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Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome

Bearbeitet von
Prof. Dr. Marco Mumenthaler, Prof. Dr. med. Hermann Müller-Vahl, Prof. Dr. med. Manfred Stöhr

Neuausgabe 2007. Buch. 496 S. Hardcover


ISBN 978 3 13 380209 3
Format (B x L): 19 x 27 cm

Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Neurologie,
Neuropathologie, Klinische Neurowissenschaft
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6.1 Läsionen des Plexus cervico-brachialis 169

6 Klinik der Läsionen peripherer Nerven


6.1 Läsionen des Plexus cervico-brachialis
6.1.1 Anatomie des Hals- und Armplexus weisen mit Ausnahme der 3 oberen Hals- und der Sakral-
segmente nur wenig Anastomosen auf. Die Hautäste fehlen
Der Plexus cervicobrachialis ist wegen seiner besonderen bei C1, aber auch nicht selten bei C6, C7, C8 sowie bei L4
topographischen Beziehungen zu den sehr beweglichen und L5. Dadurch kommt es zur Ausbildung eines Hiatus in
Strukturen des Schultergürtels oft mechanischen und ins- der paravertebralen sensiblen Hautinnervation an der obe-
besondere traumatischen Schädigungen ausgesetzt. Erfah- ren Grenze der Dermatome Th2 und S1 (s. Abb. 2.6). In der
rungsgemäß ist die genaue topische Lokalisation der Läsio- Lendenregion besteht zwischen der Austrittsstelle aus dem
nen wegen des komplizierten Aufbaues des Armplexus Intervertebralkanal und der subkutanen Aufzweigung eine
nicht immer einfach. Die Verflechtung und Neugruppie- Kaudalverschiebung, die bis 3 Wirbelhöhen betragen kann.
rung der aus den einzelnen Wurzeln C5–Th1 (C4–Th2) Die Rr. posteriores der Spinalnerven ziehen lateral um die
stammenden Axone bringt es mit sich, dass die einzelnen kleinen Wirbelgelenke herum und durchdringen nach
Muskeln von Schultergürtel und oberer Extremität, die Innervation der paravertebralen Rückenmuskeln deren
plurisegmental innerviert sind, je nach Sitz der Läsion sehnige Ansätze sowie die Faszie. Prozesse an den Wirbel-
mehr oder weniger stark betroffen sind. Es ist bei nur par- gelenken, haltungsbedingte mechanische Beanspruchung
tieller Lähmung deshalb oft nicht leicht und setzt eine sehr der Nervenäste an den erwähnten Durchtrittsstellen, im
sorgfältige Untersuchungstechnik voraus, einen Befall Lumbalbereich auch der Druck durch Fettgewebshernien
überhaupt nachzuweisen. Die Funktion der einzelnen Mus- an der Durchtrittsstelle durch die Faszie können zu hart-
keln muss nach bestimmten Methoden möglichst isoliert näckigen lokalen Schmerzen und zu dumpfen Lumbalgien
geprüft werden, d. h. unter Ausschaltung der anderen syn- führen (mechanische Neuropathie der Rr. posteriores).
ergistisch wirkenden Muskeln. Die diesbezügliche Technik Die für die Innervation der Rumpfwand und der Extre-
soll im klinischen Teil im Verlauf der Besprechung der Lä- mitäten bestimmten Rr. anteriores sind wesentlich kräfti-
sionen der einzelnen peripheren Nerven dargelegt werden. ger. Auf Höhe der Teilungsstelle der Spinalnerven geben sie
einen feinen R. meningeus ab, der über eine Abzweigung
des R. communicans griseus auch sympathische Fasern er-
Aufteilung der Spinalnerven hält. Der R. meningeus (recurrens) zieht rückläufig durch
(s. Abb. 5.1, 7.1a) das Foramen intervertebrale in den Wirbelkanal und bildet
über 2–4 Segmente auf- und absteigende Äste aus. Diese
Der aus der Vereinigung der dorsalen und der ventralen Äste bilden ein Netzwerk in der Dura mater und ein weite-
Wurzel entstandene Spinalnerv stellt einen etwa 1 cm lan- res im Lig. longitudinale posterius. Von diesem werden
gen Nervenstamm dar. Die Vereinigungsstelle der Wurzeln auch das Periost und die Disci intervertebrales innerviert.
liegt im Halsbereich bei der inneren Öffnung des Interver- Rr. meningei der oberen Zervikalnerven erreichen auch die
tebralkanals, verlagert sich im Brustabschnitt der Wirbel- Dura mater der hinteren Schädelgrube.
säule ins Innere des Intervertebralkanals, um im Lenden-
und Sakralbereich wieder in den Wirbelkanal hinein- Rr. communicantes. Diese verbinden die Anfangsstrecke
zurücken. Der Spinalnerv endet mit der Aufteilung in einen der ventralen Äste von C8–L2 mit dem sympathischen
dorsalen und einen ventralen Ast. Die Teilungsstelle liegt Grenzstrang. Die Rr. communicantes albi führen markhalti-
im Allgemeinen an der äußeren Öffnung des Foramen in- ge, präganglionäre, cholinerge Efferenzen aus dem Nucleus
tervertebrale, lediglich im Sakrum innerhalb der Foramina intermediolateralis über die Radix anterior in den Grenz-
sacralia. strang. Da ein Nucleus intermediolateralis ausschließlich
Die Rr. posteriores wenden sich nach hinten, um die ge- zwischen C8 und L2 ausgebildet ist, fehlt ein R. communi-
nuine Rückenmuskulatur und mit einem R. cutaneus me- cans albus im Bereich C1–C7 und L3–Co2. Rr. communican-
dialis die Haut entlang der dorsalen Mittellinie zu inner- tes grisei sind demgegenüber vom Grenzstrang abgehend
vieren. Unterhalb des Schulterblattes übernehmen die zu allen Spinalnerven und einigen Hirnnerven vorhanden.
Rr. cutanei laterales der Rr. posteriores die größte Fläche Sie führen postganglionäre, marklose, mehrheitlich norad-
bei der sensiblen Versorgung der Haut des Rückens. Die renerge Axone für die Piloarrektion und die Vaso-
dorsalen Äste sind wesentlich dünner als die ventralen und konstriktion. Schweißdrüsen und Periost werden von post-

