Sie sind auf Seite 1von 8

DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14.

Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin

Analyse des Tribosystems Bremsscheibe – Belag


mit Hilfe der Schallemissionsanalyse
Schwalbe, H.-J.

Bisher werden in der Entwicklung von Bremsscheiben und Bremsbelägen


Schwungmassenprüfstände mit Originalscheiben und Originalbremsbelägen eingesetzt. Für
Verschleißuntersuchungen im Rahmen von Werkstoffentwicklungen erfordert das Prinzip
dieser Prüfständen einen hohen Investitionsaufwand und hohe Rüstzeiten. Das Tribosystem
besteht bei diesen Prüfständen aus einer Bremsscheibe und zwei Bremsbelägen, die
gegeneinander auf die Stirnseiten der Scheibe wirken /5/. Dadurch ist eine eindeutige zeitliche
Zuordnung der Verschleißmechanismen auf die einzelne Kontaktfläche nicht möglich. Das
System wird reduziert auf das System Scheibe Belag indem ein Belagsegment auf die
Mantelfläche einer verkleinerten Bremsscheibe wirkt. Der Abbremsprozess erfolgt durch eine
Drehzahlsteuerung. Der Verlauf der Gleitgeschwindigkeit wird dem Verlauf realer
Bremsvorgänge, die auch in dem Schwungmassenprüfstand simuliert werden, angeglichen.
Eine automatische Versuchsführung stellt über ganze Versuchsreihen reproduzierbare
Versuchbedingungen sicher. Durch ein definiertes Tribosystem ist eine Überwachung der
Verschleißmechanismen durch direkte und indirekte Messgrößen möglich. Als Messgrößen
werden eingesetzt:
• die Schallemissionsanalyse (SEA),
• der Reibungskoeffizient aus Reibkraft und Normalkraft,
• die Temperatur der Kontaktfläche von Bremsscheibe und Bremsbelage und
• der lineare Verschleißweg.
Diese Messgrößen werden in Abhängigkeit der Zeit erfasst. Durch zeitliche Korrelation dieser
Messgrößen kann der Verschleiß eindeutig beschrieben und bewertet werden.

1. Einleitung

Bremsscheiben- und Bremsbelagwerkstoffe werden in Bremsprüfständen untersucht und


optimiert. Es handelt sich hierbei um Schwungmassenprüfstände. Ein solcher Prüfstand ist in
folgender Abbildung dargestellt.

Abb 1 Schwungmassenprüfstand nach DIN 15435 (Werksbild Sibre ) /1/

103
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
104

Die rotierenden Körper werden mit definierten Massen versehen, um verschiedene kinetische
Energiezustände simulieren zu können. Die Rotation von Welle oder bei feststehender Welle
der Bremsbeläge wird durch den Bremsvorgang definiert auf Null verringert. Der
Bremsvorgang simuliert den Bremsprozess. Die DIN 15433 gilt für die Prüfung von
Scheibenbremsen, die DIN 15435 für Trommelbremsen. Bei beiden Bremsprüfständen sind
zwei Bremsbeläge gleichzeitig im Reibkontakt, ihre Kraftwirkrichtung ist gegensinnig. Es
kann augrund innerer Reibung nur näherungsweise davon ausgegangen werden, dass die
Normalkräfte in der Kontaktzone gleich sind. Das bedeutet, dass der Reibprozess in den
beiden Kontaktflächen nicht zwangsweise gleich sein muss. Als Messgrößen werden
Drehzahl, Drehmoment über eine Messwelle und die Belagtemperatur über Temperaturfühler
in den Bremsbelägen erfasst. Die Rüstzeiten für die Versuchsdurchführung und die
Investitionskosten sind bei diesen Prüfständen sehr hoch. Es wurde daher ein stärker
abstrahierter Reibprüfstand entwickelt /2,3/, der eine eindeutige Beurteilung des
Reibprozesses aufgrund direkter und indirekter Messgrößen erlaubt, der zudem einfach
aufgebaut ist und bei der Versuchsdurchführung sehr kurze Rüstzeiten erfordert.

