Sie sind auf Seite 1von 9

U-Boot-Klasse 212 A

Die U-Boote der Klasse 212 A sind die derzeit modernsten U-Boote der Deutschen
Marine und der italienischen Marina Militare. Sie sind weltweit die ersten, deren
außenluftunabhängiger Antrieb auf Brennstoffzellen basiert.

Klassendetails

U-Boot-Typ Konventionelles Jagd-U-Boot


Bauzeit Seit 2003
Anzahl Einheiten Deutschland: 6 geplant, 4 in Dienst (Stand: 2008)
Italien: 2 in Dienst (Stand 05/2007)

Technische Daten

Länge 56 m
Breite 7m
Tiefgang 6m
(aufgetaucht)
Höhe über Turm 11,5 m
Verdrängung 1450 t aufgetaucht
1830 t getaucht
Antrieb Elektromotor (1700 kW)
Dieselgenerator (1050 kW)
Brennstoffzellen (306 kW)
Batterieanlage
Geschwindigkeit 12 kn aufgetaucht
20 kn getaucht
Tauchtiefe mind. 400 m, Zerstörungstauchtiefe ca. 700 m.
Besatzung 27
Bewaffnung 6 x 533-mm-Torpedorohre

Planung und Bau


Die Klasse 212 wurde von einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE U 212) der deutschen
Unternehmen Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) und Nordseewerke (NSWE)
entwickelt. Beide Firmen gehören heute zu ThyssenKrupp Marine Systems.

Versuche zum außenluftunabhängigen Antrieb mit Brennstoffzellen unternahm ein


Konsortium von HDW, Ferrostaal (heute MAN Ferrostaal AG) und IKL bereits Anfang
der 1980er Jahre; eine erste HDW-Landtestanlage mit 104 kW entstand 1983 in Kiel.
1986 wurde eine Versuchsanlage gleicher Leistung an Bord von U 1 eingebaut und
ab 1988 erprobt.

Im selben Jahr verpflichtete sich die Bundesmarine im Rahmen einer Kooperation mit
Norwegen, auf ihrer neuen U-Boot-Klasse 211 ein norwegisches integriertes
Computer-Führungssystem einzubauen. Im Frühjahr 1987 wurde diese Klasse
gestrichen und daher die Planungen für die Nachfolgeklasse 212 vorgezogen, für die
dann im Dezember 1987 die taktischen Anforderungen feststanden. Bereits für die
Klasse 211 entwickelte Komponenten und der Vertrag mit Norwegen wurden für die
neue Klasse übernommen. Die militärisch-wirtschaftlich-technische Forderung (MWTF)
stand im Mai 1994 fest, der Bauvertrag für die Klasse 212 wurde im Juli 1994
unterzeichnet. 1996 schloss sich Italien dem Programm an; der für die italienischen
Anforderungen überarbeitete Entwurf wurde in Klasse 212 A umbenannt. Ein Boot der
Klasse 212 (ohne A) hat es somit nie gegeben.

Bei der Entwicklung der Klasse 212 A ergaben sich Synergieeffekte mit der seit 1986
laufenden Entwicklung von U-Booten der Dolphin-Klasse für die Lieferung an Israel;
die Dolphin-Boote erlaubten den Test von Komponenten für die zukünftige Klasse.

Das Typboot U 31 wurde am 1. Juli 1998 auf Kiel gelegt und am 20. März 2002
getauft. Es begann im August 2002 die Funktionsnachweise im Hafen, ab April 2003
auf See. Im März 2004 begann die Erprobung in der Deutschen Marine. U 31 bildet
mit drei weiteren Booten der Klasse (U 32, U 33 und U 34) das erste Baulos. Die
Entwicklung der Klasse kostete Deutschland etwa 150 Mio. €, der Bau der vier Boote
für die Deutsche Marine jeweils gut 400 Mio. €.

Um die magnetischen Signaturen der neuen, größeren Boote vermessen und so


deren erschwerte magnetische Ortbarkeit sichern zu können, entstand von 2001 bis
November 2005 in Schirnau-Lehmbek ein neuer Erdmagnetfeldsimulator für etwa 40
Mio. €.

