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Regelung und Steuerung


der Kraftstoffeinspritzsysteme

6.1 Mechanische Regelung zeichnet. Der P‑Grad des Reglers wird ausgehend von der
oberen Leerlauf‑(Nulllast-)‑Drehzahl nLo auf die obere Voll‑
6.1.1 Aufgaben des mechanischen Drehzahlreglers lastdrehzahl nVo (Nenndrehzahl) bezogen:

Mechanische Regler finden auch heute noch wegen ihrer Ro‑


bustheit und Wartungsfreundlichkeit weltweiten Einsatz,
insbesondere bei Off‑Highway-Anwendungen und Statio‑ Gebräuchliche P‑Grade sind: ca. 0 bis 5% für Aggregatemo‑
närmotoren. Die Grundfunktionen der mechanischen Rege‑ toren, ca. 6 bis 15% für Fahrzeugmotoren.
lung werden am Beispiel der Reihenpumpe dargestellt.
Kennzeichen einer Regelung ist ein geschlossener Wirk‑ 6.1.2 Aufbau und Wirkungsweise mechanischer
kreis, bei dem eine „Stellgröße“, beispielsweise die über die Drehzahlregler
Regelstangenstellung der Reihenpumpe als „Stellglied“ vor‑
gegebene Einspritzmenge, die Ausgangsgröße dieser Regel­ Über eine gelenkige Gestängeverbindung wird eine Koppe‑
einrichtung ist. Wird die eingespritzte Kraftstoffmasse bei lung mit der Regelstange der Einspritzpumpe hergestellt. Bei
gleich bleibendem Belastungsmoment erhöht, würde dies den Reglern der Bauart RQ und RQV(K), Bild 6‑1, wirken
zum Anstieg der Drehzahl als „Regelgröße“ führen, die wie‑ die beiden Fliehgewichte direkt auf die im Messwerk einge‑
derum als Eingangsgröße der Regeleinrichtung, des eigent‑ bauten Regelfedern, die für die gewünschte Nenndrehzahl,
lichen Reglers, diese zum Eingreifen veranlasst. Somit ergibt den P‑Grad und die Leerlaufdrehzahl ausgelegt sind. Den
sich ein geschlossener Regelkreis. Jeder Regler hat als quadratisch mit der Drehzahl anwachsenden Zentrifugal‑
Grundaufgabe die Begrenzung der Enddrehzahl, damit der kräften rotierender Fliehmassen wirken Federkräfte von Re‑
Dieselmotor die zulässige Höchstdrehzahl nicht überschrei‑ gelfedern entgegen. Die Stellung der Regelstange entspricht
tet. Andere Aufgaben der mechanischen Drehzahlregler dabei der jeweiligen Auslenkung der Fliehgewichte unter
sind: Vorspannen der Regelfeder infolge der Fliehkräfte.
– die Bereitstellung der Startmenge,
– Leerlaufregelung, Reglerausführungen
– Einhaltung einer vorgegebenen Drehzahl bei verschiede-
nen Motorbelastungen und Exemplarisch wird der Leerlauf-Enddrehzahlregler RQ be‑
– Anpassung an Drehmomentverlauf durch Angleichung schrieben. Bei Dieselmotoren für Fahrzeuganwendungen ist
oder Zusatzgruppen. meist keine Regelung im Drehzahlbereich zwischen Leer‑
lauf- und Enddrehzahl erforderlich. In diesem Bereich steu‑
Proportionalitätsgrad (P‑Grad) ert der Fahrer unmittelbar über das Fahrpedal das Gleichge‑
wicht zwischen dem Drehmoment entsprechend dem Fahr‑
Wird ein Dieselmotor bei unveränderter Fahrpedalstellung zeugwiderstand und dem Kraftstoffbedarf. Der Regler über‑
entlastet, darf die Drehzahl im Regelbereich nur um ein vom nimmt die Leerlaufregelung und regelt die Enddrehzahl. Aus
Motorhersteller zugelassenes Maß ansteigen. Der Drehzahl­ dem schematisch dargestellten Reglerkennfeld sind folgende
anstieg ist proportional zur Laständerung, d. h. die Dreh‑ Reglerfunktionen erkennbar, Bild 6‑2:
zahländerung ist umso größer, je größer die Motorentlastung – Gestartet wird der kalte Motor mit der Startmenge (A) bei
ist. Dies wird als Proportionalverhalten oder P‑Grad be‑ ganz durchgetre­tenem Fahrpedal.
6.2  Elektronische Regelung    199

6.2 Elektronische Regelung


Seit 1986 werden Diesel-Einspritzsysteme zunehmend mit
digitalen, elektronischen Regelungen ausgestattet. Anfangs
wurden mechanisch geregelte Verteilerpumpen und ab 1987
auch Reihenpumpen mit elektronischen Reglern für die
Abgasrück­führung und die Mengenregelung eingesetzt1. Mit
der Umstellung auf die modernen Direkteinspritzsysteme,
Common Rail ab 1997 und Unit Injector ab 1998, liegen
sämtliche regelungstechnischen Funktionen im elektro‑
nischen Steuergerät (Electronic Diesel Control, EDC). Wich‑
tigste Eigenschaften der elektronischen Motorsteuerung sind
hohe Verfügbarkeit über das gesamte Fahrzeugleben, volle
Funktionalität auch unter extremen Umweltbedingungen
und Echtzeitbetrieb in allen Betriebszuständen und bei allen
Motordrehzahlen.

6.2.1 Systemübersicht Steuergerät


Bild 6-1  Messwerk mit innen eingebauten Regelfedern 1 Einstellmutter; Die Direkteinspritzsysteme Unit Injector System und noch
2 Regelfeder; 3 Fliehgewicht; 4 Gelenkstück; 5 Nockenwelle; 6 Federspann-
mehr das Common Rail System gestatten es, die Einspritzung
bolzen; 7 Winkelhebel; 8 Schleppfeder; 9 Verstellbolzen; 10 Gleitstein; 11 Ver-
bezüglich ihrer Aufteilung in mehrere Einzeleinspritzungen
stellhebel; 12 Kurvenplatte; 13 Lenkhebel; 14 Regelstange; 15 Regelhebel
(Vor‑ Haupt‑, Nacheinspritzungen) und bei Common Rail
auch bezüglich des Einspritzdrucks einzustellen. Dies ge‑
schieht im Steuergerät in Abhängigkeit von einer sehr großen
– Nach dem Start und zurückgenommenem Fahrpedal Zahl an Motor- Fahrzeug- und Umgebungs­parametern, so
pendelt sich die Drehzahl in der Leerlaufstellung (B) ein. dass bei modernen Steuerungen bis zu 10.000 Parameter
– Ist der Motor warmgelaufen, stellt sich die Leerlauf­dreh­ (also Kennwerte, Kenlinien oder Kennfelder) eingestellt wer‑
zahl (L) entlang der Leerlaufkurve ein. den müssen. Um dies zu ermöglichen, wuchs in den letzten
– Wird das Fahrpedal bei stehendem Fahrzeug, aber laufen­ zehn Jahren die Systemkomplexität bezüglich Rechenleis­
dem Motor durchgetreten, erhöht sich die Fördermenge tung, Speicherplatz und Funktionen stark an (Bild 6‑3). Da‑
auf den Wert für Volllast und die Drehzahl von nLu auf n1. mit folgt die Motorsteuerung der in der Digitalelektronik
Dort setzt die Angleichung ein. Die Fördermenge wird bekannten Regel von Gordon Moore, wonach die Komplexi‑
geringfügig verringert, die Drehzahl steigt auf n2 , den tät der integrierten Schaltungen exponentiell wächst [6‑2].
Auslauf der Angleichung. Eine weitere Drehzahlsteigerung
erfolgt, bis die obere Volllastdrehzahl nVo erreicht ist. Dann 6.2.1.1 Funktionale Systembeschreibung
beginnt die Endabregelung entsprechend dem ausgelegten
P‑Grad. Die Fördermenge wird reduziert bis zum Erreichen Das elektronische Motorsteuerungssystem lässt sich in drei
des oberen Leerlaufs nLo. Blöcke gliedern: Die Eingangsbeschaltung, bestehend aus
– Im Fahrbetrieb steuert der Fahrer mit dem Fahrpedal den Sensoren und Sollwertgebern, das Steuergerät selbst und die
aktuellen Fahrzustand, indem er ein Gleichgewicht Ausgangsbeschaltung, bestehend aus Aktoren und Anzeigen.
zwischen erforderlichem Motormoment und aktuellem Zusätzlich gibt es noch bidirektionale Kommunikations­
Fahrwiderstand herstellt. Dabei wird über die Fahrpedal­ datenbusse, über die der Informationsaustausch zu anderen
stellung und die angekoppelte Regelstange die jeweilig Steuergeräten erfolgt. Das Steuergerät selbst unterteilt sich
erforderliche Kraftstoffmenge von der Einspritzpumpe entsprechend funktional in Eingangsschaltung (Signalaufbe‑
gefördert. reitung), Rechnerkern und Endstufen mit der Leistungselek‑
tronik zur Ansteuerung der Aktoren (Bild 6-4).
Weitere Reglerausführungen und Zusatzgruppen/Anpass‑
vorrichtungen siehe [6‑1].
1 Schon in den frühen 1980er Jahren gab es für die Spritzbeginn-/Förderbeginn­
regelung für Verteilerpumpen elektronische Regler.
200 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Bild 6-2 Reglerkennfeld Leerlauf-Enddrehzahlregler mit positiver Angleichung; A Startregellage; B Leerlaufpunkt bei kaltem Motor; L Leerlaufpunkt bei warmem
Motor; nLu untere Leerlaufdrehzahl; n1 Angleichbeginn; n2 Angleichende; nVo obere Volllastdrehzahl; nLo obere Leerlaufdrehzahl

Aus dem Fahrpedalsignal (Fahrerwunsch) ermittelt das 6.2.1.2 Systemanforderungen Umgebungsbedingungen


