bereich der Zylinderlauffläche) wirkungsvoll verhindert len) auf, die einen hohen Verschleißwiderstand sicherstellt
wird. Damit erzielt man bei verringertem Ölverbrauch eine und das Einschlagen von Verbrennungspartikeln beim
Lebensdauer von bis zu 80000 h für Laufbuchse, Feuersteg- Schwerölbetrieb und somit sog. Durchbrenner infolge unge-
ring und Stufenkolben. Dazu gehören auch die in Bild 18-28 nügender Dichtheit des Ventilsitzes und daraus resultie-
dargestellten, in Verbindung mit CKS-Ringen erzielten renden Austritts heißer Verbrennungsgase verhindert. Ver-
niedrigen Verschleißwerte von ca. 0,01 mm/1000h, gemes- schiedentlich kommen auch Nimonic-Ventile mit und ohne
sen am Umkehrpunkt des obersten Kolbenringes. Üblicher- Sitzpanzerung zum Einsatz.
weise tritt an dieser Stelle der Zylinderlauffläche der größte Die Praxis hat gezeigt, dass bei der Verbrennung von
Verschleiß auf, bekannt unter dem Begriff „Zwickel-Ver- Schweröl eine Drehung der Ventile während des Betriebes
schleiß“. unbedingt erforderlich ist. Diese Drehung kann durch
18.3  Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren    649

Bild 18-27 
Zylinderlaufbuchse mit Wassermantel
und Feuerstegring mit Bohrungsküh-
lung

mechanische Drehvorrichtungen, z. B. Rotocaps, bewerk- Da neben dem Verhältnis pZmax/pe auch die Brenndauer
stelligt werden. Einzelne Hersteller verwenden auf der einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Kraftstoffver-
Auslassseite Drehflügel am Ventilschaft. Durch das ausströ- brauch hat, wurde auch bei den Mittelschnellläufern ver-
mende Abgas wird dabei eine im Vergleich zu den mecha- sucht, die Brenndauer zu optimieren und so kurz wie mög-
nischen Drehvorrichtungen wesentlich intensivere Drehbe- lich zu halten. Bei den ausschließlich verwendeten Ein-
wegung erzielt. Dabei erfolgt, bedingt durch die Massen- spritzsystemen für direkte Einspritzung besteht ein relativ
trägheit des Ventils, ein schleifendes Aufsetzen auf den enger Zusammenhang zwischen Brenndauer und Einspritz-
Sitz. dauer: Kurze Brenndauer erfordert auch entsprechend kurze
Einspritzdauer. Dies hat dazu geführt, dass heute bei vielen
18.3.3.4 Einspritzsystem Herstellern Einspritzsysteme mit einer hohen Intensität
verwendet werden, die letztlich auch zu vergleichsweise
Zum Grundsätzlichen wird auf Abschn. 5 verwiesen. Hier hohen Drücken im Einspritzsystem führen, was wiederum
können nur die bei Mittelschnellläufern heute üblichen Aus- bei der Auslegung der Bauteile entsprechend zu berücksich-
legungen bzw. Ausführungen kurz gestreift werden. tigen ist. In fast allen Ausführungsfällen ist das Einspritz-
650 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-28
Durchschnittlicher Verschleiß der Zy-
linderlaufbuchse bei mittelschnelllau-
fenden Viertaktmotoren im Schweröl-
betrieb

Bild 18-29
Vergleich der Zylinderköpfe des MAN
48/60 Motors mit Drehflügel-Ventilen
auf der Auslassseite (48/60 mit Aus-
lassventilkörben / 48/60B ohne Aus-
lassventilkörben)

ventil zentral im Zylinderkopf angeordnet und der Kraftstoff zunehmend an Bedeutung gewinnen, da der NOx-Ausstoß
wird über eine Mehrlochdüse in den Brennraum einge- u. a. durch eine Verlegung des Zündzeitpunktes beeinflusst
bracht. werden kann.
Bei der Verbrennung von Schwerölen mit ggf. sehr unter- Common Rail Systeme bieten aufgrund ihrer Variabilität
schiedlichen Brenneigenschaften ist es vorteilhaft, die Ein- dem Motorenentwickler ein breites Spektrum und höhere
spritzung darauf abstimmen zu können. So gibt es beispiels- Flexibilität der Einspritzparameter, wobei für eine optimale
weise Ausführungen, bei denen über eine geringe Vorein- Verbrennung mit niedrigem Schadstoffgehalt zusätzlich zu
spritzmenge versucht wird, den Verbrennungsablauf positiv den Variablen Einspritzbeginn und Einspritzdruck auch die
zu beeinflussen. Andere Hersteller wiederum haben die Mehrfacheinspritzung erforderlich werden kann.
Möglichkeit geschaffen, den Zündzeitpunkt bzw. Einspritz- Common Rail Systeme werden zunehmend auch bei Mit-
zeitpunkt zu beeinflussen, um damit unterschiedlichen telschnellläufern eingesetzt, trotz der im Schwerölbetrieb
Zündverzügen entsprechend Rechnung tragen zu können. auftretenden Probleme durch die Verwendung von Schwer-
Derartige Maßnahmen werden im Zusammenhang mit ölen mit einer Viskosität von bis zu 700 cSt (bei 50 °C), da
den bestehenden gesetzlichen Emissionsbeschränkungen diese Kraftstoffe auf eine Temperatur von bis zu 150 °C vor-
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 651

geheizt werden müssen, um die notwendige Einspritzvisko- vorhandenen Bauraums durch die kompakten Einheiten
sität zu ereichen. Dazu kommt der hohe Gehalt an abrasiven weitere Vorteile bei der Montage und der Lagerung von
Partikeln und aggressiven Bestandteilen, die in den Schwer- Ersatzteilen [18-12].
ölen vorhanden sind. Die Einspritzbauteile müssen unter Es wird erwartet, dass das Common Rail System die klas-
diesen Einsatzbedingung bei hohen Temperaturen zuverläs- sische mechanische Einspritzung mit von einer Nockenwel-
sig funktionieren. le angetriebener Einzelpumpe zukünftig verdrängen wird.
Ein über die gesamte Motorlänge durchgehender Druck-
speichers (Rail) ist bei Groß-Dieselmotoren aus Gründen 18.3.3.5 Aufladesystem
der thermischen Ausdehnung sowie den Herstellungsmög-
lichkeiten eines solchen Bauteils für 1600 bar mit radialen Zur Theorie der Aufladung wird auf Abschn. 2.2 verwiesen.
Bohrungen problematisch. Daher wird der Druckspeicher In dem vorliegenden Abschn. werden verschiedene, für Mit-
bei den bisher vorgestellten Systemen von Wärtsilä und telschnellläufer typische Auslegungs- bzw. Ausführungsge-
MAN Diesel in mehrere Segmente unterteilt [18-10], [18-11]. sichtspunkte angeschnitten.
Auch die Kraftstoffzufuhr kann auf mehrere Hochdruck- Moderne Mittelschnellläufer sind nahezu ausschließlich
pumpen verteilt werden. Die Zufuhr von Hochdruckkraft- mit einer Abgasturbo-Aufladung ausgerüstet. Je nach
stoff in das Speichersystem über zwei oder mehr Hoch- Motorgröße kommen Axial- oder Radialturbolader zur
druckpumpen hat den zusätzlichen Vorteil, dass auch bei Anwendung. Die in den vergangenen Jahren erzielten Fort-
Ausfall einer der Pumpen der Betrieb des Motors möglich schritte im Turboladerbau ermöglichen heute in einer Stufe
ist. Druckverhältnisse von fünf und darüber, eine weitere Stei-
Auf Grundlage des Konzepts mit einem segmentierten gerung ist in der Entwicklung.
Rail hat MAN Diesel ein modulares System für mehrere Bei den kleineren Motoren wird sowohl die Stoß- als auch
Motortypen entwickelt (Bild 18-30). die Stauaufladung angewendet. Bei größeren Mittelschnell-
Die Segmentierung in einzelne Rail Module bietet neben läufern hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr die
dem Vorteil der höheren Flexibilität zur Anpassung an ver- Stauaufladung durchgesetzt, da die Vorteile wie niedrigerer
schiedene Zylinderzahlen und einer besseren Nutzung des Verbrauch, gleichmäßige Beaufschlagung der Turbine, ein-

Bild 18-30 Aufbau des MAN Diesel Common Rail-Systemes


652 18 Industrie- und Schiffsmotoren

fachere Abgasleitungsführung, keine aufladetechnisch feln führten aber im Schwerölbetrieb aufgrund der Ver-
benachteiligten Zylinderzahlen den Nachteil des schlech- schmutzungen zu erheblichen Problemen.
teren Beschleunigungsverhaltens überwiegen. Dieser kann
durch enge Abgasleitungen abgemildert sowie – wenn erfor- 18.3.4 Betriebsüberwachung und Wartung
derlich – durch entsprechende Zusatzmaßnahmen (z. B.
durch „Jet Assist“, wobei während der Hochlaufphase der Neben Regel-, Steuerungs- und Überwachungssystemen, die
Verdichter kurze Zeit mit Druckluft beaufschlagt wird) an der Betriebsoptimierung dienen und elektronisch unterstützt
die Verhältnisse im Stoßbetrieb angeglichen werden. werden, kommen auch Diagnose- und Trendsysteme zur
Werden die luft- und abgasführenden Kanäle strömungs- Anwendung. Damit erhält der Betreiber Informationen über
günstig gestaltet und die Diffusoren zur Druckrückgewin- den jeweiligen Zustand seiner Anlage, die ihm die Entschei-
nung richtig angeordnet, lässt sich der Wirkungsgrad des dung über zu treffende Maßnahmen erleichtern soll.
gesamten Aufladesystemes günstig beeinflussen. Das wirkt Der letzte Stand dieser Entwicklung ist der Einsatz von
sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch aus (Bild 18-31). Expertensystemen, die nicht nur den momentanen Zustand
Ein Problem bei der einstufigen Aufladung in Verbindung der Anlage aufzeigen, sondern dem Betreiber ganz gezielt
mit den hohen mittleren effektiven Drücken besteht darin, mitteilen, welches Bauteil aufgrund geänderter Motorbe-
dass es, bedingt durch die unterschiedlichen Kennlinien von triebswerte zu überholen oder auszutauschen ist. Damit
Motor und Turbolader, zunehmend schwieriger wird, den wird der Übergang von einer zeitlich geplanten zu einer
Luftbedarf des Motors über den ganzen Lastbereich optimal zustandsabhängigen Wartung ermöglicht [18-13].
abzudecken. Durch Maßnahmen, wie Umblasen von Lade- Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt,
luft im unteren Lastbereich und ggf. Abblasen von Abgas bei dass bei Bauteilen moderner Mittelschnellläufer heute trotz
Überlast (waste gate), lassen sich hier jedoch durchaus gestiegener Belastungen lange Wartungsintervalle vorgesehen
zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. werden konnten. Die durchzuführenden Arbeiten an den
Die optimale Lösung wäre eine stufenlos veränderbare Verschleißteilen, wie Kolbenringen, Einspritzdüsen, Ein- und
Turbinengeometrie. Versuche mit verstellbaren Leitschau- Auslassventilen, Grund- und Pleuellagern usw., werden durch

