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SATZMODELLE
4. TEIL – 1. KAPITEL – TERZEN UND SEXTEN 3
Fauxbourdon
NB 010: Sextakkordkette über einer Durtonleiter
2. KAPITEL – QUINTFALLSEQUENZEN
NB 017: Quintfallsequenz wie NB 016, aber mit grundständigen Akkorden (Modell in Dur)
NB 018: Quintfallsequenz wie NB 016, aber mit grundständigen Akkorden (Modell in Moll)
Monte
NB 032: Monte 5-6-Modell
Indugio
NB 037: Indugio
Quiescenza
NB 038: Quiescenza
5. KAPITEL – OKTAVREGEL
Pentachorde
Tetrachorde
6. KAPITEL – HORNQUINTEN
Hornquintensatz
NB 045: Hornquintensatz
NB 10: E. Morricone, Ausschnitt aus der Filmmusik zu »Once Upon A Time In The West«
3. KAPITEL –
AKKORDE MIT ÜBERMÄSSIGER SEXTE
Akkorde mit übermäßiger Sexte sind Harmonien, die besonders ab der Wiener
Klassik zur Intensivierung expressiver Momente verwendet werden. Die Ak-
korde entstehen aus einer chromatisch-melodischen Fortschreitung (kontra-
punktiert-gegenläufige Stimmen) oder dem Wechsel aus einer benachbarten
Harmonie. Ihr Ursprung liegt in der phrygischen Kadenz mit dem charakteris-
tisch fallenden Halbtonschritt im Bass und gegenläufigem Ganztonschritt in
einer der Oberstimmen. Die Hauptcharakteristik der Akkorde mit übermäßiger
Sexte ist die Auflösung der übermäßigen Sexte nach außen in den Grundton der
Dominante. Die Verbindung Akkord mit übermäßiger Sexte – V zählt man zu den
phrygischen Wendungen.
Zusätzlich zu den von C. Kühn erwähnten drei weiteren Wendungen ist hier auch
jene mit dem doppelt-übermäßige Terzquartakkord, der klanglich ident mit dem
übermäßigen Quintsextakkord ist, abgebildet (f). Diese zählt aufgrund ihrer Wei-
terführung in einen Dur-Quartsextakkord nicht zu den phrygischen Wendungen
(Details siehe weiter unten bei doppelt-übermäßiger Terzquartakkord).
1
C. Kühn: »Musiktheorie unterrichten – Musik vermitteln«, Bärenreiter 2006, S. 89
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3. TEIL – 3. KAPITEL – AKKORDE MIT ÜBERMÄSSIGER SEXTE 173
Termini
Stufentheorie
Der Englische Komponist und Schüler Haydns, John Wall Callcott (1766-1821),
führte in seinem Buch A Musical Grammar die Begriffe Italian Sixth (für den
übermäßigen Sextakkord), German Sixth (für den übermäßigen Quintsext-
akkord) und French Sixth (für den übermäßigen Terzquartakkord) bei doppel-
dominantischer Verwendung dieser Akkorde ein. Er beschreibt die drei
Akkorde folgendermaßen:
»The Music of France, Italy, and Germany, cannot be illustrated in a smaller
compass than by the use of these three Chords. The feebleness of the French
Sixth, compared with the elegance of the Italian, and the strength of the Ger-
man, leaves no doubt of their superior excellence. The admirable genius of
Graun (Carl Heinrich Graun, 1704-1759, deutscher Komponist, Anm.) knew
when to employ Italian sweetness, and when to change it for German force.«1
Die Termini Italian Sixth, French Sixth, German Sixth und Swiss Sixth werden
in der Stufentheorie verwendet und mit den Chiffren
It 6
Fr34
Ger56
Sw 43
abgekürzt.