Steuergerät unter Berücksichtigung einer Vielzahl weiterer
Eingangssignale wie Motordrehzahl, Geschwindigkeit, Luft- Elektronik im Kraftfahrzeug muss wegen der besonderen
u. Motortemperatur, Luftmenge usw. das Fahrerwunsch- Einbau- und Einsatzbedingungen für besondere Belastungen
moment. Diese Information wird mit anderen Drehmoment- ausgelegt werden. Prinzipiell wird die Elektronik für ein
anforderungen abgeglichen, z. %. dem Zusatzmoment für Fahrzeugleben ausgelegt, muss also bei Pkw typischerweise
den Generator oder dem Momentenwunsch durch das 10 Jahre und 250.000 km ihren Dienst versehen. Weitere ty-
ESP-System (Elektronisches Stabilitätsprogramm). Das resul- pische Umgebungsbedingungen für den bei Pkw häufig an-
tierende Moment wird unter Berücksichtigung der Momen- zutreffenden Einbau im Motorraum des Fahrzeugs sind in
tenwirksamkeit in die verschiedenen Anteile der Einsprit- Tabelle 6-1 aufgeführt.
zung (Vor- Haupt-, Nacheinspritzung) umgerechnet und
über die Endstufen an die Injektoren ausgegeben. 6.2.2 Aufbau- und Verbindungstechnik
Neben der eigentlichen Motorsteuerung wurden im Laufe
der Zeit eine große Zahl an weiteren Funktionen integriert, Motorsteuergeräte werden typischerweise in Leiterplatten-
beispielhaft seien hier nur elektronische Wegfahrsperre, technik unter Verwendung von Leiterplattenmaterial mit
Lichtmaschinenregelung oder Klimakompressorregelung 4 bis 6 Lagen hergestellt. Das Gehäuse besteht aus einer Bo-
für Pkw oder die Alldrehzahlregelung für Nkw genannt, bei den/Deckel-Kombination von Aluminium-Druckguss und
der der Motor auch bei stehendem Fahrzeug zum Antrieb tiefgezogenem Aluminiumblech, welche miteinander ver-
von Nebenaggregaten verwendet werden kann. schraubt und verklebt werden. Zum Druckausgleich wird
6.2  Elektronische Regelung    201

Bild 6-3  EDC Komplexitätswachstum (BOSCH)

Tabelle 6-1  Typische Umgebungsbedingungen für Motorraumeinbau im PKW

Umgebungstemperatur –40 °C – +85 °C Bei bewegter Umgebungsluft


Tropentauglichkeit 85 °C und 85% rel. Luftfeuchte
Staubdichtigkeit IP 5k xx
Wasserdichtigkeit IP xx 9k
Korrosionsfestigkeit Salzsprühnebel
Chemikalienbeständigkeit Kraftstoff, Motoröl, Kaltreiniger u. a.
Beschleunigungsfestigkeit ~ 3g In allen Raumachsen

eine wasserundurchlässige Membran vorgesehen. Dadurch 6.2.3 Digitaler Rechnerkern


kann im Steuer­gerät ein Atmosphären­druckfühler vorgese‑
hen werden, mit dem die Einspritzmengen auch luftdruckab‑ Zur Ausführung steht ein 32bit-Rechnerkern mit Taktfre‑
hängig, d. h. höhenabhängig korrigiert werden können. Eine quenzen bis zu 150 MHz zur Verfügung. Der Programmum‑
marktgängige Steckverbindung hat 154 Kontakte aufgeteilt fang incl. Applikationsparameter füllt einen 2 bis 4 MByte
in 2 Kammern (Bild 6‑5). Flash-Speicher, dazu ist für den Programmablauf ein RAM-
Speicher von 32 kByte verfügbar. Damit das Steuergerät im
ausgeschalteten Zustand stromlos geschaltet werden kann,
wird ein EEPROM-Speicher von 2 bis 8 kByte für berechnete
202
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Bild 6-4 Systemübersicht Steuergerät: Links: Signalaufbereitung; Mitte: Digitaler Rechnerkern; Rechts: Endstufen zur Ansteuerung der Aktoren (BOSCH)
6.2 Elektronische Regelung 203

Bild 6-5
Schnittmodell Motorsteuergerät
(BOSCH)

Adaptionswerte, fahrzeugindividuelle Kennzahlen und den 6.2.5 Funktionen und Software


Fehlerspeicher vorgesehen. Eine Überwachungsschaltung
prüft, ob der Rechner aktiv ist und mit der richtigen Taktfre- Üblicherweise arbeitet ein Steuergerät so im Verborgenen,
quenz rechnet. dass das nur die Software für den Fahrzeugfahrer wahr-
nehmbar ist. Die Software wird in „C“ programmiert, zuneh-
6.2.4 Eingangs- und Ausgangsschaltung mend wird auch direkt aus der Systemspezifikation mittels
Autocodegenerierung der ausführbare Code erzeugt. Ganz
Die Eingangsbeschaltung wandelt die ankommenden Signa- grob lässt sich die Funktionalität des Steuergeräts einteilen in
le (Schaltpegel von Schaltern, Analogspannungen von Sen- Motorfunktionen und Fahrzeugfunktionen, die beide in ei-
soren, Botschaften über serielle Schnittstellen wie CAN ner gemeinsamen Architektur implementiert werden.
(Controler Area Network) in digitale Werte um und stellt sie Das Steuergerät steht über serielle Bussysteme mit ande-
dem Rechner aufbereitet zur Verfügung. Auf der Ausgangs- ren Steuergeräten im Fahrzeug in Verbindung. Üblich sind
seite werden aus den im Rechner ermittelten Werten Ansteu- ein oder mehre CAN-Busse, in Zukunft werden schnellere
ersignale für die Einspritzventile, Stellglieder oder Bot- Bussysteme mit definiertem Echtzeitverhalten, z. B. Flexray,
schaften für serielle Schnittstellen zur Verfügung gestellt. hinzukommen. Die Getriebekommunikation z. B. regelt den
Darüber hinaus muss die Eingangs- und Ausgangsbeschal- optimalen Schaltpunkt einerseits und eine Motormomenten-
tung Schutz gegen elektromagnetische Einstrahlung bieten begrenzung im Umschaltpunkt andererseits, so dass im
und umgekehrt störende Abstrahlung verhindern. Spezielle Antriebsstrang keine Überlastung auftreten kann. Andere
Überwachungsschaltungen an den Endstufen stellen Kurz- Beispiele für seriellen Datenaustausch sind die Kommunika-
schlüsse nach Masse, nach Batteriespannung und Kabelfeh- tion mit dem Glühsteuergerät, der Wegfahrsperre, der
ler fest. Auch auf der Eingangsseite werden die Sensoren Lichtmaschine oder der Klimaanlage.
so spezifiziert, dass Kurzschlüsse und Kabelfehler schon in
der Schaltung zu Unplausibilitäten führen und erkannt 6.2.5.1 Software-Architektur
werden.
Die SW-Architektur stellt einen Ordnungsrahmen für das
Zusammenspiel einer sehr großen Zahl unterschiedlichster
204    6  Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Funktionen dar. Dabei ist ein wichtiger Aspekt der Beherr‑ kalischen Auflösung ohne Informationsverlust abbilden. In
schung eines hochkomplexen Systems seine Modularität, einer digitalen Signalbehandlung wird das Signal gefiltert,
d. h. die Unterteilung in beherrschbare Einzelfunktionen um EMV-Einstrahlung, Mikrounterbrechungen und andere
und die Wiederverwendbarkeit aus wirtschaftlichen Grün‑ Störungen auszublenden. Ebenso wird das Signal entspre‑
den. In einer Motorsteuerung müssen die Schnittstellen der chend der Kennlinie des Sensors linearisiert, so dass für die
Funktionen zunächst nach einheitlichen Kriterien definiert folgenden Regler der physikalische Wert der Messgröße zur
werden, dabei haben sich physikalische Größen (z. B. Dreh‑ Verfügung steht. Dieser physikalische Wert wird in heutigen
moment) gegenüber den früher verwendeten Messgrößen Rechnersystemen als 32‑bit Zahlendarstellung weiterverar‑
(z. B. Luftmenge) durchgesetzt. Die Architektur definiert beitet. Durch diese hohe Auflösung haben die Regelalgorith‑
auch die Kommunikation zwischen den Funktionen, z. B. men selbst keinen merkbaren Einfluss auf die Genauigkeit
wie Information bereitgestellt, angefordert und übertragen des Ergebnisses.
wird. Ebenso muss die Architektur das gewünschte Echtzeit‑
verhalten berücksichtigen: Manche Funktionen müssen syn‑ 6.2.5.3 Motorfunktionen
chron mit der Motordrehzahl berechnet werden (z. B. Ein‑
spritzsystem), andere wiederum laufen in festen Zeitrastern Als Motorfunktionen bezeichnet man alle Funktionen, wel‑
ab (z. B. Kommunikation mit anderen Steuergeräten im che den Verbrennungs­prozess regeln, von der Erfassung der
Fahrzeug). Eine dritte Kategorie von Software ist ereignisge‑ Luftmenge bis zur Ansteuerung der Einspritzventile. Eine
steuert, d. h. die Software reagiert auf ein von außen eintref‑ besondere Kategorie von Motorfunktionen stellen dabei die
fendes Signal. Dies erfordert motorsteuerungstaugliche Abgasnachbehandlungs­funktionen dar, mit deren Hilfe Ver‑
Echtzeitbetriebs­systeme gemäß OSEK-Standard (open sys­ brennung und Katalysatoren so geregelt werden, dass die
tems and the corresponding interfaces for automotive electro­ Abgasqualität optimiert und die gesetzlichen Grenzwerte
nics; www.osek.vdx.org). nicht überschritten werden.
Da der Umfang der Software sehr stark ansteigt, wird in Einen Überblick über die Motorfunktionen gibt Tabel‑
Zukunft die Software herstellerübergreifend in verschiedene le 6‑2, wichtige Abgasfunktionen sind in Tabelle 6‑3 zusam‑
Steuergeräte integriert werden müssen. Dazu wird als her‑ mengefasst.
stellerübergreifende Architektur AUTOSAR standardisiert
(www.autosar.org). Ziel ist, Modularität, Skalierbarkeit, Wie‑ Drehmoment Management
derverwendbarkeit, Portabilität und Standardisierung von
Schnittstellen zu erreichen, damit noch wesentlich komple‑ Das Drehmoment ist die dominierende physikalische Erhal‑
xere SW‑Systeme als heute zu vertretbaren Kosten beherrsch­ tungsgröße innerhalb des Antriebsstrangs. Sie ist für Benzin-
bar werden. und Dieselmotoren identisch, wodurch Funktionsstrukturen
unabhängig von der Art des gewählten Verbrennungsmotors
6.2.5.2 Digitale Regler sind. Deshalb wird der Antriebsstrang über das Drehmo‑
ment koordiniert. Der Fahrer fordert mit Betätigung des
Die digitale Realisierung der Regler in einem Mikro­prozessor­ Fahrpedals ein bestimmtes Drehmoment an den Rädern.
system bringt gegenüber der analogen Darstellung eine Reihe Dieses wird zurückgerechnet über das Differenzial, das Ge‑
von Besonderheiten mit sich. So lassen sich z. B. fast beliebig triebe (mit Getriebeverlusten) zum Drehmoment an der
komplexe Regelalgorithmen darstellen. Die Regler unterlie‑ Kupplung. Da zu jedem Zeitpunkt verschiedene Hilfsaggre‑
gen keinerlei Alterungseffekten und die Grenzwertüberwa‑ gate (Klimakompressor, Lichtmaschine usw.) unterschied‑
chung kann zur Systemdiagnose verwendet werden. Mitei‑ liche Drehmomente für sich fordern, müssen diese bekannt
nander koppeln lassen sich Regler auf vielfältigste Weise, sein und in das Motorausgangsmoment eingerechnet wer‑
z. B. sind mehrere Regler zeitlich synchronisierbar und die den. Nach weiterer Berücksichtigung der Reibungsverluste
Eingangsgrößen können zeitgleich vielen Reglern zu Verfü‑ des Motors selbst ergibt sich das innere Drehmoment des
gung stehen, auch wenn sich diese Regler in mehreren Steuer­ Motors, welches die Basis für die erforderliche Einspritz‑
geräten befinden, die über ein Datennetzwerk miteinander menge ist. Allerdings wird in modernen Fahrzeugen der
in Verbindung stehen. Fahrerwunsch nicht in dieser direkten Weise umgesetzt:
Die Quantisierung der analogen Sensorsignale erfolgt Traktionskontrollsysteme, Fahrgeschwindigkeits­regelungen
üblicherweise mit 8‑bit Analog/Digital-Convertern (ADC), oder Bremsassistenten können zusätzlich das Radmoment
bei höheren Anforderungen an die Auflösung werden auch beeinflussen. Vorteile des Drehmoment-Managements lie‑
10‑bit ADC verwendet. Damit lassen sich der Messbereich gen insbesondere im Schutz der Komponenten des Antriebs­
und die Genauigkeit der Sensoren im Rahmen ihrer physi‑ strangs durch Drehmoment-Begrenzungen, im ruckfreien
6.2  Elektronische Regelung    205

