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12 L. BORCHARDT: Ein verzierter Stabteil aus vorgeschichtlicher Zeit. [66. Band.

Ein verzierter Stabteil aus vorgeschichtlicher Zeit.


V o n L U D W I G BORCHARDT.

Hierzu Tafel I.

Das Elfenbeinstück, das hier besprochen werden soll, wurde bei einem Händler aus
Luqsor erworben, der über den Fundort aber nichts angeben konnte. Es dürfte aus einer
der vorgeschichtlichen Fundstätten Oberägyptens stammen. Es ist ein 56 mm langer Stab-
teil von rundem Querschnitt mit 14 mm Durchmesser, der Länge nach durchbohrt. Die
Bohrung hat an den Mündungen 9 mm, im Innern 6 mm Durchmesser. An den Enden
ist das Stück glatt abgeschnitten, aber nicht geglättet.
Es scheint von der Bekleidung eines Metallstabes zu stammen, da ein Holzstab von
nur 5 mm zu geringe Festigkeit für wirklichen Gebrauch hat1. Der Metallstab war wohl
mit mehreren solcher Elfenbeinstücke übereinander umhüllt, so daß das Ganze dann
äußerlich einen Elfenbein-Stab oder - Stiel ergab. Einen längeren geraden Stab durchgehend
aus Elfenbein herzustellen, ist ja wegen der Krümmung der Zähne nicht einfach. Wozu
der Stab gedient haben kann, muß fraglich bleiben. Es mag der Stiel einer Zeremonial-
keule oder etwas Ähnliches gewesen sein.
Die Ansichtsfläche des Stabteiles ist nun mit Darstellungen in Relief geziert. Der etwas
rauhe Grund des Reliefs liegt etwa 1 / 2 bis 8 / 4 mm unter der Stabfläche, die vor der Her-
stellung der Reliefs gut geglättet worden war. Die höchsten Flächen des Reliefs sind also
Stellen der Außenfläche des Stabteils.
Zwei Reliefstreifen gehen wagerecht — die Richtung des Stabes selbst als senkrecht
gedacht — um den Stab. Sie sind durch glatte, 4 mm breite Streifen oben und unten
begrenzt und durch 2 dünne Streifen von je etwa 1 mm voneinander getrennt. Jeder
Streifen enthält zwei nach rechts gerichtete Kriegergestalten.
Die unteren beiden Krieger sind durch zwei senkrechte, gedrehte Schnüre getrennt.
Hier an Säulen zu denken, dürfte ausgeschlossen sein, da strickartig gedrehte Stützen —
ein Widerspruch in sich — in der ägyptischen Architektur unbekannt und daher auch bei
einem vorgeschichtlichen Werk aus Ägypten ohne zwingende Gründe nicht anzunehmen
sind. Dagegen könnte ich mir denken, daß die beiden Schnüre des Reliefs Nachbildungen
wirklicher Schnüre sind, die zum Befestigen von irgendetwas am Stabende dienten, und
deren Enden dann am Stabe entlang geführt und in Abständen durch umgelegte, breite
Leder( ^-Streifen gehalten wurden. Das könnte dann eine Anordnung ergeben, bei der
Streifen ohne Schnüre mit solchen mit Schnüren wechseln. Diese Anordnung erhielte man
auch, wenn man mehrere solche Stabteile wie den vorliegenden übereinander setzte.
Die dargestellten Krieger kann maij nur mit denen auf der sog. Jagd-Schminktafel
vergleichen, von der die Stücke im British Museum und im Louvre sich befinden2. Bei
dem Vergleich ist aber zu beachten, daß die Formen auf der Schminktafel klarer und
schärfer herausgekommen sind als bei dem Elfenbeinstab, dessen Reliefs außerdem noch
von einem weniger geschickten Handwerker herrühren.

1) An ein Rollsiegel zu denken, verbieten die in Relief, nicht vertieft, gearbeiteten Darstellungen und
die Vorwürfe derselben, die auf Siegeln sonst nicht vorkommen. — 2) Abgebildet: Proc. 1900 Bl. 2 = 1909
Bl. 45.

