Eingliederung von ISO 1996 in das bestehende Normenwerk

Dr.-Ing. Bernd Kunzmann, (NALS) im DIN und VDI, Düsseldorf

1 Einleitung ISO/CD 1996-2: 2001 Acoustics - Description, measurement and as-

Normen, reinweg auf ISO-Ebenen geschaffen, werden oft mit Interesse, sessment of environmental noise - Part 2: Determination of environ-
doch oft auch mit hinreichender Gelassenheit verfolgt. Ein Grund dafür ist, mental noise / Akustik - Beschreibung, Messung und Beurteilung von
dass Mitgliedsländer nicht zur nationalen Übernahme von ISO-Normen Umgebungslärm - Teil 2: Ermittlung von Umweltgeräuschen
verpflichtet sind, so wie dies z.B. bei Europäischen Normen der Fall ist.
Dennoch gibt es genügend Beispiele dafür, dass solche Normen als natio- 4 Globale Anwendung
nale Normen übernommen bzw. in Verordnungen eingebunden worden Umfangreiche Einsprüche technischer und redaktioneller Art in allen Bear-
sind. Für diejenigen, die darauf nicht vorbereitet waren, endete dann die beitungsstadien, zu allen Normen dieser Reihe, ließen erkennen, welch
Gelassenheit mit einem abrupten Erwachen. Hierbei ist unter anderem auf hoher Stellenwert dieser internationalen Normenreihe weltweit beigemes-
DIN ISO 9613-2 und DIN ISO 8297 zu verweisen. Diese Normen sind sen wird. Viele Länder haben die internationale Normenreihe als nationale
verbindlich in die TA Lärm einbezogen worden. Auf diesem Hintergrund Normen übernommen und teilweise in nationale Gesetze eingebunden. Die
erscheint es ratsam, die historische und weitere Entwicklung der Normen- globale Verankerung wird nachfolgend beispielhaft anhand der Normteile 1
reihe ISO 1996 zu verfolgen. Das erklärte Ziel von ISO 1996 war und ist, und 3 veranschaulicht.
verwendete Verfahren zur Beschreibung, Messung und Beurteilung von
Umweltlärm international zu harmonisieren. Mit dieser Normenreihe sollen ISO 1996-1 ISO 1996-3
damit Werkzeuge bereitgestellt werden, um nationale Normen, Regelwerke ISO-Mitgliedsland A B A B
und Verordnungen auf einer gemeinsamen Basis zu entwickeln. Dieses Ziel ja nein ja nein ja nein ja nein
ist mit Blick auf die zunehmende Globalisierung und die EU-Umweltschutz- Australien x x x x
politik bedeutsam. Belgien x x x x
Canada
2 ISO 1996-Normenreihe [1] China x x
ISO 1996-1:1982-09 Acoustics; Description and measurement of envi- Dänemark x x x x
ronmental noise; Part 1 : Basic quantities and procedures / Akustik; Deutschland x x
Beschreibung und Messung von Umweltlärm; Teil 1: Grundeinheiten Finnland
und Verfahren Frankreich
Definiert Grundgrößen für die Beschreibung von Lärm in Wohngebieten und
Großbritannien x x x x
beschreibt Grundverfahren für deren Messung.
Italien x x
ISO 1996-2: 1987-04 Acoustics; Description and measurement of Japan x x x
environmental noise; Part 2 : Acquisition of data pertinent to land use Korea, Republik
/ Akustik; Beschreibung und Messung von Umgebungsgeräuschen; Neuseeland x x x x
Teil 2: Datenerfassung zur Flächennutzung Niederlande x x x x
Nennt Verfahren zur Messung und Beschreibung von Umgebungsgeräu- Norwegen x x x x
schen für ein festgelegtes, bestehendes oder geplantes Gebiet. Gibt keine Österreich x x x x
Anleitung für die Einschätzung der Gesamtunsicherheit der Ergebnisse. Schweden x x x x
Legt keine Lärmgrenzwerte fest. Schweiz
Spanien x x
ISO 1996-2 AMD 1:1998-09 Acoustics - Description and measurement Südafrika x x x x
of environmental noise - Part 2: Acquisition of data pertinent to land Tschechische Republik x x x x
use; Amendment 1 / Akustik - Beschreibung und Messung von Umge- Ungarn x x x x
bungsgeräuschen - Teil 2: Datenerfassung zur Flächennutzung; Ände- USA x x
rung 1 Summe 12 6 10 4 10 7 8 4
Dokument ändert ISO 1996-2:1987-04 A als nationale Norm übernommen / B unverändert übernommen

ISO 1996-3:1987-12 Acoustics; Description and measurement of envi-
ronmental noise; Part 3 : Application to noise limits / Akustik; Be-
schreibung und Messung von Umgebungsgeräuschen; Teil 3: Anwen-
dung auf Geräuschgrenzwerte
Gibt Leitlinien für die Festlegung von Lärmgrenzwerten an und beschreibt
Verfahren für die Erfassung von Daten, die es ermöglichen, eine spezifi-
sche Lärmsituation auf Übereinstimmung mit festgelegten Lärmgrenzwerten
zu überprüfen.
