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GRAFIKDESIGN/KREATIVE UND IHRE BIKES/GESTALTUNG/ILLUSTRATION/10842


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DEUTSCHLAND 9,80 €
Das Magazin der Kreativbranche # 11.2013 www.page-online.de
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Low Budget – Top Design
Aufmerksamkeit

Der Kampf
um Aufmerk-
samkeit
Gestaltungs- und Kommunikations-
strategien für die übersättigte
Mediengesellschaft

Responsive Typography Interactive Ads Nachhaltigkeitsberichte


Notwendigkeit oder Nonsens: Shaken, puzzeln, shoppen: neue Lukratives Neugeschäft für Designer –
Typo, die sich ans Endgerät anpasst Werbeformate für iPad & Co so gestaltet man authentische Reports
Editorial page 11.13 003

Steuern und Sozial-


Achtung, Inhalt! abgaben sparen !

ting­ und Retargeting­Methoden – auf­


zuscheuchen ist das eine. Ihr Interesse
zu wecken, also die aktive Aufmerk­
samkeit herauszufordern, das andere.
Der Schlüssel zu Authentizität und
nachhaltiger Beachtung liegt noch im­
mer darin, ob eine Marke oder ein Un­
ternehmen ihren Zielgruppen zuhören
und etwas Wertvolles beitragen kann.
Der User hat dummen, mit Keywords
gespickten Content genauso satt, wie
er dumme Werbung satthat.
n Content, Content, Content! Kom­ Wenn es einst die Aufgabe von uns
Foto: Kirsten Nijhof

munikationsdesign interessiert offen­ Kommunikationsdesignern war, Namen


bar nicht mehr. Oder warum sonst re­ und Botschaften zu Signets, Anzeigen
det alle Welt nur noch von Content Mar­ und Commercials zu verschmelzen, die­
keting? Und jetzt auch noch wir? – Der se hübsch verpackten Behauptungen
Begriff ist zum Buzzword verkommen. aber niemand mehr sehen, geschwei­
Kein Wunder, hoffen doch nicht nur ge denn glauben mag, dann ist auch
Marketer, mit Content den Kampf um Design keine Frage der Form, sondern
mehr Aufmerksamkeit in der fragmen­ vielmehr des Inhalts. Und genau da­
tierten, übersättigten Mediengesell­ rum sollten wir auch alles daran set­
schaft zu gewinnen. Auch Agenturen zen, Inhalte zu gestalten, die nicht nur
geht es nur noch um erhöhte Sichtbar­ gesucht und gefunden, sondern auch
keit in den Suchmaschinen. Was also wahrgenommen und rezipiert werden.
haben bitte wir Gestalter damit zu tun? Und was braucht es dafür? Kommu­
Ganz einfach: Mit nach SEO­Kriterien nikationskonzepte, die sich der zuneh­
gestaltetem Content allein ist es nicht menden Dynamik und Komplexität der
getan. Moderne Technik, die eng um­ Medien und Unternehmen anpassen.
grenzte Zielgruppen oder gar einzelne Visuals, die differenzierte Inhalte wirk­
Verbraucher identifiziert, schafft noch sam und tiefgreifend vermitteln. Ge­
lange keine nachgefragten Inhalte. Eine schichten, die unterhalten und tangie­
Zielgruppe mit unwillkürlich greifenden ren. In diesem Sinne also: »Attention,
Reizen – sei’s über Google oder Targe­ please!«, ab Seite 22.
Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher
(info@page-online.de)

Premium-Vorsorge
für Medienmenschen

Achtung, Eyecatcher – sonst nichts!


Titelfoto: www.plainpicture.de; Font: New Paris
von Swiss Typefaces (www.swisstypefaces.com) Besser In 2013
Presse 4,5 %
004 page 11.13

INHALT
SZENE
006 Was die Branche bewegt
Kunstvolle Bewegungsvisualisierungen in der
Motion Bank; Workspaces von Kreativen; Rocket-&-
Wink-Ausstellung; CD-Booklet; Infografik-Game

014 Branche & Karriere


Designerblog; Dirk Fütterer zu E-Book-Gestaltung

018 Ausbildung
Spielerisch gegen den Konsumzwang; Lern-App
»Käferkunde«; asiatisch-deutsches Typedesign

TITEL
022 Der Kampf um die Aufmerksamkeit
So viele unterschiedliche Kanäle und Angebote
wie heute haben noch nie um die Aufmerksamkeit
der Konsumenten gestritten. Mit welchen
Strategien kann es Werbung und Design da noch
gelingen, ihre Zielgruppen zu erreichen?

KREATION
038 Kreative und ihre Fahrräder
Designobjekt, Statement, Ausgleich, manuelle
Bastelei – aus welchem Grund auch immer, Gestalter
haben ein äußerst inniges Verhältnis zu ihren Bikes

046 Interactive Ads


Tablet-Anzeigen bieten vielfältige Möglichkeiten
für eine involvierende Markenkommunikation

052 Stress in der Kreativbranche


Stressfrei wird es im Designerleben wohl nie zuge-
hen, aber die Agenturen reagieren auf das Thema

056 Nachhaltigkeitsberichte
Sie sind ein spannendes und lukratives neues
Geschäftsfeld für Gestalter – aber nicht ohne Tücken.
PAGE berichtet, worauf Sie achten müssen

062 Flat Design – endlich?!


Steven B. Cook von edenspiekermann über das
Für und Wider des omnipräsenten Designprinzips

066 Papierwelt
Kleider aus Papier; Luxe-Sortiment von MOO

TYPO
068 Typoreise Argentinien
Es gibt in Argentinien so viele tolle Designer, dass
uns die Auswahl diesmal besonders schwerfiel 080
page 11.13 005

PAGE Online: Ob Stellenangebote, Inspiration,


News, Magazin-Volltextsuche, publishing-Tipps,
Bildergalerien oder page Rankings – das alles finden
Sie unter www.page-online.de

074 Diskussion: Responsive Typography


Ist es wirklich sinnvoll die Typo an jedes Gerät und jede
Auflösung anzupassen? Wir sprachen mit den Typo-
experten Indra Kupferschmid und Oliver Reichenstein

BILD
080 Talentshow Illustrative
In Berlin waren wieder faszinierende junge
Illustratoren aus aller Welt zu Gast – wir stellen
unsere Favoriten vor

086 Bildwelt
Frank Kunerts surreale Inszenierungen; Gestalten-Band
»A Life in Illustration«; 3-D-Design-Studio Foreal

009
TECHNIK
090 Interface Design für Smart Glasses
Bei aller Skepsis gegenüber Google Glass – in der Ent-
wicklung von Apps für die intelligenten Brillen zeigt
sich, worauf es künftig im Interface Design ankommt

068
098 Design und Informatik
Im »Computional Spaces«-Projekt an der HAW Hamburg
erkunden Studenten neue Interaktionsformen

100 Tools & Technik


Sony-Kameramodul fürs Smartphone; Cintiq Companion

STANDARDS
003 Editorial
020 PAGE Online: Portfolio von Katrin Soschinski
106 Einblicke: Wie beschreiben die Mütter von Kreativen
wie Eike König oder Sascha Hanke deren Job?
108 Kalender: Kongresse, Ausstellungen, Awards
110 Publikationen: Buchempfehlungen für Kreative
114 Fundstücke von Jürgen Siebert:
Direkter Draht zur Prominenz

SERVICES
011 PAGE Studenten-Abo 051 PAGE Abo 067 PAGE Shop
095 PAGE Einzelheftbestellung 105 PAGE Stellenmarkt
113 Impressum/Vorschau

PAGE SEMINARE
061 »Creative Business Modelling« mit der Good School
065 Infografik-Seminar mit Jan Schwochow
088 »Gutes Design entwickeln« mit Jochen Rädeker
089 »Gutes Design gut verkaufen« mit Jochen Rädeker
006 page 11.13

SZENE
page 11.13 007

ginn des auf vier Jahre angelegten Pro-


jekts 2010 hat das Motion-Bank-Team
unter anderem Tanzperformances von
Top-Choreografen wie Deborah Hay,
Jonathan Burrows und Matteo Fargion,
Bebe Miller sowie Thomas Hauert auf-
gezeichnet. Sie filmten sie zunächst mit
Video- und Kinect-Infrarotkameras aus
unterschiedlichen Perspektiven. Wis-
senschaftler, Interaction Designer und
Künstler aus Partnerinstitutionen wie
dem Fraunhofer-Institut für Graphische
Datenverarbeitung und dem Advanced
Computing Center der Ohio State Uni-
versity machten sich anschließend da-
ran, die choreografischen Handschrif-
ten zu entschlüsseln. Dabei kam die ei-
gens entwickelte Software Piecemaker
zum Einsatz. Digital Artists übersetzten
die Daten dann mit stark differieren-
den Ergebnissen. Das Spektrum der
Visualisierungen reicht von Animatio-
nen bunter, flatternder Bänder oder
wallenden schwarzweißen Schatten bis
zu typografischen Lösungen, in denen
Worte die Gewichtung der Aspekte der
Performances verbildlichen.
n Im Gegensatz zur Musik gibt es für Zum didaktischen Konzept von Mo-
Tanz keine universelle Formensprache, tion Bank gehört neben öffentlichen
die Zusammenhänge und Muster er- Aufführungen und Gesprächen mit den
klärt. Das von dem weltberühmten US- Choreografen zudem eine Reihe von
amerikanischen Tänzer und Choreogra- Workshops im Frankfurter LAB, einem
fen William Forsythe ins Leben geru- experimentellen Labor für moderne
fene kollaborative Forschungsprojekt Musik-, Tanz- und Theaterschaffende.
Digital Artist Amin Motion Bank nimmt sich dieses Pro- So gibt zum Beispiel »Choreographic
Weber übersetzte blems an und nutzt dafür Motion-Cap- Coding« vom 25. bis 29. November Ein-
die digitale Partitur ture-Technologie und Creative Coding. blick in die Möglichkeiten, Tanz mithilfe
von »No Time to Fly« Forsythe will sukzessive eine frei zu- von Processing, openFrameworks oder Grafik: Amin Weber

der Motion-Bank- gängliche Bibliothek im Web aufbauen, vvvv kreativ zu visualisieren. Etwa zeit-
Gastchoreografin die Menschen weltweit abrufen kön- gleich sollen sämtliche Dokumentatio-
Deborah Hay in nen, um die digitalen Partituren zu stu- nen und Visualisierungen unter http://
bewegte Formen dieren und von ihnen zu lernen. Seit Be- motionbank.org verfügbar sein. fb

Signature Moves
Vier Jahre lang hat The Forsythe Company Tanzperformances
ausgewertet und digitalisiert. Nun gibt’s die Ergebnisse als
Online-Bibliothek kunstvoller Visualisierungen
008 page 11.13 SZENE

Schöner arbeiten
n Interior Design. Eigentlich geht
es in »WorkScape« um Inneneinrich-
tung. Aber der Band mit dem Untertitel
»New Spaces for New Work« (Gestalten
Verlag, 240 Seiten, 39,90 Euro, isbn 978-
3-89955-495-3) befriedigt auch den Vo-
yeurismus all jener, die mal in die Büros
von Facebook, Monocle und Winkrea-
tive, Red Bull, Urban Outfitters oder
Tribal DDB gucken wollen. Wobei Räu-
me im Look von Cafés, Bars oder Wohn-
zimmern nahelegen, dass Arbeiten in
der Kreativindustrie heutzutage ein
reines Vergnügen ist.
Da gibt es Liegewiesen in Gemein-
schaftsbereichen, Thinktanks, um sich
zum Denken zurückzuziehen, und ex-
klusive Besprechungsräume. Während
diese bei Google London mit wattierten
Blümchenwänden an Separees in ein-
schlägigen Etablissements erinnern, ar-
beitet man im ökobewussten Deutsch-
land eher mit Recyclingholz in reduzier-
terer Optik. In den Coworking Spaces
von NeueHouse in New York sieht es da-
gegen durch bunt zusammengestellte
Vintage-Sessel wie bei Starbucks aus. cg
© Rocket & Wink

Ein Monster, das den Weg ins Museum für Kunst und Gewerbe ebnete: Spiel mit der Maskerade: Die Hamburger Gestalter Rocket & Wink tragen
Rocket & Winks Artposter für das Reeperbahn Festival 2012 Kunstnamen und treten stets mit Kartoffelsack und Silberhelm auf
page 11.13 009

Linke Seite: Im Ber-


liner Büro der
Stuttgarter Agentur
Dorten fand
eine Installation
des kanadischen
Künstlers Cedric
Bomford als Dauer-
leihgabe und
Arbeitskapsel
eine Heimat.

Foto: David Barbour


Rechts: ein 2012
von Lee Penson als
riesiges Sofa
gestalteter Raum bei
Google London

Spaß mit Anspruch


n Ausstellungsreihe. Es ist natür-
lich besonders schmeichelhaft so ins
Museum zu gelangen: Schon 2012 fielen
Dr. Jürgen Döring, Leiter der Grafischen
Sammlung des Hamburger Museums
für Kunst und Gewerbe, die herrlichen
Monsterplakate fürs Reeperbahn Festi-
val auf. Vor ein paar Monaten stand er
dann erneut begeistert vor einer Pla-
katwand, von der aus Kronkorken ihn
müde anzwinkerten und fritz-kola emp-
fahlen. Als der Kurator erfuhr, dass bei-
de Arbeiten von Rocket & Wink waren,
bat er die eigensinnigen Hamburger
Gestalter, die nie ohne Kartoffelsack-
und Silberhelmmaskierung auftreten,
eine Ausstellungsreihe über zeitgenös-
sisches Grafikdesign zu eröffnen.
Unter dem lakonischen Titel »What-
ever. The Art of Rocket & Wink« sind bis
1. Dezember rund 100 ihrer Plakate zu
sehen, die spielerisch und wunderbar Sicherer Halt
frech nicht allzu ernst nehmen, was
man nicht allzu ernst nehmen muss. Die n Promotion-Tool. Damit das Handy beim Laden nicht stets frei-
Ausstellungsreihe sieht Döring als Win- schwebend an der Wand baumelt, entwickelte das Designbüro
win-Situation: Die Gestalter haben die bandeet aus Augsburg einen praktischen Halter, der sich wunderbar
Möglichkeit sich darzustellen und dann als Give-away für Kunden oder als Akquisetool eignet. Er besteht
gehen ihre Arbeiten in die Museums- aus 170 Gramm starkem Papier und wird einfach am Stecker des Lade-
sammlung über und erweitern diese. geräts aufgehängt. Zum Appetitmachen und zur Eigenwerbung hat
Eine Schau mit Plakaten fürs Züricher bandeet drei Varianten produziert, die man genauso verwenden oder
Museum für Gestaltung soll folgen, und individualisieren lassen kann. Aberauch ganz anderen Ideen steht
auch der Niederländer Richard Niessen das Designbüro von Marcel Klemm offen gegenüber. Jeder kann einen
steht auf der Wunschliste. sd Handyhalter nach eigenen Wünschen in Auftrag geben. ant
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Die Klaue von Billy the Kid


n CD-Booklet. Einer ihrer größten Fans ist Wim Wenders.
Als der Regisseur 2008 den düster-melancholischen Wes-
ternsound von Infamis hörte, kaufte er umgehend all ihre
Aufnahmen – und nahm die einstige Punkband aus Berlins
Umland schließlich unter Vertrag. Jetzt hat er bei seinem
Label Wenders Music ihr neues Album »Im Westen der Him-
mel« herausgebracht. Stilistisch genauso ausgetüftelt wie
ihre Musik, ist auch die Gestaltung des Booklets handmade
von der Band selbst.
Alle abgedruckten Texte sind in der Handschrift von Billy
the Kid verfasst, die Infamis-Drummer Benno Verch sich
nach historischen Vorlagen beibrachte. »Die Wirkung von
Handschrift ist unmittelbarer«, sagt Gitarrist und Grafiker
Thomas Haase. »Man umgeht den Prozess des Kernings und
Ausrichtens, und es darf auch mal eng werden am Blatt-
rand.« Zudem hat die Handschrift eine Beziehung zur Musik,
ist wie diese inhaltsbezogen und dynamisch. Das gilt auch
für die Fotografien von Nicole Sbrzesny, die in Mecklenburg-
Vorpommern entstanden. Erdig und mit Westernzitaten
versehen sind sie in ihrer Farbbearbeitung zugleich zeitge-
mäß upgedatet – und treffen auf verschwommene Bilder
einer Handkurbelkamera. Allesamt werden sie projiziert,
wenn Infamis im Oktober auf Tour geht. Auf der Bühne ste-
hen sie dann, ganz wie es zu ihrem cinematografisch in-
spirierten Sound und ihrem originellen Style passt, in wun-
derschönen alten Kinosälen. sd

Western Style handgemacht: Die Band Infamis gestaltet ihr


Booklet selbst, kopiert dafür die Schrift eines Revolverhelden
und verlegt den Wilden Westen in die ostdeutsche Provinz

Natürliche Flyer
n Marketingaktion. Was liegt näher, als ein Baum-
pflegeunternehmen mit dem Rohstoff zu bewerben,
mit dem es täglich zu tun hat? Das dachte sich das Design-
büro Perky Brothers aus Nashville und gestaltete für
Jones Tree Care kleine »Flyer« aus Holz. Als Quelle dienten
ausrangierte Äste, von denen das Unternehmen mehr
als genug hat. Einfach in dünne Scheiben gesägt und mit
einem Stempel versehen – und schon hat man einen
Sack voll handlicher und authentischer Visitenkarten.
Sympathisch ist auch der Aufdruck mit Motorsäge,
Herzchen und dem Spruch: »Hugging the good trees &
cutting the bad ones into itsy bitsy pieces«. nik
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Kreative Moralfrage Studenten


