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Übersicht
Einleitung und Begriffsbestimmung 167
Ätiologie 167
Diagnostische Parameter 168
I gingivale Erkrankungen
Parodont und Endodont sind im Bereich der Wurzel
eines Zahnes durch das Dentin und die Zementschicht II chronische Parodontitis
getrennt. Es bestehen zwischen ihnen anatomisch vor-
gegebene direkte Verbindungen über Nerven, Blut- und III aggressive Parodontitis
Lymphgefäße. Über diese Wege können sich Infektio-
nen strukturübergreifend ausbreiten und komplexe IV Parodontitis als Symptom einer systemischen Erkrankung
pathologische Veränderungen hervorrufen, die Zahn,
V nekrotisierende parodontale Erkrankung
Zahnhalteapparat und Knochen betreffen können. Die
primäre Ursache ist häufig schwer zu bestimmen und
VI Abszess des Parodontiums
kann im Endodont, im Parodont oder in einer Kombi-
nation beider Strukturen liegen, sodass daraus resul- VII kombinierte parodontale-endodontale Läsionen
tierende Krankheitsbilder als parodontale-endodonta-
le, als endodontale-parodontale oder als kombinierte VIII entwicklungsbedingte oder erworbene Abweichungen und Bedingungen
Läsionen bezeichnet werden. In der aktuellen Nomen-
klatur parodontaler Erkrankungen [1] wurden die
parodontalen-endodontalen Läsionen als eigenstän-
dige Krankheitsform aufgeführt. In Tabelle 1 sind die
Kategorien dieser Klassifikation dargestellt. Es wird im
Ätiologie
Kommentar der Originalveröffentlichung [1] ausdrück-
lich darauf hingewiesen, dass diese Klassifikation nicht Akzessorische Kanäle
auf der initialen Ätiologie dieser Defekte basiert.
Entwicklungsgeschichtlich besitzen Endodont und Pa-
Merke: Parodontale oder endodontale Läsionen rodont einen gemeinsamen Ursprung und stehen in
sind entweder Ursache oder Ergebnis bzw. ent- enger Beziehung zueinander [2]. Auch nach Abschluss
wickeln sich unabhängig voneinander. der Gewebedifferenzierung bestehen entlang der ge-
meinsamen Nerven- und Gefäßversorgung räumliche
Verbindungen [3]. Die größte dieser Verbindungen ist kalen Wurzeldrittel, während sie weiter koronal deut-
das Foramen apicale [4]. Daneben gibt es aber auch lich seltener vorkommen [5]. Mit einer höheren Zahl
zahlreiche akzessorische Kanäle, die in den lateralen von akzessorischen Wurzelkanälen kann im Furkati-
Wurzel- oder Furkationsbereich münden. Im Verlauf onsbereich gerechnet werden.
der Wurzelbildung werden einige dieser Verbindungen
unterbrochen und durch Apposition von Dentin oder Häufig werden Seitenkanäle als Zufallsbefund bei der
Zement verschlossen [3]. Die Häufigkeit des Auftretens röntgenografischen Kontrolle von Wurzelkanalfüllun-
solcher Seitenkanäle variiert sowohl zwischen den ver- gen entdeckt. In Abb. 2 a wurden am Zahn 36 nach
schiedenen Zahngruppen als auch zwischen den ein- vertikaler Kondensation im apikalen und mittleren
zelnen Wurzelabschnitten. Wie aus Abb. 1 erkennbar Wurzeldrittel mehrere akzessorische Kanäle sichtbar,
ist, befinden sich die meisten lateralen Kanäle im api- während in Abb. 2 b am Zahn 13 ein Seitenkanal im
mittleren Wurzeldrittel erkennbar ist.
8,8% Dentintubuli
Diagnostische Parameter
Abb. 3 Zahn 46 mit lokalisiert erhöhter Sondierungstiefe im sonst parodontal wenig auf-
Ein Fistelgang kann z. B. mit einer Guttaperchaspitze
I primär endodontale Läsionen mit sekundärer parodontaler Beteiligung Primär endodontale Läsionen ohne
sekundäre parodontale Beteiligung
Ia iatrogen – durch Perforation bei Wurzelkanalbehandlung
Tabelle 4
III avital sehr weit fortgeschrittener Knochenabbau oder ungünstige geringe Erfolgsaussicht
anatomische Voraussetzungen; primär endodontal, parodontal
oder echt kombiniert verursacht
Abb. 4 a und b Primär endodontale Läsion ohne parodontale Beteiligung am Zahn 37.
a Situation zu Behandlungsbeginn. b Zahn 37 ca. 2 Jahre nach orthograder Wurzelkanal-
Primär endodontale Läsionen mit
füllung und Ausheilung der apikalen Läsion.
sekundärer parodontaler Beteiligung
Abb. 7 a und b Zahn 14 mit ca. 10 Jahre alter Wurzelkanalfüllung ohne apikale Auffälligkeiten.
