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Die dieselmotorische Verbrennung

3.1 Gemischbildung und Verbrennung Flammfaltung sind Strömungen des Gemisches, die durch
den Einlassvorgang und die Kompression, aber auch durch
3.1.1 Verfahrensmerkmale die Verbrennung selbst, verursacht werden. Um Selbst- oder
Frühzündung zu vermeiden, muss der Kraftstoff zündun-
Die im Kraftfahrzeug bevorzugt eingesetzten Antriebsma- willig (klopffest) sein und das Verdichtungsverhältnis wird
schinen basieren auf Verbrennungskraftmaschinen. Bei die- durch „klopfende“ Verbrennung oder Frühzündung
sen wird die in dem überwiegend aus Kohlenwasserstoffen begrenzt. Bei klopfender Verbrennung werden im gesamten,
bestehendem Kraftstoff gebundene chemische Energie durch von der Flamme noch nicht erreichten Gemisch, dem sog.
Oxidation mit dem in der Verbrennungsluft befindlichen „Endgas“, die Zündbedingungen erreicht. Das hoch kompri-
Sauerstoff in Wärme umgewandelt, diese wird wiederum an mierte und deshalb energiereiche Gemisch verbrennt ohne
das Arbeitsmedium der Maschine übertragen. Der Druck im kontrollierte Flammausbreitung nahezu zeitgleich. Dies
Arbeitsmedium steigt an und kann unter Ausnutzung der führt zu steilen Druckgradienten mit den charakteristischen
Expansion in eine Kolbenbewegung und damit in mecha- Druckschwingungen und bedingt lokal eine sehr hohe ther-
nische Arbeit umgewandelt werden. mische und mechanische Belastung der Bauteile. Längerer
Da das auch als Arbeitsgas bezeichnete Arbeitsmedium Betrieb bei klopfender Verbrennung führt zum Totalausfall
nach der Expansion ausgetauscht wird und die Verbrennung des Motors und muss deshalb unbedingt vermieden werden.
innerhalb des Arbeitsraumes der Verbrennungskraftma- Begrenzte Verdichtung, erforderliches Lastregelverfahren
schine stattfindet, spricht man von einer „offenen Prozess- (Quantitäts- oder Drosselregelung) sowie begrenzte Aufla-
führung mit innerer Verbrennung“ [3-1]. Dies gilt sowohl defähigkeit beeinträchtigen den Wirkungsgrad des Pro-
für den Ottomotor als auch für den Dieselmotor. Im Gegen- zesses mit äußerer Gemischbildung und Fremdzündung. Da
satz hierzu beschreibt man z. B. den Stirlingmotor als eine aber im Brennraum aufgrund des homogenen Betriebes bei
Maschine mit einer geschlossenen Prozessführung und λ = 1 keine Bereiche mit fettem Gemisch auftreten, hat
äußeren Verbrennung. dieses Verfahren keine kraftstoffbedingte Rußemission.
Beim konventionellen Ottomotor wird das Kraftstoff/ Moderne Ottomotoren arbeiten auch mit direkter Kraft-
Luft-Gemisch im Saugrohr gebildet. Während des Ansaug- stoffeinspritzung und können, je nach Einspritzzeitpunkt,
und Kompressionstaktes bildet sich ein überwiegend homo- ein homogenes oder inhomogenes Gemisch bilden. In die-
genes Gemisch, das durch eine Zündkerze entflammt wird. sen Fällen spricht man von „innerer Gemischbildung“, wie
Dieses Brennverfahren ist also gekennzeichnet durch „äuße- sie beim Dieselmotor Anwendung findet.
re Gemischbildung“, homogenes Gemisch und Fremdzün- Beim Dieselmotor wird kein Gemisch, sondern Luft ver-
dung. Die Energiefreisetzung erfolgt, beginnend an der dichtet. Der Kraftstoff wird kurz vor dem oberen Totpunkt
Zündkerze, mit der Ausbreitung der Flamme und ist deshalb in diese hoch verdichtete und damit heiße Verbrennungsluft
proportional zur Oberfläche der Flammfront. Die Flamm- eingespritzt. Die Gemischbildung läuft also in extrem kurzer
geschwindigkeit hängt vom Kraftstoff, der Gemischtempe- Zeit im Brennraum des Motors ab und die Zündung erfolgt,
ratur und dem Luft/Kraftstoffverhältnis ab. Die Brennge- ohne fremde Zündquelle, ausschließlich durch Übertragung
schwindigkeit wird zusätzlich von der Oberfläche der der Wärme von der komprimierten Luft an den Kraftstoff.
Flammfont beeinflusst. Diese nimmt infolge der durch Tur- Der Dieselmotor ist deshalb ein Motor mit „innerer
bulenzen im Gemisch bedingten „Flammfaltung“ mit der Gemischbildung“ und „Selbstzündung“. Zur Sicherstellung
Drehzahl des Motors zu. Wesentlicher Einflussfaktor auf die der Zündeinleitung müssen zündwillige Kraftstoffe verwen-
3.1  Gemischbildung und Verbrennung    69

det und die erforderlichen Temperaturen garantiert werden. (λ‑Gradienten) im Verbrennungsraum. Während im Kern
Letzteres erfolgt durch eine hohe Verdichtung (Verdich- des Kraftstoffstrahls nahezu kein Sauerstoff (λ ≈ 0) vorliegt,
tungsverhältnis 12 < ε < 21) und ggf. durch eine zusätzliche gibt es im Brennraum auch Bereiche mit reiner Luft (λ = ∞).
Lufterwärmung (z. B. Glühkerze). Zündprobleme können Während der Einspritzung liegen im Brennraum eines Die-
insbesondere beim Start des Motors auftreten. Infolge der selmotors, mehr oder weniger ausgeprägt, sämtliche Bereiche
niedrigen Startdrehzahl kommt es zu keinen Nachladeeffek- zwischen ∞ > λ > 0 vor. Eine völlige Luftausnutzung ist bei
ten im Saugsystem. Der sich in der Kompressionsphase heterogener Gemischbildung nahezu unmöglich. Die Zeit
befindende Kolben schiebt deshalb bereits angesaugte Luft für die Herstellung eines homogenen Gemisches und für
wieder in das Saugrohr zurück. Dieser Vorgang wird erst mit eine vollständige Oxidation ist hierfür viel zu kurz. Diesel-
dem Schließen der Einlassventile beendet. Die Verdichtung motoren arbeiten deshalb auch bei Volllast mit Luftüber-
kann also erst zu diesem späten Zeitpunkt beginnen, schuss von 5 bis 15 %. Langsam laufende Großdieselmo-
wodurch das effektive Verdichtungsverhältnis und damit die toren müssen aus Gründen der thermischen Bauteilbelas­
Kompressionstemperatur stark abgesenkt werden. Beim tung mit noch größerem Luftüberschuss betrieben werden.
Kaltstart verstärkt sich das Startproblem durch einen erhöh- Dies hat Auswirkungen auf evtl. erforderliche Abgasnach-
ten Wärmeabfluss vom Arbeitsgas Luft an die kalten Brenn- behandlungssysteme. Da im Abgas stets eine „oxidierende“
raumwände. Atmosphäre vorliegt, kann der beim Ottomotor homogen,
Beim Dieselmotor wird die Energieumsetzung durch die bei λ = 1,0 betriebene, erfolgreiche TWC (Three Way Cata-
Einspritzrate und die Geschwindigkeit der Gemischbildung lyst) nicht eingesetzt werden.
beeinflusst. Aufgrund der heterogenen Gemischbildung gibt Der Luft/Kraftstoff-Gradient ist neben den Unterschie-
es keine typische Flammausbreitung wie beim Ottomotor. den in der Gemischqualität auch für lokale Temperaturun-
Die Gefahr einer „klopfenden Verbrennung“ ist somit nicht terschiede im Brennraum verantwortlich. Die höchsten
gegeben. Deshalb können beim Dieselmotor hohe Verdich- Temperaturen treten außerhalb des Kraftstoffstrahles in
tungsverhältnisse und Ladedrücke dargestellt werden. Bereichen ∞ > λ, die niedrigsten im Strahlkern λ ≈ 0 auf.
Beides kommt dem Wirkungsgrad, aber auch dem Drehmo- Wie Bild 3-1 zeigt, entstehen in Bereichen mit Luftüber-
mentverlauf des Motors zugute. Die Grenze von Verdich- schuss und hohen Temperaturen Stickstoffoxide. In der
tung und Ladedruck ist also nicht – wie beim Ottomotor – mageren Flammaußenzone sind die Verbrennungstempera-
durch „klopfende Verbrennung“, sondern durch den maxi- turen so niedrig, dass keine vollständige Oxidation des
mal zulässigen Zylinderdruck vorgegeben. Moderne Diesel-
motoren arbeiten deshalb in Bereichen von etwa 160 bis
180 bar bei Pkw- und 210 bis 230 bar bei Nfz-Motoren. Der
oben angegebene, niedere Bereich des Verdichtungsverhält-
nisses trifft für hoch aufgeladene Großdieselmotoren zu.
Aufgrund der inneren Gemischbildung wird die Drehzahl
des Dieselmotors durch die zur Verdampfung des Kraft-
stoffes und zur Gemischbildung erforderliche Zeit begrenzt.
Selbst schnelllaufende Pkw Dieselmotoren arbeiten deshalb
selten mit Drehzahlen über 4800 min-1. Dadurch bedingte
Nachteile in der Leistungsdichte können durch die besonde-
re Eignung zur Aufladung kompensiert werden.
Wird der Kraftstoff in eine als „Wirbelkammer“ oder
„Vorkammer“ bezeichnete Nebenkammer des Hauptbrenn-
raumes –  eingespritzt, spricht man von einer „indirekten
Kraftstoffeinspritzung“. Diese wurde früher zur besseren
Gemischbildung und Erfassung der Brennraumluft im
Hauptraum sowie zur Beherrschung des Verbrennungsge-
räusches eingesetzt. Bei modernen Diesel-Brennverfahren,
den sog. Direkteinspritzern, wird der Kraftstoff direkt in den
Hauptbrennraum eingespritzt.
Die innere Gemischbildung und die damit verbundene Bild 3-1  Entstehungsbereiche der Schadstoffe im Brennraum bei hetero‑
späte Einspritzung des Kraftstoffes in den Brennraum genem Gemisch
führen zu einem deutlichen Luft/Kraftstoff­-Gradienten
70 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Kraftstoffes stattfinden kann. Hier ist die Quelle für unver- nung ergibt allerdings sehr hohe Füllungsverluste, führt zu
brannte Kohlenwasserstoffe. In Luftmangelbereichen im einem überproportionalen Drallanstieg über der Motor-
Strahlkern werden Rußpartikel, und als deren Vorläufer drehzahl und ist extrem kritisch gegenüber Fertigungstole-
Kohlenmonoxid, gebildet. Da sich beim heterogenen ranzen.
Gemisch die Rußbildung infolge fetter Gemischbereiche Diesbezüglich besser geeignet sind Spiralkanäle, bei
nicht vermeiden lässt, zielen moderne Dieselverfahren auf denen die Luft bereits im Kanal in eine Spiralbewegung
die innermotorische Partikeloxidation. Diese kann durch versetzt wird (Bild 3-2). Dadurch ist eine nahezu lineare
Erhaltung bzw. Erzeugung hoher Turbulenz während des Steigerung des Drallniveaus über der Motordrehzahl und
Expansionstaktes wesentlich verbessert werden. Bei moder- damit ein konstantes Verhältnis Dralldrehzahl / Motordreh-
nen Dieselverfahren werden deshalb bis zu 95% der entstan- zahl (nDrall /nMot) möglich sowie ein guter Kompromiss zwi-
denen Partikel innermotorisch wieder verbrannt. schen erforderlichem Drallniveau und akzeptablem Liefer-
Die innere Gemischbildung, verbunden mit der hohen gradverlust darstellbar.
Verdichtung und dem Lastregelverfahren (Qualitätsrege- Durch eine einseitige Anfasung des Ventilsitzringes kann
lung), sind Grundlage für den sehr guten Gesamtwirkungs- der Luftaustritt in Drallrichtung begünstigt und eine Drall-
grad des Dieselmotors. anhebung im unteren Ventilhubbereich erzielt werden.
Diese Maßnahme kann in Kombination mit den Ventilsteuer-
3.1.2 Gemischbildung zeiten auch geschickt zu einer Drallabsenkung über der
Motordrehzahl genutzt werden.
Haupteinflussgrößen Schirmventile – eine weitere Methode zur Drallerzeu-
gung – müssen fixiert eingebaut werden und sind somit aus
Neben der durch die Brennraumauslegung und die Einlass-
Verschleißgründen keine serientaugliche Methode zu Drall-
kanalgestaltung formbaren Luftbewegung im Brennraum
erzeugung, eignen sich aber bestens für grundsätzliche
(squish oder Quetschströmung und Luftdrall), wird die Ge-
Untersuchungen.
mischbildung bei direkter Einbringung wesentlich von der
Da ein mittels der Kanalgeometrie erzeugter Luftdrall mit
Einspritzung dominiert. Das Einspritzsystem hat dabei die
steigender Motordrehzahl schneller dreht, werden auch die
folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erzeugung des erforder-
pro Grad Kurbelwinkel überwehten Luftsegmente größer.
lichen Einspritzdruckes, Darstellung der Kraftstoffdosierung
Dieser selbst regelnde Effekt, der mit der Drehzahl die
[3-2], Sicherstellung der Strahlausbreitung, Garantie eines
Gemischbildung schneller macht, kann allerdings nur dann
schnellen Strahlzerfalles, der Tropfenbildung sowie der Ver-
genutzt werden, wenn sich auch die Spritzdauer in gleicher
mischung des Kraftstoffes mit der Verbrennungsluft, siehe
auch Kapitel 5.

