DRAMEN- UND THEATERTHEORIE Einführende Überlegungen Drama und Theater
• Im Dramatischen treffen sich ein Gemachtes
(Artefakt/Drama) und ein Getanes (Performance/Spiel/Theater). • Beide charakterisieren sich durch drei Grundelemente: Handlung, Figur und Raum. • Das Medium des Dramatischen ist die Bühne. • Dramatische/theatralische Kommunikation = die Ansprache eines Einzelnen oder einer Gruppe an eine große/größere Anzahl von Menschen • Kommunikation in Form von Darstellung/Performance • Das Dramatische ist von allen Künsten die am meisten performative Kunst. • Sie rückt die Aufführung in den Vordergrund als Ergebnis körperlichen, räumlichen und klanglichen Zusammenwirkens von Aktanten/Agierenden auf und außerhalb der Bühne. • Das Performative wurde bereits in der Sprechakt- Theorie von Austin theoretisiert: Sprache hat die Fähigkeit, Handlung zu bewirken und Realität zu schaffen/zu verändern. • J. Butler greift die Idee des Performativen auf und sieht darin die Möglichkeit Identität und soziale Wirklichkeit zu konstituieren (vgl. Performative Acts and Gender Constitution – An Essay in Phenomenolgy and Feminist Theory). • Das Performative ist selbstreferenziell und wirklichkeitskonstituierend und zwar durch Verkörperung. Definition des Performativen/der Performativität laut Erika Fischer-Lichte (1) • “Der Begriff [Performativität] bezeichnet bestimmte symbolische Handlungen, die nicht etwas Vorgegebenes ausdrücken oder repräsentieren, sondern diejenige Wirklichkeit, auf die sie verweisen, erst hervorbringen. Sie entstehen, indem die Handlung vollzogen wird. Ein performativer Akt ist ausschließlich als ein verkörperter zu denken.” (1) Performativität. Eine Einführung. Bielefeld, 2012, S.44 Kommunikationsstruktur des Dramatischen • Drei sich überlagernde Kommunikationsebenen sind im Drama zu unterscheiden: a. die dramatische, b. die theatralische und c. lebensweltliche • Zwei Kommunikationsreihen: a. Autor-Drama/Werk-Leser; b. Theaterapparat-Aufführung/Inszenierung- Zuschauer. • Jede ist auf spezifische Weise zu dekodieren Autor Stück Leser
Figuren Schauspieler
Regisseur/ Aufführung Zuschauer
Theaterapparat Drama(tisches) Stück vs. Drama
• (Theater)Stück = der literarische Text, den ein Autor für eine
Aufführung schreibt • Drama = ein virtueller Text, der die schriftliche Fixierung und die Menge aller tatsächlichen und möglichen theatralischen Kodierungen umfasst • Tendenz zur Verschachtelung und Reduplikation bzw. Selbstreferenzialität • Plurimedialität als „wesentlicher Faktor theatralischer Bedeutungskonstitution“ (Mahler, 1992, 80), d.h. Informationen werden über drei wesentliche Kanäle übermittelt: Aktion Szene Stimme (performativer Text) (szenischer Kontext) (sprachlicher Text)
Raumbewegung Bühnenform Stimme
(Choreographie) Bühnenbild Beleuchtung gespr. Wort Mimik Effekte Gesang Gestik Musik Aussehen Kostüme Grundelemente von Drama und Theater • Raum und Bühne: schafft Annäherung an Wirklichkeit • Figur: ermöglicht Zugang zum Drama durch Konstellation und Konfiguration • Handlung: besteht aus und bewirkt Situationsveränderung; • Aktion auf a. der Ebene der Darstellung (inhaltsbezogen) und b. Ebene des Dargestellten (theaterbezogen) • Sprache: charakterisiert Figuren und treibt Handlung voran (Aussagegehalt vs. Handlungsgehalt); simuliert alltägliche Kommunikationssituation; Verletzung der üblichen Gesprächsprinzipien • Theatertext und theatralische Notationen • Aufführung und Interpretation Raum und Räumlichkeit • Raum als Dimension der Realität in der anthropologischen Wahrnehmung • Ambiguität des Raumes: Raum des Geschehens innerhalb des Dramas (z. B. Tempel, Studierzimmer, Kneipe, usw.