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Anamnese

Inhalt der Anamnese

Aktuelle Anamnese/Leitsymptom (Die erste Frage einer Anamnese sollte


möglichst offen gestellt werden, um dem Patienten die freie Schilderung seiner Beschwerden
zu ermöglichen. Bsp.: „Was führt Sie zu mir?“, „Wie kann ich Ihnen helfen?“)

Häufigster Vorstellungsgrund von Patienten sind Schmerzen, aber auch bei anderen Leitsymptomen
sollten folgende Punkte geklärt werden:
Lokalisation
Art des Auftretens (Z.B. ein innerhalb von Minuten auftretender, unerträglicher Schmerz vs.
einen über Wochen/Jahre langsam zunehmenden Schmerz)
Verlauf (Manche Erkrankungen zeigen einen typischen Schmerzverlauf, so ist z.B.
der Schmerz bei Koliken meist von undulierendem Charakter (wellenförmige Zu- und
Abnahme).)
Ausstrahlung (Typisches Beispiel hierfür ist die Schmerzausstrahlung bei Myokardinfarkt,
die oft in den linken Arm, aber auch bis zum Kinn oder Oberbauch reichen kann.)
Zusätzliche Symptome (Z.B. Erbrechen, Stuhlverhalt
und Peritonitis bei Ileus (Darmverschluss)
Stärke (Um eine Angabe der Schmerzstärke zu ermöglichen, hat sich eine numerische Skala
von 1-10 bewährt, wobei 1 geringen und 10 größtmöglichen Schmerz bedeutet. Dabei ist
jedoch stets zu bedenken, dass die Schmerzstärke nicht objektiv messbar ist und der Grad
der Schmerzwahrnehmung stets vom Patienten abhängt.)
Art/Qualität (Z.B. stechende, brennende, dumpfe Schmerzen.)
Dauer (Hier ist nicht nur die Gesamtdauer der Schmerzen zu erfragen, sondern auch, ob
die Schmerzen dauerhaft bestehen oder ob sich zwischendurch schmerzfreie Phasen
einstellen.)
Erleichternde oder verschlimmernde Faktoren (Gallenkoliken treten z.B. häufig im
Zusammenhang mit fettreicher Nahrung auf, eine Nahrungskarenz führt entsprechend zu einer
Erleichterung der Schmerzen.)
Auslöser bzw. eigene Erklärung des Patienten bzgl. der Ätiologie der Beschwerden

Vorgeschichte
Vorerkrankungen (Hierbei kann es hilfreich sein, die Organsysteme mit dem Patienten
durchzugehen (z.B. „Haben Sie Erkrankungen des Herzens, des Magens/Darms, der Lunge“
etc.) oder häufige Erkrankungen (ggf. mit Vermeidung von Fachwörtern) anzusprechen
(„Zuckerkrankheit“, „Bluthochdruck“), um ihn so an bestimmte Erkrankungen zu erinnern. Die
Dokumentation sollte nach Möglichkeit chronologisch und nach dem (ungefähren) Zeitpunkt
der Erstdiagnose (ED) erfolgen (z.B. „Arterielle Hypertonie ED 2001“)
Voroperationen (Die Dokumentation sollte nach Möglichkeit mit Angabe des Zeitpunktes und
des Krankenhauses erfolgen.)
Allergien (Vor allem vor der Verabreichung von Medikamenten ist es essenziell, diesen Punkt
zu klären, da z.B. bei der Gabe von Penicillinen schwere allergische Reaktionen bis hin
zum anaphylaktischen Schock möglich sind. Unbedingt daher auch nach
stattgehabten allergischen Reaktionen fragen (z.B. nur Hautreaktion oder schwere systemische
Reaktion?).
Unverträglichkeiten (Eine Unterscheidung zwischen Allergie und Unverträglichkeit z.B.
gegenüber einem Nahrungsmittel oder einem Medikament ist klinisch von Bedeutung. Bei einer
Unverträglichkeit treten nach Aufnahme des Stoffes z.B. Übelkeit, Bauchschmerzen o.ä. auf,
mit allergischen Beschwerden bis hin zum anaphylaktischen Schock ist jedoch nicht zu
rechnen.)
Impfstatus
Medikamentenanamnese (Bei der Dokumentation der Medikamente sollte grundsätzlich der
Name des Wirkstoffs mit Angabe der Wirkstoffdosis, der Einnahmehäufigkeit und der
Darreichungsform festgehalten werden. Z.B. ASS 100 mg 1-0-0-0 per os (die Zahlen stehen für
die Anzahl der eingenommenen Dosen und die Tageszeit: Morgen-Mittag-Abend-Nacht). Bei
Frauen aktiv nach Einnahme „der Pille“ fragen, da diese oftmals nicht als Medikament
wahrgenommen wird.)