Gangwechsel bei Automatikgetrieben durch Gangschaltung


Tabelle 6-2  Motorfunktionen
bei konstantem Moment und der leichten Integration von
zusätzlichen Hilfsabtrieben.
–  Glühkontrolle
–  Hauptrelaissteuerung
–  Startsystemsteuerung Modellbasiertes Luftmanagement
–  Einspritzausgabesystem
  –  Aufteilung in Vor-, Haupt-, Nacheinspritzung Eine optimale Gemischbildung im Zylinder setzt voraus,
  –  Ausgabe motorsynchron in Echtzeit dass die Luftmenge im Zylinder mit hoher Genauigkeit er‑
–  Motorkoordinator mittelt wird. Dazu werden mittels eines physi­kalischen Mo‑
  –  Motorstatus dells der Luftbewegung im Ansaugtrakt und des zuge‑
  –  Nachlaufsteuerung mischten Abgases aus der Abgas-Rückführung mit hoher
  –  Abschaltkoordinator dynamischer Genauigkeit die Gasparameter direkt am Ein‑
  –  Motormomentberechnung lassventil berechnet (Bild 6-6). Mit Hilfe eines Behältermo‑
  –  Drehmomentbegrenzung dells werden die geometrischen Verhältnisse im Ansaugtrakt
  –  Momentgradientenbegrenzung
modelliert und insbesondere Speicher‑ und Verzögerungsef‑
  –  Kraftstoffverbrauchsberechnung
  –  Koordinator für Schubbetrieb
fekte bei hoher Dynamik eingerechnet. Das Drosselklappen‑
–  Leerlaufregler modell beinhaltet ein physikalisches Modell der Durchfluss‑
  –  Ruckeldämpfer rate. Im Luftmischungsmodell wird der Mischvorgang von
  –  Lastschlagdämpfer Frischluft und Abgas berechnet. Schließlich werden im Ver‑
–  Einspritzregelung brennungsmodell der Verbrennungsvorgang selbst und die
  –  Einspritzmengenkoordinator Abgastemperatur berechnet.
  –  Mengenbegrenzung Die Vorteile dieses Verfahrens gegenüber Kennfeldbe‑
  –  Umrechnung Moment → Menge schreibungen der Ansaug­luftmenge liegen im deutlich redu‑
  –  Rauchbegrenzungsmenge zierten Applikationsaufwand, insbesondere bei verschie‑
–  Motordrehzahl- u. Winkelerfassung
denen Betriebsarten (Normalbetrieb, Regenerations­betrieb
  –  Überdrehzahlschutz
  –  Fehlzündungserkennung
für Abgas­nachbehandlungssysteme). Ferner sind die Über‑
–  Motorkühlung gänge zwischen den verschie­denen Betriebsarten infolge der
  –  Lüfterregelung schnellen Steuerung für den Fahrer nicht spürbar. Beson‑
  –  Wasser- u. Öltemperaturüberwachung ders wichtig ist, dass Luft und Abgasmenge immer gleichzei‑
–  Luftsystem tig geregelt werden, wodurch sich reduzierte Emissionstole‑
  –  Abgasrückführregelung ranzen beim Betrieb mit Abgasrückführung auch im Nor‑
  –  Ladedruckregelung malbetrieb ergeben.
  –  Steuerung der Drallklappe im Ansaugtrakt
  –  Steuerung der Luftregelklappe
  –  Luftmassenerfassung (per Heißfilmluftmassensensor)
Modellbasiertes Abgasmanagement
–  Wegfahrsperre
–  Diagnose-System
Weltweit werden die Abgasgesetze für Fahrzeuge immer
–  Kommunikation über seriellen BUS (CAN) strenger, z. B. werden die Abgasgrenzwerte in der EU ausge‑
hend von der Euro 4 (2005) in der Euro 5 (2008) für NOX
um ca. 30% und für Dieselpartikel um 80% reduziert. Zur
Einhaltung dieser Normen sind aufwändige Strategien erfor‑
derlich:
Mit Hilfe des Abgastemperaturmodells kann die Tempe‑
Tabelle 6-3  Abgasfunktionen ratur an jeder Stelle der Abgasanlage berechnet werden, was
für die Strategien zur optimalen Nutzung der Katalysatoren
–  Diesel Partikel Filter (DFP) wichtig ist. Damit können auch die Anzahl sonst notwen‑
–  NOx Speicher Katalysator (NSC) diger Temperatursensoren reduziert und mittels Taupunkt­
–  Lambda Regelung
analyse die Stellen in der Auspuffanlage ermittelt werden, an
–  Verbrennungserkennung über Zylinderdruck
–  Selektive katalytische Reduktion (SCR)
denen das Wasser aus der Verbrennungs­reaktion konden‑
–  Abgastemperaturmodell siert. Das Abgastemperaturmodell beinhaltet eine ther­mo­
dyna­mische Berechnung des Abgassystems. Wichtige Teil‑
modelle dazu sind die Geometrie und das thermodyna‑
206 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Bild 6-6 Modellbasiertes Management der Verbrennungsluft im Dieselmotor

misches Modell der Auspuffanlage, ein thermodynamisches gerte und späte Nacheinspritzung mit Verbrennung im
Modell des Turboladers sowie der Katalysatoren. Oxidationskatalysator.
Die Lambda Regelung erfasst mit Hilfe eines Lambda- Ziel ist eine Erhöhung der Temperatur auf 600 °C, bei der
Sensors im Auspuff den Sauerstoffgehalt der Verbrennungs- der Ruß verbrennt. Der Ladezustand des Filters wird einer-
abgase. Über ein regelungstechnisches Modell wird der seits über ein Beladungsmodell aus den Betriebsparametern
Sauerstoffgehalt an der Position der Lambda-Sonde zunächst des Motors und seiner Betriebsdauer errechnet, andererseits
berechnet und mit dem gemessenen Wert verglichen. Die mittels Druckdifferenzsensor über dem Partikelfilter gemes-
Differenz geht als Korrekturgröße in das Luftmodell ein und sen. Aus der Plausibilisierung der beiden Informationen
dient dort der Korrektur von Luftmenge, Kraftstoffmenge kann das System Fehlfunktionen feststellen. Bei Erreichen
bzw. Abgasrückführrate. Damit kann das Abgas auch bei eines entsprechenden Ladezustandes schaltet das Steuerge-
instationärem Betrieb innerhalb enger Toleranzen und trotz rät in den Regenerationsbetrieb um. Dabei müssen sowohl
Altern der mechanischen Einspritzkomponenten konstant der Regenerationsbetrieb selbst als auch die Übergänge zum
gehalten werden. und vom Regenerationsbetrieb drehmomentneutral ablau-
Zur Reduktion von Dieselruß werden Dieselpartikelfil- fen, so dass der Fahrer von allem nichts spürt.
ter eingesetzt. Auf ihrer reaktiven Oberfläche lagern sich die Da Dieselmotoren im Normalbetrieb mit Sauerstoffüber-
Russteilchen an, wodurch der Katalysator nach einiger Zeit schuss betrieben werden, haben sie im Vergleich zu Otto-
verstopfen würde, weshalb der Ruß zyklisch im sog. Regene- motoren eine erhöhte Emission an Stickoxiden. Sie wird
rationsbetrieb abgebrannt werden muss. derzeit mittels zweier alternativer Maßnahmen reduziert:
Für die Regeneration gibt es verschiedene Maßnahmen Bei Pkw ist sowohl der NOX-Speicher-Katalysator NSC
zur Temperaturerhöhung, die wichtigsten sind die angela- (NOX Storage Catalyst) als auch die selektive katalytische
6.2  Elektronische Regelung    207