Modifikationen
Ab 1996 wurde für die italienische Marine ein Baulos von zwei Booten der Klasse 212
A realisiert; die ausführende Werft war Fincantieri in La Spezia, die
Brennstoffzellenanlage kam allerdings direkt von HDW. Es besteht eine Option auf
zwei weitere Boote. Die beiden Boote heißen Todaro und Scirè und unterscheiden
sich von den deutschen Booten nur geringfügig durch die Berücksichtigung
italienischer Zulieferer z. B. bei den Ausfahrgeräten und dem Lenkstand. Die große
Tauchtiefe der Klasse 212 A geht auf italienische Forderungen in der
Entwicklungsphase zurück.[7]

Das geplante zweite Baulos für die Deutsche Marine sieht keine tiefgreifenden
Änderungen gegenüber den vier ersten Booten vor. Erweitert werden sollen die
Fähigkeiten zum weltweiten Operieren, zum Einsatz von Spezialeinheiten und zur
verdeckten Aufklärung.[8] Hierzu werden neue Kommunikationssysteme integriert
und die Computersysteme verbessert; das Sonar wird überarbeitet (Ersatz der
Flankenbasis durch eine Flächenantenne); eines der Sehrohre wird durch einen
Optronikmast ersetzt; eine Vier-Mann-Schleuse für Kampfschwimmer wird eingebaut;
und die Klimaanlage wird tropenfähig ausgelegt.[3] Herzstück der verbesserten
Kommunikationsfähigkeiten ist die Antennenboje „Callisto“, die an der Spitze eines
Ausfahrmastes eingeklinkt als normales Antennensystem dient. Am Schleppkabel
ausgeklinkt erlaubt sie dem tiefgetauchten Boot, auf allen Frequenzbändern
terrestrisch und mit Satelliten zu kommunizieren.

Gegenwart und Zukunft


Am 25. April 2006 stellte U 32 mit zwei Wochen ununterbrochener Tauchfahrt, ohne zu
schnorcheln, einen neuen Rekord für nichtnuklear angetriebene U-Boote auf. Dies
geschah während einer Verlegung von Eckernförde nach Rota in Spanien.

Am 22. September 2006 wurde durch das Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung ein weiteres Los, bestehend aus zwei Booten der Klasse 212 A, bestellt,
die 2012 bzw. 2013 geliefert werden sollen. Ursprünglich sollte auch das zweite Los
aus vier Booten bestehen. Perspektivisch benötigt die Deutsche Marine zwölf Boote
der Klasse, um ihre Einsatzaufgaben zu erfüllen und die Vorgängerboote abzulösen,
aus finanziellen Gründen ist jedoch nicht absehbar, ob und wann weitere Boote
bestellt werden.

Technik
Das Gesamtkonzept der Klasse führt die Charakteristika der deutschen Nachkriegs-U-
Boote der Klasse 206 mit denen der zwischenzeitlich gebauten, größeren Export-U-
Boote deutscher Werften zusammen.

Bestimmend sind vor allem Elemente des Nordseewerke-Typs TR 1700; wie dieses ist
das Schiff erheblich größer als frühere deutsche Boote und erlaubt zwei Decks im
vorderen Bereich. Die Zentrale des Bootes ist so im Einsatz frei von störendem
„Durchgangsverkehr“. Der Komfort für die Besatzung wurde durch das größere
Raumangebot ebenfalls gesteigert; so gibt es zum ersten Mal zwei Nasszellen (jeweils
mit Waschbecken, Dusche und WC), Geschirrspülmaschine, Mikrowellenofen und ein
Multifunktions-Sportgerät.[11] Im Gegensatz zu allen davor gebauten Booten der
deutschen Marine, in denen sich die meisten Mannschaften eine Koje zu zweit teilen
mussten, hat fast jedes Besatzungsmitglied seinen eigenen Schlafplatz.

Das im Kalten Krieg für alle U-Boote der Bundesmarine bestimmende Kriterium, schon
in 17 m Wassertiefe getaucht fahren zu können, um die flachste Stelle der Kadetrinne
zu passieren, hält jedoch auch die Klasse 212 A ein. Verglichen mit denen anderer
Marinen sind die Boote weiterhin relativ klein.