– übermäßiger Sextakkord
Sextakkord der 7. Stufe der Dominante mit tiefalteriertem Terzton in
der Bassstimme
Herleitung:
doppelt-verminderter Dreiklang (weichverm. Dreiklang) auf der
hochalterierten 4. Stufe der Ausgangstonart = 7. Stufe der Dominante;
NB 002: übermäßiger Sextakkord (doppeldominantisch verwendet)
– übermäßiger Quintsextakkord
Quintsextakkord der 7. Stufe der Dominante, tiefalterierter Terzton in
der Bassstimme
Herleitung:
verminderter Septakkord mit tiefalteriertem Terzton (dreifach-vermin-
derter Septakkord) auf der hochalterierten 4. Stufe der Ausgangstonart
NB 003: übermäßiger Quintsextakkord (doppeldominantisch verwendet)
b7
vii° b3/V Ger 56 V
vii°b65/V
b1
– übermäßiger Terzquartakkord
Terzquartakkord der Doppeldominante mit tiefalteriertem Quintton
in der Bassstimme
Herleitung:
Dominantseptakkord der Doppeldominante mit tiefalteriertem Quint-
ton (groß-vermindert-kleiner Septakkord)
NB 004: übermäßiger Terzquartkkord (doppeldominantisch verwendet)
Vb75/V Fr 43 V
6
V 43/V
b1
– doppelt-übermäßiger Terzquartakkord
Terzquartakkord der Doppeldominante mit hochalteriertem Grund-
ton und tiefalteriertem Quintton in der Bassstimme
Herleitung:
Dominantseptakkord der Doppeldominante mit hochalteriertem
Grund- und tiefalteriertem Quintton (verminderter Septakkord mit b 5,
klein-doppeltvermindert-verminderter Septakkord)
NB 005: doppelt-übermäßiger Terzquartkkord (doppeldominantisch verwendet)
Sw 43 V
#6
V 43/V
b1
Funktionstheorie
Doppeldominantisch verwendet werden die Akkorde mit übermäßiger Sexte in
der Funktionstheorie wir folgt erklärt:
– übermäßiger Sextakkord
verkürzter Dominantseptakkord der Doppeldominante mit tiefalte-
riertem Quintton in der Bassstimme
Herleitung:
verkürzter Dominantseptakkord mit tiefalteriertem Quintton
NB 006: übermäßiger Sextakkord (doppeldominantisch verwendet)
DD 5>
7
DD 7 D
5>
– übermäßiger Quintsextakkord
verkürzter Dominantseptnonenakkord der Doppeldominante mit
tiefalterierter None und tiefalteriertem Quintton in der Bassstimme
Herleitung:
verkürzter Dominantseptnonenakkord mit tiefalterierter None und
tiefalteriertem Quintton
NB 007: übermäßiger Quintsextakkord (doppeldominantisch verwendet)
9> 9>
DD 5>
7
DD 7 D
5>
– übermäßiger Terzquartakkord
Dominantseptakkord der Doppeldominante mit tiefalteriertem
Quintton in der Bassstimme
Herleitung:
Dominantseptakkord mit tiefalteriertem Quintton
DD 5>
7
DD 7 D
5>
– doppelt-übermäßiger Terzquartakkord
Dominantseptakkord der Doppeldominante mit hochalteriertem
Grundton und tiefalteriertem Quintton in der Bassstimme
Herleitung:
Dominantseptakkord mit hochalteriertem Grundton und tiefalterier-
tem Quintton
NB 009: doppelt-übermäßiger Terzquartkkord (doppeldominantisch verwendet)
DD 5>
7
DD 1<
7
D
1< 5>
Die Akkorde
Der übermäßige Sextakkord
Der übermäßige Sextakkord wurde bereits seit dem Frühbarock - wenn auch
selten - verwendet. Beim übermäßigen Sextakkord wird die in der phrygischen
Kadenz übliche Fortschreitung iv6 - V (a) durch die Einführung eines weiteren
Leittons zum Dominantgrundton noch intensiviert. Das dadurch entstehende
Intervall der übermäßigen Sexte zieht es klanglich stark nach außen und strebt
als Doppelleittonintervall zur Oktave (b).
NB 010: phrygischer Halbschluss (a), Intensivierung derselben Wendung durch den überm. Sextakk.
a) b)
c: i iv6 V i It6 V
t s D t DD7 D
3 5>
In der Klassik kommt der übermäßige Sextakkord in hohem Maße zum Einsatz.
Man findet ihn in der Literatur
Sein klangliches Merkmal ist seine Zusammensetzung aus zwei Tritoni im Ab-
stand einer großen Terz.
NB 011: die zwei Tritoni des übermäßigen Terzquartkkords
Löst man die Leittöne nach ihrer strebenden Tendenz auf, entstehen parallele
Quinten (»Mozartquinten«). Vermieden wird diese Stimmfortschreitung, wenn
man den übermäßigen Quintsextakkord entweder in einen übermäßigen Sext-
akkord (b) oder einen Vorhaltsquartsextakkord (c) vor den Akkord der Domi-
nante führt.
Klanglich ident mit einem Dominantseptakkord eignet sich der übermäßige Quint-
sextakkord hervorragend zur Modulation durch enharmonische Verwechslung.
NB 013: R. Schumann »Am leuchtenden Sommermorgen«; Versionen von 1840 und 1844
Ein Beispiel dafür findet sich bei R. Schumann, der im Manuskript seiner Dich-
terliebe aus dem Jahr 1840 den ersten Akkord des Liedes Am leuchtenden Som-
mermorgen als übermäßigen Quintsextakkord notiert. Im Druck von 1844 ist
dieser Akkord dann als doppelt-übermäßiger Terzquartakkord geschrieben.