Reduktion SCR (Selective Catalytic Reduction) einsetzbar, Exemplarstreuungen bei der Herstellung des Injektors und
bei Nkw wird nur das SCR-Verfahren angewandt. verbessert damit die Emissionen. Dazu wird der Injektor bei
Beim NSC-Verfahren werden im normalen Fahrbetrieb seiner Herstellung vermessen und mit seinen charakteris­
zunächst NOX und SO2 aus den Verbrennungsabgasen im tischen Parametern beschriftet. Diese Daten werden in der
Speicherkatalysator eingelagert. Ist der Katalysator voll, wird Motoren‑ bzw. Fahrzeugfertigung auf das Steuergerät als
im Abgasgemisch mittels sehr später zusätzlicher Einsprit‑ betriebspunktabhängige Korrekturwerte übertragen.
zungen ein Kraftstoffüberschuss erzeugt, mit dessen Hilfe Die Mengenausgleichsregelung (MAR) ermittelt anhand
zunächst im Oxidations-Katalysator CO erzeugt wird, der Ungleichförmigkeit der Kurbelwellendrehung Unter‑
welches im NSC die NOX zu N2 reduziert. Schließlich wird schiede im Drehmomentbeitrag der einzelnen Zylinder und
bei etwa stöchiometrischem Luft-/Kraftstoffgemisch die korrigiert diese. Damit ergibt sich eine verbesserte Laufruhe
Abgastemperatur im Katalysator auf über 650 °C erhöht, des ganzen Motors. Mit der Nullmengenkalibrierung
wodurch die Schwefelmoleküle, die sonst den Katalysator im (NMK) wird die Mengendrift der Voreinspritzungen kom‑
Laufe der Zeit zusetzen würden, ausgebrannt werden. pensiert, was der Emissions- und Geräuschminderung
Das SCR Verfahren dagegen verwendet ein deutlich kos‑ dient. Dazu wird im Schubbetrieb die Ansteuerdauer vari‑
tengünstigeres Katalysatormaterial in Verbindung mit der iert bis eine Veränderung der Motordrehzahl beob­achtet
separaten Einspritzung einer wässrigen Harnstoff­lösung werden kann. Dies ergibt die kleinste drehmomentwirksame
vor den SCR-Katalysator. Diese Lösung (Handelsname Ansteuerdauer.
„AdBlue“) benötigt motorseitig keine Maßnahmen son‑ Die Druckwellenkorrektur (DWK) schließlich berück‑
dern kann separat im Abgastrakt dazugebaut werden. Aller‑ sichtigt, dass beim Öffnen des Einspritzventils der Kraftstoff­
dings ist nach mehreren tausend Kilometern neben Kraft‑ druck nicht konstant bleibt sondern einbricht. Dadurch
stoff auch „AdBlue“ nachzutanken. entstehen Druckwellen zwischen Injektor und Rail, welche
die Einspritz­mengen der nachfolgenden Einspritzungen
Einspritzmanagement beeinflussen. Mit Hilfe von betriebs­punkt­abhängigen Kor­
rektur­werten wird dieser Effekt korrigiert, was bei Mehr­fach­
Das Einspritzmanagement berechnet aus der Drehmoment­ einspritzungen die Mengentoleranzen einengt.
anforderung, den zusätzlichen Anforderungen aus der Ab‑
gasnachbehandlung und dem aktuellen Betriebspunkt den Überwachungskonzept
genauen Verlauf des Einspritzvorgangs. Ein Einspritzvor‑
gang in einem Common Rail System kann dabei aus mehre‑ Oberste Priorität bei der Auslegung des elektronischen Sys­
ren Voreinspritzungen, einer oder mehreren Haupteinsprit‑ tems hat die Personensicherheit; bei einem Fahrzeug sind das
zungen sowie mehreren Nacheinspritzungen bestehen. Für vor allem die Fahrzeuginsassen. Deshalb befindet sich im
jede Einzeleinspritzung muss bei jedem Einspritzvorgang Steuergerät ein Überwachungskonzept aus drei voneinander
der Spritzbeginn relativ zum oberen Totpunkt des Zylinders unabhängigen Ebenen, die auch im Fehlerfall ein sicheres
und die Einspritzdauer berechnet werden und außerdem ist Beherrschen des Fahrzeugs ermöglichen. Falls keine andere
festzulegen, welche Einzeleinspritzungen für den Einspritz­ kontrollierbare Systemreaktion mehr möglich ist, wird der
vorgang erforderlich sind. Ein zusätzlicher Freiheitsgrad er‑ Motor abgestellt.
gibt sich daraus, dass der Einspritzdruck (Raildruck) betriebs­ Ebene 1 des Überwachungskonzepts sind die Fahrfunk­
punktabhängig ebenfalls vom Steuergerät geregelt werden tionen mit ihren Plausibilisierungen und die Überwachung
kann. Die Einzeleinspritzungen haben sehr unterschiedliche der Eingangs- und Ausgangsschal­tungen. Zu den Plausibili‑
Funktionen: Sehr frühe Voreinspritzungen dienen der Vor‑ sierungen gehört z. B. die gegenseitige Kontrolle, ob der
konditionierung des Zylinders für den nachfolgenden Ver‑ Ladedruck am Ausgang des Turboladers und der Atmo­
brennungsvorgang, spätere Voreinspritzungen optimieren sphären­druck beim Start den gleichen Wert haben. Bei den
das Motorengeräusch, die Haupteinsprit­zungen dienen der Eingangs- und Ausgangs­schaltungen wird über spezielle
Drehmomenterzeugung, frühe Nacheinspritzungen der Schaltungen ermöglicht, dass Kurzschlüsse oder Kabelfehler
Temperaturerhöhung des Abgases für die Abgasnachbe‑ direkt erkannt, im Fehlerspeicher abgelegt und Ersatzreak­
handlung und späte Nacheinspritzungen liefern Kraftstoff tionen eingeleitet werden.
z. B. als Reduktionsmittel im Abgasnach­behandlungs­sys­ Auf Ebene 2 des Überwachungskonzepts wird aus den
tem. Sensor-Rohsignalen unabhängig von der Fahrsoftware eine
Darüber hinaus gibt es im Einspritzsystem vier Korrek‑ kontinuierliche Drehmomentenüberwachung berechnet.
turfunktionen der Einspritzmenge (siehe auch Abschn. Dazu wird einerseits über eine redundante Signalauswer‑
5.3.5.7): Der Injektormengenabgleich (IMA) kompensiert tung das maximal zulässige Moment berechnet und ande‑
208    6  Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

rerseits aus der gemessenen Ansteuerdauer der Einspritzend­ 6.3 Sensoren


stufen das aktuelle Moment. Zusätzlich wird im Schubbe‑
trieb, d. h. wenn das Fahrzeug z. B. beim Bremsen Drehmo‑ Der Einsatz von Sensoren im Kraftfahrzeug erfordert in ho‑
ment abbaut, geprüft, ob in diesem Betriebszustand, in dem hem Maße Unempfind­lichkeit gegenüber mechanischen,
das Fahrpedal nicht betätigt ist, auch tatsächlich die an den klimatischen, chemischen und elektromagne­tischen Einflüs‑
Endstufen anliegende Ansteuerdauer der Einspritz­ventile sen. Neben hoher Zuverlässigkeit und langer Lebensdauer
Null ist. wird eine hohe Genauigkeit verlangt.
In der dritten Ebene des Überwachungskonzepts wird Nachfolgend werden die wichtigsten Sensoren und ihre
schließlich der Rechner selbst auf korrekte Funktion, sowohl Aufgaben für die Steuerung von Dieselmotoren beschrieben
bezüglich der Arithmetik als auch des Zeitverhaltens geprüft. (Bild 6‑7).
Damit ist erkennbar, wenn der Rechner in eine Endlos-Pro‑ Das Fahrpedalmodul (FPM, Bild 6‑7, 7) erfasst den Fah‑
grammschleife geraten sollte. Dazu hat das Steuergerät eine rerwunsch zur Fahrzeug­beschleunigung. Sein Signal dient
zweite Schaltungseinheit, die ein eigener Rechner oder ein als Eingangsgröße für die Berechnung der Einspritzmenge
anwendungsspezifischer Schaltkreis (ASIC) sein kann, aus‑ in der Motorsteuerung. Das Fahrpedalmodul besteht aus
gerüstet mit einer vom Rechner unabhängigen Zeitbasis einem fahrzeugspezifischen Pedal, einem Lagerbock und
(Schwingquarz). einem Drehwinkelsensor. Der Sensor ist redundant als Füh‑
rung‑ und Überwachungssensor ausgeführt und enthält
entweder ein Doppel-Potentiometer oder ein berührungs‑
loses Hall‑Ele­mentepaar. Das Potentiometer wird in Sieb‑

