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Heldenlied und Heldenepos im deutschen Mitt

elalter
(9.-16. Jahrhundert)

Marat Galiullov
03/10/2022
Begriffe, Kategorien, Grundlagen
• Erinnern als zentrales Merkmal menschlicher
Existenz: das sich a) synchron der Gesellschaft
mitteilt; b) diachron über die Lebensspanne des
Einzelnen hinausreicht.
• Kulturelles Gedächtnis (J. Assmann, LV 55) a) als
kommunikatives Gedächtnis in der Interaktion des
Alltags, mit mitwanderndem Zeithorizont von ca. 80-
100 Jahren; b) kulturelles Gedächtnis: „hochgradig
gestiftet“; bezogen auf die von der Gegenwart
abgesetzten Kultur einer fernen Vergangenheit.
Gedächtniskultur in der
Erzähl-Überlieferung
• Menschliches Gedächtnis als intellektueller Speicherort
• • Mündlichkeit als Transportmittel
• • Kollektive Erinnerung der Gemeinschaft: „das, was
immer schon gewusst war/erzählt wurde“ (s.
Nibelungenlied Str. 1: Uns ist in alten maeren wunders
vil geseit).
• • Bewahrt und getragen von Spezialisten (Assmann:
Priesterkaste) im Auftrag der Gemeinschaft.
• • Ziel und Zweck: Stiftung gemeinschaftlicher Identität
durch gemeinsames/kollektives Erinnern.
Stoff - Heldensage - Heldendichtung
• Stoff: a) Historische Ebene: Namen, evtl.
damit verbundene Handlungszüge
• b) mythologische/märchenhafte Ebene:
übermenschliche Kraft; Drachenkampf;
Brautwerbung: Gewinnung einer Frau;
überstarke Frau/Mann; Heilbringer […].
• c) Ethische Komponenten/Affekte: Liebe,
Eifersucht, Hass, Habgier, Rache,
Machtstreben […].
Heldensage
• Sage: konventionalisierte, von der Gemeinschaft akzeptierte
Verknüpfung historischer und mythologisch-märchenhafter
Komponenten;
• Form: ungeformte Stofflichkeit, aufgehoben in einem
allgemeinen Wissen um bestimmte Erzählkonventionen, die
sich
• a) an Namen bindet, die mit bestimmten Handlungen verknüpft
sich (Rache, Bruder-/Gattenmord, Drachenkampf etc.);
• b) die mit überzeitlichen menschlichen Affekten ausgestattet
sind: Liebe, Eifersucht etc.
• Dadurch ist Heldensage jederzeit aktuell.
Heldendichtung: a) Heldenlied
• Heldenlied: vom Autor/Sänger/Dichter geformte
Sage (Stabreim, Strophe, Reimpaar, Prosa) .
• Vorausgesetzt: umfassendes Sagenwissen
innerhalb der Gemeinschaft.
• Gerüsthafte Erzählweise;
• Formelhafte Sprache;
• Betonung der Figurenrede;
• Erzähler nicht im Mittelpunkt.
Heldendichtung: b) Heldenepos/-saga
• Nach und neben dem Lied entwickelt.
• Ausschnitthafte Darstellung der Welt der Helden;
• Sagenwissen der Gemeinschaft wird
vorausgesetzt
• Breitere Darstellung mit Handlungsmotivationen
der Figuren und Verknüpfung mehrerer Episoden
zu größeren Handlungszusammenhängen.
• Beipiele: Nibelungenlied; Dietrichepen;
skandinav. Sagaliteratur des 13./14. Jahrhunderts
Das Material: Textbestand
• „Aventiurehafte“ („märchenhafte“)
Dietrichepik (belegt ab etwa 1220); aus
diesem Kreis auch das ‚Hildebrandslied‘ (8./9.
Jh.)
• ‚Nibelungenlied‘ und ‚Klage‘ (um 1180/1200);
‚Hürnen Seyfried‘ (14. Jh.?)
• Walther-Dichtungen (‚Waltharius‘; ‚Walther
und Hildegund‘) • ‚Kudrun‘ • Sonstige Texte
Wer sind die Verfasser der Helden
dichtung?
• Die romantische Vorstellung der Zeit um 1800,
„das Volk dichtet“, ist ad acta gelegt.
• Verfasser/Autor stets personalisiert zu sehen.
• Zahlreiche Zeugnisse für fahrende Sänger;
höfisches Unterhaltungspersonal: soziale Spanne
vom unehrenhaften Volk bis zum Niederadel.
• Namen durchweg unbekannt: generelle und
gattungstypische Anonymität der Heldendichtung.
Inhalt – Erzählgegenstände der
Heldendichtung
• Haubrichs (LV 29): „die Tradition und Dichtung
der Krieger und die Taten der herrscherlichen
Adelsgeschlechter“
• vgl. Einhard, Vita Karoli: veterum regum actus
et bella;
• Die Faszination des Außerordentlichen
Drei wesentliche Konstruktionsschemata

• a) Begegnung mit Ungeheuern oder Wesen


der „anderen Welt“.
• b) Fabeln von der Verletzung und
Wiederherstellung der Rechtsordnung;
• c) Tragische oder versöhnliche Inszenierungen
von Wertkonflikten
Formmerkmale der Heldendichtung
• Älteste Überlieferung: ‚Hildebrandslied‘ (Handschrift
um 830): Stabreim, vorgetragen in einer Art
emphatischem Sprechgesang.
• Alte Edda-Lieder (9./10. Jh.): Strophen; sangbarer
Vortrag. • Heldendichtung 12./13. Jh.: sangbare,
gesungen vorgetragene Strophen.
• 15. Jh.: z.T. Umsetzung in Prosa; daneben bleibt die
Strophik auch in der Drücküberlieferung erhalten.
• Bis zum 15. Jh. keine Lesedichtung. Heldendichtung
lebt in der Aufführung.

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