Luftdrall
Der Luftdrall ist eine im Wesentlichen um die Zylinderachse
„rotierende Festkörperströmung“, deren Drehgeschwindig-
keit durch die Einlasskanalauslegung geformt werden kann
und die aufgrund der zunehmenden Kolbengeschwindigkeit
mit der Motordrehzahl ansteigt. Eine wesentliche Aufgabe
des Luftdralls ist es, den kompakten Kraftstoffstrahl aufzu-
reißen und die zwischen den Kraftstoffstrahlen liegenden
Luftsektoren mit dem Kraftstoff zu vermischen. Damit wird
schon deutlich, dass der Drallbedarf mit zunehmender Dü-
senlochzahl abnimmt. Dies ist von Vorteil, weil ansteigendes
Drallniveau zu erhöhten Wandwärmeverlusten führt und die
Drallerzeugung mit Füllungsverlusten erkauft werden muss.
Füllungsverluste können zwar durch die Aufladung kom-
pensiert werden, die negativen Auswirkungen der Draller-
zeugung auf den Gaswechselwirkungsgrad und damit auf
den Kraftstoffverbrauch bleiben allerdings bestehen. Bild 3-2 Drallgestaltung mittels eines als Spiralkanal ausgeführten Einlass-
Recht einfach kann der Drall durch tangentiales Einströ- kanals
men der Luft in den Zylinder erzeugt werden. Diese Anord-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 71

Weise verhält. Ist die in ° KW definierte Spritzdauer (z. B. ventils (Einlasskanalabschaltung EKAS) im unteren Dreh-
bei Volllast) über der Drehzahl konstant, ist eine optimale zahlbereich der Drall angehoben und damit auf die in die-
Abstimmung von Drall und Spritzdauer im gesamten Dreh- sem Bereich üblicherweise kurze Spritzdauer angepasst
zahlbereich des Motors möglich. Nimmt allerdings die werden. Eine stufenlose Klappenverstellung erlaubt sogar
Spritzdauer (in ° KW) über der Drehzahl zu, ist der Drall im das Drallniveau in Abhängigkeit vom Öffnungswinkel für
unteren Drehzahlbereich zu niedrig und die Luftausnutzung jeden Kennfeldpunkt anzupassen (Bild 3-3). Optimal ist dies
unbefriedigend oder er ist im oberen Drehzahlbereich zu allerdings nicht, weil die Gemischbildung im unteren Dreh-
hoch und es kommt zu Überwehungen der einzelnen Strahl- zahlbereich beschleunigt und im oberen Drehzahlbereich
bereiche. Beides reduziert den erreichbaren Mitteldruck des Motors verlangsamt wird.
und führt zu erhöhten Emissionen. Bei allen Einspritz- Flexible Einspritzsysteme können dem Zielkonflikt Drall/
systemen, die mit konstantem Düsenlochdurchmesser Spritzdauer auch nur begrenzt über eine Anpassung des
arbeiten – und das sind heute alle serienmäßigen Systeme Einspritzdruckes begegnen. Diese Maßnahme würde eine
– tritt dieses Problem auf. Ein hohes Drehzahlverhältnis Absenkung des Druckes im unteren Drehzahlbereich bedin-
(nmax/nmin) und/oder ein großes Mengenverhältnis Volllast- gen. Die optimale Lösung wäre eine Düse mit variablem, mit
menge zu Leerlaufmenge erschweren die Motorauslegung. der Drehzahl ansteigendem Durchflussquerschnitt.
Mit einem im Kennfeld variablen Einspritzdruck oder durch
Einsatz sog. Registerdüsen versucht man diese Problematik Quetschströmung
zu lösen.
Obwohl die Drehzahl des Dralles über der Motordrehzahl Während des Kompressionshubes wird die Luft zunehmend
genau das Richtige tut und zumindest beim Spiralkanal das in die Kolbenmulde gequetscht wodurch der Luftdrall erhöht
Drehzahlverhältnis Drall/Motor konstant ist, versucht man wird. Je kleiner die Kolbenmulde desto höher wird der
mangels geeigneter Ansatzpunkte beim Einspritzsystem, Drall.
den Drall zu verstimmen und auf das „Fehlverhalten“ des Der beschriebene, durch die Einlassströmung in den
Einspritzsystems anzupassen. Bei Motoren mit zwei oder Zylinder bzw. in die Brennraummulde erzeugte Luftdrall
mehr Einlassventilen kann durch Abschalten eines Einlass- wird mit Annäherung des Kolbens an den oberen Totpunkt
zunehmend von einer Quetschströmung überlagert. Diese
entsteht dadurch, dass die zwischen Kolbenboden und
Zylinderkopf befindliche Luft in die Kolbenmulde verdrängt
wird (Bild 3-4).
Diese Quetschströmung wirkt der Ausbreitung des Kraft-
stoffstrahles entgegen und unterstützt somit den für die
Gemischbildung wichtigen Impulsaustausch zwischen
Brennraumluft und Einspritzstrahl.
Mit Beginn des Expansionstaktes dreht sich die Strö-
mungsrichtung um. Durch entsprechende Gestaltung der
Muldengeometrie, insbesondere des Muldenrandes, lässt
sich eine hochturbulente Strömung im Kolbenspalt erzeu-
gen, welche die Gemischbildung unterstützt und die Ver-
brennung beschleunigt.