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Tafel I

Abrolluiig
Haßstab 3 : 2 gez. A. Bollachcr

Ansichten
Natürliche Größe

L. B o r c h a r d t , Ein verzierter Stabteil ans vorgeschichtlicher Zeit.

ZiZcitBclir. f. Ägypt. Spr., OG. Band: B o r c h a r d t , Stabteil


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Band 66.] L. B o r c h a r d t : Ein verzierter Stabteil aus vorgeschichtlicher Zeit. 13

Die beiden Krieger des oberen Streifens laufen, der eine davon ganz in der Haltung
des vor dem angeschossenen Löwen fliehenden Kriegers1 in der Jagddarstellung: Kopf
und Oberkörper stark vorgebeugt, das eine Bein im Knie gebeugt vorgesetzt, das andere
ebenso gebeugt weit nach hinten, so daß der Unterschenkel beinahe wagerecht liegt; auch
die Haltung der Schultern und der Arme ist die gleiche, nach vorn halten beide bei etwas
gesenkter Schulter einen doppelt geschweiften Bogen2, nach hinten mit wenig gekrümmtem
Arm erheben sie eine kurze Waffe3. — Die Tracht dieses Kriegers ist einfacher wie die
derer auf der Schminktafel. Das Haar ist über der Stirn glatt und folgt hinten, die Ohren
deckend, der Schädelform. Die senkrechten Linien, die am Hinterkopf Strähnen angeben,
sind nur schematisch, über der Brust eingeritzt verlaufen zwei senkrechte Schnüre, in
denen ich die Andeutung der bei den Libyern so häufig4 vorkommenden, ebenso laufenden,
verzierten, breiten Kreuzbänder über der Brust sehe. — Die Lenden sind, von der Gregend
über dem Nabel bis zu den Knien, durch einen Schurz gedeckt, der, in dieser Darstellung
wenigstens, hosenartig aussieht. Die Linien darauf sollen wohl das Gewebe oder Falten
wiedergeben.
Der andere Krieger auf diesem Streifen hat kein Gegenstück auf der Schminktafel.
Seine Bewegung ist nicht so gewaltsam wie die· des eben beschriebenen. Er hält sich
gerade und läuft mit mäßigem Schritt. Der Bogen, den er mit wenig gebogenem Arm vor
sich hält5, hat die nur einmal gebogene, ägyptische ( ?) Form. In der anderen nach hinten
schräg abwärts gehaltenen Hand führt er eine bis auf den Boden reichende Waffe, in
der man vielleicht einen Pfeil zu erkennen hat®. — Die Tracht ist die des zuerst be-
schriebenen Kriegers, nur mit noch weniger Einzelheiten dargestellt. Die vorderste Haar-
strähne fällt etwas tiefer als die übrigen herab7. Die Kreuzschnüre über der Brust könnten
hier als breite Bänder dargestellt sein. Der Lendenschurz ist ohne eingeritzte Linien glatt
dargestellt.
Zu den beiden Kriegern des unteren Streifens finden sich auf der Schminktafel die
Gegenstücke wieder, so genau in der Haltung, daß man versucht wird, an gemeinsame
Musterskizzen zu denken. Zu dem einen davon ist der dritte Krieger an dem durchgehend
erhaltenen Rand der Schminktafel zu vergleichen8. Beide schreiten, den einen Fuß vor,
den anderen etwas zurücksetzend. Vor sich halten sie eine mannshohe Lanze, während
sie hinter dem Kopf eine kurze Waffe 8 schwingen. — Die Tracht ist von der der Männer

1) Auch der nur ζ. T. erhaltene laufende Krieger am zerbrochenen Rande der Schminktafel, hinter
dem den Lasso haltenden, könnte dieselbe Haltung und Bewaffnung gehabt haben. — 2) Auf der Schmink-
platte sind die Enden dieser Bögen hinter der Sehnenbefestigung etwas nach hinten in der Biegung der
Vorderseite weitergeführt, auf dem Stabstück gehen sie, auch bei dem im zweiten Streifen, aber um ein
Weniges senkrecht weiter, unten hören sie an der Sehnenbefestigung auf. Die Sehnenbefestigung ist also bei
beiden Arten etwas verschieden. — 3) Auf der Schminktafel ist dies sicher kein Pfeil, da diese dort länger, dünner
und mit vorn gerader bezw. etwas ausgehöhlt verlaufender Feuersteinspitze dargestellt sind, sondern eine Keule
mit birnförmigem Kopf und oberem Nagel, auf dem Stabstück k ö n n t e es ein Pfeil sein sollen, da der
Pfeil auf dem Bogen in der zweiten Reihe ganz ähnlich dargestellt ist. Mit Rücksicht auf die oben noch
weiter ausgeführten Ähnlichkeiten zwischen den Gestalten auf Schminkplatte und Stabstück halte ich
diese Waffe aber für eine Keule. — 4) S. ζ. B. Sahure 2 Bl. 1. — 5) Er faßt ihn an der Sehne (!), was
übrigens auch auf der Schminktafel einmal dargestellt ist. — 6) Die Haltung spricht zwar mehr für eine
Schleuder, jedoch fehlen dafür alle Einzelheiten. Eine Keule, an die man auch denken könnte, würde
anders gehalten werden. — 7) Das wie ein umgelegtes Haarsträhnenende aussehende runde Gebilde ist
nur aus dem Zusammentreffen einer Strähne mit dem Bogen oben am Brustkorb, zwischen den Schlüssel-
beinen, entstanden. — 8) S. aber auch den ersten, fünften und achten derselben Reihe sowie drei andere
am entgegengesetzten Rande. — 9) Die Art der Waffe ist auf dem Stabstück nicht klar zu erkennen.
Es scheint aber nicht die mit dem seitlichen Ansatz oben (s. Proc. 1900 Bl. 9 Reihe 3, 4—7) zu sein, also
wohl die kurze Keule (ebenda Reihe 4,1—2). Ob die „Waffen" mit dem seitlichen Ansatz, die einige der
Leute in der Jagddarstellung führen, etwa nur' die bei der Treibjagd benutzten Klappern sind ?