3 Überarbeitung von ISO 1996 – Ziele und Zweck [1]
Die Überarbeitung der gesamten Normenreihe war bereits 1996 beschlossen
worden. Als Zweck und Rechtfertigung der Überarbeitung wurde angeführt,
dass neue Erkenntnisse hinsichtlich Tonzuschlägen, der Kennzeichnung von
Lärmzonen und der Beurteilungszeiträume Berücksichtigung finden müssten.
Ergänzend wurde auf die Nutzbarmachung neuer Verfahrensweisen und
moderner Messinstrumente hingewiesen.
Der Inhalt der jetzt zur Diskussion gestellten neuen Entwürfe wurde bereits in
den vorangegangenen Vorträgen dieser strukturierten Sitzung durch GOTT-
LOB und VOGELSANG erläutert.
ISO/DIS 1996-1.1: 2001-03 Acoustics - Description, measurement and
assessment of environmental noise - Part 1: Basic quantities and
assessment procedures / Akustik - Beschreibung, Messung und
Beurteilung von Umgebungslärm - Teil 1: Grundlegende Größen und
Beurteilungsverfahren
5 Eingliederung ins nationale Normenwerk [1]
Die Normenreihe ISO 1996 ist von Deutschland nicht übernommen worden.
Es ist jedoch anzumerken, dass diese Reihe als allgemeine Grundlage ge-
nutzt wird, wenn Tätigkeiten im Ausland ausgeführt werden. Der technische
Inhalt der Normenreihe ist aus deutscher Sicht abgedeckt durch Verordnun-
gen und nationale Normen. Im Vergleich zur internationalen Normenreihe
werden dabei unterschiedliche Anforderungen, so hinsichtlich der zu beurtei-
lenden Geräuschart und Zuschläge für Impulsgeräusche gegeben.
Als nationales, jedoch nicht äquivalentes Pendant zu ISO/DIS 1996-1:2001-
03 und ISO 1996-2 AMD 1 (1998-09) ist heranzuziehen:
DIN 45645-1:1996-07 Ermittlung von Beurteilungspegeln aus Messun-
gen - Teil 1: Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft / Determina-
tion of rating levels from measurement data- Part 1 Noise immission in
the neighbourhood
Das Dokument ist auf alle Geräuscharten anwendbar, im Rahmen der
einschlägigen Verordnungen und Vorschriften jedoch nur sofern dort keine
anderen Festlegungen getroffen sind. (internationale Übereinstimmung mit
ISO/DIS 1996-1:2001-03, ISO 1996-2 AMD 1:1998-09, nicht äquivalent)
Verankerung fand ISO 1996 des weiteren in den folgenden Regelwerken:
E DIN 18005-1:2000-12 Schallschutz im Städtebau - Teil 1: Hinweise für
die Planung / Noise abatement in town planning - Part 1: Planning
considerations

D:\Bochum\Mein Vortrag\KUNZMANN Vortrag doc

- 118 -
Gibt Hinweise zur Berücksichtigung des Schallschutzes bei der städtebauli-
chen Planung. Gilt nicht für die Anwendung in Genehmigungs- und Plan-
feststellungsverfahren. (Internationale Übereinstimmung mit ISO 1996-
2:1987-04, nicht äquivalent ) (baldige Veröffentlichung als Weißdruck)
DIN 18005-1:1887-05 Schallschutz im Städtebau; Berechnungsverfah-
ren / Noise abatement in town planning; calculation methods
Enthält vereinfachte Berechnungsverfahren zur Ermittlung von Schallim-
missionen und -emissionen. Die Ergebnisse genügen den Anforderungen
der Bauleitplanung. Für die Immissionsberechnung sind Angaben darüber
gemacht worden, wie ausgedehnte Schallquellen: z.B. Verkehrswege,
Industriegebiete - durch punktförmige Schallquellen zu ersetzen sind und
wie der Schallleistungspegel von Linien- und Flächenschallquellen zu
berechnen ist. Zur leichten Anwendung der Norm in der Praxis sind An-
wendungsbeispiele enthalten. (internationale Übereinstimmung mit
ISO 1996-2:1987-04, nicht äquivalent) (kurz vor der Zurückziehung)
DIN 18005-2:1991-09-00 Schallschutz im Städtebau; Lärmkarten;
Kartenmäßige Darstellung von Schallimmissionen / Noise abatement
in town planning; noise maps; graphical representation of noise
pollution
Die Norm beschreibt, wie die Stärke der gegenwärtigen oder zukünftigen
Schallimmissionen in einem Gebiet kartenmäßig dargestellt werden kann.