Kinetische Energie des Kraftstoffstrahls

Der dominierende Parameter bei der Gemischbildung ist die


kinetische Energie des Kraftstoffstrahles. Sie hängt neben der
Kraftstoffmasse im Einspritzstrahl auch vom Druckgefälle
an der Einspritzdüse ab und bestimmt zusammen mit dem
Strahlkegelwinkel den Impulsaustausch zwischen Brenn-
raumluft und Kraftstoffstrahl sowie das Größenspektrum
der Tröpfchendurchmesser. Der Strahlkegelwinkel hängt vor
Bild 3-3 Drallniveau als Funktion der Stellung der Einlasskanalklappe [3-3] allem von der Düseninnenströmung und damit von der Dü-
sengestaltung und dem anliegenden Druck, aber auch von
72 3 Die dieselmotorische Verbrennung

setzt bei ungefähr gleicher Spritzdauer wird mit zuneh-


mender Düsenlochzahl der Durchmesser des einzelnen
Loches und damit die Kraftstoffmasse im einzelnen Strahl
verringert. Der für die Strahlausbreitung maßgebende
Strahlimpuls muss also durch eine entsprechende Erhöhung
des Druckes wieder ausgeglichen werden. Mit steigendem
Einspritzdruck wird zudem der Lufteintritt in den Strahl (air
entrainment) verstärkt und damit das lokale O im Strahl
erhöht. Nach Wakuri [3-5] wird das lokale Luft/Kraftstoff-
verhältnis allein schon durch die größere Strahleindringtiefe
mit steigendem Einspritzdruck erhöht.
Die Bedeutung von Drall und Quetschströmung nimmt
mit zunehmendem Einspritzdruck ab. Moderne Nfz-Brenn-
verfahren arbeiten bei Einspritzdrücken von über 2000 bar
Bild 3-4 Überlagerte Strömungsvorgänge im Brennraum eines Motors be- in Verbindung mit 8- bis 10-Lochdüsen und sind nahezu
einflussen die Ausbreitung des Kraftstoffstrahles und die Gemischbildung drall- und sqishfrei. Bei den höher drehenden Pkw-Motoren
nutzt man die sehr stabile Drallströmung zur Rußoxidation
während der Expansionsphase. Ferner bedingt hier die grö-
ßere Drehzahlspanne eine relativ tiefe und damit enge
der Luftdichte ab. Mit zunehmender Kavitation im Spritz- Mulde, was zwangsläufig eine Quetschströmung ergibt.
loch wird der Strahlkegelwinkel größer und der Impulsaus-
tausch mit der Luft wird intensiviert. Die Strahlenergie ist bei Strahlzerfall
Nocken getriebenen Einspritzsystemen durch die Förderrate
der Einspritzpumpe und die Durchflussquerschnitte an der Bei direkter Einspritzung müssen Verdampfung und Ge-
Einspritzdüse beeinflussbar. Bei Speichereinspritzsystemen mischbildung in wenigen Millisekunden abgeschlossen sein.
ist der Raildruck die entscheidende Größe. Dazu ist es erforderlich, dass der kompakte Strahl sehr schnell
Durch den Einspritzstrahl wird der Kraftstoff in die äuße- zerfällt und sich viele kleine Tropfen mit einer großen Ober-
ren Bereiche des Brennraumes transportiert. Dies ist eine fläche bilden.
bei der hoch verdichteten, heißen und damit hochviskosen Zwei Mechanismen sorgen für diesen raschen Zerfall des
Luft nicht zu unterschätzende Aufgabe. Dabei kommt dem Kraftstoffstrahles und die Schaffung einer großen Kraft-
Druckverlauf am Spritzloch entscheidende Bedeutung zu. stoffoberfläche: der durch turbulente Strömungen und
Ansteigender oder zumindest konstanter Druck über der Kavitation in der Düse bedingte „Primärzerfall“ im Düsen-
Einspritzdauer ist von Vorteil [3-4]. Ein während der Ein- nahbereich sowie der „Sekundärzerfall“ infolge aerodyna-
spritzung abfallender Druck ermöglicht keine Interaktion mischer Kräfte im Fernfeld der Düse.
der einzelnen Kraftstoffbereiche im Strahl und ist deshalb
möglichst zu vermeiden. Die Erfassung der äußeren Brenn- Primärzerfall
raumbereiche ist Voraussetzung für eine gute Nutzung der
Brennraumluft und somit für eine hohe Leistungsdichte des Der Primärzerfall von einem in hoch verdichtete, hochviskose
Motors. Bei begrenztem Einspritzdruck gelingt dies nur Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffstrahl wird durch die
durch eine gleichzeitige Begrenzung der Düsenlochzahl und Umverteilung des Geschwindigkeitsprofils im Inneren des
damit einer hohen Kraftstoffmasse im Strahl. Mit stei- Strahles (Interaktion unterschiedlicher Segmente im Strahl),
gendem Einspritzdruck kann die Anzahl der Einspritzstrah- die Oberflächenspannung, die aerodynamischen Kräfte (Im-
len erhöht und damit die Kraftstoffverteilung im Brennraum pulsaustausch zwischen bewegtem Strahl und „ruhender“
verbessert werden, ohne dass die Strahlausbreitung beein- Luft), die Turbulenz (maßgeblich durch den Strahlimpuls in-
trächtigt wird. Dies wird durch den Zusammenhang von duziert) und die Kavitation beeinflusst [3-6]. Kavitation ent-
Strahleindringtiefe, dem Einspritzdruck bzw. dem Druckge- steht durch die Bewegung des turbulent in der Düse strö-
fälle am Düsenaustritt und Lochdurchmesser deutlich. menden Kraftstoffes, wobei starke Umlenkungen, beeinfluss-
Danach ist die Strahleindringtiefe eine Funktion des am bar durch das Radienverhältnis der Düsenrundungen zum
Spritzloch anliegenden Druckes, des Durchmessers eines Lochradius, die hydrodynamischen Einströmeffekte sowie
Spritzloches, der Kraftstoffdichte, des Reziprokwertes der Lochform und Lochkonizität eine wichtige Rolle spielen. Mit
Luftdichte und der Zeit nach Spritzbeginn [3-5]. Vorausge- Kenntnis sowohl der Geschwindigkeits- und Turbulenzgrö-
3.1  Gemischbildung und Verbrennung    73

Bild 3-5  Strahlzerfall und Strahlaufbruch in Düsennähe [3‑7]

ßen als auch des Volumenanteils von Dampf und Gas lassen chen Strahlsäule und der pro Zeiteinheit gebildeten Energie
sich Größe und Anzahl der Kavita­tionsblasen ermitteln. Kavi- der freien Oberfläche.
tationsblasen im Spritzloch der Düse beeinflussen sowohl den
Strahlzerfall, die Strahlausbreitung und die Tropfenbildung Sekundärzerfall
wie auch die Belagsbildung im Loch und die Haltbarkeit der
Düse. Die Aufbrechphänomene des Einspritzstrahles in Dü- Durch den Sekundärzerfall erfolgt die eigentliche „Atomisie-
sennähe sind in Bild 3-5 dargestellt. rung“ des Einspritzstrahles aus den groben Ligamenten über
Kraftstofftemperatur und -zusammensetzung bestimmen Zerwellung in mittelfeine Tropfen sowie Zerstäubung zu mik­
die Eigenschaft Flüchtigkeit und spielen eine zentrale Rolle rofeinen Tröpfchen. Das Entstehen letzterer ist zur schnellen
beim Strahlzerfall, da die Bildung von Kavitationskeimen Aufheizung und Verdampfung – und damit zur Verkürzung
durch Ausgasen der im Kraftstoff gelösten Gase infolge des physikalischen Zündverzuges – erforderlich. Bei der Se-
lokaler Unterschreitung des Sättigungsdampfdruckes beein- kundärzerstäubung spielen die aerodynamischen Kräfte die
flusst wird [3-7]. entscheidende Rolle. Einspritzdruck, Einspritzdruckverlauf,
Im Nahbereich der Düse beobachtet man zunächst einen Strahlkegelwinkel und Luftdichte sind dabei wesentliche
kompakten, flüssigen Strahlkern. Bereits in einer Entfer- Einflussparameter.
nung des 5- bis 10-fachen des Düsenlochdurchmessers vom Beim Sekundärzerfall hat man zwei gleichzeitig ablaufen-
Düsenaustritt ist er jedoch einem starken Zerfall durch Luft- de Effekte zu beachten:
und Kraftstoffdampfblasen unterworfen. Tropfengröße und a) die Verformung der durch die Reibungskräfte abgebrems–
Tropfenverteilung werden durch das Verhältnis der aerody- ten Primärtropfen infolge der höheren Trägheit des
namischen Kräfte zu den Oberflächenkräften, also durch die Strahl­kerns gegenüber dem Strahlrand und
Weberzahl b) das Abscheren von Tröpfchen im μm‑Bereich infolge des
an den Flanken zerwellenden Strahlrandes.

