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DEUTSCHE NORM Juni 2000

Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer


Arbeitsbelastung D
Teil 2: Gestaltungsgrundsätze
(ISO 10075-2:1996) Deutsche Fassung EN ISO 10075-2:2000 EN ISO 10075-2
ICS 13.180

Ergonomic principles related to mental workload —


Part 2: Design principles (ISO 10075-2:1996);
German version EN ISO 10075-2:2000
Principes ergonomiques relatifs à la charge de travail mental —
Partie 2: Principes de conception (ISO 10075-2:1996);
Version allemande EN ISO 10075-2:2000

Die Europäische Norm EN ISO 10075-2:2000 hat den Status einer Deutschen Norm.

Nationales Vorwort
Diese Norm wurde von der Arbeitsgruppe 2 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“ des
Technischen Komitees ISO/TC 159 „Ergonomie“, Unterkomitee 1 „Ergonomische Leitsätze“ erarbeitet. Die Sekretariats-
führung liegt bei Deutschland.
Bei der formellen Abstimmung zur Übernahme der ISO 10075-2:1996 als Europäische Norm stimmten fünfzehn der
achtzehn CEN-Mitgliedsländer mit „Ja“, drei Länder (Dänemark, Deutschland, Schweiz) enthielten sich der Stimme.
Damit wurde das vorliegende Dokument entsprechend der CEN/CENELEC-Geschäftsordnung als Europäische Norm
angenommen. Gemäß der CEN/CENELEC-Geschäftsordnung ist Deutschland verpflichtet, dieser Europäischen Norm
ohne jede Änderung den Status einer nationalen Norm zu geben.
Deutschland hat sich bei der formellen Abstimmung über den Europäischen Norm-Entwurf der Stimme enthalten, da
zwischen den Sozialpartnern als wesentliche an der Normung im Bereich der Ergonomie interessierten Kreisen kein
Konsens erzielt werden konnte.

Fortsetzung 9 Seiten EN

Normenausschuss Ergonomie (FNErg) im DIN Deutsches Institut für Normung e. V.


— Leerseite —
EUROPÄISCHE NORM EN ISO 10075-2
EUROPEAN STANDARD
NORME EUROPÉENNE März 2000

ICS 13.180

Deutsche Fassung

Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer


Arbeitsbelastung
Teil 2: Gestaltungsgrundsätze
(ISO 10075-2:1996)

Ergonomic principles related to mental workload — Principes ergonomiques relatifs à la charge de travail
Part 2: Design principles (ISO 10075-2:1996) mental — Partie 2: Principes de conception
(ISO 10075-2:1996)

Diese Europäische Norm wurde von CEN am 2000-01-24 angenommen.


Die CEN-Mitglieder sind gehalten, die CEN/CENELEC-Geschäftsordnung zu erfüllen, in
der die Bedingungen festgelegt sind, unter denen dieser Europäischen Norm ohne jede
Änderung der Status einer nationalen Norm zu geben ist.
Auf dem letzten Stand befindliche Listen dieser nationalen Normen mit ihren bibliogra-
phischen Angaben sind beim Zentralsekretariat oder bei jedem CEN-Mitglied auf Anfrage
erhältlich.
Diese Europäische Norm besteht in drei offiziellen Fassungen (Deutsch, Englisch,
Französisch). Eine Fassung in einer anderen Sprache, die von einem CEN-Mitglied in
eigener Verantwortung durch Übersetzung in seine Landessprache gemacht und dem
Zentralsekretariat mitgeteilt worden ist, hat den gleichen Status wie die offiziellen
Fassungen.
CEN-Mitglieder sind die nationalen Normungsinstitute von Belgien, Dänemark, Deutsch-
land, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, der Tschechischen
Republik und dem Vereinigten Königreich.

CEN
EUROPÄISCHES KOMITEE FÜR NORMUNG
European Committee for Standardization
Comité Européen de Normalisation

Zentralsekretariat: rue de Stassart 36, B-1050 Brüssel

© 2000 CEN — Alle Rechte der Verwertung, gleich in welcher Form und in welchem Verfahren,
sind weltweit den nationalen Mitgliedern von CEN vorbehalten. Ref.-Nr. EN ISO 10075-2:2000 D
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EN ISO 10075-2:2000

Inhalt
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4.4 Leitsätze in bezug auf herabgesetzte


Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Wachsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
4.5 Leitsätze in bezug auf Sättigung . . . . . . . . . . . . 8
1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
5 Information und Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . 8
2 Normative Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Anhang A (informativ)
3 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Beispiele für Gestaltungslösungen . . . . . . . . . . . . . . 9
4 Gestaltungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Anhang ZA (normativ)
4.1 Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Normative Verweisungen auf internationale
4.2 Leitsätze in bezug auf Ermüdung . . . . . . . . . . . 4 Publikationen mit ihren entsprechenden
4.3 Leitsätze in bezug auf Monotonie . . . . . . . . . . . 7 europäischen Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Vorwort
Der Text der Internationalen Norm ISO 10075-2:1996 vom Technischen Komitee ISO/TC 159 „Ergonomics“ der Inter-
national Organization for Standardization (ISO) wurde als Europäische Norm durch das Technische Komitee CEN/TC 122
„Ergonomie“ übernommen, dessen Sekretariat vom DIN gehalten wird.
Diese Europäische Norm muß den Status einer nationalen Norm erhalten, entweder durch Veröffentlichung eines iden-
tischen Textes oder durch Anerkennung bis 2000-09, und etwaige entgegenstehende nationale Normen müssen bis
2000-09 zurückgezogen werden.
Entsprechend der CEN/CENELEC-Geschäftsordnung sind die nationalen Normungsinstitute der folgenden Länder gehal-
ten, diese Europäische Norm zu übernehmen:
Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich.

Anerkennungsnotiz
Der Text der Internationalen Norm ISO 10075-2:1996 wurde von CEN als Europäische Norm ohne irgendeine Abänderung
genehmigt.
ANMERKUNG: Die normativen Verweisungen auf Internationale Normen sind im Anhang ZA (normativ) aufgeführt.
Die Europäische Norm EN ISO 10075 besteht unter dem Haupttitel „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Ar-
beitsbelastung“ aus folgenden Teilen:
– Teil 1: Allgemeines und Begriffe
– Teil 2: Gestaltungsgrundsätze
– Teil 3: Messung und Erfassung der psychischen Arbeitsbelastung
Anhang A dieses Teils der ISO 10075 dient lediglich zur Information.

