Sie sind auf Seite 1von 5

Jerome Bruner – Wie das Kind sprechen lernt (1983)

Vorwort
Zwei Klammern:
1) Äußerliches Format: Arrangement der Gesprächssituation mit Kindern
2) Innerliche Vorgehensweise: Umwandlung von Absicht in Sprache → mittels wirkungsvoller
Verhandlungen entwickelt

Kapitel 1 – Einführung
Drei Arten des Verständnis von Sprachererwerb:
1) Formaler Aspekt (Syntax): Regeln der Sprache in Anbetracht von Übergangsphasen mit Struktur
von nicht-erwachsenen Regeln
2) Bedeutungs-Aspekt (Semantik): Verweisen und Meinen
3) Funktioneller Aspekt oder Aspekt der kommunikativen Absicht (Pragmatik): Wirksamkeit und
Effektivität der Sprachäußerungen
Chomskys LAD (Language Acquisition Device) → Bruners LASS (Language Acquisition Support
System)

Kapitel 2 – Vom sich-verständigen zum Sprechen


Übergang vorsprachliche Kommunikation zu Sprache; Prädisposition und Voraussetzungen zur
Sprache: Fähigkeit (Gene) vs Ausübung (→ Handlungs- und Denkweisen in Kultur)

Kognitive Grundausstattung
Drei Beobachtungen
a) Kognitive Verarbeitungsprozesse begleiten und unterstützen zielgerichtetes Handeln (Mittel
Zweck Bereitschaft)
b) Großteil des Handelns ist sozial und kommunikativ (Transaktionalität)
c) Handlungen finden in umgrenzten familiären Situationen statt und weisen einen hohen Grad von
Ordnung und „Systematik“ auf → Zwei Implikationen 1) Variation von Elementen macht auf wenig
viel → generative Kombinationen 2) Im sozial geordneten Bezugsrahmen: Bedeutung,
Interpretation und Absichten werden geübt (=^= Formate) (Systematik)
d) Systematischer Charakter der angeborenen kognitiven Ausrüstung ist überraschend abstrakt
(Abstraktheit)

Der Eintritt in die Sprache


1) Wirrsal der Theorien: ursprüngliche Annahme (Augustin) : Sprache wird (behavioristisch) am
Modell gelernt per Assoziation
2) Chomskys LAD (Nativismus)
3) Weltwissen: semantischer Ansatz – functinal core model (FCM) Skript für Ereignisstrukturen
4) Pragmatisch: kommunikative Absicht und Funktion

Unterstützung des Spracherwerbs


1) Sprachliche Feineinstellung mittels Anpassung der Eltern an kindliches Niveau: Hervor- und
Beibringen von kommunikativen Fähigkeiten → in Rountinen oder Formaten = Hilfssystem zum
Spracherwerb
2) Vorbild und Mut, kommunikative Grundfähigkeiten (Laute und Gesten) mit Worten zu ersetzen
→ sprachliche Bewältigung des Bittens = Konventionalisierung der nicht-natürlichen Zeichen von
nicht-konventionalen natürlichen Zeichen: kleines Lexikon von Skripts und damit verknüpften
kommunikativen Verfahren
3) (Besonders bei spielerischen Formaten:) verabredete, sprachlich konstituierte Ereignisse →
„nehmen wir an“ Formate

Kapitel 3 – Spiel und Sprache


Spiel ermöglicht ausprobieren mit eingeschränkten Konsequenzen
Sprachlern-Spiele: Versteckspiele, auf-den-knien reiten → idealisiert: künstlicher Rahmen –
konstitutiv und in sich geschlossen, konventionalisiert und nicht-natürlich, zugewiesene Rollen
Syntaktische Art: Oberfläche (konkrete Handlungen) und Tiefenstruktur (Bedeutung oder Sinn der
Handlung)

