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10 Beton- und

Stahlbetonbau
108. Jahrgang
Oktober 2013, S. 691-700
ISSN 0005-9900
A 1740

Sonderdruck

Durchstanzbemessung von
Doppelkopfankern nach
Europäischen Technischen
Zulassungen
Dr.-Ing. Alexander Lindorf
06_691_700_- 18.09.13 13:23 Seite 691

DOI: 10.1002/best.201300040

Alexander Lindorf FACHTHEMA

Durchstanzbemessung von Doppelkopfankern


nach Europäischen Technischen Zulassungen
Die Einführung des EC2 im Stahlbetonhochbau führte zu einer Punching shear design of double-headed anchors according
umfangreichen Umstellung der bisherigen Regeln zur Bemes- to European Technical Approvals
sung gegen Durchstanzen. Betroffen sind davon vor allem auch The introduction of EC2 in structural engineering led to an ex-
die Bewehrungsformen mit Doppelkopfankern. Die Verwen- tensive transformation of the existing guidelines for the design
dung dieser speziellen Durchstanzbewehrungen wurde in against punching shear failure. Especially reinforcement types
Deutschland bislang über allgemeine bauaufsichtliche Zulas- consisting of double-headed anchors are affected. In Germany,
sungen geregelt. Die Nachweisführung erfolgte in Anlehnung the use of these special punching shear reinforcements was
an DIN 1045-1. Um nunmehr dem Bemessungskonzept des EC2 previously regulated by national approvals. The verification
gerecht zu werden, waren neue Zulassungsdokumente erfor- procedure was carried out according to DIN 1045-1. In order to
derlich, welche mittlerweile in Form von Europäischen Techni- satisfy the design concept according to EC2, new approval
schen Zulassungen erteilt wurden. Allerdings weicht die darin documents were required. Meanwhile European Technical Ap-
festgeschriebene Bemessung von Doppelkopfankern in einigen provals were issued. However, in some important aspects the
wichtigen Punkten vom EC2 ab. In diesem Beitrag wird ein specified design method of double-headed anchors differs
Überblick über die einzelnen Regelungen und deren Hinter- from EC2. The paper gives an overview of the various rules and
gründe gegeben. Ein Bemessungsbeispiel demonstriert den all- their backgrounds. A design example demonstrates the general
gemeinen Bemessungsablauf. design process.

1 Einführung Bereits in den frühen Anfängen des Eisenbetonbaus wur-


de das Problem des Durchstanzens im Stützbereich von
Das Thema Durchstanzen spielt im Stahlbetonbau eine flachen Decken erkannt. Die technisch sinnvolle wie
sehr zentrale Rolle. Durchstanzen kann immer genau auch ästhetisch anspruchsvolle Lösung bestand mit soge-
dort auftreten, wo lokal begrenzte Einzellasten in Flä- nannten Pilzdecken in der Erhöhung der Schubtragfähig-
chentragwerke mit geringer Querkrafttragfähigkeit ohne keit des Betons durch die Vergrößerung der Plattendicke
direkte Stützung eingeleitet werden müssen. Wird die im Stützkopfbereich. Neben der Erhöhung der Beton-
Tragfähigkeit überschritten, tritt in der Regel ein punkt- schubtragfähigkeit kann der Durchstanzwiderstand auch
förmiges Querkraftversagen mit der Ausbildung eines so- durch Vergrößerung von Dübelwirkung und ertragbarer
genannten Durchstanzkegels auf (Bild 1). Da das Ver- Plattenrotation mithilfe höherer Längsbewehrungsgrade
sagen ohne Vorankündigung abläuft, steht meist keine gesteigert werden. Am wirtschaftlichsten hingegen ist die
ausreichende Zeit für Maßnahmen zur Evakuierung von gezielte Einlage einer speziellen Bewehrung, welche den
Menschen zur Verfügung. Ziel der Bemessung gegen potenziellen Schubriss kreuzt und somit seine Entste-
Durchstanzen ist somit die Gewährleistung einer ausrei- hung bzw. Aufweitung verhindert. Eine Vorform derarti-
chenden Sicherheit gegenüber dem Bruchzustand. ger Bewehrungen entwickelte JULIUS K AHN. Die Idee des
seit 1903 in Deutschland eingeführten Kahneisens be-
stand darin, dass es sowohl als Längs- als auch als Schub-
bewehrung verwendet werden konnte. Möglich wurde
dies durch die seitlich am Profilstahl angewalzten Strei-
fen, welche um 45° aufgebogen werden konnten (Bild 2).

Ungefähr 75 Jahre später erfolgte die Entwicklung der so-


genannten Kopfbolzen-Dübelleiste. Hierbei wurden auf
einer massiven Flachstahlleiste glatte Kopfbolzendübel in
einer Reihe einseitig aufgeschweißt. Der Kritik nach einer
unzureichenden Verankerung der aufgehenden Stahl-
streifen des Kahneisens in der Betondruckzone wurde
hier mit der konischen Ausbildung der Bolzenköpfe be-
gegnet. Der Durchmesser der Köpfe betrug ungefähr das
Zweieinhalbfache des Bolzendurchmessers. Die Flach-
Bild 1 Teileinsturz des Pipers Row Car Park in Wolverhamton 1997 [1] stahlleiste wurde zur Verdübelung des Anschlusses zwi-
Partial collapse of Pipers Row Car Park in Wolverhamton 1997 [1] schen Platte und Stütze bis in den Bereich der Stütze

2 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 10, S. 691-700
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A. Lindorf: Durchstanzbemessung von Doppelkopfankern nach Europäischen Technischen Zulassungen

