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Säugetierzellkulturen

Christopher Horst Lillig, 2008-12-17


Inhalt

• Zellkulturtechnik
• Primärkulturen
• Stabile Zellinien
• Transfektion
• Reporterzellen
• Zelldifferenzierung
• Induzierte Genexpression
• RNAi
Zellkulturtechnik

• Steriles Arbeiten, Kontaminationen, Antibiotika


• Sicherheitswerkbank
• Medien
• Passagieren von adhärenten Zellen
• Lagerung von Zellkulturen
Steriles Arbeiten

• Was bedeutet steriles Arbeiten?


– Regelmäßiges Desinfizieren der Arbeits- und angrenzenden
Flächen, Verwendung einer Reinraumwerkbank
– Hygiene: Verminderung der Keimzahl durch Waschen, Tragen
von Handschuhen, Vermeidung von Kontaminationen während
der Arbeit (nichts Keim-armes anfassen)
– Aseptische Arbeitstechnik:
• Alles vor Einbringen in die Werkbank auf Sterilität prüfen
• Arbeitsfläche aufgeräumt halten
• Hände waschen und desinfizieren
• Geräte und Flaschen mit 70% Alkohol desinfizieren
• NIEMALS über offenen Schalen oder Flaschen hantieren
• Keine Berührung steriler mit unsterilen Stellen
Kontaminationen

• Kontaminationen sind unerwünscht (mit-)kultivierte Organismen


• Arten von Kontaminationen
– Virale Infektionen
– Bakterien inkl. Mycobakterien
– Mycoplasmen
– Pilze
– andere Zelllinien
• Kontaminationsquellen
– Glaswaren
– Reagenzien, Medien
– Zellen
– Luftkeime / Mensch
Kontaminationen
Bakterielle Kontaminationen

• Vollständiges sterilisieren ist


nicht immer möglich
• Relativ leicht erkennbar
(optisch, PCR)
• Vermeidung des Risikos
durch den routinemäßgen
Einsatz von Antibiotika
– Penicillin
– Streptomycin
Sicherheitswerkbank

• Dienen in erster Linie dem Schutz


des Experimentators
• Klasse zwei Werkbänke werden in
der Regel zum sterielen Arbeiten
verwendet
– turbulenzarme Verdrängungs-
strömung (“laminar flow”)
– 90% zirkulierende Strömung, 10%
Raumluft
– > 0.4 m/s
Medien

• Medien müssen folgendes bereitstellen:


– Nährstoffe
– Wachstumsfaktoren
– Hormone
– ggf. Anheftungsfaktoren
– Osmolarität
– stabilisieren den pH Wert (pH Indikator)
• Medien enthalten in der Regel Serum, z.T. können Zellen
aber auch Serum-frei angezogen werden
Serum
Serum-freie Medien

• Die Serum-freie Kultivierung bedarf


– eine Gewöhnungs-/Übergangsphase die eine langsame Adaption
der Zellen erlaubt
– Sehr komplexe (und daher teure) Medien denen alle notwendigen
Wachstumsfaktoren, Hormone, Mineralstoffe, etc. seperat
beigefügt wurden
– Größere Sorgfalt bei der Kryokonservierung
• Die Vorteile der Serum-freien Kultivierung sind
– Bessere Reproduzierbarkeit und bessere Kontrolle der
Zusammensetzung, da Variationen zwischen Seren-Chargen
keine Rolle mehr spielen (GMP)
– Zeitersparnis – keine routinemäßigen Tests bestimmter Seren-
Chargen
pH-Wert Einstellung

• der pH Wert in der Kultur


ergibt sich zunächst aus
dem NaHCO3 Gehalt im
Medium und der CO2
Konzentration im
Inkubator:

NaHCO3  Na+ + HCO3-


CO2 + H2O  H2CO3
Lagerung von Zellkulturen

• Zellkulturen können durch Kryokonservierung bei -196 °C für


lange Zeit gelagert werden
– Unterhalb von -120 °C kommen alle biochemischen Reaktionen
zum Stillstand, oberhalb von -70 °C verlieren Zellen schnell an
Vitalität
– Als Schutzsubstanz gegen Schäden durch Eiskristallbildung und
Dehydratation wird in erster Linie DMSO (Dimethylsulfoxid)
eingesetzt
– Wichtig ist eine kontrollierte lansame Einfrierphase (-1 °C/min)
– Zellen müssen schnell aufgetaut werden (ohne zu überhitzen).
Das toxische DMSO muss zügig entfernt werden.
Säugetierzellkulturen

• Primärkulturen: In vitro Züchtungen von Zellen, Geweben und


Organen, die direkt dem Organismus entnommen wurden
– Primärzellkulturen werden durch mechanische oder enzymatische
Dissoziation des Gewebes gewonnen
• Stabile Zelllinien: Immortalisierte Zellen, zumeist aus Tumor
oder embryonalen Geweben gewonnen. Immortilisierung kann
z.B. durch Selektion oder virale Transfektion (EBV)
durchgeführt werden)
Einige Vor- und Nachteile von primären vs. stabilen
Zellinien