Darf es eine »Logo Design
Toolbox« überhaupt geben? aufgepasst:
Dr. Claudia Gerdes antwortet
Für euch gibt’s
n Der Name dieses kürzlich beim Gestalten Verlag erschie-
nenen Buchs ist quasi ein Widerspruch in sich, eine Beleidi-
gung für jeden Gestalter, der etwas auf sich hält – impliziert
6 cm umsonst !
er doch, dass man Logos einfach aus vorgegebenen Versatz-
stücken zusammenbasteln kann. Geht gar nicht, oder doch?
Und das findet sich in der Toolbox: mehr oder minder ela-
borierte Pfeile (damit ist das Logo für den Kurierdienst
schon fast fertig!), Totenköpfe (für Skater-Labels und die
Gothics unter den Kunden), Herzen (garantieren Erfolg bei
lang- und kurzfristiger Partnervermittlung) oder Kronen
und Wappen (adeln jede Marke).
Nun führt Designer Alexander Tibelius in der launigen
Einleitung zu seinem Buch moralisch durchaus bedenkens-
werte Gründe dafür auf, warum es manchmal schnell ge-
hen muss. Zum Beispiel, weil man dem/der Liebsten ein be-
sonders tolles gemeinsames Abendessen versprochen hat,
der Kreativdirektor aber am gleichen Tag noch zehn Ent-
würfe sehen will. Muss denn wirklich immer die Arbeit Vor-
rang vor der Liebe haben???
Logos aus Fertigelementen zimmert man zurecht, seit
es Clipart gibt – verdammt lange also schon. Kürzlich erst
(PAGE 09.13, Seite 81) berichteten wir über einen Riesen-
streit ums Keyvisual der Bayreuther Landesgartenschau 2016,
ein nur leicht bearbeitetes Microstock-Motiv. Unkreativ, ver-
wechselbar und kaum vor Merchandising-Piraten zu schüt-
zen, die ja für wenige Euro das Originalmotiv kaufen könn-
ten, so die Kritik der empörten Bayreuther Designer. Sonst
schienen die Plagiatsvorwürfe niemand zu stören. Der Lan-
desgartenschau-Aufsichtsrat verkündete nach einer Sonder-
sitzung inzwischen jubelnd, man bleibe bei dem Entwurf,
weil er sich »durch eine eigene persönliche Schöpfung so
weit vom Original entfernt« habe, dass »neue urheberrecht-
lich geschützte Werke« entstanden seien. Die braven Bürger,
die vom Streit im »Nordbayrischen Kurier« lasen, verstan-
den wohl die ganze Aufregung nicht.
Dient die Forderung nach Originalität also nur der Selbst-
rechtfertigung einer von der Realität abgehobenen Desi-
gnerzunft? Keineswegs, wie der jüngste Skandal um die
Stockbilder derselben fahrradfahrenden Familie in NPD- PAGE Studentenabo: Schüler und Studenten lesen günstiger!
und FDP-Wahlspots zeigte. Da mutmaßten die der Tücken Sie erhalten das PAGE Abo Plus zum Studententarif, damit
des Stockmarktes unkundigen Laien nämlich, NPD und FDP Sie bereits in der Ausbildung mit starken Konzepten und hand-
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Material von der Stange aus.
Mit diesem
Material kann
man ruckzuck
Logos erstellen
und viel Zeit
fürs Privat-
leben sparen
012 page 11.13 SZENE

L+L für O/O


n Packaging Design. Vor zwei Jahren gründeten Olle
und Olof Andersson in Göteborg die kleine, feine Bier-
brauerei O/O Brewing. Ebenso hochwertig wie ihr Gebräu
kommen das Corporate und Packaging Design daher, die
das Studio Lundgren + Lindqvist, ebenfalls aus Göteborg,
entwickelte. Die Logotype ist eine Anspielung auf die auf-
fällige Brille des Braumeisters Olle Andersson, die Etiketten
erinnern ans Chemielabor. Hinter den Labels verbirgt sich
aber noch mehr: Eine kleine freie Fläche dient als Leinwand
für Künstlerkollaborationen. Da jede Biersorte in einer
limitierten Auflage hergestellt wird, entstehen so regelmä-
ßig Minigalerien mit Artworks verschiedener Gestalter.
Das ist nicht nur hübsch und abwechslungsreich, sondern
dürfte auch einige Sammler erfreuen. Die von uns gezeigten
Bunte Anatomie Flaschen hat Lundgren + Lindqvist selbst verschönert. nik

n Lern-App. Knochen, Venen, Herz cken des menschlichen Körpers und


und Verdauungsorgane müssen nicht seiner Funktionen zu animieren.
eklig aussehen – das beweist die char- Illustriert hat die App die New Yor-
mante Lern-App »Der Menschliche Kör- ker Grafikdesignerin Kelli Anderson.
per« von Tinybop aus Brooklyn (2,69 Eu- Dafür fertigte sie rund 200 Vektorgrafi-
ro im App Store). Sie richtet sich an Kin- ken von Knochen, Venen, Zähnen, zer-
der ab vier Jahren und bildet den Auf- kautem Essen et cetera an. Inspirieren
takt zu einer Serie von interaktiven ließ sie sich dabei von alten Schul-
Lernanwendungen. Das Besondere: Sie büchern, in denen man in mehreren
schreibt weder eine Reihenfolge oder transparenten Ebenen Organe, Blut-
Richtung vor, noch vergibt sie Stern- kreislauf und so weiter übereinander-
chen für gelöste Aufgaben. Ziel ist viel- legen konnte. Als wäre das nicht schon
mehr, die Neugier der Kinder zu wecken genug Arbeit, produzierte Anderson
und sie zum selbstständigen Entde- zusätzlich noch ein Promotionvideo,
in dem sie ein Papiermodell des men-
schlichen Körpers zum Leben erweckt.
Dafür schnitt sie ihre ausgedruckten Flieh vor den Torten!
Vektorgrafiken aus und animierte sie
mittels Stop-Motion. Sogar die Sounds n Infografik-Game. Wer sagt, dass Statistiken immer grau
wie Herzschlag und Atmung erzeugte und öde sein müssen? »Metrico«, das Spiel des Gamedesign-
sie vollkommen analog durch Zerknül- studios Digital Dreams aus Utrecht, verbindet Tortendiagram-
len, Zerreißen und sonstigen unsanf- me und Liniengraphen mit Jump’n’Run-Mechaniken. All das
ten Umgang mit Papier. Absolut se- in einer etwas mystischen, aber poppig-bunten Umwelt. Beson-
henswert! nik ders knifflig: Je nach Level ändern sich die Anforderungen
an den Spieler, der seine Handlungen und Bewegungen immer
Ein aufwendiges wieder neu justieren muss. So gibt es zum Beispiel Balken,
Stop-Motion- die unter Feuer in die Höhe schießen und nur so den Weg
Video mit einem freimachen. Andere sinken hingegen, sobald der Avatar sie
Papiermodell betritt. Der »Metrico«-Prototyp war einer der Publikums-
demonstriert die lieblinge auf der diesjährigen gamescom. Die finale Version
App-Funktionen für PlayStation Vita soll im Frühjahr 2014 erscheinen. fb
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Ingeborg und die Kometen


n Buchgestaltung. Anfang der 1980er Jahre rettete Ty-
pograf und Buchhersteller Franz Greno eine alte Bleisatz-
druckerei in Nördlingen vor der Verschrottung. Dort starte-
te er 1985 mit dem Schriftsteller und Denker Hans Magnus
Enzensberger »Die Andere Bibliothek«. Auch wenn der Ver-
lag mittlerweile den Besitzer wechselte und nicht mehr im
Bleisatz druckt, erscheint in der legendären Buchreihe nach
wie vor monatlich ein neues Werk. Seit Juli 2012 wird jede
Publikation von einem anderen Designer gestaltet, darun-
ter etwa Erik Spiekermann, Illustrator Jörg Hülsmann, Jens
Müller vom Studio optik, Matthias Wittig oder Wim Wester-
veld. Diese Leckerbissen sind auch im Abo zu haben.
Als Klappenbroschur und bei der Namensgebung vom
Kometen-Logo der Hauptreihe inspiriert, startet im Okto-
ber nun mit schmaleren und preiswerteren Bänden der neue
Friedrich Forss-
Ableger »Kometen der Anderen Bibliothek«. Die Gestaltung
mann gab den
übernahm Edeltypograf Friedrich Forssman, der zusammen
neuen »Kometen
mit seiner Frau Cornelia Feyll auch schon zweimal für die
der Anderen
klassische Reihe kreativ tätig war. Beim Design der »Kome-
Bibliothek« ein
ten« ließ er sich von Franz Greno inspirieren und benutzte
luxuriöses Outfit
als Schrift die klassizistische, aber erst 2009 von Michael
Hochleitner entworfene Ingeborg. Wobei die vielen verfüg-
baren Schnitte auch innentypografisch für Vielfalt sorgen –
zusammen mit punktierten Linien, die die Stanzung des Co-
vers aufgreifen. Forssmans Frau, Textildesignerin Cornelia
Feyll, übernahm die Farbgebung, die sich auch auf einen
Rundumfarbschnitt und die Fadenheftung erstreckt. Soviel
Luxus in Broschur gibt’s selten. cg

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014 page 11.13 SZENE

Branche & Karriere


Vorsicht, Fernweh!
n Designerblog. »Beschränkt man
Gespräch vor seine Reisen auf Strände und Sehens-
Traumkulisse: würdigkeiten, hat man eine angeneh-
Für ihren Video- me Zeit, lernt aber über die Kultur des
blog befragt Landes wenig«, erklärt Magdalena Kahr.
Magdalena Kahr Die Reise, die die Wiener Kommunika-
Menschen tionsdesignerin zurzeit macht, führt
von Wien bis von einem Traumziel zum anderen. Da-
Auckland zu bei unterhält sie sich vor laufender Ka-
deren Leben mera mit Einheimischen darüber, was
diese an ihre Heimat bindet. Die Videos
PAGE Online postet sie dann auf ihrem Blog »By The
Ein ausführliches Way«. So berichtet eine französische
Interview finden Tierpflegerin vom Leben als Geparden-
Sie auf www. Betreuerin in Johannesburg und ein
page-online.de/ Sänger aus Bangkok erzählt davon, wie
emag/kreation/ es ist, im Land der Backpacker zu leben,
artikel/by-the-way doch selbst keinen Pass zu besitzen.
Dabei drehen sich alle Gespräche zwar
um Themen wie Identität, Job und Um-
feld, doch ganz nebenbei, eben by the
way, offenbaren die Interviewpartner,
was sie wirklich bewegt. fb

Business Basics Designkompetenz erwerben


Christian Büning, Präsident des Berufsverbands der Deutschen

Foto: © André W. Sobott, www.aw-sobott.de


Kommunikationsdesigner ( www.bdg-designer.de ), beantwortet berufs-
bezogene Fragen von Gestaltern. Hier stellt er aktuelle Fälle vor

Stephanie, 32: Hallo, ich arbeite seit über es Prinzipien und Sehgewohnheiten in
zehn Jahren als Marketingmanagerin der Gestaltung, aber das Analysieren
in einem Unternehmen und möchte mich und Lösen von Problemen verlangen
in Designfragen professionalisieren. Ich doch einiges mehr von einer Designe-
bin studierte Betriebswirtin und habe rin. In meinen Augen ist Design eine
mir selbst den Umgang mit Designpro- Disziplin, die eher von der Haltung lebt,
grammen angeeignet. Wäre ein Fern- wie ein Problem zu lösen ist, als von
studium neben dem Beruf sinnvoll, um starren Regeln, wie ein Winkel zu set- Ihre Fähigkeiten zur Analyse und Kon-
die Software besser nutzen zu lernen zen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob sich zeption erweitern. Sie kennen Ihr Un-
und mich als Designerin zu schulen? diese Haltung in einem Fernstudium ternehmen und die bisherige visuelle
vermitteln lässt; auf jeden Fall kann ein Kommunikation genau. Wenn Sie jetzt
Liebe Stephanie, solches Studium aber Ihr Basiswissen zusammen mit Designern neue Lösun-
wenn ich Sie richtig verstanden habe, über visuelle Wahrnehmung vertiefen. gen entwickeln, werden Sie sich sehr
geht es um zwei Fortbildungen: zum Allerdings wiegen Ihre zehn Jahre Pra- intensiv und ausführlich mit Design-
einen die Anwendung von Designpro- xiserfahrung dieses Wissen sicher auf. prozessen auseinandersetzen. Mit die-
grammen, zum anderen das Gestalten Mein Tipp: Trainieren Sie Ihre Soft- sem Trick bekommen Sie beides zu-
selbst. Für Designsoftware gibt es zahl- warefähigkeiten gezielt mit Kursen und sammen: eine Lösung für Ihre Projekte
reiche Anbieter, je nach dem, was Sie Fortbildungen. Holen Sie sich ergän- und eine fundierte Weiterentwicklung
brauchen, können Sie hier gezielt wäh- zend dazu für Ihre Designfähigkeiten Ihrer Designfähigkeiten. Viel Erfolg!
len, zum Beispiel zu Themen wie »Effi- externe Sparringspartner ins Haus –
zienz in der Printproduktion« oder die sprich Gestalter, mit denen Sie zusam- Haben Sie Fragen, die Sie hier beant-
»Werkzeuge von Photoshop«. men Design entwickeln können. Sie be- wortet sehen möchten? Dann
Bei den Fortbildungen für Design kommen jede Menge Anregung und schreiben Sie uns (E-Mail: business
wird es etwas kniffliger. Natürlich gibt Austausch und können so allmählich basics@bdg-designer.de)
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016 page 11.13 SZENE

Kommentar
Dirk Fütterer entgegnet Jürgen Sieberts
Foto: Maria Arndt

»Fundstücken« zum Thema


E-Books (siehe PAGE 09.13, Seite 114) 1 2 3

n Jürgen Sieberts Beitrag »Das neue


Medium und seine Verächter« kann ich
ze, andererseits aber – als digital ge-
stresster und nach analoger Entspan-
BRANCHE & KARRIERE
in einigen Punkten zustimmen, finde nung suchender Durchschnittsleser – +++ Hirschen in Frankfurt. Die Werbeagentur Zum Gol-
den Vergleich zwischen E-Book und bei den meisten E-Books keine wesent- denen Hirschen hat ein Büro in Frankfurt am Main eröff-
DTP allerdings nicht ganz zutreffend. liche Verbesserung des Leseerlebnis- net. Von dort aus betreut sie ihren Kunden Fiat Group
Bei der Einführung des Desktop-Publi- ses gegenüber dem gedruckten Buch Automobiles Deutschland. Standortleiter ist Johannes
shings ging es in erster Linie um neue feststellen kann. Kahnt, der zuletzt am Berliner Standort der Agentur tätig
Werkzeuge und beschleunigte Produk- Das moderne E-Book ist nicht au- war. Derzeit umfasst das Frankfurter Team 18 Mitarbeiter,
tionsprozesse, beim E-Book geht es tomatisch das bessere Buch. Das tra- bis Ende des Jahres sollen es rund 25 sein. +++ Mitarbeiter­
dagegen um die von Onlinebuchhan- ditionelle Buch muss nicht ersetzt wer- zuwachs bei thjnk. Michael von Bach 1 steigt als Ge-
del und Industrie forcierte Einführung den, weil es nicht kaputt ist. Es ist so schäftsführer Strategie bei der Hamburger Agentur ein.
eines wenig ausgereiften Mediums, ausgereift und funktionstüchtig wie In der Position übernimmt er die Planning-Verantwor-
das einer Vielzahl von Buchgestaltern Messer oder Gabel, erfordert kein Sys- tung für die gesamte thjnk-Gruppe und arbeitet eng mit
(und Lesern!) noch nicht so zusagt wie temupdate und wird nicht von der Strategievorstand Karen Heumann zusammen. Er wech-
das gedruckte Buch. NSA überwacht. Selbstverständlich hat selt von Jung von Matt, wo er in gleicher Position tätig war.
Ich lese Bücher in digitaler und ana- auch das E-Book große Chancen. Es Ebenfalls neu an Bord ist Stefan Janßen 2 , der als Chief
loger Form und teile weder die Ableh- müsste sich allerdings dringend vom Financial Officer (CFO) dazustößt. Er war zuletzt CFO
nung von E-Books noch den Hype um P-Book emanzipieren, um seine me- und Chief Operating Officer (COO) bei Draftfcb Deutsch-
sie, da ich einerseits die praktischen dienspezifischen Vorteile ausspielen land. +++ Das Jahr der Werbung 2014. Noch bis zum
Vorteile des digitalen Publishings schät- zu können. Autoren, Buchgestalter und 18. Oktober können Agenturen, Unternehmen und Insti-
Verlage sollten sich zusammentun und tutionen ihre Arbeiten bei dem Kreativwettbewerb ein-
eine neue Form des »eWritings« ent- reichen. Die Teilnahme an sich ist kostenlos, Kosten fallen
Das traditionelle Buch wickeln, die ein beschleunigtes »eRea- erst an, wenn der Beitrag im Buch zum Jahr der Werbung
ding« ermöglicht. aufgenommen wird. Eine Seite kostet knapp 1000 Eu-
muss nicht ersetzt Ich stimme Jürgen Siebert zu, dass ro, bei mehreren Seiten sinkt der Preis pro Einzelseite.
sich die Hochschulen nicht länger der ≥ www.jdw.de +++ Reklamefilmwerkstatt. Die Produk-
werden, weil es nicht Weiterentwicklung des digitalen Lese-
mediums verschließen dürfen. Über
tions-, Event- und Designagentur Group.IE veranstaltet
am 1. und 2. November im Rahmen der B3 Biennale des
kaputt ist. Es ist die gemeinsame Ausschreibung eines
E-Book-Gestaltungswettbewerbs kön-
Bewegten Bildes in Frankfurt am Main ein Seminar zur
Werbefilmproduktion. Zu den Referenten gehören unter
nen wir uns gerne unterhalten. Viel- anderem Matthias Storath, Kreativchef bei Ogilvy, und
so ausgereift wie leicht regt man gleichzeitig die Suche Regisseur Markus Bader. In einem praktischen Teil pro-
nach einem neuen Namen für das digi- duzieren die Teilnehmer virale Spots für MediaMarkt, die
Messer oder Gabel tale Lesemedium an? »E-Buch« klingt am 30. November bei der Verleihung des Reklamefilm-
doch irgendwie nach »Motorkutsche«! preises 2013 präsentiert werden, der gleichfalls von
und erfordert kein Professor Dirk Fütterer ist Mitgründer Group.IE veranstaltet wird. Der Workshop richtet sich an
des Instituts für Buchgestaltung der Mitarbeiter aus Agenturen und Unternehmen, selbst-
Systemupdate. Fachhochschule Bielefeld ständige Filmschaffende sowie Studenten. Die Teilnah-
me kostet rund 350 Euro für Unternehmen, 250 Euro für
Freelancer und 150 Euro für Studenten. ≥ www.reklame
Gut geknotet filmwerkstatt.de +++ Marken­ und Designkongress.
Am 11. und 12. November veranstaltet der Rat für Form-
n Werbemittel. Es gibt sie noch, die mit einem Schlips zum Üben sowie gebung in Stuttgart den fünften Deutschen Marken-
Gelegenheiten, bei denen Mann Kra- einem Buchfächer, der Anleitungen für und Designkongress unter dem Motto »Designing New
watte trägt. Blöd nur, dass man sich die wichtigsten Knoten sowie Infos Markets«. Im Mittelpunkt steht das Thema Internationa-
beim Knotenbinden immer so leicht rund um den Halsbinder enthält. Den lisierungsstrategien. Die Teilnahme kostet knapp 400 Eu-
verheddert. Abhilfe schafft hier der Fächer kann man praktischerweise an ro, Studenten zahlen 50 Euro. ≥ www.german-design-
Krawattentrainer, eine Geschenkbox einen Bügel hängen, um so die Instruk- council.de +++ Neue Digitaler bei Heye. Karl Herkt und
tionen beim Binden direkt im Blick zu Natalija Zaburdajeva verstärken das Digitalteam von
haben. Die Druckerei Wolf-Ingelheim Heye München. Herkt kommt von der Stockholmer Digi-
gibt dieses nette Give-away heraus, das talagentur Fantasy Interactive und übernimmt bei Heye
sich bei Interesse auch branden lässt. die neu geschaffene Position des Technical Director. Za-
Bestellen kann man den Krawattentrai- burdajeva steigt als Senior Art Director Digital ein. Sie
ner auf www.collection-lardon.de; und wechselt von der kanadischen Agentur Critical Mass
wer keine Schlipse mag, findet dort nach München. +++ FCP positioniert sich neu. Das Fo-
noch weitere Geschenkboxen. ant rum Corporate Publishing hat sich ein neues Logo 3
und den Claim »Inhalt zählt« zugelegt. Der Verband der
Das passende Weihnachtsgeschenk Corporate-Publishing-Agenturen und -Verlage will künf-
nicht nur für Schlipsmuffel tig die Eigenwerbung vorantreiben. nik
018 page 11.13 SZENE

Ausbildung

Konsumzirkus
n Spieldesign. Wogegen lohnt es
sich hier und heute noch Widerstand
zu leisten? Das war die Ausgangsfrage
des Kurses »Das Narrativ des Wider­
stands« im Studiengang Kommunika­
tionsdesign an der Hochschule für Tech­
nik und Wirtschaft Berlin. Für Mona Lei­
nung und Johanna Wilke war rasch klar:
gegen Konsumzwang und allgegen­
wärtige Markenversprechen. Da Kon­
sumkritik an sich nichts Neues ist, wähl­
ten die Studentinnen einen neuen Zu­
gang zum Thema und verpackten ihren
Protest in ein Brettspiel.
Bei »Konsumania« müssen die Spie­
ler zwischen Karriere, Gehorsam und
Aktivismus jonglieren, um der Verdum­
mung sowie der Einstufung als Staats­
feind zu entgehen. Wirklich entkom­
men kann man dem Ganzen allerdings
nicht: Das Spielfeld ist ein Teufelskreis.
Für die Gestaltung wählten Mona Lei­
nung und Johanna Wilke den Zirkus als
Metapher. Glitzer, Glamour und Spek­
takel erwarten uns heutzutage schließ­
lich in jeder Einkaufsstraße. Durch die
Beschränkung auf zwei Farben und
kunstvoll illustrierte Retro­Zirkusfigu­
ren wirkt das Spielbrett ästhetisch und
nicht überladen.
Für ein Projekt im sechsten Semes­
ter ist »Konsumania« extrem umfang­
reich. Die Konzeption allein dauerte
vier Monate und benötigte unendlich
viele Spieldurchgänge, um den Ablauf
und die Dynamik zu testen. Bislang
existieren drei Exemplare, wovon zwei
bereits verkauft sind. Die Studentin­
nen überlegen nun, ihr Konzept einem
Spieleverlag vorzustellen, befürchten
allerdings zu große Eingriffe bei einer
Umsetzung für den Massenmarkt. Und
das wäre wirklich schade.