Bild 3 Standardelement und Einbausituation


Standard element and in-situ situation

herigen Nationalen Zulassungen für Doppelkopfanker


Bild 2 Das Kahneisen [2] als Durchstanzbewehrung durch – nicht nur formal, son-
The Kahn Trussed Bar [2]
dern auch inhaltlich – stark überarbeitete Europäische
Technische Zulassungen (ETA) ersetzt bzw. ergänzt wer-
den. Einige Hersteller von Doppelkopfankern haben be-
hineingeführt. Neben der Montagesicherung für die Bol- reits eine entsprechende ETA [6 bis 9] auf Basis des EC2
zen diente sie weiterhin einer zusätzlichen Verstärkung erwirken können, welche nunmehr nicht nur in Deutsch-
der Betondruckzone (vgl. ANDRÄ [3]). Ein wesentlicher land, sondern auch in ganz Europa Gültigkeit hat. Die
Nachteil bestand allerdings darin, dass der Einbau in ein Regelungen gemäß ETA stellen wiederum eine eigenstän-
bestehendes Bewehrungsnetz von oben praktisch unmög- dige Bemessung dar, welche für die Doppelkopfanker der
lich war. Heutzutage sind Kopfbolzen-Dübelleisten z. B. einzelnen Hersteller identisch ist. Der Ablauf der Bemes-
in den USA oder der Schweiz noch weit verbreitet. In sung soll im Folgenden näher vorgestellt werden.
Deutschland hingegen wurden sie mittlerweile von Be-
wehrungsformen mit Doppelkopfankern abgelöst.
3 Durchstanzeinwirkung

2 Doppelkopfanker als Durchstanzbewehrung Die einwirkende Stützenlast VEd wird gemäß Gl. (1) in ei-
ne Schubspannung überführt, welche im kritischen Rund-
Doppelkopfanker werden im Allgemeinen aus Betonstahl schnitt u1 über die statische Nutzhöhe d wirkt.
hergestellt. Der Durchmesser der geschmiedeten Köpfe
beträgt dabei einheitlich stets das Dreifache des Schaft-   VEd
 Ed  (1)
durchmessers. Als Lagesicherung für den Einbau von un- u1  d
ten wie auch von oben haben sich meist standardisierte
Elemente durchgesetzt, bei denen zwei oder drei Einzel- Ausgehend von vergleichsweise flach geneigten Durch-
anker an Flachstählen oder Montagestäben befestigt und stanzkegeln bei Flachdecken wird der kritische Rund-
so miteinander verbunden werden (Bild 3). Die Art und schnitt nach ETA [6 bis 9] übereinstimmend mit dem EC2
Weise der Befestigung stellt im Wesentlichen den größten [5] im Abstand von 2,0d vom Stützenanschnitt definiert.
Unterschied zwischen den derzeitig von verschiedenen Um den Einfluss einer nichtrotationssymmetrischen
Herstellern angebotenen Lösungen dar. Ein Bewehrungs- Querkraftverteilung infolge von Lastausmitten zu berück-
element besteht dabei immer aus Doppelkopfankern mit sichtigen, wird die einwirkende Stützenlast VEd mit einem
dem gleichen Durchmesser. Lasterhöhungsfaktor β beaufschlagt. Für Stützweitenun-
terschiede benachbarter Felder von weniger als 25 % kön-
Der Einsatz von Doppelkopfankern wird von Bemes- nen hierzu die vereinfachten Werte nach Tab. 1 in Über-
sungsnormen im Stahlbetonbau nicht erfasst. In Deutsch- einstimmung mit dem Deutschen Anhang NA [10] zum
land wurden für Doppelkopfanker allgemeine bauauf- EC2 Verwendung finden. Alternativ oder bei einem Stütz-
sichtliche Zulassungen entwickelt, welche eine eigenstän- weitenverhältnis von mehr als 25 % kann das genauere
dige Bemessung in Anlehnung an DIN 1045-1 [4] beinhal- Verfahren auf Basis einer vollplastischen Schubspan-
ten. Die Regeln dieser Zulassungen fanden häufig auch in nungsverteilung aus dem EC2 angewendet werden
nationalen Zulassungen anderer Länder Verwendung. (Abschn. 6). Das Verfahren mit einem reduzierten kriti-
schen Rundschnitt ist jedoch nicht zulässig.
Mit der Einführung des EC2 [5] im Stahlbetonhochbau
wurden u. a. die Grundlagen für die Bemessung gegen Bei Fundamenten und Bodenplatten darf zur Bestim-
Durchstanzen neu definiert. Somit mussten auch die bis- mung der maßgebenden Stützenlast die Bodenpressung

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A. Lindorf: Punching shear design of double-headed anchors according to European Technical Approvals

Tab. 1 Vereinfachte Lasterhöhungsfaktoren VEd VEd


Simplified load increase factors

0,22 lmax
β Lasteinleitung

1,10 Innenstütze
1,40 Randstütze
1,50 Eckstütze σ0d σ0d
1,35 Wandende
1,20 Wandecke AF
AF
A1 A1

σ0d auf der Fläche A1 innerhalb des kritischen (iterativ zu


ermittelnden) Rundschnitts u1 abgezogen werden:

  VEd,red
 Ed  mit
u1  d 0,22 lmax
 A 
VEd,red  VEd   0d  A1  VEd   1  1  (2)
 AF  a) Einzelfundament b) Bodenplatte
Bild 4 Einzelfundamente und Bodenplatten
Die Bodenpressung wird als gleichmäßige Flächenlast Footings and foundation slabs
aufgefasst und kann aus dem Verhältnis von Auflast VEd
zur Fläche AF bestimmt werden. Bei Einzelfundamenten
beschreibt AF die Aufstandsfläche des Fundaments. Bei
Bodenplatten stellt sie näherungsweise die durch die Mo-
mentennullpunkte eingegrenzte Fläche dar. Für ver-
gleichsweise geringe Stützweitenunterschiede benachbar-
ter Felder beträgt der Radius des Momentennullkreises
0,22 lmax, wobei lmax der größeren Stützweite entspricht
(Bild 4).