Bild 6-7  Systemplan Sensoren am Dieselmotor 1 Luftmassenmesser; 2 Ladedruckfühler; 3 Regelklappe; 4 Abgasrückführungsventil; 5 Raildrucksensor; 6 Drehzahlgeber;
7 Fahrpedalmodul; 8 Abgastemperatursensor; 9 Lambdasensor; 10 Abgastemperatursensor; 11 Differenzdrucksensor
6.3  Sensoren    209

drucktechnik hergestellt. Die Hall‑Ele­mente sind in zwei welle zum oberen Totpunkt (OT) des ersten Motorzylinders
voneinander unabhängigen Hall-ICs, die auch die Ansteuer- berechnet. Damit können Emissionen reduziert und Kom‑
und Auswerteelektronik beinhalten, integriert. Das Sensor‑ fortfunktionen wie z. B. Schnellstart realisiert werden. Bei
ausgangssignal ist proportional zur Pedalstellung. Ausfall des Drehzahlgebers kann der Phasengeber dessen
Temperaturfühler (TF) erfassen die Temperatur von Funktion teilweise übernehmen.
Luft (LTF), Kühl­wasser (WTF), Öl (OTF) und Kraft‑ Die elektrische Regelklappe (RKL, Bild 6‑7, 3) wird auf
stoff (KTF). Sie enthalten als Sensorelement i. d. R. einen der kalten Motorseite im Saugrohr in Strömungsrichtung
NTC-Widerstand mit negativem Temperaturkoeffizienten, vor der Abgasrückführeinleitung montiert. Sie ermöglicht
d. h. logarithmisch fallendem Widerstand bei steigender es, im Teillastbereich den Ansaugquerschnitt zu reduzieren
Temperatur. Die Zeitkonstante des TF ist abhängig vom und damit das Druckniveau hinter der Klappe zu regeln.
Einbau des NTC im Sensor (Wärmespeicher), der Art des zu Durch Schließen der Klappe wird die Strömungsgeschwin‑
messenden Mediums (Wärmekapazität) und dessen digkeit der Ansaugluft erhöht und folglich auch der Unter‑
Strömungsgeschwin­digkeit (Menge der übertragenen druck hinter der Klappe. Die Unterdruckerhöhung bewirkt,
Wärme). Beim Lufttemperaturfühler ist die Zeitkonstante dass die Abgasrückführrate bis zu 60% erhöht werden kann.
aufgrund des meist verwendeten Kunststoffgehäuses sehr Diese Abgasrückführraten ermöglichen eine erhebliche
groß. Für hohe Dynamikanforderungen kann ein offen Emissionsreduzierung.
liegender NTC verwendet werden. Diese Variante wird auch Weitere Funktionen der Regelklappe sind:
in Heißfilm­luftmassen­messern oder Ladedrucksensoren – Erhöhung der Abgastemperatur für die Regeneration des
eingesetzt. Partikelfilters durch Androsselung und Öffnen des Bypass
Der Drehzahlgeber (DG, Bild 6‑7, 6) erfasst die Motor‑ zum Ladeluftkühler,
drehzahl mit Hilfe eines mit der Kurbelwelle verbundenen – luftgeführte Regelung mit Lambda < 1 bei Regeneration
und gezahnten Geberrads. Der induktive Sensor enthält einen des NOX‑Speicherkatalysators,
von einer Spule umgebenen Weicheisenkern mit Dauer­ – Sicherheits- und Komfortabschaltung,
magnet und wird direkt gegenüber dem Geberrad positio‑ – Androsselung im Leerlauf zur Geräuschoptimierung
niert. Das Magnetfeld des Dauer­magneten schließt sich über durch Absenkung des Zylinderspitzendrucks.
Weicheisenkern und Geberrad. Der magnetische Fluss durch
die Spule hängt davon ab, ob dem Kern eine Geberrad-Lücke Der Heißfilmluftmassenmesser (HFM, Bild 6‑7, 1) erfasst
mit großem Luftspalt oder ein Zahn mit kleinem Luftspalt die vom Motor angesaugte Luftmasse unabhängig von Tem‑
gegenübersteht. Ein drehender Motor führt durch die Zahn- peratur und Dichte und somit den für die Verbrennung zur
Lücken-Wechsel zu sinusförmigen Flussänderungen, die eine Verfügung stehenden Sauerstoff. Der Heißfilmluftmassen‑
sinusförmige Ausgangsspannung induzieren. Der Drehzahl‑ messer wird zwischen Luftfilter und Verdichter eingesetzt.
geber kann für den Einsatz kleinerer Geberräder mit Hall‑ICs Zur Erfassung des Luftmassenstromes wird dieser über eine
mit digitalem Ausgangssignal realisiert werden. dünne und beheizte Membran aus Silizium geführt. Die
Der Drehzahlgeber ermöglicht über die reine Erfassung Temperaturverteilung auf der Membran wird durch vier
der Motordrehzahl hinaus die Realisierung von Motorfunk‑ temperaturabhängige Widerstände erfasst. Der Luftmassen‑
tionen, bei denen z. B. auf Basis der Messung kleiner Dreh‑ strom verändert die Temperaturverteilung der Membran,
zahländerungen zylinderbezogene Korrekturen der Ein­ was zu einer Widerstandsdifferenz zwischen den stromauf
spritz­­menge vorgenommen werden können. So können und stromabwärts liegenden Widerständen führt. Da die
kleinste Unterschiede in den jeweiligen Einspritzmengen Widerstandsdifferenz richtungs‑ und betragsabhängig ist,
der Einzelzylinder korrigiert (Mengenaus­gleichsregelung) kann der Heißfilmluftmassenmesser pulsierende Luft­
oder Fahrzeug-Längsschwingungen unterbunden werden massen­strömungen mit hoher Dynamik und richtigem Vor‑
(aktive Ruckeldämpfung). zeichen erfassen. Dadurch wird die genaue Berechnung des
Der Phasengeber (PG) erfasst die Position der Nocken‑ Luftmassenmittelwerts in der Motorsteuerung ermöglicht.
welle mit Hilfe eines mit der Welle verbundenen und Optional kann im Heißfilmluftmassenmesser zusätzlich ein
ge­zahnten Geberrads. Aufgrund der geringen Geber­rad­ Temperaturfühler eingesetzt werden, um die Ansauglufttem‑
durchmesser kann kein induktiver Drehzahlgeber eingesetzt peratur zu erfassen.
werden. Der Phasengeber beinhaltet deshalb einen Hall- Da das erfasste Luftmassensignal als Istwert der Regelung
Sensor, welcher ähnlich wie beim Drehzahlgeber über das der Abgasrückführung und der Begrenzung der Kraftstoff-
Geberrad Magnetfeldänderungen erfasst und als aufberei‑ Einspritzmenge (Rauchbegrenzung) dient, ist eine hohe
tetes, digitales Signal ausgibt. Aus Phasen- und Drehzahlge‑ Genauigkeit des Heißfilmluftmassenmessers zur Erreichung
ber-Signalen wird die absolute Winkelposition der Kurbel‑ und Einhaltung der Emissionsgrenzen besonders wichtig.
210    6  Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Der Ladedruckfühler (LDF, Bild 6‑7, 2) misst den Druck Der Druckanschluss des Sensors dichtet den sehr hohen
der angesaugten Luft im Saugrohr, die vom Verdichter auf Raildruck (max. 180…200 MPa) mit einer sog. Beißkanten‑
einen höheren Druck aufgeladen wird. Damit gelangt mehr dichtung (Metall auf Metall) sicher zum Rail ab.
Luftmasse in die einzelnen Zylinder. Der Ladedruck dient Der Lambdasensor (LS, Bild 6‑7, 9) ermöglicht die Mes‑
der Ladedruckregelung. Mit dem aktuellen Istdruck und mit sung der O2‑Konzentration im Abgas, mit der das
der Motordrehzahl kann die eingebrachte Luftmasse berech‑ Luftverhältnis λ im gesamten Betriebsbereich des Motors
net werden. Die genaue Kenntnis der Luftmasse ist wichtig, bestimmt werden kann. Durch eine Diffusionsbarriere
damit dem Motor nicht zu viel Kraftstoff eingespritzt wird gelangt das Abgas in eine Messkammer, aus der der Sauer‑
(Rauchbegrenzungsfunktion). stoff durch die Sensorkeramik hindurch wieder in das Aus‑
Das Sensorelement des LDF besteht aus einem Silizium- puffrohr zurückgepumpt werden kann. Eine Regelschaltung
Chip, in dem durch Ätzen eine Membran erzeugt worden hält die O2‑Konzentration in der Kammer auf einem sehr
ist. Die Druckbeaufschlagung führt zu einer Durchbiegung niedrigen Wert (idealerweise auf null) konstant. Der Pump‑
der Sensormembran und zu einer Widerstandsänderung der strom, der hierbei fließt, ist ein Maß für die O2‑Konzentra‑
auf der Membran befindlichen Messwiderstände. Der LDF tion im Abgas.
ist als Absolut­drucksensor ausgeführt, d. h. auf der einen Das heute dominante Anwendungsgebiet des LS (in Ver‑
Membranseite wird der Messdruck angelegt, auf der ande‑ bindung mit dem Luftmassensignal des HFM) ist die Kor‑
ren befindet sich ein kleines, isoliertes Referenzvakuum. Die rektur der Einspritzmenge zur Einhaltung der Abgasemis­
Auswerteschaltung, die auf dem Chip integriert ist, verstärkt sionswerte des Fahrzeugs über dessen Lebenszeit. Neu hin‑
die Widerstands­änderungen und wandelt sie in ein Span‑ zukommen wird der Einsatz des LS zur Überwachung und
nungssignal um, das dem Steuergerät zugeführt wird. Steuerung der Regeneration des NOX-Speicherkatalysators
Die Aufgabe des Differenzdrucksensors (DDS, Bild 6‑7, (NSC).
11) ist die Messung des Druckabfalls am Partikelfilter im Abgastemperatursensoren (ATS, Bild 6‑7, 8 und 10)
Abgassystem. Aus diesem lässt sich der Beladungsgrad des haben die Aufgabe, die Abgastemperatur an verschiedenen
Filters mit Ruß bestimmen. Bei entsprechender Beladung Punkten im Abgasrohr zu messen. Dabei unterscheiden sich
wird ein Regenerationszyklus eingeleitet. die Abgastemperatursensoren von anderen Temperatursen‑
Das Sensorelement des Differenzdrucksensors besteht aus soren im Wesentlichen im Messbereich und in der Dyna‑
einem ähnlichen Silizium-Chip wie beim Ladedruckfühler, mik. Wichtigste Einbaupositionen sind nach dem Oxida­
jedoch wirken die beiden Messdrücke  – Druck vor und tionskatalysator (DOC – Diesel Oxydation Catalyst) sowie
nach PDF – jeweils auf eine Druckmembranseite. Das vor und hinter dem Dieselpartikelfilter (DPF). Der ATS
Differenz­drucksignal wird gebildet durch den Messdruck dient dabei sowohl zur Überwachung und Steuerung des
der Membran-Vorderseite abzüglich des Messdrucks auf der DPF als auch zum Bauteilschutz im Falle eines unkontrol‑
Membran-Rückseite. Druckän­derungen auf beiden Memb­ lierten Partikelabbrandes im Filter.
ranseiten führen zu einer geänderten Durchbiegung der Abgastemperatursensoren bestehen je nach Einsatzfall
Sensormembran und damit zu entsprechenden Widerstands­ und Messbereich aus keramischen Materialien, die einen
änderungen der Messwiderstände. Die Auswerteschaltung negativen Temperaturkoeffizienten aufweisen (NTC‑Kera‑
auf dem Chip verstärkt und wandelt die Widerstandsände‑ miken), aus Platin mit einem positiven Temperaturkoef­
rungen in ein Spannungssignal, das dem Steuergerät zuge‑ fizienten (PTC) oder aus Thermoelementen. Das sind
führt wird. ­mechanisch verbundene, metallische Drähte, die – basie‑
Der Raildrucksensor (RDS, Bild 6‑7, 5) misst den Kraft‑ rend auf dem Seebeck-Effekt – eine elektrische Spannung
stoffdruck im Verteilerrohr (Rail) des Common Rail Ein‑ liefern, wenn sie einem Temperaturgradienten ausgesetzt
spritzsystems. Der aktuellen Raildruck bestimmt die einzu‑ werden.
spritzende Kraftstoffmenge und dient der Raildruckregelung Der NOX-Sensor ist ein wichtiger Sensor für die Überwa‑
als Istwert. chung und Steuerung von NOX-Katalysatoren. Der NOX-
Das Sensorelement des Raildrucksensors besteht aus einer Sensor ist prinzipbedingt in der Lage, neben der Stickoxid­
Edelstahlmembran, auf der sich eine Widerstandsbrücke aus konzentration im Abgas auch den Lambdawert zu ermitteln.
Dünnschichtwiderständen befindet. Die Membranauslen‑ Er besteht aus einem Zwei-Kammer-Sensorelement. Das
kung bei maximalem Druck beträgt bei dieser Bauart nur Abgas gelangt durch eine erste Diffusionsbarriere in die
ca. 1 µm. Dennoch liefert die Widerstandsbrücke ein zwar erste Kammer, in der vergleichbar zum Lambdasensor der
kleines (10 mV), aber über die Sensorlebensdauer sehr sta‑ Sauerstoffgehalt ermittelt wird. Dabei wird der Sauerstoffge‑
biles und genaues Messsignal. Dieses wird in einer elektro‑ halt des in der Kammer befindlichen Abgases auf nahe null
nischen Schaltung verstärkt und zum Steuergerät geführt. reduziert. Das so aufbereitete Abgas gelangt über eine zweite
6.4  Diagnose    211