Bild 18-31
Stauaufladesystem mit strömungsop-
timierten Kanälen und Diffusoren
zwischen Zylinderkopf und Abgaslei-
tung sowie nach dem Verdichter zur
Druckrückgewinnung
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 653

gute Zugänglichkeit sowie Einsatz entsprechend konzipierter Schritt die NOx-Emission entsprechend der Vorgabe der
Spezialwerkzeuge wesentlich erleichtert. Etwaige Fehler bei IMO, s. Abschn.15.2.3.3, reduziert, danach auch die
der Durchführung der Wartungsarbeiten wurden weitestge- Rauchentwicklung unter die Sichtbarkeitsgrenze gesenkt.
hend minimiert, ein Umstand, der nicht unerheblich zur Fernziel war ein Low-Emission-Motor(LEE) in Hinblick auf
Betriebssicherheit der Motorenanlage beiträgt. künftige Anforderungen [18-16].
Dabei hat sich gezeigt, dass mehrere Maßnahmen lastab-
18.3.5 Abgasemission hängig zu kombinieren sind: Mit dem Miller-Verfahren
(s. Abschn. 2.2.4) sinkt im oberen Lastbereich die maxi-
Maßnahmen zur Verbesserung der Abgasemission zielen male Verbrennungstemperatur und somit die NOx-Bildung.
auch bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren Der damit verbundene Füllungsverlust kann durch erhöhten
vornehmlich auf die Reduktion der Stickoxide NOx und der Ladeluftdruck kompensiert werden, vorausgesetzt man
Rußbildung bei der Verbrennung. Letztere ist ursächlich stößt nicht an die Grenzen der einstufigen Aufladung
nicht nur für die Abgasschwärzung sondern auch für die (s. Abschn. 2.2.3). Mit einem größeren Verdichtungsverhält-
Emission an Partikeln verantwortlich (s. Abschn. 15.3). Er- nis verbunden mit einem längeren Hub (s/D = 1,5) lassen sich
schwerend kommt hinzu, dass Großdieselmotoren überwie- die NOx-Emissionen deutlich vermindern, doch oft unter
gend mit schwefelhaltigen Schwerölen betrieben werden, einer stärkeren Rauchentwicklung bei Schwachlast. Durch
s. Abschn. 4.3.4.2. Außerdem kommt es besonders bei Einsatz der Flexible Camshaft Technologie (FCT) kann
Schwachlast zu verstärkter Bildung von Ruß, die sich durch jedoch bei geringer Leistung die Abgasschwärzung unter
starke Rauchfahnen bemerkbar macht: Ein Problem für see- der Sichtbarkeitsgrenze (Schwärzungszahl SZ d 0,4…0,5,
gehende Schiffe beim Manövrieren in Häfen. s. Abschn. 15.6) gehalten werden (s. Bild 18-32). Dazu wird
Um hier Abhilfe zu schaffen, sind zunächst innermoto- bei Schwachlast ab einer Leistung von etwa 25% der Nenn-
rische Maßnahmen angebracht, wie z. B. verbesserte Ein- leistung der Einspritznocken nach früh verschoben, so dass
spritzung, veränderte Ventilsteuerzeiten etc. [18-8], [18-14], in Verbindung mit einer modifizierten Einspritzpumpe eine
[18-15]. Externe Maßnahmen, wie Einsatz von Wasser- bessere Zerstäubung und somit rußärmere Verbrennung
Kraftstoff-Emulsionen oder Partikelfilter (s. Abschn. 15.5), erfolgt. Gleichzeitig öffnet und schließt das Einlaßventil
erschweren i. Allg. das Handling für die Motoranlage und unter Verzicht auf den Miller-Effekt später, während das
steigern deren Störanfälligkeit. Auslassventil früher öffnet, um über ein größeres Abgasge-
Diesem Grundsatz folgend, wurde bei der Entwicklung fälle den Ladedruck steigern zu können.
emissionsarmer MaK-Großdieselmotoren in einem ersten

Bild 18-32
NOX-Emission und Abgastrübung (SZ)
eines abgas-optimierten Dieselmo-
tors, Caterpillar M 43 C, für den
Schiffsantrieb (IMO-Grenzwert z. Zt.
NOX = 12,9 g/kWh, SZ: Schwärzungs-
zahl nach der Bosch-Filtermethode)
654 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-33
Mittelschnellläufer-Familie von MAN
Diesel im oberen Leistungsbereich,
bestehend aus vier weitgehend bau-
gleichen Reihenmotoren
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 655

18.3.6 Ausgeführte Motoren L40/54 und L32/40 mit Zylinderleistungen von 1400 kW,
1200 kW, 720 kW und 500 kW bei Drehzahlen von 428 bis
Aus der Fülle unterschiedlicher mittelschnelllaufender Mo- 750 min–1. Bemerkenswert ist der einheitliche konstruktive
toren verschiedenster Hersteller (besonders im unteren Leis- Aufbau dieser vier Motoren, die jeweils in Reihenanordnung
tungsbereich ist die Typenvielfalt sehr groß) können hier nur gebaut werden. Zusätzlich ist von den Typen mit 320 mm
einige wenige Beispiele herausgegriffen werden. und 480 mm Bohrung auch eine V-Version verfügbar.
Bild 18-33 zeigt die Familie großer Mittelschnellläufer Im Bereich von 250 bis 350 mm Bohrung existiert am
von MAN Diesel, bestehend aus den Typen L58/64, L48/60, Markt eine breite Palette von mittelschnelllaufenden Moto-

Bild 18-34
Wärtsilä 46
656 18 Industrie- und Schiffsmotoren

ren. Sehr erfolgreich war hier in den letzten Jahren u. a. der größeren Mittelschnellläufern vorbehalten waren, wie bei-
Wärtsilä 32. Bei einem Zylinderdurchmesser von 320 mm spielsweise einzeln aufgesetzte Zylindermäntel. Der zurzeit
und einem Hub von 400 mm wird bei einer Drehzahl von in Reihen-Version mit 6, 8, und 9 Zylindern angebotene
750 min–1 eine Zylinderleistung von 500 kW erreicht. Auch Motor besitzt bei 200 mm Bohrung, 300mm Hub und einer
dieser Motor wird in Reihen und V-Ausführung mit Zylin- Drehzahl von 1000 min–1 eine Zylinderleistung von
derzahlen von 6, 7, 8 und 9, bzw. 12, 16 und 18 gebaut. 190 kW.
Der größere Wärtsilä 46, den Bild 18-34 im Querschnitt
zeigt, hat einen Zylinderdurchmesser von 460 mm und 18.3.7 Ausblick
einen Hub von 580 mm. Er ist mit Zylinderleistungen von
975, 1050 und 1155 kW bei 500 1/min erhältlich. Für die An einen mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotor wer-
Entwicklungsstufe W46F wurde die Drehzahl auf 600 1/min den heute und künftig eine Reihe von Anforderungen ge-
gesteigert und damit eine Zylinderleistung von 1250 kW stellt, wobei aus der Sicht des Betreibers naturgemäß die For-
erreicht. derungen nach hoher Wirtschaftlichkeit, nach Zuverlässig-
Als Vertreter der kleineren Abmessungen im Bereich von keit und Einfachheit der Wartung im Vordergrund stehen.
200 mm Zylinderbohrung sei als Beispiel der Motor M20 Die technischen Konzepte moderner, mittelschnelllaufender
von MaK aufgeführt (Bild 18-35). Dieser Motor weist eine Viertakt-Dieselmotoren erfüllen diese Forderungen heute zu
Reihe von konstruktiven Merkmalen auf, die bisher den einem sehr hohen Prozentsatz. Hohe Lebensdauer bedeutet
vor allem niedrige Verschleißwerte der wichtigsten Bauteile.
Zur Wirtschaftlichkeit gehört die Einfachheit der Wartung,
d. h. der Einsatz von einfach zu handhabenden hydraulischen
Werkzeugen und die gute Zugänglichkeit der der Wartung zu
unterziehenden Bauteile.
Unter Wirtschaftlichkeit versteht man selbstverständlich
auch niedrige spezifische Verbräuche von Kraftstoff und
Schmieröl. Durch Anheben des maximalen Zylinderdruckes,
Optimieren des Verbrennungsprozesses sowie durch die
Entwicklungen in der Aufladetechnik konnten in den letz-
ten Jahren die Kraftstoffverbräuche wesentlich gesenkt
werden. Heute kann ein mittelschnelllaufender Viertakt-
Motor mehr als 50% der im Kraftstoff enthaltenen Energie
in mechanische Arbeit umwandeln.
Bei der Weiterentwicklung der mittelschnelllaufenden
Viertaktmotoren steht in den nächsten Jahren neben einer
weiteren Leistungskonzentration eine Reduzierung der
Emissionen an vorderster Stelle (s. Abschn. 18.3.5 bzw. Teil
IV dieses Buches).
Neben der Reduzierung des NOx-Ausstosses wird auch an
der weiteren Verringerung der Partikelemission intensiv
gearbeitet. Die Zielvorstellung bei den Mittelschnellläufern
geht dahin, durch Unterdrücken der Rußbildung künftig
auch im Schwerölbetrieb einen unsichtbaren Auspuff von
Leerlauf bis Volllast zu realisieren.
Dadurch könnte im Idealfall verhindert werden, dass sich
Verbrennungsprodukte des Schwefels an den Ruß anlagern
und die Partikelemission erhöhen. Wie in Abschn. 4.3
erwähnt, ist jedoch eine geringe Abgasschwärzung kein
Kriterium für eine ebenso geringe Partikelemission, sofern
Kraftstoff mit hohem Schwefelgehalt verbrannt wird.
Bei der Schallemission werden elastische und halbelas-
Bild 18-35 Querschnitt des Motors M20 von MaK tische Aufstellungen im Schiff zur Reduzierung des Körper-
schalls weiter an Bedeutung gewinnen. Den Luftschall wird
18.4  Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    657

man außer durch schallmindernde und schalldämmende Aufladeverfahren:


