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Belastung von Motorbauteilen

7.1 Mechanische und thermische gezielt angewendete mechanische oder chemo-thermische


Bauteilbelastung Oberflächenbehandlung wie Kugelstrahlen, Walzen, Nitrie-
ren, Einsatzhärten o. ä. eingebracht. Die Ermittlung dieser
Beanspruchungsgrößen ist jedoch schwierig und nicht
7.1.1 Mechanische Bauteilbelastung
immer machbar, zudem erschweren mögliche Spannungs-
Die Ermittlung der wirksamen Lasten im Dieselmotor ist für umlagerungen im späteren Motorbetrieb die Bewertung im
die Auslegung der einzelnen Motorkomponenten und Bau- Hinblick auf die Bauteilsicherheit.
gruppen von entscheidender Bedeutung. Die Bestimmung
der Beanspruchung ist dabei eine wichtige Voraussetzung für Thermische Belastung
die Dimensionierung der Bauteile. Sie bildet die Grundlage
bei der Bestimmung der geometrischen Abmessungen, des Die thermische Belastung ist relevant für Bauteile, die an den
zu verwendenden Werkstoffs oder auch des anzuwendenden Brennraum an­grenzen [7-2] sowie für diverse Verrohrungen
Fertigungsverfahrens. Damit kommt der Belastungsanalyse und den Abgasstrang. Die Aufheizung dieser Bauteile erfolgt
im Entwicklungsprozess eine wichtige Rolle bei der Kosten- durch die während eines Arbeitsspieles stark schwankende
und Kapazitäts­abschät­zung zu und bestimmt wesentlich die Gastemperatur. Aus Bild 7‑1 geht hervor, dass bei Dieselmo-
Zuverlässigkeit des Dieselmotors. toren kurzzeitig hohe Spitzentemperaturen erreicht werden.
Bei der Beanspruchungsanalyse muss zwischen unter- Diese Temperatur­schwankung wird allerdings infolge der
schiedlichen Belastungs­arten unterschieden werden, da Trägheit des Wärmeüber­gangs an der Bauteiloberfläche
diese in ihrer Auswirkung verschieden sind. Im Wesent- praktisch nicht wirksam, wobei hier auch die isolierende
lichen wird zwischen drei Belastungsarten unterschieden. Wirkung von Rußschichten eine große Rolle spielt. Die in
Bauteilen auftretenden Temperaturfelder können demnach
Statische Belastung häufig als quasi-stationär betrachtet werden, d. h. bei unver-
änderter Motorbelastung ändern sich auch die Tempera­
Eine statische Vorbelastung in beachtenswerter Größe turfelder nicht. Dies gilt ausdrücklich nicht bei thermischen
kommt bei Motoren durch Schraubenanzugskräfte zustande, Belastungen, die aus An- und Abstellvorgängen entstehen.
da entsprechend dem konstruk­tiven Aufbau die einzelnen In allen Brennraumbauteilen stellen sich wegen der Wär-
Baugruppen eines Dieselmotors in aller Regel durch meleitung Temperatur­felder ein, die von der beheizten
Schraubenver­bindungen zusammengefügt werden. Hiermit Oberfläche in Richtung der gekühlten Ober­fläche die größ-
zusammenhängende Dimensio­nierungsfragen werden ten Temperaturgradienten aufweisen. Die dadurch entste-
i. Allg. auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 2230 [7‑1] be- henden Temperatur­unterschiede erzeugen entsprechende
handelt. Auch Presspassungen (z. B. bei thermisch oder hy- Wärmedehnungen und damit auch Wärme­spannungen. Die
draulisch gefügten Bauteilen) führen zu statischen Bean- absolute Höhe der Temperatur hat dabei einen Einfluss auf
spruchungen. die ertragbaren Spannungen (temperaturabhängige
In manchen Beanspruchungskonzepten werden darüber Werkstoff­festigkeiten), aber auch auf die Höhe der auftre-
hinaus auch Eigen­spannungen als statische Belastung inter- tenden Spannungen.
pretiert. Diese können aus dem Herstellverfahren (z. B. Die Bewertung der thermischen Beanspruchung kann
Guss- oder Schmiedeverfahren, Schweißprozess, Bearbei- zum einen durch eine Interpretation als quasi-statische Last
tungsverfahren) entstehen, oder sie werden durch eine erfolgen, sie findet dann häufig in der Mittelspannung ihre
220    7  Belastung von Motorbauteilen

Berücksichtigung. In anderen Fällen kann es jedoch nötig ein Resonanzfall vor­liegt. Beanspruchungsrelevante Reso-
werden, die thermische Belastung als zeitlich wechselnde nanzzustände sind hauptsächlich bei Bauteilen mit nied-
Last zu bewerten. Dies gilt insbesondere dann, wenn in rigen Eigen­frequenzen zu befürchten, da die schädigenden
Bauteilen Spannungen auftreten, die infolge behinderter Resonanzamplituden zu höheren Eigenfrequenzen hin
Ausdehnung zu einer bleibenden Verformung (örtliche schnell abklingen. Betroffen sind häufig Anbauteile wie
Plastifi­zierung) führen. Hier müssen zur Bewertung ent- Verrohrungen oder Verschalungen, aber auch die Auflade-
sprechende Low-Cycle-Konzepte herangezogen werden. gruppe oder Pumpen. Dabei spielt neben der Resonanzlage
noch die jeweilige Eigendämpfung eine Rolle, die eine Grö-
Dynamische Belastung ßenordnung von 1 bis 10% annehmen kann.
Weitere dynamische Bauteilbelastungen resultieren aus
Eine wesentliche Ursache für eine zeitlich wechselnde me- den Massenkräften infolge der Triebwerksdynamik [7-3].
chanische Belas­tung ist der veränderliche Gasdruck im Zy- Zu unterscheiden ist zwischen den rotierenden Massen, die
linder (Bild 7‑1), mit dem die Brennraum­bauteile wie Kol- rotatorische Massenkräfte (Fliehkräfte) hervorrufen, und
ben, Zylinderkopf oder Zylinderlaufbuchse unmittelbar be- den mit der Kolbenbewegung oszillierenden Massen, die
aufschlagt werden. Die eingeleiteten Gaskräfte werden über oszillierende Massenkräfte erzeugen. Auch diese können
anschließende Bauteile weitergeleitet, so dass vom Gasdruck schwingungsanregend wirken (s. Abschn. 8.2). Fliehkräfte
erzeugte Belastungen letztlich in allen Bauteilen eines Diesel- ergeben bei konstanter Drehzahl für das Bauteil eine sta-
motors nachweisbar sind. Um die an einem diskreten Teil tische Belastung. In Bauteilen, die aus einer Fliehkraftbelas­
angreifenden Belastungen bestimmen zu können, ist es not- tung resultierende Reaktionskräfte aufnehmen müssen,
wendig, Kraftfluss und Kräftegleichgewicht innerhalb des können jedoch Schwingkräfte entstehen. Zum Beispiel
Motors zu betrachten. induzieren Fliehkräfte in der Kurbelwelle durch Unwucht-
Aus dem maximalen Gasdruck (Zünddruck) folgt die wirkung und Strukturverformung eine Schwingbelastungen
maximale Gaskraft, die für viele Bauteile eine wesentliche im Lager und damit im Motorgehäuse. Im Hinblick auf die
Dimensionierungsgröße darstellt. Diese verein­fachende Bauteil­beanspruchungen durch Massenkräfte gilt Ähnliches
quasi-statische Betrachtungsweise ist dann nicht mehr wie bei den Gaskräften, d. h. bei bestimmten Bauteilen ist
zulässig, wenn die elastischen Bauteile zu Schwingungen eine quasi-statische Dimensionierung aufgrund maximaler
angeregt werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Massenkräfte ausreichend, während bei anderen die zusätz-
Bauteile Eigenfrequenzen aufweisen, die durch starke har- liche Schwingungs­anregung speziell auch für Resonanzfälle
monische Anteile der Gaskräfte angeregt werden, d. h. wenn zu berücksichtigen ist.

Bild 7-1 
Zeitlicher Verlauf des Gasdruckes (Kur-
ve a) und der gemittelten Gastempe-
ratur (Kurve b) bei einem mittel-
schnelllaufenden Viertaktmotor
7.1  Mechanische und thermische Bauteilbelastung    221

Abschließend sei noch kurz die Stoßdynamik erwähnt. Das wichtigste Messverfahren zur Spannungs­analyse ist
Diese tritt z. B. beim Aufsetzen der Ventile auf den Ventil- im Motorenbau die Messung mit Dehnungsmessstreifen
sitz oder beim Schließen der Einspritzdüsen­nadel auf und [7‑5]. Es werden dabei lokale, spannungs­proportionale Bau-
kann hohe Beanspruchungen mit stark schädigender Wir- teildehnungen erfasst, die durch die statische und dyna-
kung im Hinblick auf die Bauteilfestigkeit oder -verschleiß mische Belastung des zu messenden Bauteiles entstehen.
induzieren. Durch die vielfach verwendete 3-Leiter-Messtechnik kön-
Für die globale Schwingungsbeanspruchung ist neben der nen sowohl die Dehnungsamplitude als auch Mitteldeh-
Gas- und Massenkraft­verläufe der einzelnen Zylinder auch nungen erfasst werden. Auf diese Weise können neben den
das Zusammenwirken der einzelnen Zylinder zu beachten. dynamischen Anteilen auch quasi-statische Beanspru-
Dies führt zu einer von der Zündfolge abhängigen Phasen­ chungen wie z. B. wärmeaus­dehnungs­bedingte Spannungen
ver­schiebung innerhalb eines Arbeitsspieles mit entspre- im Bauteil ermittelt werden. Diese Messtechnik hat heute
chenden Auswirkungen z. B. auf die Torsionsbean­spru- einen Stand erreicht, der Messungen auch unter schwie­rigen
chung der Kurbelwelle oder auf das Verhalten des Gesamt- Bedingungen erlaubt, z. B. bei wasserumspülten Oberflä-
motors. chen, hohen Oberflächentemperaturen oder bei der Mess-
wertübertragung von bewegten Bauteilen (Bild 7‑2).
7.1.2 Bauteilbeanspruchung Um ein Höchstmaß an Sicherheit bei der Ermittlung der
Bauteilbeanspruchung zu gewährleisten, ist der kombinierte
7.1.2.1 Allgemeine Zusammenhänge Einsatz von Berechnungs- und Messmethoden (sofern von
der Zugänglichkeit und den Größenverhältnissen her mög-
Die Verfahren zur Ermittlung der Beanspruchung in einem lich) erforderlich. So können Theorie und Praxis zu einer
Bauteil oder einer Baugruppe lassen sich prinzipiell in Be- ganzheitlichen Sichtweise zusammengeführt werden und
rechnungsverfahren und Messverfahren unterteilen. sich damit in hervorragender Weise ergänzen.
Ein gebräuchliches Berechnungsverfahren zur Bestim-
mung von Spannungen ist die klassische Festigkeitstheorie 7.1.2.2 Beanspruchung ausgewählter Motorbauteile
für Wellen, Schrauben, Rohre usw. Mit diesen Methoden
lassen sich mit relativ geringem Aufwand vielfach ausrei- Pleuel eines mittelschnelllaufenden Dieselmotors
chende Ergebnisse für den Festigkeitsnachweis erzielen.
Generell ist der Einsatz analytischer und/oder empirischer Typisch für die Pleuel eines Motors ist, dass im Hinblick auf
Berechnungsmethoden im Bereich der Bauteilauslegung die Festigkeit nur die mechanischen Belastungen relevant
weit verbreitet und ist vor allem für erste Entwürfe, Varian­ sind. Die Bauteiltemperaturen liegen im Bereich der Öltem-
tenrechnungen und Voroptimierungen gut geeignet. Die peratur und weisen nur geringe Gradienten auf. Damit spie-
Ergebnisgrößen sowie deren Genauigkeit sind jedoch häufig len sie weder für die Festigkeitskennwerte noch für die Bean-
eingeschränkt gültig, da sich wichtige Eingangsdaten wie spruchung eine Rolle. Die Hauptbeanspruchungen in einem
Strukturelastizität, nichtlineares Material- und Kontaktver­ Pleuel werden durch die maximale Gaskraft im Zünd-OT
halten meistens nicht allgemein berücksichtigen lassen. Um („Stauchen“) und im Gaswechsel-OT durch die Massenkraft
die volle Komplexität der Randbedingungen und Bauteilge- des Kolbens bzw. des Pleuels selbst („Ziehen“) hervorgeru-
ometrien in die Beanspruchungs­berech­nungen zu integrie- fen. An einigen Auswerte­punkten sind die maximalen Span-
ren, wird vor allem die Finite-Elemente-Methode (FEM) nungen nicht einer OT-Stellung des Pleuels zuzuordnen. So
[7‑4] eingesetzt. Die damit gewonnenen Aussagen weisen kann z. B. die Querbiegung für manche Punkte (z. B. für die
ein Höchstmaß an Ergebnisgüte und -vielfalt auf. Die Pleuelschrauben) bestimmend sein. Bei manchen Pleuelkons­
Anwendung dieses Verfahrens ist jedoch im Konstruktions- truktionen können sogar Eigenfrequenzen eine Rolle spielen.
prozess vergleichsweise aufwändig und damit zeitintensiv. Werden diese durch entsprechende Erregerfrequenzen (z. B.
Um die Randbedingungen für diese Rechnungen adäquat aus dem Gasdruckverlauf) angeregt, so kann dies allein zum
erfassen zu können, finden immer häufiger Kopplungen zu Versagen des Bauteils führen. Immer häufiger müssen auch
Mehrkörpersimulationsprogrammen (MKS), Strömungs- die Relativbe­wegungen zwischen den einzelnen Bauteilen
programmen (CFD) oder Lagerberechnungsprogrammen (z. B. zwischen Lagerkörper und Lagerschale) eingehend un-
(HD‑/EHD) statt. Auf diese Weise kann eine gesamte Funk- tersucht werden. Ein unzulässiges Maß an Relativ­bewegung,
tionsgruppe wie z. B. der Kurbeltrieb, Wellenstrang oder verbunden mit hohen Pressungsanteilen, kann zu einer mas-
Brennraum simuliert werden. Am Ende dieser Entwicklung siven Schädigung der Kontaktfläche und so zu einer Absen-
steht als Ziel die durchgängige Modellbildung des Gesamt- kung der Dauerfestigkeit führen. Die Beanspruchungser-
systems „Dieselmotor“. mittlung eines Pleuels ist somit eine umfangreiche Aufgabe
222    7  Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-2 
Typische Dehnungsmessstreifen-Ap-
plikation mit drahtloser induktiver
Übertragung, hier an einer Wasser-
pumpenwelle (Drehmomentmes-
sung)