Diffusionsbarriere in eine zweite Kammer, in der durch eine worden. Die Entwicklung der Diagnose ist heute integraler
katalytische Reduktion dem Stickoxid der Sauerstoff entzo‑ Bestand­teil der Motor-, System- und Komponentenentwick‑
gen und gemessen wird. Das Prinzip dieser Sauerstoffmes‑ lung und berücksichtigt den gesamten Fahrzeuglebenszyklus
sung entspricht ebenfalls dem des Lambdasensors. von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Ser‑
Mit diesem Sensor kann sowohl die Steuerung der NOX- vice.
Katalysatoren (Regelung auf minimale NOX-Konzentration) Im Fahrbetrieb sind die wesentlichen Aufgaben der Über‑
als auch eine Überwachung der für die Einhaltung der wachung und Diagnose die Sicherstellung der Zuverlässig‑
Abgasemissionsgrenzwerte wichtigen Baugruppen (Schwell‑ keit und die Erfüllung der gesetzlichen Anfor­derungen,
wertüberwachung der NOX-Konzentration) realisiert wer‑ wohingegen im Schadensfall die schnelle Lokalisierung des
den. fehlerhaf­ten Bauteils im Vordergrund steht (Bild 6‑8).
Für zukünftige Abgasnachbehandlungskonzepte, wie Die Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb basiert
z. B. Partikelfilter und NOX-Katalysatoren werden weitere auf einer kontinuierlichen Funktionsüberwachung im
Sensoren erforderlich sein, die sowohl für den Betrieb als Motorsteuergerät und beinhaltet auch die gesetzlich vorge‑
auch zur Überwachung der Systeme eingesetzt werden. schriebene On Bord Diagnostic (OBD) der emissionsrele‑
Neben Abgastemperatur und Abgasdruck werden vor allem vanten Komponenten und Systeme.
spezifische Schadstoffanteile im Abgasstrom, wie z. B. Koh‑ Zusätzlich zu den Ergebnissen der Diagnose im Fahrbe‑
lenwasserstoffe, Stickoxide und Ruß von Bedeutung sein. trieb können in der Werk­statt spezielle Diagnosefunktionen
aufgerufen werden, die entweder im Motor­steuergerät oder
6.4 Diagnose im Diagnosetester verfügbar sind. Darüber hinaus unter‑
stützen auch zusätzliche Prüf- und Messgeräte die geführte
Die Diagnose des Dieselmotors ist auf Grund der immer hö‑ Fehlersuche im Schadensfall.
heren Anforderungen und der Zunahme der Komplexität
der zum Betrieb verwendeten Systeme immer wichtiger ge‑

Bild 6-8  Diagnose und Überwachung im Fahrbetrieb und Diagnose in der Werkstatt
212    6  Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

6.4.1 Diagnose im Fahrbetrieb auf die emissionsrelevanten Fehlerspeicherinformationen


erfolgt über die in jedem Fahrzeug gut zugängliche Diagnose­
Die Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb läuft ohne steckdose mit Hilfe eines geeigneten Scan-Tools, welches
Zusatzgeräte ab und gehört zum Grundumfang elektro‑ verschiedene Hersteller am Markt anbieten.
nischer Motorsteuerungssysteme. Erfüllen Fahrzeuge die gesetzlichen OBD-Forderungen
Sie teilt sich auf in das vom Gesetzgeber vorgeschriebene nicht, kann der Gesetz­geber auf Kosten des Fahrzeugher‑
OBD-System zur Überwachung von emissionsrelevanten stellers Rückrufaktionen anordnen.
Systemen und Komponenten und in weitere ggf. hersteller‑ 1996 wurde für Dieselmotoren mit der OBD II (CARB)
spezifische Prüfungen von nicht emissions­relevanten Grö‑ Gesetzgebung die zweite Stufe (erste Stufe 1988) in Kalifor‑
ßen. Beide Anteile nutzen hierzu die Selbstüberwachung des nien und vier weiteren US-Bundesstaaten einge­führt. Gefor‑
Steuer­gerätes, die Überwachung elektrischer Signale, Plausi‑ dert ist eine Überwachung aller emissionsrelevanten Syste‑
bilisierungen von Systemgrößen und die Prüfungen der me und Kompo­nenten, wobei eine für den jeweiligen Fahr‑
Funktionalitäten des Systems und der Kom­ponenten. Die betrieb ausreichende Überwachungs­häufigkeit (IUMPR)
dabei erkannten Fehler werden im Fehlerspeicher des Steuer­ der Diagnosefunktionen für die Typzulassung nachgewie‑
gerätes abgespeichert und können über eine serielle Schnitt‑ sen werden muss. Die OBD II-Grenzwerte sind relativ zu
stelle, i. Allg. herstellerspezifisch, ausgelesen werden. den gesetzlichen Emissions­grenzwerten definiert.
Teil der Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb ist In den übrigen US‑Bundesstaaten gelten seit 1994 die
die Sicherstellung eines beherrschbaren Systemzustands zur Gesetze der amerikanischen Bundesbehörde EPA (Environ‑
Vermeidung von Folgenschäden im erkannten Fehlerfall. mental Protection Agency). Der aktuelle Umfang dieser
Diese Fehlerersatzreaktionen steuern gegebenenfalls über Diagnose entspricht im Wesentlichen der CARB‑Gesetzge‑
Ersatzfunk­tionen/-werte einen Notlaufbetrieb oder in bung (OBD II).
schwerwiegenden Fällen ein Abstellen des Motors. Die auf europäische Verhältnisse angepasste OBD wird als
Zentrales Verwaltungselement der Diagnose im Fahrbe‑ EOBD bezeichnet und lehnt sich funktional an die EPA‑OBD
trieb ist das Diagnose-System‑Management (DSM). Das an. Seit 2003 ist die EOBD für Pkw und leichte Nkw mit Die­
DSM besteht aus der eigentlichen Fehler­abspeicherung, sel­motoren verbindlich. In Europa gelten absolute EOBD-
Algorithmen zur Fehlerentprellung und Fehlerheilung, der Emissions­grenzwerte.
Über­wachung der Prüfzyklen, einer Exklusivitätsmatrix zur
Vermeidung von Folgefehlereinträgen und der Verwaltung 6.4.3 Diagnose im Service (Werkstattdiagnose)
der Fehlerersatzreak­tionen.
Aufgabe der Diagnose in der Werkstatt ist die schnelle und
sichere Lokalisierung der kleinsten tauschbaren Einheit. Bei
6.4.2 OBD (On Board Diagnostic) modernen Dieselmotoren ist der Einsatz eines i. Allg. PC-
basierten Diagnosetesters unumgänglich.
Die vom Gesetzgeber geforderte Überwachung aller emis­
Die Diagnose in der Werkstatt nutzt hierbei die Ergeb‑
sionsrelevanter Kompo­nenten und Systeme muss im Fahrbe‑
nisse der Diagnose im Fahr­betrieb (Fehlerspeichereinträge)
trieb durch das Motorsteuergerät erfolgen. Die Überschrei‑
und setzt spezielle Werkstattdiagnosefunktionen im Steuer‑
tung eines OBD‑Emissionsgrenzwertes wird dem Fahrer
gerät oder Diagnosetester und zusätzliche Prüf- und Mess‑
über die Fehlerlampe im Kombiinstrument (MIL, Malfunc‑
geräte ein. Im Diagnosetester werden diese Diagnosemög‑
tion Indicator Lamp) angezeigt.
lichkeiten in der geführte Fehlersuche integriert.
Die Aktivierung der Diagnosefunktionen kann an
bestimmte Einschaltbedin­gungen und Exklusivitätsbedin‑
Geführte Fehlersuche
gungen geknüpft sein. Eine Überwachung der Einsatzhäu‑
figkeit (IUMPR, In Use Monitor Performance Ratio bzw. Wesentliches Element der Werkstattdiagnose ist die geführte
Readiness) wird ebenfalls gefordert. Fehlersuche. Der Werkstattmitarbeiter wird ausgehend vom
Verschwindet ein Fehler wieder („Heilung“), so bleibt der Symptom oder vom Fehlerspeicher­eintrag mit Hilfe eines er‑
Eintrag im Fehler­speicher noch für i. Allg. 40 Fahrzyklen gebnisgesteuerten Ablaufs durch die Fehlerdiagnose ge­führt.
(„warm up cycles“) eingetragen, wobei die MIL i. Allg. Die geführte Fehlersuche verknüpft hierbei alle Diagnose­
bereits nach drei fehlerfreien Fahrzyklen wieder aus­ möglichkeiten: Symptomanalyse (Fehlerspeichereintrag oder/
geschaltet wird. und Fahrzeugsymptom), Werkstatt-Diagnosefunk­tionen im
Die OBD‑Gesetzgebung schreibt eine Normung sowohl Motor-Steuergerät (MSG), Werkstatt-Diagnosefunk­tionen
der Fehlerspeicherinfor­mation als auch des Zugriffs darauf im Diagnosetester und in Zusatzprüfgeräten/-sensorik zu
(Stecker und Kommu­nikations­protokoll) vor. Der Zugriff einem zielgerich­teten Fehlersuchablauf (Bild 6‑9).
6.4  Diagnose    213