Maßnahmen am Motor selbst, was heute schon weitgehend – mechanische Aufladung,
ausgeschöpft ist, durch entsprechend schalltechnisch gestal- – Abgasturboaufladung,
tete Maschinenräume oder, soweit dies bei den Abmes- – kombinierte mechanische und Abgasturboaufladung.
sungen dieser Motoren machbar ist, durch Kapselung noch
weiter senken. Kombinationen der einzelnen Verfahren führten zu den ver-
schiedenartigsten Konstruktionen, die sich zum Teil bis in
18.4 Langsamlaufende Zweitakt- die 1970er-Jahre hinein halten konnten, wobei alle Hersteller
mit direkter Kraftstoffeinspritzung statt der anfangs üblichen
Dieselmotoren Lufteinblasung arbeiteten.
Die beiden sog. „Ölkrisen“ in der zweiten Hälfte der
18.4.1 Entwicklung und Merkmale langsamlaufender 1970er- bzw. zu Beginn der 1980er-Jahre lösten einerseits
Zweitakt-Dieselmotoren hinsichtlich der Kraftstoffökonomie des Diesel­motors
18.4.1.1 Entwicklung des Zweitakt-Langsamläufers nochmals große Entwicklungsschritte aus, andererseits lei-
teten sie eine Konzentration auf weltweit nur noch drei
Bald nach der Vorstellung des ersten Dieselmotors mit dem Firmen ein, die langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
von Diesel vorgesehenen Viertaktprinzip wurde gegen den Rat entwickeln und konstruieren sowie neben der Lizenzverga-
Diesels 1899 durch Hugo Güldner ein Zweitakt-Dieselmotor be z. T. auch selbst fertigen. Dies sind seit Mitte der 1990er-
vorgeschlagen und konstruiert, dem allerdings der Erfolg ver- Jahre, Bild 18‑36:
sagt blieb [18‑17]. Den Gebrüdern Sulzer, Winterthur, gebührt – MAN Diesel SE (ehemals MAN B&W DieselAG),
das Verdienst, den ersten lauffähigen, als Schiffsmotor einge- – Wärtsilä Schweiz (ehemals Gebrüder Sulzer/New Sulzer
setzten Zweitakt-Dieselmotor im Jahre 1906 vorgestellt zu ha- Diesel),
ben. Andere Firmen, wie MAN-Nürnberg, Krupp-Germania- – Mitsubishi Heavy Industries (MHI),
Werft, Burmeister & Wain (Kopenhagen) folgten bald darauf,
sah man doch in dem Zweitaktverfahren zusammen mit grö- wobei alle drei Anbieter das selbe Konzept verfolgen: Den
ßeren Zylinderabmessungen einen Weg, beim Schiffsantrieb langsamlaufenden einfachwirkenden, abgasturboaufgela-
in Konkurrenz zu den Kolbendampfmaschinen mit ihren denen, gleichstromgespülten Zweitakt-Dieselmotor.
großen Leistungseinheiten treten zu können. Es ist damit eine Tatsache, dass die einstmals große Viel-
Zwar würde theoretisch der Zweitaktmotor mit seinen falt des Konzepts im Wesentlichen einem aus heutiger Sicht
zwei Arbeitshüben die doppelte Leistung eines gleich gro­ logischen Konzept den Platz überlassen hat.
ßen Viertaktmotors erbringen, doch in der Praxis betrug
diese Zunahme aufgrund von Verlusten durch geringere 18.4.1.2 Übergang zur Gleichstromspülung
Reinheit der Ladung und das notwendige Verdichten der
Spülluft nur ca. 60%. Bis Mitte der 1970er Jahre bewegten sich bei allen noch im
Dies führte über Jahrzehnte gezwungenerweise zu einer Markt agierenden Herstellern die Hub/Bohrungsverhältnisse
großen Vielfalt von Motorkonzepten, die einerseits durch zwischen 1,7 und 2,1. Diese ließen die Umkehr- oder Quer-
allgemeine ähnliche Grundzüge geprägt waren, andererseits spülung zu, und zwar ohne Einbußen am Spülgrad. Diese
aber auch herstellerspezifische Merkmale trugen, die sich beiden Spülsysteme zeichneten sich durch besondere Ein-
u. a. mit den Namen Doxford, Grandi Motori Trieste (vorm. fachheit in der Konstruktion aus, die ohne Auslassventil im
Fiat), Götaverken, Stork, Werkspoor u. a. verbinden und Zylinderdeckel auskam. Die Wartung war dementsprechend
durch folgende Kriterien gekennzeichnet werden: äußerst einfach und bedienerfreundlich, was diesem Ma-
schinentyp zu besonderen Markterfolgen in den 60er und
Wirkungsweise: 70er Jahren verhalf.
– einfachwirkend, Die erste der sog. Ölkrisen (1973) löste in der Folge
– doppeltwirkend, jedoch eine klare Wende in der Entwicklung aus. Maßge-
– Gegenkolben. bend hierfür war, dass der Anteil der Kraftstoffkosten an
den gesamten Betriebskosten nach 1973 sprunghaft zu­nahm.
Spülverfahren: So wurde zur Einsparung von Kraftstoff nicht nur in schnel-
– Gleichstromspülung, ler Folge der maximale Zylinderdruck angehoben, sondern
– Umkehrspülung, es setzten auch auf der schiffbaulichen Seite Entwicklungen
– Querspülung. in Richtung Kraftstoffökonomie ein. So wurden die Propel-
658
18 Industrie- und Schiffsmotoren

a b c

Bild 18-36 Neuzeitliche Ausführungen von langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren mit Gleichstromspülung. a MAN B&W: S90MC-C (D=900 mm); b Mitsubishi: UEC85LsII (D=850 mm); c Wärtsilä RT-flex82C
(D=820 mm)
18.4  Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    659

lerdrehzahlen niedriger, die Durchmesser der Propeller und 18.4.1.3 Merkmale moderner Zweitakt-Langsamläufer
damit die Propellerwirkungsgrade größer.
Dies zog beim Zweitaktmotor zwangsläufig größere Hub/ Der langsamlaufende Dieselmotor hat in seiner mehr als 90-
Bohrungsver­hältnisse nach sich, um die mittlere Kolbenge- jährigen Geschichte eine enorme technische Entwicklung
schwindigkeit und damit die Leistungsausbeute beibehalten durchgemacht, ermöglicht durch:
zu können. – konzeptionelle Weiterentwicklung,
Die Firmen MAN-Augsburg und Sulzer konnten in dieser – Übergang auf die Gleichstromspülung,
Entwicklung mit ihren einfachen, ventillosen Motoren mit – Fortschritte in der Aufladetechnik und im Turbolader­bau,
einem Hub/Bohrungsverhältnis von ca. 2,1 bis Ende der – neue Erkenntnisse in der Werkstofftechnologie,
1970er Jahre mithalten. Dann aber drängte sich durch die – Nutzen moderner Entwicklungsverfahren theoretischer
Nachfrage des Marktes nach weiterer Senkung der Dreh- und experimenteller Art,
zahlen der Übergang zur Gleichstromspülung auf. Die – Übergang zur elektronisch gesteuerten Einspritzung und
MAN löste dieses Problem Anfang 1980 mit der Übernah- – Ventilsteuerung.
me der Dieselaktivitäten der dänischen Firma Burmeister &
Wain (B&W), da B&W-Zweitakt-Großmotoren mit einem Seit Anfang der 1950er Jahre stieg der mittlere effektive
Hub/Bohrungsverhältnis von ca. 2,4 bereits seit langem mit Druck pe der damaligen Saugmotoren von ca. 5 bar bei den in
der Gleichstromspülung liefen. der Folge aufgeladenen Motoren auf 20 bar, was einer Zu-
Für die Entwicklung und Konstruktion galt es in der nahme der spezifischen Nutzarbeit we von 0,5 auf ca. 2,0 kJ/
Folge, die sprichwört­liche Zuverlässigkeit der ventillosen, dm3 entspricht. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit nahm
umkehrgespülten, mit der geforderten größeren Langhubig- von ca. 5 auf über 9 m/s zu.
keit der gleichstromgespülten Motoren zu kombinieren. Der maximale Zylinderdruck pZmax nahm dabei von ca.
Diese Aufgabe wurde Anfang der 1980er Jahre von Sulzer 50 bar auf ca. 160 bar zu. Als konstruktives Merkmal heuti-
durch die Einführung der RTA-Baureihe („Superlongstro- ger Zweitakt-Großdieselmotoren, deren Zylinderdurchmes-
ke“) zuerst gelöst [18‑18], indem die Gleichstromspülung ser D zwischen 260 und 980 mm betragen kann, ist die aus­
mit zentralem Auslassventil übernommen und das Hub/ geprägte Langhubigkeit mit Hub/Bohrungsverhältnissen
Bohrungsverhältnis erstmals bis auf ca. 3,0 erhöht wurde. zwischen ca. 3,0 bis 4,2 anzusehen.
Dadurch waren wesentlich geringere Nenndrehzahlen mög- Als Spülverfahren wird heute ausschließlich die Gleich-
lich (67 min–1 bei den größten Motoren). stromspülung mit einem zwangsgesteuerten Auslassventil
Bald darauf wurden auch von MAN B&W (L…MC/ eingesetzt.
MCE) sowie Mitsubishi (UEC…L) derartige Motor-Baurei- Die durch die spezifische Kolbenflächenleistung PA gekenn-
hen angeboten. Mit diesen leistungskonzentrierten, extre- zeichnete Leis­tungsdichte erreicht dabei Werte von mehr als
men Langhubern ließ sich der die Betriebskosten bestim- 790 W/cm2, was zeigt, dass auch der große Zweitakt-Lang-
mende Kraftstoffverbrauch der Schiffsanlage, außer über samläufer ein „High-Tech“-Produkt darstellt, vgl. Abschn.
den besseren Verbrennungsprozess auch über den güns­ 1.2.
tigeren Propulsionswirkungsgrad verringern. Gleichzeitig sank der spezifische Kraftstoffverbrauch von
Heute unterscheiden sich die modernen, langsamlau- ca. 220 g/kWh in Verbindung mit Turbocompounding und
fenden Zweitakt­motoren aller drei Hersteller bezüglich der Abgaswärmerückgewinnung auf 154 g/kWh, was einem
Grundprinzipien nicht voneinander. effektiven Wirkungsgrad von ca. 55% entspricht. Dabei ist
Wie an anderen Industrieprodukten des auslaufenden 20. der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor dank der
Jahrhunderts zu beobachten war, hat auch hier eine „natür- Robustheit seines Grundkonzeptes gleichzeitig in der Lage,
liche“ Selektion stattgefunden, dies nicht zuletzt aufgrund der Kraftstoffe schlechtester Qualität zu verbrennen.
heute zur Verfügung stehenden modernen Konstruktions- Die Zylinderleistungen der größten Motoren stiegen wäh-
und Berechnungswerkzeuge, die rasch und effizient die Wahl rend dieses Zeit­raumes von einigen hundert kW auf über
der logisch richtigen Lösung gestatten. Trotz der in den letz- 5700 kW, womit Antriebsleistungen von über 80000 kW mit
ten Jahren stark erhöhten spezifischen Leistungen, geringeren einem Motor möglich wurden. In den letzten Jahren wurden
Motorgewichten und der damit verbundenen höheren Belas­ auch schon Antriebsleistungen von 100000 kW und mehr
tung, ist die Zuverlässigkeit dieser Maschinen soweit verbes- gefordert, bedingt durch den Trend zu immer größeren
sert worden, dass heute Überholintervalle von bis zu drei Containerschiffen, die wie bisher nur mit einem Propeller
Jahren möglich sind. Die wesentlichen Unterschiede zwi- ausgerüstet sind und mit Rücksicht auf den erhöhten Zeitbe-
schen den drei Herstellern liegen heute in den verschiedenen darf für das Be- und Entladen sowie den Linienverkehr mit
Konzepten für die elektronisch gesteuerte Einspritzung. gleicher bzw. auch höherer Geschwindigkeit laufen sollen.
660    18  Industrie- und Schiffsmotoren