Vegetative Anamnese
Appetit (Viele Erkrankungen können den Appetit des Patienten verringern, klassisches Beispiel
sind maligne Erkrankungen wie z.B. das Magenkarzinom.)
Durst (Ein verringertes Durstgefühl kommt vor allem bei älteren Patienten häufig vor, eine
gesteigerte Flüssigkeitsaufnahme (Polydipsie) kann sich z.B. im Rahmen eines Diabetes
mellitus ausbilden.)
Gewicht
BMI (Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein wichtiger Parameter zur Abschätzung des
Körpergewichts im Bezug zur Größe eines Patienten. Der BMI errechnet sich aus dem
Quotienten von Gewicht und Größe in kg/Größe in m . Werte <18,5 werden als
2

Untergewicht, Werte >25 als Übergewicht angesehen.)


Schnelle oder unbeabsichtigte Gewichtsab-/-zunahme? (Eine schnelle
Gewichtszunahme ist oft durch Ödembildung bedingt und kommt z.B. im Rahmen
einer Herzinsuffizienz vor. Eine schnelle Gewichtsabnahme (Gewichtsverlust >10% in
den letzten 6 Monaten) kann auf eine maligne Erkrankung oder
eine Tuberkulose hinweisen.
Fieber (Temperaturen >38°C)
Nachtschweiß (Nachtschweiß ist in gewissem Maße und bei manchen Menschen
konstitutionell (z.B. durch Adipositas) durchaus als üblich anzusehen. Hellhörig sollte der
Untersucher allerdings werden, wenn der Nachtschweiß neu aufgetreten und so stark ist, dass
die Bettwäsche oder der Schlafanzug nachts gewechselt werden müssen.)
Stuhlgang
Frequenz
Durchfall? (Eine Diarrhö liegt vor, wenn eines der folgenden Kriterien
erfüllt wird: Stuhlentleerung mehr als dreimal am Tag, Verminderung der
Stuhlkonsistenz mit einem Wassergehalt von mehr als 75% oder
vermehrte Stuhlmenge mit mehr als 200–250 g pro Tag. Durchfall kann
bei infektiösen Erkrankungen aber auch im Rahmen von
Malassimilations- oder Malabsorptionssyndromen vorkommen.)
Obstipation? (Obstipation kommt häufig primär als Folge von
ballaststoffarmer Ernährung und/oder Bewegungsmangel vor. Allerdings
kann sie z.B. auch ein Hinweis auf Stenosen im Bereich des GI-
Traktes oder als Nebenwirkung von Medikamenten
wie Opioiden auftreten.)
CAVE: Eine plötzliche Änderung der Stuhlgewohnheiten ist ein
mögliches Symptom des Kolonkarzinoms!
Aussehen
Stuhl mit Blutbeimengungen (Verdacht auf Blutungen im unteren GI-
Trakt oder Blutung hämorrhoidaler Herkunft)
Teerstuhl (schwarz) (Verdacht auf Blutung im oberen GI-Trakt. Die
schwarze Farbe wird durch Hämatin verursacht. Hämatin entsteht, wenn
das Eisen des Hämoglobins beim Kontakt mit der Magensäure oxidiert.
Im Laufe der Darmpassage kommt es zudem zum bakteriellen Abbau
des Blutes und damit zur Schwarzfärbung des Stuhles, sodass auch
Dünndarmblutungen oftmals zu Teerstuhl führen.
Acholischer Stuhl (hell/weißlich) (Verdacht auf Gallenwegsobstruktion)
Lehmartiger Stuhl (Hinweis auf verringerte Fettresorption (z.B.
bei exokriner Pankreasinsuffizienz)
Miktion
Frequenz und Menge (Polyurie, Pollakisurie und Anurie)
Aussehen (Hier ist vor allem die Frage nach einer Rotfärbung des Urins wichtig.
Diese ist häufig auf eine Makrohämaturie zurückzuführen, die unter anderem ein
(Früh-)Zeichen für ein Urothelkarzinom sein kann. Daneben ist ein
außergewöhnlich stark schäumender Urin Hinweis auf eine Störung der Blut-
Urin-Schranke mit folgender Proteinurie.)
Dysurie (Hinweis auf Entzündungen oder Prostatahyperplasie)
Nykturie (Möglicher Hinweis auf eine Herzinsuffizienz. In der horizontalen
Körperposition nachts kommt es zur Mobilisierung der Ödeme → Steigerung
der renalen Durchblutung → Urinproduktion↑)
Inkontinenz (Wenn der Patient unter unwillkürlichem Harnabgang leidet,
sollten gezielte Fragen gestellt werden, um herauszufinden, um welche Art der
Inkontinenz es sich handeln könnte
(z.B. Dranginkontinenz, Belastungsinkontinenz oder Überlaufinkontinenz).)
Atmung
Husten
Trockener Husten (Trockener Husten kann eine
Medikamentennebenwirkung sein (ACE-Hemmer), aber auch z.B. im
Rahmen eines Asthma bronchiale auftreten.)
Wenn mit Auswurf: Farbe und Auftreten des Auswurfs (Z.B.
grünlich/gelblich, blutig, vor allem nach dem Aufstehen etc.)
Dyspnoe (Dyspnoe in Ruhe oder unter Belastung kann ein Hinweis auf eine
Lungenerkrankung (z.B. COPD) oder eine Linksherzinsuffizienz mit Rückstau
in die Lunge sein. Bei Vorliegen einer Dyspnoe ist es daher wichtig, nach
begleitenden und auslösenden Faktoren zu fragen. Eine Herzinsuffizienz ist vor
allem dann wahrscheinlich, wenn die Atemnot insbesondere nachts in flacher
Lagerung auftritt und der Patient weitere Zeichen einer Herzinsuffizienz zeigt
(wie z.B. periphere Ödeme).)
Schlaf → Ein- und/oder Durchschlafstörungen (Schlafstörungen können unter anderem
Zeichen einer Depression sein. Bei Verdacht sollte der Patient hier weiter nach gedrückter
Stimmung, Antriebs- und Interessenverlust befragt werden.)
Sexualität (Viele Erkrankungen aber auch Therapiemaßnahmen können eine
Beeinträchtigung der Sexualität bedingen. Während Schmerzen, Operationen aber auch
psychische Erkrankungen häufig mit einer generellen Abnahme der Libido einhergehen,
können Medikamente wie z.B. Betablocker zu Potenzstörungen führen. Manche Patienten
empfinden dies als geringe Einschränkung, während andere Patienten dadurch
außergewöhnlich stark belastet werden. Wo relevant, sollte daher eine Sexualanamnese
durchgeführt werden, bei der die Themen offen und ohne jede Wertung zur Sprache
kommen können.)