Richard und Jonathan: Zwei Fallstudien


Spiele: Verschwinden und Wiedererscheinen von Objekt
Tiefenstruktur (kommunikative Bedeutungen) und Oberfläche (tatsächliche Worte) bei
Verschwinden-Spiel:
a) Vorbereitung (Aufruf zur Aufmerksamkeit): „wer ist das?“ + Rollenverteilung (aktiv/passiv),
b) Verschwinden: Start („da geht er“), Vollendung („jetzt ist er weg“) und Suche („wo ist er?“)
c) Wiedererscheinen: Start, Vollendung („er kommt“, „hallo“, „jonathan“)
d) Wiederherstellung: Erregung („bababu“), Einschränkung („iss ihn nicht auf“)
zu beobachten: Teilhabe an Struktur und Rolle

Kapitel 4 – Die Entwicklung des Bedeutens


Philosophische Theorie der Bedeutung: Hilary Putnam
Rahmen
1) Signal der Absicht, auf etwas hinzuweisen kommunizieren
2) Hinweise kann bezüglich Genauigkeit variieren
3) Hinweisen / Meinen = Form der sozialen Interaktionen: Steuerung der gemeinsamen
Aufmerksamkeit
4) Zielkriterien des Hinweisens:Mittel des Lenkens der Aufmerksamkeit bei funktionierender
Interaktion erreicht
- Bedeutung wird innerhalb eines Kontextes erschlossen → elterliches Kontexteinrichten

Die Steuerung der gemeinsamen Aufmerksamkeit


Passive Entwicklung
1) Suchen des gegenseitigen anhaltenden Blickkontakts (ende 2. LM) mit stimmlicher Begleitung
→ Abwechseln und Beisammensein
2) Einführung von Gegenständen als Fokus gemeinsamer Aufmerksamkeit (3-9 LM), Stimme als
Platzhalter: „dass Mutter Aufmerksamkeit lenkt“
3) Ab 5 Monate: Sobald standardmäßige Orientierungsreaktion des Kindes kommt: Ansteigende
Prosodie, Namen und „oh schau“ („oh look“?) als Einleitung zur gemeinsamen Aufmerksamkeit bei
nicht-visuell-vorhanden Sein von Gegenstand
4) „was in der Aufmerksamkeit anderer liegt“ a) Kinder achten auf die Blickrichtung der Eltern b)
triangulieren + vokalisierung zwischen 8-12 → Suche nach Objekt (und Kontrolle der
Blickrichtung wenn keins gefunden wird) und Gesicht des Erwachsenen bleibt peripher im Blick (=
Aufrechterhalten des Kontaktes)
Aktive Entwicklung
1) Zuerst Greifen und Holen von Gegenständen ohne soziale Kontaktaufnahme
2) Ab 13 Monaten: Zeigen + Hinweislaut (Vokalisation) oder „da“
3) phonetisch konstante aber nicht konventionelle Wörter
4) spielerische Fragen durch Mutter „wo?“ und „was?“

„Bücher lesen“: Die Entwicklung des Benennens


Ab zweitem Lebensjahr
Frühere dialogische Formen: Körperteile, andere konkrete Dinge → Geben und Nehmen,
Tauschspiele: Rollen, gemeinsame Aufmerksamkeit, Rollentausch, sequentielle Struktur →
Basisfähigkeit Abwechseln (statt gleichzeitig äußern)
Typische Äußerungen des Buchlesens: a) Aufruf („Schau“) b) Frage („was ist das?“ 3) Bezeichnung
(„das ist ein …“) 4) Rückmeldung („ja“), oft a-d in Reihenfolge
„Was ist das?“ Spiele (und was tut der?)

Nochmals ein Blick auf die Theorie


Theorie: Verhandlungen über Realität, Bedeutungen, Inhalt, Worte und Wissenslernen
Kapitel 5 – Die Entwicklung des Bittens
Kommunikativer Akt: Erhalten eines Gegenstands oder einer Handlung
Diffuser Beginn: „dass“ das Kind etwas möchte, bevor klar ist „was“ es möchte → Zeichen: Ärger,
Schreien (ab 4LM unterscheidbar durch Mütter), Hände ausstrecken
nach 26 LW: Bedürfnisse wandeln von körperlichen zu psychischen Ursachen → soziale Reaktion
(stimmliche Reaktion)
8 LM: Unterbrechen des Schreiens und Check auf Reaktion der Erwachsenen, Schreie
konventionalisiert (stärkeres Grundspektrum) → Gesprächsaspekt
8 LM: Ausstrecken des Armes in Richtung von Dingen + begleitende Laute→ Objektorientiert
innerhalb weniger Monate: offene Hände, konventionalisierte Laute
drei Haupttypen des Bittens: Gegenstände, Einladen zum Handeln (ab 13-14 LM), Hilfe (ab 13-14
LM)