Einleitung
Dieser Teil der ISO 10075 stellt eine Erweiterung der ISO 6385 dar und enthält Grundsätze für die Gestaltung von
Arbeitssystemen unter besonderer Berücksichtigung der psychischen Arbeitsbelastung und -beanspruchung, wie sie in
ISO 10075 definiert sind.

1 Anwendungsbereich Psychische Arbeitsbelastung und -beanspruchung ist die


Folge einer komplexen Wechselwirkung individueller,
Dieser Teil der ISO 10075 enthält Leitsätze zur Gestaltung
technischer, organisatorischer und sozialer Faktoren.
von Arbeitssystemen, einschließlich der Gestaltung der
Deshalb müssen bei der Gestaltung von Arbeitssystemen
Aufgaben, der Arbeitsmittel, des Arbeitsplatzes und der
personelle, technische und organisatorische Faktoren und
Arbeitsbedingungen, unter besonderer Berücksichtigung
die Folgen ihrer Wechselwirkungen berücksichtigt wer-
der psychischen Arbeitsbelastung und -beanspruchung
den. Dieser Teil der ISO 10075 beinhaltet jedoch nur die
und ihrer Folgen, wie sie in ISO 10075 näher beschrieben
Gestaltung technischer und organisatorischer Faktoren
sind. Er dient der angemessenen Gestaltung der Arbeit
und behandelt nicht Probleme der Personalauswahl, der
und Nutzung menschlicher Fähigkeiten. Ziel ist es, opti-
Ausbildung und sozialer Faktoren.
male Arbeitsbedingungen im Hinblick auf Gesundheit und
Sicherheit, Wohlbefinden, Leistung und Effektivität zu Dieser Teil der ISO 10075 enthält Leitsätze zur
schaffen, sowie Über- wie Unterforderung vorzubeugen, Systemgestaltung. Er behandelt nicht die Probleme der
um so die in ISO 10075 beschriebenen beeinträchtigen- Messung psychischer Arbeitsbelastungen oder ihrer
den Folgen zu vermeiden. Folgen.
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EN ISO 10075-2:2000

Dieser Teil der ISO 10075 bezieht sich auf alle Arten tung von Arbeitssystemen anzusehen sind, nicht jedoch
menschlicher Arbeitstätigkeit (siehe ISO 10075), nicht nur als Ersatz für Versäumnisse bei der Systemgestaltung
auf solche, die man in einem engeren Sinne als kognitive und daraus resultierende suboptimale Gestaltungsergeb-
oder mentale Aufgaben beschreiben könnte, sondern nisse.
auch auf solche Aufgaben, die in erster Linie körperliche Die Berücksichtigung des Nutzers ist vom Beginn des Ge-
Arbeitsbelastungen beinhalten. staltungsprozesses an notwendig, wenn die Systemfunk-
Dieser Teil der ISO 10075 ist somit für alle diejenigen rele- tionen spezifiziert werden. Die Definition von Systemfunk-
vant, die an der Gestaltung und Nutzung von Arbeitssyste- tionen und Unterfunktionen, ebenso wie die Funktionstei-
men beteiligt sind, z. B. Konstrukteure in der System- und lung zwischen Operator und Maschine sowie zwischen
Betriebsmittelgestaltung, die Vertreter des Unternehmens verschiedenen Operatoren erfordert die Berücksichtigung
und der Beschäftigten. der Merkmale der betroffenen Personen.
Dieser Teil der ISO 10075 ist sowohl bei der Gestaltung Bei der Gestaltung von Arbeitssystemen sollte stets
neuer Arbeitssysteme anwendbar wie bei der Umgestal- bedacht werden, daß Arbeit aus einer Kombination von
tung bestehender, in denen wesentliche Veränderungen Aufgaben besteht, die mit bestimmten technischen
durchgeführt werden sollen. Arbeitsmitteln in einer bestimmten Arbeitsumgebung und
innerhalb einer bestimmten Organisationsstruktur aus-
geführt werden. Daher bietet jede dieser Komponenten
2 Normative Verweisungen Möglichkeiten, die Gestaltung des Arbeitssystems im Hin-
blick auf psychische Arbeitsbelastung zu beeinflussen.
Diese Europäische Norm enthält durch datierte oder un-
datierte Verweisungen Festlegungen aus anderen Publi- Gestaltungsgrundsätze können sich somit auf verschie-
kationen. Diese normativen Verweisungen sind an den je- dene Ebenen des Gestaltungsprozesses und der Gestal-
weiligen Stellen im Text zitiert, und die Publikationen sind tungslösungen beziehen:
nachstehend aufgeführt. Bei datierten Verweisungen a) zur Beeinflussung der Intensität der Arbeitsbelastun-
gehören spätere Änderungen oder Überarbeitungen die- gen:
ser Publikationen nur zu dieser Europäischen Norm, falls – auf der Aufgaben- und/oder Tätigkeitsebene,
sie durch Änderung oder Überarbeitung eingearbeitet – auf der Ebene der technischen Ausrüstung,
sind. Bei undatierten Verweisungen gilt die letzte Ausgabe
der in Bezug genommenen Publikation. – auf der Ebene der Arbeitsumgebung,
ISO 6385:1981 – auf der organisatorischen Ebene, und
Prinzipien der Ergonomie in der Auslegung von b) zur Beeinflussung der Dauer der Exposition der
Arbeitssystemen Arbeitsbelastung:
ISO 10075:1991 *) – auf der Ebene der zeitlichen Organisation der Arbeit.
Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Tabelle A.1 in Anhang A zeigt eine Matrix der Ebenen des
Arbeitsbelastung — Allgemeines und Begriffe Gestaltungsprozesses und deren Beziehungen zu den
Folgen psychischer Beanspruchung, zusammen mit Bei-
spielen anwendbarer Gestaltungslösungen.
3 Begriffe Personelle Faktoren, wie Fähigkeiten, Leistungvermögen,
Für diesen Teil der ISO 10075 gelten die Definitionen der Motivation — auf der Basis inter- und intraindividueller Un-
ISO 6385 und der ISO 10075. terschiede — beeinflussen die resultierende Arbeitsbean-
spruchung. Daher müssen Personalauswahl und -ausbil-
dung, wie oben erwähnt, bei der Gestaltung von Arbeits-
4 Gestaltungsgrundsätze systemen in zweckdienlicher Weise berücksichtigt werden.
Die Gestaltung eines Arbeitssystems beginnt mit einer
4.1 Allgemeine Grundsätze Funktionsanalyse des Systems, gefolgt von der Funkti-
Zur Vermeidung beeinträchtigender Auswirkungen durch onsverteilung zwischen Operatoren und Maschinen und
die Gestaltung von Arbeitssystemen auf die Nutzer ist es der Aufgabenanalyse. Sie resultiert in der Aufgabenge-
notwendig, das Arbeitssystem an den Nutzer anzupassen. staltung und der Aufgabenzuweisung für den Operator. Es
Die Gestaltung oder Umgestaltung von Arbeitssystemen ist unerläßlich, daß Experten aus dem Bereich der Ergo-
erfordert von Anfang an eine umfassende Berücksichti- nomie von Anfang an in diesen Prozeß mit einbezogen
gung von Menschen, Technologie und organisatorischen werden, um diese Schritte mit Augenmerk auf die resultie-
Bedingungen sowie deren Wechselwirkungen. Das renden Anforderungen an den Operator, insbesondere im
bedeutet, daß Ergonomen so früh wie möglich in den Ge- Hinblick auf die psychische Arbeitsbelastung, durchführen
staltungsprozeß einbezogen werden sollten. Erfahrungen zu können. Durch ein solches Vorgehen werden die jewei-
und Kompetenzen von Nutzern bestehender Arbeits- ligen Anforderungen erkennbar, die auf jeder Ebene der
systeme sollten in den Gestaltungs- oder Umgestaltungs- Systemgestaltung zu berücksichtigen sind.
prozeß mit einbezogen werden, um eine optimale Gestal- Bei der Gestaltung von Arbeitssystemen sollte ferner be-
tungsqualität zu erreichen und zu verwirklichen. Dies läßt dacht werden, daß sich Umgebungsanforderungen,
sich durch den Einsatz partizipativer Methoden realisie- Systemansprüche, Herausforderungen sowie die Men-
ren, wodurch die Erwartungen der Nutzer hinsichtlich der schen selber durch die Entwicklung von Fertigkeiten,
Gestaltungsqualität in den Gestaltungsprozeß mit einbe- Fähigkeiten und Erwartungen im Laufe der Zeit verändern.
zogen werden können. Dies wird zu nutzerorientierten Das bedeutet, durch die Systemgestaltung für diese Ver-
Ergebnissen und zu größerer Akzeptanz der Nutzer änderungen Vorsorge zu tragen und so eine Anpassung
führen, und wird damit zur Effizienz des Arbeitssystems des Systems an diese Anforderungen zu ermöglichen.
als Ganzes beitragen. Dies kann z. B. durch eine dynamische Aufgabenzuwei-
Erfolgt die Gestaltung für ein völlig neuartiges System, sung erreicht werden, die es dem Operator ermöglicht,
sollte der Konstrukteur die Fähigkeiten, Fertigkeiten, Er- Aufgaben in Abhängigkeit von seinem gegenwärtigen
fahrungen und Erwartungen der in Aussicht genommenen
Nutzerpopulation in angemessener Weise berücksich-
tigen. Es sollte stets bedacht werden, daß Schulungsmaß- *) Nach Überarbeitung erhält diese Internationale Norm
nahmen als unterstützende Maßnahmen bei der Gestal- die Bezeichnung ISO 10075-1.
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EN ISO 10075-2:2000