Nach Gl. (1-13) besteht für die Motorleistung eine lineare 18.4.2 Konstruktion des modernen Zweitakt-
Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit we (bzw. vom Langsamläufers
mittleren effektiven Druck pe), der mittleren Kolbenge-
schwindigkeit cm und der Zylinderzahl z, wogegen die 18.4.2.1 Motorfamilien, Leistungskennfeld
Motorleistung mit dem Quadrat des Kolbendurchmessers D
zunimmt. Folgerichtig versuchten die Hersteller bisher den Wie bereits erwähnt, weisen alle heute angebotenen Zwei-
Forderungen nach größerer Leistung, abgesehen von der takt-Langsamläufer das gleiche Konzept und damit ähnliche
ständigen, schrittweisen Steigerung der spezifischen Leis­ Züge in ihrer Konstruktion auf, sodass es genügt, den Motor
tungsdaten, durch Motoren mit größeren Kolbendurchmes- eines Herstellers detailliert zu beschreiben.
sern nachzukommen. Die obere Grenze liegt bis jetzt bei D Da Motorleistung und Drehzahl beim direkt angetrie-
≤ 1 m, jedoch ist eine weitere Zunahme von D bei entspre- benen Propeller ein­ander fest zugeordnet sind, besteht für
chender Auslegung der thermischen Belastung (s. Abschn. jeden Hersteller auch die Notwendigkeit einer eng gestaf-
7.1), der Masse der Bauteile sowie der Gemischbildung und felten Motorenfamilie unterschiedlicher Bohrungen und
Verbrennung durchaus denkbar. Als weitere Möglichkeit Hub/Bohrungsverhältnisse. Hierzu stellt Bild 18‑38 beispiel­
bleibt die Erhöhung der Zylinderzahlen über die bisher haft die sich teil­weise überlappenden Kennfelder dar, wie sie
übliche Maximalzahl von 12 Zylindern hinaus. von einem Hersteller angeboten werden. Damit wird die
So bietet Wärtsilä bereits Zweitakt-Großmotoren mit Wahl des optimalen Motors unter Berücksichtigung zusätz-
960 mm Kolbendurchmesser (Type RTA96C und RT- licher Kriterien wie Einbaumaße, Zylinderzahl, Kraftstoff-
flex96C) und Zylinderzahlen bis zu z = 14 in Reihe an, so verbrauch usw. ermöglicht.
dass bei Werten von pe = 18.6 bar bzw. we = 1,86 kJ/dm3 Innerhalb der hier dargestellten Familie der Wärtsilä-
und cm = 8,5 m/s eine Zylinderleistung von 5720 kW und Motoren ist zu unterscheiden zwischen:
eine Gesamtmotorleistung von 80080 kW erreicht wird. – Motoren mit Hub/Bohrungsverhältnissen bis ca. 3,5
Damit stellt dieser Motortyp den bislang größten und leis­ (RTA52U, RT-flex60C, RTA62U, RTA72U, RTA82C/RT-
tungsstärksten Dieselmotor dar, der jemals gebaut wurde. flex82C,RTA96C/RT-flex96C), die relativ schnell drehend
Die ersten Motoren dieser Art wurden 2006 in Dienst hohe Leis­tungen vor allem für schnellere Schiffe, z. B.
gestellt. Containerschiffe oder Autotransporter, erbringen, und
Höhere Zylinderzahlen als z = 14 sind aus heutiger Sicht – Motoren mit Hub/Bohrungsverhältnissen über 4.0
kaum als realistisch anzusehen, da mit z zwangsläufig (RTA48T, RTA58T/RT-flex58T, RTA68/RT-flex68, RT-
Motormasse und Baulänge zunehmen, was insbesondere flex82T). Bei entsprechend geringeren Drehzahlen sind sie
Probleme hinsichtlich der Motorlager und der Belastung des für lang­samere Schiffe mit entsprechend größerem
Schiffsrumpfes aufwirft. Propeller, z. B. für Tanker, Massengutschiffe, be­stimmt.
Aus dieser Überlegung heraus führt MAN seit 2002 einen
noch größeren Motor vom Typ K108MC-C in ihrem Pro- Das Leistungskennfeld jedes Motors ist durch die Eckpunkte
gramm. Mit einer nominellen Zylinderleistung von 6950 kW R1/R2 bis R3/R4 bestimmt (Bild 18‑38), wobei die Nennleis­
würde dieser Motor bei einer maximalen Zylinderzahl von tung des Motors für eine bestimmte Anwendung innerhalb
z = 12 eine Gesamtleistung von 83400 kW erzielen. dieses Kennfeldes frei gewählt werden kann. Diese zusätz-
Weitere Überlegungen zur Reduktion von Baulänge und liche Freiheit gestattet – je nach Bedarf – die volle Leistungs-
Motormasse führten zur Option einer V-Anordnung der ausschöpfung (Punkt R1) oder eine leistungsreduzierte Vari-
Zylinder. Entsprechende Entwürfe und Berechnungen von ante mit dem Vorteil des geringeren Verbrauchs und/oder
MAN ergaben, dass sich für einen 12-Zylinder-V-Motor mit der niedrigeren Propellerdrehzahl.
900 mm Kolbendurchmesser die Motormasse um 15% und Eine weitere Auslegungsvariante stellt das R1+ -Kennfeld-
die Länge um 6,8 m d. h., um ca. 30%, reduzieren würden. konzept dar, mit den bei erhöhter Drehzahl und reduzierten
Auch zeigte sich, dass hinsichtlich Wartung und Zugäng- Mitteldrucke die gleiche Antriebsleitung in Verbindung mit
lichkeit keine größeren Probleme zu erwarten sind. Bislang einem um 2 g/kWh reduzierten Verbrauch dargestellt wer-
wurde jedoch noch keine dieser beiden Motorvarianten mit den kann.
größerer Bohrung oder V-Anordnung realisiert [18‑19].
In Bild 18‑37 ist die zeitliche Entwicklung der wesentli- 18.4.2.2 Konstruktive Gestaltung
chen Motorparameter von Wärtsilä 2-Takt-Grossdieselmo-
toren dargestellt. Motorgestell. Beginnend mit dem Motorgestell sollen die
typischen Merkmale eines modernen, langsamlaufenden
Zweitakt-Dieselmotors am Beispiel des im Bild 18‑36 darge-
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 661

