840 Bewegliche Dächer 2001 ¥ 5 ∂
∂ 2001 ¥ 5
Bewegliche Dächer
Movable Roofs
Christoph Gengnagel, Rainer Barthel
Zelte, Sonnensegel, Schirme
Schon immer haben Menschen versucht, die
Nutzung ihrer Bauwerke durch wandelbare
Außenhüllen flexibler und vielfältiger zu ge-
stalten.
Archäologische Funde lassen schon im
Paläolithikum auf einen Zeltbau schließen und
damit auf die ersten beweglichen Dachele-
mente. Diese Form der Behausung hat sich
z. B. im Tipi nordamerikanischer Indianer er-
halten. Auf kegelförmig angeordneten Holz-
stangen liegt die Zelthaut, die an einer Seite
durch einen Knebel zusammengehalten wird.
Die Größe des Rauchabzugs und des Ein-
gangs sind damit regelbar.
Die einfache Konstruktion der Zelte nordafri-
kanischer Nomaden erlaubt eine schnelle
Anpassung der Form, um auf hohe Windbe-
lastungen reagieren zu können. Bei Sturm
wird eine strömungsgünstigere Form durch
das Entfernen der Stützstangen und der
Änderung des Abspannwinkels der Luvseite
erreicht.
In der Antike wurden über fast 600 Jahre hin-
weg wandelbare SonnensegeI mit beachtli-
chen Spannweiten für Theater, Amphitheater
und Stadien verwendet. Erstmals schriftlich
belegt ist ihr Einsatz 69 v. Chr. Der Grundtyp
der Vela (Abb. 2) war eine Stangenkonstrukti-
on aus Holz mit biegesteifen, gelenkig gela-
gerten Trägern, die über senkrecht stehen-
den Masten abgespannt wurden. Entlang der
Stangen konnten parallel raffbare Sonnense-
gel geführt werden. Der Neigungswinkel der
Dächer war über die Änderung der Seillän-
gen modifizierbar.
Als ein beweglicher textiler Sonnenschutz für
den Straßenraum sind spanische Toldos seit
dem 16. Jahrhundert bekannt. Sie bestehen
aus Tuchbahnen, die mit Ringen an Seilen
befestigt sind und parallel verfahren werden
können. Verwandte Formen treten in Marok-
ko, Ägypten, Syrien und der Türkei auf. Auch
in Mittelamerika und Japan finden sich ähnli-
che Beispiele.
Der Schirm ist wahrscheinlich die älteste
Form des wandelbaren Dachs kleiner Spann-
weite. Sein Konstruktionsprinzip ist über die
1 typische Konstruktionen und Bewegungsformen be-
weglicher Dächer, Zeichnung C. Gengnagel
2 Rekonstruktion eines Velumdaches nach Rainer
Graefe
Jahrhunderte fast unverändert geblieben.
Druckbeanspruchte Stäbe, die an einem Mit-
telstab starr oder gelenkig befestigt werden,
spannen eine Membran aus verschiedensten
Materialien auf. Die Einsatzmöglichkeiten von
Schirmlösungen bleiben jedoch begrenzt, da
das System einer frei auskragenden vorge-
spannten Membran über einer eingespannten
Stütze aufgrund seiner Anfälligkeit gegen
Wind keine großen Spannweiten zulässt.
Das bewegliche Dach als Bautypus des
20. Jahrhunderts
Die Entwicklung von hochfesten Materialien
und der Fortschritt in den Ingenieurwissen-
schaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts
ermöglichen bewegliche Konstruktionen in
neuen Maßstäben. Insbesondere seit den
50er-Jahren sind viele Bauwerke entstanden,
bei denen die Dachhaut oder das gesamte
Dachtragwerk beliebig oft und in relativ kur-
zer Zeit bewegt werden kann. Eine Klassifi-
zierung der beweglichen Dächer ergibt zwei
Grundformen:
• Weiche Konstruktionen, deren Geometrie
durch Falten, Raffen oder Rollen verändert
werden kann. In der Regel handelt es sich
um zugbeanspruchte Konstruktionen aus
biegeweichen Materialien wie textilen Mem-
branen, Folien und Seilen. Die üblichen Be-
wegungsrichtungen verlaufen zentral, parallel
oder radial.