Bild 6-9  Diagnosevorgehen, Prinzip der geführten Fehlersuche

Symptomanalyse der Werkstatt an das Fahrzeug adaptiert. Die Bewertung der


Ein fehlerhaftes Fahrzeugverhalten kann entweder direkt Messergebnisse erfolgt i. Allg. im Diagnosetester.
vom Fahrer wahr­genommen werden und/oder durch einen
Fehlerspeichereintrag dokumentiert sein. Der Werkstattmit‑ Steuergerätbasierte Werkstattdiagnosefunktionen
arbeiter muss zu Beginn der Fehlerdiagnose das vorliegende
Symptom als Startpunkt der geführten Fehlersuche identifi‑ Diese im Steuergerät integrierten Diagnosefunktionen lau‑
zieren. fen nach dem Start durch den Diagnosetester vollständig
autark im Steuergerät ab und melden nach Beendigung das
Auslesen und Löschen der Fehlerspeichereinträge Ergebnis an den Diagnosetester zurück. Eine Parametrie‑
rung der Diagnosefunktionen mit Hilfe des Diagnosetesters
Alle während des Fahrbetriebs auftretenden Fehler werden ist vorgesehen und bietet die Möglichkeit einer Diagnosean‑
gemeinsam mit defi­nierten, zum Zeitpunkt des Auftretens passung auch nach der Markteinführung eines Fahr­zeugs.
herrschenden Umgebungsbedingungen gespeichert und
können über ein i. Allg. kundenspezifisches Schnittstellen­ Diagnosetesterbasierte Werkstattdiagnosefunktionen
protokoll ausgelesen werden. Der Fehlerspeicher kann mit
dem Diagnosetester auch ge­löscht werden. Der funktionale Ablauf, die Auswertung und die Bewertung
solcher Diagnose­funktionen erfolgen im Tester, wobei die
Zusätzliche Prüfgeräte und Sensorik zur Auswertung herangezo­genen Messdaten über das MSG
von im Fahrzeug vorhandenen Sensoren und/oder durch zu‑
Die Diagnosemöglichkeiten in der Werkstatt werden durch sätzliche Prüfsensorik ermittelt werden.
Nutzung von Zusatzsensorik, Prüfgeräten und externen Aus‑ Ein Höchstmaß an Flexibilität bieten dynamische Test‑
wertegeräten erweitert. Die Geräte werden im Fehlerfall in module, deren Struktur über Vorgabewerte durch den Dia­­
214    6  Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

gnosetester variabel einsetzbar ist. Die Koordination dieser – mehrerer miteinander kommunizierender Steuergeräte im
Funktionalität erfolgt im MSG über den sog. Testkoordina‑ Fahrzeugverbund,
tor. Die Messergebnisse der unterschiedlichen Sensoren – höherer Anzahl von Einspritzungen pro Arbeitstakt (Vor-,
können entweder in Echtzeit oder zwischengespeichert an Haupt- und Nacheinspritzung),
den Diagnosetester übertragen und dort bewertet werden. – von Abgasnachbehandlungssystemen mit neuen
Alle Werkstattdiagnosefunktionen können nur bei ange‑ An­forderungen an die motorische Basisabstimmung,
schlossenem Diagnose­tester und i. Allg. nur bei stehendem – höherer Anforderung durch die Emissionsgesetzgebung,
Fahrzeug genutzt werden. Die Überwachung der Betriebs‑ – gegenseitiger Beeinflussung der Applikationsdaten und
bedingungen erfolgt im Steuergerät. – Erweiterungen der Diagnostizierbarkeit.

6.5 Applikation Hierdurch steigt auch die Anzahl der zu applizierenden


Kennwerte, Kennlinien und Kennfelder weiterhin an.
6.5.1 Bedeutung der Applikation
6.5.2 Applikationssysteme
Wie in den vorigen Abschnitten bereits beschrieben wurde,
ergeben sich durch die direkte Ansteuerung elektronischer Um die Applikationsaufgabe erfüllen zu können werden Sys­
Stellglieder über die elektronischen Motor­steuergeräte teme eingesetzt, die es dem Applikationsingenieur ermögli‑
Chancen, die motorische Basisabstimmung, das Fahrverhal‑ chen, über elektronische Schnittstellen zum Motorsteuerge‑
ten und die Emissionsoptimierung an die jeweiligen Be‑ rät die internen Signale zu messen und gleichzeitig die freien
triebsbedingungen optimal anzupassen, wie zum Beispiel Applikationsdaten zu verstellen. Die Benutzeroberflächen
beim Kaltstart und Kaltlauf sowie bei extremer Hitze oder der Applikations­systeme erlauben mittels Beschreibungs‑
Höhe. dateien die Messsignale und Appli­kationsdaten auf Imple‑
Der Begriff Applikation oder Kalibrierung bezeichnet die mentierungsebene, auf physikalischer Ebene oder auch in
Aufgabe (oder den Prozess), die im elektronischen Steuerge‑ grafischer Form darzustellen und zu verändern. Weiterhin
rät programmierten Funktionalitäten an die individuelle werden die vorhan­denen internen Größen der Motorsteue‑
Hardware, den gewünschten Vorgaben entsprechend, anzu‑ rung durch die Auswertung von Signalen über instrumen‑
passen. Dies bedeutet letztendlich unter Verwendung von tierte Zusatzmesstechnik ergänzt und zur Lösung der
Sensoren und elektronischen bzw. elektromechanischen Applikations­aufgabe herangezogen.
Stellern dem Fahrzeug mit seiner Motor-Getriebe-Kombi‑ Bei der Arbeitsweise mit Kalibriersystemen kann generell
nation das entsprechende Fahrverhalten (Motorleistung, zwischen Offline- und Online-Kalibrierung unterschieden
Drehmoment­charakteristik, Verbrennungsgeräusch, Lauf­ werden. Bei der Offline-Kalibrierung wird die Ausführung
ruhe, Ansprechverhalten) zu verleihen. Außerdem müssen der Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungsfunktionen
die gesetzlich geforderten Emissionsgrenzen erfüllt und die des sog. Fahrprogramms während der Änderung oder Ver‑
Eigendiagnosefähigkeit des Systems in geeigneter Form stellung der Parameterwerte unterbrochen. Dies wirkt sich
sichergestellt werden. nachteilig auf den Kalibrierprozess insbesondere beim Ein‑
Um diese Ziele zu erreichen sind eine Vielzahl von Kenn‑ satz an Prüfständen oder in Fahrzeugversuchen aus, da
werten, Kennlinien, Kennfeldern, sog. Applikationsdaten, diese dazu unterbrochen werden müssen.
zu applizieren (kalibrieren). Bei der Online-Kalibrierung sind während des Kalibrier‑
In modernen Motorsteuerungen werden hierbei über prozesses die Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungs‑
10.000 verschiedene Applikationsdaten während des Anpas‑ funktionen aktiv. Somit können die Auswirkungen der vor‑
sungsprozesses bearbeitet und stehen dem Ingenieur über genommenen Veränderungen direkt im Fahrzustand beur‑
das Applikations­system (Kalibriersystem) frei parametrier‑ teilt und der Kalibrierprozess effektiver abgearbeitet werden.
bar zur Verfügung. Die Applikation findet im Labor, an Die Online-Kalibrierung stellt jedoch höhere Anforde‑
Motor- und auf Fahrzeugprüf­ständen sowie unter realen rungen an das Kalibriersystem und die Stabilität der ver‑
Umgebungsbedingungen auf Teststrecken statt. Nach wendeten Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungs‑
Abschluss dieses Prozesses werden für den Serieneinsatz die funktionen, da das Fahrprogramm während des Verstellvor‑
ermittelten Daten umfangreich geprüft und in Festwertspei‑ ganges durch das Werkzeug auch für eventuell auftretende
cher wie EPROM oder Flash schreib­geschützt abgelegt. Ausnahmesituationen, z. B. verursacht durch Unstetigkeiten
Das Verständnis der Zusammenhänge bei der Durchfüh‑ bei der Stützstellenverteilung, robuster ausgelegt sein muss.
rung der Applikation wird immer anspruchsvoller. Die Ursa‑
che dafür ist die steigende Systemkom­plexität aufgrund:
6.5  Applikationen    215