und muss vorzugsweise durch Anwendung aller zur Verfü- wasserströmung nötig. Dies bedeutet einen hohen, häufig
gung stehenden rechnerischen und experimentellen Metho- nicht realisierbaren Zeit- und Kostenaufwand. Manche Vor-
den gelöst werden. gänge wie z. B. eine Spritzölkühlung lassen sich zudem
kaum vorausberechnen. Daher ist eine Vielzahl von Annah-
Brennraumbegrenzende Bauteile men bei der Definition der Randbedingungen nötig. Auch
Alle den Brennraum umschließenden Bauteile werden durch das schwierig zu erfassende Kontaktverhalten (Rutschvor-
den Gasdruck und die Wärmebeaufschlagung hoch belastet. gänge, Wärmeleitung) in einer thermisch belasteten Bau-
Zusätzliche Belastungen durch Massenkräfte sind außerdem gruppe kann sich verschlechternd auf die Ergebnisqualität
am Kolben und an den Gaswechselventilen zu beachten. auswirken.
Hinzu kommt die Forderung, dass die brennraumseitigen Bild 7-3 zeigt das FEM-Modell, das zur Temperaturfeldbe-
Oberflächen auf einem Temperaturniveau gehalten werden rechnung und der darauf aufbauenden Strukturanalyse einer
müssen, bei dem die Festigkeit des Werkstoffes noch nicht Zylinderbuchse benötigt wird. Als weitere Beanspruchungs-
unzulässig beeinträchtigt wird. größen sind Spannungen aus der Vorspannkraft der Zylinder-
Bei großer Wärmebelastung infolge des Verbrennungs- kopfschrauben sowie aus dem Gasdruck zu berücksichtigen.
vorganges helfen dünne Wanddicken die brennraumseitige Die in Bild 7-4 dargestellte Temperaturverteilung im
Oberflächentemperatur zu senken und gleich­falls – infolge Stahl-Oberteil eines gebauten Stahlkolbens, der Kolbenkro-
des geringen Wand-Temperaturgefälles – die thermischen ne, zeigt deutlich, dass hier die höchste Temperaturbelas­
Span­nungen abzubauen; möglicherweise ist aber dadurch tung und der höchste Temperaturgradient auftreten. Daher
die Konstruktion nicht widerstandsfähig gegenüber hohen kommt hier der Ermittlung der auftretenden Wärmespan-
Verbrennungsdrücken. nungen sowie dem Einfluss auf die Festigkeitskennwerte
All diese Umstände führen letztlich dazu, dass Brenn- eine große Bedeutung zu. Im Unterteil dominieren die
raumbauteile für den Motorenentwickler deutlich schwie- mechanischen Belastungen aus den Gas- und Massenkräf-
riger zu beherrschen sind als andere Bauteile. Schon bei der ten. Vor allem bei größeren Dieselmotoren spielt auch die
Wahl geeigneter Randbedingungen sind intensive Vorunter­ Kolbensekundärbewegung eine wichtige Rolle bei der Bean-
suchungen z. B. des Verbrennungsvorgangs oder der Kühl- spruchung des Kolbenhemds.
7.1  Mechanische und thermische Bauteilbelastung    223

Bild 7-3  FEM-Modell einer Zylinderbuchsenberechnung für einen Großdieselmotor mit Detaildarstellung des Buchsenbundes und Stützrings

Gaswechselventil mit Antrieb nigung, Bauteilmassen und Ventilfederkräfte zu Grunde


gelegt. Mit diesem Ansatz lässt sich die häufig systembe-
Bei dieser Baugruppe spielen neben Gaskräften und ther- stimmende Ventil­triebsdynamik nicht erfassen.
mischen Belastungen am Ventilkegel vor allem die Massenkräfte Aus diesem Grund werden bei Bedarf Mehrkörpersimu-
eine entscheidende Rolle. Die Hubkurve des Ventils ist durch lationen eingesetzt, bei denen zusätzlich die Strukturelastizi-
den Nocken vorgegeben. Die sich daraus ergebenden Beschleu- tät, die Systemdämpfung, die Kontakt­steifigkeiten und die
nigungen erzeugen in allen Bauteilen (Stößel, Stoßstange, Spiele berücksichtigt werden können [7-6]. Diese Modellbil-
Kipphebel, Ventilfeder, Ventil) erhebliche Massenkräfte. Wich- dung ist zwingend notwendig, wenn z. B. der Ladungswech-
tigste Voraussetzung für die einwandfreie Funktion des Ventil- sel durch steilere Flanken der Hubkurve und größere Ventil-
triebs ist, dass die Ventilfederkraft zu jedem Zeitpunkt größer durchmesser verbessert werden soll, was sich durch Anhe-
ist als die entgegengesetzt wirkenden Massenkräfte. Nur dann ben der Beschleunigungen und Vergrößerung der Ventil-
werden Kontaktverluste zwischen den Teilen des Antriebes masse in zweifacher Hinsicht auf die Höhe der Massenkräfte
z. B. durch Abheben des Stößels vom Nocken und damit hohe auswirkt. Bild 7‑5 zeigt exemplarisch einen so berechneten
Stoßkräfte im gesamten System vermieden. Stoßstangenkraftverlauf, der mit sehr guter Genauigkeit
In einem ersten Schritt lässt sich die Ventiltriebskinema- dem gemessenen Verlauf entspricht.
tik mit analytischen Mehrmassenmodellen berechnen, dabei Bei der Auslegung des Ventiltriebs ist eine Beanspru-
werden jedoch im wesentlichen nur Hubverlauf, Beschleu- chungsanalyse notwendig, um die im Ventilschaft und am
224 7 Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-4
FEM-Modell eines gebauten Kolbens
mit rechnerisch ermittelter Tempera-
turverteilung

Bild 7-5
Messungs-/Rechnungsvergleich eines
typischen Stoßstangenkraftverlaufes
7.1  Mechanische und thermische Bauteilbelastung    225

Ventilteller auftretenden Spannungen zu ermitteln. Diese Dieses Verhältnis ist gleichbedeutend mit dem Sicherheits-
kann durch entsprechende Simulationen erfolgen, dabei beiwert des Bauteiles.
sind die Gasdruck­beanspruchung bei geschlossenem Ventil Bei sehr vielen Dieselmotorenbauteilen sind die maxima-
sowie das Aufsetzen auf den Sitz entscheidende Randbedin- len Wirkspannungen durch die Gas- bzw. Massenkräfte
gungen. Auch hier ist jedoch (sofern machbar) eine mess- gegeben. Die Anzahl der Belastungs­zyklen eines Bauteiles
technische Absicherung der Ergebnisse dringend anzuraten, erreicht dabei nach relativ kurzen Betriebszeiten Werte in
da die Beanspruchung starken Streuungen unterworfen ist der Größenordnung von über 106 Lastwechsel, so dass eine
(Bild 7-6). Ursächlich dafür sind die freien Biegeschwin- Bemessung auf Dauerfestigkeit notwendig ist [7-7]–[7-9].
gungen während der Öffnungsphase, die spielbe­haftete Geht man z. B. bei einem Lkw-Motor von einer Lebens­
Ventilführung sowie eine eventuelle Drehung des Ventils. dauer von 20000 Stunden aus, so muss das Motorgehäuse in
Dadurch sind die Aufsetzbedingungen auf dem Ventilsitz dieser Zeit ca. 109 Belastungszyklen durch die maximale
nie eindeutig festgelegt und unterliegen somit stochas­ Gaskraft ohne Dauerbruch ertragen. Den hochfrequenten
tischen Schwankungen. Daraus ergibt sich ein von Arbeits- dynamischen Spannungen sind im Bauteil statische Span-
spiel zu Arbeits­spiel stark streuendes Band für den Span­ nungen (z. B. durch Schraubenkräfte) und bei Brennraum­
nungsverlauf. Im Langzeitmotorbetrieb können zudem Ver- bauteilen auch Wärmespannungen überlagert. Wärmespan-
schleiß- und Verschmutzungs­erschei­nungen im Sitz- und nungen verändern sich mit der Motorleistung, so dass sie
Führungsbereich auftreten, die diese Effekte noch vergrö- streng genommen auch als „Schwingbean­spruchung“ zu
ßern. interpretieren wären. Da die „Spannungs­amplituden“ aus
Wärmespannungen jedoch extrem niederfrequent sind,
7.1.3 Festigkeitsnachweis der Bauteile werden Wärmespannungen im Motorenbau normalerweise
als quasi-statisch angenommen. In manchen Fällen, z. B. bei
Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bauteilen genügt der Bewertung von lokalen plastischen Verformungen, ist
nicht allein die Bestim­mung der im Motorbetrieb auftre- das „Low Cycle Fatigue“-Verhalten (LCF) durch Anwen-
tenden Spannungen (Wirkspannungen, Ist-Spannungen). dung entsprechender Konzepte zu berücksichtigen.
Ebenso wichtig ist die Ermittlung der ertragbaren Span- In der Regel wird eine „High Cycle Fatigue“-Beurteilung
nungen, d. h. der Bauteilfestigkeit. Entscheidend ist das Ver- (HCF) in einem Dauerfestigkeitsschaubild vorgenommen.
hältnis der ertragbaren zur maximal auftretenden Spannung. Dieses Schaubild drückt aus, dass die ertragbare Spannungs-