Bild 18-37 Entwicklung der Motorparameter maximaler Zylinderdruck pZ,max und mittlerer effektiver Druck pe in den letzten 65 Jahren (Fa. Wärtsilä; RTX-2, RTX-4:
Forschungsmotoren)

stellten Motors des Typ Sulzer RTA96C erläutert werden, verlangte stabile Struktur. Alle Verschraubungen sind leicht
welcher der momentan leistungsstärkste, im Betrieb befind- von außen zugänglich. Die Spannungen und Deformationen
liche Dieselmotor der Welt ist (14RT-flex96C, 80080 kW, sind in diesen wichtigen Motorbauteilen sehr niedrig und
102 rpm). Für diesen Motor gelten die folgenden Motorpara- gewähren eine hohe Sicherheit, Bild 18-39. Dieser Grund-
meter: aufbau ist bei allen Motoren der RTA-Baureihe ähnlich und
Hub/Bohrung (mm/mm) 2500/960 (= 2,6) ist dem Prinzip nach auch bei den anderen Herstellern zu
Zylinderleistung (kW) 5720 finden.
Nenndrehzahl (min–1) 102
mittl. effektiver Druck (bar) 18,6 Triebwerk. Es ist der zentrale Bereich der Motorkonstruk-
spezifische Arbeit (kJ/dm3) 1,86 tion, durch dessen Gestaltung die ordnungsgemäße Funk-
mittlere Kolbengeschwindigkeit (m/s) 8,5 tion aller Triebwerkselemente, wie Kurbelwelle, Schub-
spez. Verbrauch (g/kWh) 171 (Pleuel)stange, Kreuzkopf, Kolbenstange, Lager etc., wäh-
maximaler Zylinderdruck (bar) 145 rend der gesamten Betriebsdauer von teilweise mehr als
Kolbenflächenleistung (W/cm2) 790 25 Jahren gewährleistet sein muss.
Die Kurbelwelle besteht aus geschmiedeten Einzelkröp-
Das Motorgestell dieses Motors besteht aus einer steifen, ge- fungen, die durch Querpresspassung (Schrumpfen) mit dem
schweißten Konstruktion mit Grundplatte und Ständer, in Grundlagerzapfen verbunden sind. Außer durch Einschrump-
der auch die Kreuzkopf-Bahnen aus Weißmetall integriert fen können Kröpfungen und Grundlagerzapfen auch durch
sind. Der daraufliegende gegossene Zylindermantel, der die Engspaltschweißen verbunden werden, Steifigkeit und Span-
Laufbuchsen aufnimmt, ist bei modernen Motoren „tro- nungen der sehr schlanken Kröpfungen werden durch FE-
cken“, d. h. enthält keinen Kühlwasserraum. Alle drei Kom- Berechnungen und dynamische Messungen sorgfältig opti-
ponenten sind miteinander verschraubt und geben somit die miert, Bild 18-40. Die Berechnungen benutzen dynamische
662    18  Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-38 
Kennfelder von Leistung und Drehzahl
für das Motorenprogramm von Wärt-
silä Zweitakt-Dieselmotoren

Analysen der Kurbelwellen- und Lagerbelastungen unter Die besonders hohe Zuverlässigkeit der Haupt-, Pleuel-
Berücksichtigung von Steifigkeit und Dämpfung der radialen und Kreuzkopflager ist ein Charakteristikum dieser Moto-
und axialen Lagerstrukturen einschließlich der Zylinder- renbauart. Die folgenden Gründe tragen dazu bei:
Dämpfungseffekte. Damit werden bei hoher Sicherheit kurze – Die spezifischen Belastungen werden durch eine ent­spre­
Zylinderabstände (ca. 1,75 x Bohrung) möglich. chende Dimensionierung relativ niedrig gehalten.
Um die Motorhöhe trotz großem Hubverhältnis zu – Die Weißmetall-Laufschicht weist sehr gute Notlauf­eigen­
be­schränken, wird eine sehr kurze Pleuelstange verwendet. schaften auf und ist sehr anpassungsfähig.
Das Schubstangenverhältnis r/l (Kurbel­radius/Pleuellänge) – Die klare Trennung zwischen Brennraum und Kurbelraum,
beträgt 0,5 bis 0,45, d. h., es ist etwa doppelt so groß wie die Zweitakt­motoren zu eigen ist, schützt diese Lager vor
üblich. Die hohen Seitenkräfte können jedoch ohne weiteres der Wirkung der Verbrennungsprodukte.
durch großzügig dimensionierte Flächen der Kreuzkopf-
gleitschuhe aufgenommen werden. Brennraum. In Anbetracht des bei großen Zylinderboh-
Das eigentliche Kreuzkopflager stellt eine Besonderheit rungen hohen Energieumsatzes (Brennstoffmasse) ist eine
dieser Motorart dar [18‑20]: Seine Bewegung ist lediglich sorgfältige Gestaltung des Brennraumes Voraussetzung für
oszillierend, der Belastungsvektor ist zudem stets nach die Betriebszuverlässigkeit. Die gleichzeitige Aufnahme ho-
unten gerichtet, womit eine zuverlässige hydrodynamische her thermischer und mechanischer Belastungen bei moder-
Schmierung bzw. die Ölzufuhr erschwert werden. Abhilfe nen aufgeladenen Dieselmotoren hat Ende der 1970er-Jahre
wird z. B. durch die hydrostatische Schmierung mit ca. 12 zur Einführung der Bohrungskühlung geführt, Bild 18‑42,
bar Öldruck in speziell dafür vorgesehenen Öltaschen welches von der Firma Sulzer bereits Ende der 1930er-Jahre
geschaffen. Mit deren Hilfe wird der Kreuzkopfzapfen bei zum Patent angemeldet wurde. Damit wird eine wirksame,
jeder Umdrehung kurz angehoben (Bild 18‑41), um die genau dosierte Kühlung der Brennraumteile (Kolben, Lauf-
Ölzufuhr sicherzustellen. buchse, Zylinderdeckel, Ventil und Ventilsitz) bei gleichzeitig
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 663

Bild 18-40 Kurbelwellen-Einzelkröpfung. FE-Rechnungen und Messungen


der Deformationen

Bild 18-39 Motorgestell (RTA95C), bestehend aus Grundplatte und Ständer


in Schweißkonstruktion mit gegossenen Einzel-Zylinderblöcken als Struk-
turmodell für FE-Rechnung

hoher Steifheit realisiert, ohne die Notwendigkeit von ther-


mischen Beschichtungen, sog. „Cladding“. Die Temperaturen
der Brennraumwände konnten somit trotz der kontinuier-
lich gestiegenen spezifischen Leistung in zulässigen Grenzen
gehalten werden, Bild 18-43. Die zur Kolbenkühlung anfangs Bild 18-41 Kreuzkopflager. Berechnung und Messung der Ölfilmdicke
verwendete Wasserkühlung wurde außerdem bei allen Zwei-
takt-Großmotoren durch die betriebstechnisch einfachere
Ölkühlung ersetzt. Insbesondere wurde durch Spritzdüsen
(„Jet-Shaker“) der Wärmeübergang in den Kühlbohrungen
gegenüber dem bisherigen „Shaker-Effekt“ um 50% gestei-
664 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-42
Bohrungskühlung

gert. Dieses Prinzip haben auch andere Motorhersteller


übernommen.

Auslassventil. Früher eine häufige Quelle von Störungen


beim Schwerölbetrieb, erreicht es bei dem hier beschrie-
benen Motor eine bemerkenswerte Zuverlässigkeit. Es wer-
den 80000 Betriebsstunden ohne Wartungsarbeiten erreicht,
was insbesondere auf das korrosionsfeste Ventilmaterial Ni-
monic 80A zurückzuführen ist. Neben den durch die Boh-
rungskühlung erreichten optimalen Oberflächentempera-
turen (Bild 18-43) trägt dazu auch die Selbstreinigung des
Ventilsitzes von Verbrennungsrückständen bei, die durch
das schleifende Aufsetzen des rotierenden Ventils bewirkt
wird. Die Ventildrehung wird periodisch durch das ausströ-
mende Abgas mittels eines am Ventilschaft angebrachten
Flügelrades erzeugt. Mechanische Schwingungen im Ventil-
antrieb werden durch die hydraulische Ventilbestätigung
ausgeschlossen. Zudem wird die Schließkraft für das Ventil
pneumatisch durch Kompression einer Luftfeder erzeugt.

Steuerwelle. Ihr Antrieb erfolgt sehr präzise durch Zahnrä-


der, die auch nach jahrelangem Betrieb im Vergleich zum
Bild 18-43 Gemessene Oberflächentemperaturen an den Brennraumwän- Kettenantrieb gleich bleibende Steuerzeiten garantieren. Die
den des Motors 11RTA96C bei einer Leistung von Pe = 54 340 kW, einem mitt- Einspritzpumpen und die Aktuatoren für den hydraulischen
leren effektiven Druck von pe = 18,2 bar (we = 1,82 kJ/dm3) und einer Dreh- Ventilantrieb sind für jeweils zwei Zylinder oben am Motor-
zahl von n = 90 min–1 (Leistungsstufe R3, s. Abschn. 18.4.4.1) ständer platziert. Das Umsteuern des Motors wird durch
Verdrehen der Einspritznocken mittels Einzel-Servopumpen
18.4  Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    665