6.5.3 Applikationsprozess und Methoden Das Ziel der statistischen Versuchsplanung ist es, die Anzahl
der Applikation der zu vermessenden Betriebspunkte massiv zu reduzieren
und für repräsentative Betriebszustände die jeweiligen loka‑
Im Applikationsprozess müssen die unterschiedlichsten Auf‑ len Modelle anhand möglichst weniger Parametervaria­tionen
gaben gelöst werden. Die verwendeten Methoden und Hilfs‑ zu bestimmen. In den repräsentativen Betriebspunkten wer‑
mittel richten sich nach der Art und der Komplexität der den die einflussreichsten Parameter variiert und deren Be‑
Aufgabe sowie der Häufigkeit der Anwendung während des deutung auf Emissionen, Verbrauch, Leistung, Abgastempe‑
Projektfortschrittes. ratur, Geräusch, Verbrennungsdruckanstieg und Zylinder‑
Die erste Aufgabe besteht darin, die Sensoren und Steller druck gemessen.
so zu kalibrieren, dass die im Motorsteuergerät berechneten Wiederholungsmessungen und „Auffüllpunkte“ sowie
physikalischen Messgrößen bzw. die physikalischen Stell‑ Messpunkte im Grenz­bereich dienen der Ermittlung der
größen möglichst genau mit den echten gemessenen Werten analytischen, lokalen Motormodelle, der Beurteilung der
am Motor bzw. im Fahrzeug übereinstimmen. Hierbei wer‑ statistischen Aussagefähigkeit der Ergebnisse, der Beurtei‑
den die besonderen Eigenschaften der Sensoren und Steller, lung des Modellfehlers und einer größeren Sicherheit gegen‑
die Einflüsse durch die Einbauver­hältnisse, die Auswerte‑ über Messfehlern.
schaltung und die Abtastraten im elektronischen Steuergerät Entscheidend für die Qualität der Modelle sind auch die
berücksichtigt. Validiert wird die Applikation durch Referenz­ Reproduzierbarkeit der Messergebnisse sowie ein sicheres
messungen mit externer Sensorik. Erkennen von Ausreißern. Während des gesamten Messpro‑
Regelungstechnische Funktionen bestehen aus der Soll‑ zesses dürfen die durchgeführten Parametervariationen die
wertvorgabe, der Istwertermittlung, dem eigentlichen Regler motorischen und bauteilspezifischen Grenzen, wie zum
und der Stellgliedansteuerung. Anwendungsbeispiele hier‑ Beispiel der zulässige Zylinderdruck oder die maximale
für sind die Ladedruck-, Raildruck-, Fahrgeschwin­digkeits- Abgastemperatur, nicht überschritten werden.
oder Leerlaufregelung. Die Sollwertvorgaben werden ent‑ Anhand der ermittelten Modelle werden stationär die
sprechend dem jeweiligen Betriebszustand, z. B. kalter/ optimalen Parameter für die Kalibrierung der Kennfeld‑
warmer Motor, den herrschenden Umgebungsbedingungen strukturen im Motorsteuergerät ermittelt. Da die Daten nur
und dem Fahrerwunsch angepasst. Die Auslegung der Reg‑ in einem groben Raster anhand einiger ausgewählter
ler erfolgt über die Streckenidentifikation (z. B. Ermittlung Betriebspunkte ermittelt worden sind, müssen die notwen‑
des Frequenzganges), Modellbildung der Regelstrecke und digen Zwischenbereiche über Interpolationsroutinen
der Anwendung von Reglerentwurfsverfahren (z. B. Bode­ be­rechnet werden. Die Kalibrierung erfolgt hier i. d. R. off‑
diagramm, Ziegler-Nichols, Polvorgabe). Eine anschlie‑ line. Das erzielte Ergebnis muss dann noch im stationären
ßende Überprüfung der Stabilität und der Regelgüte des Betrieb am Motorprüfstand und im dynamischen Betrieb
Regelkreises findet im Praxisbetrieb und unter Extrembe‑ am Fahrzeug validiert und dokumentiert werden.
dingungen statt. Der Stabilität ist im Hinblick auf Alterungs‑ Die bislang durchgeführten Applikationsaufgaben gehen
prozesse der Regelstrecke eine ganz besondere Bedeutung von mittelwertig liegenden Komponenten aus. Um die
zuzumessen. Die Simulation von Extremzuständen wird ermittelten Daten für einen Serieneinsatz zu bestätigen, ist
benutzt, um die Robustheit der bereits optimierten Systeme es zusätzlich erforderlich, den Einfluss von Exemplarstreu‑
zu ermitteln bzw. zu verbessern. ungen zu beurteilen. Dies kann entweder über ein Vertrim‑
Für die motorische Basisabstimmung hat die statistische men von Sensor- und Stellerkenn­linien simuliert oder über
Versuchs­planung DOE (Design of Experiments) die kom‑ entsprechend vorbereitete Versuchsmuster experimen­tell
plette Rastervermessung ersetzt. Ursache hierfür ist die erprobt werden. Weiter besteht die Möglichkeit über intelli‑
drastisch zunehmende Komplexität der Optimierungsauf‑ gente Korrektur­funktionen Bauteiletoleranzen auszuglei‑
gaben aufgrund chen oder eine Drift zu korrigieren, so dass das applizierte
– der stetig zunehmenden Anzahl frei wählbarer Parameter System gegen Bauteilealterungen noch robuster wird, um
(z. B. Zeitpunkte und Mengenzumessung der Vor-, Haupt- negative Auswirkungen auf Fahrverhalten und Emis­sionen
und Nacheinspritzung, Raildruck, AGR-Rate, Ladedruck) zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist die zylinderspezifische
und Korrektur der Einspritzmenge um eine hohe Laufruhe des
– der zunehmenden Anzahl vielschichtiger Optimie­rungs­ Motors zu erreichen.
kriterien und Betriebszuständen des Motors (z. B. Fett­ Motor- und Getriebeschutzfunktionen sorgen dafür,
betrieb, Magerbetrieb, Regeneration des Partikelfilters, dass zum Beispiel das maximale Drehmoment und die
Homogenbetrieb). maximal zulässige Motorbetriebstemperatur auch unter
Extrembedingungen (Hitze, Kälte, Höhe, Hochlastbetrieb)
216    6  Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

nicht überschritten werden. Diese Funktionen werden auf unterstützen verschiedene Tools (Datenbank­systeme) den
Versuchsfahrten unter den o. g. Bedingungen oder klimati‑ Applikationsingenieur.
sierten Fahrzeugprüfständen appliziert und validiert. Aufgrund der zunehmend kürzer werdenden Entwick‑
Eine immer größere Bedeutung gewinnt die Applikation lungszeiten und der steigenden Komplexität gewinnt die
der Diagnoseumfänge der Motorsteuerung. Speziell ent‑ Entwicklung von verbesserten methodischen Ansätzen zur
wickelte Funktionen ermöglichen es dem Service defekte Applikation immer stärkere Bedeutung. Verfeinert werden
Bauteile zu ermitteln und eine geführte Fehlersuche durch‑ beispielsweise die Methoden zur automatischen Kalibrie‑
zuführen. Für die Applikation dieser Umfänge wird der im rung von Systemen, der Einsatz von „Hardware in the Loop-
gesamten Entwicklungsprozess gewonnene Erfahrungs‑ Systemen“ in der Applikation und die effizientere Ermitt‑
schatz herangezogen und fließt in die Kalibrierung ein. In lung von Parametriermodellen unter Berücksichtigung von
der Diagnoseapplikation wird ebenfalls festgelegt, welche dynamischen Vorgängen.
Ersatzreaktionen bei einem defekten Bauteil auszuführen
sind. Auslegungskriterien sind hier Fahrzeugsicherheit, Literatur
Schutz von Komponenten, Vermeidung von Folgefehlern
oder unerwünschten Folgereaktionen. 6-1 Robert Bosch GmbH: Gelbe Reihe. Technische Unter‑
Aufgrund der hohen Anzahl von Applikationsdaten, der richtung. Motorsteuerung für Dieselmotoren. 2. Aufl.
Aufgabenteilung zwischen den Fahrzeugherstellern, den S. 52–97
Zulieferern und Applikationsdienstleistern, der hohen 6-2 Moore, G. E.: Cramming more components onto inte‑
Anzahl von Datensatzvarianten (Fahrzeug-, Motor-, Getrie‑ grated circuits. Electronics 38 (1965) 8
be- und Emissionskombinationen) und des Simultaneous
Engineering von Komponenten, Software-Funktionen und Weiterführende Literatur
der Applikation selbst ist ein effizientes und wissensbasier‑
tes Datenmanagement zum Erreichen der definierten Ziele Robert Bosch GmbH: Dieselmotor-Management. 4. Aufl.
unbedingt erforderlich. Um dies effizient und unter den Wiesbaden: Vieweg 2004
bestehenden Qualitätsan­forderungen zu bewerkstelligen

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