Entwicklung und Bau der Klasse wurden durch ein ständig mitlaufendes
„Akustikmanagement“ auf möglichst geringe Geräuschemissionen ausgerichtet. Wie
bei anderen konventionell angetriebenen Booten auch entfallen bei Booten mit
Brennstoffzellenantrieb im Gegensatz zu Atom-U-Booten Wärmeabstrahlung und
Pumpengeräusche, was sie bei Schleichfahrt passiv nahezu unortbar macht.

Uboot der Klasse 212A bei HDW in Kiel

Rumpf
Der Rumpf ist stromlinienförmig mit zylindrischem Mittelschiff und damit auf hohe
Unterwassergeschwindigkeit ausgelegt. Der Turm erinnert in seiner organischen Form
eher an sowjetische als andere westliche Entwürfe. Die vorderen Tiefenruder sind am
Turm montiert. Dies reduziert die Strömungsgeräusche am Rumpf, was die
Sonarbedingungen verbessert. Die achteren Ruder sind diagonal (als X-Ruder)
ausgelegt; dies hat eine Reihe von Vorteilen, so insgesamt geringeren
Wasserwiderstand, geringere Mindestwassertiefe bei Tauchfahrt und ein geringeres
Risiko von Ruderschäden in Grundnähe.

Der Typ verfügt, wie schon die ältere Klasse 206, über eine Außenhülle aus nicht
magnetisierbarem Stahl. Damit ist es schwieriger, das U-Boot mit
elektromagnetischen Detektoren aufzuspüren, und es wird auch eine größere
Sicherheit in verminten Seegebieten erreicht. Um die Ortbarkeit weiter zu
erschweren, ist das Boot mit einem speziellen Kunststoff beplankt.

Antrieb
Neben der konventionellen Anlage aus Blei-Säure-Akkumulator (EnerSys-
Doppeletagenzellen) und einem Dieselgenerator (Motor: MTU 16V 365, Generator:
Piller, 1050 kW) ist eine HDW-Brennstoffzellenanlage eingebaut, die von der Außenluft
unabhängig Strom liefern kann. Die neun wassergekühlten Polymer-Elektrolyt-
Membran-Brennstoffzellenmodule selbst werden von Siemens hergestellt und leisten
zusammen 306 kW.[3] Sie werden mit flüssigem Sauerstoff aus Drucktanks und
Wasserstoff aus Metallhydridspeichern gespeist; als einziges Abfallprodukt fällt
chemisch reines Wasser an, das als Brauchwasser genutzt wird. Sowohl die zwei
zylindrischen Sauerstofftanks als auch die röhrenförmigen Wasserstoffspeicher
befinden sich außerhalb des Druckkörpers; um den flüssigen Sauerstoff zu
verdampfen und den Wasserstoff aus den Metallhydriden auszutreiben, wird das
Kühlwasser der Brennstoffzellen genutzt.

Der Dieselgenerator ist doppelt entkoppelt auf einem „schwimmenden Deck“


gelagert, um möglichst wenig Schall an den Rumpf und darüber an das Wasser
abzugeben. Die Antriebsanlage erlaubt das Fahren aus dem Bleiakkumulator oder
(aufgetaucht oder in Schnorchelfahrt) nur mit dem Dieselgenerator. Die
Brennstoffzelle wirkt stets nur auf die Batterie.

Angetrieben wird das Boot in jedem Fahrmodus über einen direkt auf die
Schraubenwelle montierten, durch einen integrierten elektronischen
Frequenzumrichter gesteuerten Siemens-Synchronmotor 1FR6134 mit
Permanentmagneterregung („Permasyn“), der im Vergleich zu konventionellen U-
Boot-Gleichstrommaschinen kompakter und leichter ausfällt. Der neuartige Motor
kann zudem stufenlos ohne Schaltgeräusche und Spannungsspitzen durch alle
Drehzahlbereiche geregelt werden, produziert geringe elektromagnetische
Abstrahlungen und wenig Abwärme. Eine aktive Geräuschunterdrückung verringert
niederfrequenten Schall. Da der Motor im niedrigen Drehzahlbereich mehr
Drehmoment abgibt als konventionelle Maschinen, erlaubt er, einen besonders
großen und effizienten Propeller zu verwenden.[12] Der siebenflügelige
Sichelpropeller soll besonders geringe Fahrgeräusche verursachen. Wie bei aktuellen
Schraubenentwürfen für U-Boote üblich wird seine Form geheim gehalten; auf Fotos
ist die Schraube entweder abgedeckt, oder es wurde eine Ersatzschraube montiert.
U32 am Ausrüstung Kai im Jahre 2004