Hinsichtlich der Ermittlung der maßgebenden Rund-


schnittlänge von Rand- und Eckstützen kommt es gegen-
über der bisherigen Bemessung von Doppelkopfankern
zu einer nicht unwesentlichen Änderung. Bislang wurde Bild 5 Rundschnitte in der Nähe von Rändern
davon ausgegangen, dass der Durchstanzwiderstand bei Control perimeters close to edges
Vergrößerung des Abstands zum freien Rand anwächst.
In Versuchen konnte beobachtet werden, dass unter Vo- ≤ 6d l1 ≤ l2
raussetzung gleicher Einspannmomente ab einem Rand-
abstand von 3,0d die Tragfähigkeit von Innenstützen er- 2,0d u1
reicht wird. Daraus folgte die Forderung, den kritischen
l2
Rundschnitt im Abstand von 1,5d bei Randabständen l1 ∙ l 2
von kleiner 3,0d senkrecht auf den Rand zu führen (vgl.
≤ 6d
HEGGER & BEUTEL [11]). Für die Verwendung von Dop-
pelkopfankern wurde dieser Grenzwert in den bisherigen
l1 > l 2
Zulassungen auf 6,0d erhöht und mit der größeren Maxi- l3 ≥ l1 ∙ l2
maltragfähigkeit gegenüber Bügeln oder Schrägstäben be-
gründet. Somit war der kritische Rundschnitt im Abstand
von 1,5d bis zu einem Randabstand von weniger als 6,0d
senkrecht auf den Rand zu führen, was gegenüber der ge- Bild 6 Rundschnitt in der Nähe von Öffnungen [12]
Control perimeter close to openings [12]
schlossenen Rundschnittführung (komplett um die Stütze
herum) analog zu Innenstützen in einzelnen Fällen zu
vorteilhafteren Ergebnissen führen konnte.

Mit der gemäß EC2 erfolgten Erhöhung des Abstands für sollte jedoch noch einmal betont werden, dass die Fallun-
den kritischen Rundschnitt auf 2,0d wird auch für Dop- terscheidung zur Rundschnittführung keine Auswirkun-
pelkopfanker nunmehr zwischen dem Fall eines senk- gen auf den zu wählenden Lasterhöhungsfaktor β hat.
recht auf den Rand geführten und eines geschlossenen Auch eine verhältnismäßig weit vom Rand entfernte Stüt-
Rundschnitts unterschieden. Dabei ist stets die kleinere ze, bei der der geschlossene Rundschnitt maßgebend
Rundschnittlänge maßgebend (Bild 5). An dieser Stelle wird, bleibt eine Randstütze.

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Anders stellt es sich bei der Abstandsregel gegenüber stüt- Tab. 2 Empirischer Beiwert CRk,c im kritischen Rundschnitt
Empirical value CRk,c in the control perimeter
zennahen Öffnungen dar. Der kritische Rundschnitt wird
hier auch weiterhin nur für Öffnungen mit einem Ab-
C Rk,c Betonplatte
stand von weniger als 6,0d vom Stützenanschnitt redu-
ziert. Dabei ist ein Sektor gemäß Bild 6 zu bilden, dessen 0,18 Flachdecke u0 ≥ 4,0d
Breite l3 auf Höhe des Öffnungsbeginns dem geometri- 0,18 (0,1 u0/d + 0,6) ≥ 0,15 Flachdecke u0 < 4,0d
schen Mittel aus den Abmessungen der Öffnung mit 0,15 Fundament aλ ≤ 2,0d
l3 ≥ 兹苵苵苵苵苵
l1 · l2 entspricht. 0,181) Fundament aλ > 2,0d
0,181) Bodenplatte
1) 0,15 im Fall ohne Durchstanzbewehrung nach NA [10]
4 Durchstanzwiderstand ohne Durchstanzbewehrung

Der Widerstand gegen Durchstanzen ohne Durchstanz- Eine wesentliche Neuerung bei der Bemessung von Dop-
bewehrung setzt sich aus der Schubtragfähigkeit des Be- pelkopfankern für Bodenplatten und Fundamente stellt
tons, der Rissreibung des entstehenden Schubrisses sowie die iterative Ermittlung des kritischen Rundschnitts dar,
der Dübelwirkung durch die eingelegte Längsbewehrung mithilfe derer die sich bei Fundamenten je nach Bedin-
infolge Biegung zusammen. Er lässt zudem eine klare Ab- gung steiler ausbildende Neigung des Schubrisses erfasst
hängigkeit von der Plattenrotation bzw. der Grenzstau- werden soll. Sowohl die Einwirkung νEd aus der um die
chung in der Betondruckzone erkennen. Die auf den kri- Bodenpressung verminderten Stützenlast als auch der
tischen Rundschnitt im Abstand von 2,0d vom Stützenan- Durchstanzwiderstand νRd,c werden mit zunehmendem
schnitt bezogene Bestimmung des Durchstanzwider- Abstand a zur Stütze kleiner. Maßgebend für den kriti-
stands erfolgt gemäß EC2 [5] getrennt für Flachdecken schen Rundschnitt ist der Wert für a, der zum kleinsten
nach Gl. (3) und Fundamente nach Gl. (4). Tragwiderstand VRd,c führt. Es gilt:

 Rd,c 
C Rk,c
   3 100  l  fck   min [N/mm 2 ] (3) 
 Ed a 
  VEd 
 1 
A a       a

(7)
c u a d  AF  Rd,c

  
1
C Rk,c 
  
2d 2d A a
 Rd,c    3 100   l  fck    min  [N/mm 2 ] (4)   VEd  VRd,c a   Rd,c a  u a  d  1  (8)
c a1 a1  AF 