2. Entwicklung eines neuen Prüfstands

Zur Werkstoffoptimierung ist es nicht erforderlich an Originalbauteilen das Reibverhalten der


Paarungen zu testen. Es geht darum unter vereinfachten Versuchbedingungen, die aber die
Originalbeanspruchung in der Reibzone widerspiegeln, mögliche Werkstoffpaarungen
tribologisch zu untersuchen.

Das Tribosystem besteht aus dem Bremsbelag und der Bremsscheibe, den in der
Kontaktfläche befindlichen Abrasivpartikeln und den Umgebungsbedingungen. Die
Umgebungsbedingungen werden bis auf die mit der Versuchsdauer steigenden Temperatur
konstant gehalten. Beide Partner haben flächige Berührung. Die Berührfläche ist entweder
eben - bei den Bremsscheiben - oder kreismantelförmig - bei den Bremstrommeln -. Es bietet
sich daher als ein Versuch höchster Prüfkategorie der Stift-Walze- oder Stift-Scheibe-
Prüfstand an. Aufgrund konstruktiver Vorteile wird ein Stift-Walzen-Prüfstand entwickelt.
Eine Prinzipskizze ist der Abbildung 2 zu entnehmen

.
3
4

5
2 1

Abb. 2: Verschleißprüfstand /4/

104
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
105

Auf der Welle wird eine Bremsscheibe-1- montiert. Die Drehzahl wird über einen
programmierten Frequenzgenerator gesteuert. Auf die Walzenoberfläche der Bremsscheibe
drückt ein Bremsbelag-2-, der tangential über eine Kraftmessdose-3- fixiert ist. Der Belag
wird über ein Hebelsystem-4- mit einer angehängten Last beaufschlagt. Zum Anlaufen des
Systems wird der Belastungsarm hydraulisch angehoben –5- und zu Beginn des Reibversuchs
abgesenkt. Ebenfalls erfolgt eine Anhaben des Balkens nach Abschluss des Reibversuchs Die
Bremsbelaghalterung ist in Abbildung 3b detailliert dargestellt.

Bohrung für
Wellenleiter

Aufnahme für
Keramikrollen

a b

Abb. 3 a. Tribosystem
b. Bremsbelaghalterung mit Aufnahmebohrung des Wellenleiters /4/

In der oberen Aufnahme ist der Bremsbelag, der aus einem Originalbremsbelag
herausgearbeitet wurde, geführt. Zur Schallentkopplung wird die Druckkraft über
Keramikrollen geleitet. Diese Rollen gewährleisten ebenfalls aufgrund sehr geringer Reibung
eine geringe Abweichung der gemessenen Tangentialkraft von der realen Reibkraft. Der
Vorteil dieser Prüfanordnung ist die eindeutige und exakt beschreibbare Beanspruchung in der
Kontaktfläche des Tribosystems.

Die Schwungmasse der üblichen Prüfstände wird durch eine frei programmierbare
Drehzahlsteuerung des Antriebmotors gewährleistet. Es können daher beliebige
Bremszyklusabläufe untersucht werden, ohne den Prüfstand umrüsten zu müssen.

Der wesentliche Vorteil dieses Prüfstandes liegt aber in der Reproduzierbarkeit der
Beanspruchungen, da nur ein Tribokontakt besteht.

Als zeitlich veränderliche Messgrößen werden neben der Schallemission die Drehzahl der
Welle, die Temperatur der Walzenoberfläche mit Hilfe eines Pyrometers, die Temperatur des
Belags über ein Thermoelement und der Reibungskoeffizient µ über den Quotienten aus
Tangential- und Normalkraft bestimmt. Die Schallemission wird über einen Wellenleiter, der
in den Reibbelag eingebracht ist, ausgekoppelt. Das von einem piezoelektrischen Wandler mit
einer Resonanzfrequenz von 80kHz erfasste Signal wird nach Impedanzanpassung gefiltert
und verstärkt. Es wird der zeitliche Amplitudenverlauf und die mittlere Amplitude der
Schallemission erfasst.

105
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
106

Der Versuchstand bei einer Bremsdauerprüfung ist der Abbildung 4 zu entnehmen. Es werden
hierbei kurzzeitig Temperaturen auf der Walzenoberfläche von über 7000C gemessen. Dies
sind jedoch Versuche außerhalb der Normbedingungen. Sie dienen der Absicherung der
Messwerterfassung auch unter extremen Prüfbedingungen.