Zustand entweder dem technischen System zuzuweisen 4.2.2.3 Bedienungsstrategien


oder selber zu übernehmen. In Systemen, wo multiple Abfragen beantwortet werden
Psychische Arbeitsbelastung ist kein eindimensionales müssen, soll eine klare Strategie zur Beantwortung vorge-
Konzept, sondern beinhaltet qualitativ unterschiedliche sehen werden (z. B. first-in-first-out im Gegensatz zu einer
Aspekte, die zu qualitativ unterschiedlichen Auswirkungen hierarchischen Strategie). First-in-First-out Strategien sind
führen (siehe ISO 10075). Es ist somit nicht ausreichend, verhältnismäßig einfach. Hierarchische Bedienungsstrate-
psychische Arbeitsbelastungen übervereinfachend als auf gien sind komplexer. Wenn bedingte Strategien angewen-
einer einzigen Dimension (quantitativ) von Unterforderung det werden, sollten die Bedingungen zur Befolgung dieser
über optimale Belastung bis zur Überforderung variierend Strategien immer klar verständlich sein.
zu betrachten. Einige der beeinträchtigenden Folgen psy-
chischer Arbeitsbelastung haben gemeinsame Ursachen, 4.2.2.4 Angemessenheit der Informationen
jedoch sollte dies nicht als Identität dieser Effekte mißin- Fehlende sowohl wie überflüssige Informationen tragen
terpretiert werden. Die Darstellung der folgenden Leitsät- zur psychischen Belastung bei, weil der Operator Ent-
ze erfolgt daher entsprechend den beeinträchtigenden scheidungen auf der Basis nicht ausreichender Informatio-
Folgen, wie in ISO 10075 beschrieben. Dies sollte dem nen treffen oder die relevanten Informationen aus der
Konstrukteur helfen, geeignete Maßnahmen zur Vermei- gesamten bereitgestellten Information herausfiltern muß.
dung beeinträchtigender Folgen psychischer Arbeitsbela- Folglich sollen die Informationen bereitgestellt werden,
stung zu ergreifen. Da einige der Grundsätze gegen mehr die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind.
als eine dieser Folgen anzuwenden sind, sind Wiederho-
lungen nicht zu vermeiden. 4.2.2.5 Mehrdeutigkeit der Informationen
Dies erfordert, daß der Operator Informationen interpre-
4.2 Leitsätze in bezug auf Ermüdung tiert. Informationen sollten daher eindeutig dargestellt
4.2.1 Allgemeines werden, z. B. durch die Bereitstellung von Bereichsinfor-
Psychische Belastung kann über die Intensität, Dauer und mationen (akzeptabel, nicht akzeptabel) bei der Darstel-
zeitliche Verteilung der Intensität, mit der der Nutzer der lung von Systemzuständen.
Belastung ausgesetzt ist, beschrieben werden. Neben
quantitativen Aspekten sind qualitative Unterschiede in 4.2.2.6 Unterscheidbarkeit von Signalen
der psychischen Belastung zu berücksichtigen, z. B. Geringe Unterscheidbarkeit informationshaltiger Signale
senso-motorische Aufgaben versus Aufgaben mit hoher vor einem Hintergrund irrelevanter Informationen erfordert
Gedächtnisbelastung. Daher besteht einer der Hauptan- vom Operator Anstrengungen zur Filterung der Signale
satzpunkte bei der Gestaltung von Arbeitssystemen im aufzuwenden. Die Signalunterscheidbarkeit kann z. B.
Hinblick auf die Reduzierung der Ermüdung des Nutzers verbessert werden durch Veränderung der Intensität der
darin, die Intensität der Arbeitsbelastung zu reduzieren Signale, unterschiedliche Kodierung von Signalen durch
oder zu optimieren, die Zeit der Exposition zu begrenzen Form, Farbe, Dauer, oder Zeitcharakteristiken, Reduktion
oder die Verteilung durch Einführung von Ruhepausen zu der Intensität des Hintergrundes (Rauschen), und durch
verändern. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß Maskieren und Filtern mit Hilfe technischer Systeme.
die Reduktion von psychischer Belastung nicht immer die
beste Strategie ist, um unbeeinträchtigte Aufgabenerfül- 4.2.2.7 Redundanz
lung zu erzielen. Die Reduktion der psychischen Bela- Redundante Anzeige von Informationen kann dem Opera-
stung unter ein optimales Niveau kann zu Beeinträchtigun- tor helfen, dargestellte Informationen gegenzuprüfen. Auf
gen führen, wie sie in 4.3 bis 4.5 beschrieben werden. der anderen Seite kann zuviel Redundanz der dargestell-
ten Informationen den Operator ablenken und damit die
4.2.2 Intensität der psychischen Belastung psychische Belastung steigern. Die Redundanz sollte
Die Intensität der psychischen Belastung wird von den fol- daher entsprechend den operativen Anforderungen aus-
genden Faktoren beeinflußt. Die Darstellung beginnt auf gelegt sein. Wo möglich, sollten die Operatoren in die
der Aufgabenebene und schreitet über die Wahrneh- Lage versetzt werden, den Grad an Redundanz, den sie
mungs-, zur Handlungs-, Arbeitsumgebungs- und zur für die Aufgabenerfüllung für angemessen halten, aus-
Organisationsebene fort, wie in Bild 1 dargestellt. zuwählen.