Hierbei wird mit κ = 1 + 兹苵苵苵苵苵


200 苵苵苵苵
mm苵苵/d ≤ 2,0 der Einfluss Anders ausgedrückt – es wird der Abstand a für den
des Maßstabseffekts berücksichtigt. Der mittlere Längs- höchsten Auslastungsgrad, d. h. das größte und somit un-
bewehrungsgrad entspricht mit ρl = 兹苵苵苵苵苵
ρlx · ρ苵苵ly ≤ 0,5 · fcd/fyd günstigste Verhältnis zwischen Einwirkung und Wider-
≤ 0,02 dem geometrischen Mittel aus den Bewehrungsgra- stand νEd(a)/νRd,c(a) → max gesucht.
den der Hauptrichtungen innerhalb eines Streifens ent-
sprechend der Stützenbreite zuzüglich 3,0d pro Seite und Die vereinfachende, konservative Regel gemäß dem
wird auf einen maximal anrechenbaren Wert von 2 % be- Deutschen Anhang NA [10], nach welcher bei schlanken
schränkt. Die Anforderungen an den Mindestwiderstand Fundamenten und Bodenplatten ein kritischer Rund-
wurden aus dem Deutschen Anhang NA [10] übernom- schnitt im Abstand von 1,0d angenommen werden kann,
men und mit sofern jedoch nur bis zu 50 % der Bodenpressung abge-
zogen werden, ist für die Bemessung von Doppelkopf-
0,0525 ankern nach ETA nicht vorgesehen.
 min    3  fck [N/mm 2 ] für d  600 mm (5)
c

5 Durchstanzwiderstand mit Doppelkopfankern


0,0375
 min    3  fck [N/mm 2 ] für d  800 mm (6) 5.1 Maximaler Betonwiderstand
c
Durch die Einlage von Doppelkopfankern werden die im
festgelegt, wobei Zwischenwerte linear zu interpolieren Durchstanzbereich entstehenden Schubrisse verdübelt
sind. Der empirische Beiwert CRk,c zur Erfassung des und deren Rissreibung verbessert. Bei etwa gleicher Stei-
mehraxialen Spannungszustands im kritischen Rund- figkeit führt dies zu einer deutlichen Erhöhung der ertrag-
schnitt richtet sich nach Tab. 2. Mit zunehmendem Ab- baren Plattenrotation und damit zu einer Steigerung der
stand a von der Lasteinleitungsfläche sinkt insbesondere Schubtragfähigkeit. Die ebenfalls auf den kritischen
bei Fundamenten der Schubwiderstand aufgrund des ab- Rundschnitt bezogene Tragfähigkeitssteigerung wurde in
nehmenden mehraxialen Spannungszustands deutlich, Bauteilversuchen nachgewiesen und kann analog dem
was in Gl. (4) mit dem Verhältnis 2d/a berücksichtigt Deutschen Anhang NA [10] zum EC2 [5] als Vielfaches
wird (vgl. RICKER et al. [13]). In der Regel (ständige und des Widerstands ohne Durchstanzbewehrung getrennt
vorübergehende Bemessungssituation) ist für γc der Teil- nach Flachdecken und Fundamenten mit Gl. (9) bzw.
sicherheitsbeiwert für Beton von γc = 1,5 einzusetzen. Gl. (10) angegeben werden.

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 Rd,max  1,96   Rd,c [N/mm 2 ] (9) stanzzone um die Stütze zugewiesen. Ein Betontraganteil
ist nicht wirksam. Voraussetzung für das von ANDRÄ [15]
 Rd,max  1,50   Rd,c [N/mm 2 ] (10) zunächst für Dübelleisten entwickelte Fachwerkmodell
ist, dass die Verankerung der Ankerköpfe die Annahme
Die Traglaststeigerung durch die Anordnung von Bügeln eines Kräftegleichgewichts am Fachwerkknoten ohne
oder aufgebogenen Stäben beträgt nach dem Deutschen Verankerungsschlupf sowie das Fließen des Stahls zu-
Anhang NA nur das 1,4-fache des Widerstands ohne lässt. Die für Flachdecken als Bereich C bezeichnete pri-
Durchstanzbewehrung. Dies wird im Wesentlichen auf die märe Durchstanzzone liegt innerhalb des Rundschnitts
Verbundeigenschaften zurückgeführt, die im Falle von im Abstand von 1,125d vom Stützenanschnitt. Damit gilt
Doppelkopfankern durch ihren verhältnismäßig großen gemäß ETA nunmehr generell die Definition, welche bis-
Kopf im Vergleich zu Bügeln deutlich günstiger ausfallen her nur die Verwendung von Standardelementen betraf.
und mit äußerst geringen Schlupfverformungen verbunden Die Stahltragfähigkeit der Doppelkopfanker im Bereich
sind (vgl. HEGGER & BEUTEL [11]). Dieser Effekt nimmt je- C ergibt sich somit zu:
doch mit steigender Plattenhöhe zunehmend ab, was sich
besonders bei dicken Fundamentplatten auswirkt. fyd  As,C 2
dA    fyd
VRd,sy   nC  mC  [kN] (11)
 4 

5.2 Stahltragfähigkeit im primären Durchstanzbereich Mit nC und mC werden die Anzahl der Elementreihen so-
wie die Anzahl der Anker pro Elementreihe bezeichnet,
Grundlage für die Bemessung der Doppelkopfanker nach wobei stets mindestens zwei Reihen (nC ≥ 2) im Bereich C
ETA stellt im Gegensatz zur klassischen Fachwerkanalo- vorzusehen sind (Bild 8). Der Wert fyd ist die Bemessungs-
gie nach EMIL MÖRSCH ein sogenanntes Aufhängefach- streckgrenze der Doppelkopfanker. Es gilt fyd = fyk/γs =
werk dar (Bild 7).