+ fiktional) und innerhalb des architektonischen Gebäudes, in dem eine Aufführung stattfindet (Straße, Kirche, Theatersaal+real). • Räumlichkeit als Kennzeichen der konkreten Aufführung wird performativ erzeugt, d.h. sie entsteht durch Interaktion aller im Spiel Implizierten und ist instabil/veränderlich/flüchtig. • Sie ist ebenso Teil des Fiktionalen wie der Realität. • Der Raum der Aufführung ist ein bewegter und beweglicher Raum und entsteht auf Grund der Interaktion aller anwesenden Personen und Dinge. • Raum und Räumlichkeit schaffen Atmosphäre, die ihrerseits ein Erzeugnis von Performativität ist (hierzu Beispiel: Nyktophobie oder Mephistos später Gruß an Faust, Wien, April 2010, Alte Kapelle). Bühne
• Ort des darstellenden Spiels
• Ausgesuchter Ort, an dem jemand einer Ansammlung von Individuen etwas mitteilt (gestisch, mimisch, sprachlich) • Freier Raum • Einzug in den geschlossenen Raum: Kirche vs. Privathaus (englisches Landhaus) • Budenbühnen der Wandertruppen • Theaterhäuser mit entsprechender Bühne (Orchesterraum, Zuschauerraum, Schauspielergarderobe) • Das Opernhaus und mechanische Theatereffekte • Die Guckkastenbühne und das Illusionstheater • Anti-illusionstheater und offene Bühne • Das neue Theater nach Brecht • Die Runde statt der Bühne Figuren
• Über Figur ist Drama wahrnehmbar
• Figuren aus unterschiedlicher Perspektive aufzufassen: Einfühlung vs. Verfremdung • Keine realen Personen • Theatralische Konstrukte: stehen in Äquivalenz bzw. Opposition zu einander • Antagonisches Verhältnis Konstellation und Konfiguration der Figuren • Konstellation: das zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Bühne agierende Personal • Konfiguration: Gesamtheit aller agierender Personen eines Stückes Figurengruppierung (Konstellation)
• Zahl der Figuren (Monodrama, wenige Figuren, viele Figuren
und Massenszenen, Volk) • Haupt- und Nebenfiguren • Held (Protagonist) und Gegenspieler (Antagonist) • Intriganten und Opfer der Intrige, außenstehende Figuren • Wiederkehrende Gegensätze (männlich vs. weiblich, alt vs. jung, sozial höher vs. sozial tiefer gestellt) • Kontrastbeziehung (Gegner, Figuren mit unterschiedlichen Merkmalen) und Korrespondenzbeziehungen (Verbündete, Figuren mit übereinstimmenden Merkmalen). Figurenverteilung (Konfiguration) • Zusammen auftretende (konkomitante) Figuren • Getrennt auftretende (alternative) Figuren • Immer wieder auftretende (dominante) Figuren • Das Konzept der Figuren ist heute einem deutlichen Paradigmenwechsel unterworfen: wechselnde Identität/Maske/Rolle Techniken der dramatischen Figurencharakterisierung figural auktorial
explizit implizit explizit implizit
Kommentar im Nebentext Kontrast
Monolog Dialog in praesentia/absentia Sprache im Drama und im Theater • Charakterisiert Figuren • Treibt Handlung voran • Hat zwei Adressaten und zwei Aussagesubjekte • Pragmatischer Charakter: Referenzfunktion; bewirkt Kontakt und Beziehung; lenkt Sympathie • Funktioniert auf Grund der Verletzung der üblichen Gesprächsprinzipien (Kooperationsprinzip funktioniert vor allem zwischen Spieler und Zuschauer, nicht aber innerhalb des Stückes selbst) • Dramatische und rhetorische Ironie (uneigentliches Reden) • Besondere Formen der Kommunikation im Drama: Beiseite- Sprechen, Wortspiel, Anspielung, Polysemie, Ambiguität, Euphemismus, Emphase, Über- und Untertreibung Handlung auf inhaltsbezogener und formbezogener Ebene
Subjektives Tun d. Fig. Spiel an sich
Ergebnis des Schicksals Ergebnis dramatischer Vorgänge
• Handlung perspektiviert Drama • „offen“ vs. „geschlossen“ • verdeckte Handlung (im analytischen Drama) • Tendenz zur Episierung des Dramas und des Theaters