• Steife Konstruktionen, deren Tragstruktur
durch ein Verschieben, Klappen oder Rotie-
2
841
1
ren einzelner formstabiler Dachsegmente in
horizontaler, vertikaler oder radialer Richtung
bewegt wird. Die Struktur besteht aus steifen
Elementen wie ebenen räumlichen Stabwer-
ken oder Rahmenkonstruktionen, die mit einer
biegeweichen Hülle aus Textilien, Folien oder
einer biegesteifen Eindeckung aus Paneelen,
Metall- oder Glasplatten gedeckt sein
können.
Weiche Konstruktionen
Das Institut für Leichte Flächentragwerke,
1964 gegründet und bis 1991 von Frei Otto
geleitet, arbeitete von Anfang an systema-
tisch an beweglichen Dachkonstruktionen mit
textilen faltbaren Membrandächern. Dort wur-
den für Überdachungen von Freilichtbühnen,
Sport- und Ausstellungsbauten in Deutsch-
land und Frankreich bewegliche textile
Dächer mit Spannweiten bis zu 60 Metern
und Flächen von 1000 bis 2000 m2 entwickelt.
Dabei wurde fast ausschließlich mit einer
zentral raffbaren Membran und einer fest
stehenden Tragkonstruktion aus Mast und
Fahrseilen gearbeitet. Eines der bekanntes-
ten Beispiele aus dieser Zeit ist die temporäre
Überdachung des Freilichttheaters in Bad
Hersfeld. Erst nach 25-jährigem, fast
fehlerfreien Betrieb erhielt das Theater 1993
eine neue Membran und verschiedene Ver-
besserungen am Zuschnitt, der Membran-
lagerung und Seilführung wurden vorge-
nommen.
Aus der Begeisterung für die neue Bauweise
enstand 1972 der Entwurf für das Olympia-
stadion von Montreal. Der französische
Architekt Taillibert hatte seit 1965 mehrere
Sportbauten mit beweglichen Dächern
realisiert, die alle auf einer zentral raffbaren
Membran basierten (Abb. 5). Für die Über-
dachung des Olympiastadions mit einer
Fläche von ca. 20 000 m2 wurde der gleiche
Konstruktionstyp um das 10-fache vergrößert
und verlor dabei an Leichtigkeit und Eleganz
(Abb. 6). Während der langen Planungs- und
Bauphase berücksichtigte man erst spät die
Anforderungen, die die bewegliche Dach-
konstruktion an den Massivbau stellte. So
wurde das textile Dach erst 1989 montiert,
nach einer Modifizierung des 168 Meter
hohen zentralen Masts. Schon fünf Jahre
später fielen erste Reparaturen an der
842 Bewegliche Dächer
Membran an. 1998 erfolgte der Austausch
der gesamten textilen Dachhaut. Seither wird
es nur noch im geschlossenen Zustand ge-
nutzt. Der hohe Entwicklungsaufwand und
Baukosten von 700 Millionen US-Dollar
führten dazu, dass alle weiteren beweglichen
Dächer großer Spannweite als biegesteife
Konstruktion geplant und ausgeführt wurden.
Im Bereich kleinerer und mittlerer Spannwei-
ten konnten aber immer wieder die großen
Möglichkeiten der biegeweichen, vorwiegend
zugbeanspruchten Konstruktionen für leichte
und materialsparsame Lösungen demons-
triert werden. Die Überdachung der Arena in
Zaragossa von 1989 (Abb. 4 u. Detail 1994/6)
ist hierfür ein gelungenes Beispiel. Dem
selbststabilisierenden System des Dachtrag-
werks liegt die Idee des Speichenrads zu-
grunde. Ein druckbeanspruchter Ring (Felge)
wird durch ein radiales System von Zugseilen
(Speichen) gegen zwei zentrale Ringseile
(Nabe) vorgespannt. Diese Ringseile haben
einen Durchmesser von 36 Metern und die-
nen als Tragkonstruktion für das bewegliche
Innendach, das ebenfalls wie ein Speichen-
rad konstruiert ist. Die Membran ist in die
3 5
radial angeordneten »Speichen« eingehängt
und wird über ein stationäres Seilzugsystem
bewegt. Neu an der eigens für dieses Dach
entwickelten Konstruktion ist, dass das Span-
nen der Membran nicht mit der Antriebstech-
nik für das Öffnen und Schließen des Dachs
verbunden ist. Das Spannen übernimmt eine
elektromotorisch betriebene Spindel im Zen-
tralknoten. So lässt sich die Steuer- und An-
triebstechnik für beide Vorgänge optimieren,
und es entsteht eine robuste und wirtschaft-
liche Lösung mit kurzen Bewegungszeiten.