beschrieben. Dabei bedeuten ρK die Kraftstoffdichte, νinj die Auch hier ist die oben definierte Kenngröße, die Weberzahl,
Strahlgeschwindigkeit am Düsenloch, d Düsenlochdurch- eine charakteristische Größe, die mit der Dichte der den
messer und σ die Oberflächenspannung. Die Weberzahl Strahl umgebenden Luft ermittelt wird.
kennzeichnet das Verhältnis der pro Zeiteinheit aus dem Dü- Ein über der Einspritzdauer ansteigender Druck am
senloch austretenden kinetischen Energie der kontinuierli- Düsenloch begünstigt den Impulsaustausch zwischen
74 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Brennraumluft und Kraftstoffstrahl und ist deshalb für Hülle der Tropfenoberfläche, dem Oberflächenfilm, Tempe-
einen raschen Zerfall des Strahles förderlich. raturen erreicht, die zu einer merklichen Verdampfung
Mit steigendem Einspritzdruck gelangt nicht nur mehr führen. In der auf diese Weise entstehenden Diffusions-
Luft in den Strahl, sondern die Tropfendurchmesser werden bzw. Reaktionszone ist das Luft/Kraftstoff-Gemisch zünd-
auch kleiner. Der statistische mittlere Tropfendurchmes- fähig, sobald das Luftverhältnis O in einem Bereich zwischen
ser d32 nach Sauter (Sauter Mean Diameter) ist eine Funk- 0,3 < O < 1,5 liegt (Bild 3-7).
tion der oben beschriebenen Weberzahl, der Reynoldszahl
und des Düsenlochdurchmessers bzw. des Druckgefälles am 3.1.3 Zündung und Zündverzug
Düsenaustritt 'p, der Kraftstoffdichte UK, der Luftdichte UL
sowie der Kraftstoffviskosität νK. Das Zündverhalten des in die komprimierte und deshalb
heiße Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffes hängt von
der Reaktionsgeschwindigkeit zur Bildung von Zündradi-
kalen infolge thermischer Anregung der Moleküle ab. Die
Selbstzündungsbedingungen werden sowohl durch die ther-
Kraftstoffverdampfung modynamischen Zustände im Brennraum, also Druck und
lokale Temperaturen, als auch durch die lokale Dampfkon-
Damit in dem so gebildeten heterogenen Gemisch aus Luft zentration, die abhängig von den zuvor beschriebenen Auf-
und flüssigen Kraftstofftröpfchen unterschiedlicher Größe heizungs- und Diffusionsprozessen im Anschluss an den
und Verteilung chemische Reaktionen ablaufen können, Sekundärzerfall ist, bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt na-
muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. türlich der Kraftstoff selbst. Mit der Cetanzahl CZ wird die
Dem Wärmetransport der durch die Kompression Zündwilligkeit desselben beschrieben. Dem sehr zündwil-
erhitzten Luft zum flüssigen Kraftstoff kommt dabei eine ligen n-Hexadekan (Cetan) wird dabei die Kennzahl 100,
entscheidende Bedeutung zu. Dieser Prozess wird wesent- dem zündträgen Methylnaphthalin die Kennzahl 0 zugeord-
lich durch die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles – net. Je höher die Cetanzahl, umso zündwilliger verhält sich
und damit wiederum durch den Einspritzdruck – beein- der Kraftstoff. Zur Einhaltung der sehr strengen Abgas- und
flusst (Bild 3-6). Sowohl die Schaffung freier Tropfenober- Geräuschvorschriften sind Cetanzahlen CZ > 50 wünschens-
flächen als auch Stofftransport und Wärmeübergang werden wert (s. Kap. 4).
durch eine hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen Hinsichtlich des Wirkungsgrades, der Schadstoffemis-
und Umgebung begünstigt. Je feiner die Zerstäubung der sion, des Verbrennungsgeräusches und der Bauteilbelas-
Tropfen und je höher die Relativgeschwindigkeit der disper- tung kommt dem zeitlichen Abstand zwischen Einspritzbe-
sen Kraftstoffphase und der kontinuierlichen Phase der ginn und Zündbeginn entscheidende Bedeutung zu. Der
Brennraumladung ist, um so eher werden in der äußeren Zeitraum zwischen diesen beiden Ereignissen, üblicherwei-

Bild 3-6 Aufbereitung eines Kraftstofftropfens bei niedriger (links) und ho- Bild 3-7 Schematische Darstellung des Luft/Kraftstoff-Verhältnisses in Ab-
her (rechts) Anströmgeschwindigkeit hängigkeit von der Entfernung zum Kraftstofftropfen
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 75

se aus Düsennadelhub und Brennraumdruckindizierung trag) des Einspritzstrahles. In diesem Bereich der Diffu-
ermittelt, wird als Zündverzug bezeichnet und ist ein sionszone treten deutlich geringere O-Gradienten, d. h.
wesentliches Merkmal der dieselmotorischen Verbrennung geringere Inhomogenitäten der Gemischzusammensetzung
(Bild 3-8). als auf der Luv-Seite oder an der Strahlspitze auf. Dadurch
Beim Zündverzug wird zwischen einem physikalisch und sind hier auch höhere Temperaturen als in Zonen mit
einem chemisch bedingten Anteil unterschieden. Der physi- hohem O-Gradienten möglich. Eine Zündung im Nahbe-
kalische Zündverzug umfasst die oben beschriebenen Vor- reich der Einspritzdüse ist deshalb nicht möglich, weil hier,
gänge des primären und sekundären Strahlzerfalls, die Ver- wie oben beschrieben, ein kompakter Kraftstoffstrahl vor-
dampfung des Kraftstoffes sowie die Abläufe zur Erzeugung herrscht.
eines reaktionsfähigen Luft/Kraftstoffgemisches. Der che-
mische Zündverzug beschreibt jene Zeitspanne, in der sich 3.1.4 Verbrennung und Brennverlauf
in einer Vorreaktion die Zündradikale (z. B. OH) bilden.
Moderne, hoch aufgeladene Dieselmotoren, die mit Ein- Ein wesentliches Merkmal des Dieselmotors besteht darin,
spritzdrücken bis 2000 bar arbeiten, weisen Zündverzüge dass die Verbrennung und damit die Energieumsetzung
zwischen 0,3 und 0,8 Millisekunden auf. Bei Saugmotoren durch den Zeitpunkt und die Art der Kraftstoffeinbringung in
mit entsprechend niedrigeren Einspritzdrücken liegt er zwi- den Brennraum (rate shaping) gesteuert werden kann. Dies
schen 1 und 1,5 Millisekunden. wirkt sich vorteilhaft auf den Wirkungsgrad aus, ist aber auch
In die komplexe Berechnung des Zündverzuges gehen für den Zielkonflikt zwischen Partikelemission (Particulate
neben der Cetanzahl auch Größen ein, welche die Tempera- Matter PM) und Stickstoffoxid (NOX) einerseits sowie Kraft-
tur bei Spritzbeginn (Verdichtungsverhältnis, Ansaugluft- stoffverbrauch und NOX andererseits, verantwortlich. Der
temperatur, Einspritzeitpunkt) sowie den Zustand der Luft Brennverlauf kann um so mehr durch die Einspritzrate ge-
im Zylinder (Ladedruck, Luftdrall, Quetschströmung, Kol- formt werden, je weniger Kraftstoff in flüssiger Form auf die
bengeschwindigkeit) beschreiben. Brennraumwände gelangt und je besser es gelingt, den flüs-
Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche empirische Formeln sigen Kraftstoff in der Verbrennungsluft zu halten und ent-
zur Beschreibung des Zündverzuges entwickelt [3-8 bis sprechend schnell zu verdampfen. Dabei spielen Strahlein-
3-10]. dringgeschwindigkeit und Verdampfungsgeschwindigkeit
Das erste Zünden des aufbereiteten Kraftstoffes ereignet eine wichtige Rolle. Mit elektronisch betätigten Steuerele-
sich üblicherweise am Strahlrand im Lee (niedriger Luftein- menten evtl. noch kombiniert mit Speichereinspritzsystemen

Bild 3-8
Zündverzug bei einem Dieselmotor mit Direkt-
einspritzung. 1 Förderbeginn, 2 Einspritzbeginn,
3 Zündbeginn, 4 Einspritzende, 5 Zündverzug
76    3  Die dieselmotorische Verbrennung

definierten Wegvorgabe des Schaltelementes (variable Dros-


sel). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass eine Drosse-
lung im Nadelsitz vermieden wird, da die Gemischbildung
von einem hohen Druck im Spritzloch profitiert (s. Kap. 5).
Wie oben gezeigt, weisen moderne Dieselmotoren mit
direkter Einspritzung einen sehr kurzen Zündverzug im
Bereich von 0,3 bis 0,5 ms bei Volllast und 0,6 bis 0,8 ms bei
niedriger Teillast auf. Da die Spritzdauer also in einem wei-
ten Lastbereich länger als der Zündverzug ist, wird nur ein
kleiner Teil des Kraftstoffes vor Zündbeginn eingespritzt.
Dieser Kraftstoffanteil ist sehr gut mit der Verbrennungsluft
vermischt und weist hohe λ‑Werte sowie einen niedrigen
λ-Gradienten auf. Dadurch wird in diesen Gemischbe-
Bild 3-9  Schematische Darstellung möglicher Einspritzverläufe bei Mehr‑
reichen zwar die Bildung von Rußpartikeln vermieden, aber
facheinspritzung [3‑11] es entsteht in dieser Phase der Verbrennung, der sog. „vor-
gemischten Flamme“, ein wesentlicher Teil der innermoto-
risch nicht mehr abzusenkenden Stickstoffoxide. Außerdem
werden durch den Anteil der „vorgemischten Flamme“ das
(Common Rail Systeme mit Last- und Drehzahl abhängigem Verbrennungsgeräusch und der Kraftstoffverbrauch beein-
Einspritzdruck) lassen sich Einspritzverlaufsformung, Mehr- flusst. Ein großer Anteil an „vorgemischter Flamme“
fachvoreinspritzungen und/oder der Mehrfachnacheinsprit- (Gleichraumverbrennung) erhöht das Geräusch, kommt
zungen realisieren (Bild 3-9). Die Weiterentwicklung vom aber dem Verbrauch zugute (Bild 3-10).
Elektromagnetventil zum Piezo-Injektor bietet neben einer Der überwiegende Teil des Kraftstoffes wird während der
erhöhten Schaltfrequenz grundsätzlich die Möglichkeit einer bereits laufenden Verbrennung eingespritzt. In dieser sog.