Durch Verwendung einheitlicher Planzeichen soll erreicht werden, daß
Lärmkarten untereinander vergleichbar sind. (internationale Übereinstim-
mung mit ISO 1996-2:1987-04, äquivalent)
Zitiert ist ISO 1996 in ca. 20 weiteren DIN-Normen. Beispiele dafür sind:
E DIN 45681:1992-01-00 Bestimmung der Tonhaltigkeit von Geräu-
schen und Ermittlung eines Tonzuschlages für die Beurteilung von
Geräuschimmissionen / Detection of tonal components of noise and
determination of a tone adjustment for the assessment of noise im-
missions
Der Norm-Entwurf beschreibt ein Verfahren zur objektiven Bestimmung der
Tonhaltigkeit von Geräuschen und für die Ermittlung eines Tonzuschlages
für die Beurteilung von Geräuschimmissionen. Das Verfahren ist anwend-
bar, wenn die Frequenz des zu beurteilenden Tones höher als 100 Hz ist
und sich die Tonfrequenz und der Tonpegel während der Messung wenig
verändern. (zitiert sind u.a. ISO 1996-1 und –2)
DIN ISO 9613-2:1999-10 Akustik - Dämpfung des Schalls bei der Aus-
breitung im Freien - Teil 2: Allgemeines Berechnungsverfahren (ISO
9613-2:1996) / Acoustics - Attenuation of sound during propagation
outdoors - Part 2: General method of calculation (ISO 9613-2:1996)
Das Dokument beschreibt ein Verfahren zur Berechnung der Schallaus-
breitung im Freien. Das Verfahren basiert auf dem in den Richtlinien
VDI 2714 und VDI 2720 Blatt 1 beschriebenen Berechnungsverfahren
(ISO 9613-2:1996) (zitiert sind u.a. ISO 1996-1 bis –3)
6 Rahmenbedingungen für die Überarbeitung
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass sich in Bezug auf die Verständi-
gung über die Notwendigkeit der Harmonisierung von Beurteilungsverfahren
auf europäischem und internationalem Gebiet neue Rahmenbedingungen
herausgebildet haben. Die allgemeine Globalisierung und die EU-
Umweltschutzpolitik sind dafür als Wegweiser heranzuziehen. So wurde
einvernehmlich festgestellt, dass dieses Ziel unterstützt wird. Im besonderen
wurde begrüßt, dass die Beschreibung und Bewertung vorrangig auf der
Grundlage von A-bewerteten Schalldruckpegeln und Beurteilungspegeln
erfolgt. Deutschland hat sich aktiv an der Gestaltung der Normenreihe betei-
ligt. Von deutscher Seite wurde mit Nachdruck gefordert, dass Aussagen und
Annahmen, die einer näheren Untersuchung bedürfen, nicht normativ einge-
bunden werden. Dabei stehen die folgenden Inhalte im Vordergrund der
Diskussion:
- Definition und Wahl von Kenngrößen,
- Zuschläge für Ton- und Impulshaltigkeit,
- Behandlung tieffrequenter Geräusche,
- Bestimmung des prozentualen Anteils Belästigter und von Schlafstörungen,
- kumulative Beurteilung,
- Korrelation der quellenbezogenen Korrektur mit nationalen Gegebenheiten
Das erklärte Ziel der Normenreihe, alle Quellen auf wissenschaftlich begrün-
deter Basis zusammenzufassen, kumulative Beurteilung und quellenbezoge-
ne Korrektur von Geräuschen anzugeben, wird als lückenhaft bezeichnet. So
ist u. a. die Bestimmung des Gesamtbeurteilungspegels, gebildet aus Flug-
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lärm und Straßenlärm, als Konvention anzusehen. Deutschland hat besonde-
res Augenmerk darauf gelegt, dass die in ISO 1996 behandelten Inhalte
nicht im Gegensatz zu deutschen Vorgehensweisen stehen. So ist anzu-
merken, dass im frühen Stadium bereits die englische Fassung von DIN
45645-1 in die Diskussion der zuständigen ISO/TC 43/SC 1/WG 45-
Abeitsgruppe eingebracht wurde. Da dieses Aktivität in ähnlicher Weise
auch von anderen Ländern geleistet wurde, ist der nunmehr zur Diskussion
stehende Inhalt beider Normteile als mehrheitlicher Konsens zu bewerten.