ermöglicht. Die Einspritzpumpen sind bei Wärtsilä-Motoren – Chrom-Keramik-Kolbenringe zur Verbesserung des Ein­
ventilgesteuert, bei MAN B&W über Schrägkanten gesteu- lauf­verhaltens und der Betriebssicherheit,
ert. Eine Teillast-Optimierung kann durch eine variable Ein- – „Anti-polishing“-Ring am oberen Rand der Laufbuchse
spritzsteuerung (VIT) erreicht werden. Die Einspritzung er- zum Abstreifen möglicher Koksablagerungen am Kol­ben­
folgt durch drei Einspritzventile, die im Zylinderdeckel am hemd,
Umfang symmetrisch verteilt angeordnet sind und somit op- – Verbesserung des Schmierfilms und Verringerung der
timale Oberflächentemperaturen am Kolben gewährleisten, Mischreibungszonen [18‑20] durch elektronisch gesteuerte
s. Bild 18-43. Neu bei Zweitakt-Großdieselmotoren ist die Zylinderschmiersysteme zur exakten Dosierung der
Anwendung der Common Rail-Technologie, die erstmals Schmier­ölmenge, die besonders effektiv für die hy­dro­­dy­
durch die Firma Wärtsilä verwirklicht wurde, s. Abschn. namische Schmierung zwischen Ringen und Laufbuchse ist,
18.4.5.2. – Bohrungskühlung, wie beschrieben, zwecks optimaler
Bauteiltemperaturen,
Spülung und Aufladung. Der moderne Zweitakt-Langsam- – drei Einspritzdüsen zwecks optimaler Gemischbildung
läufer erfordert Turbolader mit hohem Gesamtwirkungsgrad und Verbrennungs­temperaturen sowie
bis zu 72% und hohem Druckverhältnis bis 4,2. Der Ladeluft- – Verhindern von Materialabtrag am Kolben.
kühler befindet sich bei kompakter Anordnung nahe beim
Zylindermantel. Das bei der Ladeluftkühlung unvermeid- Damit sind Überholintervalle von drei Jahren oder ca. 18000
bare Kondensat muss noch vor den Zylindern abgeschieden Betriebsstunden bei heutigen, modernen Zweitaktmotoren
werden, um Kaltkorrosion und eine Störung des Schmieröl- möglich geworden. Die Bedingungen, unter denen diese In-
filmes zu vermeiden. tervalle erbracht werden müssen, belegt Bild 18-44 mit Hilfe
Die symmetrische Anordnung der Spülschlitze und des der bei Propellerbetrieb gemessenen Betriebswerte für einen
Aus­lassventils er­möglicht eine effiziente Spülung, deren großen Zweitaktmotor.
Resultat ein volumetrischer Spülgrad von über 95% ist, ge­gen­ Der maximale Zünddruck erreicht danach bei Volllast
über Werten von ca. 85% bei umkehrgespülten Moto­ren. den Wert von 142 bar und wird durch die variable Steuerung
des Einspritzbeginns zwischen ca. 80% Last und Volllast
18.4.3 Betriebsverhalten des Zweitakt- konstant gehalten. Der Verlauf des spezifischen Kraftstoff-
Langsamläufers verbrauchs über der Last bleibt damit sehr flach. Bemerkens­
wert sind auch die sehr niedrigen Abgastemperaturen
Der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor hat mit gutem (ca. 450 °C vor bzw. 300 °C nach der Turbine), die auf einen
Grund den Ruf der zuverlässigsten Wärmekraftmaschine er- besonders hohen Wirkungsgrad dieser Motorenbauart hin-
langt. Während der letzten drei Jahrzehnte haben verschie- weisen, wobei noch genügend Energie für die Abgasboiler
dene Faktoren den Dieselmotorenbauer veranlasst, die inhä- bereitsteht.
rente Zuverlässigkeit des Motors zusätzlich zu erhöhen:
– Die Schwerölqualität hat sich seit der „Ölkrise“ in den 18.4.4 Zweitakt-Langsamläufer als Schiffsantrieb
1970er-Jahren spürbar verschlechtert, weil die Erdöl­raf­
finerien die Gewinnung leichter Destillate aus dem Rohöl 18.4.4.1 Abstimmen der Propulsionsanlage
durch neue Verfahren intensivierten (vgl. Abschn. 4.3).
– Die Kunden erwarten trotz der dadurch erschwerten Der optimalen Auslegung der Propulsionsanlage kommt
Betriebsbedingungen längere Überholintervalle von drei eine besondere Bedeutung zu, da der Dieselmotor ein Teil
Jahren, was dem üblichen Zyklus eines Schiffes für die eines Systems ist. Wichtige Parameter in dieser Hinsicht
periodische Wartung im Trockendock entspricht. sind:
– die optimale Abstimmung Schiff – Propeller – Motor,
Um dies zu erreichen, hat der Zweitakt-Großmotor in den – die Optimierung der für den Motor notwendigen Systeme
letzten Jahren weitere Verbesserungen erfahren. Als Beispiel (Schmieröl-, Kraftstoff-, Kühlsystem usw.),
sollen nur zwei der wichtigsten Baugruppen erwähnt wer- – die Vermeidung störender oder schädlicher Schwin­gun­
den, die für die Überhol­intervalle maßgebend sind: gen,
– die optimale Erzeugung der Hilfsenergie an Bord und
Kolbenring- und Laufbuchsen-Verschleiss. Der Entwick- – die optimale Ausnutzung der Abwärme.
lungsfortschritt in diesem Bereich beruht auf:
– vollgehohnte Laufbuchsen mit klar definierten Hart­pha­ Um Antrieb, Propeller und Schiff optimal aufeinander abzu-
senanteilen zur optimalen Betriebslastverteilung, stimmen, muss zunächst der mit einem Festpropeller gekop-
666 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-44
Verlauf der wichtigsten Motorparame-
ter am Beispiel des Motors 11RTA96C
bei Propellerbetrieb für R3-Leistung:
Pe = 54 340 kW; n = 90 min–1

pelte Dieselmotor, unter Berücksichtigung der Propeller- der Baureihe überlappend sind, können für einen bestimmten
und Schiffscharakteristika, aus den verfügbaren Typen einer Fall oft mehrere Motoren die gewünschte Leistung-Dreh-
Baureihe gewählt werden. Ausgehend von der Schiffsform zahl-Kombination liefern. Für die endgültige Entscheidung
und von den Propellerdaten kann die Propulsionsleistung können dann weitere Kriterien, wie Anzahl der Zylinder, Ab-
bei der gewählten Schiffsgeschwindigkeit aufgrund von Mo- messungen, spezifischer Verbrauch usw., beigezogen wer-
dellversuchen, Berechnungen und früheren Beispielen be- den.
stimmt werden. Dabei müssen die verschiedenen Schiffsbe- Werden vom Motor weitere Aggregate, z. B. Wellengene-
triebszustände, z. B. beladen, Ballast, saubere oder ver- ratoren, angetrieben, so müssen diese zusätzlich bei der
schmutzte Schiffsaußenhaut, berücksichtigt werden. Sind Festlegung der erforderlichen Nennleistung berücksichtigt
Leistung und Drehzahl bekannt, so erfolgt die Wahl des Mo- werden. Wellengeneratoren können ebenso wie eigene Die-
tors. Da die Leistungskennfelder der einzelnen Motoren aus selgeneratoren zum Erzeugen der an Bord des Schiffes
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 667

benötigten elektrischen Energie herangezogen werden. Die Wärtsilä, das sog. „Waste-Heat-Recovery“(WHR)-System,
sog. Hilfsdieselmotoren besitzen den Vorteil einer großen Bild 18-45. Ermöglicht wird dieses Konzept durch die Ent-
Betriebsflexibilität bei etwas höheren Betriebskosten, sofern wicklung hocheffizienter Turbolader, die heute Wirkungs-
sie nicht auch mit billigerem Schweröl statt Dieselöl betrie- grade bis zu 72% bieten.
ben werden (Unifuel-Konzept). Im Vergleich dazu weisen Ein Großteil der Abgasmenge wird nach dem Austritt aus
die über Getriebe mit dem Hauptmotor verbundenen dem Turbolader einem zweistufigen Dampferzeuger zuge-
Wellengeneratoren durch das PTO-Konzept (Power-Take- führt, der eine Dampfturbine speist. Der hohe Wirkungs-
Off) niedrige Kraftstoffkosten auf, erfordern aber höhere grad der Turbolader erlaubt es, etwa 10% der Abgasmenge
Investitionskosten in die Anlage. Ein wesentlicher Kosten- bereits vor dem Turbolader abzuzweigen und einer Abgas-
faktor ist dabei die erforderliche Anpassung der Stromfre- turbine zuzuführen, deren Welle über ein Getriebe mit der
quenz bei geänderter Propellerdrehzahl durch ein Getriebe Welle der Dampfturbine verbunden ist. Der von dieser
mit variabler Übersetzung oder einen Thyristor-Umrichter. Anordnung angetriebene Generator versorgt die elektrische
Dem energetisch vorteilhaften Einsatz von Turbogenera- Anlage an Bord des Schiffes mit zusätzlicher elektrischer
toren sind durch die niedrigen Abgastemperaturen von Leistung, die über einen Wellenmotor auch in erhöhte
270 ° bis 300 °C am Austritt der Abgasturbine enge Grenzen Antriebsleistung des Schiffes umgewandelt werden kann.
gesetzt. Der Gesamtwirkungsgrad des 2-Takt-Großmotors in Ver-
Bedingt durch den hohen thermischen Wirkungsgrad des bindung mit der Waste-Heat-Recovery-Anlage kann
langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotors wird über 50% dadurch auf ca. 55% gesteigert werden, Bild 18-46. Damit
der thermischen Energie in mechanische Arbeit umgesetzt, reduzieren sich die CO2-Emissionen im Vergleich zum
sodass im Vergleich zu 4-Takt-Dieselmotoren weniger Standardmotor um ca. 11%, und im gleichen Verhältnis
Abgaswärme für eine Rückgewinnung zur Verfügung steht. nehmen auch die übrigen Abgasemission, bezogen auf die
Die Abgaswärme wird primär zur Dampferzeugung genutzt, abgegebene Motorleistung, ab [18-21].
die der ersten Stufe des Ladeluftkühlers entzogene Wärme Die Firma MAN Diesel SE bietet ein ähnliches Konzept
zur Warmwasser- oder Frischwassererzeugung in Süßwas- unter dem Namen „Thermo Efficiency System“ (TES) an.
sergeneratoren, ebenso ein Teil der Kühlwasserwärme, s.
Kap. 14.
Eine attraktive Möglichkeit zur Abgaswärmenutzung bie-
tet ein erweitertes Turbocompound-Konzept der Firma

Bild 18-45
Schematische Darstellung einer
Schiffsantriebsanlage mit einem lang-
samlaufenden 2-Takt-Großdiesel-
motor und Abgaswärmenutzung
(Total-Heat-Recovery)
668 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-46 Wärmebilanz eines langsamlaufenden Zweitakt-Großdieselmo-


tors, Typ Wärtsilä 12RT-flex96C, mit einem Gesamtwirkungsgrad von 54,9% Bild 18-47 Berechnung des Schwingungssystems Motor – Propellerwelle –
durch Nutzung der Abwärme mittels Turbogenerator zur Erzeugung elekt- Propeller. Verminderung der Torsionsschwingungsamplitude mittels Dämpfer.
rischer Energie T1 zulässige Grenze für Dauerbetrieb; T2 zulässige Grenze für Durchfahrtbetrieb