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14 L. BORCHARDT: Zwei Kalksteinscherben mit literarischen Aufschriften. [66. Band.

in der oberen Reihe etwas verschieden, mehr der der Krieger auf der Schminktafel ähn-
lich. Die Haare liegen so wie bei dem zu zweit beschriebenen in der oberen Reihe, dem
mit der vorderen längeren Haarsträhne. Die Brustriemen fehlen. Der Lendenschurz ist
senkrecht gestreift und hat, trotz der abgeriebenen Oberfläche noch erkennbar, einen
breiten Gurt, der aus zwei Reihen runder Scheiben zu bestehen scheint. Hinten vom
Gurt hängt ein dicker, buschiger Schakal( ?)-Schwanz1 herab.
Zu dem anderen Krieger der unteren Reihe, dem Schützen, vergleiche man für Haltung
und Tracht den auf der Schminktafel, der an ihrer breiten Seite quergestellt erscheint. Er
ist etwas vorgebeugt, steht mit dem einen Bein fest, das andere hat er vorgesetzt und
will den Bogen spannen, mit derselben Haltung der Arme2, die der Krieger auf der Schmink-
tafel auch zeigt. — Die Tracht entspricht hier genau der der Krieger auf der Schmink-
tafel: Kurzes wolliges (?) Haar, in dem eine3 Feder steckt. Der Schurz ist wie bei dem
anderen Krieger derselben Reihe, nur der Gürtel dünner und glatt, sowie der Schwanz
weniger buschig. Das obere Stück des Schwanzes sieht hinten aus dem Gürtel heraus.
Eins unterscheidet die Krieger auf dem Stabstück von denen auf der Schminktafel;
hier haben sie sämtlich spitze Kinnbärte, wohl auch Backenbärte, dort sind alle vier
bartlos. Nur beim Lanzenträger könnte man einen Kinnbart sehen wollen ; die ihn nach
oben abgrenzende Linie ist aber wohl weiter nichts als der etwas lang geratene Schnitt,
der den Mund angeben sollte.
Über die Zeit, aus der das Stabstück herrührt, kann ich mich nur sehr ungenau äußern.
Es dürfte aus dem Vorhergehenden klar sein, daß sie eng mit der Herstellungszeit der
Schminktafel zusammenliegt. Da mir diese die älteste der bisher bekannten Schminktafeln
mit Menschendarstellungen zu sein scheint, so würde ich also beide in „frühe" vorge-
schichtliche Zeit setzen.

Zwei Kalksteinscherben mit literarischen Aufschriften.


V o n L U D W I G BORCHARDT.
Hierzu Tafel II.

Hier lege ich zwei in den letzten zwei Jahren in Luqsor-West aufgetauchte Kalk-
steinscherben vor, von denen die eine den Anfang einer bekannten, im Altertum viel
gelesenen Erzählung, der Abenteuer des Sinuhe, die andere den Anfang eines bisher un-
bekannten Lehrbuches enthält.

1) Auf der Schminktafel sind diese Anhängsel nicht nur Schwänze, sondern ganze Felle. Bei allen
Jägern, die das Wild umstellt haben, sind neben den Schwänzen auch die Hinterbeine des Fells sichtbar,
bei den beiden ersten an der vollständigen Seite glaube ich auch den Kopf des Felles zu erkennen. In
späteren Darstellungen wird dann, genau wie bei dem aus drei Fenekfellen entstandenen Königswedel (s.
AZ. 44, S. 75) aus den Hinterfüßen des Felles ein Aufschiebling (s. Sahure 2 Bl. 6 die erste Figur, bei der
man auch bei einigem guten Willen oben am Gürtel den Kopf des Felles sehen kann). — 2) Man beachte
die perspektivisch richtige Darstellung, die nichts „Vorstelliges" hat. — 3) Auf der Schminktafel haben
der vor dem angeschossenen Löwen fliehende Krieger und die ganze Reihe am zerbrochenen Bande z w e i
Federn. Ob hier zwei verschiedene Stämme bei gemeinsamer Jagd dargestellt sein sollen oder Rang-
unterschiede der Jäger?

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