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AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE

Landeshauptmann Presidente della Provincia

Bozen, 05.07.2023 Herr L.-Abg.


Sven Knoll
Bearbeitet von:
Frau L.-Abg.
Myriam Atz-Tammerle

Südtiroler Landtag
Im Hause

zur Kenntnis Frau Präsidentin


Rita Mattei

Südtiroler Landtag
Im Hause

Antwort auf die Landtagsanfrage Nr. 2575-23 vom 30.05.2023

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,

in Beantwortung Ihrer im Betreff genannten Anfrage teile ich Ihnen Folgendes mit:

1. Gilt die Zuständigkeit der Sechser-Kommission für die Ausarbeitung von Durchführungs-
bestimmungen als Grundlage für ein Landesgesetz auch dann, wenn dieses in den primären
Zuständigkeitsbereich des Landes fällt?
Falls das Land Südtirol bereits aufgrund des Autonomiestatuts primäre Zuständigkeit für einen
bestimmten Bereich hat, stellt die Zuständigkeit der Sechser-Kommission für die Ausarbeitung von
Durchführungsbestimmungen keine Grundlage für ein Landesgesetz dar. Die Durchführungsbestim-
mungen zu den Sonderstatuten nehmen aber in der Hierarchie der Rechtsquellen einen besonderen
Stellenwert ein. Sie sind zwischen den Verfassungsgesetzen und den ordentlichen Gesetzen
einzuordnen und ihre Funktion besteht darin, die Bestimmungen des Autonomiestatuts hinsichtlich der
Zuständigkeiten der Regionen bzw. der autonomen Provinzen auszulegen bzw. zu vervollständigen: „…
le norme di attuazione degli statuti speciali possiedono un sicuro ruolo interpretativo ed integrativo delle
stesse espressioni statutarie che delimitano le sfere di competenza delle Regioni ad autonomia speciale
e non possono essere modificate che mediante atti adottati con il procedimento appositamente previsto
negli statuti, prevalendo in tal modo sugli atti legislativi ordinari, …” (VfGH, Urteil Nr. 51/2006, welches
sich auf die Urteile Nr. 341/2001, Nr. 213/1998 und Nr. 137/1998 beruft).

2. Falls ja, bitte um Nennung und Aushändigung der Rechtsquelle.


Siehe Antwort auf Frage 1.

3. Falls nein, gibt es dennoch Fälle, in denen Landesgesetze, obwohl sie in den primären
Zuständigkeitsbereich des Landes fallen, auf der Grundlage von entsprechenden
Durchführungsbestimmungen erlassen wurden?
In der letzten Legislaturperiode wurde beispielweise im Bereich Jagd das Landesgesetz vom 16. Juli
2018, Nr. 111 „Vorsorge- und Entnahmemaßnahmen bei Großraubwild. Umsetzung von Artikel 16 der
Richtlinie 92/43/EWG“ auf der Grundlage der Durchführungsbestimmung zu den bejagdbaren Arten
(Gv.D. 11/12/2016, Nr. 240) erlassen. Diese Durchführungsbestimmung sieht vor, dass der
Landeshauptmann am Verzeichnis der jagdbaren Arten, die von den staatlichen Bestimmungen
vorgesehen sind, Änderungen vornehmen kann. Dabei muss allerdings der Grundsatz des
Staatsgesetzes einer Bewertung des Artenbestands im Verhältnis zum betreffenden Territorium
eingehalten werden, um einen Schutz der Umweltinteressen sicherzustellen, ein Bereich, in dem das
Land Südtirol nicht primäre Gesetzgebungsbefugnis hat. Diese Änderungen am Verzeichnis der
jagdbaren Arten, die von den staatlichen Bestimmungen vorgesehen sind, können zudem nur im

Landhaus 1, Silvius-Magnago-Platz 1  39100 Bozen Palazzo 1, Piazza Silvius Magnago 1 39100 Bolzano
Tel. 0471 41 22 22 Fax 0471 41 22 99 Tel. 0471 41 22 22  Fax 0471 41 22 99
http://www.provinz.bz.it/landeshauptmann http://www.provincia.bz.it/presidente
landeshauptmann@provinz.bz.it presidente@provincia.bz.it
Steuernr./Mwst.Nr. 00390090215 Codice fiscale/Partita Iva 00390090215

Prot. Datum | data prot. 06.07.2023 Prot. Nr. | n. prot. LTG_0003694 Prot. Typ | tipo prot. Eingang - entrata
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Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Schutz der Landschaft und des Meeres vorgenommen
werden. In diesem Fall wurde es daher für sinnvoll erachtet, sich vorab entsprechend abzusichern.

Mit der Durchführungsbestimmung zu den öffentlichen Verträgen (Gv.D. 07/09/2017, Nr. 162) wurde
hingegen in Bezug auf die primäre Gesetzgebungsbefugnis der öffentliche Arbeiten im
Interessensbereich des Landes vorgesehen, dass die autonomen Provinzen von Trient und Bozen die
Vergabeverfahren und öffentlichen Verträge, die Arbeiten, Dienstleistungen und Lieferungen betreffen,
einschließlich der Ausführungsphase, unter Berücksichtigung des EU-Rechts und der grundlegenden
gesetzlichen Bestimmungen der wirtschaftlichen-sozialen Reformen der Republik mit eigenem
Landesgesetz regeln können. In der Folge wurde mit Landesgesetz vom 9. Juli 2019, Nr. 31
(Vereinfachungen in der öffentlichen Auftragsvergabe) das Landesgesetz vom 17. Dezember 2015, Nr.
16 (Bestimmungen über die öffentliche Auftragsvergabe) abgeändert.

4. Sollte es solche Fälle geben: Erachtet es die Landesregierung nicht als Schmälerung der
Autonomie, wenn für Landesgesetze, in deren Bereich Süd-Tirol die primäre Zuständigkeit besitzt,
das Einvernehmen mit der Sechserkommission gesucht wird?
Bei den Beispielen in Frage 3) ging es im Wesentlichen darum, die Zuständigskeitsbereiche des Landes
Südtirol, zu denen es auch eine umfangreiche EU-Gesetzgebung gibt, zu präsizieren bzw. auch
Bereiche, wie den Schutz der Umweltinteressen, der nicht in ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des
Landes fällt, vorab angemessen zu berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen

Der Landeshauptmann
Arno Kompatscher
(mit digitaler Unterschrift unterzeichnet)
Firmato digitalmente da: Arno Kompatscher
Data: 05/07/2023 16:40:08

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