Das Erbitten von Gegenständen


Übergeleitet aus selbstständiger Gabe/Hilfe der Erwachsenen von Spielzeug: von Ausstrecken,
individueller Bemühung zum ikonischen Zeichen des Bemühens (stilisierte, demonstrative) Geste
und parallel das Gleiche mit der Stimme von ind. Mühlauten zu ikonischen Lauten
1) Blick auf Gegenstand
2) Blick auf Mutter, wenn Gegenstand nicht erreicht wird
3) ab 9 Monaten: wechselnder Blick auf Gegenstand und Mutter
6) ab 14 Monaten Bitten um nicht vorhandene Gegenstände → Nominalausdrücke und Orte wo der
Gegenstand gewöhnlich ist (kanonische Orte); Nachfrage der Mütter bei Unkenntnis; Antwort-
Laute bei Erhalt
4) ab 16 Monaten: Blick auf Mutter bei Übergabe; Wandel von Mühlauten zu Bezeichnungen der
Mühe (?)
5) Mit 18 Monaten ist sozialisierte Art des Bittens etabliert: Mutter reguliert nach und nach zur
Konvention hin; Sprechakt-Lektionen durch Mütter (1/3 der Fälle)
Standardbedingungen der Bitte: echtes Hilfsbedürfnis, Studenplan-Bedingungen bei Essen →
alternative Befriedigungen, keine Zumutung von unverhältnismäßiger Anstrengung, freier Wille
muss respektiert werden, Gründe bei nicht erfüllen werden verhandelt

Einladungen zu gemeinsamen Handeln


Drei Formen einladender Bitten
a) asymmetisch: Eltern sollen aktive Rolle übernehmen (→ Bücher anschauen)
b) parallel: Eltern und Kind teilen Handlung miteinander (→ Betrachtungen aus dem Fenster)
c) alternierend: Spiel (→ Klötze aufbauen und umwerfen)
Format: Handlungen vorführen (ikonisch verwerten indexikalischer Zeichen) + stimmliche
Begleitungen (weniger eindringlich als bei Objekten), später mit Wörtern und sogar Verneinung

Das Bitten um Hilfe bei zielgerichteten Handlungen


Mittel-Zweck Zusammenhänge
Begriffliche Kenntnis von Teilnehmer-Rollen
drei Arten:
a) Präzision (Schachtel öffnen, Spiel zusammensetzen, aufschrauben)
b) Kraft (eingeklemmtes, Stuhl holen, Schrank öffnen)
c) Orts- oder Lageveränderung (Selbst an neuen Platz) → parallel zu sensomotorischen
Fortschritten
Bringen unvollendeter Aufgaben zur Vollendung → lokativ: wo das Problem ist und instrumentell:
wie oder womit es gelöst wird
Je komplexer Hilfe: schrittweises Steuern

Einige abschließende Bemerkungen


Bitten durchläuft Phase des gegenseitigen Verhandelns: Sozialisierung = Konventionalisierung der
Sprech- und Handlungsakte
Gegenstände: Voraussetzungen Meistern des substantivistischen Bedeutens
Handlungen: eingebettet in spielartigen Ritualen → eindeutige Bedeutung (auf Grund von
Wiederholung)
Hilfe: nicht nur sprachlich, sondern auch ein realer Ablauf/Plan → Konvention der Bitte um Hilfe
Bitten ist nicht nur Sprache oder Sprechakt, sondern auch Kultur und Konvention

Kapitel 6 – Sprechen lernen


Wiederholung vorheriger Kapitel

Das könnte Ihnen auch gefallen