Bis dahin wurde der Vorgang des Vorspan-
nens und Bewegens der Membran meistens
kombiniert. Das erforderte die Verwendung
von langsam fahrenden, schweren Seiltrakto-
ren. Trotz aufwändiger Steuertechnik verur-
sachte diese Lösung bei mehreren Projekten
Fehlfunktionen und Schäden. Durch un-
gleichmäßiges Bewegen wurden Teile der
Dachfläche überbeansprucht und das textile
Material beschädigt.
Auf der Basis der in Zaragossa entwickelten
Prinzipien entstand 1997 mit der Überdach-
ung des Centercourt am Rothenbaum in
Hamburg (Abb. 3) das derzeit größte
4 9
2001 ¥ 5 ∂
3 Centercourt am Rothenbaum, Hamburg 1997,
Schweger + Partner / Werner Sobek Ingenieure
4 Arena in Zaragossa 1989,
Schlaich Bergermann & Partner
bewegliche textile Dach der Welt.
Das Tragwerk besteht ebenfalls aus zwei
ineinander gespannten Speichenrädern. Der
innere bewegliche Teil überdeckt mit eine
Spannweite von 63 Metern eine Fläche von
3000 m2.
Die Entwicklung luftdichter, leichter Mem-
branwerkstoffe eröffnete die Möglichkeit, mit
faltbaren pneumatisch vorgespannten Kon-
struktionen zu arbeiten. Die erste erfolgreiche
Anwendung bei einer größeren Spannweite
ist die Überdachung des Freilichttheaters in
Tecklenburg 1993 (Abb. 7), die eine horizon-
tal raffbare Membran erhielt und eine einfa-
che und sehr robuste Lösung darstellt. Sechs
Membrankissen mit einer Gesamtfläche von
1200 m2 werden an fest installierten Roll-
schienen ausgefahren, automatisch aufge-
blasen und gespannt.
Steife Konstruktionen
Der Bau der ersten Luftschiffe erforderte Hal-
lenkonstruktionen (Abb. 10) mit beweglichen
Dächern, Toren oder Wandteilen. In der Zeit
von 1909 bis 1918 wurden eine Vielzahl von
Patenten für drehbare, fahrbare und öffenbare
Luftschiffhallen entwickelt. Später reduzierte
die verbesserte Manövrierfähigkeit der Luft-
schiffe die Anforderung an die Flexibilität der
Wartungshallen. Heute werden Luftschiffhallen
nur noch an der Giebelseite vollständig geöff-
net.
Das erste bewegliche Dach mittlerer Spann-
weite entstand 1935 mit dem Bau des Sport-
fondsenbad in Rotterdam. Für seine parallel
verschieblichen Rahmensegmente wurde die
bis dahin schon bewährte Kranbahntechnik
eingesetzt. Mit dem Bau der Civic Arena 1961
in Pittsburgh (Abb. 8) folgte das erste bewegli-
che Dach wirklich großer Spannweite. Sechs
bewegliche und ein starres Segment über-
spannen kuppelartig einen kreisrunden
Grundriss mit 120 Metern Durchmesser. Der
Firstpunkt wird durch einen eingespannten
Fachwerkkragträger fixiert. Das enorme
Gewicht der Konstruktion und die großen Ver-
formungen verursachten von Beginn an Pro-
bleme mit dem Betrieb der Anlage. Sie wurde
bald nur noch im geschlossenen Zustand ge-
nutzt. Die Probleme beim Öffnen und Schlie-
ßen des Dachs und der hohe Materialaufwand
der Konstruktion führten in der Folgezeit
∂ 2001 ¥ 5
5 Schwimmhalle in Paris, 1967,
Roger Taillibert
6 Olympiastadion, Montreal 1972/1989,
Roger Taillibert / Jörg Schlaich
zum Bau wesentlich kleinerer Strukturen.