Beim klassischen Fachwerkmodell, welches z. B. der


Bügelbemessung nach DIN 1045-1 [4] zugrunde liegt,
wird davon ausgegangen, dass die Querkräfte von einer ,5d
Bügelreihe auf die nächste abgetragen werden. Nur die ื3
am nächsten zur Stütze liegende, erste Bügelreihe leitet
ื1,7d
die Kräfte direkt in das Auflager ein. Somit ergibt sich für 1,0d
diese Bügelreihe eine vergleichsweise hohe Beanspru- uout
1,125d
chung, welche in den stützenferneren Reihen mit zuneh- 1,5d
mendem Abstand vom Auflager stufenweise abnimmt. ≤ 0,75d
Ankeranzahl nC Bereich C
Im Aufhängefachwerk werden hingegen die abzutragen-
den Lasten komplett den Ankern in der primären Durch- im Bereich C
Bereich D Ankeranzahl
VRd,sy mC im Bereich C
theoretischer Stanzkegel
mD im Bereich D

a) Flachdecken

vRd,ca aλ
vRd,c
d ื 2,0d
a) Aufhängefachwerk

0,5d 0,8d
uout
aλ ≤ 2d: ≤ 0,50d 1,5d
aλ > 2d: ≤ 0,75d

b) klassisches Fachwerk b) Fundamente


Bild 7 Fachwerkmodelle [14] Bild 8 Maximale Ankerabstände für Flachdecken und Fundamente
Strut and tie models [14] Maximum anchor spacings for flat slabs and footings

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500 MPa/1,15 = 435 MPa. Mit η wird der Einfluss der Im Vergleich zum Durchstanzwiderstand im kritischen
Plattendicke berücksichtigt. Es gilt η = 1,0 für d ≤ 200 mm Rundschnitt wird deutlich, dass durch den Querkraft-
sowie η = 1,6 für d ≥ 800 mm (Zwischenwerte linear widerstand nach Gl. (13) im Gegensatz zum EC2 (ohne
zu interpolieren), wobei die Mindestplattendicke stets Deutschen Anhang NA) der Unterschied zwischen dem
h = 180 mm beträgt. In der Regel kann anhand des Nach- Stützbereich mit einem mehraxialen Spannungszustand
weises β · VEd ≤ VRd,sy der erforderliche Wert für den sowie dem Übergangsbereich zum Plattenschub mit
Schaftdurchmesser dA des Doppelkopfankers bestimmt einem annähernd einaxialen Zustand berücksichtigt wer-
werden. den soll. Diese Unterscheidung gibt es im EC2 (ohne
Deutschen Anhang NA) nicht.
Außerhalb des primären Durchstanzbereichs (Bereich D)
wird der Ankerdurchmesser beibehalten. Eine ausrei- Soll die erforderliche Länge für den äußeren Rundschnitt
chende Tragfähigkeit wird ohne gesonderten Nachweis ermittelt werden, kann dies nach Gl. (14) erfolgen.
ausschließlich über die zulässigen Ankerabstände
(Abschn. 5.4) sichergestellt. Bei mehr als zwei Elementrei-  red  VEd,red
uout  mit
hen im Bereich C muss der radiale Abstand im Bereich D vRd,ca  d
reduziert werden. Kann mit mC der maximale Tangential-  A 
abstand nicht eingehalten werden, so ist ggf. durch eine VEd,red  VEd   0d  Aout  VEd   1  out  (14)
 AF 
gleichmäßig verteilte Anordnung von Zwischenelemen-
ten die Anzahl der Anker pro Elementreihe auf mD zu er-
höhen (Bild 8). Die einwirkende Stützenlast kann hierbei im Falle von
Fundamenten bzw. Bodenplatten nur um den Anteil der
Um dem spezifischen Durchstanzverhalten bei Funda- Bodenpressung innerhalb des durchstanzbewehrten Be-
menten gerecht zu werden, welches mit tendenziell steiler reichs, d. h. innerhalb der äußersten Bewehrungsreihe,
verlaufenden Schubrissen verbunden ist, gilt als primäre abgemindert werden. Der Ansatz der gesamten Fläche in-
Durchstanzzone bei Fundamenten und Bodenplatten nur nerhalb des äußeren Rundschnitts ist nicht zulässig.
der Rundschnittbereich bis zu einem Abstand von 0,8d
vom Stützenanschnitt. Die Stahltragfähigkeit ergibt sich Anders als im kritischen können im äußeren Rundschnitt
demzufolge zu: die einwirkenden Lasten von Rand- und Eckstützen mit
einem reduzierten Lasterhöhungsfaktor βred nach Gl. (15)
VRd,sy  fyd  As,0.8d [kN] (12) bzw. Gl. (16) beaufschlagt werden, während für Innen-
stützen, Wandecken und Wandenden weiterhin βred =
Der Wert As,0.8d entspricht der gesamten Stahlquer- β ≥ 1,10 gilt.
schnittsfläche aller Anker im Rundschnittbereich zwi-
schen 0,3d und 0,8d vom Stützenanschnitt. 
 red   1,10 für Randstützen (15)
1,2   /20  ls /d