Bewaffnung
Die Hauptwaffe des Bootes sind Torpedorohre vom Standardkaliber 533 mm. Anders
als bei früheren Booten handelt es sich statt um Ablauf- um Ausstoßrohre. Der
Torpedo wird also nicht schon im Rohr gestartet, sondern mit Druckwasser aus dem
Rohr ausgestoßen und läuft erst kurze Zeit später an. Dies verhindert die Ortung des
Bootes beim Abschuss der Waffe. Die Torpedorohre sind, was relativ ungewöhnlich
ist, asymmetrisch angeordnet; vier Rohre befinden sich backbords, zwei Rohre
steuerbords der Mittellinie.

Insgesamt können 12 Schwergewichtstorpedos vom Typ DM2A4 „Seehecht“


mitgeführt werden. Der Torpedo wird nach dem Schuss über einen Lichtwellenleiter
(Glasfaser) gelenkt und von Silber-Zink-Batterien über einen Elektromotor
angetrieben. Alternativ können bis zu 24 Rohrminen mitgeführt werden; je zwei Minen
ersetzen einen Torpedo.

Als Torpedogegenmaßnahme ist das Täuschkörperausstoßsystem TAU 2000


(Torpedoabwehr Uboote) installiert. Die vier Ausstoßcontainer mit je zehn
Täuschkörpern befinden sich vor dem Turm im freiflutenden Oberschiff, also
außerhalb des Druckkörpers. Bei den Booten des Los1 ist dieses System noch nicht
eingebaut, es soll beim Los2 realisiert werden.

Für die Zukunft ist der Einbau des Waffensystems IDAS geplant; dieser
lichtwellenleitergelenkte leichte Flugkörper kann getaucht ausgestoßen werden und
von der Wasseroberfläche aus Luftziele wie ASW-Hubschrauber oder auch Landziele
angreifen. In ein Torpedorohr kann ein Revolvermagazin mit vier IDAS geladen
werden.

Die Industrie hat in Eigeninitiative einen multifunktionalen Ausfahrmast („Triple M“)


entwickelt, der zum Beispiel eine rückstoßfreie 30-mm-Maschinenkanone vom Typ
Mauser RMK 30 oder einen Starter für bis zu drei Aladin-Aufklärungsdrohnen tragen
kann. Ob ein Einbau geplant ist, ist derzeit nicht bekannt.

Elektronik
Als Hauptsensoren sind mehrere passive Niederfrequenz-Sonarbasen eingebaut
(Zylinderbasis, Flankenbasis, Schleppsonar, passives Entfernungsmesssonar,
Abfangsonar für feindliche Sonarsignale); dazu kommt ein aktives
Hochfrequenzsonar. Als optische Systeme sind Zeiss-Optronik-Sehrohre installiert; das
Beobachtungssehrohr SERO 14 ist mit einer Wärmebildkamera, GPS-Antenne und
Antenne für elektronische Unterstützungsmaßnahmen, das Angriffssehrohr SERO 15
mit einem Laser-Entfernungsmesser, beide mit optischen Entfernungsmessern
ausgestattet. Die optische Ausrüstung ist anders als bei den Vorgängerbooten dazu
geeignet, auch nächtliche Aufklärung von Landzielen durchzuführen.

Alle Sensoren und Waffensysteme des Bootes sind durch ein integriertes
Computersystem des norwegischen Herstellers Kongsberg verknüpft. Im
Sprachgebrauch der Bundeswehr heißt dieses FüWES (Führungs- und
Waffeneinsatzsystem). Es wird über 20 Farbbildschirme bedient.