Fahrrad fahrende Bären


mit Mega-Burgern und
Löwen in Nike-Turnschuhen
gehören zum »Konsumania«-
Zirkus. Der Spielablauf
gleicht einem Teufelskreis
page 11.13 019

Marienkäfer oder Pappelbock?


n App-Design. Knapp 6500 Käferar­ Bei der Gestaltung orientierte sich
ten müssen deutsche Forststudenten Weiberg am analogen Lernen per Nach­
auswendig lernen. Das sind eine Men­ schlagewerk und in der Natur: Der Hin­
ge Karteikarten und ganz schön viel tergrund des Screens ist immer mit
Zeit. Das muss doch einfacher gehen, einer Struktur versehen, die an alte
dachte sich Nadine Weiberg und ent­ Buchseiten erinnert, dunkle Stellen
wickelte im Rahmen ihrer Bachelor­ wirken wie Erde. Die Grundfarbe ist
thesis im Studiengang Grafik­ und In­ Grün und als wichtigstes Gestaltungs­
terfacedesign an der Hochschule für element dient die Lupe, mit der sich et­
Angewandte Wissenschaft und Kunst was – wie im echten Leben – genauer
Hildesheim/Holzminden/Göttingen die untersuchen lässt. Die App überzeugt
Lern­App »Käferkunde«. Aufmerksam sowohl durch ihr gestalterisches Kon­
auf dieses Thema wurde sie durch das zept als auch ihren Nutzwert und er­
von ihr mitgegründete Technik­Start­ hielt bereits beim red dot award: com­
up Fovea, das sich mit der Software­ munication design 2013 eine Auszeich­
entwicklung für die Forstwirtschaft be­ nung. Voraussichtlich ab Herbst 2013
schäftigt und unter anderem mit Mit­ soll es Käferkunde im App Store ge­
teln des Existenzgründerprogramms ben, ab Anfang 2014 im PlayStore.
Exist gefördert wird.
Mit der App können angehende Käferlernen leicht gemacht:
Förster Käferarten anhand verschiede­ Mit Nadine Weibergs App
ner Lernlisten büffeln, nachschlagen lassen sich Käferarten nach-
und auf einer interaktiven Karte ent­ schlagen und auf einer inter-
weder selbst eintragen oder suchen. aktiven Karte markieren

Deutsch auf Asiatisch


n Typedesign. Was passiert, wenn man deutsche
Sprache und Schrift mit einer asiatischen Silbenschrift
kombiniert? Das zeigt die Hangulatin. Entwickelt hat sie
Anita Jürgeleit in ihrer Bachelorarbeit an der Hochschule
für Angewandte Wissenschaften Hamburg im Depart-
ment Design. Ausgangspunkt war das koreanische Alpha-
bet Hangul, das Jürgeleit im Vorfeld einer Reise lernte.
Die Gruppierung von Buchstaben nach Silben faszinierte
die Studentin und motivierte sie zu dem Typo-Experi-
ment. Hangulatin gruppiert Silben nach ihrer Aussprache
statt nach ihrer Bedeutung und fügt sie in Form von
Kästchen zusammen. Als Schrift wählte Jürgeleit Helvetica
Light, die sich unter anderem aufgrund ihrer geometri-
schen Form gut in das Raster einfügen lässt. Als Leserich-
tung ist sowohl von links nach rechts als auch von oben
nach unten möglich. Hangulatin ist erstaunlich gut lesbar
und kann jedem Schriftstück einen asiatischen Anstrich
verleihen, wie die Anwendungsbeispiele auf der Facebook-
Seite von Anita Jürgeleit (  https://de-de.facebook.com/
AnitaJuergeleitFontFacing  ) zeigen. nik
020 page 11.13 SZENE

PAGE ONLINE
­
Portfolio des Monats
In jeder Ausgabe stellen wir ein Mitglied der PAGE Community und Highlights aus seinem Portfolio vor

Katrin Soschinski
www.page-online.de/portfolios/soschinski

n Katrin Soschinski hat sich ganz der Darstellung Ich bin Designer, Freelancer
von Flächen und Gebieten verschrieben und zeigt Ich biete Print, Online, Illustration
dabei, wie innovativ Kartografie sein kann. Das liegt E-Mail soschinski@
auch daran, dass die Berlinerin sich von ihrer Stadt, zeichenbrettfuerkarten.de
von Ausstellungen und vom Stöbern in Buchläden Web www.zeichenbrettfuerkarten.de
inspirieren lässt – und sich eher an der Schnittstel- Standort Berlin
le zum Design als zur Informatik sieht. Für sie ist
Kartografie vor allem ein kreativer Prozess.

1 2 3

­
E-Mag: KrEation | tyPo | Bild | tEchniK | SzEnE | galEriE

Auf den Punkt gebracht Freefont Lora Fotoband »Top Secret«


Kreation. Die weltbeste Talentschmiede Typo. Ganz neu auf PAGE Online: Jeden Mo- Bild. Fast 300 000 Menschen arbeiteten für
in Sachen Film, Robert Redfords Sundance nat stellt der Grafikdesigner Florian Zietz ex- den Geheimdienst der DDR. Simon Menner
Institute, hat eine neue, strahlende Iden- klusiv für uns eine kostenlose Schrift vor. Den durchforstete die Stasi-Archive und entdeck-
tität bekommen. Paula Scher von Penta- Anfang macht Lora, eine ausgewogene, mo- te tolle Aufnahmen eines How-to der Agen-
gram setzt dabei auf einen knallgelben derne Satzschrift mit kalligrafischen Wurzeln, tentarnung. Falsche Bärte, versteckte Hand-
ikonischen Punkt, der in Bewegung gerät, die sich mit ihren moderaten Kontrasten gut zeichen, obskure Identitäten . . . »Top Secret«
Muster wird, Logo oder Bild. für den Mengensatz eignet. ist im Hatje Cantz Verlag erschienen.
≥  www.page-online.de/sundance-ci ≥  www.page-online.de/freefont-lora ≥  www.page-online.de/simon-menner
page 11.13 021

 www.page-online.de pagemag

1 Faltkarte in

A1-Größe von
St. Peter-Ording:
Ihre freie karto-
grafische Arbeit
testete Katrin
Soschinski im
Urlaub persönlich
auf Realitätstreue
2 In dieser illus-

trierten Karte
von Berlin-Mitte,
ebenfalls eine
freie Arbeit, sind
Sehenswürdig-
keiten spielerisch
hervorgehoben
3 Der Berliner

Alexanderplatz in
3-D: Die Infografik
zeigt auch die
U-Bahn-Ebene
4 Für die Berliner

Galerie Geodesign
entstanden
Stadtpläne der
neuen Art, die
mit reduzierten
Farben und
4 Texturen arbeiten

PagE nEwSlEttEr

»Neon«-Relaunch Interaktive Experimente Immer up to date


Kreation. Nach zehn Jahren hat »Neon« sich Technik. Bruno Imbrizi liebt das Experi- n Bestellen Sie jetzt den kostenlosen
nicht nur einen komplett frischen Look ge- ment: Der Visual Developer der Londoner PAGE Newsletter und bleiben Sie auf
geben, sondern mit einer aufwendigen App Agentur unit9 zeigt auf seiner Website ei- dem Laufenden rund um kreatives Me-
einschließlich E-Mag auch eine ganz neue di- ne Reihe interaktiver Browser-basierter diendesign, Publishing und Trends. So
gitale Strategie entwickelt. »Neon«-Artdirek- Datenvisualisierungen. Es macht Spaß, erfahren Sie auch als Erste, wenn wir
tor Jonas Natterer erklärt in einem ausführ- mit den Linien der Londoner U-Bahn zu ein neues PAGE Seminar veranstalten
lichen Interview die Details. spielen, mit Formen und Sounds. oder eine Sonderedition herausgeben.
≥  www.page-online.de/neon-relaunch ≥  www.page-online.de/bruno-imbrizi ≥  www.page-online.de/newsletter
022 page 11.13

TITEL
page 11.13 023

Attention, please!
Um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlen Werbung und Design schon immer. Doch noch nie
wurde so hart um sie gekämpft wie heute. Gibt es Erfolgsrezepte?
024 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

Ironie und
Storytelling: Christian
Ulmen spielt in dem
von elbkind kreierten
Social-Media-Spot
für Rügenwalder den
fiesen Sanierer

Ohne den Soundtrack von Lady


Gaga wäre der neue Hamster-Spot
von Kia wohl nur halb so
erfolgreich. Die Story: Die Hamster
specken beim Fitness ab, derweil
der neue Kia designt wird – am
Ende präsentieren sich alle auf
dem roten Teppich

Auf die große Internet-


Popularität von Rube-Gold-
berg-Maschinen setzt diese
YouTube-Kampagne von Deep
Focus New York für Beneful
Hundefutter. Die Produktion
besorgte QuietMan,
ebenfalls aus New York

Katzen- und Hundelieb-


haber will die O2-Kampagne
»Be more dog« von VCCP
ansprechen, die über http://
bemoredog.o2.co.uk
und einen Spot erzählt,
wie eine Katze als
Hund mehr Spaß hat
page 11.13 025

n Um herauszufinden was bei den Düfte zu promoten, schuf Grey Lon- genden Evian mit dem Baby-Motiv her- PAGE Online
Usern für Aufmerksamkeit sorgt, muss don im Mai mit 25 bekannten Free- stellen, auch wenn wir nicht bei jedem Die Links zu allen
der Blick zuallererst zu den mächtigs- style-Dancern das Puma Dance Dictio- Schluck Mineralwasser wieder zum erwähnten
ten Instanzen in Sachen Aufmerksam- nary, bei dem diese einzelne Wörter in Kleinkind mutieren wollen. Doch letzt- Filmen finden Sie
keit gehen: YouTube, Facebook und Moves umsetzten. Unter www.puma lich können nicht alle mit Musik, Tän- unter www.
Twitter. Egal, ob Digital- oder Printkre- dancedictionary.com konnten die User zen à la Gangnam Style und Harlem page-online.de/
ation, was dort keine Freunde findet, daraus ganze Sätze und somit Dance- Shake, Babys, Katzen, Hunden oder attention_please
gilt quasi als inexistent. Eine Milliarde Videos kreieren, die sich über Social Hamstern werben, ohne im Gewimmel
Menschen, heutzutage Unique Visitors Media teilen ließen. Unterstützt von der Me-too-Konkurrenz unterzugehen.
genannt, schaut bei YouTube jeden Mo- einer TV-Kampagne erhielt die Aktion Überhaupt hat Unruly, der welt-
nat Videos an, laut ZenithOptimedia viel Aufmerksamkeit in den (Fach-)Me- weit führende Anbieter für Social-Vi-
ist Onlinevideo der aktuell am stärks- dien. Wie viele Videobotschaften tat- deo-Advertising, jüngst in seiner Stu-
ten wachsende Werbekanal. Facebook sächlich erstellt und geteilt wurden, die »Science of Sharing« festgehalten,
verzeichnet fast 3 Milliarden tägliche bleibt Pumas Geheimnis, der YouTube- dass Humor durchaus nicht der ein-
Likes. Und mit über 9000 Tweets pro Trailer verzeichnet 150 000 Views. zige Weg zu viralem Erfolg ist, sondern
Sekunde liegt Twitter bei der schnel- Hierzulande startete kürzlich die auch in eine Sackgasse führen kann.
len Info- und Hypeverbreitung vorn. Sparkasse eine witzige Branded-Enter- Dafür hat er das Sharing der Super-
Kein Wunder, dass die Messung von tainment-Aktion mit der eigens kreier- Bowl-Ads untersucht: Die beliebtes-
Klicks, Views, Shares, Likes, Friends, Fol- ten Band Boy Alarm, deren Video »Love ten Spots waren nicht besonders ko-
lowern und Retweets eine Wissenschaft Can Kill« charmant die Boygroups der misch, sondern hoch emotional, um
geworden ist. Doch der User bleibt un- neunziger Jahre veralbert. Aufmerk- nicht zu sagen pathetisch – und teil-
berechenbar. Wieso das von Fruchtsaft- samkeit für den Clip schuf ein von Jung weise sehr amerikanisch.
hersteller Fruitree gepostete Bild ei- von Matt/Spree realisierter Sparkassen- Hiermit »geshared« sei der sehens-
nes appetitlichen, aber stinknormalen Spot mit Comedian Martina Hill, in dem werte Beitrag »God made a farmer«
Obstsalats mit über 650 000 Likes laut diese einen stark überalterten Fan der für Ram Trucks. Er kombiniert eine Re-
der Experten von Likester.com eines Band mimt. Nette Idee, doch bisher gab de, die der legendäre Radiomodera-
der beliebtesten kommerziellen Face- es auf YouTube nur rund 44 000 Views tor Paul Harvey 1978 auf der Konfe-
book-Fotos des Jahres 2012 wurde, für das Musikvideo. Den Kommentaren renz der Future Farmers of America
lässt sich kaum ergründen. Zugleich ist ist zu entnehmen, dass man die Ironie hielt, mit Fotos berühmter US-Foto-
es sehr schwer, Erfolge zu wiederholen. oft nicht verstand. Immerhin landete grafen. Eine mutige Idee weitab von
Zum Beispiel das Video »A dramatic der Song in den Bravo-Charts. Da ist allem globalen YouTube-Mainstream
suprise on a quiet square«, in dem die
Agentur Duval Guillaume Modem für
den Action-TV-Sender TNT einen gro- Kein Wunder, dass die Messung von Klicks, Views,
ßen roten Button auf einem Platz in
einer belgischen Kleinstadt installierte. Likes et cetera eine Wissenschaft geworden ist.
Als jemand sich traut, ihn zu drücken,
entfesselt sich zur Verwunderung der Doch der User bleibt unberechenbar.
Passanten eine wahre Action-Orgie mit
Dutzenden Schauspielern. Laut Viral
Video Chart von Unruly Media, der sich Samsungs Strategie natürlich effekti- und höchst kontrovers, wie unzählige
nicht nach Views, sondern nach Shares ver, die mit teuren Megastars wie Jay-Z Online-Kommentare auf unterschied-
über Facebook und Twitter bemisst, ei- und Usher für virale Erfolge sorgte lichsten Plattformen zeigen.
ner der erfolgreichsten Clips von 2012 (auch wenn die Jay-Z-App später als
und unlängst Cannes-prämiert. Der »Spyware« wieder viel Kritik erntete). Wieso ist es so schwer, etwas Authen-
Nachfolger, »A dramatic surprise on an tisches zu schaffen, das zur Marke
ice-cold day«, blieb klar zurück: statt Greifen wir noch tiefer in die Trickkiste. passt? Doves Message von unverfälsch-
46 Millionen Views »nur« 13 Millionen Wie sieht es mit der Zugkraft niedlicher ter Schönheit und weiblichem Selbst-
und anstelle von 4,6 Millionen Shares Babys aus? Evian hat das richtige Re- bewusstsein etwa lässt sich immer wie-
teilten ihn die User 237 404 Mal. Nach zept gefunden. Ihre tanzenden »Roller der mit viralen Erfolgen abwandeln. So
Share-Ratio kam er also längst nicht so Babies« von 2009 wurden über 70 Mil- wurde »Real Beauty Sketches« von Ogil-
gut bei den durch den ersten Film an- lionen Mal angeschaut und kamen ins vy Brasilien schon über 55 Millionen Mal
gefixten Betrachtern an. Der Ansatz »Guinness Buch der Rekorde«. Wobei gesehen, »Camera Shy« von Ogilvy &
war vom Prinzip her schwierig, »drama- die Idee schon aus dem quasi noch Mather London 17 Millionen Mal. In Ers-
tische« Überraschungseffekte lassen analogen Jahr 1998 stammt, als BETC terem zeichnet ein FBI-Phantombild-
sich nun mal schlecht wiederholen. Paris im Fernsehen »Water Babies« als experte eine Frau, die er nicht sieht, mal
ein Wasserballett auftreten ließ. Mit nach ihren Angaben, mal nach denen
Um Erfolgsrezepte abzuleiten, blicken »Baby & Me« ging es nun 2013 weiter. In eines Fremden, Motto »You are more
viele in die diversen Social-Media-Hit- dem Spot entdecken sich Passanten in beautiful than you think«. Der zweite
listen. Fast überall dominiert das The- spiegelnden Schaufensterscheiben als Film zeigt Frauen, die vor der Kamera
ma Musik die ersten Plätze, mit mehr Baby, was sie ebenfalls zu allerlei tän- flüchten, und am Ende kleine Mäd-
als 1,7 Milliarden Views ist »Gangnam zerischen Verrenkungen verführt. Das chen, die (noch) unbefangen posieren.
Style« das erfolgreichste Video aller brachte gigantische 60 Millionen Views. Ebenfalls relevant und genau darum
Zeiten. Kein Wunder, dass viele Marken Okay, mit gutem Willen lässt sich ei- erfolgreich: der 2010 von CP+B für
hier ihr Heil suchen. Um Pumas Sync- ne Verbindung zwischen dem verjün- American Express ersonnene Small
026 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

Löste in Großbritan-
nien Aufruhr aus: die
Kampagne gegen die
Vernachlässigung von
Marmite-Brotauf-
strich, eine ziemlich
derbe Satire auf
Tierschutzaktionen