Bild 7-6 
DMS-Messung der Beanspruchung im
Schaft eines Gaswechselventils
226    7  Belastung von Motorbauteilen

amplitude (Dauerfestigkeit) von der wirksamen statischen hochwertige Methoden zur Bestimmung der wirksamen
Spannung (Mittelspannung) abhängt. Spannungen zur Verfügung stehen und die Berechnung der
Bei der heutigen Werkstoffausnutzung im Dieselmoto- Dauerfestigkeit speziell für das Bauteil durchgeführt wird,
renbau ist die früher übliche alleinige Berücksichtigung des so zeigt die Erfahrung, dass zur Abdeckung immer noch
Werkstoffverhaltens dabei nicht mehr ausreichend. Es emp- bestehender Unsicherheiten ein Gesamtsicherheitsfaktor von
fiehlt sich daher, sog. bauteilbezogene Dauerfestigkeitsschau- 1,5 bis 2 (bei Gusswerkstoffen sogar bis 3) eingeplant wer-
bilder zu verwenden, bei der im Nachweispunkt spezielle den muss.
Randbedingungen konkreter Bauteile berück­sichtigt wer- Besonders schwierig gestaltet sich der Festigkeitsnachweis
den können. Wichtige Eingangsgrößen sind hier die Ober- bei komplexen Spannungszuständen, beispielsweise bei dre-
flächenbeschaffenheit (Rauigkeit), die Stützwirkung im henden Spannungstensoren oder nicht-proportionalen
Nachweispunkt, der technologische Größenfaktor, die lokale Hauptspannungsverläufen. Für diese Fälle ist die Berück­
Bauteiltemperatur oder auch eine eventuelle Oberflächenbe- sichtigung entsprechend aufwändiger Konzepte notwendig.
handlung (Randschichteinfluss). Als Beispiel für die Durch- Der Nachweis erfolgt dann i. Allg. durch den Einsatz spe­
führung eines solchen Festigkeitsnachweises auf Basis ört- zieller Software zur Betriebsfestigkeit.
licher Bauteil­spannungen sei hier die Anwendung der Ein weiterer Aspekt bei der Durchführung von Festig-
FKM-Richtlinie „Rechnerischer Festigkeitsnachweis für keitsnachweisen ist die Untersuchung des Bauteils im Hin-
Maschinenbauteile“ genannt (Bild 7‑7), [7‑10]. blick auf bruchmechanische Aspekte, da die traditionellen
Die Sicherheitsfaktoren nach FKM-Richtlinie sind je nach Festigkeitsnachweise von einem fehlerfreien Werkstoff aus-
Schadensfolgen, Wahrscheinlichkeit des Auftretens der gehen. Die Anwendung der Bruchmechanik [7‑11] liefert
größten Last, Möglichkeiten der Bauteil­inspektion sowie daher einen ergänzenden Beitrag z. B. bei der Bewertung
vorhergehenden Qualitätssicherungsmaßnahmen (speziell von Materialfehlern und ist daher ein wichtiges Instrument
bei Bauteilen aus Eisengusswerkstoffen) unterschiedlich. bei der Qualitätssicherung heutiger Dieselmotoren.
Dabei sind etwaige Unsicherheiten in der Beanspruchungs- Komponentenversuche mit realen Bauteilen sowie der
ermittlung nicht enthalten und müssen beim Festigkeits- Langzeitbetrieb von Motoren auf Prüfständen sind weitere
nachweis zusätzlich berücksichtigt werden. Auch wenn Möglichkeiten zur Durchführung von Betriebssicherheits-

Bild 7-7  Bauteilbezogenes Dauerfestigkeitsschaubild nach HAIGH


7.1  Mechanische und thermische Bauteilbelastung    227

nachweisen. Obwohl es in beschränktem Umfang möglich und Druckspitzen auf, die in Wandnähe eine massive
ist, durch extreme Belastungsabläufe einen Zeitraffereffekt ­Schädigung der Oberfläche zur Folge haben können. Ein
zu erreichen, ist diese Vorgehensweise aus Gründen des besonderes Problem stellt die z. B. an der Kühlwasserseite
hohen Aufwandes nur bei kleineren Bauteilen und Fahr- von Zylinder­lauf­buchsen auftretende Schwingungskavitation
zeugmotoren vertretbar. dar. Diese kann durch hoch­frequente Biegeschwingungen
der Laufbuchse ausgelöst werden, die beispielsweise von der
7.1.4 Typische Bauteilschäden bei Dieselmotoren Kolbensekundärbewegung angeregt wird. Ist das Kühl­
wasser außerdem noch chemisch aktiv, so kommt neben
Wie in anderen Maschinenbaubereichen resultieren Schäden der Kavitation auch noch der zerstörende, lokal ansetzende
aus Produkt­fehlern (Konstruktion, Werkstoff, Fertigung) und Korrosionsangriff hinzu [7‑12]. Schnelllaufende Hoch­
Betriebsfehlern (Wartung, Bedienung). Aus beiden Gruppen leistungs­dieselmotoren können hiervon besonders betroffen
gibt es für Dieselmotoren typische Beispiele, die selbstver­ sein.
ständlich auch stark mit der jeweiligen Belastungssituation Das Ausmaß der Schädigung hängt sehr von der Korrosi-
der Bau­teile zusammenhängen. Für Motorenentwickler und onsart ab. Während bei gleichmäßigem Korrosions­abtrag
-betreiber gleichermaßen wichtig sind Einflüsse, die bei der (Flächenkorrosion) die Schädigung verhältnismäßig gering
Dimensionierung der Bauteile zahlenmäßig unge­nügend ist, nimmt sie bei ungleichmäßigem Abtrag (z. B. Lochfraß)
oder gar nicht berücksichtigt werden können, aber doch auf- durch größere Kerbwirkung an den korrodierten Stellen
treten und dann zum Ausfall eines Motors führen können. deutlich zu. Ganz besonders schädigend ist die Schwingungs­
Die bei Dieselmotoren häufigste Schadensart ist das Versa- risskorrosion. Diese wird möglich, wenn der Korrosionsan-
gen durch Schwing­bruch (Dauerbruch). Dies ergibt sich aus griff und dynamische Zugspannungen gleichzeitig auftreten.
der dominierenden Schwing­beanspru­chung der meisten Das Bauteil besitzt in diesem Fall keine Dauerfestigkeit
Bauteile durch Gas- und Massenkräfte. Bei Bau­teilen aus mehr, weil dessen Lebensdauer nur von der Rissfortschritts­
Stahl sind Schwingbrüche verhältnismäßig einfach an der geschwindigkeit bestimmt wird, die wiederum vom Werk-
Ober­flächenstruktur des Bruches zu erkennen. Die Schwing- stoff, vom korrosiven Medium und von der Höhe der
bruchfläche ist meist glatt und feinkörnig, während der Spannungs­amplitude abhängt. Für den Betreiber von
Restbruch (Gewaltbruchfläche) eine grobe, zerklüftete Ober­ Motoren ist es daher sehr wichtig, die vom Hersteller vorge-
flächen­struktur aufweist. Konzentrisch zur Ausgangsstelle schriebene Pflege des Kühlwassers mit geeigneten Korro­
des Bruches finden sich häufig sog. Rastlinien, die durch sions­schutzmitteln einzuhalten, s. Abschn. 9.2.6.
unterbrochenen Rissfortschritt entstehen. Ursache für Eine andere Art der Korrosion insbesondere bei Großdie-
Schwing­brüche können, wie bei anderen Maschinen, falsche selmotoren im Schwerölbetrieb ist die Nass- oder Nie­der­
Dimensionierung oder nicht entdeckte Werkstofffehler sein. temperatur­korrosion, hervorgerufen durch die Kondensation
Besonders überraschend und oft erst nach langen des Wasserdampfes bei Anwesenheit von Schwefeldioxid.
Betriebszeiten treten Schwingbrüche auf, die durch Reibkor- Dadurch wird die Bildung einer sehr aggressiven schwef­
rosion (Passungsrost) an Kontakt­flächen zwischen den Bau- ligen Säure ermöglicht. Bestimmt wird dieser Vorgang
teilen hervorgerufen werden. Reibkorrosion kann die Dauer­ durch das Zusammenwirken von Temperatur- und Druck-
festigkeit auf ca. 20% des Ausgangswertes absenken. Erkenn- niveau und betrifft neben abgasführenden Leitungen vor
bar ist der Bruch oft an einer kleinen „Nase“ am Bruch- allem die Zylinderlaufbuchse: Durch unter Schwachlast des
anfang. Diese ist dadurch bedingt, dass die ersten Anrisse Motors eintretende Nasskorrosion wird der Verschleiß
durch Schubspannungen erfolgen. Gefährdet sind u. a. beschleunigt, s. Abschn. 4.3.
Aufnahme­bohrungen für Gleitlagerschalen (z. B. in Pleuel- An den brennraumseitigen Oberflächen treten Schadens-
und Grundlagern), Passschrauben oder Pressverbindungen arten auf, die mit örtlich hohen Temperaturen zusammen-
an Wellen. hängen.
Eine weitere Ursache für Dauerbrüche kann Kavitation Durch Verbrennungsprodukte des Kraftstoffes werden
sein. Hiervon sind Bauteile mit Kühlwasser- oder Schmieröl- die schützenden Oxid­schichten aufgelöst. Unter teilweiser
führung betroffen, deren Medien stark schwankenden Drü- Auflösung der Werk­stoffmatrix korrodiert der Werkstoff
cken oder hohen Umlenkgeschwindigkeiten unterliegen. mit einem entsprechenden Materialabtrag. Bei den ther-
Beispielhaft sind hier vor allem Triebwerks- oder Einspritz- misch hoch belasteten Kolben z. B. großer Zweitaktmotoren
komponenten zu nennen. Ursache ist immer die Unter- kann dies örtlich zur Schwächung des Kolbenbodens führen
schreitung des Dampfdrucks der jeweiligen Flüssigkeit. Dies und somit die Lebensdauer begren­zen. Dieses als Hochtem-
führt zur Bildung und Zerfall von Dampfblasen. Dadurch peraturkorrosion bekannte Phänomen tritt auch an den
treten im Medium hohe Beschleunigungen, Temperaturen Auslassventilen auf [7‑15]. Gegenmaßnahmen stellen die
228    7  Belastung von Motorbauteilen