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ganglionären, cholinergen Sympathikusfasern innerviert sollen nur in den Rr. communicantes von L1 und L2 enthal-
(295). ten sein. Sakrale Rr. communicantes verbinden sich in der
Die Unterscheidung der weißen und grauen Rr. commu- Gegend der Foramina sacralia pelvina mit den Wurzeln des
nicantes ist beim Menschen makroskopisch möglich. Häu- Plexus sacralis.
fig vereinigen sie sich allerdings zu einem einzigen Ast. Ge-
legentlich verbindet sich eine Abzweigung des R. commu-
nicans direkt mit dem R. meningeus. Die zervikalen Plexus cervicalis und seine Äste
Rr. communicantes grisei führen postganglionäre Fasern
vom Ganglion cervicale superius zu C1–C5. Das inkonstan- Anatomie
te Ganglion cervicale medius steht mit C4, C5 und evtl. C6
in Verbindung, während vom Ganglion cervicale inferius Entlang den Ursprüngen des M. scalenus medius und des
(Ganglion stellatum) aus Rr. communicantes grisei durch M. levator scapulae verbinden sich, bedeckt von der Lami-
den M. scalenus anterior hindurch zu den ventralen Ästen na praevertebralis fasciae cervicalis, die ventralen Äste von
von C6–Th1 gelangen. Die Verbindung zu Th1 berührt die C1, C2, C3 und ein Teil von C4 durch schlingenförmige
Pleurakuppel. Daneben bestehen auch tiefe Äste des Anastomosen zum Plexus cervicalis (Abb. 6.1.1).
Grenzstranges, insbesondere die als N. vertebralis bezeich- Die Hautäste des Plexus durchbohren in der Regio colli
nete tiefe, akzessorische Ganglienkette im Sulcus A. verte- lateralis die Lamina superficialis fasciae cervicalis am Hin-
bralis der Halswirbelsäule. Sie steht mit den ventralen terrand des M. sternocleidomastoideus, am Übergang des
Ästen von C6–C4 in Verbindung, tritt aber zur Hauptsache oberen in das mittlere Drittel (Punctum nervosum). Von
mit der A. vertebralis ins Schädelinnere über. dieser Stelle aus breiten sie sich auf die Vorder- und Sei-
Von den 4 Ganglien des Lendensympathikus ziehen tenfläche des Halses aus. Der N. auricularis magnus (aus
Rr. communicantes grisei zum Plexus lumbalis. Sie verlau- C2, C3) erreicht in der Faszie des M. sternocleidomastoide-
fen unter den Sehnenbögen des M. psoas und durch den us schräg aufsteigend die Haut hinter (R. posterior) und vor
Muskel selbst zu den Rr. anteriores. Präganglionäre Fasern (R. anterior) der Ohrmuschel. Der N. transversus colli (C2,

Abb. 6.1.1 Der Plexus cervicalis


(nach Chusid).
1 N. auricularis magnus
2 N. occipitalis minor
3 N. vagus
4 N. accessorius
5 Nn. supraclaviculares laterales
6 Nn. supraclaviculares
7 N. dorsalis scapulae
8 N. subclavius mit Anastomose
zum N. phrenicus
9 N. phrenicus
20 10 und 11 Ast zum M. omohyoi-
deus (dazwischen Ansa
C1
cervicalis)
C2 19 12 N. transversus colli
1 18 13 Ast zum M. sternothyreoideus
17 14 Radix inferior ansae cervicalis
2
15 Ast zum M. sternohyoideus
C3 16
16 Radix superior ansae cervicalis
3 15 17 Ast zum M. thyreohyoideus
4 14 18 Ganglion cervicale superius
C4
19 Ast zum M. geniohyoideus
13 20 N. hypoglossus
C5
5 12
6
C6 11

C7 10

7 8 9

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6.1 Läsionen des Plexus cervico-brachialis 171