Dies hat zur Folge, dass bestimmte Inhalte auch dann Bestand haben,
wenn diese nicht einvernehmlich getragen werden.
Auf entsprechende Sachfragen wird in den nachfolgenden Vorträgen dieser
strukturierten Sitzung detailliert eingegangen. Dies betrifft:
- die Behandlung der Impulshaltigkeit im ISO/CD 1996-2 unter Berücksich-
tigung neuer Ansätze; (POMPETZKI),
- die Behandlung der Tonhaltigkeit unter Berücksichtigung von DIN 45681;
(SAGEMÜHL),
- die Qualifizierung von Immissionsprognosen durch Abschätzung der
Unsicherheit; (KURZE),
- Bestimmung meteorologischer Bedingungen am Beispiel dreidimensio-
naler Windmessungen; (KÜHNER).
Wie unterschiedlich Verfahrensweisen weltweit sind, ist der Veröffentlichung
von Desarnaulds, Monay und Favarger [2] beispielhaft anhand von Schießge-
räuschen zu entnehmen. Solche Verfahren berücksichtigen dabei in unter-
schiedlicher Weise die Schusszahl, Anzahl der Nutzungstage, die Art der
Flächennutzung und das Hintergrundgeräusch als Parameter. Als Kenngrö-
ßen für die Beurteilung werden u.a. verwendet: LAFmax, LAImax, LAeq, Lpeak, oder
LAE. Dieser Vergleich von Beurteilungsverfahren zu einem speziellen Anwen-
dungsbereich und die Veröffentlichung von GOTTLOB [3] zu generellen
Geräuscharten lassen erkennen, wie unterschiedlich die Ausgangslage ist,
wie schwer es ist, so ermittelte Ergebnisse zu vergleichen und letztendlich
harmonisierte Verfahren zur Beurteilung zu formulieren.
7 Tendenzen und mögliche Konsequenzen
Wann und in welcher Weise wäre Einfluss auf nationale Regelwerke bzw.
Verfahrensweisen gegeben. Dies wäre der Fall, wenn:
- Internationale Normen, die normative Verweise auf ISO 1996 beinhalten,
ins deutsche Normenwerk übernommen bzw. in Verordnungen einge-
bunden werden. Als Beispiel dafür ist ISO 9613-2 (bzw. DIN ISO 9613-2)
und damit in gewisser Weise auch die TA Lärm zu nennen.
- Europäische Normen normativ Verweis auf ISO 1996 nehmen.
- Europäische Richtlinien oder Gesetze Bezug auf ISO 1996 nehmen.
8 Europäische Richtlinie über die Bewertung und Be-
kämpfung von Umgebungslärm
Mit dieser Richtlinie soll europaweit ein gemeinsames Konzept festgelegt
werden, um die Auswirkungen der Belastung durch Umgebungslärm auf
der Grundlage von Prioritäten zu bekämpfen.
Diese Richtlinie soll die Grundlage für die Einführung von Gemeinschafts-
maßnahmen zur Minderung des Lärms aus spezifischen Lärmquellen
darstellen, insbesondere Verkehrsmitteln und den für die Verwendung im
Freien vorgesehenen Geräte und Maschinen. Diese Richtlinie nimmt
mehrfach direkten Bezug auf ISO 1996.
9 Zusammenfassung
Die zunehmende Globalisierung und die EU-Umweltschutzpolitik machen es
erforderlich, einheitliche Verfahren zu formulieren und in absehbarer Zukunft
anzuwenden. Neben grenzüberschreitenden gesetzgeberischen Aktivitäten ist
dafür die internationale und Europäische Normung ein probates Mittel.
Aufrund der Vielschichtigkeit genutzter Verfahren und Kenngrößen, landesty-
pischer Gegebenheiten und Besonderheiten sowie Schutzzielen ist jedoch
noch ein zähes Ringen mit dem Blick auf Einheitlichkeit einerseits und Be-
standsschutz anderseits erforderlich.
Literatur
[1] Perinorm, Beuth Verlag, DIN, AFNOR, BSI
[2] Desarnaulds, V.; Monay, G.; Favarger, D. Shooting Noise Regula-
tions – Review of various national practices, Internoise 1998, Neu-
seeland
[3] Gottlob, D. Regulations for Community Noise, internoise 1994
Yokohama
[4] DIN ISO 8297:2000-08 Akustik-Ermittlung der Schallleistungspegel
von Mehr-Quellen-Industrieanlagen für Zwecke der Berechnung
von Schalldruckpegeln in der Umgebung; Verfahren der Genauig-
keitsklasse 2 (ISO 8297:1994)
D:\Bochum\Mein Vortrag\KUNZMANN_Vortrag.doc