4.2.2.1 Mehrdeutigkeit des Aufgabenziels 4.2.2.8 Kompatibilität


Wenn das Aufgabenziel mehrdeutig ist, muß der Operator Informationsdarstellungen, Steuerbewegungen und
die Aufgabe interpretieren und Entscheidungen darüber Systemantworten, die inkompatibel mit allgemein verbrei-
treffen, welche Ziele mit welcher Priorität verfolgt werden teten Erwartungen der Benutzer sind, produzieren wider-
sollten. Im Rahmen der Gestaltung von Arbeitssystemen sprüchliche Informationen und zwingen den Operator
sollen klare Aufgabenziele festgelegt und die Prioritäten dazu, zusätzliche Anstrengungen aufzuwenden, um die
verschiedener Ziele spezifiziert werden, z. B. die Erhal- geforderte Leistung zu erreichen. Zum Beispiel sollte das
tung der Funktionsfähigkeit des Sicherheitssystems hat Drehen eines Stellteils nach rechts mit einer Zunahme der
Priorität vor der Effizienz der Produktion. Wenn mehr als Systemantwort oder einer gleichsinnigen Bewegungsrich-
ein Operator betroffen ist, soll die Aufgabenverteilung zwi- tung auf der Anzeige gekoppelt sein, und nicht mit einer
schen den Operatoren klar geregelt sein. Abnahme oder Systemabschaltung. Besondere Aufmerk-
samkeit sollte der Kompatibilität zwischen Stellteil- und
4.2.2.2 Komplexität der Aufgabenanforderungen Systemdynamik gewidmet werden, z. B. Einsatz von Stell-
Eine Aufgabe von zu hoher Komplexität könnte bedeuten, teilen mit einer Dynamik nullter Ordnung für Steuerungs-
daß der Operator zu viele Entscheidungen in einer be- systeme nullter Ordnung.
stimmten Zeiteinheit zu treffen hat. Wenn die Aufgaben-
komplexität für die vorgesehene Operatorpopulation zu 4.2.2.9 Genauigkeit der Informationsverarbeitung
hoch ist, sollten Entscheidungsunterstützungssysteme be- Erhöhte psychische Belastung aufgrund notwendiger An-
nutzt werden. Zu geringe Komplexität sollte vermieden forderungen an die Genauigkeit (z. B. jenseits menschli-
werden, weil sie zu Monotonie oder Sättigung führen cher Kapazitäten) kann durch Bereitstellung technischer
kann. Hilfsmittel mit zweckdienlicher Auflösung bei der Darstel-
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Bild 1: Beziehung zwischen psychischer Arbeitsbelastung und verschiedenen Gestaltungsebenen

lung der Information (für Anzeigen) oder Steuerungsdyna- 4.2.2.13 Mentale Modelle
mik (für Eingabevorrichtungen) auf ein angemessenes Inkonsistente, unvollständige oder fehlende mentale
Niveau reduziert werden. Repräsentationen des Prozesses oder der Systemfunktio-
nen verlangen vom Operator zusätzliche Anstrengungen,
4.2.2.10 Parallele vs. serielle Verarbeitung um das System steuern zu können. Systemgestaltung und
Serielle Verarbeitung ist der parallelen Verarbeitung auf- Systemauslegung sollten so erfolgen, daß es dem Opera-
grund der Anforderungen an die Verarbeitungskapazitäten tor möglich ist, die Prozesse zu verstehen, und zwar auf
im allgemeinen vorzuziehen. Andererseits ist es günstiger, einer Ebene, die für seine Funktion im Prozeß zweckdien-
Informationen parallel darzustellen, wenn Vergleiche lich ist. Informationen sollten derart zur Verfügung und
zwischen verschiedenen Informationsquellen durch- dargestellt werden, daß sie Wechselbeziehungen zwi-
geführt werden müssen. Wenn Orientierung erforderlich schen Subsystemen erkennbar machen, z. B. durch Fluß-
ist, ist parallele der seriellen Informationsdarstellung vor- diagramme, Aufzeichnungen zeitbezogener Systemant-
zuziehen. worten, Vorsehen von Möglichkeiten zur Sammlung von
Erfahrungen über Systemreaktionen auf Steuerungsein-
4.2.2.11 Gleichzeitige Aufgabenbearbeitung griffe des Operators.
Wenn zwei oder mehrere Aufgaben, die Aufmerksamkeits-
zuwendung erfordern, gleichzeitig ausgeführt werden 4.2.2.14 Absolut- vs. Relativurteil
müssen, werden sehr schnell die Grenzen der Verarbei- Absoluturteile erfordern, Vergleichsstandards im Gedächt-
tungskapazität erreicht. Es ist daher günstiger, eine se- nis zu behalten, während Relativurteile Entscheidungen in
quentielle Aufgabenausführung vorzusehen. Üben mit Bezug auf einen simultan gegebenen Vergleichsstandard
konsistenter Reiz-Reaktions-Zuordnung kann bei einigen verlangen, was leichter auszuführen ist. Relativurteile
Aufgaben dazu genutzt werden, die Arbeitsbelastung sind daher gegenüber Absoluturteilen zu bevorzugen.
durch Reduktion der Aufmerksamkeitszuwendung zu re- Dies kann durch die Bereitstellung von Anzeigen erreicht
duzieren, wenn die Folgen von Fehlern bei fehlerhaften werden, die die Präsentation von Vergleichsstandards er-
automatisierten Informationsverarbeitungsprozessen von lauben, mit denen die kritische Information verglichen wer-
geringerer Bedeutung sind. den kann.