C3) wendet sich über den M. sternocleidomastoideus nach die A. thoracica interna und läuft anschließend in Beglei-
vorn und erreicht unter dem Platysma die Regio colli ante- tung der A. und V. pericardiacophrenica durch das vordere
rior. Er ist streckenweise Leitstruktur für den motorischen Mediastinum. Auf der rechten Seite legt sich der N. phreni-
R. colli des N. facialis, welcher der Innervation des Platys- cus mit seinen Begleitgefäßen der V. cava superior und
ma dient. Die Nn. supraclaviculares (C3, C4) breiten sich dem Perikard über dem rechten Vorhof an. Seitlich des
fächerförmig im seitlichen Halsdreieck unter der ober- Hiatus venae cavae inferioris tritt er durch das Zwerchfell.
flächlichen Faszie aus und durchbohren diese auf verschie- Auf der linken Seite liegt der N. phrenicus, nachdem er den
dener Höhe. Die Nn. supraclaviculares mediales versorgen Arcus aortae überkreuzt hat, mit seinen Begleitgefäßen
die Haut des Halses und des Thorax bis zum Angulus ster- weiter ventral als auf der rechten Seite, jedoch dorsal der
ni, sowie das Sternoklavikulargelenk. Die Nn. supraclavicu- durch die Herzspitze gebildeten Vorwölbung des Perikards.
lares intermedii ziehen unter dem Platysma über das mitt- Der linke N. phrenicus tritt zwischen Pars tendinea und
lere Drittel der Klavikula und versorgen die Haut bis zur Pars muscularis durch das Zwerchfell. In seinem Verlauf
4. Rippe. Die hintere Gruppe, die Nn. supraclaviculares la- gibt der N. phrenicus sensible Rr. pericardiaca zum Herz-
terales (posteriores), leiten sensible Fasern aus der Haut beutel, sowie Rr. pleurales zur Pars mediastinalis und Pars
über dem Acromion und dem M. deltoideus und beteiligen diaphragmatica der Pleura parietalis ab. Nach dem Durch-
sich an der Innervation des Akromioklavikulargelenkes. tritt durch das Zwerchfell versorgen sensible Rr. phrenico-
Die größte Variabilität in seinem Verlauf weist der aus C2 abdominales den Peritonealüberzug von Zwerchfell, Leber,
und C3 stammende N. occipitalis minor auf, der entlang Gallenblase und Pankreas. Seine Endäste lösen sich im
dem hinteren Rande des M. sternocleidomastoideus in die Plexus coeliacus auf.
Okzipitalregion hochsteigt. Sein Innervationsfeld schließt
sich lateral dem des N. occipitalis major an. Oft ist er aber
im seitlichen Halsdreieck zu finden oder durchbohrt noch Plexus brachialis
vor dem Übertritt in die Subkutanschicht den vorderen
Trapeziusrand. Anatomie
Die tiefen motorischen Äste liegen unter der Lamina
praevertebralis. Sie innervieren die Mm. intertransversarii An der Bildung des Plexus brachialis beteiligen sich die
cervicis (C2–C7), den M. rectus capitis anterior (C1, C2), Rr. ventrales von C5–C8 sowie von Th1 (Abb. 6.1.2). Häufig
M. rectus capitis lateralis (C1), M. longus capitis (C1–C3), geht ein Ast aus C4 in den Plexus über, ebenso kann der
M. longus colli (C2–C6) und die Mm. scaleni (C4–C8). Äste 2. Thorakalnerv am Aufbau des Armgeflechtes beteiligt
aus C2–C4 beteiligen sich gemeinsam mit dem R. externus sein. Diese Beteiligung entspricht meist einer Kranial- bzw.
des N. accessorius an der Innervation des M. trapezius und Kaudalverschiebung des Plexus im Sinne des präfixierten
M. sternocleidomastoideus. Über die Ansa cervicalis ver- bzw. postfixierten Typus. Die ventralen Äste der genannten
sorgt der Plexus cervicalis die untere Zungenbeinmuskula- Spinalnerven verbinden sich zunächst zu 3 Primärsträn-
tur. Aus C1 und C2 ziehen Fasern in die Perineuralscheide gen. Der Truncus superior entsteht aus der Vereinigung von
des N. hypoglossus. Sie verlassen den Arcus n. hypoglossi C5 und C6, evtl. unter Mitbeteiligung von C4. C7 liefert den
als Radix superior, die entlang der A. carotis communis ab- Truncus medius, während der Truncus inferior aus einer
wärts zieht und sich mit der aus C2 und C3 stammenden Vereinigung von C8 und Th1 hervorgeht. Jeder Primär-
Radix inferior zur Ansa cervicalis vereinigt. Die Ansa cervi- strang teilt sich oberhalb der Clavicula in einen dorsalen
calis versorgt die infrahyoidale Muskulatur mit Ausnahme (Divisio posterior) Ast für die Extensoren und einen vent-
des M. thyreohyoideus. Dieser erhält einen eigenen Ner- ralen (Divisio anterior) Ast für die Flexoren. Diese Auftei-
venast aus dem Plexus cervicalis (C1, C2), der die Nerven- lung entspricht der während der Embryonalentwicklung
scheide des N. hypoglossus erst nach Abgang der Radix der oberen Extremität stattfindenden Gliederung der Mus-
superior ansae cervicalis verlässt. kelanlagen in eine dorsale Strecker- und eine ventrale Beu-
Eine Sonderstellung unter den Nerven des Plexus cervi- gergruppe. Aus den dorsalen und ventralen Ästen der
calis nimmt der N. phrenicus ein. Zu dem aus C4 stammen- Primärstränge entstehen die 3 Sekundärstränge oder Fasci-
den Hauptkontingent gesellen sich Fasern aus C3 und/oder culi, die sich in charakteristischer Weise um die A. axillaris
C5. Die Verbindung zu C3 kann über den Umweg der Ansa anordnen. Der Fasciculus posterior vereinigt sämtliche
cervicalis (Radix inferior) erfolgen, diejenige aus C5 über dorsalen Äste der Primärstränge, also Nervenfasern aus
den N. subclavius. Diese auch als Nebenphrenici bekannten den Segmenten C5–Th1. Die ventralen Äste des Truncus su-
Wurzeln des N. phrenicus vereinigen sich i. d. R. noch im perior und medius (also C5–C7) gehen in den Fasciculus la-
Halsbereich mit dem Nervenstamm. Der Verlauf des teralis über, diejenigen des Truncus inferior (C8–Th1) in
N. phrenicus ist gekennzeichnet durch seine Lage auf dem den Fasciculus medialis.
M. scalenus anterior, den er schräg absteigend von lateral Die Trunci erhalten über Rami communicantes grisei
nach medial kreuzt. Dabei liegt er zunächst lateral, später postganglionäre Sympathikusfasern, und zwar C4 über ab-
dorsal von der V. jugularis interna. Während seines schrä- steigende Fasern aus dem Ganglion cervicale superius. Die
gen Verlaufes über den M. scalenus anterior wird er von Sympathikusfasern für C5–Th1 stammen aus dem Gangli-
der A. cervicalis superficialis und A. suprascapularis über- on cervicothoracicum (Ganglion stellatum) (Abb. 6.1.3).
kreuzt. Er zieht dann über die Pleurakuppel hinweg, kreuzt Dabei gehen die Fasern für C8 und Th1 direkt aus dem

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Abb. 6.1.2 Der Plexus brachialis und seine anatomischen Bezie- M. abductor poll. brev. C7, 8
hungen zum Skelett. Caput superfic. m. flex. poll. brev. C6–8
1 Nn. pectorales (med./lat.) C5–Th1 Mm. lumbricales I+II C8–Th1
Mm. pect. major+minor 9 N. ulnaris (C7) C8–Th1
2 Fasciculus lateralis M. flexor carpi uln. C8–Th1
3 Fasciculus posterior M. flexor digit. prof. (ulnare Seite, IV/V) C8–Th1
4 Fasciculus medialis Mm. interossei palm.+dors. C8–Th1
5 N. axillaris C5, 6, M. deltoideus C5, 6, M. teres minor C5, 6 Mm. lumbric. III+IV C8–Th1
6 N. musculocutaneus C5–7 M. add. poll. C8–Th1
M. biceps brachii C5, 6 Caput prof. m. fl. poll. brev. C8–Th1
M. coracobrachialis C6, 7 M. palmaris brevis C8–Th1
M. brachialis C5, 6 10 N. cutaneus brachii medialis C8–Th1
7 N. radialis C5–Th1 11 N. cutaneus antebrachii medialis C8–Th1
M. triceps brach, C7–Th1 12 N. thoracodorsalis C6–8
M. anconeus C7, 8 M. latissimus dorsi
M. brachioradialis C5, 6 13 Nn. subscapulares C5–8
Mm. ext. carpi rad. long./brev. C6–8 M. subscapularis C5–7
M. ext. digit. C7, 8 M. teres major C5–6
M. ext. indicis C7, 8 14 N. thoracicus longus C5–7
M. ext. digiti minimi C7, 8 M. serratus anterior
Mm. ext. poll. long./brev. C7, 8 15 M. subclavius C5, 6
M. abd. poll. long. C7, 8 M. subclavius
8 N. medianus C5–Th1 16 N. suprascapularis C4–6
M. pronator teres C6, 7 M. supraspinatus C4–6
M. flexor carpi rad. C6–8 M. infraspinatus C4–6
M. palmaris long. C7, 8 17 N. dorsalis scapulae C3–5
M. flex. digit. superf. C7–Th1 M. levator scapulae C4–6
M. flex. digit. prof. (radiale Seite, II/III) C7–Th1 Mm. rhomboidei C4–6
M. pronator quadratus C7–Th1 18 N. phrenicus C3, 4
M. opponens poll. C7, 8 19 A. axillaris