Begrenzung der Ventiltemperatur am Ventilsitz (Vermei- fert beispielsweise ca. 2000 verschiedene SAE-Paper die
dung von Ablagerungen aus schmelz­flüssigen Schlacken innerhalb der letzten 5 Jahre publiziert wurden.
und damit einhergehenden Korrosionsangriffen) sowie der Obwohl bereits 1977 erschienen, kann trotzdem das
Einsatz besonderer, korrosionsfester Werkstoffe mit hohen ­Standardwerk „Der Wärmeübergang in der Verbrennungs-
Warmfestigkeits­werten dar. kraftmaschine“ von Pflaum/Mollenhauer [7‑2] als ein­
Eine weitere Schadensart sind die sog. Wärmestauchrisse führendes Werk in die Thematik bestens empfohlen wer-
als Folge thermischer Überlastung. Sie entstehen an Stellen, den.
an denen das Bauteil lokal stark erhitzt wird und die freie In diesem relativ kurzen Abschnitt werden deshalb nur
Wärmedehnung durch umgebendes kälteres Bauteilvolu- die für das Verständnis wichtigen Grundlagen und Mess-
men stark behindert wird. Die Folge sind Druckspan- techniken, die wichtigsten Wärmeübergangsgleichungen
nungen, die eine plastische Stauchung des Werkstoffes her- und einige Anwendungsbeispiele aufgeführt. Des Weiteren
vorrufen. Nach Abstellen des Motors und Tempe­ra­ wird kurz auf die besondere Problematik der Wärmeübergangs­
turausgleich stellen sich an diesen Stellen hohe Zugeigen- modellierung bei der 3D-CFD-Rechnung (Computational
spannungen ein. Die bei Wiederholungen dieses Vorganges Fluid Dynamics) eingegangen.
gegebene hohe „Low-Cycle“-Spannungsamplitude führt
schließlich zu Anrissen. Bekannt sind solche Anrisse bei 7.2.2 Grundlagen der Wärmeübertragung
Zylinderköpfen in den Stegen zwischen den Ventilöff- in Verbrennungsmotoren
nungen, an der inneren Oberkante von Zylinderbuchsen
sowie am Rand von Brennraummulden. Hauptursache für Der Wandwärmeverlust (Qw) in einem Motorbrennraum
derartige Schäden kann ein gestörter Verbrennungsvorgang, wird im Rahmen der realen Prozessrechnung üblicherweise
ein erhöhter Wärmeübergang bei nagelnder oder klopfender mittels des Newtonschen Wärmeübergangsansatzes als Inte-
Verbrennung (z. B. bei Dieselgasmotoren) sowie eine unge- gral über ein Arbeitsspiel (ASP) berechnet:
nügende Kühlung sein.
Zur weitergehenden Information über Analyse und Ver- (7-2)
meidung von Schäden wird auf die Literatur verwiesen
[7‑12], [7‑13]. Die Temperaturdifferenz Wand–Gastemperatur (Tw-Tz) ist
dabei so definiert, dass sich im Zahlenwert der Wandwärme
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung ein negatives Vorzeichen ergibt, wenn Energie das System
„Brennraum“ verlässt. In Gl. (7‑2) bedeuten weiterhin: ϕ
im Motor Kurbelwinkel, ω Kreisfrequenz, A momentane Brennraum­
oberfläche und α Wärme­übergangs­koeffizent.
7.2.1 Einleitung Die Anwendung des Newtonschen Ansatzes impliziert
bereits, dass der Wärmeübergangsmechanismus in Motor-
Der Wandwärmeverlust QW ist neben der Abgasenthalpie brennräumen im Wesentlichen durch erzwungene Konvek-
HA und der üblicherweise vernachlässigbaren Leckageen- tion erfolgt und die beiden anderen Wärmeübertragungs­
thalpie HL der bedeutendste innere Verlust in der inneren mechanismen (Strahlung und Wärmeleitung) demgegen­
Energiebilanz eines Verbrennungsmotors, Gl. (7‑1). über vernachlässigbar klein sind. Wie noch zu zeigen sein
wird, erfolgt die Wärmeübertragung in unmittelbarer Wand-
(7-1)
nähe sehr wohl durch Wärmeleitung, da die Strömung dort
Im Vergleich mit den anderen Anteilen der Energiebilanz, laminar sein muss, außerhalb dieser viskosen Unterschicht
der inneren Arbeit Wi, der Ansaug- und der Kraftstoffen- der Grenzschicht dominiert jedoch eindeutig der Mechanis-
thalpie HE bzw. HB sowie der freigesetzten Kraftstoffenergie mus der erzwungenen Konvektion.
QB ist er messtech­nisch nur schwer bestimmbar. Der Anteil an Wärmeübertragung der durch Strahlung
Da jedoch seine Wirkung für den Prozessablauf, den Wir- erfolgt ist sehr stark davon abhängig, wie viel Ruß sich wäh-
kungsgrad und die Bildung von Schadstoffen so wesentlich rend der Verbrennung im Brennraum bildet (z. B. [7-43],
ist, wird nahezu seit Anbeginn der Verbrennungs­motoren­ [7-21]), da nur die vom Ruß ausgehende Festkörperstrah-
entwicklung der Wandwärmeverlust intensiv erforscht und lung energetisch relevant ist. Eine eventuell vorhandene
auch heute ist hier noch kein Ende absehbar. Entsprechend Gasstrahlung ist dem gegenüber auf jeden Fall vernachlässig­
umfangreich ist daher die Literatur zu diesem Thema. bar, weil Gase selektive Strahler sind und deshalb nur in
Eine Suchabfrage mit dem Stichwort „Wall Heat Transfer“ schmalen Wellenlängenbanden strahlen. Der Anteil an
bei der Society of Automotive Engineers (www.sae.org) lie- Rußstrahlungs­verlust wiederum hängt neben der strahlen-
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    229

den Rußmasse und deren Temperatur, auch von der Höhe konvektiven Wärmeübergangs ist dies die Nusseltzahl
des konvektiven Wärmeübergangs ab. Realistisch ist davon
für die Temperatur- und die Reynoldszahl
auszugehen, dass lediglich bei langsam laufenden Großdie-
selmotoren der Strahlungsverlust einen bedeutsamen Anteil
erreicht [7-39]. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass für die Strömungsgrenzschicht. Die Prandtl-
die am häufigsten verwendeten Wärmeübergangsglei-
chungen auf einen expliziten Strahlungsterm verzichten zahl beschreibt die Wechselwirkung zwischen
(s. Abschn. 7.2.4).
In einem Motorbrennraum ist nun grundsätzlich davon beiden Grenzschichten. Bei Pr = 1 sind z. B. beide Grenz-
auszugehen, dass zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort alle schichten gleich dick. Bei Luft und Abgas ist Pr immer < 1
Zustandsgrößen (Druck, Temperatur und Gaszusammen- und damit die Strömungs­grenzschicht immer dünner als die
setzung) unterschiedlich sind. Dies gilt ebenfalls für die Temperaturgrenzschicht. An dieser Stelle muss erwähnt wer-
Wand­oberflächentemperatur und die den Wärmeübergang den, dass alle diese Betrachtungen streng genommen nur für
stark beeinflussende Turbulenz. Weiterhin kann damit den stationären, bzw. quasistationären Fall gelten. D. h. Än-
gerechnet werden, dass keine ausgebildeten Strömungsver- derungen müssen so langsam erfolgen, dass keine Instatio-
hältnisse vorliegen, sondern von Staupunkt- und instatio- näreffekte, z. B. Trägheitseffekte auftreten. Der Wärmeüber-
nären Anlaufströmungen auszugehen ist. Eine eigentlich gang im Verbrennungsmotorenbrennraum ist sicherlich
nicht fassbare Situation. nicht „quasistationär“, sondern ändert sich, vor allem bei
Betrachtet man jedoch die Verhältnisse in der Nähe der schnell laufenden Motoren, zeitlich und örtlich sehr schnell.
Brennraumwand ganz prinzipiell (Bild 7‑8), so wird deut- Trotzdem konnte bis heute messtechnisch nicht nachgewie-
lich, dass eine Betrachtung des Phänomens „Wärmeüber- sen werden, dass Instationäreffekte einen quantitativ bedeu-
gang“ mittels der Ähnlichkeitstheorie, wie bei vielen ande- tenden Einfluss auf den Wärmeübergang haben (vgl. hierzu
ren technischen Wärmeübergangsproblemen, zielführend Abschn. 7.2.8).
ist. Dabei beschreiben dimensionslose Kennzahlen die Phä- Der Wärmeübergangskoeffizient α wird berechenbar
nomene und deren Verknüpfung. Im Falle des erzwungenen, indem man die dimensionslosen Kennzahlen mittels eines

Bild 7-8 
Prinzipielle Darstellung des Wärme­
übergangs durch erzwungene Konvek­
tion an einer Brennraumwand
230    7  Belastung von Motorbauteilen

allgemeinen Potenzansatzes verknüpft:

(7-3)
Umfangreiche Untersuchungen [7-45] haben gezeigt, dass
bei Verbrennungsmotoren für die Exponenten m und n die
von der turbulenten Rohrströmung bekannten Zahlenwerte
n = 0.78 und m = 0.33 gültig sind.
Im Rahmen des relevanten Temperaturbereiches ist Pr0.33
damit innerhalb einer Toleranz von ± 1% konstant und kann
der Konstanten C zugeschlagen werden. Damit ergibt sich
basierend auf der Ähnlichkeitstheorie eine allgemeine Wär-
meübergangsgleichung für motorische Brennräume zu:
Bild 7-9  Prinzip der inneren Wärmebilanz zur Bestimmung des zeitlich und
(7-4) örtlich mittleren Wandwärmeverlustes Qw

In [7-2] finden sich empirische von der Temperatur und


­Gaszusammensetzung abhängige Polynome für die
Wärmeleitfähigkeit λ und die dynamische Viskosität η. Die verlaufes pz multipliziert mit der Volumenänderung dV/dϕ,
Dichte ρ lässt sich mittels der thermischen Zustandsglei- s. Abschn. 1.2.
chung zu formulieren. Sorgfältige Messungen vorausgesetzt ist die „innere“ Wär-
mebilanz ein notwen­diges, aber nicht hinreichendes Verfah-
Die explizite Aufstellung einer Wärmeübergangsglei- ren zur Bestimmung der Wandwärme­verluste [7-16]. Da
chung erfordert damit eine geeignete, auf Messwerte nur die Gesamt­energie­bilanz ausgewertet wird, sind Aussa-
gestützte Interpretation der charakteristischen Länge d und gen über den zeitlichen Verlauf des örtlich mittleren Wand­
der wärmeübergangsrelevanten Geschwindigkeit w, sowie wärmestromes, z. B. für eine thermodynamische Druckver-
einer „Skalierung“ mittels der Konstanten C. laufsanalyse nicht möglich (s. Abschn. 1.3).
„Messwertgestützt“ bedeutet, eine numerische oder gar Direkte Messverfahren zur Bestimmung der Wandwär-
analytische Lösung des Problems ist nicht bekannt, so dass meverluste sind
mittels geeigneter Messungen an ausgeführten Motoren eine a) die Wärmestromsonde zur Bestimmung einer lokalen,
Datenbasis geschaffen werden muss, die eine halbempi- zeitlich mittleren Wärmestromdichte qw und
rische Modellierung erlaubt, deren Anspruch in einer mög- b) die Oberflächentemperaturmethode zur Messung der
lichst weitgehenden Allgemein­gültigkeit liegt, um eine lokalen, zeitlich veränderlichen Wärmestromdichte
Anwendbarkeit auch für zukünftige Brenn­verfahrens­ (s. Bild 7‑10).
entwicklungen sicher zu stellen.
Der Einbau einer Wärmestromsonde soll möglichst bündig
7.2.3 Messverfahren zur Wärmestrommessung mit der Brennraum­oberfläche erfolgen. Durch eine über
Luftspalte erreichte Isolation besteht dadurch im Innern der
Nach heutigem Kenntnisstand sind im Wesentlichen drei Sonde eine definierte, eindimensionale Wärmeleitstrecke.
Verfahren geeignet eine Datenbasis zur mathematischen Bei bekannter Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes der Wär-
Modellierung einer Wärmeübergangsgleichung zu schaf- meleitstrecke lässt sich durch Messung der beiden Tempera-
fen: turen T1 und T2 in definiertem Abstand s die Wärmestrom-
Die „innere Wärmebilanz“ (Bild 7‑9) erlaubt eine Berech- dichte mittels der eindimensionalen, stationären Wärme­lei­
nung des zeitlich und örtlich mittleren Wandwärmeverlus- tungs­­­gleichung in einfacher Weise berechnen.
tes gemäß der inneren Energiebilanz des Brennraumes, Gl.
(7‑1). Gemessen werden müssen Ansaug-, Abgas-, Leckage- (7-5)
und Kraftstoffenthalpie. Die Brennwärme Qb ergibt sich aus
der Multiplikation der eingespritzten Kraftstoffmasse mit In Bild 7.11 ist eine ausgeführte Wärmestromsonde darge-
dem unteren Heizwert Hu (Qb = mb · Hu). Die innere Arbeit stellt, wie sie z. B. in [7‑16] und [7‑2] erfolgreich eingesetzt
wiederum folgt aus dem Ringintegral über ein Arbeitsspiel wurde. Hier zeigt sich, dass zwar das Prinzip des Verfahrens
des in Abhängigkeit des Kurbelwinkels gemessenen Druck- sehr einfach ist, die praktische Anwendung jedoch zu einer
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    231