In den 60er-Jahren entstand eine Vielzahl von
Sportbauten mit wandelbaren Dächern.
Allein in Frankreich wurden innerhalb des
Programms »Operation Mille Piscines« fast
1000 Bäder mit beweglichen Dächern gebaut
(Abb. 9). Als Tragwerke bewährten sich Rah-
men- oder Bogenkonstruktionen mit Spann-
weiten zwischen 20 bis 40 Metern. Das Öff-
nen erfolgt meist über die Rotation von Kup-
pelsegmenten, die Längsverschiebung von
Rahmensegmenten oder einzelnen Dach-
streifen.
Der Antrieb und die Steuerung wurden eben-
so wie die technischen Regeln für Planung
und Betrieb aus der Kranbahntechnik über-
nommen. Im Vergleich zu den im gleichen
Zeitraum gebauten biegeweichen Konstrukti-
onen erwiesen sich die biegesteifen Kon-
struktionen in Betrieb und Wartung als robus-
ter und wirtschaftlicher. Neben den Überda-
chungen von Schwimmbädern oder Veran-
staltungsstätten entstanden auch viele indus-
trielle Anwendungen für Lagerhäuser und
Schiffswerften.
Megadomes in den USA und Japan
Für die Überdachung des Sky Domes in
Toronto (Abb. 11) 1989 wurde aufgrund der
Erfahrungen mit dem beweglichen Dach von
Montreal eine biegesteife Konstruktion aus
einem festen und drei beweglichen Dach-
segmenten gewählt. Mit einer Spannweite
von bis zu 205 Metern erlangten bewegliche
Konstruktionen dieses Typs eine neue Qua-
lität. In Japan entstanden der Fukuoka Dome
und 1993 der Ocean Dome (s. Detail 99/3,
S. 366), denen eine Vielzahl von Sport- und
Veranstaltungsbauten mit Dächern kleinerer
Spannweite folgten. Die Tragstrukturen und
Bewegungskonzepte basieren alle auf den
Rahmen, Bogen- und Stabwerkskonstruktio-
nen der 60er-Jahre. Neu sind die deutlich
größeren Abmessungen und der hohe Öff-
nungsgrad der Dächer. Der Fukuoka Dome
arbeitet mit zwei beweglichen und einem
festen Kuppelsegment. Die jeweils 4000
Tonnen schweren Stahlraumfachwerke
überspannen 212 Meter und können durch
Rotation in 20 Minuten unter das fest stehen-
de Element geschoben werden. Beim Ocean
Dome wurde ein parallel verschiebliches
Diskussion 843
7 Freilichttheater in Tecklenburg 1993, Carl Nolte / IPL
8 Civic Arena in Pittsburgh/USA 1961,
Mitchell & Ritchey / Ammon & Whitney
9 Schwimmbad Nangis, Seine et Marne, 1974
Rolldach gewählt. Stahlfachwerkbögen mit ei-
ner Membrandeckung überdachen ein ca.
30 000 m2 großes Freizeitzentrum mit einem
künstlichen Wellenbad, Sandstrand und
Shopping Mall. Der bewegliche Teil des
Dachs besteht aus vier Teilen, die teleskop-
artig ineinander und über die beiden fest
stehenden Kuppelsegmente an den Stirnsei-
ten der Anlage verschoben werden können.
Der Erfolg der ersten Generation von Mega-
domes Anfang der 90er-Jahre führte in der
Zeit von 1998 bis 2001 zu weiteren Bauten in
den USA, Korea und Australien. In den USA 6
verfügen fünf der in diesem Zeitraum gebau-
ten Baseball Stadien über bewegliche
Dächer mit Öffnungsgraden bis zu 90 %. Die
Motivation solche Dächer zu bauen, ist ent-
sprechend der geografischen Lage unter-
schiedlich. In Seattle und Milwaukee dient
das Dach als Wetterschutz. Im Süden, in
Phoenix und Houston, ist das Dach ein
beweglicher Sonnenschutz, der während des
Spiels langsam verschoben wird, um über
den Tag immer eine optimale Lichtsituation
zu schaffen und den Wärmeeintrag zu mini-
mieren. Die Tragwerke der Dächer von 7
Houston (Abb. 12), Phoenix und Seattle
basieren auf einfachen Rahmensystemen, die
teleskopartig ineinander geschoben werden
können. Die Spannweiten von ca. 200 Metern
erfordern wuchtige Stahlkonstruktionen, die
oft den Materialaufwand für die Tribünen-
tragwerke übertreffen.