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Abb. 6.1.3 Plexus cervico-brachialis


und Halssympathikus.
1 N. vagus
2 Ganglion cervicale superius
3 C3
4 C4
5 C5
6 C6
7 C7
8 C8
9 Th1
10 Truncus sympathicus
11 Ganglion stellatum
12 N. vertebralis
13 Ganglion spinale
14 Ramus communicans griseus
15 Truncus superior
16 Truncus medius
17 Truncus inferior
18 A. transversa colli
19 A. cervicalis ascendens meist
vereinheitlicht
20 A. thyroidea inferior

Ganglion ab, während die Zuflüsse zu C5–C7 nicht selten (C5–C8). Der N. dorsalis scapulae (C3–C5) durchbohrt den
über den N. vertebralis verlaufen. Oftmals erhält C7 zusätz- M. scalenus medius und läuft am medialen Rand des M. le-
lich einen starken Ramus communicans griseus direkt aus vator scapulae, den er auch innerviert, zu den Mm. rhom-
dem Ganglion stellatum. Das Ganglion stellatum hat enge boidei. Der Nerv verläuft vor den Mm. rhomboidei weiter
topographische Beziehung zu C8 und Th1, kurz bevor sich abwärts parallel zum Margo medialis scapulae, wobei er
diese zum Truncus inferior vereinen. Für den Chirurgen be- von der A. dorsalis scapulae (R. profundus arteriae trans-
deutungsvoll ist die Tatsache, dass sich lateral des Truncus versae cervicis) begleitet wird. Auch der N. thoracicus lon-
sympathicus (und Ganglion stellatum) zwischen Truncus gus (C5–C7) durchbohrt den M. scalenus medius, über-
inferior und der A. subclavia ein oftmals stark ausgeprägtes quert auf diesem die 1. Rippe und zieht dann dorsal der
Ligamentum pleurotransversale ausbreitet. A. axillaris in die Faszie des M. serratus anterior ein. Der
Topographisch unterscheidet man zwischen dem supra- N. suprascapularis (C5–C6) entspringt aus dem Truncus
klavikulären und dem infraklavikulären Teil des Plexus superior, geht unter dem Ursprung des M. omohyoideus
brachialis. Aus dem supraklavikulären Teil laufen kurze durch die Incisura scapulae zum M. supra- und infraspina-
Äste zu den Mm. scaleni (C5–C8) und dem M. longus colli tus. Feinste Äste gehen zum Akromioklavikular- und zum

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Schultergelenk. Aus dem Truncus superior geht der dünne Aus den Fasciculi formieren sich die langen Armnerven
N. subclavius (C5–C6) hervor, der den gleichnamigen Mus- wie folgt:
kel innerviert. Häufig gibt der Nerv nach medial einen Sub- • Fasciculus posterior (aus C5–Th1):
claviusnebenphrenicus ab. Dieser verläuft vor der V. sub- – N. axillaris (C5, C6),
clavia und gelangt von dort aus rückläufig über die erste – N. radialis (C5–Th1).
Rippe hinweg durch die obere Thoraxapertur und vereinigt • Fasciculus lateralis (aus C5–C7):
sich schließlich auf unterschiedlicher Höhe mit dem – N. musculocutaneus (C5–C7),
Hauptphrenicus. – N. medianus (Radix lateralis) (C5–C7).
Infraklavikulär gehen aus dem lateralen resp. medialen • Fasciculus medialis (aus C8 und Th1):
Faszikel der N. pectoralis lateralis und N. pectoralis media- – N. medianus (Radix medialis) (C8–Th1),
lis hervor. Sie durchbrechen die Fascia clavipectoralis und – N. ulnaris (C8–Th1),
innervieren den M. pectoralis major et minor. Der N. sub- – N. cutaneus brachii medialis (C8–Th1),
scapularis (C5, C6) geht infraklavikulär aus dem Fasciculus – N. cutaneus antebrachii medialis (C8–Th1).
posterior hervor. Er wird begleitet von der A. subscapularis
und innerviert den M. subscapularis und M. teres major. Diese Verhältnisse sind schematisch in Abb. 6.1.4 darge-
Sein Endast ist der N. thoracodorsalis, der mit den gleich- stellt.
namigen Gefäßen den M. latissimus dorsi versorgt.

14 C4
1

15 C5
2
3
16 C6
4 27 17
5

18 C7
28 19
29
6 20 C8
21
7 30
8 31
9
32 22 Th 1
10

33 23 Th 2

11
24
12
25
13
26

Abb. 6.1.4 Der Plexus brachialis. Schematische Darstellung. 16 C6


1 Zum Plexus cervicalis 17 und 19 zu Mm. scaleni und M. longus colli
2 Zum N. phrenicus 18 C7
3 N. dorsalis scapulae (C3–C5) 20 N. thoracicus longus (C5–C7)
4 N. subclavius (C5–C6) 21 C8
5 N. suprascapularis (C4–C6) 22 Th1
6 N. musculocutaneus (C5–C7) 23 Th2
7 N. pectoralis lateralis 24 Zweiter Interkostalnerv
8 N. axillaris (C5–C6) 25 und 26 = Nn. intercostobrachiales
9 N. radialis (C5–Th1) 27 Oberer Primärstrang
10 N. medianus (C5–Th1) 28 Lateraler Sekundärstrang
11 N. ulnaris (C8–Th1) 29 Mittlerer Primärstrang
12 N. cutaneus antebrachii medialis (C8–Th1) 30 Hinterer Sekundärstrang
13 N. cutaneus brachii medialis (C8–Th1) 31 Unterer Primärstrang
14 C4 32 Medialer Sekundärstrang
15 C5 33 Erster Interkostalnerv

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Variationen Topographische Beziehungen