4.2.2.12 Zeitverzögerungen 4.2.2.15 Beanspruchung des Arbeitsgedächtnisses


Eine zeitverzögerte Antwort des Systems erfordert vom Das Arbeitsgedächtnis, d. h. der Bereich des Gedächtnis-
Operator, die Antwort des Systems geistig vorwegzuneh- ses, in dem Informationen vorläufig und vorübergehend in
men, um die erforderlichen Stellbewegungen korrekt aus- einer instabilen Form gespeichert werden, bevor sie im
zuführen. Zeitverzögerungen sollten daher vermieden wer- Langzeitgedächtnis für das spätere Auffinden im Kontext
den. Wenn dies nicht möglich ist, sollten Beschleunigung einer mentalen Repräsentation gespeichert werden, kann
(quickening) oder Vorwert-Anzeigen benutzt werden. durch Informationen, die in schneller Abfolge erscheinen,
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überfordert werden. Bei der Präsentation von seriellen 4.2.2.22 Regelungstätigkeiten


Informationen sollten angemessene Zeiträume vorgese- Verschiedene Arten von Regelungstätigkeiten erfordern
hen werden, um das Arbeitsgedächtnis des Operators unterschiedliche Operationen des Operators. Zum Bei-
nicht mit Auswahl und gedächtnismäßiger Speicherung spiel erlaubt eine Verfolgungsaufgabe es dem Operator,
der relevanten Daten zu überfordern. die Bewegungen der Führ- und der Nachführgröße paral-
lel zu verfolgen. Bei Kompensationsaufgaben wird hinge-
4.2.2.16 Beanspruchung des Langzeitgedächtnisses gen vom Operator gefordert, sein Antwortverhalten ent-
Unnötige Beanspruchung des Langzeitgedächtnisses sprechend gedächtnismäßig gespeicherter Beziehungen
sollte vermieden werden durch die Bereitstellung ange- zwischen Führ- und Nachführgröße auszurichten. Im all-
messener Hilfen zum Informationsabruf, z. B. Hilfefunktio- gemeinen sind Folgeaufgaben daher empfehlenswerter
nen (auf verschiedenen Ebenen), welche vom Operator als Kompensationsaufgaben, weil sie die aktuellen Posi-
bei Bedarf aktiviert werden können. Dies wird den Opera- tionen anzeigen und nicht nur den Regelungsfehler.
tor davon entlasten, komplexe Informationen oder ver-
schiedenen Typen von Information, die zur selben Aufga- 4.2.2.23 Fehlertoleranz
be oder zu unterschiedlichen Unteraufgaben gehören, im Systeme sollten fehlertolerant sein, d. h. nicht zu dramati-
Gedächtnis zu speichern und daraus abzurufen. schen Konsequenzen führen, obwohl ein Fehler des Ope-
rators offensichtlich ist. Deshalb sollen Systeme einen
4.2.2.17 Wiedererkennen vs. Abrufen aus dem Hinweis auf die möglichen Konsequenzen kritischer Aktio-
Gedächtnis nen geben und vom Operator eine Bestätigung fordern,
Das Wiedererkennen gedächtnismäßig gespeicherter bevor diese Aktionen ausgeführt werden. Wenn möglich,
Inhalte ist leichter und effektiver als das Erinnern. Das sollte die letzte Aktion des Operators rücknehmbar sein.
Anzeigen von Alternativen ist daher effektiver und weniger
beanspruchend als dem Operator einen relevanten 4.2.2.24 Konsequenzen von Fehlern
Gegenstand aus dem Gedächtnis abrufen zu lassen. Die Konsequenzen von fehlerhaftem menschlichen Ver-
halten sollen durch die Systemgestaltung auf ein Mini-
4.2.2.18 Entscheidungsunterstützung mum beschränkt werden. Zum Beispiel lassen sich durch
Wo Entscheidungen zu Ergebnissen führen können, die Konsistenzprüfungen oder durch das Herstellen von Red-
nicht vollständig vorhersehbar sind, wird dies die Bean- undanzen die Beanspruchung des Operators reduzieren
spruchung des Operators erhöhen, insbesondere wenn und durch die Einführung von Sicherheitsbarrieren eine
die Ergebnisse mit unterschiedlich zu beurteilenden Kon- Ausbreitung kritischer Zustände innerhalb des Systems
sequenzen verbunden sind, z. B. Produktionsverlust oder verhindern.
die Sicherheit von Menschen. In solchen Fällen sollten
Entscheidungsunterstützungssysteme zur Verfügung ge- 4.2.2.25 Aspekte der Arbeitsumgebung
stellt werden, die es ermöglichen, eine Vorhersage über Die angemessene Gestaltung der Umgebungsbedingun-
die Ergebnisse der Handlungen des Operators zu treffen. gen kann die Intensität der psychischen Belastung da-
durch reduzieren, daß optimale Bedingungen zur Wahr-
4.2.2.19 Steuerbarkeit nehmung und Verarbeitung von Informationen (z. B. ge-
Dynamische Systeme sollen vom Operator steuerbar eignete Beleuchtungsverhältnisse, Lärmschutz) geschaf-
sein. Steuerbarkeit hängt ab vom Ordnungsgrad der fen werden.
Steuerung, der Dimensionalität der Steuerungsbewegun-
gen, von Zeitverzögerungen in der Systemantwort und der 4.2.2.26 Soziale Interaktion
Anzeige von Informationen als Rückmeldung auf Steuer-
Möglichkeiten zu sozialer Interaktion können helfen, bei
aktivitäten des Operators und von der Anzeigen-Stellteil-
kritischen Entscheidungen soziale Unterstützung bereitzu-
Kompatibilität. Systeme mit einer Dynamik höherer Ord-
stellen. Die Gestaltung der Aufgaben und der Arbeitsmittel
nung erhöhen die psychische Arbeitsbelastung. Daher
soll Möglichkeiten für die notwendige oder zumindest mi-
sollte eine Dynamik höher als zweiter Ordnung bei der
nimale soziale Interaktion sicherstellen.
Steuerung vermieden werden. Zeitverzögerungen, wie-
derum abhängig von ihrer Dynamik, erhöhen die Arbeits-
belastung und sollten vermieden werden. Inkompatible 4.2.2.27 Abhängigkeit von der Aufgabenerfüllung
Anzeigen-Stellteil-Beziehungen erfordern zusätzliche An- Anderer
strengungen und führen zu Fehlern. Daher ist Kompatibi- Die Abhängigkeit von der Aufgabenerfüllung der Mitarbei-
lität von Anzeigen und Stellteilen vorzusehen. ter erhöht die Beanspruchung und sollte deswegen ver-
mieden werden, z. B. durch die Entkopplung der Aufga-
4.2.2.20 Dimensionalität motorischer Aktivitäten benerfüllung mit Hilfe von Puffern und die dadurch zuneh-
Motorische Aktivitäten können die Koordination zu vieler mende Autonomie.
Dimensionen der Bewegung erforderlich machen, z. B.
simultane translatorische und rotatorische Bewegungen. 4.2.2.28 Wechsel in den Aufgabenanforderungen
Bei der Systemgestaltung sollte die Dimensionalität der Der Wechsel von Aufgabenanforderungen bei einer Tätig-
Bewegung auf die niedrigst mögliche Ebene reduziert keit kann die Intensität der Arbeitsbelastung durch die In-
werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Kopplung anspruchnahme unterschiedlicher Ressourcen der Infor-
von Dimensionen gewidmet werden. mationsverarbeitung reduzieren.