Primärzellen Zelllinien

• Schwierig zu gewinnen • Leicht verfügbar


• Schwierig zu propagieren • Leicht zu propagieren
• Sehr komplexe Ansprüche • Relativ Anspruchslos
(Medien, etc.) (Standardmedien)
• Schwer zu manipulieren • Leicht zu manipulieren (viele
(Transfektione, etc.) kommerzielle Kits)
• Viele physiologische Vor- • Die meisten stabilen
gänge lassen sich nur in Zelllinien sind “entartet” und
Primärzellen beobachten zeigen spez. Charakteristika
Primärkulturen - Beispiele
Fibroblasten

Kardiomyozyten

Granuläre Cerebellum Neuronen


Embryonale Stammzellen
Stabile Zelllinien

• Suspensionskulturen
– washsen frei im Medium
– z.B.:
• Jurkat T-cell Leukämie Zellen
• BL28 Burkitt's Lymphoma Zellen
• Adhärente Zellen
– heften sich, in der Regel als Monolayerkulturen, an ein Substrat
(Kulturgefäß)
– z.B..
• HeLa (siehe unten)
• CHO – chinese hamster ovary cells
• HEK293 – human embryonic kidney cells
• SH-SY5Y – Neuroblastoma Zellen
Passagieren von adhärenten Zellen

• Zelladhäsion
• Ablösen der Zellen mittels
Trypsin und EDTA
HeLa

Georg Gey, 1899-1970


• Die erste stabile Zellline, isoliert von Georg
Otto Gey 1951 aus einem Tumor von
Henrietta Lacks
• Immortale Cervix Adenocarcinoma Zelllinie
• (Immer noch) eines der Standardmodelle der
Krebsforschung
• Dominant, schnell replizierend (24 h)
• 82 Chromosomen [4*12, 3*(6, 8 &17)]
• “Helacyton gartleri”
Henrietta Lacks, 1920-1951
HeLa im Mikroskop (LM)
HeLa im Mikroskop (EM)
HeLa im Mikroskop (Fluoreszenz)

αGrx2, nucleus αGrx2, F-actin αGrx2, free actin


F-actin, nucleus F-actin, free actin all channels
Kontaminationen mit anderen Zelllinien (insb. HeLa)

• ca. 10-20 % aller propagierten adhärenten Zelllinien sind mit


HeLa Zellen kontaminiert oder durch Sie verdrängt, die identität
vieler anderer Zelllinien ist ebenfalls zweifelshaft.
• Viele Ergebnisse in der Fachliteratur sind daher fragwürdig
– “Schlampereien in der Krebsforschung: Eine Frage der Etiketten -
Zellbiologen und Krebsforscher arbeiten offenbar oft mit falschen Zellen,
ohne es zu wissen. Vielen Studien-Ergebnissen kann man daher nicht
trauen.” (Süddeutsche Zeitung, 23.11.2007)
– “Forschung - Tausende Krebs-Studien mit falschen Zellen -
Möglicherweise sind Tausende Studien in der Krebsforschung wertlos.
Für Forschung zu einer Krebsart werden Zellen des gleichen Krebstyps
verwendet. Nun fanden Forscher heraus, dass seit 20 Jahren immer
wieder Zellen verwechselt werden: Rund um den Globus arbeiten
Forscher mit falschem Material.” (Die Welt 23.11.2007)
Transfektion

• Transfektion ist das Einbringen von DNA/RNA/Protein in


kultivierte Wirtszellen
• Generell unterscheidet man transienter von stabiler
Transfektion
– Transient: keine Selektionsmarker, zeitlich begrenzt, keine
chromosomale integration
– Stabile Transfektion: Selektion/Klonierung, stabile neue Zelllinien,
chromsomale Integration
Transfektionstechniken

• Ca2+-DNA Präzipitat
• Chemische Transfektion – Transfektionsreagenzien
• Virale Transfektion
• Elektroporation
Transfektion mittels Transfektionsreagenzien
Kationische Lipide
Virale Transfektionssysteme
(Beispiele)
Elektroporation
Promotorsysteme
Beispiele für
verwendete
Promotoren
Reporterzellen

• Durch die Markierung eines Reporterproteins können zelluläre


Strukturen, z.B. ihre Dynamik, untersucht werden.
• Mittel eines Reportergens kann die Expression eines
Zielproteins, d.h. die Promotoraktivität unter bestimmten
Bedingungen gemessen werden.
• Typische Reportergene und -proteine:
– LacZ
– Luciferase
– GFP (und Derivate)
z.B.: Mitose

Fluorescent reporter
cell lines to monitor
mitotic exit in live
human cells. As a
reference marker for
chromatin, core
histone 2B-mRFP was
expressed in all cell
lines. Markers for
additional cellular
structures or tagged
mitotic regulators were
co-expressed as
indicated.
z.B.: Messung der Promotoraktivtät eines
bestimmten Gens mittels Luciferase
Zelldifferenzierung