Bild 3-10 
Brennverlauf und Verbren‑
nungsgeräusch mit und ohne
Voreinspritzung [3‑12]
3.1  Gemischbildung und Verbrennung    77

„Diffusionsflamme“ (Gleichdruckverbrennung) wird auf-


grund der lokal niedrigen λ-Werte wenig NOX aber viel Ruß
gebildet. Ein Schwerpunkt moderner Dieselmotorentechnik
gilt somit der innermotorischen Rußoxidation. Es herrschen
gute Randbedingungen für diese Oxidation, da bei ausrei-
chend hohen Temperaturen kleine, noch nicht koagulierte
Partikel mit großer Oberfläche vorliegen. Die notwendige
Turbulenz kann z. B. durch eine hohe Strahlkinetik auf-
grund hoher Einspritzdrücke bereitgestellt werden. Ferner
sind „Nacheinspritzungen“ (Post Injection) ein geeignetes
Mittel zur Temperatur- und Turbulenzsteigerung und damit
zur Rußabsenkung durch innermotorische Oxidation.
Zur Vermeidung unerwünschter Wärmeverluste sollte die
Energieumsetzung zu einem frühen Zeitpunkt abgeschlos-
sen sein. Die zur Erfüllung künftiger Abgasstandards ver-
stärkt erforderlichen Abgasnachbehandlungssysteme stellen
aber besondere Anforderungen an Abgastemperatur und
Abgaszusammensetzung. Somit kommt der Betrachtung des
Gesamtsystems Motor/Nachbehandlung immer mehr
Bedeutung zu. Bild 3-11  Lambda- und Temperaturbereiche der NOX- und Rußentstehung
Die Motorkomponenten werden zunehmend mit immer (φ = 1/λ)
mehr variablen Bestandteilen versehen. Prinzipiell sind
durch voll flexible Einspritzsysteme, variable Ventilsteuer-
zeiten, variabler Drall, variable Turbinengeometrie, variable
Verdichtung und/oder Steuerung der Kühlmitteltemperatur mischen Stickstoffmonoxides hängt neben dem lokalen
viele Parameter zur Optimierung des Verbrennungsablaufes Luftverhältnis auch von der Verweilzeit ab und steigt expo-
an unterschiedliche Anforderungen gegeben. Der Sensorik tentiell mit der lokalen Temperatur. Entlang des sich nach
und Aktorik, dem Motormanagement kommt dabei immer außen ausdünnenden Gemisches gibt es derart magere
mehr Bedeutung zu. Bezieht man die Nachbehandlungssys- Bereiche, in denen das Gemisch trotz steigender Temperatur
teme in die Betrachtung ein, sind im Instationärbetrieb des infolge der Verbrennung nicht entflammt werden kann. In
Motors selbst geregelte Systeme meist zu langsam. „Model dieser sog. „mageren Flammaußenzone“ entstehen die
Based Closed Loop Control Strategies“ werden mehr und unverbrannten Kohlenwasserstoffe.
mehr notwendig und sind zielführend. Die Rußpartikel entstehen in fetten Gemischzonen und
Temperaturen über 1600  K. Diese hohen Temperaturen
3.1.5 Schadstoffbildung treten erst nach Zündeinleitung auf. Die fetten Bereiche
finden sich vorzugsweise im Strahlkern oder im Staubereich
Grundsätzlich kann das Luft/Kraftstoffgemisch in einem des Kraftstoffstrahles im Bereich der Muldenwand. Damit
­relativ weiten Lambda-Bereich von 1,5 > λ > 0,5 entflammt allerdings überhaupt Ruß entstehen kann, muss der Kraft-
werden. Die günstigsten Zündbedingungen sind allerdings stoff in Dampfform vorliegen. Die Größe der Kraftstofftrop-
am Strahlrand vorhanden. Während die Temperatur im fen hat somit keinen direkten Einfluss auf die Größenvertei-
Strahlkern niedrig ist (Kraftstofftemperatur), herrschen am lung der emittierten Partikel.
Strahlrand nahezu die Temperaturen der komprimierten In der Zündverzugsphase hat der Strahl Zeit, sich bei
Luft. Das Gemisch beginnt somit am Strahlrand im eher ma- Temperaturen unter der Rußbildungstemperatur auszubrei-
geren Bereich zu entflammen. In Zonen um λ = 1,1 entwi- ten, auszudünnen und die fetten Bereiche zu vermindern.
ckeln sich die höchsten Verbrennungstemperaturen (s. Ein langer Zündverzug ist also prinzipiell günstig für eine
Bild 3-1). Da neben Sauerstoff auch Stickstoff vorhanden ist, niedrige Rußbildungsrate. Durch das beschriebene Ausdün-
sind dies die bevorzugten Bereiche der Stickstoffoxidbil- nen des Gemisches entstehen aber auch große λ-Bereiche in
dung. denen Stickstoffmonoxid gebildet wird (vorgemischte Flam-
Bild 3-11 verdeutlicht, dass Stickstoffoxide im mageren me). Auch werden die mageren Flammaußenbereiche ver-
Gemischbereichen bei Temperaturen über 2000  K gebildet größert, in denen unverbrannte Kohlenwasserstoffe entste-
werden. Die Bildung des von Zeldovich beschriebenen ther- hen. Da der Kraftstoff in einer vorgemischten Flamme sehr
78 3 Die dieselmotorische Verbrennung

erforderlichen Verweilzeit müssen nun die Partikel in einem


Filter, dem sog. DPF (Diesel Partikel Filter) zurückgehalten
werden. Da trotzdem in weiten Betriebsbereichen des Diesel-
motors keine ausreichende Temperatur garantiert werden
kann, sind Zusatzmaßnahmen zur Erzielung der Entflam-
mungstemperatur der Rußpartikel im DPF notwendig.

3.2 Konstruktive Merkmale

3.2.1 Gestaltung des Brennraumes


Hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung des Brennraumes
unterscheidet man zwischen Motoren mit nicht unterteiltem
Brennraum, bei denen der Kraftstoff direkt in den Haupt-
Bild 3-12 NOX- und Rußkonzentrationen im Brennraum als Funktion der brennraum eingespritzt wird (direkte Einspritzung) und Mo-
Kolbenstellung in °KW toren, die einen unterteilten Brennraum haben. Bei letzteren
wird der Kraftstoff in eine Nebenkammer (Vorkammer oder
Wirbelkammer) eingespritzt. Man spricht deshalb von „indi-
rekter“ Einspritzung. Ein Teil des Kraftstoffes wird in der
schnell verbrennt, wird durch einen langen Zündverzug Nebenkammer verbrannt. Durch die Drucksteigerung wer-
auch das Verbrennungsgeräusch negativ beeinflusst. Bei den verdampfter Kraftstoff und/oder teilweise oxidierte
modernen Brennverfahren wird deshalb eher ein kurzer Kraftstoffbestandteile in den Hauptraum geblasen und mit
Zündverzug angestrebt. der dort vorhandenen Luft weiter verbrannt. Die zur Erfas-
In Bild 3-12 ist schematisch der Einspritzvorgang über sung des Hauptraumes erforderliche Energie wird also durch
der Zeit als Rechteck dargestellt. Nach dem Zündverzug eine Teilverbrennung des Kraftstoffes erzeugt. Diese zweistu-
beginnt die Wärmefreisetzung mit einem durch die vorge- fige Verbrennung bringt Vorteile im Verbrennungsgeräusch,
mischte Flamme bestimmten, mehr oder weniger steilen hat aber aufgrund der langen Brenndauer und der erhöhten
Gradienten. Die zweite Phase der Energieumsetzung erfolgt, Wandwärmeverluste Nachteile im Kraftstoffverbrauch. Be-
durch die Diffusionsverbrennung gesteuert, wesentlich sonders im unteren Drehzahlbereich wird das Ausströmen
langsamer. Es ist zu erkennen, dass die Stickstoffoxide in der der Gase aus der Nebenkammer durch die zwischenzeitlich
ersten Phase der Verbrennung entstehen und über der Zeit im Hauptraum stattfindende Verbrennung und der damit
nur eine vernachlässigbar geringe Reduktion durch kurzzei- hier verbundenen Drucksteigerung verlängert. Im oberen
tig vorhandenen Wasserstoff oder durch Kohlenmonoxid Drehzahlbereich wird die Brenndauer durch die Übertritts-
auftritt. querschnitte von der Nebenkammer zum Hauptraum be-
Auch die Bildung der Rußpartikel beginnt erst mit der stimmt. Hier ist ein Kompromiss zwischen dem zur Erfas-
Energieumsetzung, da das fette Gemisch entsprechend sung der Hauptraumluft erforderlichen Druck in der Kam-
hohen Temperaturen ausgesetzt werden muss. Allerdings mer und der Brenndauer zu finden.
fällt auf, dass während der fortschreitenden Verbrennung Mit der Weiterentwicklung der Einspritztechnik zu
die Rußkonzentration im Brennraum deutlich abnimmt. Bis höheren Einspritzdrücken, der Möglichkeit der Voreinsprit-
zu ca. 95% des im Brennraum gebildeten Rußes werden in zung und der Einspritzverlaufsformung wurden die Neben-
der Expansionsphase wieder oxidiert. Hohe Temperaturen kammermotoren zunehmend von dem verbrauchs-
und Turbulenzen unterstützen die Rußoxidation. Es wirkt günstigeren Direkteinspritzer vom Markt verdrängt, wes-
sich zudem günstig aus, dass die Partikel noch klein sind, da halb auf Nebenkammer-Merkmale nicht mehr näher einge-
sie erst mit der Zeit zu größeren Partikeln koagulieren. Mit gangen wird.
fortschreitender Expansion werden die Bedingungen für die Das zur Verdampfung und Zündung des Kraftstoffes
Rußoxidation ungünstiger, weil der Druck, die Temperatur, erforderliche hohe Verdichtungsverhältnis der Dieselmo-
die Turbulenz sowie die Partikeloberfläche (infolge der Koa- toren (15 < H < 20; Großmotoren 12 < H < 16) ist nur mit
gulation) abnehmen. Die zur Partikeloxidation erforderliche einem kompakten und damit gleichzeitig hinsichtlich der
Zeit nimmt deshalb mit der Expansion zu. Im Auspuff sind Wandwärmeverluste günstigen Brennraum darstellbar.
die Oxidationsbedingungen so ungünstig geworden, dass Dieselmotoren haben deshalb meist einen flachen Zylin-
keine nennenswerte Rußoxidation erfolgt. Zur Schaffung der derkopf mit parallel hängenden und zurückgesetzten Ven-
3.2 Konstruktive Merkmale 79