Was den Plexus brachialis als Ganzes betrifft, so kann er Von der Halswirbelsäule bis zum Oberarm. Hier nimmt
entsprechend der phylogenetischen und ontogenetischen der Plexus brachialis einen sanduhrförmigen Raum ein,
Kaudalverschiebung der oberen Extremität etwas kranial dessen engste Stelle bei der Passage zwischen Klavikula
(Präfixation) oder kaudal (Postfixation) verschoben sein. Ei- und 1. Rippe liegt. Die Klavikula markiert gleichzeitig die
ne Präfixation soll in etwa 0,9 % vorkommen. Hierbei sendet Grenze zwischen der im seitlichen Halsdreieck gelegenen
C4 einen größeren Faseranteil in den Truncus superior. Im Pars supraclavicularis und der in die Achselhöhle übertre-
Falle einer Postfixation sind Fasern aus Th2 an der Bildung tenden Pars infraclavicularis. Wurzeln, Primärstränge und
des Truncus inferior beteiligt. Die Postfixation ist sehr viel die davon abgehenden Nerven gehören zur Pars supracla-
seltener als die Präfixation. Entsprechend der Verschiebung vicularis, die Fasciculi und der Übergang in die Endäste zur
ändern sich auch die Segmentbezüge der Muskeln und Pars infraclavicularis. Die Faszikuli liegen in der Axilla an
Hautgebiete. Zumeist gehen diese Varietäten mit Variatio- der Stelle, wo der M. pectoralis minor den Gefäß-Nerven-
nen der Halswirbel und segmentalen Arterien einher. Strang überkreuzt. Infolge des Einbaus in die Skalenuslücke
Die meisten Variationen des Plexus brachialis beruhen wird die Lage der Pars supraclavicularis bei Bewegungen
darauf, dass die Aufteilung der Faszikel in die Endäste nicht nur wenig verändert. Die Pars infraclavicularis kann dage-
nach dem typischen Schema erfolgt. Die Fasern werden gen bei Bewegungen des Armes und des Schultergürtels
dann zunächst einem Nachbarnerv zugeteilt, gelangen aber ganz beträchtlich verlagert werden. Der kostoklavikuläre
weiter distal über Anastomosen in den zugehörigen Ner- Engpass kann in extremen Stellungen der oberen Extre-
venstamm zurück. mität zu einer Kompression des Plexus führen.
Innerhalb des Fasciculus lateralis wird öfters ein solcher
Faseraustausch zwischen dem N. musculocutaneus und Skalenuslücke (zwischen den Mm. scalenus anterior und
dem N. medianus beobachtet. Im Extremfall kann der medius). Die am Aufbau des Plexus beteiligten ventralen
N. musculocutaneus bis auf einen kleinen, vom lateralen Äste der Zervikalnerven liegen zunächst zwischen den
Faszikel zum M. coracobrachialis ziehenden Muskelast re- kleinen Mm. intertransversarii anteriores et posteriores
duziert sein. Die laterale Medianuswurzel ist dann abnorm cervicis, dann dorsal von A., V. und N. vertebralis, und ge-
dick, und der N. medianus gibt im Oberarm einen kräftigen langen in die von den Mm. scaleni anterior und medius
Nerv zu den Mm. biceps brachii und brachialis ab, der im und der 1. Rippe begrenzte Skalenuslücke. Der ventrale Ast
weiteren Verlauf in einem typischen N. cutaneus antebra- von Th1 liegt zunächst dorsal vom Ganglion stellatum (Ggl.
chii lateralis endet. Gelegentlich kann auch die laterale Me- cervicothoracicum) und erreicht die Skalenuslücke entlang
dianuswurzel reduziert sein oder vollkommen fehlen. Vom der hinteren Fläche der durch die Ligg. costopleurale und
N. musculocutaneus aus führt dann oberhalb der Ellenbeu- pleurotransversale verstärkten Pleurakuppel. Die A. sub-
ge eine Anastomose zum N. medianus zurück. Dieser Be- clavia liegt innerhalb der Skalenuslücke am weitesten
fund wird auch als eine Verlagerung der Medianusschlinge ventral in einem Sulcus a. subclaviae der 1. Rippe (s. Abb.
auf den Oberarm beschrieben. 6.1.14). Sie gibt unmittelbar lateral der Skalenuslücke die
Im Fasciculus medialis kann ganz analog eine ungleiche A. transversa cervicis (colli) ab, die zwischen den Strängen
Aufteilung der Fasern zwischen der medialen Medianus- des Plexus hindurch zur Schulterregion zieht, indem sie
wurzel und dem N. ulnaris vorkommen. Die ausgleichende sich in einen R. superficialis und R. profundus (A. dorsalis
Anastomose findet sich dann distal vom Ellenbogengelenk scapulae) aufteilt. Lateral von der Skalenuslücke wird der
(Martin-Gruber-Anastomose). Eine derartige Variation wur- Plexus von der A. cervicalis superficialis und A. suprasca-
de bei Sektionen in 39,2 % gefunden (407). pularis überkreuzt. Die kräftige Lamina praevertebralis
Auch zwischen dem Fasciculus posterior und dem Fasci- fasciae cervicalis, welche die prävertebralen Halsmuskeln
culus lateralis kommt ein solcher Faseraustausch vor. So und die Mm. scaleni bedeckt, legt sich auch auf den Plexus
werden am Oberarm nicht selten Äste des N. radialis zum und begleitet ihn bis hinab in die Achselhöhle.
M. brachialis beobachtet, die auf einem Übertritt von Fa- Auch die Skalenuslücke ist Sitz charakteristischer anato-
sern aus dem N. musculocutaneus in den Fasciculus pos- mischer Variationen. Gelegentlich zieht der Stamm der
terior beruhen. A. subclavia zwischen Truncus superior und medius hin-
Varianten in der topographischen Lage des Plexus bra- durch. Relativ selten (0,5–1%) kommen Halsrippen vor.
chialis ergeben sich auch aus dem Verhalten der A. bra- Kurze Halsrippen tangieren lediglich den R. ventralis von
chialis. Embryonal werden 2 Arterien, eine oberflächliche C7, lange Halsrippen engen dagegen von kaudal her die
und eine tiefe, angelegt. In etwa 75 % der Fälle bleibt die Skalenuslücke ein. A. subclavia und Plexus brachialis zie-
tiefe als A. brachialis erhalten, in 15 % wird der oberflächli- hen immer über die Halsrippe hinweg. Ein M. scalenus
che Ast zum Arterienstamm, und in 10 % können beide Ge- minimus, der sich zwischen die Plexusstränge schiebt,
fäße persistieren. Eine oberflächliche A. brachialis beginnt kann die Skalenuslücke ebenfalls unterteilen. Er verbindet
immer proximal und ventral von der Medianusschlinge den Processus transversus des 7. Halswirbels mit der 1. Rip-
und durchbohrt den M. coracobrachialis. Sie setzt sich im pe und strahlt auch in die Pleurakuppe ein.
Fall der hohen Teilung, d. h. bei der Persistenz beider Arte-
rien, in der Ellenbeuge in die A. radialis fort.