Bild 7-10 
Prinzip von Sonden zur direkten Mes-
sung von a der lokalen, zeitlich mitt-
leren und b der lokalen, zeitlich ver-
änderlichen Wärmestromdichte qW an
der Brennraumwand

relativ aufwändigen Sondenausführung führt, wenn eine


hohe Genauigkeit erreicht werden soll.
Vorteilhaft an dieser Methode der Wärmestrommessung
ist trotzdem die relativ einfache Anwendung und die erziel-
bare hohe Genauigkeit, da lediglich wenige Bauteiltempera-
turen hochgenau gemessen werden müssen und nicht Diffe-
renzen der Messwerte mehrerer, unterschiedlicher Messver-
fahren gebildet werden müssen, deren Absolutwert im
Normalfall sogar deutlich größer ist, als der zu bestimmende
Differenzwert, wie bei der Methode der „inneren Wärmebi-
lanz“.
Eindeutig nachteilig ist jedoch, dass die Wärmestromson-
de normalerweise nur an einer oder allenfalls zwei Positi-
onen im Brennraum eingebaut werden kann, da auf eine
oberflächenbündige Anordnung unbedingt zu achten ist.
Sonst würde der konvektive Wärmeübergang durch sonst
nicht vorhandene Kanten unzulässig verändert werden.
Damit repräsentieren die Messergebnisse lediglich die loka-
len Verhältnisse am Einbauort und eine Aussage über den
zeitlichen Verlauf ist überhaupt nicht möglich.
Der mit den beschriebenen Methoden ermittelte zeitlich
mittlere Wandwärme­strom variiert jedoch mit der sich wäh-
rend eines Arbeitsspieles ständig ändernden Gastemperatur
und beeinflusst somit auch den Arbeits­prozess. Das einzige
bekannte Verfahren zur Messung der lokalen, veränder-
lichen Wandwärmestromdichte ist die sog. Oberflächentem-
peraturmethode. Bild 7‑10b zeigt wieder das Prinzip dieses
Verfahrens zur Wärmestrommessung.
Bei der Oberflächentemperaturmethode werden Tempe-
Bild 7-11  Ausgeführte Wärmestromsonde mit Kühlung, Korrekturmessstel- ratursensoren oberflächenbündig in die Brennraumoberflä-
len und Messzylinder aus Reineisen che eingebaut deren tatsächlicher Temperaturmesspunkt
weniger als 2 µm darunter liegt. Damit wird es möglich, die
232    7  Belastung von Motorbauteilen

Oberflächentemperaturschwingung zu messen, die durch Differential­gleichung aus den Temperaturverläufen die sie
den veränderlichen Wandwärmestrom verursacht wird. verursachenden Wärmestrom­dichten berechnen. Die
Zum Einsatz kommen bei diesem Verfahren z. B. Mantel- Lösung der Laplaceschen Differentialgleichung in Form von
Thermoelemente, deren eigentliche Temperaturmessstelle Fourier’schen Reihen wurde erstmalig von Eichelberg for-
durch eine mittels Dünnschichttechnik aufgebrachte Metall- muliert [7‑20]
schicht mit einer Dicke von lediglich 0,3 µm erzeugt wird.
Ein Ausführungsbeispiel eines derartigen Thermoelementes
zeigt Bild 7‑12 [7‑16].
In Bild 7‑13 sind typische, berechnete Temperaturschwin- (7-6)
gungen in verschiedenen Bauteiltiefen dargestellt, wie sie bei
geschlepptem Betrieb eines Nfz-DE-Dieselmotors entste-
hen. Auffällig ist zunächst, wie klein die Temperatur­
schwingungen in Relation zur Veränderung der Gastempe-
ratur sind. Ursächlich hierfür ist die extrem unterschiedliche
Wärmeeindringzahl b (Gl. (7‑7)), die bei Metallen ungefähr
um den Faktor 500 größer ist als bei Gasen. Entsprechend
kleiner ist die Amplitude der Temperaturschwingung. Wei-
terhin wird das sehr schnelle Abklingen der Schwingung im
Bauteil sichtbar. Bereits in einer Tiefe von 2 mm kann von
einem rein stationären Temperaturfeld ausgegangen wer-
den. Die „wahre“ Oberflächentemperatur kann also nur Die mit der Oberflächentemperaturmethode erzielbare Ge-
gemessen werden, wenn die Temperaturmessstelle höchs­ nauigkeit ist sehr stark davon abhängig, wie sorgfältig die
tens 2 µm von der Oberfläche entfernt ist. Oberflächenthermoelemente in die Brennraum­wand einge-
Nimmt man Periodizität der Temperaturschwingung und baut werden. D. h. sowohl die thermische Anbindung an den
ein eindimensionales, instationäres, einseitig unendlich aus- umgebenden Werkstoff, als auch die absolute Oberflächen-
gedehntes Temperaturfeld an der Oberfläche der Brenn- bündigkeit sind von ausschlaggebender Bedeutung.
raumwand an, so lässt sich mittels der Laplaceschen Weiterhin muss die für das Oberflächenthermoelement,
einschließlich der es umgebenden Werkstoffe, gültige Wär-
meeindringzahl

(7-7)

Bild 7-13  Berechnete Oberflächentemperaturschwingungen. Nkw-DE-Die-


Bild 7-12  Oberflächenthermoelement nach [7-16] sel, Schub, n = 2300 min–1 [7‑17]
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    233

abhängig von der Temperatur individuell kalibriert werden. nur schwer mit Modellkraftstoffen darstellbar, wie z. B. iden-
Dies kann rechnerisch geschehen [7-16] oder mit einem spe- tische Gemischbildungseigenschaften bei Wandinteraktio­
ziellen experimentellen Verfahren [7‑46]. nen (Tröpfchenbildung, Penetration, Wandauftrag, Ver-
Letztlich bleibt noch die Frage, wie beim Einsatz der dampfungsverhalten und Zündwilligkeit). Hierfür wird dann
Oberflächentemperatur­methode die zeitlich mittlere Wär- lieber in Kauf genommen, dass nur wenige Betriebspunkte
mestromdichte q̇m ermittelt werden soll. Messtechnisch gemessen werden können, bevor z. B. der Zylinderkopf und/
wäre dies möglich durch Integration von Oberflächenthermo­ oder der Kolben mit den Messstellen wieder demontiert, ge-
elementen in Wärmestromsonden. Wie noch zu zeigen sein reinigt, neu beschichtet und wieder montiert werden muss.
wird, sollten aber bei der Oberflächentemperaturmethode Zur Minimierung des Aufwandes und der Kosten werden
möglichst eine Vielzahl von Thermoelementen eingebaut dabei meist nur einige wenige Oberflächenthermoelemente
werden, um einen repräsentativen, örtlichen Mittelwert bil- eines käuflichen Typs [7‑18] eingesetzt (z. B. [7‑25] bis
den zu können. [7‑26]). In [7‑16] wurde jedoch eine sehr große Anzahl von
Eine Alternative hierzu ist das sog. „Nulldurchgangsver- Oberflächen­thermoelementen verwendet. Es handelte sich
fahren“, das den üblicherweise während des Kompressions- zwar um einen Ottomotor, trotzdem sind grundlegend
hubes stattfindenden Nulldurchgang der Temperaturdiffe- wichtige Feststellungen damit ableitbar. Bild 7-14a zeigt die
renz (Tw – Tg) = 0 ausnutzt, weil bei Vernachlässigung 182 Wärmestromdichteverläufe bei geschlepptem Motorbe-
eventuell auftretender Instationäreffekte, die momentane trieb. Die Form des Einlasskanals als reinen Füllungskanal
Wärmestromdichte gemäß Gleichung (7‑2) ebenfalls q̇ = 0 bewirkte, dass das Strömungsfeld lediglich aus ungerichteter
sein muss. Gleichung (7‑6) wird damit zu: Turbulenz bestand, so dass über 100 Arbeitsspiele gemittelt
alle Messstellen nahezu identische Verläufe zeigen. Gänzlich
(7-8) anders stellen sich die Verhältnisse bei Verbrennung dar
(Bild 7‑14b).
Nach dem Zündzeitpunkt (IP) steigen die Wärmestrom-
dichten steil an, sobald die Flammenfront die Oberflächen-
temperaturmessstelle erreicht hat. Mit zunehmendem
Gleichung (7‑8) ist insbesondere deshalb mit ausreichender Abstand zur Zündkerze, d. h. zu immer später werdendem
Genauigkeit auch lokal für einzelne Oberflächentempera- Zeitpunkt der Verbrennung verliert die Flammenfront an
turmessstellen einsetzbar, da während der Kompression, im Intensität (Abfall der Temperatur im Verbrannten nach Spit-
Unterschied zur Verbrennung, keine allzu großen örtlichen zendruck). Der „Steilanstieg“ der Wärmestromdichte wird
Gastemperaturunterschiede existieren, so dass die Gastem- dadurch sichtbar flacher. Sind die Abläufe beim Überlaufen
peratur Tg als sog. Massenmitteltemperatur Tz mittels der der Messstellen durch die Flammenfront noch einfach zu
thermische Zustandsgleichung berechnet werden kann. interpretieren, so schwer fällt eine schlüssige Erklärung des
ohne jede erkennbare Systematik verlaufenden Abfalls der
(7-9) Wärmestromdichte nach Erreichen des Maximums. Hier
zeigt sich ein an jeder Messstelle individuel­les Verhalten, das
Speziell bei Dieselmotoren, aber auch bei Ottomotoren, tritt durch die chaotischen Turbulenzzustände im Verbrannten
im Betrieb das Problem der Bildung von Ablagerungen (Ruß, bei expandierendem Kolben geprägt ist.
Ölkohle, etc.) auf den Messstellen auf, wodurch die eigent- Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass eine große Anzahl
liche Temperaturmessstelle nicht mehr direkt an der Ober- Oberflächen­temperatur­messstellen eingesetzt werden muss,
fläche liegt und dadurch eine Dämpfung des Messsignals um einen wirklich repräsentativen örtlichen Mittelwert bil-
erfolgt. Die Temperaturverläufe sehen dann aus, wie in Bild den zu können. Immer wieder in der Literatur zu findende
7-13 dargestellt. In [7‑16] und [7‑46] werden Methoden an- Vergleiche an einzelnen Messstellen gemessener Wärme-
gegeben, wie diese Ablagerungen korrigiert werden können, stromdichteverläufe mit den bekannten Wärmeübergangs-
sofern die Schichtstärken nicht zu groß geworden sind und gleichungen, die einen örtlichen Mittelwert beschreiben,
keine auswertbare Schwingung mehr gemessen werden sind unzulässig und ergeben keinen Sinn.
kann. Grundsätzlich ist deshalb der Betrieb mit nichtrußen- Erst aus der für den gesamten Brennraum repräsentativen,
den Modellkraftstoffen sehr zu empfehlen, um diese Proble- örtlich gemittelten Wärmestromdichte kann der Wärmeüber-
matik gänzlich zu vermeiden. Dies wird jedoch selten getan, gangskoeffizient α berechnet werden, da bei Verbrennung die
da zum einen nicht übertragbare Beeinflussungen des Wand- lokal stark veränderlichen, außerhalb der Temperatur­
wärmeüberganges durch nicht serienmäßige Kraftstoffe be- grenzschicht anliegenden Gastemperaturen nicht bekannt
fürchtet werden. Zum anderen sind bestimmte Phänomene sind und deshalb das treibende Temperaturgefälle Gas-Wand
234    7  Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-14 
182 Wärmestromdichteverläufe für
den Scheibenbrennraum eines Otto-
motors, a Schleppbetrieb
n = 1465 min–1 im LWOT; b gefeuert
n = 1500 min–1, pi = 7,35 bar
b (wi = 0,735 kJ/dm³) im ZOT, IP: Zünd-
zeitpunkt

mittels der aus der thermischen Zustandsgleichung berechne- peratur Tz und der Oberflächentemperaturmessungen aus
ten Massenmitteltemperatur Tz bestimmt werden muss. denen die Wärmestromdichten berechnet wurden. Die
Bild 7‑15 zeigt ein Beispiel einer derartigen Auswertung. Quotientenbildung q̇ /(Tz – Tw) = q̇/DT = a führt dann im
Die im Bereich 110 °KW im Wärmeübergangskoeffizienten Bereich q̇ = 0 und DT = 0 zu dem gezeigten Effekt. Idealer-
auftretende Unstetigkeit rührt aus der Bestimmung der zeit- weise müsste sich mathematisch eine Polstelle ergeben.
lich mittleren Wärmestromdichte q̇m mittels des beschrie- Abschließend ist festzuhalten, dass keine Methode
benen „Nulldurchgangsverfahren“. Es handelt sich also kei- bekannt ist, die es erlaubt direkt den örtlich mittleren, aber
neswegs um den Nachweis eines „Instationäreffektes“, son- zeitlich veränderlichen Verlauf der Wandwärmeverluste zu
dern vielmehr um das Ergebnis geringfügiger Phasenver- messen. Die bekannten Methoden sind jeweils nur in der
schiebungen (elektrische Laufzeit der Messketten) zwischen Lage entweder örtliche und zeitliche Mittelwerte oder lokale
der Brennraumdruckmessung aus der die Massenmitteltem- Zeitverläufe zu liefern, wobei letzteres Verfahren, die Ober-
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    235

