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Theodor Storm

Der Schimmelreite

Hans Theodor Woldsen Storm ( 14. September 1817 in Husum; 4. Juli 1888
in Hanerau-Hademarschen) war ein deutscher Schriftsteller, der als Lyriker und
als Autor von Novellen und Prosa des deutschen Realismus mit norddeutscher
Prägung bedeutend war. Storm war studierter Jurist und arbeitete unter
anderem als Rechtsanwalt und Richter. Hans Theodor Woldsen Storm wurde als
erstes Kind des Justizrats Johann Casimir Storm und dessen Frau, der
Patriziertochter Lucie Woldsen in Husum, Markt 9, geboren. 1818 zog die
Familie in das Haus Neustadt 56 um, 1821 in das Haus der Großeltern Woldsen,
Hohle Gasse 3. Im Herbst des Jahres trat Storm in die Klippschule ein, von 1826
bis 1835 besuchte er die Husumer Gelehrtenschule, anschließend für drei
Semester das Katharineum in Lübeck.Storm schrieb als 15-jähriger Schüler
seine ersten Gedichte, die der damals populären Wochenblattpoesie
nachempfunden waren (erstes überliefertes Gedicht: An Emma, 1833); in der
Schule lernte er Beispiele antiker Poesie nachzuahmen und schrieb erste
Prosatexte. Vier Gedichte und mehrere journalistische Arbeiten wurden im
Husumer Wochenblatt (Sängers Abendlied, 27. Juli 1834) und im Dithmarscher
und Eiderstedter Boten abgedruckt. Storm gilt als einer der bedeutendsten
deutschen Vertreter des „bürgerlichen“ bzw. „poetischen Realismus“, wobei
neben seinen Gedichten besonders seine Novellen seinen Ruhm begründeten.
Zahlreiche seiner Werke wurden in andere Sprachen übersetzt und werden
heute noch aufgelegt. Das bekannteste Werk Storms, die Novelle Der
Schimmelreiter, wird häufig als Lektüre im Deutschunterricht verwendet. Das
Buch wurde zudem mehrfach verfilmt.
Der Schimmelreiter ist eine Novelle von Theodor Storm aus der
Literaturepoche des Realismus. Das im April 1888 veröffentlichte Werk ist
Storms bekannteste Erzählung und zählt zu seinem Spätwerk.
Die Novelle, in deren Zentrum der fiktive Deichgraf Hauke Haien steht, basiert
auf einer Sage, mit der Storm sich über Jahrzehnte befasste. Mit der
Niederschrift der Novelle begann er jedoch erst im Juli 1886 und beendete
seine Arbeit daran im Februar 1888, wenige Monate vor seinem Tod. Die
Novelle erschien das erste Mal im April 1888 in der Zeitschrift Deutsche
Rundschau, Bd. 55. In der Novelle Der Schimmelreiter geht es um die
Lebensgeschichte von Hauke Haien, die der Schulmeister eines Dorfes einem
Reiter in einem Wirtshaus erzählt. Die Deiche in Nordfriesland, Handlungsort
der Geschichte, spielen in Haukes Leben eine bedeutende Rolle. Am Ende stirbt
Hauke mitsamt seiner Frau und seinem Kind einen tragischen Tod.Hauke Haien,
der Sohn eines Landvermessers und Kleinbauern, setzt sich, anstatt sich mit
Gleichaltrigen zu treffen, viel lieber mit der Arbeit seines Vaters auseinander. Er
schaut dem Vater zu und hilft ihm beim Ausmessen und Berechnen von
Landstücken. Er lernt mit Hilfe einer holländischen Grammatik Niederländisch,
um eine niederländische Ausgabe von Euklids Werken lesen zu können, die der
Vater besitzt. Fasziniert scheint er von der See und von den Deichen zu sein. Oft
sitzt er bis in die tiefe Nacht am Deich und beobachtet, wie die Wellen an den
Damm schlagen. Er überlegt, wie man den Schutz vor Sturmfluten verbessern
könnte, indem man die Deiche zur See hin flacher anlegt.Als der örtliche
Deichgraf Tede Volkerts einen seiner Knechte entlässt, bewirbt sich Hauke um
die Stelle und wird angenommen. Doch auch hier hilft er dem Deichgrafen
mehr beim Rechnen und Planen als in den Ställen, was dem Deichgrafen zwar
gut gefällt, ihn aber bei Ole Peters, dem Großknecht, unbeliebt macht. Da
Hauke auch das Interesse von Elke, der Tochter des Deichgrafen, wecken kann,
verschärft sich der Konflikt zwischen Hauke Haien und Ole Peters weiter.Auf
dem nordfriesischen Winterfest gewinnt Hauke das Boßeln und erfährt so erste
gesellschaftliche Anerkennung. Danach beschließt er, Elke einen Ring anfertigen
zu lassen und ihr auf einer Hochzeit von Verwandten einen Heiratsantrag zu
machen. Doch Elke lehnt vorerst ab, da sie noch warten will, bis der Vater sein