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176 6 Klinik der Läsionen peripherer Nerven

Kostoklavikuläre Passage (s. Abb. 6.1.14). Diese ist ventral Zur chirurgischen Anatomie
durch die vom M. subclavius unterpolsterte Klavikula, me-
dial durch das Lig. costoclaviculare, kaudal durch die 1. Rip- Für das Verständnis der klinischen Bilder bei traumatischer
pe und die obersten Serratuszacken und dorsal durch die Armplexusläsion sind einige weitere anatomische Beson-
Skapula mit dem M. subscapularis begrenzt. Das Armge- derheiten von Bedeutung: Am Epineurium ansetzende
flecht liegt am weitesten lateral im Gefäß-Nerven-Strang. fächerförmige Bänder fixieren die Wurzeln C5 und C6 am
Der kostoklavikuläre Raum wird beim Senken und Zurück- äußeren Rand der Foramina. Dies gilt teilweise auch für C7,
nehmen der Schultern verengt. Beim Hochhalten des Ar- während diese Ligamente in Höhe von C8 und Th1 voll-
mes wird andererseits die Pars infraclavicularis gegen die ständig fehlen.
Pars supraclavicularis abgewinkelt und gegen den M. sub- Im intraforaminalen Verlauf werden die Spinalnerven
clavius einerseits und den Ansatz des M. pectoralis minor von den radikulären Arterien gespeist. Diese können bei
andererseits gedrückt (s. Abb. 6.1.14). Wurzelausrissen lädiert werden, sodass eine temporäre
Ischämie des mit ausgerissenen Spinalganglions verur-
Pars infraclavicularis. Dieser Teil des Plexus wird ventral sacht wird. Bei der in der Axilla stattfindenden Aufteilung
von der vorderen Achselfalte, insbesondere von den Mm. der Faszikuli in Endäste bekommt jeder Nervenhaupt-
pectorales major und minor gedeckt. Mit dem Übertritt in stamm ein Gefäßbündel mit. Besonders der N. ulnaris wird
die Axilla verlassen einige Nerven den Plexus und schlie- durch einige zentimeterlange Gefäße im oberen und unte-
ßen sich den Wänden der Achselhöhle an: die Nn. pectora- ren Drittel des Oberarmes versorgt. Diese erlauben, den
les (medialis et lateralis), die zum M. pectoralis minor und Nerv als gestieltes oder freies Transplantat mit mikrochir-
an die Innenfläche des M. pectoralis major ziehen, der urgischem Gefäßanschluss zu verwenden, um extraforami-
N. thoracicus longus, der direkt auf dem M. serratus ante- nal gerissene Abschnitte zu überbrücken.
rior der medialen Wandung folgt, und der N. thoracodorsa-
lis für die Innervation des in der hinteren Achselfalte gele-
genen M. latissimus dorsi. Der Gefäß-Nerven-Strang selbst 6.1.2 Typen der Armplexusläsionen
zieht mitten durch das axilläre Fettgewebe. Es ist üblich,
am Gefäß-Nerven-Strang 3 Abschnitte zu unterscheiden. Art der Lähmung und klinische Bilder
Der obere Abschnitt reicht von der Klavikula bis zum me-
dialen Rand des M. pectoralis minor. Er wird von der der- Die klinischen Bilder, denen man bei Armplexuslähmun-
ben Fascia clavipectoralis bedeckt, die eine Hülle um den gen begegnet, sind zum Teil von der Ätiologie abhängig. Im
M. subclavius und M. pectoralis minor bildet. Die Faszie Wesentlichen werden sie aber von der Lokalisation und der
wird von den Nn. pectorales, der V. cephalica, die aus der Ausdehnung der Läsion bestimmt. Im Einzelfall wird man
Mohrenheim-Grube aufsteigt, und der A. thoracoacromia- aufgrund einer genauen Analyse der motorischen und sen-
lis durchbohrt. Der mittlere Abschnitt liegt hinter dem siblen Ausfälle und mit Bezug auf die anatomischen Gege-
M. pectoralis minor und der untere zwischen den lateralen benheiten eine topische Diagnostik der Plexusläsionen an-
Rändern der Mm. pectorales minor und major. Beachtung streben.
verdient der mittlere, vom M. pectoralis minor bedeckte Hierbei muss zwischen 2 unterschiedlichen topischen
Abschnitt, in dem sich die Umgruppierung der Faszikel in Zuordnungen differenziert werden: Im Hinblick auf den
die peripheren Armnerven vollzieht. Im weiteren Verlauf örtlichen Bezug der Plexusschädigung zum Schlüsselbein
folgt der Gefäß-Nerven-Strang dem M. coracobrachialis bis werden supraclaviculäre, retroclaviculäre und infraclavi-
in den Sulcus bicipitalis medialis. culäre Plexopathien unterschieden.
In Bezug auf die jeweils betroffene Faserpopulation un-
terteilt man in obere, mittlere und untere Armplexuspa-
Blutversorgung resen, bei denen vorwiegend Zuflüsse aus C5 und C6 bzw.
C7 bzw. C8 und Th1 ausgefallen sind. Der Begriff „untere
Diese ist im Hals- und Achselhöhlenbereich verschieden. Armplexusparese“ meint somit nicht eine kaudal (d. h. in-
Die Pars supraclavicularis wird durch feine Äste aus den fraclaviculär) lokalisierte Läsion, sondern ein durch Faser-
Aa. cervicalis ascendens, cervicalis superficialis, cervicalis ausfall aus den Segmenten C8 und Th1 dominiertes Läh-
profunda und transversa colli versorgt. Die Äste der ersten mungsbild.
beiden Arterien ziehen zu den kranialen Anteilen, die Im klinischen Alltag sind supraclaviculäre Armplexuslä-
A. cervicalis profunda und die A. transversa colli zu den sionen am häufigsten, wobei die traumatischen Fälle oft
kaudalen Abschnitten des Plexus. Spärlicher ist die arteri- mit Wurzelausrissen kombiniert sind, deren Erfassung im
elle Versorgung der Pars infraclavicularis, die durch 3–4 Abschnitt 6.1.3 dargestellt wird. Da die Nn. phrenicus, dor-
kleine, direkt aus der A. axillaris entspringende Nervenar- salis scapulae und thoracicus longus einen wurzelnahen
terien sichergestellt wird. Abgang aufweisen (s. Abb. 6.1.4), weist deren Betroffensein
auf eine Wirbelsäulen-nahe Schädigungslokalisation hin.
Tab. 6.1.1 sowie die Abb. 6.1.2 und 6.1.4 können eine Lo-
kalisation des Läsionsortes erleichtern. Neben der detail-
lierten topischen Diagnostik wird man praktisch manche

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6.1 Läsionen des Plexus cervico-brachialis 177

Fälle lediglich einem der 2 häufigsten Typen, der oberen strecker kommt ein Ausfall des M. pronator teres und des
und unteren Armplexusparese, zuordnen können. M. flexor carpi radialis hinzu. Sehr oft ist die Beugung des
Daumens und des Zeigefingers deutlich abgeschwächt
oder vollständig aufgehoben. Die Sensibilitätsstörungen
Obere Armplexusparese umfassen auch die radiale Hälfte der Hand.