Bild 7-15  Aus 182 Wärmestromdichteverläufen flächenbezogen bestimmte örtliche Mittelwerte und örtlich mittlerer Wärmeübergangskoeffizient, Ottomotor, Schei-
benbrennraum, gefeuerter Betrieb, n = 1500 min-1, pi = 7,35 bar [7‑16], IP: Zündzeitpunkt

flächentemperaturmethode, zwar sehr aufwändig ist, aber sierend auf der empirischen „Nusselt-Gleichung“ entstanden
als einziges Verfahren bei Einsatz genügend vieler Messstel- weitere empirische Gleichungen im deutschen und eng-
len alle Anforderungen erfüllt. lischen Sprachraum. All diese Gleichungen sind auf Grund
Die im Folgenden vorgestellten, meist verwendeten Wär- ihres rein empirischen Charakters kaum auf andere Motoren,
meübergangsgleichungen wurden entweder unter zu Hilfe- als die für die sie abgestimmt wurden, übertragbar und besit-
nahme einer oder mehrerer der drei Messverfahren aufge- zen deshalb keine Allgemeingültigkeit.
stellt, oder zumindest mehrfach mit ihnen verifiziert. Elser 1954 verwendete als Erster eine Gleichung basierend
auf der Ähnlichkeitstheorie [7-22]. Allerdings fand diese
7.2.4 Wärmeübergangsgleichungen für Gleichung relativ wenig Beachtung.
die reale Prozessrechnung Woschni blieb es vorbehalten, die erste, auf die Ähnlich-
keitstheorie gestützte Wärmeübergangsglei­chung für Ver-
Die Historie der Veröffentlichung von Wärmeübergangsglei- brennungsmotoren zu formulieren, die noch heute verwen-
chungen zur Berechnung der örtlich mittleren, aber zeitlich det wird. Zunächst im Rah­men des Einsatzes der EDV bei
veränderlichen Wandwärme­verluste im Rahmen der realen der MAN für die reale Prozessberechnung entwickelt wurde
Prozessrechnung beginnt, soweit bekannt mit Nusselt An- sie in ihrer „Rohform“ bereits 1965 veröffentlicht [7-47]. Die
fang des letzten Jahrhunderts. Obwohl er die Nusselt-Zahl als endgültige Gleichung lautet seit 1970 [7-45]:
wesentliche dimensionslose Kennzahl zur Berechnung des
erzwungenen, konvektiven Wärmeüberganges formuliert
hat, war die von ihm 1923 [7‑36] veröffentlichte Wärmeüber-
gangsgleichung rein empirisch formuliert und basierte nicht
auf der Ähnlichkeitstheorie. Auch Eichelberg 1928 [7‑20]

veränderte lediglich die Konstanten und Exponenten der
„Nusselt-Gleichung“ ohne grundlegende Änderungen. Ba- (7-10)
236    7  Belastung von Motorbauteilen

mit C1 = 6,18 +0,417 cu/cm von Auslass öffnet bis Einlass Der Wandwärmestrom ist mit der berechneten Massen-
schließt mitteltemperatur Tz (Gl. (7‑9)) für die treibende Tempera-
C1 = 2,28 +0,308 cu/cm von Einlass schließt bis turdifferenz zur Wand zu berechnen. Es können verschie-
Auslass öffnet dene „Wandtemperaturbereiche“ (z. B. Zylinderkopf, Kol-
und C2 = 0,00324 m/(s K) für Motoren mit nicht unter­ ben, Laufbüchse) berücksichtigt werden. Eine dadurch sich
teil­tem Brennraum ergebende Abhängigkeit des Wärmeübergangskoeffizient ist
C2 = 0.0062 m/(s K) für Motoren mit unterteiltem jedoch nicht vorgesehen. Weiterhin ist die Gleichung so
Brennraum (in Haupt- und abgestimmt, dass die Oberfläche des Feuersteges unberück-
Nebenbrennraum) sichtigt bleibt, als gehöre sie nicht zum Brennraum. Wird
C2 = 0 für Kompression und der Feuersteg in der Prozess­rechnung explizit berechnet, so
Ladungswechsel ist der dort entstehende Wandwärmeverlust in geeigneter
Form mit invertiertem Vorzeichen im Brennraum wieder zu
Neben der Rundung des Exponenten n der Re-Zahl, s. Gl. berücksichtigen, da sonst die Energiebilanz nicht korrekt
(7-4), von 0,78 auf 0,8 wählt Woschni als charakteris­tische sein kann.
Länge den Durchmesser D des Zylinders. Er formuliert unter Gleichung (7‑10) ist die seit mehr als 35 Jahren mit wei-
Verwendung der mitt­leren Kolbengeschwindigkeit cm einen tem Abstand weltweit am häufigsten eingesetzte Wärme­
Strömungsterm w mit integriertem Verbrennungsterm unter übergangsgleichung. Unter der Anleitung von Woschni
Verzicht auf die Wärmestrahlung. Danach erzeugt die Ver- wurde die Gleichung mehrfach verifiziert (z. B. [7‑25] und
brennung Turbulenzen, modelliert durch die Differenz [7‑41]) und durch Ergänzungen verbessert, bzw. an spezielle
„Druck mit Verbrennung pZ – Druck ohne Verbrennung p0 Fragestellungen angepasst.
(Schubbetrieb)“, skaliert durch die Größe C2 abhängig vom Kolesa [7‑33] hat den Einfluss hoher Wandtemperaturen
Verbrennungs­verfahren und durch die drallabhängige Größe auf den Wandwärme­verlust untersucht. Ergebnis war, dass
C1 = f (cu /cm) für die Strömungsgeschwindigkeit (zur Be­ der Wärmeübergangskoeffizient ab einer bestimmten Wand-
stimmung der Drallzahl bzw. der Umfangsgeschwindigkeit cu temperatur (Tw > 600 K) deutlich ansteigt, weil die Flamme
s. Abschn. 2.1.2.4). näher an die Wand heran brennt, das wandnahe Verlöschen
Für die Ladungswechselphase gelten andere Konstanten als (quenchen) der Flamme also später eintritt. Die thermische
für die Hoch­druckphase, wobei durch den Wechsel der Kons­ Grenzschicht wird dadurch dünner und der Temperaturgra-
tanten und durch das „Abschalten“ des Verbrennungsterms dient innerhalb der Grenzschicht nimmt zu. Damit erklärt
bei Auslass öffnet ein etwas unschöner „Knick“ in den Wand- sich der Anstieg des Wärmeübergangskoeffizienten. Dieser
wärmestromverläufen entsteht (Bild 7‑16). Anstieg wirkt der Abnahme des Wandwärmestromes durch

Bild 7-16 
Vergleich der Ergebnisse von Glei-
chung 7‑10 mit Oberflächentempera-
tur-Messungen für Dieselmotor [7‑41]
und Ottomotor [7‑25]
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    237

die mit einem Wandtemperaturanstieg kleiner werdende Auch in den USA wird Gl. (7‑10) weiterentwickelt. Zur
treibende Temperaturdifferenz entgegen, so dass zunächst Anpassung an HCCI Verbrennungen hat 2004 Assanis et al.
der Wandwärmeverlust sogar zunimmt und erst bei höheren [7-26] ebenfalls die Woschni-Gleichung als Basis verwen-
Wandtemperaturen abzunehmen beginnt, bis bei Tempera- det.
turidentität mit der energetischen Massenmitteltemperatur Doch wie die Erfahrung zeigt, wird keine der erwähnten
(vgl. Abschn. 7.2.7) der Zustand des wärmedichten Motors Änderungen auf breiter Basis angewendet, sondern über-
erreicht wird. wiegend die Urform der Gl. (7‑10), trotz ihrer bekannten
Die von Kolesa erarbeitete Änderung wirkt sich nur auf Schwächen. Wenn von dieser zum Standard gewordenen
die Konstante C2 des Verbrennungsterms aus und wurde nur Form abgewichen wird, wird meist eine andere Gleichung
für Motoren mit nicht unterteilten Brennräumen verifi- für den Wärmeübergangs­koeffizienten WÜK gewählt.
ziert: Hohenberg veröffentlicht 1980 eine Gleichung für den
Wärmeübergang in Dieselmotoren, die eben­falls auf der
(7-11)
Ähnlichkeitstheorie basiert [7-30].

(7-14)

Im Aufbau relativ einfach, wird sie häufig zu Vergleichen mit
Die unschöne Fallunterscheidung wurde von Schwarz 1993 der Woschni-Gleichung herangezogen.
durch Überführung von Gl. (7‑11) in eine stetige Form besei- Als charakteristische Länge verwendet Hohenberg den
tigt [7‑40]. Radius einer Kugel, deren Volumen dem momentanen
Brennraumvolumen entspricht. Eine Kugel deshalb, weil es
(7-12)
der einzige geometrische Körper ist, der durch Angabe einer
geometrischen Größe beschrieben werden kann. Dadurch
werden Motoren mit unterschiedlichen Hub/Bohrungsver-
hältnissen besser abgebildet. Bemerkenswert ist, dass durch
Einbeziehung des Exponenten „3“ (V = π r3) ein sehr kleiner
Mit häufigerem Einsatz der Wärmeübergangsgleichung von Exponent (–0,06) entsteht, der zeigt, dass der Wärmeüber-
Woschni wurde deutlich, dass bei niedrigen Lasten und gangskoeffizient weitgehend unabhängig ist von den geomet­
geschlepptem Motorbetrieb der Wärmeübergang mit der rischen Abmessungen des Motors.
bekannten Gleichung zu niedrig berechnet wurde. Weiter- Für den Einfluss der Geschwindigkeit wählt Hohenberg
hin wurde entdeckt, dass der Wandwärmeverlust abhängig ebenfalls die mittlere Kolbengeschwindigkeit  cm, ergänzt
ist von der Berußung der Brennraumoberfläche. durch eine Konstante (1,4) für den Einfluss der Verbrennung
Huber [7‑46] und Vogel [7‑42] haben Gl. (7‑10) deshalb und eine leichte Tempera­turabhängigkeit dieses Terms:
mit einem variablen Term ergänzt, der ein modifiziertes 1,4 TZ0,163. Hohenberg beschreibt zwar in [7‑30] dass er auch
Geschwindigkeitsglied w ergibt. Die Konstante C3 wird hier einen leichten Druckeinfluss auf die wärmeübergangsrele-
nur für Dieselmotoren angegeben. Für andere Brennverfah- vante Geschwindigkeit experimentell festgestellt hat (pZ0,25  ·  0,8).
ren, bzw. Kraftstoffe gelten C3 = 0.8 für Benzin und C3 = 1.0 Dafür reduziert er aber den reinen Druckexponenten von
für Methanol. 0,8 auf 0,6, so dass im strengen Sinne der Ähnlichkeitstheo-
Wenn: rie (Re0,8) mathematisch doch kein Druckeinfluss auf die
Geschwindigkeit vorhanden ist und der Druckexponent
insgesamt bei 0,8 verbleibt.
Im Unterschied zur „Woschni-Gleichung“ wird auch die

Feuerstegfläche bei der Berechnung der momentanen
dann:
Gesamtbrennraumfläche A in Gl. (7‑2) berücksichtigt:
(7-13)
(7-15)

mit:
Der Faktor 0.3 berücksichtigt dabei, dass der Wärmeüber-
gang im Feuersteg lediglich 30% des Wärmeüberganges im
Brennraum ist. Die Feuerstegfläche AFeuersteg ergibt sich aus
dem Brennraumumfang multipliziert mit der Feuersteghöhe
des Kolbens mal zwei (AFeuersteg = D · p · 2 · hFeuersteg).
238    7  Belastung von Motorbauteilen

