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Antwort bzw. Zusatzantwort des Landes- Risposta ovvero risposta aggiuntiva del
hauptmannes Kompatscher auf die An- presidente della Provincia Kompatscher
frage Nr. 6/5/23, eingebracht von den Ab- all’interrogazione n. 6/5/23, presentata dai
geordneten Knoll und Atz Tammerle consiglieri Knoll e Atz Tammerle
KOMPATSCHER (Landeshauptmann - SVP): Ich bitte Sie um ein bisschen Geduld, denn in der Tat
ist es noch einmal komplexer als dargestellt. Hier vielleicht als Ergänzung zur vorherigen Aussage: zunächst
ist die Abschaffung erfolgt – vielleicht auch fürs Protokoll – des königlichen Dekretes aus dem Jahre 1923 mit
Gesetz vom 18. Februar 2009, Nr. 9. Dann ist die Abschaffung zurückgenommen worden, wörtlich "sono
sottratte all'effetto abrogativo", das ist eindeutig die Rücknahme der Abschaffung, mit Legislativdekret vom 1.
Dezember 2009. Sie sehen also, kurz bevor es definitiv in Kraft getreten wäre, jedoch gibt es das Dekret des
Präsidenten der Republik vom 13. Dezember 2010, N. 248, wo dann gesagt wird: "sono e restano abrogate ai
sensi", also werden abgeschafft, und dann kommt die Liste und da steht drunter das Dekret vom 10. Juli 1940,
das ist der "prontuario". Das ist nie widerrufen worden, der ist also definitiv abgeschafft.
Schwerwiegender noch als die Frage der Militärkarte oder ähnliches ist allerdings, und das ist in jüngerer
Geschichte passiert, ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes – wir erinnern uns alle an diesen Fall, an diesen
unseligen Fall –, die Gemeinde Sèn Jan im Trentino, wo dann der Verfassungsgerichtshof das völlig … das
war die ladinische Bezeichnung. Es gab den Streit darüber, welches die korrekte Bezeichnung sein sollte. Da
gab es mehrere Versionen, man hat dann das mit einer Kombination "Sèn Jan di Fassa" gelöst (ich glaube,
am Ende war dann so die Diktion), die dann mit Regionalgesetz genehmigt worden ist, und argumentiert, dass
hier das zweisprachig sei, der zweite Teil wäre italienisch, der erste Teil ladinisch. Der Verfassungsgerichtshof
hat dann ein absolut (für mich, und ich glaube für viele unabhängige Juristen, Politiker) völlig nicht nachvoll-
ziehbares Urteil gefällt, und festgestellt, dass es auf jeden Fall eine italienische Bezeichnung (Sie kennen das
Urteil sicher auch) sein müsse. Man könne dann eine anderssprachige, eine ladinische, deutschsprachige
dazugeben, das sei im Sinne der Bestimmung der Verfassung, aber es müsse auf jeden Fall italienisch sein.
In dieser Logik hätte man "San Giacomo" sagen müssen, eine Rückübersetzung quasi, die der Verfassungshof
hier verkündet hat. Und das hat dazu geführt, dass wir festgestellt haben, wir riskieren mit einer rein landes-
gesetzlichen Regelung ohne einer klaren Basis in einer Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut,
dass uns der Verfassungsgerichtshof quasi in dieselbe Lage bringt, was eine Katastrophe darstellen würde.
Deshalb dann auch die Rücknahme des Landesgesetzes seinerzeit, Sie können sich erinnern, wir hatten ja
den Ansatz über ein Landesgesetz, und das Bemühen um eine Durchführungsbestimmung, die in Umsetzung
des Artikels 8, Ziffer 2, des Autonomiestatuts dann festhält, dass mit Zweisprachigkeit effektiv Zweisprachigkeit
gemeint ist und eben nicht Zweinamigkeit. Das ist eigentlich die Essenz dieser Durchführungsbestimmung,
mit der wollen wir das klarstellen, um dann zu einer Lösung zu kommen, welche Namen tatsächlich amtlich
bleiben sollen. Da wissen wir, da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Das ist dann aber die nächste Ebene
des Diskurses, das ist eine inhaltliche Ebene. Formalrechtlich brauchen wir also diese Durchführungsbestim-
mung, vor allem aufgrund dieses Urteils des Verfassungsgerichtshofes. Das ist unser Hauptproblem, ganz
unabhängig vom Ausgange der Rechtslage.