5.3 Äußerer Rundschnitt 


 red   1,10 für Eckstützen (16)
1,2   /15  ls /d
Mit zunehmendem Abstand von der Stütze nimmt der
Umfang des zugehörigen Rundschnitts zu und damit der Hintergrund dieser Regelung ist die Tatsache, dass sich
Bemessungswert für die einwirkende Schubspannung ab. mit zunehmender Entfernung zur Stütze der Einfluss der
Ab einem bestimmten Abstand unterschreitet sie den Lastausmitten reduziert und somit die Belastungsspitzen
Wert der Schubtragfähigkeit des Betons, sodass die weite- entlang des äußeren Rundschnitts im Vergleich zum kriti-
re Einlage von Durchstanzbewehrung nicht mehr erfor- schen Rundschnitt geglättet werden. Die Ermittlung des
derlich ist. Um nunmehr sicherzustellen, dass sich auch Bemessungswerts der einwirkenden Stützenlast mithilfe
hinter der letzten Ankerreihe kein Durchstanzkegel mehr des ursprünglichen Lasterhöhungsfaktors β würde im
ausbilden kann, darf die einwirkende Schubspannung im äußeren Rundschnitt somit zu unnötig konservativen Er-
sogenannten äußeren Rundschnitt im Abstand von 1,5d gebnissen führen.
vom letzten Anker nicht größer als die Schubtragfähig-
keit des Betons sein (vgl. Bemessungsbeispiel in Ab- Die Möglichkeit zur Reduzierung des Lasterhöhungsfak-
schn. 7). Andernfalls ist die Länge des äußeren Rund- tors geht inhaltlich auf VOCKE [16] zurück und wurde be-
schnitts durch die Anordnung von weiteren Ankerreihen reits in den bisherigen bauaufsichtlichen Zulassungen
zu vergrößern. Die Bestimmung der Schubtragfähigkeit eingeführt. Allerdings sind die Bestimmungsgleichungen
des Betons im äußeren Rundschnitt erfolgt gleicherma- für die reduzierten Lasterhöhungsfaktoren dieser Zulas-
ßen sowohl für Flachdecken als auch für Fundamente sungen an das dazugehörige Nachweisformat gebunden.
und Bodenplatten entsprechend dem Deutschen Anhang Dieses definiert nicht nur den Unterschied in der Quer-
NA nach Gl. (13). krafttragfähigkeit zwischen dem kritischen und dem äu-
ßeren Rundschnitt, sondern auch einen gleitenden Über-
0,15 gang dazwischen. Da die rechnerischen Tragfähigkeiten
 Rd,ca     3 100  l  fck   min [N/mm 2 ] (13)
c gemäß ETA zwar besagten Unterschied, jedoch keinen

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Tab. 3 Ankerabstände
Anchor spacing

Betonplatte radial tangential

Anker 1 Anker 2 Anker n


Flachdecke 0,35d ≤ s1 ≤ 0,50d s2 ≤ 0,75d1) sw ≤ 0,75d2) sw ≤ 3,5d3)
Fundament aλ ≤ 2,0d s1 ≤ 0,30d s2 ≤ 0,50d sw ≤ 0,50d sw ≤ 2,0d
Fundament aλ > 2,0d s1 ≤ 0,30d s2 ≤ 0,50d sw ≤ 0,75d sw ≤ 2,0d
Bodenplatte s1 ≤ 0,30d s2 ≤ 0,50d sw ≤ 0,75d sw ≤ 2,0d
1) zusätzlich s1 + s2 ≤ 1,125d (Bereich C)
2) zusätzlich sw ≤ 1/nC · mD/mC · 1,5d für nC ≥ 3
3) zusätzlich sw ≤ 1,7d im Abstand 1,0d vom Stützenanschnitt

entsprechenden Übergang berücksichtigen, war es in den lastet wird. Diese Momente können aus einer direkten
Gln. (15) und (16) erforderlich, nicht nur die Abnahme Einspannwirkung oder aus der Exzentrizität infolge von
der Belastungsspitzen, sondern auch die Tragfähigkeits- ungleichen Stützweitenverhältnissen lx/ly der angrenzen-
abnahme mit zunehmendem Abstand von der Stütze mit den Felder herrühren.
einzubeziehen.
Bei der Berechnung wird davon ausgegangen, dass die
Eine ähnliche Vorgehensweise wäre auch für Wandenden angreifenden Stützenmomente die gleichförmige Schub-
und Wandecken denkbar, welche in den bauaufsichtli- spannung aus der Stützenlast um einen plastischen Anteil
chen Zulassungen bisher noch nicht gesondert aufgeführt erhöhen bzw. verringern (Bild 9).
wurden. Eine entsprechende Regelung nach ETA existiert
nicht. Gleiches gilt generell auch für nach EC2 oder nach   
EC2/NA bemessene Bügel.  Ed   Ed,V   Ed,M   1  Ed,M   Ed,V    Ed,V (17)
  Ed,V 

5.4 Konstruktive Durchbildung Das angreifende Moment wird durch Schub- und Nor-
malspannungen, genauer gesagt durch eine Kombination
Das Durchstanzverhalten von Flachdecken und Funda- aus zweiachsiger Biegung und Torsion, in die Betonplatte
menten unterscheidet sich deutlich voneinander. Die abgetragen. Damit übt nur ein Teil des Stützenmoments
Durchstanzwinkel von Fundamentplatten sind in der Re-
gel steiler als bei Flachdecken. Die Neigung nimmt bei ge-
drungenen Fundamenten mit αλ ≤ 2,0d noch weiter zu.
Um sicherzustellen, dass der Schubriss stets von genü- vEd,V vEd,M
gend Ankern gekreuzt wird, deren Kopfbereiche eine
möglichst schlupffreie Verankerung im ungerissenen Be-
ton aufweisen, wurden entsprechend gestaffelte Forde-
rungen an die zulässigen Ankerabstände nach Tab. 3 auf-
gestellt. Grundsätzlich gilt dabei, je steiler der potenzielle
Schubriss ist, desto enger müssen die Anker zueinander VEd k·MEd
angeordnet werden (Bild 8).
a) b)
Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Ankerköpfe wie Schubspannung Anteil Schubspannung
in Bild 3 bis zur Oberkante der obersten bzw. bis zur infolge V infolge M
Unterkante der untersten Bewehrungslage reichen. Da-
mit wird die Ausbildung eines räumlichen Fachwerks nEd,M vEd,V + vEd,M
sichergestellt.