18.4.4.2 Dämpfen von Schwingungen im Antriebsstrang Schwingungsamplitude mittels Schwingungsdämpfer redu-


ziert. Ähnliche Verfahren kommen auch bei der Dämpfung
Das Streben nach höherem Propulsionswirkungsgrad hat, wie oder „Verstimmung“ der Axialschwingungen des Wellensys-
bereits erwähnt, zu niedrigeren Motordrehzahlen für eine be- tems zur Anwendung.
stimmte Motorleistung geführt. Dies wurde erreicht durch Der Übergang zu kleineren Zylinderzahlen erfordert
– das Anheben des Hub/Bohrungsverhältnisses von ca. 2,0 zusätzliche Vorkehrungen zur Tilgung der bei Vier- und
auf über 4,0, Fünf-Zylindermotoren nicht ausgeglichenen freien Momente
– den vermehrten Einsatz niedrigtouriger Motoren mit erster und zweiter Ordnung. Die optimale Platzierung des
großen Bohrungen und folglich kleineren Zylinderzahlen, Motors im Schiff kann hier bereits Abhilfe leisten: Um keine
z. B. Vier- und Fünfzylindermotoren. Schiffskörperschwingungen anzuregen, sollte der Motor
nicht in einem Knotenpunkt des schwingenden Schiffskör-
Der Trend zu höheren s/D-Verhältnissen hat zu einer Herab- pers platziert werden. Kann hier trotzdem keine befriedigen-
setzung der Eigenfrequenzen der schlanker werdenden Kur- de Lösung gefunden werden, so werden die freien Mo-
belwelle geführt. Kritische Drehzahlen kommen damit öfter mente erster Ordnung durch Gegengewichte auf der Kurbel-
in die Nähe der Betriebsdrehzahl des Propulsionsmotors, so- welle in ihrer Phasenlage und Amplitude „verstimmt“. Die
fern dies durch eine sorgfältige Abstimmung des Schwin- freien Momente zweiter Ordnung können üblicherweise
gungssystems Motor – Propellerwelle – Propeller nicht ver- durch mit doppelter Motordrehzahl laufende „Lanchester“-
mieden wird, Bild 18-47. Können die Resonanzen nicht völ- Balancer ausgeglichen werden, s. Abschn. 8.1 bzw. 8.2. Für
lig aus dem Betriebsbereich eliminiert werden, so wird die das bei RTA-Motoren mit vier bis sechs Zylindern häufig
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 669

Theoretische Betrachtungen von Eberle [18-22] zeigen, dass


thermische Wirkungsgrade über 60% und noch höhere spe-
zifische Leistungen durchaus möglich sind. Da von Marine-
Dieselmotoren jedoch nach wie vor eine besonders hohe
Zuverlässigkeit gefordert wird, sind Kompromisse zugunsten
der Leistungskonzentration bzw. zu Lasten der Betriebs-
sicherheit nicht zulässig.
Nachfolgend sollen mögliche Entwicklungsszenarien hin-
sichtlich einiger Motorkennwerte erörtert werden, deren
Aussagen allerdings von nicht einschätzbaren Randbedin-
gungen, wie Wirtschaftswachstum, Umweltauflagen, Rohöl-
verfügbarkeit, technische Entwicklungen usw. beeinflusst
werden können und daher eine gewisse Unsicherheit in sich
bergen.

Mittlerer effektiver Druck und maximaler Zylinderdruck.


Ein konstantes Verhältnis von maximalem Zylinderdruck und
mittlerem effektiven Druck (bzw. spezifischer Arbeit) ent-
spricht thermodynamisch einem annähernd gleich bleibenden
Gleichraumgrad bzw. thermischen Wirkungsgrad. Bei einem
als optimal erwiesenen Verhältnis von pZmax/pe = 8,0 bei heu-
tigen Zweitakt-Großmotoren steigt damit der maximale Zy-
Bild 18-48 Momentenausgleich 2. Ordnung durch am freien Motorende an- linderdruck linear mit dem mittleren effektiven Druck, will
geordnete, elektrisch und an der Antriebsseite über Getriebe angetriebene man keinen Wirkungsgradverlust hinnehmen, Bild 18-50:
Unwuchten – Höhere mittlere effektive Drücke bedingen implizit hohe
Maximaldrücke im Zylinder, sodass bei einem pe = 21 bar
der Druck pZmax auf 168 bar steigt.
– Ebenso sind auch höhere Ladedrücke von ca. 4.2 bar und
auftretende vertikale Moment M2V zweiter Ordnung hat entsprechend hohe Wirkungsgrade des Turboladers von
sich die Anordnung einer elektrisch angetriebenen Unwucht ca. 72% notwendig (s. Abschn. 2.2).
am freien Motorende in Verbindung mit der an der Abtriebs-
seite im Motor integrierten und über ein Getriebe angetrie- Diese Werte sind aus heutiger Sicht durchaus realistisch. Im
benen Ausgleichsmasse bewährt. Die Wirkung des Momen- Hinblick auf das Bauteiltemperaturniveau bietet das Boh-
tenausgleichs kann dadurch unabhängig von Last und rungskühlungsprinzips (s. Abschn. 18.4.2.2) noch beträcht-
Drehzahl im Schiffsbetrieb kostengünstig erprobt und abge- liches Potenzial. Die tribologische Entwicklung der Paarung
stimmt werden, Bild 18-48. Eine weitere Möglichkeit zur Kolbenring-Laufbuchse muss diesem Trend ebenfalls folgen,
Dämpfung der Vibrationen, insbesondere bei Schiffen mit um die traditionelle Zuverlässigkeit des Zweitakt-Dieselmo-
weit achtern befindlicher Brücke, bietet die Anordnung tors beibehalten zu können.
eines ebenfalls elektrisch angetriebenen Balancers 2. Ord-
nung, der möglichst weit im Hinterschiff aufgestellt wird Hub/Bohrungsverhältnis und mittlere Kolbengeschwin-
und dabei evtl. auch störende Auswirkungen des Propeller- digkeit. Betrachtet man die allgemeine Definition der Mo-
momentes miterfasst, Bild 18-49. torleistung Pe (s. Abschn. 1.2) in ihrer Abhängigkeit von Zy-
linderzahl z, mittlerer Kolbengeschwindigkeit cm, Motor-
18.4.5 Ausblick drehzahl n, Hub/Bohrungsverhältnis s/D = ] und vom mitt-
leren effektiven Druck pe in einer weniger üblichen
18.4.5.1 Trendabschätzung der künftigen Entwicklung Formulierung
Pe ~ z · pe · cm3/(n2 · ]2),
Allgemeine Bemerkungen. Die gerade in den letzten Jahr-
so erhält man mit der vom Propeller absorbierten Leistung P
zehnten erreichten Fortschritte hinsichtlich Wirkungsgrad
als Funktion der Auslegungsdrehzahl np = n
und Zuverlässigkeit von Zweitakt-Großmotoren bedeuten
nicht, dass die Entwicklung ihre Grenzen bereits erreicht hat. Pe ~ na,
670 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-49
Erzeugung einer freien Kraft 2. Ord-
nung durch elektrisch angetriebene
Ausgleichsmasse zur Dämpfung der
vom Massenmoment M2V verursach-
ten Vibrationen

wobei a ≈ 0,3 ist, eine Abhängigkeit des Hub/Bohrungsver- den zu erwartenden Emissionsvorschriften erfordert aber
hältnisses von den genannten Parametern zwingend eine flexible Motoreinstellung mit elektronisch
gesteuerter Einspritzung und Auslassventilsteuerung.
]2 = ]1(n1/n2)1,15 · (pe2/pe1)0,5 · (cm2/cm1)1,5 · (z2/z1)0,5
Betriebsparameter, die bei Volllast einer optimalen Einstel-
lung entsprechen, sind im Teillastbereich nicht mehr ohne
Dabei entspricht der Index „1“ dem heutigen „State-of-the- weiteres ebenfalls optimal. Dazu ist die lastabhängige Ein-
art“-Referenzmotor, der Index „2“ der möglichen nächsten stellung
Entwicklungsstufe. – der Einspritzparameter,
Eine nochmalige Hub/Bohrungsverhältnis-Erhöhung ist – der Ventilsteuerzeiten,
zu erwarten – von Kühlung und Schmierung erforderlich,
– bei höherer Kolbenflächenleistung PA ≈ pe · cm , sowie ein Hochleistungs-Aufladesystem, das das erforder-
– bei der Anwendung noch größerer, langsam drehender liche Druckverhältnis in Verbindung mit dem benötigten
Propeller mit höherem Wirkungsgrad. höheren Wirkungsgrade liefern kann.
Damit kann:
Der Erhöhung des Hub/Bohrungsverhältnisses stehen je- 1. das Motorverhalten bezüglich Verbrauch, Belastung,
doch die höheren spezifischen Kosten und die Höhe und Emissionen bei jeder Last optimal eingestellt werden,
Breite des Motors entgegen. 2. die Zuverlässigkeit der Bauteile durch Überwachung und
Eine Steigerung des Leistungsbereiches hochaufgeladener Regelung der wichtigen Motorfunktionen erhöht wer-
Zweitakt-Langsamläufer durch Anheben des mittleren den.
effektiven Drucks auf 21 bar und darüber in Verbindung mit
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 671

Bild 18-50 Maximaler Zylinderdruck pZmax, Ladeluftdruck pL und Tubola- 18-51 Aufbau eine Wärtsilä RT-flex96C 2-Takt-Dieselmotors mit schweröl-
der- Wirkungsgrad ηTL als Funktion des mittleren effektiven Druckes pe bei tauglichem Common Rail-Einspritzsystem und elektronisch gesteuertem Aus-
gleich bleibendem thermischen Wirkungsgrad lassventil