tilen. Da der Spalt zwischen Zylinderkopf und Kolben eingesetzt oder auch mit einem Füllungskanal kombiniert
möglichst klein gehalten wird (< 1 mm), wird der Brenn- werden.
raum von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung nahezu Die Gestaltung der Kolbenmulde ist immer in Kombina-
ausschließlich durch eine im Kolben befindliche Mulde tion mit der Auslegung der Einspritzdüse sowie der Dreh-
gestaltet. Die der Kraftstoffverbrennung zur Verfügung zahlspanne des Motors zu sehen. Dabei ist zu vermeiden,
stehende Luft ist also im Bereich des oberen Totpunktes dass flüssiger Kraftstoff auf den Boden der Mulde gelangt.
überwiegend (80 bis 85%) in der Kolbenmulde konzent- Motoren mit einer großen Drehzahlspanne arbeiten deshalb
riert. Während der Kompression entsteht eine gerichtete eher mit engen und tiefen Kolbenmulden (b bis d in
Quetschströmung in die Mulde sowie nach Zündeinleitung Bild 3-13). Mit einer sehr stark eingezogenen Mulde wird
und während der Expansion eine turbulente Strömung eine hoch turbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugt.
zurück in den Kolbenspalt. Beide Strömungen können Dadurch wird die Diffusionsverbrennung beschleunigt und
durch Ausgestaltung der Kolbenmulde, insbesondere des die Brenndauer verkürzt. Die thermisch-mechanische Belas-
Muldenrandes, beeinflusst werden. Sie unterstützen die tung des Muldenrandes setzt dieser Maßnahme Grenzen.
Vermischung von Luft und Kraftstoff wesentlich. Mit „ein- Drallarme Nfz-Motoren weisen meist weite und flache Kol-
gezogenen“ Mulden kann der Effekt verstärkt werden. Die benmulden auf (a in Bild 3-13).
Ränder dieser Kolbenmulden sind aber mechanisch und
thermisch sehr hoch belastet. 3.2.2 Anordnung der Einspritzdüse
Eine weitere Möglichkeit die Gemischbildung zu unter-
stützen, ist durch den sog. Luftdrall gegeben. Diese überwie- Die Einspritzdüse hat wesentlichen Einfluss auf Strahlzerfall,
gend um die Zylinderachse drehende, als Festkörperrotation Tropfenbildung und Erfassung der Verbrennungsluft durch
der Verbrennungsluft zu beschreibende Strömung, wird den Einspritzstrahl. Die Zweiventiltechnik bedingt durch die
durch die Einlasskanalgestaltung, den Muldendurchmesser Anordnung der Gaswechselventile eine bzgl. des Zylinders
und den Hub des Motors beeinflusst und dient zur Erfas- und der Kolbenmulde außermittige Lage der Einspritzdüse.
sung der zwischen den Einspritzstrahlen liegenden Luftsek- Im Hinblick auf eine optimale Lufterfassung sollten die ex-
toren. Mit zunehmender Düsenlochzahl kann damit das zentrisch angeordneten Düsen mit unterschiedlichen Loch-
erforderliche Drallniveau abgesenkt werden. Langhubige durchmessern und am Umfang unsymmetrischer Lochver-
Motoren arbeiten mit höherer Kolbengeschwindigkeit, teilung ausgeführt werden. Aus Kosten- und Fertigungs-
damit mit höherer Einströmgeschwindigkeit und kommen gründen wird darauf allerdings üblicherweise verzichtet. Da
deshalb mit einem niedrigeren Drallniveau der Einlasskanä- die Kraftstoffstrahlen ferner in gleicher Höhe auf die Mul-
le aus. Mulden mit kleinem Durchmesser erhöhen den denwand auftreffen sollen, sind die Löcher in einem bzgl.
durch die Kanäle erzeugten Drall ebenso. Düsenachse unterschiedlichen Winkel anzuordnen, d. h. die
Die Drall erzeugenden Einlasskanäle von Direkteinsprit- Lochkegelachse weicht von der Düsenachse ab. Dadurch
zern sind als Spiralkanäle oder Tangentenkanäle ausge- werden die Strömungsverhältnisse in der Düse enorm beein-
führt. Bei der Vierventiltechnik können beide Varianten trächtigt und trotz großer Anstrengungen im Bereich

Bild 3-13 Brennraummulden von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung


80 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Düsenauslegung und Düsenfertigung sind die Eigenschaften stoffoxide zu vermeiden, können sie wirkungsvoll erst durch
der einzelnen Strahlen sehr unterschiedlich. eine Abgasnachbehandlung reduziert werden. Dabei ist zu
Der Einsatz der Vierventiltechnik ermöglicht eine bzgl. beachten, dass aufgrund des stets herrschenden Luftüber-
des Zylinders mittige Anordnung der Düse und damit sym- schusses die vom Ottomotor bekannte und bewährte Tech-
metrische Verhältnisse für die Kraftstoffstrahlen, was der nologie des Dreiwege-Katalysators nicht einsetzbar ist.
Gemischbildung und damit den charakteristischen Motor- Da das nach dem Zeldovich-Mechanismus – auch ther-
kennwerten Verbrauch, Verbrennungsgeräusch und Emissi- mischer NO-Mechanismus genannt – entstehende Stick-
onen zugute kommt und eine Optimierung der teilweise stoffmonoxid sehr schnell gebildet wird („Prompt NO“) und
gegenläufigen Einflüsse erleichtert. bei heterogener Gemischbildung die für eine NO-Bildung
Düsenüberstand und Lochkegelwinkel bestimmen zusam- günstigen, lokal vorherrschenden O-Zonen nicht vermieden
men mit dem Einspritzzeitpunkt und der Strahlgeschwin- werden können, bietet die Absenkung der Verbrennungstem-
digkeit den Auftreffpunkt der Kraftstoffstrahlen auf den peratur einen technisch wirkungsvollen Lösungsansatz zur
Muldenrand (Bild 3-14). Dieser Auftreffpunkt sollte mög- Verringerung der NO-Bildung.
lichst hoch liegen. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, Die bekannteste Methode zur Temperaturabsenkung ist
dass eine evtl. vorliegende Quetschströmung den Auftreff- die beim Pkw-Dieselmotor seit längerem eingesetzte Abgas-
punkt drehzahlabhängig beeinflusst und dass die zuneh- rückführung (AGR). Im Wesentlichen wirkt sich dabei die
mende Luftdichte die Strahlausbreitung behindert. Bild 3-15 erhöhte Wärmekapazität der inerten Verbrennungsprodukte
zeigt die Möglichkeit einer zentralen Düsenanordnung bei Wasserdampf und Kohlendioxid auf die lokale Temperatur
4-Ventiltechnik, sowie die Anordnung einer als Kaltstarthil- aus. Die gekühlte AGR ist besonders effektiv und vermin-
fe erforderlichen Glühkerze. dert die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffver-
brauch, belastet aber den Wärmehaushalt des Fahrzeugküh-
3.2.3 Abgasrückführung, Verbrennungs-
temperatursenkung
Wie in Abschn. 3.1.1.5 gezeigt, wird das erst einmal gebildete,
sehr reaktionsträge Stickstoffmonoxid in der Expansions-
phase kaum rückgebildet. Auch das zusätzliche Einbringen
von Wasserstoff, Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen
ist wenig effektiv. Gelingt es nicht, die Entstehung der Stick-

Bild 3-14 Strahlausbreitung und deren Einflussfaktoren [3-13] Bild 3-15 Anordnung einer zentralen Einspritzdüse bei 4-Ventiltechnik
3.2  Konstruktive Merkmale    81