Heimat zeigte in You-


Tube-Videos, wie man
sich in Wacken und
im Reeperbahn-Sexshop
um die limitierten
Panzerstahl-Hammer
von Hornbach riss

Gangnam Style und Harlem


Shake lassen grüßen bei
diesem mit US-YouTube-
Star Nathan Barnatt für
7-Eleven inszenierten
»Slurpee-Dance«-Video

Grey London versuchte es


für Puma mit Freestyle-
Tänzern, mit denen die User
im Puma Dance Dictionary
getanzte Sätze erstel-
len und teilen konnten
page 11.13 027

Business Saturday, der zum Einkauf


jenseits großer Ketten animiert. Mehr
als 500 000 kleine Geschäfte machten
Newsjacking
mit, der Kreditkartenumsatz stieg an Immer öfter springt Werbung aufs Trittbrett aufmerk-
diesem Tag um 23 Prozent. Die Idee
bekam 2011 den Grand Clio und 2012 samkeitsstarker Nachrichten
einen Grand Prix in Cannes, aber an-
ders als viele Award-Eintagsfliegen
funktioniert sie immer noch: Der nächs- n Neu ist Newsjacking natürlich nicht. auf gestalterischer Ebene, wo bisher
te Small Business Day ist am 30. No- Sixt betreibt das seit Jahren, und der oft schlimme, von Gott weiß wem kre-
vember, siehe http://shopsmall.com. vom Gustl-Mollath-Motiv entfesselte ierte Photoshop-Illus dominieren. Was
Shitstorm zeigte mal wieder, was alles das Cannes-, Clio- und Effie-prämierte
Hierzulande war die auffälligste Good- schiefgehen kann . . . Newsjacking ist Projekt »Oreo Daily Twist« 100 Tage lang
vertising-Aktion jüngst der von Heimat eben keine ganz ungefährliche Betäti- zum 100. Geburtstag der Keksmarke
und Hornbach zu 7000 Hammern recy- gung, versucht es doch, mit Schnell- leistete, sollten zumindest ansatzweise
celte Weltkriegspanzer. Die Hornbach- schüssen auf oft brisante und unbere- alle schaffen, die in den Social Media
Facebook-Seite (die 130 000 Leuten ge- chenbare Dinge zu reagieren. Doch was präsent sein wollen: markenspezifische
fällt) fachte das Interesse für den 25 Eu- früher selbst gewähltes Risiko verein- Drehs für aktuelle Themen finden, die
ro teuren Panzerstahlhammer richtig zelter Marken wie Sixt war, ist heute die Öffentlichkeit beschäftigen.
an. Aktionen lockten nicht nur in Bau- fast nicht mehr zu umgehen.
märkte in ganz Deutschland, sondern Immer häufiger werden in der Bran- Trotz allen Geredes von Brand Jour-
auch aufs Heavy-Metal-Festival nach che Brand Newsrooms gefordert – tat- nalism oder Realtime-Marketing muss
Wacken oder in die Boutique Bizarre sächlich besitzen viele Marken dies im sich aber nicht gleich jede Marke eine
nach St. Pauli, wo sie in Wettstreit um Ansatz bereits, denn sie müssen ihre Newsroom à la »Bild« zulegen. Es geht
jeweils nur wenige Exemplare traten. Facebook-Fans permanent mit neuen vielmehr um ein grundsätzliches Um-
Auch unter gibtesfuermichheute- Inhalten fesseln. Eine Aufgabe für Pro- denken. Um im Zeitalter von Social Me-
einenhornbachhammer.de klickten sich fis nicht nur auf textlicher, sondern auch dia und der rasanten Verbreitung
viele User die Finger wund. Die letzten
21 Hammer gab es am Sendlinger-Tor-
Platz in München, wo es die Sympathie
von Oma Violetta (bekannt aus der TV-
Show »Circus Halligalli«) zu gewinnen
galt, um eins der Stücke zu ergattern.
Beschwerden, die Bildsprache der Kam-
pagne sei »kriegsverherrlichend«, wies
der Deutsche Werberat mit Hinweis
auf den pazifistischen Grundgedan-
ken »Macht aus Waffen Werkzeug« ab.
Statt Goodvertising kam man aber
auch Badvertising machen. Hunderte
Beschwerden gab es bei der britischen
Advertising Standards Authority we-
gen der Kampagne »End Marmite Neg-
lect«. Statistisch, so heißt es auf http://
endmarmiteneglect.com, gibt mehr als
einer von zehn Briten zu, in längerer Zeit
als den letzten drei Monaten seinen
(typisch englischen) Marmite-Brotauf-
strich nicht geöffnet zu haben. Ein Vi-
deo im Stil einer TV-Dokumentation
zeigt, wie uniformierte Helfer in Privat-
haushalte stürmen, dort die vernach-
lässigten Gläschen aus den Tiefen von
Kühlschränken retten und sie in kleinen
Transportkäfigen wegbringen, wie man
sie sonst wohl für Hamster nutzt . . .
Kinder- und Tierschützer fühlen sich
derbe veräppelt – und das ist Sinn der
Sache, denn adam&eveDDB zieht den
Claim »Love it. Hate it. Just don’t forget
it« konsequent durch. Viel Gesprächs-
stoff für die Social Media. Trotz diver-
ser Proteste überwiegen doch die posi-
tiven Reaktionen. Ob die Deutschen da Möglichst viele Menschen sollen die News von Hondas Aktion zur Rettung der
auch so viel Humor aufbrächten? cg amerikanischen Autokinos verbreiten – natürlich inklusive Markennamen
028 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

Ihre ironische
Gratulation zur
Werberiesen-
hochzeit machte
copacino +
fujikado in
Seattle und übers
Web auch
international
bekannt

Nur hundert
Tage dauerte das
preisgekrönte
Projekt »Oreo
Daily Twist« –
gingen dann
die guten Nach-
richten aus?

von News und Hypes am Puls der Feed in Echtzeit auf Banderolen für
Zeit zu bleiben, arbeiten Kreative im- die Becher einer beliebten Coffeeshop-
mer öfter fast wie Nachrichtenredak- Kette drucken ließ, oder das Twitter-
teure. Sie lassen sich nicht nur beim Game für adidas, bei dem während
morgendlichen Surfen von News über- des Wimbledon-Turniers die Fans des
raschen, sondern recherchieren syste- britischen Spielers Andy Murray für je-
matisch und bereiten vorhersehbare den Satz auf einem in neun Felder auf-
Nachrichten vor, zum Beispiel zu Wah- geteilten Spielfeld vorhersagen konn-
len, Sport- oder Wetterereignissen. ten, wo er den nächsten Punkt gegen
So brachte iris Nation Worldwide seinen Gegner erringen würde.
mit den Spezialisten von GreenGraffiti Wohin das Vordringen der Werbung
auf einer zugefrorenen Amsterdamer in die Nachrichtenwelt führen wird,
Gracht aus einem speziellen Sand ei- lässt sich schwer vorhersagen. So man-
nen QR-Code an, der zur WWF-Website cher macht sich schon Sorgen, ob im-
führte – und beim Schmelzen an den mer schwammigere Grenzen zwischen
Klimawandel erinnerte. Wobei man Werbung und Redaktion zur Gefahr
beim Wetter auf alles gefasst sein muss. für einen neutralen und seriösen Jour-
Als BMW für MINI eine der beliebten nalismus werden könnten. Honda geht
Wetterpatenschaften für ein Sibirien- bereits einen Schritt über die pure Be-
Hoch übernahm und dieses Cooper obachterrolle hinaus und wird mit ih-
nannte, gab es 25 Grad minus und rem »Project Drive-In« selbst aktiv. Die
über 100 Kältetote. Unverfängliche, po- zugrundeliegende News war, dass ab
sitive News als Aufmerksamkeitszug- Ende 2013 die Verleiher in den USA
pferd sind eben nicht leicht zu finden. keine 35-Millimeter-Filme mehr zu Ver-
fügung stellen und so sämtliche Kinos
Sämtliche Facetten des Nachrichten- auf teure digitale Projektionstechnik
trittbrettfahrens behandeln Grant Hun- umsteigen müssen. Viele Drive-in-Ki-
ter und Jon Burkhart in ihrem beim nos, bekanntlich Ikonen der amerika-
Londoner Verlag Thames & Hudson er- nischen Autokultur, können sich dies
schienenen Buch »Newsjacking«, das nicht leisten und würden von der Bild- BUCH-TIPP
fundierte und durch zahlreiche Bei- fläche verschwinden. Um das zu ver-
spiele anschauliche Lektüre zu diesem hindern, stellt Honda fünf Projektions- n Der Social-Media-Kreativ-
Marketingtrend bietet. Denn natürlich anlagen bereit. Die User können per berater Jon Burkhart und Grant
geht es nicht nur darum, Facebook-Sei- Online-Voting entscheiden, welche von Hunter, Kreativdirektor Asien
ten zu füllen. Sondern auch um PR-Ak- den 55 ausgewählten Drive-ins in den bei iris Worldwide, tragen
tionen wie die von Oakley, die Sonnen- USA sie bekommen. Per Facebook und Erkenntnisse und Projekte nicht
schutzbrillen an die wochenlang ver- Twitter kann man Aufrufe zum Mit- nur unter www.urgentgenius.
schütteten chilenischen Bergarbeiter machen verbreiten – und lassen sich com zusammen, sondern haben auch ein wegweisendes
verteilte, um ihnen bei ihrer hochdra- Nutzer zum Besuch des nächstgele- Buch zum Thema geschrieben.
matischen Befreiung die Gewöhnung genen Autokinos animieren. Werden > Grant Hunter, Jon Burkhart: Newsjacking. The Urgent
ans Sonnenlicht zu erleichtern. Und um Marken von Nachrichtentrittbrettfah- Genius of Real-Time Advertising. London (Thames & Hudson)
Ideen wie beispielsweise die der »Gulf rern zu engagierten Akteuren im aktu- 2013, 216 Seiten, 24,95 Pfund. isbn 978-0-500-516720
News« aus Dubai, die ihren Twitter- ellen Geschehen? cg
Webhosting. Einfach intelligent.

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www.mittwald.de
030 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

»Die Zwillingsschwester der


Aufmerksamkeit heißt Aversion«
Schneebälle oder Wind beim Segeln. Das hatte meine Auf-
merksamkeit, weil ich es nachvollziehen konnte. Wenn eine
Marke diesen Einblick besitzt, also zeigt, dass sie mich und
meine Lebensumstände versteht, wende ich mich ihr zu.
Was gibt es außerdem für Möglichkeiten, in klassischen
Medien heute noch Aufmerksamkeit zu erzielen?
Die billigste Variante ist der Tabubruch. Die Häufigste ist die
Lautstärke, die Schwierigste der Humor. Und die Intelligen-
teste die Selbstironie. Wer es schafft, mit ihr Aufmerksam-
keit zu erzeugen, ist in der Königsklasse.
Kennen Sie jemanden, dem das gelungen ist?
Hornbach ist im höchsten Sinne selbstironisch. Alle lieben
die Werbung, weil die Marke dem Heimwerker mit all seinen
Obsessionen, Macken und Schwächen ein Zuhause gibt.
n Ralf Zilligen, Geschäftsführer Kreation bei der Kölner Hornbach kennt ihre Kunden, das macht sie als Marke inte-
Agentur B+D Communications, traut den klassischen Medien ressant. Praktiker zum Beispiel ist das weniger gut gelungen.
noch einiges zu Warum versuchen immer noch so viele Marken, ihre Kunden
durch laute Kommunikation zu erreichen?
Hat in Print oder TV zuletzt etwas Ihre Aufmerksamkeit erregt? Weil viele aus der Welt der Lautstärke kommen und nicht
Ralf Zilligen: Kürzlich erst die unsägliche Sixt-Anzeige mit verstanden haben, dass Kommunikation so nicht mehr
einem Bild von Gustl Mollath und dem Spruch: »Wenn hier funktioniert. Da fehlt es an Intuition, die Unternehmen
jemand verrückt ist, dann der Sixt mit seinen Preisen«. Es kennen ihre Kunden und ihre Interessen nicht mehr.
gab dazu jede Menge Reaktionen im Netz, bis hin zu Boy- Vielleicht hätte ich die Frage eingangs stellen sollen: Was ist
kottaufrufen gegen den Autovermieter. Sicher eine aufmerk- Aufmerksamkeit eigentlich?
samkeitsstarke Kampagne, aber nicht im positiven Sinne Sich widersprüchlich zu seiner Umwelt oder seinem Umfeld
Negative Aufmerksamkeit erfüllt also nicht ihren Zweck? zu verhalten. Alles ist bunt, man selbst ist weiß, alles ist laut,
Wenn es um reine Aufmerksamkeit geht, ist es egal, ob sie man selber still. Diese Widersprüche generieren Beachtung.
positiv oder negativ ist. Aber ich will ja ein Ziel erreichen, da Das heißt allerdings auch, man kann dies nicht losgelöst
sind negative Schlagzeilen katastrophal. Dank digitaler Kanä- vom Kontext sehen. Aufmerksamkeit im Fernsehen ist eine
le kommt es zu Echoeffekten, die niemand kontrollieren kann. andere als im Netz. Wenn ich fernsehe, bin ich eher passiv.
Es gibt keine Kampagnen mehr, die irgendwann beendet sind. Wenn ich im Netz unterwegs bin, suche ich. Ich selektiere. Da
Die Auswirkungen können geschäftsschädigend sein. Denn bin ich aktiver – auch aufmerksamer. Wir müssen uns mehr
die Zwillingsschwester der Aufmerksamkeit heißt Aversion. Gedanken darüber machen, wie man das Publikum ange-
Und positiv ist Ihnen nichts aufgefallen? messen erreicht, in welcher Situation und in welcher Verfas-
Doch, der neue TV-Spot von Dove. Er zeigt, was ein Männer- sung man jemanden anspricht. Der Holzhammer taugt nicht
gesicht in 35 Jahren alles ertragen muss – Hitze beim Grillen, mehr zur Differenzierung.
Heute konkurrieren ja traditionelle und neue Medien um die
Aufmerksamkeit . . .
Klassische Medien stehen nicht immer in Konkurrenz zum
Web. Der Unterschied zu früher ist, dass man in der Vergan-
genheit Botschaften stärker fokussieren konnte. Da war
Lautstärke hilfreich. Digitale Kanäle und die Möglichkeiten
der Interaktion führen heute dazu, dass Dinge kommen-
tiert werden. Als Marke besteht für mich das Risiko, dass ich
negative Reaktionen bekomme. Hier liegt für mich die He-
rausforderung, eine Form von Aufmerksamkeit zu finden,
die im besten Fall positiv kommentiert wird.
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass Print und TV ständig
dabei sind, ihr Dasein zu rechtfertigen.
Fachmedien predigen inzwischen das Hohelied der digitalen
Kommunikation und Kultur. Aber das ist genauso vereinfa-
chend, wie es vor zehn Jahren falsch war, sie zu ignorieren.
Wir haben einfach heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, die
Der TV-Spot »Dove Face Torture« zeigt, was unsere Arbeit komplexer machen. Wichtig ist ein Urverständ-
ein Männergesicht in 35 Jahren aushalten
muss.Ogilvy London trug nicht nur sehr viele nis von Kommunikation. Ist das vorhanden, kann man auch in
Zahlen zusammen: 52 Schneebälle, 940 Stun- klassischen Medien Aufmerksamkeit erreichen. Zumal Unter-
den Wind, 40 kontrollierte Feuer, 1 Glastür, suchungen ergeben haben, dass viele Menschen den Werbe-
4 verdiente Ohrfeigen –, sondern setzt sie
auch so nett in Szene, dass sich jeder Mann block im Fernsehen durchaus als kulturellen Beitrag emp-
wiederfindet und Frauen sich amüsieren finden und eben nicht einfach wegschalten. ant
page 11.13 031

»Als klassischer Werber hängt man ein Plakat an die


Wand und fertig. Bei uns fängt der Job da erst an«
n Stefan Rymar, Kreativchef der auf digitalen Dialog Werden nicht viele Social-Media-Aktionen nur beim
spezialisierten Agentur elbkind aus Hamburg, will nach- Start von den Fachmedien hochgejubelt, ohne dass diese
haltige Social-Media-Effekte später nachfragen, wie effektiv sie wirklich waren?
Vielleicht rührt das von der Sichtweise her: Als klassischer
Sind YouTube-Clips bei Marken, die auf sich halten, das neue Werber macht man ein Plakat, hängt es an die Wand, und
Mittel der Wahl? fertig ist der Job. Bei uns fängt da der Job erst an, denn jetzt
Stefan Rymar: Klar, wenn es zu Marke und Produkt passt. gilt es, die Leute in Dialog zu bringen, sie zu Fans machen, für
Aber ein YouTube-Clip kostet oft genauso viel wie ein TV- langfristige Markenkontakte zu sorgen. McDonald’s etwa ge-
Spot und nachher schreiben die Leute drunter »Gefällt mir lingt das mit ihren »Mein Burger«-Crowdsourcing-Aktionen.
nicht«. Man muss die Stellschrauben kennen. Alle können einen Burger erstellen, den es dann auch wirk-
Wie bei Christian Ulmen und Rügenwalder? lich gibt und der beworben wird. Oft aber werden die Sieger-
Ein Jörg Pilawa, der früher Testimonial war, hätte für YouTube ideen solcher Wettbewerbe gar nicht produziert. Da denkt
nicht funktioniert. Christian Ulmen ist sowieso dort unter- man nicht zu Ende. Aber nachhaltige Effekte stellen sich nicht
wegs und passt zur Zielgruppe. Rügenwalder ist ja schon nach einer Woche ein. Das ist ein langer, steiniger Weg. cg
früher zweigleisig gefahren, im Fernsehen mit Pilawa und
im Web mit dem Comedy-Duo Mundstuhl.
Ein gewagter Spagat! Da passt die Geschichte von Ulmen als
fiesem Sanierer viel besser zur neuen Klassik-Idee von
den Mitarbeitern als Testimonials. Wie eng müssen klassische
und digitale Medien zusammengehen?
Die zweigleisige Strategie war eine Ausnahme, ein Experi-
ment, das aber gut funktioniert hat. Klassik und Digital las-
sen sich normalerweise kaum abgrenzen, egal, ob es zum
TV-Spot eine App gibt oder man sein Telefon auf ein Plakat
hält und zu einer Kampagnen-Site kommt.
Klassische Medien werden also noch gebraucht?
Keine Frage, denn sie erlauben aufmerksamkeitsstarke Maß-
nahmen. Zudem gibt es Leute, die gar nicht interessiert, was
im Web passiert. Aber man sollte bei den klassischen Medien
stets in der digitalen Verknüpfung und Erweiterung denken.
Welches elbkind-Projekt kam besonders gut an?
Der Ulmen-Clip hatte eine Million Views. Und die sind nicht
in Indien entstanden.
Werden immer noch Views gekauft?
Es ist nicht mehr so schlimm wie vor ein, zwei Jahren. An
Kommentaren und Bewertungen kann man ja sehen, ob die
Million Views oder die Million Facebook-Fans echt sind. Und
nur so gibt es Erfolg am Produktregal.
Ulmens Einladung zur All-Star-Tour, bei der man gegen Rügen-
walder-Mitarbeiter antreten konnte, ist also angekommen?
Es gab eine sechswöchige Tour, bei der das All-Star-Team mit
einem großen Wagen auf Festivals, aber auch Supermarkt-
parkplätzen war und bei der alle viel Spaß hatten.
Wie wichtig sind Facebook und Twitter?
Twitter kommt in Deutschland gerade wieder. Lange hieß es,
da sprechen nur Marketingleute mit Marketingleuten. Die
nachwachsende Zielgruppe ist aber viel versierter in der Nut-
zung. Zudem kann man Tweets jetzt in Blogs einbinden und
da interagieren, wie bei Embedded Posts bei Facebook. Wo-
bei Letzteres fast schon wieder abflacht. Von Facebook-Apps
zu Advent, Muttertag oder Weltmeisterschaft sollte man sich
langsam verabschieden, das hat sich erschöpft. Und jede
Marke will irgendwas von einem, man soll Bilder hochladen
und so fort. Dabei will der User doch nur lustige Sachen sehen.
Wie bei Oreos »Daily Twist«?
Manche Kunden rufen an und wollen etwas Ähnliches, aber
wenn man eine Woche braucht, um ein Posting abzustim- Elbkind betreut die Facebook-Seite von
men, landet man wieder beim unverfänglichen Mutter- oder Ritter Sport – die immer wieder mit
Valentinstag und es wird austauschbar. witzigen und aktuellen Ideen aufwartet
032 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