Primär parodontale Läsionen ohne
a Röntgenaufnahme von Zahn 14 mit Wurzelkanalfüllung (Alter ca. 10 Jahre) und unauffäl- sekundäre endodontale Beteiligung
ligem röntgenografischem Befund. b Gleicher Zahn nach der Extraktion mit deutlich erkenn-
barer Wurzellängsfraktur. Die Ursache des Erkrankungsgeschehens ist in diesen
Fällen die Parodontitis. Bei intakter Zementschicht und
erhaltener apikaler Nerven- und Gefäßversorgung ist
die Pulpa nicht am Krankheitsgeschehen beteiligt. Der
Frakturanfälligkeit. Stifte, die über die Hälfte der Wur- Zahn zeigt im Sensibilitätstest eine positive Reaktion.
zellänge extendiert sind, haben gegenüber kürzeren Die Sondierungstiefen sind an mehreren Stellen erhöht.
Stiften ein signifikant höheres Risiko für Längsfraktu- Es besteht Attachmentverlust, wobei positives Bluten
ren [18, 19]. Bei adhäsiven Stiftsystemen sind Längs- auf Sondieren und subgingivaler Zahnstein möglich
frakturen offenbar seltener [20, 21]. Die klinische sind. Im Röntgenbild zeigt sich meist generalisierter
Symptomatik ist durch lokalisiert erhöhte Sondie- Knochenabbau.
rungstiefen gekennzeichnet. Das Röntgenbild zeigt in
diesen Fällen zunächst oft keine oder nur geringe Auf- Die Therapie besteht in einer Parodontitistherapie. En-
fälligkeiten im Knochen. Die Frakturen sind deshalb dodontale Behandlungsmaßnahmen sind primär nicht
klinisch schwer zu erkennen. angezeigt.
Merke: Vergrößerungshilfen (Lupenbrille oder Das Röntgenbild in Abb. 8 a zeigt am Zahn 37 eine Kno-
Operationsmikroskop) verbessern die Möglichkei- chentasche. Die Sensibilität des Zahnes war positiv. Die
ten der visuellen Diagnostik. Auch durch Anfärben Kontrollröntgenaufnahme (Abb. 8 b) ca. 10 Jahre nach
der Kavität und des Pulpabodens können die kli- Beginn der Parodontitistherapie (professionelle Zahn-
nischen Zeichen deutlicher erkennbar werden. reinigung, Scaling and Root Planing, Lappenoperation)
Tabelle 5
Kategorie I II III IV V
Diagnostische Kriterien
Therapieoptionen
Wurzelkanalbehandlung ja ja nein ja ja
mehr zu eruieren. Eine umfassende endodontologische verursachte Läsionen bei positiver Sensibilität des er-
und parodontologische Diagnostik kann insbesondere krankten Zahnes parodontologisch und nicht endo-
bei schweren ausgedehnten Läsionen wichtige Hin- dontologisch therapiert werden.
weise darauf geben, ob die Ursachen der Erkrankung
eher im Endodont oder eher im Parodont zu vermuten Die kombinierten Läsionen sind schwere Erkrankungs-
sind. In Tabelle 5 wird versucht, eine Übersicht über zustände des betroffenen Zahnes, deren Behandlung in
Diagnostik und Therapie der endodontalen-parodon- ein komplexes Therapiekonzept einzubetten ist. Die
talen bzw. der parodontalen-endodontalen Läsionen Aussichten für einen Therapieerfolg können insbeson-
zu geben. Diagnostische Parameter, therapeutische dere bei ausgedehnten kombinierten Läsionen erst mit
Maßnahmen und Therapiechancen werden einander zunehmendem zeitlichem Abstand zur primären Be-
für die Läsionsklassen vergleichend gegenübergestellt. handlung zuverlässig eingeschätzt werden. Die korrekt
durchgeführte Therapie bei endodontalen-parodonta-
Bei tatsächlichen kombinierten Läsionen ist vor der len bzw. parodontalen-endodontalen Läsionen kann
parodontologischen Therapie zunächst eine korrekte auch als eine Möglichkeit der Erhaltung funktionsfähi-
endodontologische Therapie des erkrankten Zahnes ger Restaurationen bzw. der Vermeidung aufwendige-
angezeigt. Bei primär endodontal verursachten Läsio- rer Therapie angesehen werden und bei richtiger Indi-
nen ist an den Erhalt von regenerationsfähigen paro- kationsstellung eine realistische Prognose aufweisen.
dontalen Strukturen zu denken. Zur Vermeidung von
Overtreatment sind deshalb hier zunächst keine paro-
dontologischen Behandlungsmaßnahmen angezeigt.