Amt aufgibt. Der Plan ist, dass Hauke, der das Amt inzwischen inoffiziell führt,
durch die zur rechten Zeit angekündigte Hochzeit sich anschließend als
Nachfolger bewerben soll.
Binnen kurzer Zeit versterben Haukes und Elkes Väter. Hauke erbt Haus und
Land seines Vaters. Als es darum geht, die Stelle des Deichgrafen neu zu
vergeben, keimt der Konflikt zwischen Hauke und Ole erneut auf. Traditionell
kann nur Deichgraf werden, wer ausreichend Land sein Eigen nennt. Dies träfe
auf Knecht Hauke nicht zu, weshalb einer der älteren Deichbevollmächtigten
befördert werden soll. Gegenüber dem Oberdeichgrafen, der die Stelle des
örtlichen Deichgrafen zu vergeben hat, ergreift Elke allerdings das Wort und
erklärt, sie sei bereits mit Hauke verlobt und durch eine Hochzeit werde Hauke
das Land ihres Vaters bekommen und damit genügend Grundbesitz aufweisen.
So wird Hauke Deichgraf. Das Werk ist in drei Erzählebenen aufgebaut. Zunächst
berichtet ein Erzähler davon, wie er einst von einer Geschichte erfahren hat.
Danach wird eine Rahmenerzählung konstruiert. In diesem Rahmen erzählt ein
Reisender, wie er sich mit dem Pferd bei Sturm und Regen von einem Besuch
bei Verwandten auf den Weg zur Stadt macht. Bei dem Ritt auf dem Deich
nimmt er eine dunkle Gestalt auf einem Schimmel wahr, die an ihm
vorüberzieht. Es ist der Schimmelreiter, der sich mitsamt seinem Pferd in eine
Wehle stürzt. Der Reisende sieht schließlich in der Ferne die Lichter einer
Gastwirtschaft, kehrt dort ein und berichtet von seinem Erlebnis. Die
anwesenden Gäste werden von seinen Worten in Unruhe versetzt, und ein alter
Schulmeister beginnt – als Binnenerzähler und in der dritten Ebene – die
Geschichte des Hauke Haien zu erzählen. Die Binnenhandlung wird an
bestimmten Stellen zur Steigerung der Spannung wieder durch den inneren
Rahmen unterbrochen, der im Gegensatz zum äußeren auch wieder abschließt.
Die dreistufige Erzählstruktur im Schimmelreiter bietet sowohl Einblicke in die
Glaubwürdigkeit der Novelle als auch damit verbundene
Interpretationsansätze. Begonnen wird die Erzählung von einem ersten
Erzähler, der weder einen Namen noch bestimmte Charaktereigenschaften
aufweist. Er erzählt aus der Erinnerung von einer Geschichte, die er in einer
Zeitschrift gefunden hatte. Diese Niederschrift ist ebenfalls eine Erinnerung –
allerdings von einem weiteren Erzähler. Dieser Erzähler ist ein (ebenfalls)
namenloser Deich-Reisender, der den „Schimmelreiter“ sieht und sich vom
dritten und endgültigen Erzähler die Binnenhandlung erzählen lässt. Dieser
letzte Erzähler ist ein Schulmeister, der sowohl von der Legende des
Schimmelreiters weiß als auch die damit zusammenhängenden „realen“ Fakten
zusammengetragen hat. Doch auch dessen Fakten scheinen zum größten Teil
auf mündlichen Überlieferungen zu basieren, wodurch die Glaubwürdigkeit zu
wünschen übrig lässt und die Erzählung mehr als eine „Erzählung über das
Erzählen aufgefasst“ werden muss als ein Zeugnis über wirkliche Geschehnisse.
Trotzdem ist die Wahl der drei männlichen Erzähler ein Zeichen dafür, dass
gesteigerter Wert auf die bestätigte verschriftliche Erzählung gelegt wird und
die „weibliche Stimme“ zugunsten dieser auf Fakten gestützten männlichen
Sichtweise vernachlässigt wird. Diese „weiblich konnotiert[e]“ Stimme ist „[die]
nur angedeutete abergläubische Geschichte“, wodurch eine komplexe
Erzählstruktur entsteht. Die männliche Erzählweise steht für eine aufgeklärte
Sicht, in der Fortschritt und Wissenschaft eine wichtige Rolle spielen. Doch auch
die aufgeklärte Haltung des Schulmeisters ist mangelhaft, denn er kann die
Existenz des Schimmelreiters für sich nicht komplett leugnen, wird er doch nur
durch die Erwähnung der Sagengestalt auf seine Erzählung gebracht. Durch den
großen Wert, den der Schulmeister auf Wissen und Aufklärung über Emotionen
(und im Zweifelsfall auch über Geld) legt, entsteht eine Sympathie und
Ähnlichkeit zu Hauke Haien. Mehr noch könnte Hauke als das Idealbild des
Schulmeisters gesehen werden, da Hauke nicht nur mit besseren körperlichen
Eigenschaften beschrieben wird, sondern auch seine Ambitionen durchsetzen
konnte.

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