Die hohen Bau- und Betriebskosten führten
bei Planung und Bau der aktuellen beweg-
lichen Großstrukturen in Japan und den USA
zu einer Neuorientierung. Für das Miller Park
Baseballstadion in Milwaukee versuchte man
Architektur, Tragwerk und Nutzung zu opti-
8
mieren. Der Grundriss nimmt auf das drei-
eckige Baseballfeld Bezug und erlaubt eine
Teilung des Dachs in Dreieckselemente, die
an den Rändern über- und unterspannt sind.
Die Segmente können durch eine radiale
Bewegung fächerartig ineinander geschoben
werden. Durch die Rotation um einen Dreh-
punkt wurde die Anzahl der erforderlichen
Antriebe, im Vergleich zu einer konventionel-
len Rahmenlösung wie z.B. in Houston, um
ein Vielfaches reduziert. Der Betriebsplan für
das Bauwerk ist eine weitere wichtige Kom-
ponente bei der Planung beweglicher
844 Bewegliche Dächer
Dächer. In Milwaukee ist eine Nutzung des
Stadions von April bis Oktober vorgesehen.
Im Winterhalbjahr bleibt das Dach geöffnet
um eine Regenerierung des Rasens zu er-
möglichen. Aus Kostengründen wird auf
einen Winterbetrieb mit einer erforderlichen
Klimatisierung des Gesamtbauwerkes ver-
zichtet. Diese Entscheidungen vereinfachen
die baukonstruktiven Anforderungen erheb-
lich. Für die Überdachung des Oita Stadions
in Japan (Abb. 15) entstand ebenfalls eine
Lösung, die sich aus den speziellen Erforder-
nissen an Öffnungsgrad und Öffnungszeiten
ableitet. In der Regel sind in Japan für Leicht-
baukonstruktionen die Windlasten unter Tai-
funbedingungen maßgebend. So entstand
die Idee, den beweglichen Teil des Dachs
während der Taifunsaison permanent zu öff-
nen, über dem festen Dach zu parken und zu
sichern. Damit wurde die Belastung für die
bewegliche Konstruktion erheblich verringert
und eine leichtere Ausführung möglich. Die
zwei Gitterschalen werden an einer festen
Rahmenkonstruktion nach beiden Seiten über
das permanente Dach geschoben.
Bewegliche steife Stadiondächer in Europa
Durch den Rückzug der öffentlichen Hand
aus Planung, Bau und Betrieb von Sport- und
Veranstaltungsbauten sind in den letzten
Jahren auch in Europa die ersten vergleich-
baren Großprojekte entstanden; privatwirt-
schaftlich geplant und betrieben. Die Dächer
bestehen in der Regel aus der großen festen
Überdachung der Zuschauertribüne und
einem kleineren beweglichen Teil über
dem Spielfeld. Ein erstes Beispiel ist der
»Gerry-Weber-Centercourt« in Halle. Die
transparente bewegliche Konstruktion
überspannt 33 Meter. Der mit Pneukissen
bedeckte filigrane Trägerost kann horizontal
unter ein festes Membrandach geschoben
werden, das nach dem Speichenradprinzip
konstruiert ist. Mit dem Bau der Arena in
Amsterdam (Abb. 13) entstand die erste
große bewegliche Dachkonstruktion in
Europa. Die beiden fahrbaren Elemente
überspannen 108 Meter und können entlang
großer Fachwerkträger horizontal über das
permanente Dach verschoben werden. Die-
ser Typ des Rolldachs wurde für mehrere
11
2001 ¥ 5 ∂
.,...,.. ...
, ',' ".I"11 ?,_...
