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Evolution Claudia Ruprecht, KSA

4. DIE BILDUNG NEUER ARTEN

4.1 ISOLATION UND ARTBILDUNG

Durch die Evolution sind aus einem gemeinsamen Vorläufer («LUCA») Millionen verschiedene Arten
von Lebewesen entstanden. Doch wie genau kann überhaupt eine neue Art entstehen? Eine neue Art
entsteht immer aus einer bereits bestehenden Art. Eine bestehende Art kann sich in neue Arten
aufspalten, wenn Teilpopulationen der ursprünglichen Art voneinander isoliert sind. Anschliessend
wirken die bereits bekannten Evolutionsfaktoren (Rekombination, Mutation und Selektion), sodass
sich aus den Teilpopulationen unterschiedliche Arten bilden. Es gibt zwei grundlegend
unterschiedliche Mechanismen der Isolation und Artbildung:

• Allopatrische Artbildung: Teilpopulationen werden räumlich voneinander isoliert,


beispielsweise durch ein neues unüberwindbares Hindernis: Entstehung einer tiefen Schlucht,
Vorrücken von Gletschern, Wegfall einer
Landbrücke etc. Die isolierten
Teilpopulationen entwickeln sich
anschliessend durch Rekombination,
Mutation und Selektion unabhängig
voneinander weiter. Weil sie sich wegen
der Isolation nicht mehr untereinander
fortpflanzen, werden genetische
Veränderungen in der einen
Teilpopulation nicht mehr an die andere
Teilpopulation weitervererbt. In
Fachsprache: Es findet kein Genfluss
zwischen den Teilpopulationen statt.
Irgendwann sind die Unterschiede
zwischen den beiden Teilpopulationen so
gross, dass sie sich auch dann nicht mehr
untereinander fortpflanzen können, wenn
die Barriere plötzlich wieder wegfällt.

• Sympatrische Artbildung: Neue Arten entstehen im selben Lebensraum, indem sich


Teilpopulationen aus unterschiedlichen Gründen abgrenzen. Ein Grund für eine Abgrenzung
von Teilpopulationen kann eine veränderte Lebensweise sein: Die Teilpopulationen besetzen
unterschiedliche ökologische Nischen (z.B. Spezialisierung auf unterschiedliche Nahrung).
Oder sie grenzen sich ab, weil sie ihr Verhalten geändert haben, beispielsweise bei das
Balzverhalten bei der Paarung.
Die abgegrenzte
Teilpopulation entwickelt sich
durch Rekombination,
Mutation und Selektion
Bild: Studiflix

unabhängig weiter, bis sie sich


genetisch stark von der
ursprünglichen Teilpopulation
unterscheidet. Eine neue Art
ist so entstanden.
Evolution Claudia Ruprecht, KSA

4.2 ADAPTIVE RADIATION

Du hast ja schon von den Galapagos Inseln gehört – dort hat Charles Darwin seine bahnbrechenden
Untersuchungen an den verschiedenen Finken-Arten gemacht. Diese Finken stammten allerdings
ursprünglich gar nicht von den Galapagos Inseln: Ihre Vorfahren gelangten vor einigen Millionen Jahren
aus Zufall vom Festland auf die Galapagos Inseln, möglicherweise weil sie ein Sturm weggeblasen hatte.
Die Galapagos Inseln waren jedoch ein gut geeigneter Lebensraum für sie. Die Inseln waren vorher nur
wenig besiedelt, es gab Nahrung im Überfluss und kaum Fressfeinde. Die Finken vermehrten sich also
schnell und breiteten sich über alle Inseln aus. Mit der Zeit allerdings gab es so viele Finken auf diesen
Inseln, dass der Lebensraum langsam begrenzt und die Nahrung knapp wurde. Die Finken standen nun
also in Konkurrenz zueinander, und der Selektionsdruck stieg. Einen Selektionsvorteil hatten
diejenigen Finken, welche sich auf ganz
bestimmte Lebensräume und
Nahrungsangebote spezialisieren konnten und
so separate ökologische Nischen besetzten. In
kurzer Zeit entstanden so aus der
ursprünglichen, wenig angepassten Stammart

Bild: Hoffmeister.it
viele verschiedene, sehr spezialisierte Arten.
Diesen Vorgang, also die Besiedlung isolierter
Lebensräume mit anschliessender Aufspaltung
in viele spezialisierte Arten, nennt man
adaptive Radiation. Sie ist eigentlich eine
Kombination aus allopatrischer und
sympatrischer Artbildung.

4.3 GENDRIFT

Im Beispiel der Finken auf den Galapagos Inseln haben einige wenige Individuen eine ganze neue
Population gegründet. Dabei spielt noch ein weiterer Mechanismus mit: die Gendrift. Innerhalb einer
Art gibt es viele kleine Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen. Gewisse Merkmale können in
unterschiedlicher Ausprägung vorkommen, beispielsweise können Menschen braune, grüne oder
blaue Augen haben. Im gesamten Genpool dieser Art gibt es also eine gewisse Variabilität (im Schema
durch die verschiedenfarbigen Kugeln links symbolisiert).

Manchmal kann es passieren, dass eine Bild: Compendio Biologie

kleine Gruppe von Individuen von der


Gesamtpopulation abgetrennt wird – wie die
Finken, welche auf die Galapagos Inseln
gelangten. So gründet eine zufällige
Auswahl vom Genpool dieser Art eine neue
Population. Die Häufigkeit der Ausprägung
der Merkmale verschiebt sich dadurch – im Schema fehlen in der neuen Gründerpopulation nun die
roten und grünen Kugeln vollständig, diese genetische Information ist verloren gegangen. Gendrift
bezeichnet also die zufällige Veränderung des Genpools. Im Allgemeinen führt sie zu einer kleineren
genetischen Variabilität in der Gründerpopulation.

Gendrift kann beispielsweise in folgenden Situationen entstehen:

• Eine (Natur-) Katastrophe, nach welcher sich die Gründerpopulation wieder ausbreitet. Dies
wird auch Flaschenhalseffekt genannt.
• Bei der Besiedlung eines neuen Lebensraums. Dies nennt man Gründereffekt.
Evolution Claudia Ruprecht, KSA

AUFGABEN

Aufgabe 1. Beschreibe die folgenden Begriffe in je einem Satz:

Allopatrische Artbildung:

Sympatrische Artbildung:

Gendrift:

Adaptive Radiation:

Aufgabe 2. Zoos haben es sich zur Aufgabe gemacht, gefährdete Wildtierarten so zu züchten und zu
vermehren, dass sie ihre genetische Variabilität erhalten und später wieder in der Natur ausgewildert
werden können. Einzelne Zoos können aus Platzgründen meist nur wenige Tiere einer Art halten.Die
folgenden Grafiken geben dir Informationen über

• die genetische Vielfalt in kleinen


Tiergruppen, die man der Natur
entnimmt («erbliche Variabilität», links)
• den Verlust dieser genetischen Vielfalt
innerhalb unterschiedlich grosser
Tiergruppen über mehrere
Generationen («Heterozygotiegrad»,
rechts)

a) Fasse die in den Grafiken enthaltenen Sachverhalte zusammen.

b) Diskutiere die Probleme, die sich daraus für Erhaltungszuchten in Zoos ergeben.

c) Entwickle Vorschläge, wie die Zoos diesen Problemen entgegenwirken können.

Aufgabe 3. Während der Evolution der Erde kam es besonders nach grossen Artensterben zu
anschliessenden adaptiven Radiationen. Bitte erkläre dieses Phänomen.

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