Bewusste Irreführung
Kuchen oder Klamotten? Die Modemarke Johnny Cupcakes lenkt potenzielle Kunden
bewusst in die falsche Richtung

n Verärgerte Menschen stürmen ge- Strategie. »Die Idee eines Modelabels, ne Kollegen ohne besonderen Grund
legentlich aus einem der fünf Johnny- das Kuchen thematisiert, klingt viel- fast täglich neue Spitznamen für ihn.
Cupcakes-Shops. Irregeführt vom Na- leicht für viele Leute sonderbar – aber Mal hieß er Johnny Appleseed, dann
men, Erscheinungsbild und Duft (ja- sonderbar ist gut! Wenn du den Men- Johnny Pancakes, Johnny Coffeecakes
wohl, in den Geschäften riecht es nach schen nichts gibst, worüber sie reden oder eben Johnny Cupcakes. 2001, als
Vanille), hegten sie die Hoffnung, dort können, spricht auch keiner über dich«, er T-Shirts für seine Metalcore-Band
ihren Hunger mit leckeren Backwaren so das Motto des Johnny-Cupcakes- On Broken Wings bedrucken ließ,
stillen zu können. Weit gefehlt. T-Shirts Gründers Johnny Earle. zweigte er ein paar Exemplare ab, ver-
gibt es, Mützen, Taschen, Sticker, Pul- Als Johnny Earle noch im Musik- sah sie mit dem Schriftzug Johnny
lis, Unterwäsche – immerhin alles mit laden Newbury Comics in Braintree, Cupcakes und trug sie während der
Muffins bedruckt. Das ist natürlich Massachusetts, arbeitete, erfanden sei- Arbeit. Immer mehr Kunden fragten
page 11.13 033

nach ihnen, sodass er kurzerhand im


Kofferraum seines Autos einen klei-
nen Shop eröffnete und Shirts rund
um das Cupcake-Motiv verkaufte.
Im nächsten Jahr ging On Broken
Wings auf Tour, Earle stopfte den Kof-
fer voll mit T-Shirts und bot sie auf den
Konzerten sowie in Boutiquen in den
jeweiligen Städten an. Inzwischen tru-
gen nicht nur die Band, sondern auch
viele andere Musiker die T-Shirts auf

der Bühne und in ihren Videos – ein auf Martha’s Vineyard sowie im On- Vom Studien-
Kult ging los. Die ständig wachsende lineshop. Johnny Earle ist heute nicht abbrecher zum
Fangemeinde veranlasste Earle schließ- nur erfolgreicher Unternehmer mit Millionär: Die
lich, sich ganz auf sein prosperieren- Millionenumsätzen und zig Angestell- Geschichte von
des Unternehmen zu konzentrieren. ten, sondern auch ein gefragter Red- Johnny Earle alias
ner. In Schulen, Universitäten und auf Johnny Cupcakes
Seinen ersten Laden eröffnete der Konferenzen weltweit spricht er über ist eine klassisch
heute 31-Jährige 2005 in seiner in der Entrepreneurship, Ideen, Motivation amerikanische
Nähe von Boston gelegenen Heimat- und Passion. »Entwickelt clevere, ori- Erfolgsstory –
stadt Hull – in einer Bootsgarage, die ginelle Ideen und stellt sicher, dass ihr dank einer
sein Vater für ihn umgebaut hatte. In- mindestens zwölf Dinge total anders aufmerksam-
zwischen hatte er den Namen Johnny macht als eure Mitbewerber«, lautet keitsstarken
Cupcakes und das Logo mit den ge- einer seiner Ratschläge. Idee, deren
kreuzten Knochen unter dem Muffin Zum Erfolg der Marke und der gro- konsequenter
schützen lassen und bekam weltweit ßen Aufmerksamkeit, die sie immer Umsetzung und
Aufträge von Einzelhändlern. Auch wieder bekommt, trägt nicht nur ihre der Tatsache,
US-Ketten wie Urban Outfitters oder Exklusivität bei, sondern auch die Tat- dass ihr Erfinder
Macy’s wollten seine T-Shirts. Höflich, sache, dass Johnny Earle das Bäckerei- in den richtigen
aber bestimmt lehnte der Entrepre- motiv konsequent umsetzt. In den Momenten
neur ihre Offerten ab – eine Entschei- Shops wird die Ware auf Tabletts und die richtigen
dung, die sich als goldrichtig heraus- in Glasvitrinen präsentiert, die Deko Entscheidungen
stellen sollte: »Klar, hatte ich zuerst besteht aus alten Backutensilien und getroffen hat
davon geträumt, dass meine Shirts in -maschinen, die Mitarbeiter tragen
Läden auf der ganzen Welt erhältlich Schürzen, und die Luft ist mit Vanille-
sind«, erzählt er. »Als ich all die Ange- aroma versetzt – was wir Europäer al-
bote ausschlug, dachten viele, ich hät- lerdings eher als künstlich denn als an-
te eine Meise. Aber anstatt schnelles genehm empfinden. Auch die Website,
Geld mit einer kurzlebigen Modeer- mit der Johnny Cupcakes einen großen
scheinung zu machen, wollte ich eine Teil des Umsatzes erzielt, ist in diesem
Kein Wunder, dass hier manch Marke mit Integrität aufbauen, mit Stil gehalten und im Newsletter ist von
einer Muffins zu finden hofft: sachkundigen, treuen Kunden, die die »Freshly Baked Summer Classics« die
Die fünf Johnny-Cupcakes- Produkte zu schätzen wissen.« Rede. Kuchen gibt es übrigens doch ab
Shops leben das Bäckereithema Und so gibt es die Johnny-Cup- und an: Bei speziellen Events oder
aus – von der Glasvitrine bis cakes-Klamotten und -Devotionalien auch mal zum Wochenende offeriert
zu beschürzten Mitarbeitern nur in den mittlerweile fünf Läden in das Johnny-Cupcakes-Team in den Lä-
Hull, Boston, Los Angeles, London und den Muffins aller Art. ant
034 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

Vogelschwarm statt Einheitslook


Mit einer Familie ganz unterschiedlicher Adler schafft die Kunsthalle Wien Identität durch Diversität

n Selbstironie sei die Königsklasse das sachlich geometrische Raster der »Ich wollte gerne etwas radikal
der Aufmerksamkeit, sagt Ralf Zilligen Wiener Werkstätte und der Adler als Neues, das sich von den anderen Er-
im Interview auf Seite 30. Vortrefflich Wappentier der Stadt. Klingt bis hier- scheinungsbildern der verschiedenen
gelungen ist solch eine selbstironische hin ganz normal. Wenn da nicht der Ad- Kunstinstitutionen in Wien abhebt«, er-
Umsetzung der Kunsthalle Wien. Der ler wäre, der ständig seine Gestalt wan- klärt Nicolaus Schafhausen, künstle-
belgische Grafiker und Künstler Boy delt. Mal tritt er als edles Wappentier rischer Leiter der Kunsthalle. »Aktuell
Vereecken entwickelte für sie ein neues auf, mal als furchterregender Greifvo- dominieren in dieser Stadt sehr mini-
Corporate Design, in dem zwei Gestal- gel, um dann plötzlich als beinah lächer- malistische, von strenger Typografie ge-
tungselemente die Hauptrolle spielen: liche, bunte Comicfigur zu erscheinen. prägte Designs. Natürlich bin ich nicht

Adler in allen möglichen Ausprägungen bilden im Zusammenspiel mit dem strengen Raster das Corporate Design der Kunsthalle Wien.
Dass die Vögel dabei auch in eher trashigen Umsetzungen auftauchen, macht das Ganze schön selbstironisch
page 11.13 035

Unerwartet
Kinderbücher müssen gar nicht wie solche aus-
sehen. Das beweist Puffin Books mit Unterstützung
der Grafikdesignerin Dana Tanamachi

n In über 50 Sprachen wurden die


drei Bände von Astrid Lindgrens Meis-
terwerk übersetzt. Aber egal, ob »Pep-
pi Pitkätossu« in Finnland, »Pippi Dlin-
nyjchulok« in Russland oder »Pippi
Thung-Taow Yaow« in Thailand – die
Cover ähneln sich weit mehr als die
Sprachen. In der Regel ziert die Illustra-
tion eines rothaarigen Mädchens, mal
mit, mal ohne Pferd und Affe den Titel.
Die meisten Gestalter und Kunden den-
ken beim Thema Kinderbücher auto-
grundsätzlich für einen möglichst auf- matisch an Bilder. Genau das war für
fälligen Auftritt. Aber in Wien gibt es Puffin Books, der Kinder- und Jugend-
etwa mit dem mumok oder der Gene- sparte von Penguin, der Grund, sich et-
rali Foundation schon viele vor allem was anderes einfallen zu lassen. Sie be-
typografisch argumentierende Kultur- auftragte die für ihre Kreideletterings
CIs. Insofern durfte es schon ein biss- bekannte New Yorker Grafikdesigne-
chen provokativer sein.« Das flexible rin Dana Tanamachi mit der Gestaltung
Konzept von Boy Vereecken kann in- der Klassiker »Der Zauberer von Oz«,
haltliche Aspekte der Veranstaltungen »Pippi Langstrumpf« und »Peter Pan«.
aufgreifen und kommentieren, ein ent- Dana Tanamachi begann, mit wei-
scheidender Vorteil gegenüber stati- ßer Kreide auf einer 1,40 mal 1 Meter
schen Lösungen. »Das Design erfindet großen Tafel zu schreiben und zu zeich-
sich gewissermaßen immer wieder nen – Großformate liegen ihr mehr als
neu, so wie ich auch die Programmatik kleine. Jedes Cover bekam ein typi-
der Kunsthalle als ein Reagieren auf sches Symbol – Schiff, Haare, Hut – an-
aktuelle Entwicklungen in Kunst und sonsten sind sie rein typografisch. Die
Gesellschaft verstehe.« farbenfrohen Letterings auf schwar-
Eine komplette Adler-Familie für zem Hintergrund sind charmant, ein
sich zu vereinnahmen ist hinsichtlich echter Hingucker und sorgen auf je-
der Aufmerksamkeit ein ziemlich ge- dem Büchertisch für Aufmerksamkeit.
nialer Schachzug, denn wann und wo »Eine mit Kreide beschriebene Tafel ist
immer man einen Adler sieht, kommt genau das Medium, das Kinder kennen
einem die Kunsthalle in den Sinn. Dass und mögen«, schrieb ein begeisterter
einem einige der Vögel verdammt be- Fan. Davon abgesehen, dass Kinder in
kannt vorkommen, als hätte man sie den Schulen eher mit Whiteboards
schon in anderen Wappen, Comics oder und digitalen Tafeln konfrontiert wer-
Filmen gesehen, ist der Sache nicht den, könnte die Erinnerung an Schule
abträglich. Copyright-Probleme gibt es natürlich auch unangenehme Gefühle
übrigens nicht, alle Adler wurden bei auslösen. Zum Glück kaufen aber nicht
Bildagenturen gekauft. Kinder ihre Bücher, sondern deren El-
Das neue Corporate Design polari- tern. Und wir fahren doch alle auf sol-
siert. Die Reaktionen von Besuchern, che Gestaltungen ab, oder? ant
Passanten, Designern und Journalis-
ten reichten von »großartig« und »ge- So haben wir »Pippi Langstrumpf«,
niales Konzept« bis zu Unverständnis den »Zauberer von Oz« oder »Peter Pan«
und Ablehnung. Auf jeden Fall ist es in noch nie gesehen. Diese Puffin Books
aller Munde und wurde kürzlich sogar erregen in jeder Auslage Aufmerksamkeit
für den German Design Award nomi-
niert. Auch wenn die Bildsprache nicht
immer besonders edel aussieht – ein
wenig von dieser Leichtigkeit im Um- Auf Vimeo kann man
sich anschauen,
gang mit dem Adler könnte uns Deut- wie Dana Tanamachi
schen hinsichtlich unseres Wappen- bei der Gestaltung
tiers nicht schaden. ant der Cover vorging
036 page 11.13 TITEL aufmerksamkeit

Hochwertig und
unwidersteh-
lich: An dem
lasergestanz-
ten Schriftzug
auf dem roten
Farbschnitt muss
man einfach
herumfingern.
Die normale
»Sleek«-Ausgabe
kam lediglich
mit der Bande-
role ins Haus

Adrenalin und Kunst


Für die Golf-GTI-Kampagne ließ sich das Kunst- und Modemagazin »Sleek« etwas Besonderes
einfallen, das die haptische Neugier des Betrachters weckt

n Auf meinem Schreibtisch liegt die »Zum Erscheinen des neuen GTI soll- fahrung damit hatte. Danach wurde der
»Sleek«-Sommerausgabe. Während ich ten wir Ideen entwickeln, die abseits Schriftzug in den roten Schnitt gelasert.
über etwas ganz anderes nachdenke, von normalen Anzeigen liegen«, erzählt 5000 Hefte wurden derart produziert
bleibt mein Blick am roten Farbschnitt »Sleek«-Herausgeber Christian Bracht. und – versehen mit einer Banderole,
hängen. Sieht hübsch aus, denke ich, »Der Kühlergrill war für uns ein wichti- die das gleiche Motiv zeigt – an VIPs
und: Wie kommt denn die Schrift da ges Element, denn er ist das Auffälligs- verschickt. Die übrigen 55 000 Exempla-
drauf? Zack, schon hat »Sleek« bezie- te am Wagen. So kamen wir zum Cover- re bekamen ein normales Cover ohne
hungsweise VW gewonnen, denn jetzt motiv mit der chemischen Formel für Farbschnitt, nur mit der Banderole.
kann ich nicht mehr anders, als mit dem Adrenalin in der Mitte und zum roten Acht weitere Produktionstage ver-
Daumen über den Schriftzug »The New Farbschnitt.« Zwei Alternativen gab es: schlangen Farbschnitt und Laserstan-
Golf GTI« zu streichen und mich über entweder den Rand jeder Seite mit Rot zung. Da der Versand an die VIPs aber
die Haptik zu wundern. Plötzlich fällt bedrucken oder alles auf einmal, wenn erst nach Erscheinen der regulären Aus-
mir auf, dass das Covermotiv ebenfalls das Heft fertig geschnitten ist. Hier be- gabe erfolgte, war das nicht tragisch.
etwas mit der Sache zu tun hat. Ist es steht aber die Gefahr, dass Seiten ver- Auch die Kosten blieben innerhalb der
nicht der typische Kühlergrill des GTI? kleben. Trotzdem entschied sich der Gesamtkampagne sehr überschaubar.
Schon habe ich das Heft in der Hand Herausgeber für diese Option, auch »Farbschnitt und Laserstanzung sind
und versuche mehr herauszufinden. weil die Druckerei von »Sleek« schon Er- Teil eines Pakets«, so Bracht. »Die ganze
GTI-Kampagne spielt mit dem Thema
Sechs Phasen Adrenalin. Wir druckten nicht nur die
mit unterschied- Formel aufs Cover, sondern haben in ei-
lichen chemi- ner Strecke im Heft die sechs chemi-
schen Formeln schen Phasen, die nötig sind, um Adre-
braucht es, bis nalin zu bilden, als Kunstwerke nachge-
sich Adrenalin im baut und fotografiert. Für einen tech-
Körper aufgebaut nisch orientierten Konzern bewies VW
hat. Diese baute viel Mut.« Keine Frage, die Anzeige fällt
der Künstler auf. Christian Bracht wurde bereits öf-
Ioka nach, Attila ters darauf angesprochen. »Sogar eine
Hartwig foto- große deutsche Boulevardzeitung rief
grafierte sie an und fragte, wie das geht, den Schnitt
so einzufärben.« Mehr Aufmerksamkeit
kann man sich kaum wünschen. ant
DAS Bilderbuch für Infohungrige

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B6, JBU
VS, VIR
038 page 11.13

KREATION

Fahrradliebe
Viele Kreative hängen an ihren Bikes – fast, als wären es lebensnotwendige Gestaltungswerkzeuge.
Wir haben Designer und Werber nach den Gründen für ihre Fahrradbegeisterung gefragt
page 11.13 039

Konstruktiver
Minimalismus: Jan
Maleys umgebautes
Triathlonrennrad,
geparkt in seiner
Kreuzberger Wohnung
040 page 11.13 KREATION Kreative und ihre Fahrräder

n Seit jeher sind Gestalter vom Fahr­ ne. Kreative kommen ohne diese Werk­
rad fasziniert: Bauhaus­Entwerfer wie zeuge schon lange kaum mehr aus;
Marcel Breuer und Mies van der Rohe schließlich sind Tempo, Beweglichkeit
kooperierten mit dem italienischen und Freiheit im Denken und Gestalten
Fahrradrahmenhersteller A. L. Colom­ wesentlicher Bestandteil nicht nur ei­
bo. Die Brüder Castiglioni verwende­ nes urbanen Lifestyles, sondern auch
ten für ihren ikonischen Wackelhocker der kreativen Arbeit.
Sella 1957 einen Fahrradsattel, und der Als »Wahrnehmungsmaschine« be­
zeitgenössische Designer Stefan Diez schreibt der umtriebige Künstler David
nahm den körpernah geformten Le­ Byrne das Fahrrad in seinen »Bicycle
dersattel zum Vorbild für seinen Stuhl Diaries«. Das wendige, muskelkraftbe­
Chassis. Die formalen Qualitäten des triebene Radeln sei der beste Weg, eine
Transportmittels zelebrieren Bikelabels Stadt kennenzulernen, meinen auch
heutzutage mit einer äußerst kreati­ unsere Interviewpartner. Es beschert
ven, designaffinen Markenkommunika­ ein intensives körperliches, unmittel­
tion (siehe PAGE 06.12, Seite 50 ff.). bares Erleben mit allen Sinnen. Auch
Anlässlich des diesjährigen Wiener diese Tatsache dürfte die Faszination
RadJahres zeigt das MAK gerade die Kreativer für das Transportmittel er­
Ausstellung »Tour du Monde. Fahrrad­ klären – ist es doch ihr Job, die Welt
geschichten«. Noch bis 6. Oktober sind ständig aus neuen Perspektiven auf­
hier Modelle des 20. und 21. Jahrhun­ zunehmen und zu verstehen, zu visua­
derts aus der privaten Sammlung des lisieren und zu umschreiben. Zudem
Architekten Michael Embacher zu se­ stellen die Befragten fest: Radfahren
hen: Rennräder, Mountain Bikes, Fixed macht den Kopf frei – und glücklich.
Gear und Klassiker und Skurrilitäten wie Der anhaltende Hype lässt sich als
zum Beispiel ein Eisrad. Ihre schönsten Reaktion auf die Fragen der Gegenwart
Exemplare haben eines gemeinsam: verstehen, die auch visionäre Kreative
Mit ihrer Reduziertheit, der Verknüp­ gerne lösen würden: Wie wollen wir
fung von Funktionalität und Ästhetik morgen leben? Radkultur ist zum The­
sowie ihrer konstruktiven Ehrlichkeit ma der Stadtplanung geworden; seine
erwecken sie die klassischen Design­ Nachhaltigkeit macht das Traditionsge­
prinzipien zum Leben. fährt zum Zukunftsvehikel. »Ist mein
»Kaum ein Bild charakterisiert fort­ Radfahren ein politisches Statement?
schrittliche Urbanität heute besser als Ja, natürlich ist es das«, erklärt David
der mit Fahrrad und Smartphone aus­ Byrne im »MAK/ZINE«­Interview. »Es ist
gestattete Mensch«, meint Christoph ein ›Ihr könnt mich mal‹ an die Ölfirmen,
Thun­Hohenstein, Direktor des MAK die Kriege und die damit einhergehen­
Wien, in der aktuellen Ausgabe des de Plünderung unseres Planeten.« So
»MAK/ZINE«. Beide Kultobjekte stün­ stark das Fahrrad mit Geschwindigkeit
den für Flexibilität und Selbstbestim­ assoziiert wird, so sehr steht es zu­
mung – und damit für den Verände­ gleich für Entschleunigung, für die Be­
rungsanspruch der digitalen Moder­ sinnung auf ein menschliches Maß. wl