....... '., t ....... . '
~ ,,-.......,
.l'f- " ,'" I·J U ~, ,.,' ~
.':....__ .....,. . .. •..-:: ... .:.:..t.::......
10
weitere Stadionbauten und auch für das erste
Großprojekt in Deutschland, die Arena »Auf
Schalke« in Gelsenkirchen verwendet. Die
großen und schweren beweglichen Elemente
lassen nur langsame horizontale Bewegun-
gen zu. Im Gegensatz dazu kam für die Über-
dachung einer Stierkampfarena in Madrid
(Abb. 14) eine kleinere und sehr leichte
bewegliche Struktur zum Einsatz, die eine
schnelle Bewegung in vertikaler Richtung
erlaubt. Bei Schnee oder hohen Windlasten
wird das Dach geschlossen und das pneu-
matisch vorgespannte Kissen am oberen
Rand des fest stehenden Ringdachs geparkt.
Zusammenfassung
Bewegliche Dächer finden derzeit ihre An-
wendung vorwiegend beim Bau von Sport-
und Veranstaltungsstätten, besonders im
Stadionbau werden dabei sehr große Spann-
weiten geplant und realisiert. Auch in Europa
werden in den nächsten Jahren eine Anzahl
von Großprojekten dieser Art entstehen.
Neben dem Neubau des Wembleystadions
(Abb. 18) sollen auch die Stadien von Dublin,
Coventry, Mönchengladbach (Abb. 17) und
Leipzig (Abb. 16) bewegliche Dächer er-
halten.
Aufgrund der Komplexität der Aufgabenstel-
lung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen
allen beteiligten Planern – Architekt, Trag-
werksplaner und Maschinenbauer – aus-
schlaggebend für das Entstehen einer erfolg-
reichen Lösung. Für bewegliche Strukturen,
die große Spannweiten überbrücken, ist die
Reduktion des Eigengewichts das maß-
gebende Kriterium, dem sich Systemgeomet-
rie, Proportion und Materialwahl unterordnen
sollte. Für den Entwurf des Tragwerks sind
die Vermeidung von Biegebeanspruchungen,
der Einsatz gewichtsarmer zugbeanspruchter
Systeme und das Ableiten von Druckkräften
über kurze Wege wichtige Mittel, die dem
Erreichen dieses Zieles dienen.
Wie die beschriebenen Beispiele zeigen,
bieten weiche bewegliche Dächer ein großes
Potential bei der Erfüllung dieser Anforderun-
gen. Die Leichtigkeit und Eleganz, mit der
diese Konstruktionsart bei kleinen und mittle-
ren Spannweiten oftmals überzeugt, sollte
Anlass für eine verstärkte Forschung und
Entwicklung von großen Spannweiten sein.
∂ 2001 ¥ 5 Diskussion 845
10 Luftschiffhalle 1912, nicht realisiert
11 Sky Dome Toronto 1989,
RAN Consortium
12 Enron Field Baseballarena, Houston,
Texas / USA 1999,
HOK / Walter P. Moore
13 Amsterdam Arena 1996,
Rob Schuurmann
• 14 Vista Alegre Stierkampfarena, Madrid 1999,
Schlaich, Bergermann & Partner
12 13
In all periods of human history, man has sought The roof over the arena in Saragossa (ill. 4 and The first successful application of this technolo-
to create buildings with flexible outer skins – Detail 6/94), dating from 1990, is an example of gy for larger spans was the roof to the open-air
from the simple nomadic tent to the sail-like a lightweight solution with an economical use of theatre in Tecklenburg, 1993 (ill. 7). This simple,
roofs used in antiquity to provide shading in materials. The self-stabilizing system of the robust design, covering an area of 1,200 m2,
theatres and stadiums. The basic type of sail structure is based on the idea of a flat wheel consists of a membrane of six inflatable cush-
roof, the velum or membrane, consisted of a with spokes. The outer compression ring (the ions that can be horizontally retracted or ex-
wood stave construction on which the sails rim) is prestressed by means of tension cables tended on roller tracks.
were gathered in or extended in a parallel (spokes) fixed to two central cable rings (hub).