Die in den letzten Jahren entwickelte Common Rail-Ein- deckel befinden, Bild 18-51. Von dort aus gelangt der Brenn-
spritzung erfüllt die dafür erforderlichen Voraussetzungen. stoff und das Hydrauliköl über je eine Steuereinheit zu den
drei peripheren Einspritzventilen bzw. zu dem zentralen Aus-
18.4.5.2 Common Rail-Technologie bei Zweitakt- lassventil auf jedem Zylinder. Durch die vollelektronische
Großdieselmotoren Steuerung beider Funktionen sind die wichtigen Betriebspa-
rameter Einspritzzeitpunkt und -dauer sowie Bewegung des
Ein technologischer Sprung in die erwähnte Entwicklungs- Auslassventils vollkommen frei einstellbar. Während das Ser-
richtung ist mit der Einführung des schweröltauglichen Com- vosystem für die Ventilbetätigung mit einem Druck von 200
mon Rail-Einspritzsystems für große Zweitaktmotoren er- bar arbeitet, liegt der maximale Einspritzdruck im Brenn-
reicht worden. Das RT-flex-Konzept der Firma Wärtsilä stoff-Rail bei 1000 bar. Die Einspritzsteuerung für jeden Zy-
wurde seit 1998 am Versuchsmotor erprobt und 2001 erst- linder erfolgt volumetrisch durch einen in der Einspritzsteu-
mals auf einem Serienmotor des Typs 6RT-flex58T eingesetzt. ereinheit integrierten Dosierkolben, dessen Position zu jedem
Die Nockenwelle, die bisher die Einspritzung und die Betäti- Zeitpunkt elektronisch erfasst wird und dadurch eine exakte
gung des Auslassventils steuerte und das Optimierungspoten- Zumessung der Einspritzmenge für jeden Zylinder ermögli-
tial stark einschränkte, wurde durch eine elektronische Steue- cht. Die drei Einzeldüsen pro Zylinder sind einzeln ansteuer-
rung ersetzt, die große Flexibilität für eine Optimierung des bar und erlauben damit auch die Abschaltung einzelner Dü-
Motors unter verschiedensten Betriebsbedingungen bietet. sen bei tiefen Lasten, um das Einspritzverhalten bei kleinsten
Sowohl der Schwerölbrennstoff als auch das Hydrauliköl zum Brennstoffmengen zu verbessern und die Bildung von Teillast-
Betätigen der Auslassventile werden von einer zentralen rauch zu verhindern [18-23].
Pumpeneinheit („Supply Unit“) den beiden Speichern in der Die wesentlichen Vorteile des RT-flex Systems liegen in
„Rail Unit“ zugeführt, die sich auf der Höhe der Zylinder- einem reduzierten Brennstoffverbrauch und geringerer
672    18  Industrie- und Schiffsmotoren

Abgasemission. Außerdem bietet diese Technologie die Stelle des Pflichtenhefts. Der inhärente Vorteil des langsam-
Möglichkeit, die Betriebsparameter des Motors selbsttätig laufenden Dieselmotors besteht in seinem hohen Wirkungs-
dem aktuellen Motorzustand anzupassen, was einen elemen- grad. Damit sind auch die Kohlendioxidemissionen sowie
tar wichtigen Schritt hin zum „intelligenten“ Motor darstellt. der Anteil von unverbrannten Kohlenwasserstoffen sehr ge-
Im Einzelnen werden durch die Common Rail-Technolo- ring. Das gilt auch für den Rußanteil, jedoch nicht für die der
gie folgende Vorteile für das Betriebsverhalten des 2-Takt- ISO-Normung zugrunde gelegte Partikelemission, insbeson-
Großmotors erzielt: dere bei Schwerölbetrieb (s. Abschn. 4.3.4.2).
– geringerer Kraftstoffverbrauch im mittleren und oberen Demgegenüber ist der Anteil der Stickoxide – verglichen
Teillastbereich durch variablen Einspritzdruck und frei mit anderen Wärme­kraftmaschinen mit niedrigerem Wir-
wählbare Ventilsteuerzeiten, kungsgrad – relativ hoch. Der geltende Stickoxidgrenzwert
– rauchfreier Betrieb unter allen Betriebsbedingungen, der IMO Marpol Annex VI-Vorschrift für Schiffsmotoren
– präzise Drehzahlregelung und stabiler Motorlauf selbst bei liegt für Motoren mit einer Drehzahl unter 130 min-1 bei
niedrigsten Drehzahlen im Bereich von 10–15 Um­dre­ 17.0 g/kWh. Um diesen Wert einzuhalten, werden bei heu-
hungen pro Minute, tigen Zweitakt-Großmotoren folgende Maßnahmen ange-
– geringere mechanische und thermische Belastung durch wendet:
gleichmäßigere Verbrennung und ausgeglichenes Zylin- – höheres Verdichtungsverhältnis,
­der­druckniveau, – optimierte Spritzlochgeometrie der Einspritzdüsen
– einfachere Einstellung und geringerer Wartungsbedarf der (An­zahl, Lochdurchmesser, Spritzwinkel) und
Common Rail-Komponenten, – späterer Einspritzzeitpunkt.
– höhere Betriebssicherheit und Verfügbarkeit durch
integrierte Überwachungsfunktionen sowie Redundanz Das Potenzial zur weiteren Minderung der NOX‑Emission
von Schlüsselkomponenten, durch Ausschöpfen aller hier aufgezeigten Möglichkeiten ist
– niedrigeres Motorgewicht (ca. 2 t pro Zylinder bei mittleren nur noch gering, s. Bild 18‑52 (optimierte NOX‑Re­duktion).
Bohrungsgrößen) und Ein weiteres Absenken des Grenzwertes für Stickoxide im
– geringere Vibrationen. Rahmen der IMO-Vorschrift bzw. loka­ler Abgasgesetzge-
bungen ist absehbar. Zur weiteren NOX-Reduktion stehen
Das Startluftsystem wird ebenfalls elektronisch gesteuert folgende zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung (s. dazu
und erlaubt dadurch ein verbessertes Start- und Bremsver- Bild 18‑52):
halten des Motors im Vergleich zu mechanisch gesteuerten – Optimieren der Einspritzparameter durch Common Rail
Anlagen. Einspritzung (CR Injektion).
Die Firma MAN Diesel SE hat ihr 2-Takt-Motorenpro- – Reduktion von NOX zwischen 20% und 50% durch
gramm in den letzten Jahren ebenfalls um eine elektronisch motorinterne Maßnahmen unter Verwen­dung von Wasser
gesteuerte Baureihe mit der Bezeichnung „ME“ erweitert, (Wet-Technologies), wie Spülluftbefeuchtung, Wasser-
bei der die Nockenwelle durch ein elektro-hydraulisches Kraftstoff-Emulsionen, direkte Wassereinspritzung, auch
Servo-Ölsystem ersetzt wurde. Dieses System, das nicht mit in Kombination mit der Common-Rail-Einspritzung
einem Common Rail-System gleichzusetzen ist, nutzt elek- (Wärtsilä RT-flex –Verfahren).
tro-hydraulisch betätigte Einzelpumpen für die Brennstoff­ – Kombination von Wassereinspritzung mit interner
einspritzung sowie elektronisch gesteuerte Ventilaktuatoren Abgasrückführung durch Verkürzen des Spülvorganges
für die Auslassventilfunktion [18‑24]. Die Flexibilität von (WaCoReG) ermöglicht eine NOX-Reduktion bis zu 70%.
Einspritzdruck, -timing und Ventilsteuerzeiten ist vergleich- – Abgasnachbehandlung mittels eines SCR-Katalysators, in
bar mit der von Common Rail-Systemen. Wesentliche den Ammoniak oder eine Harnstoff-Lösung eingespritzt
Unterschiede sind die erhöhten Anforderungen an das wird (s. Abschn. 15.5), ermöglicht eine bis zu 95%ige
hydraulische Dämpfverhalten im Servo-Ölsystem, dem mit Umsetzung der Stickoxide.
Hilfe von Blasenspeichern Rechnung getragen wird, sowie
der Verzicht auf individuelle Ansteuerung und Abschaltung Bei Zweitakt-Großmotoren ist der SCR-Katalysator vor dem
einzelner Einspritzdüsen. Abgasturbolader zu platzie­ren, da hier die Abgastemperatur
noch ein ausreichend hohes Niveau besitzt, um eine optimale
18.4.5.3 Abgasemissionen Umsetzungs­rate zu erreichen und gleichzeitig Korrosions-
probleme zu verhindern. Besonders kom­pakte Ausfüh­rungen
Die Reduktion der Abgasemissionen steht bei der Weiterent- erlauben den Einbau des Katalysators in das Abgasrohr am
wicklung großer Zweitakt-Schiffmotoren heute an oberster Motor.
18.4  Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    673

Bild 18-52  Maßnahmen zur Reduktion von Stickoxiden für einen langsamlaufenden Zweitaktmotor und ihr Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch be , ausgehend vom
z. Zt. gültigen NOX-Grenzwert von 17 g/kWh gemäß IMO-Vorschrift als Basis

Gleichzeitig kann bei Einsatz eines SCR-Katalysators 18.4.5.4 Schlussbetrachtung


durch einen modifizierten Verbennungsab­lauf außerdem
der Brennstoffverbrauch verringert werden, wogegen die Der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor konnte seinen
bisher besprochenen Re­duktionsmaßnahmen stets einen Vorsprung bezüglich thermischem Wirkungsgrad, Schweröl-
höheren Brennstoffverbrauch bedingen, Bild 18‑52. Die tauglichkeit und Zuverlässigkeit im Wettbewerb mit anderen
Nutzung der Abwärme mittels eines Dampferzeugers in Wärmekraftmaschinen als dominierende Antriebsquelle für
Verbindung mit einem Turbogenerator und einer Ab­gas- Hochseeschiffe bisher behaupten und sogar ausbauen. Auch
Nutzturbine (Total Heat Recovery, s. Bild 18‑45) liefert eine die Zukunftsaussichten sind ermutigend, da bezüglich Leis­
insgesamt um 11% gesteigerte Ge­samtleistung der Antriebs­ tungsdichte, Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Emis­
anlage, was umgekehrt eine Reduktion der leistungsbezo- sionsverhalten dank des technischen Fortschritts im Bereich
genen Stickoxide­mission um den selben Betrag bedeutet der Werkstofftechnologie, der Turboaufladung und der elek-
und gleichzeitig eine entsprechenden Wirkungsgraderhö­ tronisch gesteuerten Common Rail- Einspritzung noch ein
hung, wodurch sich der Kraftstoffverbrauch um 18 g/kWh beträchtliches Potenzial vorhanden ist. Dem Einsatz mo-
reduziert, s. Bild 18‑52. dernster Technologien zur weiteren Verminderung der Ab-
gasemissionen, insbesondere von Kohlendioxid, Stickoxiden,
Schwarzrauch und Partikel, kommt dabei entscheidende Be-
deutung zu.
674    18  Industrie- und Schiffsmotoren

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