• Die Differenzierung vieler Zelltypen kann in vitro unter


Verwendung meist embryonaler Primärzellen (in der Regel
Stamm- und Vorläuferzellen) aber auch bestimmter (Krebs-)
Zellinien untersucht werden.
• Vorteile:
– gezielte Untersuchung und Beinflussung der für die
Differenzierung notwendigen Faktoren
– Untersuchung “reiner” Zellpopulationen (schwierig aus Gewebe)
– Zugriff auf “größere” Mengen nicht mehr teilungsfähiger
differenzierter Zellen
z.B. Differenzierung von (Ratten) PC12 Zellen in
einen Neuronenphänotyp

Differentiation of PC-12
cells attached to culture
dishes coated with PEI.
PC-12 cells attached to
PEI coated dishes
remained firmly anchored
to the plate and extended
neurites upon treatment
with NGF. The pictures
show the progress of the
differentiation of the
treated cells over time: 0 h
(panel A), 24 h (panel B),
48 h (panel C) and 96 h
(panel D) after the initiation
of treatment with 100 ng/ml
of NGF. Vancha et al.
BMC Biotechnology 2004
z.B.: Differenzierung von SH-SY5Y Neuroblastoma
Zellen in einen (dopaminergen) Neuronenphänotyp
durch retinoic acid

Morphology of wild-type SH-SY5Y cells cultured in


serum-containing medium for 6 days with the following
additives: (A) nontreated controls, (B) 100 ng/ml brain-
derived neurotrophic factor (BDNF), (C) 1 m RA, and (D)
1 m RA + 100 ng/ml BDNF. Bars represent 25 m.
Induzierbare
Genexpression

• Das Tet on/off system


RNA interference (RNAi)
RNA
interference
Entdeckung
RNA interference
in der Zelle
Anwendung der RNAi in Zellkulturen

• RNAi kann in mehreren Formen


angewendet werden:
– Transfektion mit längerer dsRNA –
transient, benötigt Dicer
– Transfektion mit siRNA (ca 23
Nukleotide dsRNA) – transient
– Transfektion mit Plasmid-kodierter
shRNA (short hairpin RNA) –
transient, stabil oder induzierbar
Probleme in der Anwendung der siRNA

• Transfektionseffizienz
• siRNA Design – die Grundlagen der Effizienz verschiedener
siRNA Target-Seqeuenzen in der mRNA Sequenz ist nicht
einmal im Ansatz verstanden. Alle verfügbaren Designhilfen
basieren auf empirischen Daten. “Try and error!”
• Viele Kontrollen sind notwendig um unspezifische Effekte der
Transfektion und der RNAi Maschinerie auszuschließen.
Letztere treten vor allem bei hohen siRNA Konzentrationen auf
(sequenzähnliche Targets sowie unspezifische antivirale
Antworten).
Ein Beispiel ...
siRNA Design
|1 10 20 30 40 50
exon2 [···:····|····:····|····:····|····:····|····:····|·
atggagagcaatacatcatcatctttggagaatttagcgacggcgcctgtg
M E S N T S S S L E N L A T A P V
TS1
60 70 80 90 100 110
exon3 ···:····|··][:····|····:····|····:····|····:····|····:····|·
aaccagatccaagaaacaatttctgataattgtgtggtgattttctcaaaaacatcctgt
N Q I Q E T I S D N C V V I F S K T S C
120 130 140 150 160 170
···:····|····:····|····:····|····:····|····:····|····:····|·
tcttactgtacaatggcaaaaaagcttttccatgacatgaatgttaactataaagtggtg TS15
S Y C T M A K K L F H D M N V N Y K V V
180 190 200 210 220 230
···:····|····:····|····:····|····:····|····:····|····:····|·
gaactggacctgcttgaatatggaaaccagttccaagatgctctttacaaaatgactggt
E L D L L E Y G N Q F Q D A L Y K M T G
240 250 260 270 280 290
exon4 ···:····][···:····|····:····|····:····|····:····|····:····|·
gaaagaactgttccaagaatatttgtcaatggtacttttattggaggtgcaactgacact TS28
E R T V P R I F V N G T F I G G A T D T
300 310 320 330 340 350
···:····|····:····|····:····|····:····|····:····|····:····|·
cataggcttcacaaagaaggaaaattgctcccactagttcatcagtgttatttaaaaaaa
H R L H K E G K L L P L V H Q C Y L K K
360 370
···:····|····:····|····:
Silencing der Expression des humanen Grx2

Lillig, C.H., Lönn, M.E., Enoksson, M., Potamitou Fernandes, A., and Holmgren, A.
Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 101: 13227-13232 (2004)
Phänotyp der Grx2-depletierten Zellen

Lillig, C.H., Lönn, M.E., Enoksson, M., Potamitou Fernandes, A., and Holmgren, A.
Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 101: 13227-13232 (2004)
Literatur

• Zell- und Gewebekultur, T. Lindl - Spektrum, Akad. Verl., 2002


• www.nobelprize.org
• Lillig et al., Short interfering RNA-mediated silencing of
glutaredoxin 2 increases the sensitivity of HeLA cells towards
doxorubicin and phenylarsine oxide. Proc. Natl. Acad. Sci. USA,
101: 13227-32, 2004

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