movement (ill. 2). The central cable ring, with a diameter of 36 m, Rigid forms of construction
In modern times, advances in engineering and bears the load of the retractable central section The construction of the first airships required
the development of high-strength fabrics have of the roof. The membrane is attached to radial hangars with roofs, gates or walls that could be
opened up new dimensions for movable forms “spokes” and moved by means of a fixed cable opened to allow the vessels to be manoeuvred
of construction. Retractable roof structures can pulley system. The control mechanism for in and out (ills. 10). These structures may be
be divided into two basic types: soft forms of tensioning the membrane is operated via a seen as forerunners of today’s rigid moving
construction, in which the geometry can be motor-driven spindle shaft in the central node. roofs. In the 1960s, a large number of sports
changed by folding, gathering or rolling up the The roof covering to the Centre Court at structures were erected with movable roofs, in-
covering; and rigid forms that are moved by Rothenbaum in Hamburg (ill. 3) is the largest cluding almost 1,000 swimming baths which
sliding, folding or rotating roof segments of movable fabric roof in the world today. Its de- form part of the French programme “Operation
fixed shape. sign was based on the principles developed for Mille Piscines” (ill. 9). Framed or arched struc-
Saragossa. The adjustable inner section of the tures with spans of between 20 and 40 m
Soft forms of construction Centre Court roof has a span of 63 m and cov- proved the most efficient form of design. The
The Institute for Lightweight Planar Bearing ers an area of 3,000 m2. roofs were usually opened by rotating seg-
Structures, headed by Frei Otto up to 1991, The development of airtight lightweight mem- ments of a dome, or by a longitudinal sliding
has worked since its foundation in 1964 on the brane materials facilitated the design of folding movement of framed segments or individual
development of movable roof structures, using prestressed pneumatic forms of construction. strips. These rigid systems proved more robust
folding fabric membranes. In the early years,
the institute created flexible roof coverings with
spans of up to 60 m for open-air stages and for
sporting and exhibition purposes. One of the
best-known examples from this early period is
the temporary roof to the open-air theatre in
Bad Hersfeld, which lasted 25 years before a
new membrane was required.
Starting in 1965, the French architect Taillibert
realized a number of sports arenas with flexible
roofs. All of them were based on a membrane
that could be gathered in to the centre (ill. 5).
The same constructional principle was chosen
for the roof over the Olympic stadium in Mon-
treal, which Taillibert designed in 1972 to cover
an area of 20,000 m2. This tenfold enlargement
of the earlier models, however, meant sacrific-
ing their lightness and elegance (ill. 6). At a rela-
tively late date, it became clear what demands
this design imposed on the solid construction,
with the result that the fabric roof was installed
only in 1989 after modifications had been made
to the 168-metre central mast. Five years later,
the first repairs to the membrane became nec-
essary, and in 1998, the entire fabric roof skin
was renewed. Since then, the roof has been
used only in a closed state.
14
846 Bewegliche Dächer 2001 ¥ 5 ∂ ∂ 2001 ¥ 5 Diskussion 847

Grundlegende Literatur:
Wandelbare Dächer, IL 5, hrsg. vom Institut für Leichte
Flächentragwerke, Mitteilungen IL, Stuttgart 1972
Wandelbare Bäder, hrsg. von Beratungsstelle für
Stahlverwendung, Merkblatt 347, Düsseldorf 1976
Kazuo Ishii (Hg.), Retractable Roof Structures,
Southamton 2000

Die Autoren: Rainer Barthel ist Inhaber des Lehrstuhls
für Hochbaustatik und Tragwerksplanung an der TU
München. Christoph Gengnagel ist Wissenschaftlicher
Assistent an diesem Lehrstuhl. Sein Forschungs-
schwerpunkt liegt im Bereich temporäre Bauten und
bewegliche Tragstrukturen.
Rainer Barthel is head of the Department for the Theory
of Structures and Structural Engineering at the University
of Technology, Munich. Christoph Gengnagel is a
research assistant in the same department. His main
areas of research are temporary buildings and movable
structures.
15 Oita Prefectural Sports Park, Oita 2001, KT Group
16 Zentralstadion Leipzig, Fertigstellung 2002,
Glöckner Architekten
17 Nordpark-Stadion Mönchengladbach,
Fertigstellung 2003, Gerber und Partner
18 Neues Wembleystadion, Fertigstellung 2003,
Foster and Partners

and economical in terms of operation and main-
tenance than flexible forms of construction.
