Sie sind auf Seite 1von 59

SIH - State of the Art, Leitlinien und

Empfehlungen

Prof. Dr. med. Maritta Kühnert


Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
der Universität Gießen Marburg ,
Geburtshilfe und Perinatalmedizin
Direktor: Prof. Dr. med. U. Wagner
Standort Marburg
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen/
Präeklampsie

• weltweit jährlich ca. 60.000 mütterliche Todesfälle


• 1 – 3. Stelle mütterlicher Todesursachen

• Anteil an perinataler Mortalität: 20 – 25 %

• Gesamt: 5 – 7 % in Westeuropa [ 70 % Präeklampsie]

• chronische Hypertonie: 1 – 5 %

• Eklampsie : 0,03 – 0,1 % aller Geburten

• HELLP-Syndrom 0,3 – 0,8 % aller Geburten

„HELLP needs help“


Definitionen:
Definitionen:
Definitionen:
Definitionen:
Screening I. Trimenon: biophysikalisch (Doppler),
biochemisch; Anamnese + RR (=Risikoassessment)
Allgemeine Anamnese:
Schwangerschaftsanamnese:
Aa. uterinae Doppler I. Trimenon:
RR- Messung:

K4 = Korotkoff Ton 4 (Ton > 10 mmHg über Diastole) K5 = Korotkoff Ton 5 (< unter Diastole)
Screening II. Trimenon:

FPR = falsch-positive Rate


Prävention:
Wiederholungsrisiko :
Wiederholungsrisiko :

Regel:Je früher eine Pathologie auftritt, um so größer ist das Wiederholungsrisiko


Überwachung/ Betreuung:
Proteinurie:

Urinstix: ≥ +, cave::Kontamination, Infektion, körperliche Belastungen,


tageszeitliche Unterschiede  schlechte Korrelation zur 24 h- Messung
keine Korrelation zur mütterlichen Morbidität
(Proteinurie: HELLP-Syndrom 10 – 15 %, Eklampsie 38 %)
Kein Entscheidungskriterium für vorzeitige Schwangerschaftsbeendigung
Wichtig: Frühdiagnose chron. Hypertonie  Pfropfpräeklampsie
Gestoselabor:
Vorstellung in der Klinik:
Maßnahmen in der Klinik :
Maßnahmen in der Klinik :
Therapie:
Therapie:
Therapie:
Schwere Hypertonien :
Schwere Hypertonie mit eklamptischem Anfall 35 + 2 SSW:

MRT unmittelbar post partum


T2-w Sequenz und FLAIR-Sequenz (Fluid attenuated Inversion Recovery)
okzipital
MRT 5 Tage post
partum
T2-w Sequenz und
FLAIR-Sequenz okzipital

T2-w Sequenz (TR: 6200, TE: 92)


und FLAIR-Sequenz (TR: 9002,
TE: 149):
Komplettremission der
hyperintensen Läsionen

Kontroll-MRT
7 Wochen post partum
T2-w Sequenz (TR: 6200, TE: 92) und
FLAIR-Sequenz (TR: 9002, TE: 149):
Altersentsprechender Normalbefund
Pathogenese und Risikofaktoren:

Auslösender Faktor:
zerebrale Ischämie infolge von
Spasmen und Mikrothromben der kleinen
intrakraniellen
Gefäße

Risikofaktoren:
• Schwangere unter 19 Jahren
• Mehrlingsschwangerschaften
• Z.n. Präeklampsie/ Eklampsie
Diagnose: akutes postpartales reversibles hypertensives
Enzephalopathie - Syndrom( = PRES)

Synonyme:

• Posteriores reversibles Enzephalopathie - Syndrom (PRES), Reversibles


Leukoenzephalopathie - Syndrom (RPLS)

Definition:
• Fehlfunktion der zerebrovaskulären Autoregulation, infolge einer akuten
Hypertension. Schädigung des vaskulären Endothels

Störung der Blut-Hirn Schranke

MRT – Befunde (PRES):


• T1w Sequenz:
Hypointense kortikale/subkortikale Läsionen
• T2w Sequenz:
Hyperintense kortikale/subkortikale Läsionen, seltener Hyperintensität im
Bereich der Basalganglien und des Hirnstamms
• FLAIR-Sequenz:
Parieto-okzipitale hyperintense kortikale Läsionen in 95% der Fälle
• Diffusions-Sequenz:
gewöhnlich = Normalbefund
• Im vorliegenden Fall sind alle Kriterien erfüllt!
Akuttherapie :
Therapie des eklamptischen Anfalls:

• Anfallsbehandlung mit Diazepam oder Bolus MG2+


• Stabilisierung der Mutter mit Magnesiumsulfat
(4g über 5 min) und Antihypertensiva
• Rasche Entbindung
• Gummikeil (umstritten)
• Seitenlagerung zur Aspirationsprophylaxe
• Intensivüberwachung (RR, Puls, Pulsoxymetrie,
CTG), ggf. Intubation
Cave:
Unterbrechung der Mg-Therapie bei Oligurie
(<100ml/4h), nicht mehr auslösbaren
Sehnenreflexen und einer Atemfrequenz <12/min
Antikonvulsive Prophylaxe/Therapie der Eklampsie Magnesiumsulfat :

Klinische Überwachung:

Patellasehnenreflex  erlischt bei 8 – 12 mg/dl

- Atemfrequenz > 12 – 14/ min 

Atemdepression: 15 – 17 mg/dl

- Nierenfunktion: mind. 100 ml in 4 Std.

Cave: Oligurie

- evtl. EKG: Herzstillstand bei 20 – 35 mg/ dl

Antidot: 10 ml (1 Amp.) 10 %iges Calciumgluconat über 3 min i. v.

signifikante Senkung der Eklampsierate [El Ia]

58 %ige Senkung des Eklampsierisikos bei milder Präeklampsie

1–1,5 g/ h bis 48 Std. post partum [Cave: Späteklampsie]


Expektatives Management der
schweren Präeklampsie < 25 SSW :

keine Routineoption → Einzelfallentscheidung

Expektatives Management der schweren Präeklampsie


24+0 – 33+6 SSW :

•Prolongation in Tagen: (Median, Bereich): 10,4 (5 – 30)


• Prolongation möglich: 48,5 – 62,7% der Fälle
• maternale Komplikationen (schwer): 25,1 – 28,4% 2)

• HELLP-Syndrom: 13,0%
• Lungenödem: 2,1%
• Nierenversagen: 1,7%
• Eklampsie 0

1) Sibai BM AJOG 2007, 196: 514


2) Haddad B et al. AJOG 2004, 190: 1590 3) Hall DR et al. Eur. J. Obstet. Gynecol. Reprod.
Biol. 2006
Expektatives Management der schweren
Präeklampsie 24+0 – 33+6 SSW :

Ergebnisse aus Beobachtungsstudien (n = 11, 1610 Pat.)


Perinatale Ergebnisse Median Bereich

• Abruptio placenta 8,5% 5,1 – 22,9%


• IUGR < 10. 21,7 – 58,1%
Percentile
• SS-Beendigung 44,4% 35,7 – 74%
infolge pathol. CTG 7,1% 3,9 – 13,6%
• perinatale
Mortalität

Sibai BM AJOG 2007, 196: 514


Vorgehen bei schwerer Präeklampsie < 34. SSW [Sibai u. Barton 2007]

stationär, Diagnostik und Überwachung, Therapie


Glucokorticoide

Eklampsie HELLP-Syndrom bis 23 6/7 SSW


Lungenödem schwere IUGR +
akutes Nierenversagen Oligohydramnion
DIG reverse flow in Art. umbilicalis ausführliche Beratung
< 23. SSW anhaltende Symptome: Prodromi SS-Beendigung
33+ 0-6 – 34+0-6 SSW Thrombozytopenie
fetale Hypoxie 33+0 bis 6 – 34+0 bis 6 SSW
Wehen oder vorz. Blasensprung 24+ 0-6 – 32+0-6 SSW
Therapie nach Bedarf
Intensivmonitoring
Entbindung 33+0-6 6SSW
Entbindung vor Abschluss der
Abschluss der Lungenreifung: 48 Std.
Lungenreifung falls möglich

Sibai BM u. Barton JR AJOG 2007; 196: 514


Entbindungsindikationen :
Entbindungsindikationen :
Entbindungsindikationen :

38
Betreuung im Wochenbett :
Nachsorge :
Beratung:

A
P
S
APS = Antiphospholipidsyndrom SLE = systemischer Lupus erythematodes
HELLP- Syndrom:
HELLP- Syndrom:
HELLP- Syndrom
Was gibt es Neues in der Diagnostik?

Bislang:

• Doppler der maternalen und fetalen Gefäße

• Fetometrie

• CTG ab 24+0 SSW


Doppler der maternalen und der fetalen Gefäße :
Neue Marker zur Unterstützung der Diagnose und des
Therapiemonitorings bei Präeklampsie:

Methode: Elecsys® PIGF (= placental growth factor;


Norm: 114- 99.999 pg/ml)
und
sFlt-1 (= soluble Fms-like Tyrosinkinase-1;
Norm: 0-5165 pg/ml)