Pure Geschwindigkeit
n Mit ihrer Leichtigkeit bieten Renn­ Stadt – mit Bremsen. In seinem Urzu­ lin lebe. Städte lassen sich am besten
räder das reinste, schönste Gefühl von stand war das komplexe, technoide per Rad erkunden, man lernt sie so mit
Fortbewegung und Geschwindigkeit. Rad vor lauter Lenkstange kaum noch allen Sinnen und aus ungewöhnlichen
Der Designer Jan Ich habe mir ein ehemaliges Triath­ zu sehen. Also habe ich das riesige Teil Perspektiven kennen. Man ist unmit­
Maley mag es pur.
lonrad bei eBay gekauft und zu einem durch einen kompakten Drop­Through­ telbar in die Umgebung eingebunden
Sein schönes Rad
ziert unseren Auf­ Fixed Gear Bike umgebaut, allerdings Lenker ersetzt und alle überflüssigen und der Wirklichkeit sehr nah. Zudem
macher (Seite 38 f.) in der entschärften Variante für die Elemente entfernt. Jetzt kommen die muss man sich beschränken, man kann
formalen Aspekte, die eleganten grafi­ nur das Nötigste mitnehmen – aber da­
schen Linien der Konstruktion, zur Gel­ für auch mal spontan in der Badehose
tung. Wahrscheinlich ist es dieser hohe zum See zu fahren, Dinge einfach auf
Grad an Reduktion, die Ästhetik des sich zukommen lassen. Dieses Moment
Fahrrads bei maximaler Funktionalität, des Flexiblen, Freien kann allerdings
die viele Kreative begeistert. auch das trügerische Gefühl verleihen,
Das Pure macht jedoch nicht nur alles im Griff zu haben. Der jüngste
das Rad selbst aus, sondern auch das Fahrradunfall in meinem Freundeskreis
Radfahren. Gerade in Städten ist man hat mir einmal mehr gezeigt, dass Ver­
schnell und agil – zugleich hat es etwas kehrsregeln dann doch Sinn ergeben.
Entschleunigendes. Mein Auto nutze Jan Maley, freier Kommunikations­
ich fast gar nicht mehr, seit ich in Ber­ designer, Berlin
page 11.13 041

Kai Platschkes
robustes MTB von
Stevens eignet
sich für Stadt­ und
Waldtouren. Er
hat zwei davon

Natur erleben
n Ich fahre immer Mountainbike – mit in den Rucksack passen und nicht – wie Tiefen des Waldes und sammelt, was
einer Körpergröße von zwei Metern die alten Trafos – die Räder verlangsa­ auch immer er findet. Über Wikipedia
und fast hundert Kilo fühle mich auf men und hässlich aussehen. Und Auf­ und diverse Pilz­Apps versuchen wir
diesen winzigen Fixies nicht wohl. steckschutzbleche, weil nötig, wenn bei superschlechtem Empfang zu iden­
Und für den Wald ist das MTB eh das dreckig. Ich stehe auf Aufsteckdinger – tifizieren, was wir da »gefangen« ha­
Beste. Ich mag aber auch in der Stadt alles bleibt easy und neat. Bei gutem ben. Dann steckt er alles in die Tüte.
das Fahrgeräusch der dicken Reifen auf Wetter nutze ich mein Rad, um von mei­ Plastik natürlich. Als wir zu Hause an­
dem Asphalt . . . Mein MTB von Stevens ner Wohnung in Kreuzberg bis in die kommen, schauen wir in der Apothe­
habe ich Ende 2012 in Berlin gekauft. Als Agentur in Mitte zu fahren, zum Ausge­ ke nebenan vorbei, denn dort muss
Zweitrad für meinen damaligen Wohn­ hen oder für einen Museumsbesuch – man es ja wissen. Johann macht die
ort Paris, wo man mir mein schweine­ am liebsten aber zum spontanen Crui­ Tüte auf – drinnen hat sich ein kleines
teures Cannondale geklaut hatte. Nach sen am Sonntagnachmittag, wenn man Biotop entwickelt, inklusive tausend
meinem Umzug nach Berlin sind jetzt nicht weiß, was man unternehmen soll. Käfern, Würmern und Fliegen. Die
beide Räder hier, und weil meinem Dann packen wir die Räder in den Kom­ Apothekerin schreit, lässt die Pilze fal­
Freund Johann kürzlich auch das Rad bi und fahren raus aufs Land – früher len, und zu guter Letzt schmeißen wir
gestohlen wurde, fährt er nun das ei­ in die Wälder rund um Paris, jetzt Rich­ alles weg. So ist das ungefähr jedes
ne Stevens und ich das andere. tung Müggel­ oder Bernsteinsee. Mal. Irgendwie lustig!
Meine Lieblingsgadgets sind die Si­ Bei einer dieser Touren hält mein Kai Platschke, Gründer von
likon­Aufstecklichter, weil die einfach Freund alle fünf Meter an, läuft in die hahajotjot*, Berlin
042 page 11.13 KREATION Kreative und ihre Fahrräder

Ablenkungs- und Entscheidungshilfe


n Unser Studio liegt in Hackney – nicht Wenn ich mich unter Druck fühle,
Irgendwie passen die nur Londons Hipster­Epizentrum, son­ setze ich mich aufs Rad und fahre in
filigran­grafischen dern auch eine Hochburg der Radkul­ der Gegend herum. Früher bin ich zur
Bikes im Büro von
Mind Design bestens tur. Früher war man hier aufgrund der Stressbewältigung ohne Bremsen die
zum Gestaltungs­ schlechten Nahverkehrsanbindungen Oxford Street runtergeheizt – so habe
stil des Gründers ohne Fahrrad aufgeschmissen, aber ich gelernt, Entscheidungen schnell
natürlich ist Radfahren mittlerweile und intuitiv zu treffen –, heute bin ich
auch cool. Zu einem Porsche habe ich vernünftiger. Viele gute Ideen sind mir
es nie gebracht, aber meine Version beim ziellosen Radfahren gekommen.
der Midlife­Crisis ist ein wunderschö­ Gerade in Hackney liegt die Inspira­
nes Colnago­Rad mit edlen Campag­ tion auf der Straße.
nolo­Teilen. Es ist eines von mittlerwei­ Vor einigen Jahren nahm die Ob­
le acht selbst gebauten Rädern, die al­ session überhand, ich wollte das De­
le im Studio stehen. sign aufgeben und Fahrradkurier wer­
Mein Arbeitsplatz erinnert zuweilen den. Ich nutzte jede Gelegenheit zum
mehr an eine Fahrradwerkstatt als an Drucker oder Meeting zu biken, brach­
ein Designstudio. Unter meinem Tisch te damals jedes Papier­ oder Farbmus­
steht ein Schrank voll mit Ersatzteilen, ter selbst zum Kunden. Dabei wurde
Sattelstützen, Bremsen, Kurbeln, Ka­ ich häufig mit einem Kurier verwech­
beln. Wenn ich eine Pause mache – das selt, und wenn ich zu einem Meeting
passiert oft –, schraube ich an den Rä­ kam, fragte mich die Dame im Empfang,
dern herum. Irgendwas gibt’s immer zu wo sie unterschreiben solle. Heute
tun, und wenn nur die Reifen aufge­ steht Design wieder im Vordergrund,
pumpt werden müssen. Ich mache lie­ stattdessen habe ich ein T­Shirt ge­
ber etwas mit den Händen, als mir auf staltet – mit der Aufschrift »I am not a
Facebook die neusten Belanglosigkei­ courier«, gesetzt in Courier Sans.
ten einzuverleiben. Meine Tastatur ist Holger Jacobs, Gründer von
sicher die schmutzigste im Studio. Mind Design, London
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Personalisiertes Agenturrad
n Vor gut einem Monat haben wir ein interessant. Aber vor allem ist es die
Agenturrad angeschafft, mit dem wir wendige, umweltfreundliche Art sich
die meisten alltäglichen Fahrten ma­ fortzubewegen, die uns am Radfahren
chen, zum Beispiel den Einkauf für un­ reizt. Darüber hinaus macht frischer
seren frischen Obstkorb jeden Mon­ Wind um die Ohren den Kopf fürs kre­ Das reduzierte und
tagmorgen, Kurierfahrten bis hin zur ative Arbeiten frei. Und gut gegen den dennoch auffallende
Agenturrad spiegelt
Pause im Park. In Hamburg­Altona Speck ist es außerdem.
Monoki wider. Aber
gibt es kaum Parkplätze, und schneller Carol und Joana Hoffmeister, wie transportiert
als mit dem Auto ist man mit dem Geschäftsführerinnen man Unterlagen ohne
Fahrrad in der Regel auch. von Monoki, Hamburg Gepäckträger?
Unseres stammt von der Marke Ur­
bike, die von der Gabel über Felgen,
Kette und Sattel bis zur Farbe indivi­
duell konfigurierbare Räder herstellt.
Wir wollten etwas ganz Schlichtes und
haben auf Schutzblech, Lampen und
Gepäckträger verzichtet. Das Fahrrad
ist in den Agenturfarben gehalten –
Braun und Kupfer­Orange – und mit
unserem Schriftzug gebrandet. Gele­
gentlich werden wir auf der Straße
darauf angesprochen – es fungiert al­
so auch als mobile Werbung für unse­
re Markenagentur. Wir parken das Rad
im Flur, übers Wochenende können es
sich unsere Mitarbeiter ausleihen.
Natürlich ist so ein formschönes,
minimalistisches Fahrrad, ähnlich wie
Apple­Technik, auch ein Stück Lifestyle.
Die Möglichkeit beim Urbike, es kom­
plett durchzugestalten und zu bran­
den, macht es für Kreative besonders

In der Radwerkstatt
Basteln am Rad
n Wenn ich Rad fahre, möchte ich mich bedeutet für
Marc Brünjes
auch so schnell wie möglich fortbewe­ Entspannung –
gen. Mein Lieblingsrad ist ein klassi­ kein Wunder, wenn
sches Rennrad in Metallic­Grün von das Ergebnis so
Peugeot, das Ende der 1970er, Anfang schick aussieht

der 1980er gebaut wurde. Ich habe es


vor vier Jahren bei eBay ersteigert, an­
schließend komplett demontiert, alle
Komponenten selbst restauriert und
dann, teilweise mit neuen, aber stilis­
tisch passenden Teilen, wieder aufge­
baut. Das Rad ist inzwischen »nur noch«
eines von sieben – allerdings mein
erstes. Zwei weitere Peugeot­Räder –
eines in einem schönen Blau­Metallic
und eines in Orange­Weiß, den Corpo­
rate­Farben von Moccu – habe ich zu
Single Speeds umgebaut. Hinzu kom­
men noch ein weiß­blau­pink­farbenes
Francesco­Moser­Bike, ein völlig neu meiner kleinen Hinterhof­Garagen­ Das Schrauben an Fahrrädern ist etwas
aufgebautes, mattschwarz­rotes Single Werkstatt fröne. komplett anderes, sehr handwerklich
Speed sowie ein modernes Stevens­ Ich nutze die Räder hauptsächlich und analog. Trotzdem ist dabei viel
Cyclocross­Rennrad, das ich für sportli­ für den Weg zur Arbeit, aber auch für Fachwissen gefragt, um am Ende ein
che Ausfahrten nutze. Das grüne Peu­ Touren durch die Stadt. Mein Fahrrad­ schönes Objekt dastehen zu haben.
geot war der Auslöser meiner kleinen hobby ist für mich der perfekte Aus­ Marc Brünjes, Etatdirektor
Fahrradsucht, der ich regelmäßig in gleich zum oft stressigen Agenturalltag. bei Moccu, Berlin
044 page 11.13 KREATION Kreative und ihre Fahrräder

alten Räder bringen ja bereits Qualität


und tolles Design mit.
Ausgebildet als Filmer, habe ich
mich vom Kommerzstreben der Wer­
bebranche verabschiedet, um Künstler
zu werden. Aber im Kunstmarkt geht
es auch nur ums Verkaufen. An einem
verregneten Nachmittag auf dem Land
hatte ich dann das Schlüsselerlebnis,
als mir auf einem matschigen Acker
ein liegen gelassenes Fahrrad entge­
genblitzte. Von da an fielen mir die vie­
len nicht mehr genutzten Räder im
Stadtbild auf – technische, kulturelle
und ästhetische Schätze, die nachhal­
Balance halten tiger und zeitgemäßer sind als Autos.
So entstand die Idee zu Samstag.
n Mit meinem Label Samstag restau­ Samstag­Modell verwende ich etwa Ich persönlich nutze je nach Stim­
riere und verkaufe ich seit rund einein­ drei Schrotträder – ausschließlich sta­ mung mal ein Single Speed, mal ein
halb Jahren Bikes, die ich aus herren­ bile Stahlrahmen aus den 1940er bis knalliges Exemplar oder ein gemüt­
und seelenlosen Rädern vom Straßen­ 1970er Jahren –, die ich mit Originaltei­ liches Rad aus den 1940ern. Fährt man
rand zusammenbaue. Für ein neues len ausstatte und kreativ upcycle. Ei­ nicht mit dem Auto, sondern mit dem
nes habe ich beispielsweise so bear­ Rad zu einem Termin, fallen ja nicht
beitet, dass die drei übereinanderla­ nur die Parkplatzprobleme weg, son­
ckierten Farbschichten stellenweise dern man kommt auch mit einer ganz
zum Vorschein kommen. Der außerge­ anderen, wachen Energie am Zielort
Christopher Lewis wöhnliche Effekt betont die Patina an. Beim Radfahren geht es in jeder
schenkt Fahrrädern des Objekts. Mir geht es darum, meine Hinsicht darum, die Balance zu hal­
mit Geschichte ein
Kreativität für sinnvolle Gebrauchsge­ ten – und das macht glücklich.
neues Leben in
neuem Look (Foto: genstände einzusetzen; ich sehe mich Christopher Lewis, Künstler, Filmer
Michael Schrenk) aber nicht als Designer – gerade die und Gründer von Samstag, München

kaputtgeht. Außerdem musste es ver­


kehrssicher sein, die Polizei in Mün­
chen ist ja sehr unentspannt. Ich wür­
de niemals viel Geld für ein Rad ausge­
ben, nur damit es gut aussieht. Ähn­
lich wie durch Turnschuhe kann man
sich mit einem coolen Fahrrad einfach
von anderen abgrenzen. Viele Kreati­
ve haben ja sehr schöne, schlichte Rä­
der, aber dafür bin ich zu pragmatisch.
Zudem hatte ich mal ein sehr tolles
altes Rad – es wurde natürlich geklaut.
An meinem aktuellen hänge ich nicht,
und es scheint uninteressant genug zu
Hundetransporter sein, dass es niemand mitnimmt.
Ich habe das Rad vor drei Jahren
n Ich habe kein extrem schönes Rad, gekauft, als ich gerade nach München
eher ein praktisches. Es hat zwei Kör­ gezogen bin. Es war der einfachste und
be, weil ich damit viel transportiere. schönste Weg, um die Stadt kennen­
Meinen Chihuahua – immer vorn, wie zulernen: durch die Straßen radeln,
auf einem Balkon –, Einkäufe, Arbeits­ ein Gefühl für die Stadt bekommen.
tasche, aktuell auch Handtuch, Obst Und dazu genügend Stauraum, um al­
und Getränke für eine Pause in der les Nötige mitzunehmen. Fahrradfah­
Sonne. Hauptgrund für die zwei Körbe ren bedeutet eben auch Freiheit. Am
ist wirklich Filipe, den ich als Welpen schönsten ist, am Morgen durch den
auf dem Schrottplatz gefunden habe. noch leeren Englischen Garten zu ra­
Inzwischen ist er eine kleine Diva, die deln, wenn noch Tau auf den Wiesen
Chihuahua Filipe sich gern herumkutschieren lässt. liegt. Das liebe ich! Oder an der Isar
stört nicht, dass
Die Kriterien beim Fahrradkauf wa­ entlang – da denk ich immer wieder,
Joanna Swistowskis
Rad kein durch­ ren: dass es nicht zu teuer ist, aber wie herrlich es hier ist . . .
gestyltes Fixie ist trotzdem nicht aussieht wie eins von Joanna Swistowski, freie Artdirektorin
diesen Discount­Bikes, und nicht gleich und Illustratorin, München
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046 page 11.13 KREATION Interactive ads

Finger-Candy
Shaken, puzzeln, shoppen: iPad und Co ermöglichen innovative Anzeigenformate.
Wir sprachen mit Artdirektoren und Entwicklern darüber, was technisch machbar ist
und welche Chancen die interaktiven Ads Unternehmen und Verlegern bieten
PAGE 11.13 047

Für ihr iPad-Magazin


»POST Gravity« schuf
Meri Media eine Mode-
strecke, in der der User
mit dem Mesh des
Models spielen kann.
Linke Seite: In der
interaktiv angereicher-
ten Printanzeige für
Stella McCartney lassen
sich die Früchte auf
dem Körper des linken
Models beliebig verschie-
ben, wobei stets neue
Ebenen erzeugt werden