6 Vollplastische Schubspannungsverteilung

Neben der Verwendung der vereinfachten Lasterhö- (1-k)·MEd VEd


k·MEd
hungsfaktoren nach Tab. 1 ist auch die genauere Berück-
sichtigung einer nichtrotationssymmetrischen Querkraft- c) d)
verteilung mithilfe einer vollplastischen Schubspannungs- Anteil Normalspannung Schubspannung
verteilung möglich. Eine nichtrotationssymmetrische infolge M infolge V und M
Querkraftverteilung entsteht immer dann, wenn die Stüt- Bild 9 Schubspannungsverläufe [12]
ze durch zusätzlich angreifende Momente exzentrisch be- Shear stress distributions [12]

8 Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 10


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A. Lindorf: Durchstanzbemessung von Doppelkopfankern nach Europäischen Technischen Zulassungen

Tab. 4 Abminderungsfaktor k 2,5


Reducing factor k
200

Lasterhöhungsfaktor β
c1/c2 1) 0,5 1,02) 2,0 3,03) 300
2,0 400
k 0,45 0,60 0,70 0,80
1) Stützenbreite c1 parallel zur Lastausmitte
VEd = 800 kN Gl. (18)
2) auch quadratische und runde Stützen d = 305 mm
3) auch Wandenden und -ecken 1,5
β = 1,4
auch einen durchstanzrelevanten Einfluss aus, welcher
mit dem Abminderungsfaktor k ≤ 1,0 in Abhängigkeit von 1,0
den Stützenabmessungen c1 und c2 nach Tab. 4 berück- -400 -200 0 200 400
sichtigt wird. Aus Gl. (17) ergibt sich für den Last- Stützenmoment MEd,x,col [kNm]
erhöhungsfaktor bei einaxialer Lastausmitte Gl. (18).
Bild 10 Lasterhöhungsfaktor in Abhängigkeit vom Stützenmoment
 k  MEd /W1 M u Load increase factor depending on the column moment
  1  Ed,M  1   1  k  Ed 1  1,10 (18)
 Ed,V VEd /u1 VEd  W1
verläuft entsprechend Gl. (20) durch den Linienschwer-
Bei zweiaxialer Lastausmitte in x- und y-Richtung gilt punkt des kritischen Rundschnitts. Wird dieser wiederum
Gl. (19). in Teilelemente zerlegt, so lässt sich das Integral gemäß
Gl. (22) vereinfachen. Da die Summen beidseitig der
2 2
 M u   M u  Schwereachse gleich groß sind, reicht es aus, nur eine
  1   k  Ed,x 1    k  Ed,y 1   1,10 (19) Halbseite zu berechnen und anschließend zu verdoppeln.
 VEd  W1,y   VEd  W1,x 
Wichtig ist, darauf zu achten, dass der Abstand zwischen
den Schwerpunkten der Teilelemente und dem Linien-
Für Fundamente und Bodenplatten ist für VEd der um die schwerpunkt stets positiv in die Berechnung eingeht.
innerhalb des kritischen Rundschnitts wirkende Boden- u1

 e dl  i ei  li  i ys,i  ys  li bzw.


pressung verringerte Wert VEd,red einzusetzen.
W1,y 
0
Bei unsymmetrischen Rundschnitten fällt der Linien- W1,x   xs,i  xs  li (22)
schwerpunkt des Rundschnitts in der Regel nicht mit dem i
Schwerpunkt der Lasteinleitungsfläche zusammen. Da
das Moment meist im Stützenschwerpunkt angreift, muss Für typische Standardfälle wurden sowohl der Linien-
es für die Berechnung von β auf die Schwerlinie des kriti- schwerpunkt des kritischen Rundschnitts als auch die
schen Rundschnitts bezogen werden. Funktion W1 bereits ausgewertet. Die entsprechenden
Anwendungsformeln können z. B. aus DAfStb-Heft 600
MEd,x  MEd,x,col  VEd   ys bzw. [12] entnommen werden. Für die Bemessung von Stützen
(20) mit stützennahen Öffnungen wird in der Regel nur eine
MEd,y  MEd,y,col  VEd   xs
Bemessungssoftware zum Ziel führen können.

Tritt ein sehr großer Abstand Δys bzw. Δxs zwischen den An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass
beiden Schwerpunkten auf, sodass sich die Orientierung mit dem Verfahren der vollplastischen Schubspannungs-
des Moments ändert, ist darauf zu achten, dass MEd in die verteilung eine gegenüber den vereinfachten Werten deut-
Gln. (18) bzw. (19) stets positiv eingesetzt werden muss. lich präzisere Bestimmung des Lasterhöhungsfaktors er-
Für die Bestimmung des Linienschwerpunkts kann der folgt. Eine Garantie, diese in jedem Falle „unterbieten“ zu
kritische Rundschnitt in Teilelemente, d. h. Gerade und können, gibt es jedoch nicht (Bild 10).
Kreisbögen, mit der Länge Δli zerlegt werden. Somit gilt:

 ys,i  li 1 7 Bemessungsbeispiel

 li u1 i s,i i
ys  i   y  l bzw.
Es soll eine Randstütze entsprechend Bild 11 gegen
i Durchstanzen bemessen werden.
xs 
1
u1
  xs,i  li (21)
i Gegebene Werte
Beton C35/45
Unter dem Wert W1 in den Gln. (18) bzw. (19) wird eine Längsbewehrungsgrad ρ = 0,01
„Funktion des kritischen Rundschnitts“ zur Ermittlung Plattenhöhe h = 350 mm
der plastischen Querkraftverteilung verstanden. Er ent- Statische Nutzhöhe d = 305 mm
spricht dem über der Rundschnittlänge aufintegrierten Einwirkende Stützenlast VEd = 800 kN
Abstand e zur Wirkungsachse des Moments. Diese Achse Einwirkendes Moment MEd,x,col = -50 kNm

Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 10 9


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A. Lindorf: Punching shear design of double-headed anchors according to European Technical Approvals

ls = 770 aout = 1228


200

300
610

400 519
≤ 1,7d

943 ≤ 3,5d = 1068


dA = 25 mm
Bild 11 Bemessungsbeispiel – Randstütze mC = 4
Design example – edge column
nC = 2
440 440
200 y
250 220 220
300
150
2/π ∙ 610 ls = 770 1,5d
760
Bild 14 Anordnung der Durchstanzbewehrung
Arrangement of punching shear reinforcement
π/2 ∙ 610
400