Duchenne-Erb-Form. Diese ist durch eine Läsion der aus


den Wurzeln C5 und C6 hervorgehenden Axone charakte- Untere Armplexusparese
risiert. Sie ist gekennzeichnet durch eine Parese der Ab-
duktoren und Außenrotatoren des Schultergelenkes, der Déjerine-Klumpke-Lähmung. Sie wird durch eine Läsion
Ellenbogenbeuger inkl. des M. brachioradialis, des M. supi- der aus den Wurzeln C8 und Th1 stammenden Axone her-
nator und manchmal auch durch einen partiellen Ausfall vorgerufen. Dies führt zu einer Parese der kleinen Hand-
des M. triceps brachii, der Dorsalextensoren der Hand und muskeln, der langen Fingerbeuger, die aber zum Teil erhal-
einiger weiterer Schulterblattmuskeln. Entsprechend die- ten bleiben können, seltener auch der Handbeuger. Der
sen Ausfällen hängt der Arm schlaff herunter und wird M. triceps brachii und die langen Strecker von Hand und
nach innen rotiert gehalten, so dass von hinten die Hand- Fingern sind i. d. R. weitgehend verschont, was zu einer
fläche sichtbar ist (Abb. 6.1.5). charakteristischen Krallenstellung der Finger mit Hyperex-
Manchmal ist ein Sensibilitätsausfall über dem M. del- tension im Grundgelenk und Flexion in den Interphalange-
toideus, an der Außenseite des Oberarmes und an der Ra- algelenken führt (Abb. 6.1.6). Die Sensibilität ist bei einer
dialkante des Vorderarmes vorhanden, kann aber auch unteren Armplexusparese immer mit betroffen mit Ausfäl-
ganz fehlen. Bei einer totalen Durchtrennung der Spinal- len an der ulnaren Handpartie und an der ulnaren Vorder-
nerven C5 und C6 allerdings ist die Gefühlsstörung immer armkante. Sehr oft ist sie auch leicht am Mittelfinger und
vorhanden. In einem traumatologischen Krankengut ist die an der Handfläche gestört. In vielen Fällen ist ein Horner-
Mitbeteiligung der 7. zervikalen Wurzel, also eine erwei- Syndrom nachweisbar als Ausdruck einer direkten trauma-
terte obere Armplexusparese (C5, C6 und C7), etwas häufi- tischen Schädigung des Halssympathikus vor Abgang des
ger (Tab. 6.1.2 u. 6.1.3). Zu den erwähnten Ausfällen gesel- R. communicans albus. Eine reine Déjerine-Klumpke-Läh-
len sich in diesem Fall eine totale oder eine Teilparese des mung ist im traumatologischen Krankengut sehr selten,
M. triceps brachii; die Funktion des Caput longum kann er- findet man sie doch nur bei 1,4 % unserer Patienten (s. Tab.
halten bleiben. Zur Parese der Handgelenks- und Finger- 6.1.2).

Abb. 6.1.5 Obere Armplexusparese


rechts. Atrophie des M. deltoideus
und M. biceps sowie der Mm. supra-
und infraspinati. Innenrotationsstel-
lung des Armes, sodass die Hand-
fläche von hinten sichtbar wird.

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178 6 Klinik der Läsionen peripherer Nerven

Tabelle 6.1.1 Darstellung des Weges, auf welchem die Axone vom Rückenmark zu den einzelnen Muskeln der oberen Extremitäten gelangen. Aufgrund einer Analyse der Muskelausfälle
Th1

C8

C7

C6

C5

(C4)

unterer Primärstrang (C8–Th1) der vorderen Spinalnervenäste

mittlerer Primärstrang (C7) der vorderen Spinalnervenäste

oberer Primärstrang (C4–C5–C6) der vorderen Spinalnervenäste

vorderer Ast aus dem unteren Primärstrang

hinterer Ast aus dem unteren Primärstrang

hinterer Ast aus dem mittleren Primärstrang

hinterer Ast aus dem oberen Primärstrang

vorderer Ast aus dem mittleren Primärstrang

vorderer Ast aus dem oberen Primärstrang

Fasciculus medialis

Fasciculus dorsalis

Fasciculus lateralis

N. ulnaris

N. radialis

N. medianus

N. musculocutaneus

N. axillaris

N. thoracodorsalis

N. subscapularis

Nn. thoracici anteriores

N. thoracicus longus
kann anhand der Tabelle auf den Sitz der Läsion geschlossen werden

N. subclavius

N. suprascapularis

N. dorsalis scapulae
M. flexor digitorum profundus (uln. Portion)

Mm. extensores carpi rad. longus et brevis


Mm. interossei palmares et dorsales

M. flexor pollicis brevis, Caput prof.

M. extensor digiti minimi


M. extensor digitorum
Mm. lumbricales III–IV
M. flexor carpi ulnaris

M. adductor pollicis

M. extensor indicis
M. palmaris brevis

M. brachioradialis
M. triceps brachii
M. anconaeus

M. supinator

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M. extensor pollicis longus
M. extensor pollicis brevis
M. abductor pollicis longus
M. pronator teres
M. flexor carpi radialis
M. palmaris longus
M. flexor digitorum superficialis
M. flexor pollicis longus
M. flexor digitorum profundus (rad. Port.)
M. pronator quadratus
M. opponens pollicis
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis (Caput superf.)
Mm. lumbricales I–II
M. biceps brachii
M. coracobrachialis
M. brachialis
M. deltoideus
M. teres minor
M. latissimus dorsi
M. subscapularis
M. teres major
M. pectoralis major
M. pectoralis minor
M. serratus anterior
M. subclavius
M. supraspinatus
M. infraspinatus
M. levator scapulae
Mm. rhomboidei

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6.1 Läsionen des Plexus cervico-brachialis
179
180 6 Klinik der Läsionen peripherer Nerven

Tabelle 6.1.2 Anfängliche klinisch-topische Lokalisation bei 780 eigenen Fällen von traumatischen Armplexuslähmungen (Zerrung
oder Quetschung), wovon 400 operativ verifiziert wurden (A.N.)
Supraklavikulär Vollständige Parese Teilparese Total %

C5–C6 261 127 188 11,3


C5–C6–C7 285 144 129 16,5
C7 222 122 124 0,5
C 7 – C 8 – Th 1 217 123 120 2,6
C 8 – Th 1 228 123 111 1,4
C 5 – Th 1 287 128 415 53,2
Infraklavikulär + distal 224 189 113 14,5
780 100,0