Einheiten Typ 212 A

Deutschland

Alle U-Boote der Klasse 212 A der Deutschen Marine


Bezeichnung Indienststellung Bemerkungen
U 31 - S 181 1. U-Bootgeschwader in Eckernförde seit dem 19.
Oktober 2005
U 32 - S 182 1. U-Bootgeschwader in Eckernförde seit dem 19.
Oktober 2005
U 33 - S 183 1. U-Bootgeschwader in Eckernförde seit dem 13. Juni
2006
U 34 - S 184 1. U-Bootgeschwader in Eckernförde seit dem 3. Mai
2007
U 35 - S 185 1. U-Bootgeschwader in Eckernförde geplant 2011 Kiellegung 21.
August 2007

Italien

Alle U-Boote der Klasse 212 A der Marina Militare


Bezeichnung Indienststellung
C.te Salvatore Todaro - S Kommando Unterseekräfte in Tarent seit 29. März 2006
526
Sciré - S 527 Kommando Unterseekräfte in Tarent seit 19. Februar
2007
U-31

Lichtwellenleitergelenkte Flugkörper
- Eine neue Technologie wächst zur Flugkörperfamilie

Mit einer bilateralen Machbarkeitsstudie startete 1991 eine neue Technologie im


Bereich der Lenkflugkörpertechnik: Der Einsatz von Lichtwellenleiter zur Lenkung und
Datenübertragung zwischen Flugkörper und Bodenstation. Nach erfolgreichem
Nachweis der Schlüsseltechnologien und Verschuss eines Lenkflugkörpers im April
1997 haben sich neben der artilleristischen Anwendung neue Bedarfsträger
gemeldet: Die deutsche Marine möchte die Lichtwellenleitertechnologie gleich
zweimal nutzen, als Uboot-gestützter Lenkflugkörper zum Selbstschutz gegen die
Bedrohung von Ujagdhubschraubern und als leichten Seezielflugkörper mit der
Fähigkeit, auch gegen Landziele eingesetzt zu werden. Befreundete Nationen haben
den Bedarf als Küstenschutz und sogar als Hubschrauber-gestützte Version
angemeldet.

Als die wehrtechnische Industrie Mitte der 80er Jahre erste Untersuchungen zum
Einsatz von Lichtwellenleiter im Bereich der Lenkflugkörpertechnik durchführten,
zielten diese auf eine störsichere bidirektionale Datenübertragung zwischen einem
Lenkflugkörper und einer Bodenstation. Dies wuchs aus der damaligen eingeführten
Technologie der Panzerabwehr-Lenkflugkörper, wie der Experimentalflugkörper
MAMBA-L der Firma MBB deutlich macht.

Parallel dazu waren moderne Entwicklungen geprägt durch den Grundsatz, den
Lenkflugkörper immer intelligenter und selbstständiger zu machen. Schlagworte wie
"fire and forget" oder "lock on after launch" waren beliebte Forderungen bzw.
Entwicklungsziele. Die daraus resultierenden technischen Lösungen führten zu einer
entsprechenden Explosion der Stückpreise. Daher lag es nahe, die Untersuchungen
mit der Lichtwellenleiterverbindung auch dazu zu nutzen, Baugruppen aus dem
"Verbrauchsgut" Lenkflugkörper zu entnehmen und an einer Stelle im Waffensystem
zu plazieren, die beim Schuss nicht verbraucht wird und somit für weitere Einsätze zur
Verfügung zu stellen, ohne dabei auf Eigenschaften wie Intelligenz oder Autonomie
zu verzichten.

Als weiterer Vorteil bei der Nutzung der Lichtwellenleitertechnologie für


Lenkflugkörpersysteme zeigte sich bereits zu Beginn der Untersuchungen, dass bei
Verwendung eines bilderzeugenden Sensors im Flugkörper und Übermittlung dieses
Bildes an die Bodenstation ein solches System Reichweiten erlaubt, die weit über die
der bisherigen Panzer- bzw. Panzerabwehrwaffen hinausgehen. Somit ergab es sich
folgerichtig, dass die durch das Bundesministerium der Verteidigung initiierten
Vorphasenuntersuchungen innerhalb der Studiengruppe "Kampfunterstützung"
durchgeführt wurden.