Ggf. gynäkologische Anamnese


Menstruation (Fragen nach regelmäßigem Zyklus, letzter
Periode, Zwischenblutungen und Menstruationsbeschwerden)
Menarche/Menopause Gab es eine frühe oder späte Menarche bzw. seit wann befindet
sich die Patientin in der Menopause?
Schwangerschaften und Geburten Fragen nach vaginalen Entbindungen, Sectiones,
Aborten

Genussmittel- und Suchtanamnese


Alkohol (genaue Angabe der Menge mit Vol% und l oder in g/d)
Bei Verdacht auf einen Alkoholismus kann z.B. der CAGE-Test durchgeführt
werden
Nikotin (Angabe der Menge in Pack Years (py))
Weitere Drogen

Familien- und Sozialanamnese


Beruf und aktuell ausgeübte Tätigkeit Zum einen kann die berufliche Tätigkeit für manche
Patienten ein großer Stressfaktor sein, zum anderen lassen sich aus der Art der Arbeit
Risikofaktoren für verschiedene Erkrankungen ableiten (z.B. Belastung mit Metallen oder
Umgang mit krebserregenden Materialien).
Familiäre Situation Hier ist vor allem das Erfragen von Ressourcen wichtig. Lebt der
Patient alleine oder hat er Unterstützung durch Kinder bzw. Ehe-/Lebenspartner?
Erkrankungen in der Familie
Reiseanamnese Dieser Punkt ist z.B. bei malignen Erkrankungen wichtig, um eine etwaige
genetische Komponente zu erkennen. Liegt eine auffällige Anamnese vor, sollte ein
Stammbaum zur Klärung des Erbgangs angefertigt werden.
Körperliche Aktivität
Besondere Belastungssituation erfragen bzw. weitergehende Eruierung bei Verdacht auf
psychopathologische Auffälligkeiten (siehe auch Psychopathologischer
Befund und Suizidanamnese)

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