Gleichung (7‑14) ist Ergebnis sehr umfangreicher experi- Mit ε = εq = 2,184 und der charakteristischen Wirbellänge
menteller Untersuchungen an einer größeren Zahl sehr
unterschiedlicher Motoren mit verschiedensten Messtech- . Für die Berechnung der spezifischen kine-
niken [7‑30] und [7‑31]. tischen Energie der Quetschströmung kq muss eine topfför-
Bargende veröffentlicht 1991 [7‑16], [7‑15] eine weitere, mige Mulde definiert werden, welche die realen, meist von
zunächst für Ottomotoren entwickelte Beziehung für den diesem Idealfall abweichenden Verhältnisse möglichst gut
WÜK, die jedoch auch bei Dieselmotoren angewendet wird wieder gibt [7‑16].
[7‑14] und [7‑34]. Auch sie basiert auf der Ähnlich­ In jüngster Zeit wurde in [7‑39] dieses k-ε-Modell in ganz
keitstheorie. ähnlicher Form verwendet, um die wärmefreisetzungsrele-
vante Konvektion zu modellieren.
(7-16) Als Verbrennungsterm wird im Unterschied zu den
Modellen von Woschni und Hohenberg keine im Strömungs-
Anstatt eines gerundeten Wertes (0,8) wird der exakte Wert für term integrierte Formulierung verwendet. Vielmehr model-
den Exponenten n = 0,78 verwendet. Als charakteristische liert der multiplikative Verbrennungsterm ∆ die unter-
Länge wird die Formulierung von Hohenberg übernommen schiedlichen treibenden Temperaturgefälle vom Unver-
(d–0,22  ·V–0,073). Als für den Wärmeübergangskoeffizienten brannten mit einer Temperatur Tuv und vom Verbrannten
relevante Temperatur wird eine Mitteltemperatur aus Massen- mit einer Temperatur Tv zu den Brennraumwänden [7‑16].
Im Vergleich zu den älteren Wärmeübergangsgleichungen
mitteltemperatur und Wandtemperatur ein- von Woschni und Hohenberg ist die von Bargende deutlich
gesetzt, da innerhalb der thermischen Grenzschicht der Tem- unübersichtlicher hinsichtlich des Einflusses geänderter
peraturausgleichsvorgang Gastemperatur zu Wandtempera- Motorparameter auf den Wandwärmeverlust. Den Glei-
tur stattfindet, so dass die Stoffwerte (λ, η) und die Dichte ρ chungen von Woschni und Hohenberg ist der Einfluss einer
mit einer Mitteltemperatur zu berechnen sind. Drehzahler­höhung auf die Wandwärmeverluste sofort zu
Um höheren Ansprüchen zu genügen, kann auch eine entnehmen. Dieser einfachen Interpretation verschließt sich
Abhängigkeit von der Gaszusammensetzung über den Luftge- die Bargende-Gleichung mit dem für die Modellierung des
halt r berücksichtigt werden. Der Luftgehalt r ist definiert zu Geschwindigkeitsterms verwendeten k-ε-Modell.
Hier zeigt sich deutlich, dass durch die heutige, aus-
(7-17) schließlich programmierte Anwendung derartiger Modelle
auf Übersichtlichkeit zugunsten höherer Genauigkeit ver-
zichtet werden kann. Dieser Trend wird sich auch in
und bewegt sich im Zahlenwert zwischen r = 0 für ein stö­ Zukunft fortsetzen, wie beispielhaft die jüngeren Arbeiten
chio­metrisches Luftverhältnis (λ = 1) und r = 1 für reine Luft [7‑39] und [7‑21] auf dem Gebiet der Wärmeübergangsmo-
(λ → ∞). Der Stoffgrößenterm lautet dann: dellierung zeigen. Allerdings darf nicht der Fehler begangen
werden, einen „Scheingenauigkeitsgewinn“ mit der Modell-
bildung zu suggerieren, der dann entsteht, wenn Phäno-
(7-18)
mene in die Modellierung einbezogen werden, die experi-
mentell nicht überprüfbar sind. Derartige Gleichungssys­
teme sind nur scheinbar „physikalische“ Modellierungen,
aber tatsächlich sind sie rein empirische Anpassungen mit
Die wärmeübergangsrelevante Geschwindigkeit w wird mit- entsprechend eingeschränktem Gültigkeitsbereich.
tels eines globalen k‑ε‑Turbulenz-Modells beschrieben:
7.2.5 Anwendungsbeispiele

(7-19) Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Ergebnisse,
die mit den im vorigen Abschn. beschriebenen Wärmeüber-
Mit ck als der momentanen Kolbengeschwindigkeit. Für gangsgleichungen erzielt werden, findet relativ häufig statt,
die Änderung der spezifischen kinetischen Energie gilt: zumeist um entweder eine neue Gleichungsformulierung
einzuordnen oder um Mess- mit Rechenergebnissen zu ver-
(7-20) gleichen.
Auch hier soll deshalb ein Vergleich der drei wesentlichen
Wärmeübergangs­gleichungen angestellt werden, um dem

7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    239

Anwender eine für seine Fragestellung passende Auswahl zu Kurbelwinkellage relativ zu ZOT erreicht. Im Wesentlichen
erleichtern. durch die höheren Drücke ergeben sich mit allen drei Glei-
Bild 7‑17 zeigt hierzu im linken Diagramm den gemes- chungen leicht höhere Wärmeübergangskoeffizienten beim
senen Druckverlauf und die aus ihm thermodynamisch HCCI-Betrieb. Zusammen mit den höheren Massenmittel-
analysierten Verläufe der Massenmitteltemperatur- und des temperaturen und insbesondere durch die geringere ver-
Brennverlaufs eines typischen, modernen direkteinspritzen- brannte Kraftstoffenergie Qb entstehen merklich höhere
den (DE) Common Rail (CR) Pkw-Dieselmotors in der bezogene Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD) bei
Teillast bei konventionellem, heterogenem Betrieb, in die- homogener als bei heterogener Verbrennung.
sem Beispiel mit einer Voreinspritzung appliziert. Im rech- Die Unterschiede im berechneten relativen Wandwärme-
ten Diagramm von Bild 7‑17 sind die Wärmeübergangsko- verlust zwischen den drei Gleichungen sind bemerkenswert
effizienten nach Woschni (Gl. (7‑10)), Hohenberg (Gl. (7‑14)) groß und rühren aus den starken Differenzen in den berech-
und Bargende (Gl. (7‑16)), sowie die Wandwärmeverluste neten zeitlichen Verläufen der Wärmeübergangskoeffi­
im Hochdruckteil (HD) bezogen auf die umgesetzte Brenn- zienten her.
wärme dargestellt. Diese Diskrepanzen findet man auch in den Energiebi-
Korrespondierend dazu zeigt Bild 7‑18 bei identischem lanzen, Bild 7‑19, dargestellt als Quotient aus dem Maximal-
Motor die Analyse­ergebnisse bei homogener Verbrennung wert des integrierten Brennverlaufs Qb Max und der zuge-
(HCCI, s. Abschn. 3.3). Deutlich zu erkennen ist hier die, führten Kraftstoffenergie QKrst, reduziert um die unvollstän-
wie eine Vorverbrennung aussehende, sog. „kalte Verbren- dig (CO), bzw. unvollkommen (HC) verbrannten Energie-
nung“ („Cool Flame“) im Brennverlauf direkt vor der anteile QHC,CO. Letzteres ist insbesondere bei HCCI-Betrieb
Hauptverbrennung („Hot Flame“). erforderlich, da hier nennenswerte un- bzw. teilverbrannte
Bedingt durch die insgesamt frühere und kürzere HCCI- Energieanteile im Abgas vorhanden sind.
Verbrennung steigt der Spitzendruck gegenüber der hetero- Die von der „Woschni“-Gleichung gelieferten zu nied-
genen Verbrennung deutlich an und wird bei einer früheren rigen Bilanzwerte bei heterogenem Betrieb sind seit langem

Bild 7-17  Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem heterogen betriebenen CR-DE Pkw Diesel in der Teillast mit
e­ iner applizierten Voreinspritzung und 20% gekühlter, äußerer AGR
240    7  Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-18  Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem homogen (HCCI) betriebenem CR-DE Pkw Diesel in der Teillast
mit 60% gekühlter, äußerer AGR

bekannt ([7‑46] und [7‑42]). Bei heterogenem Betrieb ist menausbreitung ausgehend von einem singulären Zündort
nicht zu erkennen, ob die „Hohenberg“- oder die „Bar- ist.
gende“-Gleichung das genauere Ergebnis liefert, da aus Auch bei Anwendung der drei Gleichungen in der Volllast
ge­messenen Brennraum­druckverläufen ausgewertete Ener- von DE-Dieselmotoren ergeben sich signifikante Unter-
giebilanzen selbst bei sorgfältigster Kalibrierung und schiede. Bild 7‑20 zeigt im oberen Diagramm den mittleren
Anwendung der Messtechniken einen Vertrauensbe- indizierten Druck pi und den indizierten Wirkungsgrad ηi
reich von mindestens ± 2% aufweisen. Damit relativiert sich über der Motordrehzahl für einen auf Euro‑4 Grenzwerte
die Frage nach der Genauigkeit etwas, da die in Bild 7-19 abgestimmten Volllast-Betrieb eines Common Rail Pkw-Die-
aufgetragenen Abweichungen bei heterogener Verbrennung, selmotors. Im unteren Diagramm sind die bezogenen Wand-
bezogen auf „Hohenberg“, weniger als ± 4% betragen. wärmeverluste im Hochdruckteil (HD) dargestellt. Im qua­
Insgesamt bemerkenswert ist, dass bei HCCI-Betrieb litativen Verlauf sind alle drei Gleichungen identisch, hin-
überhaupt plausible Ergebnisse berechnet werden, da keine sichtlich der quantitativen Wärmeverluste ergeben sich
der drei Gleichungen für die homogene, selbstgezündete jedoch deutlich Unterschiede, vor allem zur „Woschni“-Glei-
Dieselverbrennung entwickelt, bzw. verifiziert wurde. Dies chung. Besonders auffällig ist der hohe Verlustanteil bei
ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass Wärmeübergangsglei- n = 1000 min–1, obwohl der indizierte Wirkungsgrad (berech-
chungen, die konsequent und sorgfältig auf der Änlichkeits- net aus innerer Arbeit und eingespritzter Kraftstoffmasse) im
theorie basierend entwickelt wurden, tastsächlich eine weit- Vergleich mit n = 1500 min–1 keinerlei Auffälligkeit zeigt.
gehende Allgemeingültigkeit erreichen. Auch die mit der „Woschni“-Gleichung berechneten Wand-
Erwartungsgemäß liefert jedoch die „Bargende“-Glei- wärmeverluste bei höherer Drehzahl erscheinen mit weniger
chung das Ergebnis mit der besten Energiebilanz, da der als 10% Energieanteil eher etwas zu gering zu sein.
HCCI-Betrieb energetisch relativ ähnlich zu einer otto­ Eine genauere Betrachtung der Verläufe der Wärmeüber-
motorischen Vormischverbrennung mit turbulenter Flam- gangskoeffizienten lässt darauf schließen (Bild 7‑21), dass
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    241

Bild 7-19 
Vergleich der Energiebilanzen bei Be-
rechnung der Wandwärmeverluste
mit Woschni, Hohenberg und Bargende
bei heterogener (konv. CR-DE) und
homogener (HCCI) Verbrennung (CR-
DE Pkw Diesel, n = 2000 min-1, Teil-
last, gekühlte, äußerer AGR