Eine Anmerkung noch zu den Namen. Es sind dies nicht die einzigen Rechtsgründe. Wir haben auch
im Regionalgesetz zum Beispiel die Liste der Gemeinden drinnen, und zwar in deutscher und italienischer
Sprache. Somit sind deshalb alleine schon die deutschsprachigen Gemeindennamen amtlich. Wir haben das
Problem bei vielen anderen Namen. Im Regionalgesetz werden diese in beiden Diktionen erwähnt. Das ist
eine andere Rechtsquelle, ganz unabhängig von den staatlichen Rechtsquellen. Also die Rechtslage ist, wie
Sie selbst festgestellt haben, sehr komplex in diesem Fall. Für uns wäre es wichtig, mit einer Durchführungs-
bestimmung zum Autonomiestatut, eine höherrangige Norm zu haben, um gefeit zu sein vor solchen Interpre-
tationen der Verfassung, wie sie der Verfassungsgerichtshof anlässlich dieses Falles vor 2 Jahren, 3 Jahren
gemacht hat. Also es ist nicht lange her, ich kann mich nicht genau an das Datum erinnern.
Der Europäische Gerichtshof ist meiner Kenntnis nach seinerzeit mit der Angelegenheit nicht befasst
worden. Das ist jetzt eine Zusatzfrage. Aber meiner Kenntnisnahme nicht, ich kann das gerne nochmals veri-
fizieren und Ihnen dann die Antwort geben. Ich könnte mich jetzt nicht erinnern, aber ich möchte mich nicht
irren.
XVI. Legislaturperiode XVI legislatura
KNOLL (SÜD-TIROLER FREIHEIT): Das ist interessant, vor allem weil in allen anderen Anfragebeant-
wortungen aus der Zeit von 2009 herauf bis heute die Landesregierung auch die von Ihnen zitierten Dekrete
immer wieder nennt und als amtlich gültig nennt. Da ist nie beantwortet worden, dass die abgeschafft worden
sind. Mich wundert das ein bisschen, ich habe mir heute extra die Dolomiten aus dem Jahre 2009 rausgesucht,
wo das drinnen steht. Dort ist die Rede davon, dass die gesamten Dekrete wieder in Kraft gesetzt wurden und
hier auch die Frage aufgeworfen wurde – und das ist jetzt meine Zusatzfrage –, dass hier die Verfassungsmä-
ßigkeit dieser Maßnahme auch in Frage gestellt wurde, weil das mit Legislativdekret eingeführt wurde oder
wieder eingeführt wurde oder die Aufhebung sozusagen ausgesetzt wurde. Die Südtiroler Volkspartei hat da-
mals einen Rekurs vor dem Verfassungsgerichtshof angekündigt hat, der meines Wissens verloren wurde.
Man hat damals angekündigt, dass man für den Fall, dass dieser verloren wird, vor den Europäischen Ge-
richtshof zieht, auch als Landesregierung. Deshalb die Nachfrage, ob das geschehen ist, und welches das
Ergebnis dessen war, vor allem welche Auswirkungen das jetzt konkret hat. Für die Veramtlichung der Namen
zählt nicht das Dekret an sich, sondern die Eintragung der Namen in den Karten des "Istituto Geografico
Militare", die aber ihrerseits ihre Listen genau aus dieser Auflistung, die in den drei genannten Dekreten sind,
schöpfen. Wenn die jetzt abgeschafft worden sind, was ist dann die Basis für die Ortsnamengebung? Das ist
für uns als Landtag auch aus dem Grund wichtig, weil wenn wir hier ein Gesetz für eine Ortsnamengebung
machen wollen, dann müssen wir wissen, auf welche Namen wir uns berufen. Klassisches Beispiel: Es gibt
Ortsnamen, die im ersten Dekret ganz anders benannt sind als dann im zweiten und dritten. Da hat es einfach
nochmals Abänderungen gegeben. Wenn jetzt das zweite und dritte außer Kraft gesetzt würde, das erste ist
aber noch in Kraft, dann würde ja der alte Name gelten. Zumindest ist das Dekret noch in Kraft, deshalb ist es
juridisch schon auch interessant, dass man dieser Frage nachgeht. Deshalb würde ich Sie bitte, dass sie die
Antwort dieser Frage noch präzisieren und danach bitte um Aushändigung des Textes.