Bild 12 Bestimmung des Linienschwerpunkts


Determination of the line gravity center
W1,y = 2 · [2 · (250 + 373) · 200 + 2 · 373 · 300 + 2 · (–263
+ 373) · 610 · α] = 1,045 m2
MEd,x = |–50 kNm + 800 kN · 373 mm| = 248,07 kNm
β = 1 + 0,525 · 248,07 kNm/800 kN · 3316 mm/1,045 m2
200 y
= 1,516 > 1,10
250
300
150 Für andere Momente MEd,x,col ergeben sich die Last-
113 erhöhungsfaktoren gemäß Bild 10.
373
α
Kritischer Rundschnitt
α ∙ 610 Rundschnitt senkrecht auf Rand
u1 = 2 · 300 + 400 + 2 · 200 + π · 610 = 3 316 mm
kompletter Rundschnitt
u1 = 2 · 300 + 2 · 400 + 2 · π · 610 = 5 233 mm
Bild 13 Bestimmung von W1 νEd = 1,516 · 800 kN/(3316 mm · 305 mm) = 1,20 MPa
Determination of W1 νRd,c = 0,12 · 1,81 · (100 · 0,01 · 35 MPa)1/3 = 0,71 MPa >
0,50 MPa
νRd,max = 1,96 · 0,71 MPa = 1,39 MPa
Mindestwiderstand νEd/vRd,c = 1,20 MPa/0,71 MPa = 1,69 > 1
νmin = 0,0525/1,5 · (1,813 · 35 MPa)1/2 = 0,50 MPa Doppelkopfanker erforderlich
νEd/vRd,max = 1,20 MPa/1,39 MPa = 0,86 < 1
Lasterhöhungsfaktor (vollplastische Schubspannungs- Doppelkopfanker möglich
verteilung)
Der Schwerpunkt des kritischen Rundschnitts kann mit- Bereich C
hilfe von Bild 12 ermittelt werden. β · VEd = 1,516 · 800 kN = 1 213 kN
Δys = ys = (2 · 250 · 200 – 760 · 400 – 2 (2 · 610/π + 150) · VRd,sy = 4 · 2 · 491 mm² · 435 MPa/1,105 = 1 545 kN
π/2 · 610)/3316 = –373 mm β · VEd/VRd,sy = 1 213 kN/1 545 kN = 0,79 < 1
Nachweis erbracht
Die Schwereachse liegt somit zwischen Stützenanschnitt
und kritischem Rundschnitt und schneidet den Kreisbo- Äußerer Rundschnitt
gen unter dem Winkel α. Bild 13 erläutert das weitere ls = 770 mm
Vorgehen. aout = 770 + 1,5 · 305 = 1 228 mm
sin α = (–150 + 373)/610 α = 0,374 Rundschnitt senkrecht auf Rand
ysb = 610 · sin2 (α/2)/(α/2) = 113 mm uout = 2 · 300 + 400 + 2 · 200 + π · 1 228 = 5 256 mm

10 Sonderdruck aus: Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 10


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A. Lindorf: Durchstanzbemessung von Doppelkopfankern nach Europäischen Technischen Zulassungen

kompletter Rundschnitt den entsprechenden Europäischen Technischen Zulas-


uout = 2 · 300 + 2 · 400 + 2 · π · 1228 = 9113 mm sungen [6 bis 9] einheitlich festgeschrieben ist. Im Gegen-
satz zu den bisherigen bauaufsichtlichen Zulassungen auf
βred = β/(1,2 + β/20 · 770/305) = 1,09 < 1,10 Basis der DIN 1045-1 [4] erfolgt nach diesem neuen Ver-
νEd = 1,10 · 800 kN/(5256 mm · 305 mm) = 0,55 MPa fahren eine klare Trennung zwischen Flachdecken und
νRd,ca = 0,10 · 1,81 · (100 · 0,01 · 35 MPa)1/3 = 0,59 MPa > Fundamenten. Dies betrifft sowohl die Bestimmung der
0,50 MPa jeweiligen Widerstände als auch die Anordnung der Dop-
νEd/νRd,ca = 0,55 MPa/0,59 MPa = 0,93 < 1 pelkopfanker im Durchstanzbereich. Durch die iterativ
Nachweis erbracht vorzunehmende Bestimmung des kritischen Rundschnitts
bei Fundamenten und Bodenplatten sowie die optionale
Eine mögliche Anordnung der Durchstanzelemente zeigt Ermittlung von Lasterhöhungsfaktoren mithilfe einer
Bild 14. vollplastischen Schubspannungsverteilung gestaltet sich
der Bemessungsablauf in vielen Fällen vergleichsweise
komplex. Eine von Hand durchgeführte Berechnung wird
8 Schlussfolgerung somit zunehmend die Ausnahme bilden. In der Praxis ist
es daher umso wichtiger, dass die verwendeten Bemes-
Die Anwendung von Doppelkopfankern als Durchstanz- sungsprogramme sicher angewendet und deren Ergebnis-
bewehrung auf der Grundlage des EC2 [5] ist an ein ei- se richtig interpretiert werden.
genständiges Bemessungsverfahren gekoppelt, welches in

Literatur

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Doppelkopfanker als Durchstanzbewehrung für punktför- JORDAHL GmbH
mig belastete Platten und Fundamente. Berlin: Deutsches Nobelstraße 51
Institut für Bautechnik, März 2013. 12057 Berlin
[9] ETA-13/0151: PEIKKO PSB Durchstanzbewehrung: Dop- alexander.lindorf@jordahl.de
pelkopfanker als Durchstanzbewehrung. Berlin: Deutsches
Institut für Bautechnik, April 2013.
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legte Parameter – Eurocode 2: Bemessung und Konstruk-

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