Abb.4: Bremsprüfstand im Dauertest /3/

3. Versuchsdurchführung

Zur Simulation von realen Bremsvorgängen werden die Relativgeschwindigkeiten variiert.


Die Geschwindigkeiten liegen zwischen 125 m/min und Stillstand . Mit Hilfe des
Hydraulikzylinders 5 in Abb. 2 wird der Bremsbelag in Reibkontakt zur Bremsscheibe
gebracht. Beim Beschleunigen der Bremsscheibe auf die Prüfdrehzahl ω max darf kein Kontakt
bestehen. Nach Erreichen dieser Drehzahl ω max wird der Bremsbelag abgesenkt und die
Drehzahl auf Null mit konstantem ω& heruntergeregelt.

In der zeitlichen Zuordnung werden die Messgrößen zur Bewertung des Reibzustands
gemessen. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur eine Bremsung durchgeführt wird,
sondern eine definierte Zahl von Bremszyklen. Bei wiederholtem Bremsen ändert sich die
Starttemperatur beim Bremsvorgang. Dadurch ändern sich die tribologischen Parameter. Es
ist daher wichtig, wiederholte Bremszyklen zu fahren, um die Reibänderungen in
Abhängigkeit der Zahl der Bremszyklen beurteilen zu können. Ein Bremszyklus besteht in der
durchgeführten Versuchsreihe aus vier Abbremsungen mit Abbremszeiten von 4,6,8 und 10
Sekunden. Die Zeit zwischen den einzelnen Zyklen beträgt 9 Sekunden. Ein Test umfasst 30
dieser Zyklen, die in unmittelbarer zeitlicher Folge durchgeführt werden.

Ein Messprotokoll eines solchen Zyklusses ist in Abbildung 5 gezeigt. Dargestellt ist in den
Kurven von oben nach unten:
• Amplitudenverlauf de Schallemission,
• mittlere Amplitude der Schallemission,
• Reibwert µ,
• Manteltemperatur der Bremsscheibe,
• Temperatur des Bremsbelags,
• Absenkung, dargestellt durch Signale für die Befehle Zylinder einfahren und Zylinder
ausfahren und
• Drehzahl der Welle (programmierte [lineare Drehzahlabsenkung] und tatsächliche
Verlauf).

106
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
107

Abb. 5: Messprotokoll eines Belastungszyklusses Bremsscheibe GG15Z, /4/


Versuchsprotokoll des 20.ten Belastungszyklusses

Der Abbildung 5 ist eine eindeutige zeitliche Korrelation zwischen der Amplitude bzw. der
mittleren Amplitude der Schallemission, dem Reibwert µ und der Scheibentemperatur zu
erkennen. Die Wärmekapazität des Reibbelages mit der Aufnahme ist einerseits groß, zum
anderen ist das Thermoelement in einem Abstand zur Reibfläche angebracht, so dass die
thermischen Schwankungen in Abhängigkeit des Reibzyklusses nicht eindeutig erkannt
werden können. Die untere Kurve zeigt deutlich die Differenz zwischen der tatsächlichen und
der Regelgröße der Drehzahl.

4. Versuchsergebnisse

Betrachtet man die Änderungen des tribologischen Kontakts mit Zunahme der Zyklenzahl, so
nimmt die Temperatur in der Kontaktfläche und der Mantelfläche der Bremsscheibe stetig zu.
Die folgenden Diagramme in den Abbildungen 6 und 7 zeigen die Änderung der Temperatur
im Bremsbelag und der Mantelfläche der Scheibe.

107
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
108

Abb. 6: Verlauf der Bremsbelagtemperatur – Gegenwerkstoff GJL15Z /4/

Die Temperaturen steigen sowohl im Bremsbelag als auch an der Mantelfläche der Scheibe
mit der Zyklenzahl. Ungeachtet dessen bleibt der Reibungskoeffizient nahezu konstant,
Abbildung 8. In Abbildung 7 wird für die Bremsscheibe deutlich, dass die
Walzenoberflächentemperatur den zyklischen Reibkontakt wiederspiegelt. Die untere
Nachweisgrenze des eingesetzten Pyrometers lag bei 250°C. Es werden daher keine
Messwerte unter dieser Temperatur angezeigt.. Die Maximaltemperatur der ersten Belastung
liegt stets unter der Maximaltemperatur der letzten Belastung des vorangegangenen Zyklus.
Durch die Zeit von 9 Sekunden zwischen den einzelnen Versuchszyklen sinkt die
Oberflächentemperatur ab; die Belastungsdauer der ersten Belastung ist zudem geringer.