4.2.2.21 Steuerungsdynamik 4.2.2.29 Zeitdruck


Die Antwort des Systems auf Eingaben des Operators Zeitzwänge können zu Abkürzungen in der Aufgaben-
kann dynamische Einschätzungen erfordern, die zu kom- ausführung führen und dadurch zu Fehlern. Wenn die Auf-
plex sind, z. B. die Integration der Systemantwort über die gabenerfüllung im Hinblick auf die Konsequenzen kritisch
Zeit. Wo höhere Ordnungen der Steuerung notwendig ist, erhöht Zeitdruck mit der Wahrscheinlichkeit, die zeitli-
sind, sollten Operatoren durch technische Systeme unter- che Vorgabe nicht einhalten zu können, die Beanspru-
stützt werden (z. B. Integral-, Differential-, Verstärkungs- chung. Ein derartiger Zeitdruck sollte daher vermieden
glieder). werden.
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4.2.3 Zeitliche Verteilung der Arbeitsbelastung 4.3 Leitsätze in bezug auf Monotonie
Neben der Intensität der psychischen Belastung ist deren Eine der Hauptbedingungen, die zur Entwicklung von
zeitliche Verteilung von Bedeutung für die resultierende Monotonie, wie in ISO 10075 definiert, beitragen, ist eine
Ermüdung. Im allgemeinen gibt es eine exponentielle Be- Aufgabe mit einem eng begrenzten Beachtungsumfang,
ziehung zwischen Arbeitsdauer und der resultierenden Er- mit geringem bis mittlerem Niveau der kognitiven Aufga-
müdung. Um Überforderung zu vermeiden, sollten daher benschwierigkeit, repetitiven Leistungsanforderungen
die folgenden Faktoren beachtet werden: sowie geringer Variation in den Aufgaben- oder Umge-
bungsbedingungen, insbesondere wenn sie über längere
4.2.3.1 Dauer der Arbeitszeit Zeiträume ausgeführt wird. Diese Bedingungen sollten
Weil die Erhöhung von Intensität und Dauer der Arbeitsbe- deshalb durch eine angemessene Gestaltung der Aufga-
lastung die entstehende Ermüdung exponentiell ver- ben und der Arbeitsbedingungen vermieden werden. Wo
größert, soll die Dauer der Arbeitszeit an die Intensität der Änderungen in der Gestaltung der Aufgabe durch tech-
Arbeitsbelastung angepaßt werden. Die Arbeitszeit soll in nische oder organisatorische Maßnahmen noch nicht
ihrer Dauer auf einen Zeitpunkt begrenzt werden, wo sich möglich sind, sollen folgende Vorgehensweisen in
noch keine Ermüdungseffekte zeigen. Es darf nicht ver- Betracht gezogen werden:
gessen werden, daß die Ausdehnung der Arbeitszeit um – Mechanisierung oder Automatisierung repetitiver
eine Stunde die Produktion aufgrund von Ermüdung und Funktionen mit eng eingeschränkten Aufgabenanfor-
Anpassungsprozessen nicht linear erhöht. derungen;
4.2.3.2 Ruhezeit zwischen aufeinanderfolgenden – Tätigkeitswechsel (Job Rotation);
Arbeitstagen oder Schichten – Aufgabenerweiterung (Job Enlargement);
Die Ruhezeit zwischen aufeinanderfolgenden Schichten – Aufgabenbereicherung (Job Enrichment).
soll ausreichend sein, um eine vollständige Erholung von Monotonie kann zunehmen durch:
Ermüdungseffekten der vorangegangenen Schicht sicher- – Nichtvorhandensein anderer Mitarbeiter;
zustellen. – reduzierte Möglichkeiten zu sozialer Interaktion;
4.2.3.3 Tageszeit – Fehlen von Erholungspausen;
Die menschliche Leistung unterliegt circadianen Schwan- – mangelnde Möglichkeiten für körperliche Aktivitäten;
kungen. Im allgemeinen ist die Leistung während der – mangelnde Möglichkeiten für Veränderungen der Auf-
Nachtzeit geringer als während des Tages. Im Vergleich gabenaktivitäten;
zur Tagarbeit sollen die Leistungsanforderungen in den – Tageszeit (Nachmittags- und Nachtstunden sind
Nachtstunden daher reduziert werden, z. B. durch mehr anfälliger);
Personal oder Arbeitspausen während der Nachtzeit. – klimatische Bedingungen (z. B. gemäßigte Temperatu-
ren);
4.2.3.4 Schichtarbeit
– einförmige akustische Stimulation;
Schichtarbeit erfordert besondere Anstrengungen des
Operators, um Probleme der Circadianschwankung der – Arbeitsermüdung.
Leistung, der physiologischen und der sozialen Synchro- Diese Bedingungen sollten daher vermieden werden.
nisation zu bewältigen. Da Schichtarbeit ein Risiko für Ge- Ihnen sollte durch angemessene Tätigkeits- und Arbeits-
sundheit und Wohlbefinden darstellt, soll sie soweit wie gestaltung entgegengewirkt werden, insbesondere durch:
möglich vermieden werden. Wo Schichtarbeit nicht ver- – Aufgabenbereicherung mit kognitiven Elementen;
mieden werden kann, sollen ergonomisch gestaltete – Vergrößerung des Beachtungsumfangs, z. B. durch
Schichtpläne eingesetzt werden. komplexere Aufgaben;
4.2.3.5 Arbeitsunterbrechungen und Erholungspausen – Bereitstellung von Möglichkeiten zur Erhöhung der
Aufgabenvielfalt;
Arbeitsunterbrechungen können eingeführt werden, um
Möglichkeiten zur Erholung von Ermüdung zu schaffen. – Bereitstellung von Möglichkeiten für körperliche Aktivi-
Es ist jedoch günstiger, Pausen einzuführen, um von An- tät;
fang an der Entwicklung von Ermüdung vorzubeugen. Auf- – angemessene Gestaltung der klimatischen Bedingun-
grund der exponentiellen Beziehung zwischen der Dauer gen;
der ununterbrochenen Arbeit und der Ermüdung sowie – Reduktion von Lärm und einförmiger akustischer
des exponentiellen Erholungsverlaufes sind kurze Pausen Stimulation;
nach kurzen Arbeitsabschnitten längeren Pausen nach – Herstellung angemessener Beleuchtung;
längeren Arbeitsabschnitten vorzuziehen. Zum Beispiel
– Erleichterung der Kommunikation mit Mitarbeitern;
sind sechs kurze Arbeitsunterbrechungen von jeweils
5 min nach jeweils 55 min Arbeit gegenüber einer Pause – Vermeidung von Taktarbeit und Gewährung von Auto-
von 30 min nach 6 h Arbeit zu bevorzugen. Arbeits-Pau- nomie in bezug auf das Arbeitstempo;
sen-Regelungen für Nachtarbeit sollten kürzere Arbeits- – Einführen von Erholungspausen;
perioden vorsehen als für Tagarbeit. – ergonomisch gestaltete Schichtpläne, wenn Schicht-
arbeit nicht vermieden werden kann.
4.2.3.6 Aufgabenwechsel mit unterschiedlichen
Aufgabenanforderungen oder Arten psychischer
Belastung 4.4 Leitsätze in bezug auf herabgesetzte
Wechsel zwischen Aufgaben mit unterschiedlichen Anfor- Wachsamkeit
derungen in der psychischen Belastung, z. B. Wechsel Um Probleme reduzierter Wachsamkeit zu vermeiden, die
von Überwachungs- zu Steuerungstätigkeiten oder von zu reduzierter Entdeckungsleistung und darüber zu redu-
der Ausführung logischer Analysen zu Routinetätigkeiten, zierter Systemzuverlässigkeit in Arbeitssystemen führen
können vergleichbare Effekte haben wie Arbeitsunterbre- können, die die Entdeckung kritischer Signale und/oder
chungen oder Erholungspausen. Solche Wechsel in den eine Systemdiagnose erfordern, sind eine geeignete Ge-
Aufgabenaktivitäten sollten daher vorgesehen werden, staltung der Aufgaben und der Arbeitsmittel, ebenso wie
um Ermüdung zu verhindern. eine geeignete Arbeitsorganisation notwendig.
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EN ISO 10075-2:2000