■ Im Hintergrund tönt atmosphäri- Facebook und Twitter. Der inhaltliche delabels betreut. Etliche davon, wie
scher Sound, während sich auf dem Rahmen für diese ausgefallene, hoch- Nike, Gucci oder Stella McCartney, sind
Magazincover ein futuristisch gekleide- gradig immersive Magazin-App: das mit interaktiven Anzeigen in »POST Gra-
tes Model in ausladenden Bewegun- 50. Jubiläum von Juri Gagarins Welt- vity« vertreten. »Wir haben das Heft als
gen wiegt. Berührt man es, morpht das raumspaziergangs. »POST Gravity«, die Showcase für die Branche gegründet –
Video langsam in ein farbiges 3-D-Git- zweite Ausgabe des exklusiv fürs iPad um zu experimentieren, inwiefern sich
ternetz, das sich auf Fingerzeig ver- entwickelten Modemagazins, ist nicht unsere Ideen von Print auf das neue
biegt und wölbt. In der zugehörigen bloß Eye-Candy – es ist Finger-Candy. Medium übertragen und erweitern las-
Modestrecke lassen sich per Tap alle Hinter dem Projekt steht die Londo- sen«, erklärt Paringaux. Daher rührt
Kleidungsstücke in einer individuellen ner Digitalagentur Meri Media, deren auch der Name: »POST« ist ein Präfix,
Wunschliste speichern; ein weiterer Tap Kreativdirektor Rémi Paringaux als Cre- mit dem sich das Magazin nach der
führt direkt zum Onlineshop oder auf ative Consultant Luxusbrands und Mo- Printära verortet. »Mit dem iPad
048 page 11.13 KREATION Interactive ads

Auf der Anzeige, die das Kreativstudio Astronaut in Kooperation mit


Design Hotels umsetzte, kreisen viele kleine Flugzeuge auf den Linien
der Illustration. Ein Klick auf den Button unten führt den User in Klickt der User in der von Tablet Army realisierten Louis-Vuitton-
der Webansicht zum Anmeldeformular der Design-Hotels-Community Anzeige auf eines der markierten Kleidungsstücke, erscheint ein Pop-up
mit Informationen und Direktverlinkung zum Onlineshop
page 11.13 049

lässt sich so viel mehr machen«, lisation erfolgte mit Adobes Creative
meint der Kreativdirektor. »Tablet-An- Suite. Anfangs kamen noch überwie-
zeigen arbeiten mit Ton, Bild und Be- gend eingebettete Inhalte zum Einsatz,
rührung. Wenn man drei von fünf Sin- entsprechend groß waren die Ads: Fast
nen nutzt, um mit einer Anzeige zu in- 200 Megabyte belegt die McCartney-
teragieren, stehen die Chancen gut, Anzeige in der weit über 1 Gigabyte
dass man sich an die Marke erinnert.« großen Magazin-App. »Die Technologie
Wenige Monate nach Markteinfüh- hat sich zum Glück weiterentwickelt«,
rung des iPad, im Januar 2011, erschien sagt Paringaux. »Nun werden Inhalte
die erste Ausgabe des ambitionierten eher gestreamt. Das ist gut, denn wir
Magazins, das Rémi Paringaux zusam- verzichten wo immer möglich auf Bil-
men mit Galerist Alex Dellal und Artdi- der und nutzen lieber viel Video – Video
rektor Xerxes Cook entwickelt hat. Die ist das neue Bild!«
zweite, »Gravity«, enthält zum Beispiel
ein Advertorial in Form eines Kurzfilms Durch den Touchscreen und die Sen-
über den britischen Sprinter Joey Duck, soren sind Tablet-Magazine gegenüber
das Nike in Auftrag gab. Für Stella Mc- Printtiteln im Vorteil. »Kauft man ein
Cartney übersetzte das Team eine An- 140 Seiten starkes Heft, das zur Hälfte
zeige aus der Printkampagne ins Inter- aus Anzeigen besteht, werden diese
aktive: Wie in dieser stehen zwei Schön- oft als eine Blockade wahrgenommen,
heiten vor himmelblauem Hintergrund. die man überblättert«, sagt Mickael
Während die eine ein Kleid mit einem Brock, Projektmanager beim Berliner
Muster aus Zitronen, Orangen und Li- Videomagazin »Astronaut«. »Wer ein
metten trägt, ist die zweite nackt, was iPad hat, ist auch auf der Suche nach
nur einige überdimensionale Früchte Spielereien, die dieses Medium recht-
verdecken. Durch Berühren und Zie- fertigen. Die ideale digitale Anzeige ist
hen kann der User diese an anderer für mich deshalb ein angenehmer, spie-
Stelle platzieren – wobei jedoch im- lerischer Zeitvertreib.« Einer seiner Fa-
mer neue Ebenen generiert werden, voriten ist die 2012 von Leo Burnett für
sodass das Modell stets »bekleidet« AVIS entwickelte Anzeige »It’s your
bleibt. Besonders wichtig bei der Um- Space«, die zuerst in der Tablet-Edition
setzung war dem Team, stets ein per- von »The Economist« erschien und
fektes Erscheinungsbild zu garantieren den Bewegungssensor des iPads nutzt.
und dabei nichts dem Zufall zu überlas- Schüttelt man dieses, verwandelt sich
sen. Deshalb bezog man auch sponta- der abgebildete Wagen in ein schickes
ne und sonderbare Fingergesten mit Interieur – wahlweise eine coole Biblio-
ein, sodass das Ergebnis stets schlicht thek, ein futuristisches Cockpit oder
und schön wirkt. eine Strandlandschaft.
»Astronaut«, 2011 nur als privates
Solche crossmedialen Experimente Projekt unter Freunden gegründet, ist
liegen nahe, denn gerade in der Welt durch seinen Erfolg zum Kreativstudio
von Fashion und Luxusbrands ist es oft gewachsen. Gemeinsam mit Artdirek-
die Artdirektion der Branchenmagazi- torin Anne Prinz und Fotograf Alex-
ne, die die Kampagnen realisiert, be- ander Schneider produziert Mickael
richtet Rémi Paringaux. »Die Anzeige Brock iPad-Magazine, Fotostrecken
für Stella McCartney entstand zum und Apps nach dem Vorbild des eige-
Beispiel, als ich für ›Dazed & Confused‹ nen Magazins, teils mit, teils ohne re-
arbeitete und das Shooting für die daktionelle Inhalte, für Kunden wie
Printanzeige leitete«, sagt er. »Kontrol- Design Hotels, BMW, BASF, K2 oder
»It’s Your Space« ist Teil der AVIS-Kampagne von Leo
le über den Content ist entscheidend, Hansgrohe. Die Produktionskosten von
Burnett. Schüttelt der User das iPad, verändert sich
um digitale Ads vorausschauend pla- »Astronaut« deckt das Team durch die
das Bild eines Leihwagens zu einem Interieur – zum
nen und elegant und stimmig umset- digitale Anzeigen in der Magazin-App.
Beispiel in eine Bibliothek. Berührt der User die
zen zu können. Es ist leicht möglich, Deren Akquise fällt im deutschspra-
Anzeige nochmals, wird er zur AVIS-Webseite weiter-
während des Shootings beispielswei- chigen Raum jedoch deutlich schwerer
geleitet, wo er einen Wagen reservieren kann
se eine weitere Kamera hinzuzufügen als bei den englischen und amerika-
und so zusätzliche Inhalte für die iPad- nischen Vorbildern.
Anzeige zu erzeugen.« »In Deutschland sind sich bisher
Da auch der Kunde begeistert von weder die Kunden noch die Entwickler
den neuen Möglichkeiten des iPads einig, wie das iPad nun eigentlich ge-
war, war Paringauxs Vorhaben ein easy nutzt wird und was der User will«, meint
sell: »Wir schossen ein wenig zusätz- Mickael Brock. »Das macht es Design-
liches Material und ich übernahm es, ern und Publishern nicht gerade leicht.«
die Anzeige für das Tablet umzuset- Auch sei das iPad noch nicht vollwer-
zen.« Entwickelt hat er sie mit Apples tig als Werbemedium akzeptiert. Wer-
Entwicklertool Xcode, die kreative Rea- betreibende seien sich nicht be-
050 page 11.13 KREATION Interactive ads

wusst, dass es gute interaktive Ads tenzial!« Gemeinsam mit Graeme Coop
und Magazine gibt. Viele messen den gründete er deshalb im Frühjahr Dwell
Erfolg der Anzeigen zudem wie bei Agency, die sich auf die digitale Maga-
Webbannern an den Direktklicks, statt zinbranche spezialisiert hat. Sie wol-
sie mit gedruckten Heften zu verglei- len durch interaktive Inhalte die Dau-
chen. »Das ist aber utopisch«, erklärt er erhöhen, die ein User mit einer An-
Brock. »Denn die Verkäufe digitaler zeige verbringt und so die Bindung
Publikationen sind noch nicht so weit.« zwischen Marke und Nutzer stärken.
Große Anzeigenpartner wollten selten Dabei setzt die Agentur auf eine Ver-
unter 100 000 verkauften Apps eine bindung aus redaktioneller Zuarbeit
Anzeige schalten. Kleinen Unterneh- und Coding-erprobten Designern, um
men fehle hingegen häufig das Bud- maßgeschneiderte Lösungen anbieten
get: »Sie müssen ja nicht nur den An- zu können. Unterstützt wird das klei-
zeigenplatz zahlen, sondern auch die ne Team in Brighton dabei von einem
Produktion. Wunsch und Wirklichkeit HTML-Spezialisten.
klaffen hier weit auseinander.«
Die technischen Möglichkeiten, in-
Das Astronaut-Team macht daher vie- teraktive Ads zu entwickeln, sind viel-
le Kompromisse. Eine der Anzeigen in fältig und richten sich sowohl nach der
der zweiten Ausgabe war zum Beispiel Spezialisierung der Entwickler als auch
ein Gegengeschäft: Der Kunde Lodge der Komplexität des Projekts und der
Sandfontein and Nature Reserve trug Plattform des Magazins. Weit verbrei-
die Produktionskosten für einen zwei- tet ist HTML5 als Grundlage. Praktisch
wöchigen Dreh in Afrika. Im Gegenzug daran ist, dass Inhalte wie Videos in der
erhielt er eine Anzeige im Magazin. App im Webview geöffnet werden, oh-
»Gern machen wir das nicht, anderer- ne dass der User bemerkt, dass er von
seits war das für uns eine Chance, die der App in den Browser und zurück ge-
wir ungern ausschlagen wollten.« leitet wird. Das ermöglicht kleine App-
Weil die Umsätze aus digitalen An- Downloads, weil Inhalte gestreamt wer-
zeigen oft zwar die Entwicklung, aber den. Zudem können Webentwickler die
noch nicht die Contentgenerierung Apps direkt programmieren. Zusätzlich
decken, müssen Studios wie Astronaut hat es den Vorteil, dass sich die App
und Meri Media ihre Projekte quersub- nach ihrer Veröffentlichung aktualisie-
ventionieren. So haben sich die Londo- ren lässt, ohne dass der Nutzer ein Up-
ner ein Businessmodell mit der Website date installieren muss. Eine Komplett-
POSTmatter für aktuelle Projekte und lösung, die HTML integriert, ist Adobes
Produkte, der unregelmäßig erschei- Digital Publishing Suite. Mit ihr kann
nenden Magazin-App sowie für Event- man InDesign-Dokumente interaktiv
und Ausstellungsdesign aufgebaut, anreichern und als App veröffentlichen.
wobei sie hoffen, crossmedial Aufträ- Dass es nur äußerst wenige Anzei-
ge zu erschließen. Auch die Berliner gen und Magazine für Android-Tablets
wollen sich im Januar nächsten Jahres gibt, lässt sich leicht erklären, so Mick-
verändern. Dann soll Ausgabe drei bei ael Brock: zu langsam, zu teuer, zu de-
Apples Newsstand erhältlich sein und – sign-unfreundlich. Vor allem der Um-
das ist Auflage dafür, in den Shop auf- gang mit Schriften sei derzeit eine
genommen zu werden – regelmäßig Katastrophe: »Spacing ist im Moment
mindestens viermal im Jahr erscheinen. zum Beispiel gar nicht möglich, sodass
»Als Indie-Mag ist unser Ansatz noch Grafiker den Text nicht korrekt setzen
zu aufwendig und zu teuer«, sagt Mick- können. Aber das macht schließlich ein
ael Brock. »Daher stellen wir uns etwas Magazin aus.« Außerdem brauche An-
breiter auf, mit weniger Artikeln und droid längere Ladezeiten als iOS. Ins-
einem günstigeren Preis.« gesamt sei so nicht dieselbe Qualität
Dass die Zukunft der digitalen Ads zu leisten. Ein Wettbewerb wie die Di-
nicht in vermehrten Klicks, sondern gital Magazine Awards, glaubt Brock,
in einer längeren Verweildauer liegt, könnte der deutschen Branche end-
glaubt auch Bruce Hudson. Als Schirm- lich den entscheidenden Impuls geben.
herr der Digital Magazine Awards (sie- Wenn dann auch noch die Kreativen
Diese Peugeot-Anzeige aus dem brasilianischen Auto-
he PAGE 02.13, Seite 8), die jährlich die Lust bekämen, sich mit den Möglichkei-
mobilmagazin »Quatro Rodas« tarnt sich als klassisches
innovativsten Tablet-Magazine küren. ten des Tablet-Publishings auseinan-
Racing-Game. Sobald der Wagen rollt, soll der Nutzer
»Jedes Jahr sehe ich im Vorfeld des derzusetzen, und es sich durchsetzt,
seinen Namen eingeben. Beginnt er zu tippen, rast das
Wettbewerbs Hunderte von Magazi- dass Anzeigen in mehreren Magazi-
Auto gegen eine Wand. Die klare Botschaft: »Don’t
nen mit großartigen redaktionellen In- nen geschaltet werden, sodass infol-
text and drive!« So verbessert Peugeot humorvoll ihr
halten«, sagt er. »Doch die allermeis- gedessen die Produktionskosten sän-
Markenimage – und bleibt im Gedächtnis
ten beinhalten nur statische Anzeigen. ken – wäre das schon ein richtig gutes
Was für eine Verschwendung von Po- Verkaufsargument. fb
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052 PAGE 11.13 KREATION Stress in der Kreativbranche

Arbeit bleibt Arbeit


Die Kreativbranche ist gestresst: Termindruck und Arbeitszeiten fernab des
9-to-5-Alltags fordern ihren Tribut. Wie schützt man sich und seine Mitarbeiter vor
dem Burn-out? Wir haben bei Kreativen, Agenturen und Coaches nachgefragt
PAGE 11.13 053

Für Kreative ist es wichtig, zwischen-


durch den Kopf freizubekommen.
Viele Agenturen haben deshalb Sport
in ihr Gesundheitskonzept integriert.
Die Bandbreite reicht vom Stand-up-
Paddling über Yoga am Morgen
bis zu Kletterkursen an der Agentur-
wand, wie hier bei Serviceplan.
Vorträge zu gesunder Ernährung,
Achtsamkeit und Burn-out-
Prävention ergänzen das Angebot

■ »Wir müssen umdenken«, forder- haben muss. Kreativ kann nur sein, wer
te Mirko Kaminski im Sommer 2011 in sich ganz auf ein Projekt einlässt, und
einem Video zum Thema Burn-out. In das kostet Zeit und Nerven. Wer sich
seiner YouTube-Reihe »Auf ein Wort mit seinem Job identifiziert läuft eher
vorm Regal« stellt der CEO der Ham- Gefahr, sich schrittweise zu überarbei-
burger Werbeagentur achtung! regel- ten und auszubrennen.
mäßig branchenrelevante Themen zur
Diskussion. »Die Überlastung von Mit- Kreative sagen gern, sie gingen völlig
arbeitern ist lange Geschäftsprinzip in ihrer Arbeit auf«, schreibt Frank Berz-
vieler Agenturen gewesen. Damit set- bach in seinem vor Kurzem bei Her-
zen diese die Gesundheit ihrer Leute mann Schmidt Mainz erschienenen
und auch die eigene Zukunft aufs Fest steht, dass wer Buch »Die Kunst, ein kreatives Leben
Spiel«, sagte er und appellierte an Ent- zu führen«. Die Gefahr einer derarti-
scheider, transparente Prozesse und ausbrennen kann, zuvor gen Überidentifikation liege darin, dass
klare Strukturen zu schaffen, die es
Kreativen ermöglichen, ihr tägliches
gebrannt haben muss. Kreativ man sein Selbstwertgefühl völlig vom
Erfolg dieser Arbeit abhängig mache,
Pensum auch mal in der regulären Ar-
beitszeit zu schaffen. Produziert und
kann nur sein, wer sich warnt er. »Was uns Stress bereitet, bis
wir krank werden, kann nur eine so
gepostet hat Kaminski das Video dann ganz auf ein Projekt große Bedeutung gewinnen, weil wir
allerdings nicht »vorm Regal«, sondern meinen, die Welt hinge davon ab.« Der
vom Strand, direkt aus dem Urlaub. einlässt, und das kostet Zeit Dozent für Psychologie und Sozialwis-
Wir baten den Werber um eine Stellung-
nahme und bekamen postwendend
und Nerven. senschaften an der Kölner ecosign/
Akademie für Gestaltung rät Kreati-
Antwort. Am Wochenende. Ebenfalls ven zu mehr Gelassenheit – und zu ei-
aus dem Urlaub. ner Tasse Tee: »In so einer Teeschale
Ja, die Kreativbranche tickt immer ist immer Friede«, meint er. »Es sind
schneller. Doch die Selbstverständlich- diese ganz naiven Handlungen, die oft-
keit, mit der Kreative Überstunden an- mals mehr beruhigen als die Tricks
häufen, noch kurz vorm Zu-Bett-Ge- und Trends, die versprechen, man
hen Anfragen bearbeiten und manch- könne ohne Stress arbeiten. Arbeit
mal sogar täglich mehrere Stunden bleibt Arbeit, und davon haben wir
ihrer Ferienzeit für ein Projekt opfern – immer mal wieder viel zu viel oder zu
und das meist auch noch freiwillig –, ist wenig. Beides belastet. Das bleibt so,
ungesund und beschränkt sich nicht nichts wird das ändern. Ich glaube,
auf Existenzgründer und Führungskräf- diese etwas hoffnungslose Sicht auf die
te. Die Ursachen dafür sind langfristig Dinge macht uns gelassener.«
gewachsene Strukturen, hin und wie- Ob man aus dem Hamsterrad aus-
der auch Existenzangst. Fest steht, dass steigen und selbstbestimmt arbeiten
wer ausbrennen kann, zuvor gebrannt kann, hänge von äußeren und inne-
054 PAGE 11.13 KREATION Stress