lers. In manchen Lastbereichen kann deshalb die mögliche Schluss“ wird ein Teil des Ansaugtaktes zur Expansion der
AGR-Rate durch die Kühlleistung des Fahrzeugkühlers angesaugten Luft verwendet, wodurch deren Temperatur
begrenzt werden. Die Kühler sind aufgrund der aggressiven abgesenkt wird und die Verbrennung auf niedrigerem Tem-
Abgase aus Edelstahl auszuführen. Aufgeladene Dieselmo- peraturniveau abläuft. Diese Technik wird vor allem für den
toren bieten sich für die AGR besonders an, da der Abgas- Einsatz bei Großdieselmotoren untersucht. Im Teillastbe-
transport vom Abgasstrang in den Ansaugtrakt erleichtert reich ist diese Technologie durchaus zielführend, zumal
wird. Wird das Abgas vor der Turbine entnommen und auch noch das λ abgesenkt wird. Ein Nachteil dieses Kon-
nach Ladeluftkühler der Luft zugeführt, spricht man von zeptes ist, dass durch den frühen „Einlass-Schluss“ der Lie-
einer „hochdruckseitigen AGR“ (short way EGR). Bei der fergrad und damit die Leistung beeinträchtigt wird. Dies
„niederdruckseitigen AGR“ wird das Abgas nach der Turbi- muss dann durch laderseitige Maßnahmen kompensiert
ne bzw. nach dem Dieselpartikelfilter (DPF) entnommen werden.
und vor dem Verdichter der Ansaugluft zugeführt (long way Die Einspritzung von Wasser ist ebenso ein Mittel zur
EGR). Diese Anordnung belastet Verdichter und Ladeluft- Absenkung der Verbrennungstemperatur. Dabei zeigt die
kühler, ist hinsichtlich des Wirkungsgrades ungünstiger, hat Wassereinbringung in das Saugrohr den geringsten Effekt
aber Vorteile bezüglich der Vermischung des Abgases mit und hat außerdem den Nachteil einer Ölverdünnung. Besser
der Verbrennungsluft sowie hinsichtlich der Gleichvertei- geeignet ist die Wassereinspritzung in den Brennraum über
lung auf die Zylinder. In allen Fällen wird die Rückführrate eine separate Düse, wobei deren Kühlung nicht unproble-
über ein pneumatisch, hydraulisch oder elektromagnetisch matisch ist. Die effektivste, aber auch aufwendigste Methode
betätigtes AGR-Ventil geregelt. Da durch das zugeführte ist mit einer „Zweistoffdüse“ gegeben. Hier wird während
Abgas üblicherweise Anteile der Verbrennungsluft ersetzt der Spritzpause über eine Dosierpumpe Wasser in die Ein-
werden, spricht man von einer „replaced EGR“. Bei dieser spritzdüse eingelagert. Dabei wird das Wasser so platziert,
Art der AGR wird also das Luft/Kraftstoffverhältnis verrin- dass zunächst Dieselkraftstoff, dann Wasser und schließlich
gert. Soll trotz AGR das Luft/Kraftstoffverhältnis konstant wieder Diesel in den Brennraum eingebracht werden kann.
gehalten werden, bedingt dies einen erhöhten Ladedruck. In Dies hat den großen Vorteil, dass Zündverzug und Brenn­
diesem Fall spricht man von einer „additional EGR“. ende nicht verlängert werden und das Wasser zum richtigen
Turbolader mit einer variablen Turbinengeometrie eignen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zur Temperaturabsenkung
sich besonders für die AGR, da in weiten Lastbereichen das zur Verfügung steht.
zum Abgastransport erforderliche Druckgefälle eingestellt In dieser Hinsicht weniger geeignet ist die Wassereinbrin-
werden kann und sogar eine „additional EGR“ möglich ist. gung in Form einer Diesel-/Wasseremulsion. In allen Fällen
Für den AGR-Transport ist es notwendig erheblich aufzu- ist jedoch die Bereitstellung des Wassers problematisch.
stauen, womit der Druck in der Turbine häufig nicht mehr
völlig abgebaut werden kann. Das verbleibende Restdruck- 3.2.4 Auswirkung der Aufladung
gefälle kann dann über eine nachgeschaltete zweite Turbine
genutzt werden. Diese ist entweder mit einem zweiten Ver- Wie in Bild 3-16 gezeigt, kann mit einer Abgasrückführung
dichter (zweistufige Aufladung) verbunden, oder sie gibt die Stickstoffoxidemission deutlich reduziert werden. Mit
ihre Energie an die Kurbelwelle (Turbo Compound, TC) der sog. „replaced EGR“ sinkt allerdings das Luftverhältnis λ
ab. deutlich ab. Auf Grund der schlechteren Oxidationsbedin-
Eine weitere Möglichkeit des Abgastransportes ist durch gungen für den Ruß hat dies einen Anstieg der Partikel zur
die Nutzung der Auslassdruckspitzen gegeben. Die Druck- Folge. Bei identischem Luftverhältnis λ, also mit der sog.
spitzen überdrücken ein Rückschlagventil (Reed Valve) „additional EGR“ können die ursprünglichen Partikelwerte
wodurch kurzzeitig eine Verbindung zwischen Abgaskrüm- nahezu erreicht werden. Bei gleichem Spritzbeginn betrach-
mer und Saugrohr frei gegeben wird. tet, wird dabei die NOX-Emission nur geringfügig erhöht.
Eine einfache Methode die Verbrennungstemperatur Die „additional EGR“ stellt allerdings hohe Anforderungen
abzusenken, ist durch die Wahl eines späten Einspritzbe- an Aufladetechnik, Wärmehaushalt und zulässigen Spitzen-
ginnes gegeben, da die durch die Verbrennung bedingte druck des Motors.
Druck- und damit Temperatursteigerung einer Druckmin- Da der Luftdurchsatz des Hubkolbenmotors und der Strö-
derung durch die Expansion entgegensteht. Dieser Effekt mungsmaschine Turbolader über der Drehzahl unterschied-
wirkt sich allerdings negativ auf die Rußoxidation und den liche Schluckliniencharakteristika aufweisen, sind die Turbi-
Wirkungsgrad des Motors aus. nenquerschnitte entweder im unteren Drehzahlbereich zu
Die Verbrennungstemperatur kann auch durch den sog. groß oder im oberen zu klein dimensioniert. Ein schnelles
Miller-Cycle abgesenkt werden. Durch frühen „Einlass- Ansprechverhalten des Laders erfordert ein auf niedrige
82 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Ein guter Ansatz ist auch durch den eingesetzten Kraftstoff


selbst gegeben. Da Aromaten die ringförmige Grundstruktur
der Rußpartikel aufweisen und damit als deren Vorläufer zu
betrachten sind, tragen aromatenfreie Kraftstoffe zur Ent-
spannung des Zielkonfliktes NOX/PM bei. Die mittels
Fischer-Tropsch aus Methan (Erdgas) hergestellten GtL-
Kraftstoffe (Gas to Liquid) bestehen ausschließlich aus Paraf-
finen und sind somit ideale Dieselkraftstoffe, s. Kapitel 4.
Sauerstoffhaltige Kraftstoffe wie Methanol oder Dimethyl-
ether (DME) bilden auf Grund der in ihren Molekülen vor-
handenen Sauerstoffatome keinen Ruß, sind aber wegen
ihrer geringen Zündneigung (Methanol) oder ihres Dampf-
druckes (DME) weniger für konventionelle Dieseleinsprit-
Bild 3-16 Einfluss der AGR-Rate und des Luft/Kraftstoff- Verhältnisses auf
zung geeignet.
die NOX- und Rußemission eines direkt einspritzenden Dieselmotors
Rapsöl-Methylester (RME) wird von den Motorenherstel-
lern bedingt zugelassen, wobei die Ölwechselintervalle
deutlich kürzer sind. Aufgrund der am Markt sehr unter-
schiedlichen Qualität des RME ergeben sich auch Unter-
Massenströme ausgelegte Turbine, wodurch sie im oberen schiede in der die Gemischbildung beeinflussenden Viskosi-
Drehzahlbereich verstopft, was den Gaswechselwirkungs- tät. Deshalb befürworten die meisten Motorhersteller eher
grad verschlechtert und die innere Abgasrückführung eine unproblematische Zumischung von RME bis zu 5%
erhöht. Dieses Problem kann durch ein druckgeregeltes zum konventionellen Dieselkraftstoff. Gepresstes Rapsöl
Abblasventil zu Lasten einer optimalen Abgasenergienut- (ohne Umwandlung zu Methylester) wird von den Motor-
zung gelöst werden. Eine Turbine mit „variabler Turbinen- herstellern sehr kritisch gesehen, da es zu Problemen im
geometrie“ oder eine Registeraufladung sind diesbezüglich Einspritzsystem führt und als Folge Motorschäden auftreten
die besseren Alternativen [3-14]. können.
Die Aufladung hilft aber nicht nur den Zielkonflikt NOX/ Da bei RME nur die Frucht der Pflanze genutzt wird,
PM zu entspannen, sie ist auch zur Erhöhung der Leistungs- zielen neueste Ansätze bei der Nutzung von Biomasse auf
dichte und zur Anpassung des Drehmomentverhaltens eines die Verwertung der kompletten Pflanzen. Dabei wird die
Motors von enormer Bedeutung. Moderne Dieselmotoren- Biomasse vergast. Das Gas kann vorzugsweise in stationären
konzepte in Europa beinhalten deshalb bereits die zweistu- Anlagen genutzt, oder für den mobilen Einsatz (wie oben
fige Aufladung mit Zwischenkühlung der Ladeluft. am Beispiel GTL gezeigt) in einem weiteren Schritt verflüs-
sigt werden.
3.3 Alternative Verbrennungsverfahren Bei alternativen Brennverfahren wird versucht die Ver-
brennungstemperatur abzusenken und die kritischen O-
Wie oben beschrieben, ist der Zielkonflikt zwischen PM und Bereiche um 1,3 > O > 1,1 (NOX-Bildung) oder 0 < O < 0,5
NOX, aber auch zwischen NOX und Verbrauch durch die he- (Rußbildung) völlig zu vermeiden. Ziel ist, den Motor
terogene Gemischbildung des Dieselmotors bedingt. Es wird wesentlich magerer, homogen und bei niedrigen Tempera-
auch gezeigt, dass im heterogenen Gemisch eines konventio- turen zu betreiben. Die für eine ausreichende Homogenisie-
nellen Dieselmotors immer Temperatur- und O-Bereiche rung stets erforderliche Zeit soll bei den meisten Ansätzen
vorliegen, in denen sowohl Stickstoffoxide als auch Partikel durch eine Verlängerung der Zündverzugsphase erreicht
entstehen können. Da im Gegensatz zu den im Brennraum werden.
entstandenen Partikeln die einmal gebildeten Stickstoffoxide Der konventionellen Dieselgemischbildung am nächsten
innermotorisch nicht mehr verringert werden können, zie- kommt dabei das HCLI-System (Homogeneous Charge Late
len moderne Verbrennungsverfahren darauf ab, Stickstoff- Injection). Das Verfahren arbeitet mit einem etwas früheren
oxide erst gar nicht entstehen zu lassen, indem die Tempera- Einspritzzeitpunkt als konventionelle Dieselmotoren und
tur abgesenkt wird (später Spritzbeginn, AGR, Miller, Was- damit einem längeren Zündverzug. Dadurch soll die Zeit
sereinspritzung). Geht die jeweilige Maßnahme zu Lasten zur Verringerung der fetten Bereiche verlängert und der
der Rußbildung, müssen verstärkt Methoden zur Rußoxida- Anteil der mageren Gemischbereiche vergrößert werden.
tion (hoher Einspitzdruck, Nacheinspritzung, Aufladung) Zur Vermeidung von Frühzündungen benötigt das Verfah-
angewandt werden. ren sehr hohe AGR-Raten in der Größenordnung von 50 bis
3.3  Alternative Verbrennungsverfahren    83