Insbesondere sollen folgende Ziele berücksichtigt wer- von verschiedenen Aufgabenelementen für jeden
den: Operator, anstatt jedem Operator lediglich identische
a) Vermeiden des Erfordernisses der Daueraufmerksam- Aufgaben zuzuweisen;
keit zur Entdeckung kritischer Signale, so weit dies – Vorsehen sinnvoller Aufgaben, die als in sich
möglich ist. geschlossene Einheit statt als Bruchstücke einer Auf-
b) Vermeiden des Erfordernisses der Daueraufmerksam- gabe wahrgenommen werden können und deren
keit über längere Zeitspannen. Akzeptable Zeitspan- Bedeutung für die Gesamtaufgabenerfüllung dem
nen sind abhängig von Ereignisrate, Signalunter- Operator verständlich ist;
scheidbarkeit, Signalwahrscheinlichkeit, Wahrschein- – Vorsehen von Aufgaben, die die persönliche Entwick-
lichkeit kritischer und irrelevanter Signale. lung ermöglichen, z. B. Aufgaben, bei denen man
In der Regel sinkt die Leistung am stärksten bei Auf- etwas lernen kann oder muß und die, in Übereinstim-
gaben mit: mung mit dem jeweiligen Entwicklungsstand der Fer-
– niedrigen Signal-/hohen Ereignisraten; tigkeiten und Fähigkeiten, verschiedene Ausführungs-
weisen erlauben;
– geringer Wahrscheinlichkeit kritischer Signale;
– Aufgabenbereicherung, d. h. das Kombinieren von
– geringer Signalunterscheidbarkeit. Aufgabenelementen unterschiedlicher operativer Ebe-
Unter solchen Bedingungen kann die Leistung sehr nen, z. B. Kombinieren von Montage- mit Kontroll- und
schnell bedeutsam abfallen, z. B. nach 10 min bis Instandhaltungsaufgaben;
20 min. Solche Aufgaben sollten vermieden werden. – Aufgabenerweiterung, d. h. das Kombinieren verschie-
Wenn dies nicht möglich ist, sollte durch organisatori- dener Aufgabenelemente, derselben operativen
sche Mittel dafür gesorgt werden, daß nur eine relativ Ebene, z. B. das Montieren verschiedener Teile oder
kurzzeitige ununterbrochene Aufgabenbearbeitung einer ganzen Einheit;
erfolgt. Dazu können Erholungspausen, Tätigkeits-
wechsel oder Wechsel der Aufgabeninhalte vorgese- – Tätigkeitswechsel, d. h. systematischer Wechsel zwi-
hen werden. schen verschiedenen Tätigkeiten mit bestimmten
Anforderungen;
c) Sicherstellen angemessener Signalunterscheidbarkeit
(Signalauffälligkeit) durch geeignete Anzeigengestal- – zeitliche Strukturierung des Arbeitsablaufes durch
tung und/oder durch die Gestaltung der Arbeitsumge- Erholungspausen;
bung (z. B. geeignete Beleuchtung, Lärmminderung). – quantitative Strukturierung des Arbeitsablaufes durch
d) Vermeiden des Erfordernisses sukzessiver Unter- das Setzen von Leistungszielen für eine schrittweise
scheidungsleistung, bei der Vergleichsstandards im Aufgabenerfüllung und Rückmeldung über die erzielte
Gedächtnis behalten werden müssen, und statt des- Leistung;
sen Einsatz simultaner Unterscheidung, durch ange- – Vermeidung von Bedingungen, die zu Monotonie und/
messene Anzeigengestaltung und Bereitstellen von oder herabgesetzter Wachsamkeit führen.
Vergleichsstandards. Es sollte beachtet werden, daß Merkmale der Nutzer, z. B.
e) Reduzieren der Signalunsicherheit (zeitlich, räumlich, Schulbildung, Ausbildung und Erfahrung, besonders be-
Auffälligkeit) und Verbessern der Erkennbarkeit so deutsam für die Entwicklung psychischer Sättigung sind.
weit wie möglich durch Nutzung von Rückmeldung Größere kognitive Komplexität des Operators führt zu
oder Vorankündigung (feedforward). schnellerer Wahrnehmung struktureller Ähnlichkeit und
f) Bereitstellen von technischen Hilfsmitteln, um dem darüber zu Sättigung. Um Sättigung zu vermeiden, sollte
Operator zu ermöglichen, seine Leistung zu beurteilen daher der voraussichtlichen Operatorpopulation bei der
und zu verbessern. Aufgabengestaltung besondere Beachtung geschenkt
werden.
g) Vermeiden von Bedingungen, die zu Monotonie
führen. Ganz allgemein sind vielfältige Aufgabenanforderungen
und Informationen über die Aufgabenausführung notwen-
dig, um Sättigung zu vermeiden.
4.5 Leitsätze in bezug auf Sättigung
Um Zustände psychischer Sättigung bei einem Operator
zu vermeiden, sollten repetitive Aufgaben vermieden wer- 5 Information und Ausbildung
den. Es reicht nicht aus, den Wiederholungscharakter le-
In Ergänzung zu den allgemeinen Grundsätzen, die in die-
diglich durch Vermeidung identischer Aufgabenelemente
sem Teil der ISO 10075 zur Gestaltung und Umgestaltung
zu vermeiden, vielmehr ist auch strukturelle Ähnlichkeit
von Arbeitssystemen in bezug auf psychische Arbeitsbela-
der auszuführenden Aufgaben oder Unteraufgaben zu
stung empfohlen werden, sollen bei der Aufgabenge-
vermeiden. Wenn ähnliche oder identische Aufgaben oder
staltung die voraussichtliche Operatorpopulation (z. B.
Aufgabenelemente ausgeführt werden müssen, ist es
hinsichtlich individueller Unterschiede) und die Notwen-
ganz wesentlich, daß der Operator die bei seiner eigenen
digkeit vielfältiger Aufgabenanforderungen sowie von
Aufgabenerfüllung erreichten Fortschritte erkennen kann.
Informationen über die Aufgabenerfüllung durch die
Dies kann erreicht werden durch: Operatoren besonders beachtet werden.
– geeignete Funktionsverteilung zwischen Operator und Der Konstrukteur soll die für die mit einem angemessenen
Maschine, z. B. Automatisieren von einfachen, sich Grad psychischer Arbeitsbelastung des Operators beste
wiederholenden Aufgabenelementen; Realisierung der Systemleistung erforderliche Art, Quan-
– geeignete Aufgabenverteilung zwischen verschiede- tität und Qualität von Information und Ausbildung ange-
nen Operatoren, z. B. Vorsehen einer Kombination ben.
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EN ISO 10075-2:2000