Im Zuge der Vorbereitungen der Machbarkeitsuntersuchungen für die


Schlüsseltechnologien eines lichtwellenleitergelenkten Flugkörpers wurde im Jahre
1991 eine Kooperation mit Frankreich geschlossen. Dieser bilateralen
Vorphasenaktivität schloss sich 1994 Italien an. Das trilaterale Experimentalprogramm
sollte überprüfen, ob:
mit Hilfe eines sich im Heck des Lenkflugkörpers abspulenden Lichtwellenleiters
bidirektional Daten zuverlässig über eine Flugstrecke von 30 km übertragen werden
können,
eine Wärmebildkamera in preisgünstiger Technologie in einen Lenkflugkörper zu
integrieren und so zu betreiben ist, dass auswertbare Infrarot-Bilder an die
Bodenstation übermittelt werden,
der Bediener in der Bodenstation so in den Bekämpfungsablauf des Lenkflugkörpers
einzubinden ist, dass er zu jeder Zeit die vorprogrammierte Automatik übersteuern
kann, bzw. in der Lage ist, mit Hilfe des ihm angebotenen Bildmaterials Ziele zu
entdecken, zu erkennen, zu identifizieren und zuzuweisen.
Die Industriearbeiten, mit denen die Firmen EADS-LFK (Lenkflugkörpersysteme) in
Deutschland, EADS-Aerospatiale in Frankreich und Italmissile in Italien beauftragt
wurden, fokussierten sich auf die Entwicklung eines Experimentalflugkörpers zum
Nachweis der Machbarkeit dieser Schlüsseltechnologien. Das Programm wurde im
April 1997 mit dem erfolgreichen Verschuss eines 30 km-Lenkflugkörpers auf dem
französischen Schießplatz CEV (Centre d´essay de vol) in Biscarosse abgeschlossen.

Parallel zu den technischen Arbeiten haben die Heeres-Führungsstäbe der drei


beteiligten Nationen ihren militärischen Bedarf abgestimmt und die Gemeinsamen
Militärischen Forderungen für einen lichtwellenleitergelenkten Flugkörper am 17. März
1994 in Kraft gesetzt. Somit wurde die Grundlage geschaffen, um über die
Vorphasenaktivitäten hinaus gemeinsam an der Realisierung eines
Artilleriewaffensystems zu arbeiten. Einige wesentliche operationelle
Grundforderungen sind:
Vernichtung von harten und halbharten Einzelzielen wie Gefechtsfahrzeuge,
Gefechtsstände, Funk- und Fernmeldeeinrichtungen, Flugabwehrsysteme,
Versorgungseinrichtungen und andere empfindliche Punkte im präzisen Einzelschuss
unter Minimierung der Kollateralschäden.
Einsatz des Waffensystems weltweit bei Tag, Nacht und bei eingeschränkter Sicht mit
hoher operationeller und technischer Verfügbarkeit auf Schussentfernungen bis zu 60
km.
Hochbewegliches, luftverladbares System zur Feuerunterstützung.
Nutzung des beim Einsatz gewonnenen Bildmaterials zur Wirkungskontrolle und zur
Verdichtung der Lage- und Zielaufklärung.

Dies führt zu einer Systemauslegung für ein Artilleriewaffensystem TRIFOM (Trilateral


Fiber Optic guided Missile) mit folgendem funktionellen Prinzip: Nach Aufklärung
eines geeigneten Ziels erhält das Waffensystem einen Feuerauftrag. Die
Missionsdaten werden bei der Feuerleitung oder im Werfer direkt programmiert, und
der Lenkflugkörper wird gestartet. Während des autonomen Marschflugs in das
Zielgebiet überträgt die im Flugkörper integrierte Wärmebildkamera mittels des im
Heck abspulenden Lichtwellenleiterkabels die aufgenommenen Bilddaten in Echtzeit
an die Bodenstation. Wenn der Lenkflugkörper im Zielgebiet angekommen ist,
markiert die automatische Bildverarbeitung das Zielgebiet und die darin entdeckten
potenziellen Ziele. Diese werden mit Hilfe von Zielalgorithmen verifiziert und als
mögliche Ziele erkannt. Der Bediener hat die Möglichkeit, Einfluss auf die Zielauswahl
zu nehmen, das Ziel zu identifizieren und den Endanflug einzuleiten. Der Flugkörper
wird automatisch, im Ausnahmefall manuell, ins Ziel gelenkt und ist während der
gesamten Flugzeit durch den Bediener lenkbar. Dadurch kann im Endanflug bei
Bedarf der Auftreffpunkt auf dem Ziel korrigiert werden, bzw. der
Bekämpfungsvorgang bis unmittelbar vor dem Ziel ohne Verlust des Flugkörpers
abgebrochen und ein neues Ziel aufgefasst werden.

Das könnte Ihnen auch gefallen