The first example of a rigid retractable roof with
a really large span was that designed for the
Civic Arena in Pittsburgh in 1961 (ill. 8). It con-
sists of a single fixed and six movable seg-
ments in a dome-like form over a circular area
120 m in diameter. The roof is held in position
at the crest by a rigid lattice girder. The enor-
mous weight of this structure and the great de-
formation to which it was subject led to operat-
ing problems from the very beginning, and be-
fore long, the roof was kept in a permanently
closed position.
In view of the experience gained in Montreal, a
rigid form of construction was chosen for the
roof to the Sky Dome in Toronto in 1989, which
has a span of 205 m (ill. 11). This structure
consists of one fixed and three movable seg-
ments. Large-scale structures such as the
Fukuoka Dome and the Ocean Dome (Detail
3/99) were also erected in Japan, as well as
many buildings with movable roofs of smaller
spans. The load-bearing structures and sys-
tems of movement were all based on framed,
arched or stave forms of construction devel-
oped in the 1960s. The innovative element lay
in the much greater dimensions and the degree
to which these roofs could be opened. The
Fukuoka Dome consists of three segments, two
of which are movable, and one fixed. The steel
space frames, weighing 4,000 tonnes each,
span a distance of 212 m and can be rotated
beneath the fixed element within 20 minutes.
For the Ocean Dome, a parallel sliding-rolling
movement was chosen. The roof covers a
30,000 m2 leisure centre and consists of steel
arched lattice trusses with a membrane skin.
The movable section of the roof is divided into
four segments that can be telescoped into
each other and drawn beneath the two fixed
segments.
The success of the first mega-domes at the be-
ginning of the 1990s inspired further structures
of this kind in the US, Korea and Australia. The
motivation for building movable roofs varies
with the geographical location. In Seattle and
Milwaukee, for example, the roofs serve as a
means of a protection against inclement weath-
er. In Phoenix and Houston (ill. 12) in the South,
they provide sunshading: the roofs can be
slowly moved during sporting events to create
optimum lighting conditions and to minimize
heat gains.
High construction and operating costs have led
to a new orientation in Japan and the US. The
design for the roof over the Oita Stadium in Ja-
pan (ill. 15) was based on specific requirements
of the brief, which determined the degree to
which the roof had to be opened, and the time
required for this operation. As a rule, the as-
sumed wind loads for lightweight structures in
Japan have to take account of typhoon condi-
tions. In the Oita Stadium design, a decision
was made to keep the movable part of the roof 15
permanently open during the typhoon season,
thus allowing a substantial reduction of the as-
sumed loads for this section.
In Europe, the roofs for sporting arenas have
consisted mainly of large, fixed areas over the
stands, with a small movable segment over the
playing field. An early example of this is the
Gerry Weber Centre Court in Halle, the trans-
parent, movable construction of which has a
span of 33 m. The filigree lattice grid covered
with pneumatic cushions can be slid horizontal-
ly beneath a fixed membrane roof constructed
according to the spoked-wheel principle. The 16
first large-scale movable roof structure in
Europe was built for the arena in Amsterdam
(ill. 13). The two retractable segments, which
span a distance of 108 m, can be slid horizon-
tally along large lattice girders over the fixed
section of the roof. These heavy elements can
be moved only slowly. The roof over the bull-
fighting arena in Madrid (ill. 14), in contrast, is a
smaller structure that permits much swifter,
vertical movements.
Retractable roofs are used at present mainly for
buildings for sporting and other events. Very
large spans have been achieved in the case of 17
stadiums and arenas – a trend that will make it-
self felt in Europe, too. Flexible roofs are fore-
seen not only for the new Wembley Stadium
in London (ill. 18), but for stadiums in Dublin,
Coventry, Mönchengladbach (ill. 17) and
Leipzig (ill. 16). The main criterion in designing
large-span movable structures is to reduce the
dead load. The lightness and elegance that dis-
tinguish soft roof forms of smaller or medium
span indicate the potential of this type of con-
struction and the need for further research and
development, so that it can be applied to large-
span structures as well.
18