Anhang A (informativ)
Beispiele für Gestaltungslösungen

Tabelle A.1: Beispiele für Gestaltungslösungen zur Vermeidung beeinträchtigender Folgen psychischer
Arbeitsbelastung auf verschiedenen Ebenen der Gestaltung

Folgen psychischer Belastung


Ebene im
Gestaltungsprozeß Herabgesetzte
Ermüdung Monotonie Sättigung
Wachsamkeit

Aufgabe und/oder Aufgabenverteilung Aufgabenverteilung Vermeiden von Vorsehen von Unter-


Tätigkeit Daueraufmerksam- zielen
keitsanforderungen
Vermeiden von Aufgabenvielfalt Aufgaben-
gleichzeitiger Aufga- bereicherung
benbearbeitung

Arbeitsmittel Eindeutigkeit der Vermeiden maschi- Signalauffälligkeit Ermöglichen indivi-


Informations- nenbestimmten dueller Ausführungs-
darstellung Arbeitstempos weisen von Aufgaben
Ermöglichen selbst-
bestimmten Arbeits-
tempos
Wechsel in der Dar-
stellungsmodalität
von Signalen

Arbeitsumgebung Beleuchtung Temperatur Vermeiden eintöniger Vermeiden gleich-


Farbe akustischer Reizbe- förmiger Umgebungs-
dingungen bedingungen
Abwechslung

Arbeitsorganisation Vermeiden von Zeit- Aufgabenwechsel Aufgabenerweiterung Aufgaben-


druck bereicherung
Anwesenheit von Aufgaben-
Mitarbeitern bereicherung

Zeitliche Organisation Erholungspausen Erholungspausen Vermeiden von Erholungspausen


Schichtarbeit
Verringern der
Tätigkeitsdauer

Anhang ZA (normativ)
Normative Verweisungen auf internationale Publikationen mit ihren entsprechenden
europäischen Publikationen
Diese Europäische Norm enthält durch datierte oder undatierte Verweisungen Festlegungen aus anderen Publikationen.
Diese normativen Verweisungen sind an den jeweiligen Stellen im Text zitiert, und die Publikationen sind nachstehend auf-
geführt. Bei datierten Verweisungen gehören spätere Änderungen oder Überarbeitungen dieser Publikationen nur zu dieser
Europäischen Norm, falls sie durch Änderung oder Überarbeitung eingearbeitet sind. Bei undatierten Verweisungen gilt die
letzte Ausgabe der in Bezug genommenen Publikation.

Publikation Jahr Titel EN/HD Jahr

ISO 6385 1981 Ergonomic principles in the design of work systems ENV 26385 1990

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