Tabelle 6.1.3 Topische Diagnostik bei motorischen Störungen radikulären Ursprungs an der oberen Extremität. Schema zur Eintra-
gung der Ergebnisse der Muskelprüfung (Zahlen s. u. oder Schraffierungen)

C6 C8

Rhomboides C5 C7 D1
Trapezius

Serratus anterior II III IV V Oppo- Ab-


nens ductor
Pars posterior Biceps Pronator teres Flexor digitorum superficialis pollicis pollicis
lateralis brevis
Flexor carpi Palmaris longus
Deltoides radialis
anterior Flexor pollicis Flexor Ab-
Triceps longus pollicis ductor
Brachialis brevis pollicis
Teres minor Extensor carpi Extensor carpi
radialis ulnaris Aductor digiti
minimi

Supraspinatus Brachioradialis Extensores Abductor pollicis interosseus


digitorum longus dorsalis I
communis et Extensor pollicis
proprii brevis palmaris brevis

Extensor pollicis Flexor II–V interossei


Infraspinatus Supinator longus digitorum dorsales II–V
profundus
Flexor carpi
ulnaris

Teres major Latissimus dorsi

Pectoralis major

Gradeinteilung (nach den Richtlinien des British Medical Research Council 1942)
0 = keine Muskelaktivität
1 = sichtbare Kontraktion ohne Bewegungseffekt
2 = Bewegungsmöglichkeit unter Ausschaltung der Schwerkraft des abhängigen Gliedabschnittes
3 = Bewegungsmöglichkeit gegen die Schwerkraft
4 = Bewegungsmöglichkeit gegen mäßigen Widerstand
5 = normale Kraft

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6.1 Läsionen des Plexus cervico-brachialis 181

nus und der N. ulnaris betroffen. Wenn in diesen Fällen die


Nn. pectorales anteriores auch mit geschädigt sind, gleicht
das klinische Bild sehr einer Plexusläsion, obwohl der
Schaden distal vom Armplexus lokalisiert ist. So kommen
z. B. bei Strahlenspätschäden und nach axillarer Plexus-
anästhesie untere Armplexusparesen vor, die in Wirklichkeit
auf einer kombinierten Läsion der Nn. medianus und ulna-
ris beruhen. Das motorische Ausfallsmuster ähnelt dem-
nach einer unteren Armplexusparese, während die Sensibi-
litätsstörungen nicht nur die ulnare Handpartie, sondern
auch die Finger I–III betreffen und so eine Abgrenzung er-
lauben.

Initial vollständige Plexusparese

In den frischen traumatologischen Fällen ist die topische


Diagnostik dieser verschiedenen Lähmungstypen dadurch
erschwert, dass in mehr als der Hälfte der Fälle die Parese
zunächst mehr oder weniger total ist und den ganzen Arm-
plexusbereich zu umfassen scheint (s. Tab. 6.1.2). Bei Rück-
bildung der initialen akuten Symptome bleibt dann viel-
fach einer der oben geschilderten Lähmungstypen zurück,
Abb. 6.1.6 Untere (und mittlere) Armplexusparese links. Atro-
wobei die obere Armplexusparese und die laterale faszi-
phie der Vorderarmbeuger und Parese der Hand sowie Horner-
Syndrom. kuläre Lähmung vorherrschen. Ein gutes Drittel der Patien-
ten weist jedoch auch noch Monate nach dem Unfall eine
totale Lähmung von C5–Th1 auf (s. Abb. 6.1.9). Bei unge-
fähr 10 % dieser Unfallopfer führen meist Frakturen des
Isolierte C7-Lähmung Ober- und Vorderarmes zusätzlich zu Läsionen von Ner-
vensträngen auf verschiedener Höhe, sowohl oberhalb wie
Diese ist noch seltener. Sie erfasst v. a. das proximale Ver- unterhalb der Klavikula, ja sogar weiter distal am Arm bis
sorgungsgebiet des N. radialis bei erhaltener Funktion des zum Ellenbogen.
M. brachioradialis, der ausgiebig von C5 und C6 mitver-
sorgt wird.
6.1.3 Klinisch-topische Diagnostik der
Armplexusläsionen und der
zervikalen Wurzelausrisse
Faszikuläre Lähmungstypen
Armplexusläsionen und Ausrisse zervikaler Spinalnerven-
Es gibt deren 3: den dorsalen mit Ausfall der Nn. axillaris wurzeln aus dem Rückenmark spielen in der heutigen
und radialis, sehr oft auch des N. thoracodorsalis, den late- Traumatologie eine wichtige Rolle. Ungefähr 75 % entste-
ralen mit Ausfall des N. musculocutaneus und der lateralen hen bei Verkehrsunfällen. Die differentialdiagnostische
Medianuswurzelanteile und den medialen mit Ausfall des Klärung, ob die Läsion im Gebiete des Armplexus liegt und
N. ulnaris, N. cutaneus antebrachii medialis und der me- welchen Teil sie betrifft oder ob die Wurzeln betroffen
dialen Medianuswurzelanteile. Läsionen der lateralen und sind, ist vielfach von entscheidender Wichtigkeit. Zer-
der dorsalen Faszikuli kommen sehr oft assoziiert vor. Eine rungsläsionen ohne anatomische Unterbrechung, also Sun-
isolierte Läsion des Fasciculus medialis ist nach Trauma derlands Schweregrade 1–3 (s. S. 22 f.) haben eine viel bes-
sehr selten, dagegen ist er häufig isoliert bei Strahlenschä- sere Prognose als Rupturen und Wurzelausrisse. So haben
den und bei Kompressionen im kostoklavikulären Défilé vordere Schulterluxationen i. d. R. lediglich eine Neurapra-
betroffen. xie mit guter Prognose zur Folge. Aber auch bei schwereren
Verletzungen kann eine operative Reparatur in gewissen
Fällen gute Resultate erzielen, wie z. B. bei Kontinuitäts-
Schädigung einzelner Plexusendäste unterbrechung des Fasciculus lateralis und des Fasciculus
posterior oder beim Abriss des N. axillaris oder des N. mus-
Diese gesellen sich besonders nach Trauma zu den er- culocutaneus.
wähnten Lähmungstypen. Im Besonderen sind die Nn. sup- Für die topische Lokalisation, insbesondere mit der Fra-
rascapularis, axillaris, musculocutaneus und der laterale ge nach einem Wurzelausriss, und auch für die Beurteilung
Teil des N. medianus, manchmal sogar der ganze N. media- des Schweregrades einer Armplexusläsion ist zunächst ei-

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