Bild 7-20  Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende (CR-DE Pkw Diesel)
242    7  Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-21  Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei n = 1000 min-1 und n = 4000 min-1 (CR-DE Pkw Diesel)

mit der „Woschni“-Gleichung der Verbrennungseinfluss auf rung der Wandwärme­verluste besprochen. Trotzdem ist zu
den Wärmeübergang bei n = 1000 min–1 zu stark und bei bemerken, dass die älteste aller auf der Ähnlichkeitstheorie
n = 4000 min–1 eher zu schwach wiedergegeben wird und basierenden Wärmeübergangsgleichungen, die „Woschni“-
sich daraus die Unterschiede im bezogenen Wandwärme- Gleichung nach wie vor die am häufigsten eingesetzte ist,
verlust erklären. trotz aller bekannten Schwächen, wie auch wieder in dem
Der Vergleich der drei diskutierten Beziehungen für den hier gezeigten Vergleich zu sehen ist.
Wärmeübergang führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das Thema „Wärmeübergang vom Brennraumgas an die
Bei großen Dieselmotoren scheint die „Woschni“-Gleichung Brennraumwände“ ist offensichtlich als Forschungsthema
die besten Ergebnisse zu liefern [7‑48]. Insbesondere bei bei weitem noch nicht abgeschlossen.
Nfz-Dieselmotoren scheint es die „Hohenberg“-Gleichung Zum heutigen Stand kann daher nur die Empfehlung
[7‑30] zu sein. Bei homogenen und teilhomogenen Brenn- gegeben werden, die jeweils eingesetzten Wärmeübergangs-
verfahren, die stärkere Ähnlichkeiten mit ottomotorischen gleichungen stets kritisch zu überprüfen. Aber dies sollte im
Prozessabläufen, insbesondere bezüglich Kurbelwinkellage Rahmen physikalischer Plausibilität geschehen. Beispiels-
und Dauer der Wärmefreisetzung zeigen, dürfte es die „Bar- weise ist ein Bilanzfehler von deutlich mehr als 5% sicherlich
gende“-Gleichung sein ([7‑28],[7‑29]). nicht durch eine „falsche“ Wärmeübergangsgleichung ver-
Jedoch ist auch die „Bargende“-Gleichung mittlerweile ursacht. Hilfreich ist dabei immer der parallele Einsatz
mehr als 15 Jahre alt, die „Hohenberg“-Gleichung mehr als mehrerer Gleichungen, weil dies die Plausibilitätsprüfung
25 Jahre und die „Woschni“-Gleichung gar vor mehr als deutlich erleichtert. Schlussendlich ist viel Erfahrung in der
35 Jahren veröffentlicht worden. Anwendung durch nichts zu ersetzen und eine universell
Seitdem hat der dieselmotorische Prozessablauf deutliche richtige Lösung existiert heute noch nicht.
Veränderungen erlebt. Stellvertretend sei hier nur die Flexi-
bilisierung der Einspritzgestaltung durch das Common Rail
System als Beispiel genannt. In einer Vielzahl von Veröffent­
lichungen wurden auch die Auswirkungen auf die Modellie-
7.2  Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    243

7.2.6 Wärmeübergang für den Ladungswechsel Da die „Bargende-Gleichung“ nur für den Hochdruckteil
und die Ansaug- und Abgaskanäle von ES bis AÖ gilt, sollte für den Ladungswechsel auf die
„Woschni“-Gleichung gewechselt werden.
Der Ladungswechsel erstreckt sich definitionsgemäß von Eine Ladungswechselsimulation oder -analyse benötigt
Auslass öffnet bis Einlass schließt. Der Wärmeübergang im neben dem Wärmeüber­gang im Zylinder auch entspre-
Zylinder während dieser Phase des Prozessablaufes wurde chende Modelle für den Ansaug- und den Auslass­kanal als
bis heute lange nicht so intensiv erforscht wie im Hochdruck- Randbedingungen.
teil des Prozesse von Einlass schließt bis Auslass öffnet. Von Zapf wurden 1969 [7‑49] zwei ebenfalls auf der Ähn-
Zunehmend werden immer höhere Ansprüche an die lichkeitstheorie turbulent durchströmter Rohre basierende
Genauigkeit der realen Prozessberechnung gestellt, so dass Gleichungen für die Kanäle veröffentlicht:
auch der Wandwärmeverlust während des Ladungswechsels
an Bedeutung gewinnt. Er beeinflusst in deutlichem Maße:
– die Abgasenthalpie und damit die energetische Beauf­schla­
gung einer Abgasturboladerturbine, (7-22)
– die Abgastemperatur und damit indirekt die Temperatur
einer äußeren Abgasrückführung (AGR), in noch stärke­
rem Maße aber die Temperatur des intern, während der Zur Anwendung ist eine Auflösung der Nusseltzahlen für
Ventilüberschneidung über den Ansaugkanal rückge­ den Einlasskanal  NuEK und den Auslasskanal  NuAK nach
führtem, bzw. im Zylinder verbleibendem Abgas, dem Wärmeübergangs­koeffizienten  α erforderlich. Der
– Die Frischladungsfüllung und deren Temperatur durch Term hv/di beschreibt den Quotienten aus Ventilerhebung
mehr oder weniger starke Aufheizung während der und innerem Ventildurchmesser.
Ansaugphase. Indirekt wird dadurch auch nennenswert Die Gln. (7‑22) wurden in [7‑44] sehr aufwändig und
die Schadstoffbildung (Stickoxide) durch Veränderung des systematisch untersucht und erwiesen sich als sehr gut
gesamten Prozesstemperaturniveaus beeinflusst, geeignet, um den Wärmeübergang in den Kanälen mit guter
– Der direkte Einfluss auf den Ladungswechselwirkungs­grad Genauigkeit zu berechnen.
ist relativ gering, vielmehr entstehen sekundäre Einflüsse
auf den gesamten Prozesswirkungsgrad durch die vorher 7.2.7 Energetisch mittlere Gastemperatur zur
genannten Einflüsse. Berechnung der thermischen Belastung
Wie im Hochdruckteil wird zur Berechnung des zylindersei- der Bauteile
tigen Wärmeüber­gangs im Ladungswechsel am häufigsten
Zur Berechnung der Temperaturfelder in den Brennraum-
die „Woschni“-Gleichung eingesetzt:
wänden wird keine zeitliche Auflösung des Arbeitsspieles im

(7-21) Kurbelwinkelmaßstab benötigt. Es genügt, den Wärmeüber-

gangskoeffizienten und die Gastemperatur zur Berechnung
Mit C1 = 6,18 +0,417 cu/cm für den Ladungswechsel.
der Randbedingung „Wärmestromdichte an der Brennraum­
Auch die Konstante C1 erfuhr eine Überarbeitung, so
oberfläche“ als Mittelwerte über jeweils ein Arbeitsspiel ein-
1999 von Gerstle [7‑27] für den Einsatz bei mittelschnelllau-
zusetzen.
fenden Dieselmotoren im Hinblick auf genauere Erfassung
Für die Berechnung von Kalt- und Warmstarts sowie all-
der Abgasenthalpie:
gemein Änderungen des Betriebspunkts ist sogar eine noch
geringere zeitliche Auflösung empfehlenswert, um die
Rechenzeiten begrenzt zu halten und eine gute Konvergenz
sicher zu stellen [7‑38].
Für den mittleren Wärmeübergangskoeffizienten αm gilt:

Der Wandwärmeverlust von Auslass öffnet bis Einlass öffnet (7-23)
wird dadurch gegenüber der Ur-Version deutlich abgesenkt
und die „Aufheizung“ der Frischladung während des An- Für die energetisch mittlere Massenmitteltemperatur Tzm gilt:
saugvorganges deutlich angehoben.

Nach [7-30] ist die „Hohenberg“-Gleichung mit iden-
(7-24)
tischen Konstanten sowohl für den Hochdruck-, als auch für

den Ladungswechselteil einsetzbar.

244    7  Belastung von Motorbauteilen

Durch diese Wichtung der Massenmitteltemperaturen Tz mit nale Simulationsprogramme entwickelt. Mit diesen Simu­la­
dem momentanen Wärmeübergangskoeffizienten α ergeben tions­werkzeugen wurde anfänglich erwartet, dass auf
sich deutlich höhere Temperaturen, als bei arithmetischer ­Ähnlichkeitstheorie basierte Wärmeübergangsgleichungen
Mittelung über das Arbeitsspiel (ASP). Eine Berechnung von verzichtet werden kann und eine deutlich verbesserte und
Temperaturfeldern mit arithmetischer Mitteltemperatur insbesondere lokal aufgelöste Berechnung der Wand­
führt zu gänzlich falschen, viel zu niedrigen Wandtempera- wärmeströme ermöglicht wird.
turen. Der Wandwärmeverlust und die thermische Belastung Eingesetzt wurden aus der Turbulenz Modellierung stam-
der Bauteile würde deutlich unterschätzt werden. mende klassische turbulente, bzw. logarithmische Wandge-
Das heißt aber auch, dass das Erreichen eines wärmedich- setze, wie sie in anderen CFD‑Anwen­dungen sehr erfolg-
ten Motors der Bedingung: reich zur Anwendung kommen. In [7‑35] und [7‑37] wer-
den die grundlegenden Zusammenhänge sehr anschaulich
dargestellt.
Bei Anwendung des logarithmischen Wandgesetzes im
Verbrennungsmotor zeigte sich jedoch bald, dass der globa-
le, integrale Wandwärmeverlust um bis zu einem Faktor 5
gehorchen muss. Die Wandtemperaturen müssten danach unterschätzt wurde, im Vergleich zu Bilanzmessungen und
bei Volllast deutlich mehr als Tw=1000 K erreichen. Abgese- realen Prozessrechnungen. Bei einer derart großen Diskre-
hen von dieser Schwierigkeit haben entsprechende Untersu- panz konnte nicht erwartet werden, korrekte Ergebnisse für
chungen [7‑33] gezeigt, dass durch eine derartige Maßnahme alle anderen interessierenden Größen zu erhalten.
keine Wirkungsgradverbesserungen erzielbar sind, sondern Die Ursache für diese Differenzen ist in den sehr dünnen
im Gegenteil der Kraftstoffverbrauch sogar zunimmt. Grenzschichten im Verbrennungsmotor zu suchen. Die
laminaren, viskosen Unterschichten sind sogar extrem dünn,
7.2.8 Wärmeübergangsmodellierung in der 3D-CFD- wie eine Abschätzung mittels folgender, einfacher Gleichung
Rechnung für die Dicke der viskosen Unterschicht δ´t entsprechend
Abschn. 7.2.2 zeigt.
Mit der Verfügbarkeit ausreichend schneller Computer wur-
den für die Auslegung des motorischen Prozessverlaufs und (7-25)
insbesondere der Verbrennung instationäre, dreidimensio-

Bild 7-22 
Verlauf der Dicke der viskosen Unter-
schicht der thermischen Grenzschicht.
Wärmeübergangskoeffizient nach
Bargende (CR-DE Pkw Diesel)
7  Literatur    245

In Bild 7‑22 sind die Verläufe der örtlich mittleren Dicken 7-12 Broichhausen, J.: Schadenskunde – Analyse und Ver-
der viskosen Unterschicht der thermischen Grenzschicht be- meidung von Schäden in Konstruktion, Fertigung und
rechnet mit Gl. (7‑25) für die vier in Abschn. 7.2.5 ausführ- Betrieb. München/Wien: Hanser 1985
lich diskutierten Betriebspunkte dargestellt. Obwohl es sich 7-13 Zima, S.; Greuter, E.: Motorschäden. Würzburg: Vogel
mit der einfachen Beziehung nur um eine Abschätzung han- 2006
deln kann, wird doch deutlich, dass eine numerische Diskre- 7-14 Barba, C.; Burkhardt, C.; Boulouchos, K.; Bargende,
tisierung einer höchstens 20 µm dicken Unterschicht an der M.: A Phenomenological Combustion Model for Heat
Brennraumwandoberfläche nicht möglich ist und deshalb Release Rate Prediction in High-Speed Di Diesel
mit Näherungen gearbeitet werden muss. Engines With Common-Rail Injection. SAE-Paper
Trotz der von z. B. Reitz erarbeiteten Fortschritte bei einer 2933 (2000) 1
für 3D-CFD Simu­lationen geeigneten, lokalisierten Formu- 7-15 Bargende, M.; Hohenberg, G.; Woschni, G.: Ein Glei-
lierung des Wandgesetzproblems (z. B. [7‑43]), wird bis chungsansatz zur Berechnung der instationären Wand­
heute sehr häufig eine der drei in Abschn. 7.2.5 diskutierten wärmeverluste im Hochdruckteil von Ottomotoren.
Wärmeübergangsgleichungen in der 3D-CFD Simulation 3. Tagung: Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmo-
verwendet. Bei intelligenter Implementierung ergibt sich tors. Graz 1991
hierdurch der unschätzbare Vorteil einer laufenden Kontrol- 7-16 Bargende, M.: Ein Gleichungsansatz zur Berechnung
le (bzw. falls erforderlich: Korrektur) der Energiebilanz der der instationären Wandwärmeverluste im Hochdruck-
3D-CFD Rechnung durch eine simultan laufende reale Pro- teil von Ottomotoren. Diss. TU Darmstadt 1991
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