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Lyrik

UNIVERSITÄT BIELEFELD

FA K U LT Ä T F Ü R L I N G U I S T I K U N D L I T E R AT U RW I S S E N S C H A F T

PROPÄDEUTIKUM

WISE 2022/23

TUTORIN: HELENE CHRISTLEID

E-MAIL: HELENE.CHRISTLEID@UNI-BIELEFELD.DE
Gattungsgroßform  systematisches Verständnis von Lyrik setzt ab ca. 1750 ein
Lyrik
 Definition: Lyrik als Sprache der Leidenschaft, Empfindungen
und Gefühle (dt. theoretische Beiträge von bspw. Schlegel, Herder,
1. Systematische Hegel)
Verwendung
 im 19. Jh. kommt es trotz solcher Beiträge zu keiner einheitlichen
Fassung dieses Begriffs, aber das Theorem der Subjektivität der Lyrik
wird durch Goethe und die Romantik gestützt und bestätigt
> Historischer Überblick <
 Entwicklung des Paradigmas der Erlebnisdichtung

 die Barockforschung, die Aufnahme der modernen Lyrik in den


Quelle: Metzler Lexikon Literatur germ. Kanon und die Verarbeitung des russ. Formalismus brachten
(3. Aufl.), 2007. einen Bruch mit diesem Subjektivitätstheorem
Ich möcht als Spielmann reisen

Weit in die Welt hinaus,

Und singen meine Weisen,

Das zerbrochene Ringlein Und gehn von Haus zu Haus.

In einem kühlen Grunde

Da geht ein Mühlenrad, Ich möcht als Reiter fliegen

Wohl in die blut'ge Schlacht,


Mein Liebste ist verschwunden,
Um stille Feuer liegen
Die dort gewohnet hat.
Im Feld bei dunkler Nacht.

Sie hat mir Treu versprochen,


Hör ich das Mühlrad gehen:
Gab mir ein'n Ring dabei,
Ich weiß nicht, was ich will –
Sie hat die Treu gebrochen,
Ich möcht am liebsten sterben,
Mein Ringlein sprang entzwei.
Da wär's auf einmal still!
 Wer Lyrik im Rahmen eines Gattungssystems begreifen will,
Lyrik ist auf Kategorien angewiesen, welche die Unterscheidung von
anderen Gattungen gewährleisten.

1. Systematische  „Rede in Versen“ (Lamping)


Verwendung  Erfassung eines notwendigen Merkmals; Unterscheidung von
Prosa gegeben; grundlegend für den ästhetischen Charakter des
Gedichts

> Neuere Definitionen <


 Die Versgliederung schafft vom Satz unabhängige
semantische Einheiten, welche die Bedeutung der Rede
vermehren.
Formales Merkmal: Vers

 Die Verspause erhöht die Aufmerksamkeit für die Wörter der


Verseinheit
Quelle: Metzler Lexikon Literatur
 diese Wörter erhalten eine Bedeutungschance, die syntaktisch
(3. Aufl.), 2007. gestützt sein kann, sich aber nicht allein durch den Satzbau
realisieren ließe.
 dieses Strukturmerkmal gewährleistet eine weitere
Lyrik Abgrenzung von dramatischer und epischer Rede
 Wie ist die Rede im Drama? Wie in der Epik?

1. Systematische
Einzelrede ist
Verwendung
 monologisch
> Neuere Definitionen <  anders kommunikativ als in Gesprächssituationen
 strukturell einfach im Unterschied zu komplexer Rede wie
z. B. vermittelter Rede eines Erzählers
Strukturmerkmal: „Einzelrede“

 Dieses Merkmal ist systematisch notwendig, muss in den


historischen Realisationen aber nicht in allen genannten
Quelle: Metzler Lexikon Literatur Hinsichten ausgebildet sein.
(3. Aufl.), 2007.
 Sammelbezeichnung für alle Gedichte
 zur Lyrik zählen dann auch epische oder dramatische Gedichte,
die durch das systematische Verständnis der Gattung
ausgeschlossen wären
Lyrik  z. B. Balladen (mit einem vermittelnden Erzähler), Gedichte
mit dialogischer Struktur, experimentelle Formen an den
Grenzen von Vers und Rede (sofern sie im lit. Leben als
Gedichte gelten)
2. Sammelbegriff

 die Gattung ist dann historisch offen; und „lyrisch“


> Andere Definition → andere bedeutet die Zugehörigkeit eines Textes zur so verstandenen
Interpretationspraxis< Gattung der Gedichte

 die entsprechende Interpretationspraxis arbeitet mit dem


Quelle: Metzler Lexikon Literatur Konzept typischer Merkmale
 Solcher Merkmale, die Gedichte auffallend häufig prägen ohne
(3. Aufl.), 2007.
notwendig oder ihnen alleine vorbehalten zu sein
 bei Ausschluss des Prosagedichts bleibt der Vers als
notwendiges Merkmal bestehen
 Ergebnis: Segmentierung der Gedichtsprache
 Überstrukturiertheit aus Vers und Satz
Lyrik  dies gibt dem Gedicht in jedem Fall eine von der Prosa
abweichende (tendenziell poetische) Qualität

2. Sammelbegriff  gesteigert wird die poetische Qualität durch die


Hinzunahme von
 einer metrischen Organisation in Reim und Strophen
„Selbstreferentialität“  es entsteht eine Klangqualität, die ihrerseits semantische
Funktionen übernehmen kann

 das Zusammenspiel ergibt eine gedichttypische, erhöhte


Artifizialität der Sprache, die sich bei der Kürze des Textes
bemerkbar macht
Quelle: Metzler Lexikon Literatur  diese gesteigerte Sprachkunst artikuliert sich oft als
(3. Aufl.), 2007. Selbstreferenzialität (Verselbständigung der Sprache)
 tendeziell verweisen lyrische Texte auf die Machart ihrer
sprachlichen Hervorhebung
 Der Interpretationspraxis steht ein aus der Geschichte
gewonnenes und angereichertes Ensemble von Merkmalen
zur Verfügung, von denen allein der Vers notwendig ist und
Lyrik die anderen in gattungsgeschichtlicher Hinsicht
(historischer Kontext) als charakteristische Auswahlen oder
Kombinationen vorkommen und die Lektüre auf den
2. Sammelbegriff Gedichtcharakter des Textes ausrichten.

 Gesucht werden nicht Merkmale, die allen lyrischen


> Interpretationspraxis <
Texten gemeinsam sind, sondern gerade so viele Merkmale
wie zum Erkennen der „Familienähnlichkeit“ erforderlich
sind.

> „Familienähnlichkeit“ <


 der historische Ansatz bietet sich dann an, wenn eine
systematischen Gattungsdefinition grundsätzlich verneint
wird oder für einen bestimmten Text nicht erwogen wird
 jeder theoretische Ansatz hat eigene, andere Prämissen
giersch Gryphius

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