80% und ist deshalb wohl nur im Teillastbereich anwend-


bar.
Ebenfalls mit einem langen Zündverzug, allerdings mode-
raten Abgasrückführraten, arbeitet das HPLI-Verfahren
(Highly Premixed Late Injection). Wie der Name schon sagt,
wird der lange Zündverzug durch eine extrem späte, deut-
lich nach OT liegende Einspritzung, erreicht. Das Verfahren
hat Verbrauchsnachteile und der fahrbare Kennfeldbereich
ist durch die Abgastemperatur begrenzt.
Bei dem „Dilution Controlled Combustion System“
(DCCS) soll bei konventionellen Einspritzzeitpunkten mit-
tels AGR-Raten > 80% die Temperatur unter die NOX- und
Rußbildungstemperatur abgesenkt werden.
Beim klassischen HCCI-System (Homogeneous Charge
Compression Ignition) wird der Homogenisierung entschei-
dende Bedeutung zur Absenkung von NOX und Ruß beige-
messen. Man gibt dem Gemisch sehr viel Zeit für die Homo-
genisierung und spritzt deshalb sehr früh im Verdichtungs- Bild 3-17  Betriebsbereiche konkret ausgeführter alternativer Brennver­
takt ein (90° bis 140 ° KW vor OT), oder man arbeitet sogar fahren
mit äußerer Gemischbildung. Dabei können Probleme
durch Schmierölverdünnung infolge schlecht verdampften
Dieselkraftstoffs entstehen. Die Verbrennung wird einge-
leitet, wenn durch die Kompression des Gemisches die nagement auch davon abhängen, wie der Kompromiss der
erforderliche Zündtemperatur erreicht wird. Der Beherr- Motorkennwerte bei Volllast und Teillast gelingen wird.
schung des thermodynamisch richtigen Zündzeitpunktes Handelt man sich bei diesen vorwiegend auf den Teillast­
sowie des Verbrennungsablaufes unter den unterschied- bereich ausgelegten Verfahren zu große Nachteile im Voll-
lichen Randbedingungen kommt diesem, dem konventio- lastbereich ein, werden die Chancen für eine Umsetzung
nellen Ottoprinzip nah verwandten, Konzept eine wesent- geringer.
liche Bedeutung zu. Das Verfahren erfordert zur Vermei- Die Hoffnung, durch Anpassung des Kraftstoffes an die
dung von Frühzündungen eine Absenkung des Verdich- geänderten Randbedingungen eine bessere Homogenisie-
tungsverhältnisses auf 12:1 < ε < 14:1 und die Verwendung rung und eine exaktere Beherrschung des Zündzeitpunktes
hoher AGR-Raten (40 bis 80%). Die hohen Abgasrückführ- zu erreichen, dürfte nur schwer zu erfüllen sein.
raten werden teilweise durch Einsatz eines Ventiltriebs mit Vielstoffmotoren stellen hinsichtlich Klopffestigkeit
variablen Ventilsteuerzeiten dargestellt. Mit diesen Ventil- (Oktanzahl OZ) oder Zündwilligkeit (Cetanzahl CZ) kei-
trieben ist auch das Millerverfahren möglich, mit dem, wie nerlei Anforderungen an den Kraftstoff und sollen deshalb
oben gezeigt, die Gemischtemperatur abgesenkt werden Benzin (Ottokraftstoff) und Dieselkraftstoff gleichermaßen
kann. Trotzdem ist der Grat zwischen klopfender Verbren- vertragen. Wie in Abschn. 3.1.1 gezeigt, benötigen zündun-
nung, Frühzündung und Zündaussetzern sehr schmal. willige Ottokraftstoffe eine externe Zündquelle in Form
Letzteres erfordert bei extremer Teillast zusätzlich zur AGR einer Zündkerze. Zündwillige Kraftstoffe kommen zwar
eine Drosselung der Ansaugluft. Auch dieses Verfahren ist ohne fremde Zündquelle aus, dürfen aber, um Frühzün-
wegen dieser Einschränkungen nur im unteren und mittle- dungen zu vermeiden, erst sehr spät in den Brennraum
ren Lastbereich möglich. eingebracht werden. Sie benötigen also eine späte innere
Die bei den oben vorgestellten Verfahren bevorzugten Gemischbildung. Auf diese könnte wiederum eine lediglich
bzw. angestrebten Lambda- und Temperaturbereiche sind in mit Benzin betriebene Maschine verzichten. Sollen also
Bild 3-17 dargestellt. Den größten fahrbaren λ-Bereich und beide Kraftstoffarten in einem Motor, dem sog. Vielstoffmo-
die niedrigsten Temperaturen werden mit dem DCCS-Ver- tor, gefahren werden können, ist eine innere Gemisch­
fahren erreicht. Den kleinsten fahrbaren λ-Bereich bietet bildung mit später Einspritzung und zusätzlicher Fremd-
das HCCI-Konzept. Im untersten Lastbereich ist zusätzlich zündung erforderlich. Die Anwendung solcher Verfahren
zur AGR eine Drosselung der Ansaugluft erforderlich. Ob beschränkt sich meist auf Nischenprodukte (z. B. militä-
sich eines dieser Verfahren durchsetzen kann, wird neben rische Fahrzeuge).
dem fahrbaren Lastbereich und dem erforderlichen Airma-
84    3  Die dieselmotorische Verbrennung

3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf Abbremsung, aber auch Stöße oder Zerfalls- und Koagula­
tionsvorgänge) unterworfen ist.
und Brennverlauf
Für die Beschreibung der Selbstzündungsreaktionen in
Berechnungsprogramme zur Simulation der Prozessführung der Gasphase kommt ein einfacher chemischer Reaktions-
in Verbrennungsmotoren sind inzwischen neben dem Expe- mechanismus zur Anwendung, bei dem chemische Spezies,
riment unverzichtbare Werkzeuge bei der Optimierung der die gleiches oder ähnliches Verhalten aufweisen, zu sog.
häufig gegenläufigen Motorkenngrößen geworden [3-15]. „generischen Spezies“ zusammengefasst werden [3-16].
Mit Einsatz der Prozesssimulation lassen sich die Entwick- Dadurch lässt sich die Zahl der erforderlichen Berechnungs-
lungszeiten deutlich verringern und die Versuchsläufe auf schritte im mehrdimensionalen Rechenprogramm deutlich
die Feinoptimierung der Prozesse reduzieren. Mit den heute reduzieren.
bereitstehenden Werkzeugen lassen sich aber nicht nur Sen- Die Simulation des Verbrennungsprozesses baut auf den
sitivitätsstudien mit Trendaussagen durchführen, sondern in Modellrechnungen für die Gemischbildung auf, da diese die
Teilbereichen sind auch detaillierte quantitative Aussagen Verbrennung und die Schadstoffbildung wesentlich beein-
möglich. Dabei sind phänomeno­logische Ansätze gleicher- flussen. Numerische Modellrechnungen bergen aber die
maßen hilfreich wie die 3D‑Simulation. Dazu ist es erforder- Gefahr, dass die Modellparameter mit der Numerik intera-
lich, den gesamten Prozess der motorischen Verbrennung gieren und somit falsche Ergebnisse entstehen können.
von der Einlassströmung und Einspritzung über Verdamp- Diese Erfahrung machte man z. B. mit den Strahlmodellen
fung, Gemischbildung und Verbrennung bis zur Bildung und deren Einsatz bei Einspritzsystemen, die einen immer
und Emission der Schadstoffe zu beschreiben. Das äußerst höheren Einspritzdruck ermöglichten. Die CFD-Software
komplexe thermodynamische System der heterogenen (die- abstrahiert die reale Geometrie als Netzstruktur, wobei die
selmotorischen) Verbrennung lässt sich dabei nur durch 3D-Rechnung oft nicht in der Lage ist, Mikrogeometrien,
Aufteilung in Teilprozesse beherrschen. Für die Modellie- wie sie beispielsweise in Düsenlöcher auftreten, mit ausrei-
rung stehen verschiedene Simulationsplattformen zur Verfü- chender Auflösung dieser Netzstruktur zu beschreiben bzw.
gung, die als kommerzielle CFD-Software (Computational die relevanten Zahlgrößen mit Netzstellen entsprechend
Fluid Dynamics) angeboten werden. Bekannte Programme darzustellen [3-17]. Allerdings ist es aus verschiedenen
sind u. a. „FLUENT“, „STAR CD“, oder „FIRE“. Für die La- Gründen nicht möglich, die Netzstruktur an der Düse belie-
dungswechselberechnung wird auch das Programmsystem big zu verfeinern. Es besteht daher noch immer Bedarf, die
„PROMO“ eingesetzt. Für Parameterstudien finden häufig Ergebnisse aus der Modellrechnung abzugleichen und
sog. „nulldimensionale phänome­nologische Modelle“ An- anhand belastbarer Messergebnisse zu überprüfen.
wendung. Für die Hochtemperaturphase der Verbrennung, in der
Als Basis der 3D-Modellierung zur Optimierung von der Kraftstoff mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft zu
Brennverfahren dienen interaktive Berechnungsnetze, die Kohlendioxid und Wasser oxidiert, bedient man sich des
sich an den konkreten Geometrien der Kanäle und des Modells der „einstufigen Globalreaktion“, wobei man von
Brennraumes orientieren. Die numerische Lösung der Grund- der Annahme ausgeht, dass dieser Oxidationsprozess
gleichungen für die Strömungsprozesse erfolgt mit Hilfe wesentlich schneller als der Gemischbildungsprozess zwi-
mathematischer Verfahren und ermöglicht eine detailgetreue schen Luft und verdampftem Kraftstoff abläuft.
Darstellung der Ansaug- und Verdichtungsphase unter Auch für die Rußbildung bestehen Modelle, bei denen die
Berücksichtigung der Kolben- und Ventilbewegung. Grund- Teilprozesse der Keimbildung, der Koagulation, aber auch
lage für die Beschreibung des Verbrennungsprozesses ist die der Oxidation berücksichtigt werden. Die Stickstoffoxidbil-
CFD-Modellierung der Kraftstoffstrahlausbreitung, des dung wird mit Hilfe des Zeldovich-Mechanismus beschrie-
Strahlzerfalles und der Tropfenbildung, der Tropfenverdamp- ben. Da die thermische NO-Bildung wesentlich langsamer
fung, der Vermischung des Dampfes mit der Verbrennungs- als die Oxidationsreaktionen in der Flamme abläuft, kann
luft, der Zündeinleitung und Verbrennung sowie der Schad- sie losgelöst von den eigentlichen Verbrennungsreaktionen
stoffbildung und deren innermotorische Verringerung. betrachtet werden.
Das heute allgemein übliche Verfahren zur Beschreibung
von Einspritzstrahlen basiert auf der statistischen Mechanik,
dem sog. „Diskrete-Tropfen-Modell“, das auch in die oben
erwähnte Software integriert ist. Dabei wird die Dynamik
der Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Vielteilchensystems
beschrieben, bei dem jedes Teilchen einem kontinuierlichen
Veränderungsprozess (bei Tropfen z. B. Verdampfung und
3  Literatur    85

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