Abb. 7: Bremsscheibentemperaturverlauf
(Untere Messgrenze des Pyrometers 2500C) /4/

108
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
109

Abb. 8: Verlauf des Reibungskoeffizienten µ

Obwohl die Temperatur ansteigt, bleibt bei dieser Werkstoffpaarung der Reibungskoeffizient
µ nahezu gleich, Abbildung 8. Dies ist für eine optimale Paarung Bremsscheibe und
Bremsbelag wünschenswert. Es wurden parallel dazu andere Werkstoffpaarungen untersucht,
bei denen eine deutliche Reduzierung des Reibungskoeffizienten mit der Betriebstemperatur
beobachtet wird.

Die Messwertergebnisse der Schallemissionsanalyse ergeben in Korrelation zu den anderen


Parametern, dass die Amplitude und die mittlere Amplitude mit der Zyklenzahl sinkt. Dies
wird in der Abbildung 9 deutlich. Während der ersten Belastungen zwischen Reibbelag und
Scheibe kommt es zu abrasivem Verschleiß. Die Oberflächenrauhigkeiten werden abgetragen,
der Reibbelag ändert sich infolge der thermischen und mechanischen Beanspruchung in
seinen Material- und Verschleißeigenschaften. Liegen zu Versuchsbeginn vornehmlich
Abrasivbedingungen vor, so nimmt der Anteil adhäsiver Reibung permanent zu, und somit die
Schallemission ab. Die Schallemission erlaubt eine qualitative Bewertung des
Verschleißprozesses.

Abb. 9: Verlauf der mittleren Amplitude der Schallemission /4/

109
DGZfP-Berichtsband 82-CD Vortrag 10 14. Kolloquium Schallemission, 3’2003, Berlin
110

Ebenso wie die Amplitude der Schallemission nimmt auch die Verschleißrate mit
zunehmender Belastungszyklenzahl ab. In der Praxis bedeutet diese Eigenschaft des
Tribosystems bei nahezu gleichbleibendem Reibungskoeffizient höhere Lebensdauer.
Optimierte Systeme Bremsscheibe-Bremsbelag haben heute Laufleistungen von über
500000km bei Lastkraftwagen.

5 Schlussfolgerungen

In einem tribologischen System höchster Prüfkategorie ist es möglich, eindeutige


Beanspruchungen im Tribokontakt zu simulieren und somit die Reib- und
Verschleißmechanismen erkennen zu können. Im dem beschriebenen Tribosystem
Bremsscheibe – Bremsbelag wird deutlich, dass die Schallemission mit den anderen
Messgrößen, Temperatur der Scheibe und Reibungskoeffizient µ, korreliert. Im Gegensatz zu
diesen Messgrößen scheint aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen die
Schallemission auch Informationen über die Verscheißmechanismen zu liefern.

Der an der Fachhochschule Gießen-Friedberg entwickelte Prüfstand erlaubt eine schnelle


Beurteilung unterschiedliche Werkstoffpaarungen. Durch eine definierte Beanspruchung
zwischen den Reibpartnern im Gegensatz zu den Schwungmassenprüfständen, kann mit Hilfe
der Schallemission der Verschleißprozess eindeutig verfolgt und in Korrelation zu anderen
Messgrößen bewertet werden.

Referenzen:
/1/ Unterlage der Firma SIBRE, http;//www.sibre.de
/2/ Apel S. Diplomarbeit FH-Gießen-Friedberg 1999
/3/ Kopczynski J. Diplomarbeit FH-Gießen-Friedberg 2000
/4/ Berg R. Diplomarbeit FH-Gießen-Friedberg 2001
/5/ Schmier Simulation von Reibung und Verschleiß an Scheibenbremsen, GH
Siegen

110

Das könnte Ihnen auch gefallen