Firma Roche Diagnostics Deutschland GmbH


Sandhofer Str. 116
68305 Mannheim
COBAS, ELECSYS und LIFE NEEDS
ANSWERS sind Marken von Roche
Bestimmung von
PIGF, sFlt-1 und
des Zeitfensters bis zur
Entbindung anhand des
sFlt-1/PIGF- Quotienten
im Normalkollektiv und
bei Präeklampsie
von der 15. SSW bis zum
E.T.
Therapiemonitoring und Behandlung
n. Diagnose Präeklampsie:
DD: sFlt-1/PIGF-Quotient bei Präeklampsie/HELLP, gesunden Pat.,
chron. + Gestationshypertonie < + > 34.SSW:
PIGF, sFlt-1 und sFlt-1/ PIGF-Quotient bei Präeklampsie,
chronischer Nierenerkrankung und Gesunden
Verlauf von sFlt-1 und PIGF bei Präeklampsie von der
8. bis zur 41. SSW:
Was ist neu ?

Gibt es einen Paradigmenshift ? JA:

• Messung des sFlt-1/ PIGF- Quotienten im Serum, um eine


Prognose über das Auftreten von Präeklampsie-assozierten
Komplikationen zu wagen.

• Der diagnostische Cut-off liegt bei > 85 bis < 34 + 0 SSW und
> 110 ab > 34 + 0 SSW

• Der Quotient scheint gut dafür geeignet zu sein, in der


Routineüberwachung eine Risikostratifizierung vorzunehmen
und speziell bei pathologischem Befund vor der 30. SSW eine
intensive Überwachung zu veranlassen.
Was ist neu ?

• sFlt-1 steigt etwa 5 Wochen vor dem „onset“ der Präeklampsie


an

• Der PIGF Wert beginnt bereits ab der 13.-16. SSW zu sinken

• Es wird zwischen early und late onset der Präeklampsie


unterschieden; die Grenze ist 34+0 SSW
bei den early onset Fällen finden sich 15% (frühe) Frühgeburten,
meistens aus mütterlicher Indikation indiziert (profan: „um das
Leben der Mutter zu retten“)
Take-Home Message:

Bei Risikoschwangeren kann der sFlt-1/PIGF- Quotient für die


Einschätzung des individuellen Risikos für eine Präeklampsie, ein
HELLP-Syndrom oder eine IUGR im Schwangerschaftsverlauf
genutzt werden.

Wiederholte Messungen des Quotienten ermöglichen eine


risikoangepaßte Betreuung dieser Patientinnen.
Was tun, wenn? Zukunftsmusik:

Bereits im II. Trimenon Anzeichen einer schweren Präeklampsie:

z.B. ausgeprägte Notches beiderseits

sFlt-1/ PIGF-Ratio stark erhöht

RR deutlich > 160/100 mmHg und schwer therapeutisch einstellbar


Extracorporale Entfernung von löslichem sFlt-1
bei Präeklampsie:

• sFlt-1 ist bei Präeklampsie im zirkulierenden Blut erhöht.

• Frauen < 32+0 SSW mit sehr früh auftretender Präeklampsie


könnten vom Entfernen des sFlt-1 Vorteile haben in bezug auf
die Prolongation der Schwangerschaft ohne Verschlechterung
des maternalen und fetalen outcomes. Diese Pat. erhielten eine
Dextran Sulfat Cellulose Apharese Behandlung, die Dosis abhängig die
sFlt-1 Level und die Proteinurie reduzierten und den RR stabilisierten
ohne Nebenwirkungen für Mutter und Kind.

Die Schwangerschaftsdauer verlängerte sich um 15 und 19 Tage bei 2


Apharesen und um 23 Tage bei 4 Apharesen. In allen Fällen zeigte sich ein
evidentes fetales Wachstum.
Fazit:

Weitere Studien sind erforderlich, um diese Maßnahme als sicher


und effektiv betreffs der Prolongation einer Schwangerschaft und
der Verbesserung des maternalen und fetalen Outcomes zu
evaluieren !
Aufruf zur konzertierten Aktion von Frauenärzten,
Hebammen, Internisten, Kinderärztten, Augenärzten
Hausärzten und Klinikern:

1) Präeklampsie ist ein Risikofaktor für spätere cardiovaskuläre


Erkrankungen:
(Herzinfarkt, Apoplex, chronische Hypertonie, periphere
vaskuläre Erkrankungen)

Todesursache Nr. 1 bei Frauen = cardiovaskuläre Erkrankungen!

2) Langzeitfolgen für Kinder von solchen Müttern speziell bei


IUGR = „fetal programming“:
Risikofaktoren für Kurz- und Langzeitkomplikationen
( Nierenerkrankungen, cardiovaskuläre Erkrankungen,
Adipositas, Stoffwechselerkrankungen) von Geburt an

Public Health Aspekt: einheitliches Risikoprofil von Geburt an,


deshalb: Risikomonitoring und frühe Einbindung in primäre
Präventionsstrategien

Das könnte Ihnen auch gefallen