Diesem Grundsatz folgend sollten primär parodontal
Korrespondenzadresse
Über die Autoren Dr. Andreas Fuchß
Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde
Andreas Fuchß und Parodontologie
Universitätsklinikum Leipzig AöR
Jahrgang 1960; Dr. med. 1980 – 1985 Liebigstraße 10 – 14
Studium der Zahnmedizin an der 04103 Leipzig
Karl-Marx-Universität in Leipzig, 1985 Telefon: + 49 (341) 97 21-203
Approbation als Zahnarzt. Seit 1985 Fax: + 49 (341) 97 21-219
wissenschaftlicher Assistent in der Poli- E-Mail: Andreas.Fuchss@uniklinik-leipzig.de
klinik für Konservierende Zahnheilkun-
de und Parodontologie der Universität Korrespondenzadresse
Leipzig. 1990 Abschluss der Fachzahn- Prof. Dr. Holger Jentsch
arztausbildung und staatliche Anerkennung als Fachzahnarzt Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde
für Allgemeine Stomatologie. 1991 Promotion; 1998 Ernen- und Parodontologie
nung zum Funktionsoberarzt der Poliklinik und Kursleiter der Universitätsklinikum Leipzig AöR
klinischen Kurse Zahnerhaltungskunde I und II. Mitwirkung Liebigstraße 10 – 14
Holger Jentsch
CME‑Fragen
1
Wo liegt die Ursache einer A Immer im Endodont.
Endo-Paro- bzw. Paro-Endo-Läsion? B Immer im Parodont.
C Entweder im Endodont oder im Parodont.
D Im Endodont, Parodont oder in einer Kombination.
E Immer in Endodont und Parodont.
3
Können Bakterien und Stoffwechsel- A Ja, ein Transport durch die Dentintubuli tritt in jedem Fall auf.
produkte durch die Dentintubuli B Ja, aber nur, wenn durch parodontologische Behandlungsmaßnahmen die Zementschicht ent-
zwischen Endodont und Parodont fernt wurde.
oder umgekehrt transportiert C Ja, da insbesondere im Bereich der Schmelz-Zement-Grenze die Zementschicht in 10% der Fälle
werden? primär oder durch parodontologische Maßnahmen sekundär fehlen kann.
D Nein, das Lumen der Dentintubuli ist dafür zu klein.
E Nein, die Zementschicht verhindert den Transport in jedem Fall.
4
Können sich parodontale A Nein.
Erkrankungen auf den Zustand B Ja, nur Gingivitiden.
der Zahnpulpa auswirken? C Ja, schwere Parodontitiden.
D Ja, alle Parodontitiden.
E Ja, nur Parodontitiden mit Wurzellängsfraktur.
5
Welcher der angegebenen diag- A Perkussionsbefund
nostischen Parameter liefert keine B thermischer Sensibilitätstest
validen Daten zur Abgrenzung C Probetrepanation
parodontaler und endodontaler D Sondierungstiefe
Ursachen einer Läsion? E Röntgenbefund
6
Welchen Wert hat die Zahnbeweg- A hoher Wert
lichkeit bei der Unterscheidung B sehr hoher Wert
zwischen parodontaler und endo- C hoher Wert in Verbindung mit dem Röntgenbild
dontaler Ursache einer Paro-Endo- D hoher Wert in Verbindung mit dem Perkussionsbefund
Läsion? E geringer Wert
CME
Endodontologie 179
7
Primär endodontale Läsionen A zunächst nur parodontologisch behandelt werden.
mit sekundärer parodontaler B nur bei ca. 3 – 6 Monaten nach Abschluss der endodontologischen Behandlung noch unverändert
Beteiligung sollten … bestehender parodontaler Erkrankung parodontologisch behandelt werden.
C ca. 3 – 6 Monate nach Abschluss der endodontologischen Behandlung immer parodontologisch
behandelt werden.
D nach Abschluss der endodontologischen Behandlung niemals parodontologisch behandelt
8
Wann erfolgt bei kombinierten A Vor dem Scaling and Root Planing.
Endo-Paro-/Paro-Endo-Läsionen B Nach dem Scaling and Root Planing.
die Wurzelbehandlung? C Nach einer professionellen Zahnreinigung.
D Nach der Initialtherapie.
E Während des Scalings and Root Planings oder nach chirurgischer Parodontitistherapie.
9
Wodurch kann sich eine Wurzel- A Schmerzen
längsfraktur nicht manifestieren? B Gingivaschwellung
C lokalisiert erhöhte Sondierungstiefe
D generalisiert erhöhte Sondierungstiefe
E erhöhte Zahnbeweglichkeit
10
Welche der genannten Er- A primär parodontale Läsionen ohne endodontale Beteiligung
krankungsformen hat die B primär parodontale Läsionen mit endodontaler Beteiligung
ungünstigsten Therapiechancen? C primär endodontale Läsionen ohne parodontale Beteiligung
D primär endodontale Läsionen mit parodontaler Beteiligung
E echte kombinierte Läsionen
CME