ren Faktoren ab, sagt Frank Berz- Chronische Überlastung und vermehr-
bach. Während die äußeren – etwa te Burn-out-Fälle haben viele Agentu-
realistische Deadlines, ein gesunder ren gezwungen zu handeln. So haben
Arbeitsplatz und ein angemessener sie Konzepte zur Stressregulierung er-
Handlungsspielraum – sich zwischen arbeitet, bei denen meistens Präven-
Freiberuflern und Angestellten, aber tion im Vordergrund steht. Weil die
auch je nach Arbeitgeber sehr unter- »Einsamkeit und Ruhe Vorgesetzten häufig Teil des Problems
scheiden, seien die inneren Bedin-
gungen komplizierter. »Einsamkeit
sind Grundlage für Selbst- sind, ziehen vor allem größere Agen-
turen einen Coach hinzu, der Führungs-
und Ruhe sind Grundlage für Selbst- bestimmung. Wir vermeiden kräfte mit Personalverantwortung für
bestimmung«, so Berzbach. »Oft ver- das Thema sensibilisiert. Gemeinsam
meiden wir aber Stille und sind kaum aber oft Stille und sind mit dem externen Berater unterzie-
fähig, im positiven Sinne allein zu sein. hen sie ihren Führungsstil einer grund-
Wenn es nur rauscht, dann fliegen wir kaum fähig, im positiven legenden Analyse: Reichen die Chefs
mit Autopilot durch den Arbeitsalltag.
Also fremdbestimmt.«
Sinne allein zu sein« einfach Vorgaben nach unten durch?
Oder filtern sie den Druck und setzen
»Hin und wieder sollte jeder Krea- Frank Berzbach, Autor und Dozent für Psychologie und Prioritäten? Akzeptieren sie, dass ihre
tive in sich gehen«, empfiehlt auch Sozialwissenschaften an der ecosign, Köln Mitarbeiter neben dem Beruf auch ein
Ulrike Doepgen, die 15 Jahre als Texte- Privatleben haben? Oder erfahren nur
rin und Marketingverantwortliche in jene Anerkennung, die immer anwe-
Agenturen tätig war, bevor sie sich als send sind? Zu einem gesundsheits-
Coach für die Kreativbranche selbst- fördernden Führungsstil gehört, Ziele
ständig gemacht hat. »Wie man Stress- und Feedback deutlich zu formulieren,
resistenz entwickelt, wird leider nicht Aufgaben gleichmäßig zu verteilen
an der Hochschule gelehrt«, sagt sie, und in Prozesse ausreichend zeitliche
man müsse das erst lernen. So beglei- Puffer einzubauen. Wichtig sind aller-
tet sie als Sparring-Partner Kreative dings auch die Fähigkeit, zu inspirie-
und erarbeitet mit ihnen individuelle ren und zu motivieren, und Rücksicht
Lösungen. »Besonders wichtig ist es, auf die eigenen körperlichen und geis-
auf die eigene Intuition zu hören und tigen Ressourcen mit angemessenen
eine positive Grundeinstellung zu be- Ruhephasen zu nehmen und den Mit-
wahren«, erklärt sie. »Außerdem müs- arbeitern vorzuleben.
sen wir lernen, schöner zu scheitern. Auch Mirko Kaminski hat Konse-
Niederlagen sind wichtig, denn aus Feh- quenzen gezogen. Seit anderthalb Jah-
lern lernt man.« Wer den eigenen Per- ren arbeitet seine Agentur mit einem
fektionismus ablege, atme freier. Anti-Burn-out-Coach zusammen. Über
»Wir erlauben uns keine Schwä- eine anonyme Hotline berät dieser die
chen«, kritisiert Ulrike Doepgen den Mitarbeiter von achtung!, wie sie Stress
Leistungsdruck in der Kreativbranche. verringern können. Besonders wich-
So würden Burn-out-Symptome von tig: Die von den Anrufern geschilder-
den Betroffenen selbst verharmlost ten Probleme behandelt er streng ver-
und verleugnet, um nicht an Ansehen traulich und leitet sie nicht an Team-
zu verlieren. Psychisch am Ende zu leiter oder Vorstand weiter, denn das
sein, gelte eben nicht als ehrenhaft. würde das Vertrauen untergraben und
Selbst bei deutlichen Warnsignalen wie das Projekt nutzlos machen. Darüber
beispielsweise Antriebslosigkeit, dem hinaus vermittelt der Coach, wie man
Gefühl ständiger Überforderung, der bei Kollegen Burn-out-Symptome er-
Unfähigkeit abzuschalten, Medikamen- kennen kann und mit den Betroffenen
tenmissbrauch, Gereiztheit und Schlaf- umgehen sollte.
störungen ignorierten viele noch ihre Vorträge zu diesen Themen veran-
Leiden und liefen im Job wie privat stalten auch MetaDesign und Service-
weiter auf zu hoher Drehzahl. Bis der plan. Um brenzlige Situationen zu ent-
Extremfall eintritt. schärfen oder auch mal wieder Erfah-
rungen jenseits des Berufsalltags zu
ermöglichen, haben beide Agenturen
ein Sabbatical eingerichtet, das Mitar-
beitern eine längere Auszeit oder indi-
Überstunden lassen sich nicht viduelle Teilzeitregelungen gestattet.
immer vermeiden, doch eine gute
Unternehmenskultur bietet Aus-
Serviceplan garantiert sogar die naht-
gleich: mit Möglichkeiten für den lose Weiterbeschäftigung nach einer
Einzelnen, sich zurückzuziehen, dreimonatigen Auszeit. Die Agentur-
oder internen Events, die Impulse gruppe verfügt über eine ganze Reihe
zum Austausch geben und den
Zusammenhalt stärken – wie hier
von internen Feedback-Portalen, etwa
beim Kickerturnier bei MetaDesign die jährliche Mitarbeiterzufriedenheits-
befragung und das Evaluationsformu-
PAGE 11.13 055

lar nach Praktikum und Traineeship so- Stressregulierung ist auch Chef-
wie Exit-Interviews mit denjenigen, die sache: So hat achtung! das Thema
in die interne »Führungsfibel« auf-
aus dem Unternehmen ausscheiden. genommen und schult Teamleiter,
»So versuchen wir möglichst schon Anzeichen von Stress zu erkennen
im Vorfeld herauszufinden, welche Un- und Aufgaben gleichmäßig zu ver-
zufriedenheit es in der Agenturgrup- teilen. Eine Reihe von Regeln soll
ausufernde Meetings begrenzen
pe gibt, bevor Probleme oder Stress und Arbeitsabläufe vereinfachen
auftauchen«, erklärt Jens Plath, Leiter
Personal bei Serviceplan. »Mitarbeiter
können auf diese Weise auch anonym
mitteilen, wenn etwas nicht gut läuft
und auf Unstimmigkeiten aufmerksam
machen.« Seit 2006 bietet die Agentur bei Kolle Rebbe. So möchte die Agen-
außerdem in Kooperation mit dem tur Belastungshochs und Wochenend-
PME Familienservice Unterstützung in arbeit reduzieren.
schwierigen Lebenssituationen an, et-
wa bei Krankheit in der Familie, Kin- Auch in den Unternehmen wächst in-
derbetreuungslösungen, Beratung in zwischen das Bewusstsein für Stress-
Lebenskrisen oder bei Schulden und regulierung. Die Telekom Innovation
Suchterkrankungen. Laboratories stellten auf der diesjähri-
gen CeBit den mit Feingold Technolo-
Den Kopf zwischendurch frei zu be- gies entwickelten Stress Manager vor.
kommen, ist besonders für Kreative Anhand einer Stimmprobe analysiert
sehr wichtig – nicht umsonst gibt es die iOS-App die aktuelle Belastungssi-
im Foyer jeder zweiten Agentur eine tuation, erkennt acht Stresstypen wie
Tischtennisplatte. Die Sportangebote Unruhe oder Verärgerung und misst
in deutschen Kreativunternehmen rei- deren Intensität auf einer Skala von 1
chen von der eigenen Fußballmann- bis 5. Danach schlägt sie Entspannungs-
schaft über frühmorgendliches Yoga übungen vor, zeigt Videos, gibt Massa-
bis hin zu der hauseigenen Kletter- getipps oder spielt Wohlfühlklänge ab.
wand. Natürlich sind Entspannungs- Die Nutzer sollen so schwierige Situa-
techniken, Sport und Erholungsmaß- tionen, etwa im Kundenservice, oder
nahmen sinnvoll und hilfreich. Setzt wichtige Termine besser meistern. Kei-
man sie allerdings nur zur Symptom- ne schlechte Idee – vorausgesetzt, sie
behandlung ein und sind sie nicht mit wird eingesetzt, um Stress abzubauen,
nachhaltigen Entscheidungen verbun- und nicht, um Mitarbeiter noch ärge-
den, die an die wirklichen Stressursa- ren Belastungen aussetzen zu können.
chen herangehen, bleibt ein dauer- Stress ist gesund – bei richtiger Do-
hafter Effekt aus. sierung. Viele spannende Aufträge er-
»Wir bei achtung! laufen deswegen zeugen eine positive Beanspruchung.
schlicht nicht mehr jedem Projekt hin- Auch arbeiten viele Kreative unter
terher«, erläutert Mirko Kaminski. Weil Druck besonders gut. Schlägt der posi-
an Pitches und am Neugeschäft in der tive Stress aber in chronischen um, soll-
Regel abends und am Wochenende Reichen die Chefs einfach te man die Notbremse ziehen. Denn
gearbeitet wird, würden dort unnötig kommt es zum Zusammenbruch, kann
Ressourcen vergeudet. »Mitarbeiter Vorgaben nach unten durch? es Monate dauern, bis man wieder ein-
arbeiten bis in die Puppen, obwohl die
Gewinnchance von Anfang an gering
Oder filtern sie den Druck satzfähig ist – manch einer kehrt nie in
den Beruf zurück. »In stressigen Phasen
gewesen ist. Wir konzentrieren uns al-
lein auf aussichtsreiches Neugeschäft.
und setzen Prioritäten? hilft es, sich zu fragen: ›Spielt das in
einem Jahr noch eine Rolle?‹«, meint
Alle andere Anfragen und Pitcheinla- Erfahren nur jene Frank Berzbach. »Oft verfangen wir uns
dungen sagen wir ab: und zwar zuwei- im Arbeitsalltag, wollen alles kontrollie-
len vier von fünf«, sagt Kaminski. Er ist Anerkennung, die immer ren und steuern. Und dann zeigt uns
zufrieden mit dem Resultat: aus acht
von zehn Ausschreibungen ginge ach- anwesend sind? das reale Leben, dass unsere Wünsche
keine Rolle spielen.« Dabei sollte man
tung! als Gewinner hervor. die Messlatte für Zufriedenheit nicht zu
Um die Planung der internen Kapa- hoch setzen. »Anstrengende Phasen
zitäten noch weiter zu optimieren, hat sind eben anstrengend. Arbeit ist we-
Kolle Rebbe sogar eine neue Stelle ge- der ›Flow‹ noch ›Spaß‹. Wenn man in ei-
schaffen und ein Softwaretool entwi- ner harten Phase halbwegs ruhig und
ckelt. »Wenn komplexere Projekte an- gesund bleibt, ist das schon sehr pro-
gefragt werden, dann schauen wir in- fessionell.« Ganz abschalten lässt sich
zwischen erst, wie viel Zeit und Leute Druck nie. Doch mit der richtigen Füh-
uns tatsächlich zur Verfügung stehen«, rung und einer positiven Grundeinstel-
sagt Raphael Paschke, Personalleiter lung lässt er sich besser aushalten. fb
056 page 11.13 KREATION Nachhaltigkeitsberichte

Über gutes reden


Nachhaltigkeitsberichte sind ein wachsendes Geschäftsfeld für Kommunikationsdesigner.
Wir beleuchten, wie man sie ebenso kreativ wie authentisch gestaltet

PAGE Online n Der erste Nachhaltigkeitsbericht, verhageln und einen weitreichenden sind meist auf die zahlengetriebene Le-
Weiteres Bildmate­ der auf einen Kassenbon passt«: So be- Imageschaden zufügen. Man denke nur serschaft aus NGOs konzentriert und
rial und Links schreibt Serviceplan ihr Projekt für die an Nestlé und Palmöl oder Apple und haben wenig Ahnung von Kommunika-
zum Thema finden italienische Tochter der französischen Fabrikarbeiter, die in den Tod springen. tion.« So waren die ersten Nachhaltig-
Sie auf www.page­ Discounterkette Auchan. Auf jedem Darüber hinaus hat die Finanzkri- keitsberichte – wie einst die Finanzre-
online.de/nach Bon findet sich ein Barcode, der Inte- se gezeigt, dass die Konzentration auf ports – oft unübersichtliche Daten- und
haltigkeitsberichte ressierte zu einer App mit dem Nach- kurzfristige Geschäftserfolge ohne Be- Zahlengräber und für Laien unverständ-
haltigkeitsreport des Unternehmens rücksichtigung der langfristigen Trag- lich. Und ebenso wie die Geschäftsbe-
leitet. Auf diesem Weg kann dieser Mil- fähigkeit eines Geschäftsmodells in die richte sich mit der steigenden Zahl von
lionen von Menschen erreichen und es Irre, ja in den Ruin führen kann. »Nach privaten Teilhabern veränderten, sind
wird jede Menge Papier gespart, so die 2007 gab es einen Boom für Nachhal- Nachhaltigkeitsreports derzeit im Wan-
Idee der Agentur, die dafür bei den tigkeitsberichte«, sagt Jochen Rädeker, del hin zu mehr Transparenz und einem
Cannes Lions einen Design-Grand-Prix der mit seiner Designagentur Strich- ansprechenden Erscheinungsbild.
bekam. »Wir wollten das Nachhaltig- punkt viele Nachhaltigkeitsreports um- Unnötiger Schnickschnack ist aller-
keitsengagement von Auchan kommu- gesetzt hat, unter anderem für BMW dings unangebracht – ein glaubwürdi-
nizieren – und das nicht per TV-Spot und BASF. »Denn jetzt interessieren ger, authentischer Nachhaltigkeitsbe-
oder Anzeige, sondern mit dem Bericht sich auch Finanzanalysten für neue Be- richt zeichnet sich vor allem durch den
selbst«, sagt Christoph Everke, Partner wertungskriterien.« Nachhaltigkeit ist Inhalt aus. Mit den nötigen Komponen-
bei Serviceplan. Der Selfscan-Report also nicht mehr nur ein Thema für NGOs ten und Rahmenbedingungen müssen
hat also wenig mit »richtigen« Nachhal- und Birkenstockträger, sondern ein sich deshalb auch Gestalter auskennen.
tigkeitsberichten großer Unternehmen handfestes Kriterium für den ökono- Der Report sollte vier Themenbereiche
zu tun – sein Verdienst liegt woanders: mischen Erfolg eines Unternehmens. umfassen: langfristige ökonomische
Serviceplan hat damit bewiesen, dass Statt Anfragen zu diesen Themen ein- Strategie, Umgang mit Mitarbeitern, ge-
das Thema Nachhaltigkeit – kreativ um- zeln zu beantworten, entscheiden sich sellschaftliches Engagement und Um-
gesetzt – für Aufmerksamkeit sorgen immer mehr Konzerne dafür, ihre Tä- weltbewusstsein. Im Gegensatz zum
kann, und es auf die Agenda des wich- tigkeiten auf den Feldern Ökonomie, Geschäftsbericht gibt es bei der Nach-
tigsten Kreativfestivals gebracht sowie Ökologie und soziales Engagement in haltigkeitsberichterstattung keinerlei
ins Bewusstsein von Konsumenten. einem Bericht zu veröffentlichen, der rechtliche Vorschriften für Inhalt und
Nachhaltigkeit drohte zwischenzeit- meist zusätzlich zum Geschäftsbericht Form. Das erschwert den Vergleich zwi-
lich vom Buzzword zur hohlen Phrase erscheint. Besonders im Mittelstand schen Konzernen und lässt viel Raum
zu verkommen, der Generalverdacht herrscht allerdings noch Nachholbe- für Greenwashing.
des Greenwashings schwingt noch im- darf in Sachen Nachhaltigkeitsberichte. Mittlerweile haben sich aber die
mer mit. Jedoch in Zeiten ökonomi- Eine Umfrage der Hochschule Konstanz Indikatoren der Global Reporting Ini-
scher Krisen, von Naturkatastrophen unter Leitung von Jochen Rädeker er- tiative (GRI) weitgehend als Standard
und menschenverachtenden Arbeits- gab, dass sich gerade energieintensive durchgesetzt. Die Liste der Bewer-
bedingungen in Schwellenländern ist Unternehmen erschreckend wenig mit tungskriterien deckt alle unter den Be-
die Verantwortung von Unternehmen dem Thema auseinandersetzen. griff Nachhaltigkeit fallenden Themen-
für Umwelt und Gesellschaft nicht gebiete im Detail ab. Welche Indikato-
mehr zu leugnen. Fehltritte sind dank Hier entsteht für Grafikdesigner ein ren ein Unternehmen in seinen Bericht
Internet und insbesondere Social Me- spannendes Betätigungsfeld, erklärt aufnimmt, variiert, denn nicht alles ist
dia kaum noch zu vertuschen und kön- Jochen Rädeker. »Denn auf Nachhaltig- für jeden Konzern gleich relevant. So
nen einem Konzern schnell die Bilanz keit spezialisierte Beratungsagenturen interessieren bei einem Chemieunter-
nehmen wie BASF besonders Umwelt-
fragen, während bei Apple der Schwer-
»Hübschmachen heißt Greenwashing – punkt auf den Umgang mit Mitarbei-
und das ist das Gegenteil von dem, was tern und Dienstleistern liegen sollte.

ein Nachhaltigkeitsbericht erreichen soll« Die Wahl der Bewertungskriterien soll-


te offen dokumentiert werden. »Ein
Jochen Rädeker, Geschäftsführer von Strichpunkt in Stuttgart und Berlin Nachhaltigkeitsbericht, der den Pro-
page 11.13 057

Gut transportiert Strichpunkt für Takkt


n Der erste Takkt-Nachhaltigkeitsbericht gibt den Lesern
ein Gefühl für die Welt des Versandhandels. Der Umschlag
besteht aus wiederverwerteter Wellpappe aus den Beständen
des Stuttgarter Konzerns, das Titelmotiv ist ein Paketauf-
kleber, Paket-Icons dienen als Kapiteltrenner und die Info-
grafiken erinnern an Versandformulare. Umweltfreundlich
ist das Ganze auch noch, da wegen des festen Einbands
kein weiteres Verpackungsmaterial nötig ist und zertifiziertes
Naturpapier verwendet wird. Die Botschaft: Nachhaltigkeit
ist tief im Geschäftsmodell verankert und kein Image-
getriebenes Add-on. Inhaltlich zeigt der Bericht, wo Takkt
heute steht und welche Schwerpunkte man in den nächsten
Jahren setzt. Der Bericht entspricht den Standards der
Global Reporting Initiative und wurde zudem von einer
externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testiert.
058 page 11.13 KREATION Nachhaltigkeitsberichte

»Plötzlich ist alles schrecklich grün und vernünftig. zess der Themenfindung objektiv
und umfassend darstellt, wirkt per se
Überall wachsen Bäume und man denkt, glaubwürdiger, da er begründet, wel-
che Ansprüche der Stakeholder wie
das Unternehmen habe noch nie etwas anderes bewertet werden und welchen Raum
sie erhalten«, sagt Valentin Heisters,
getan, als Meere zu retten oder Paten- Gründer der Mainzer Corporate-De-
schaften für Pinguine zu übernehmen« sign-Agentur Heisters & Partner. Wich-
tig ist dabei, dass keine relevanten
Valentin Heisters, Geschäftsführer von Heisters & Partner, Mainz Punkte ausgespart werden. »Das fällt
auf und schlägt sich in der Bewertung
nieder«, warnt Thomas Norgall, Krea-
tivdirektor bei wirDesign. Eine externe
Bewertung durch die GRI ist für einen
ernst zu nehmenden Nachhaltigkeits-
bericht unerlässlich. Bei der Vergabe
ihres Gütesiegels achtet die Initiative
unter anderem auf die Anzahl der aus-
gewählten Kriterien sowie deren Un-
termauerung mit Zahlen und Fakten.
Mitunter muss ein Unternehmen ein-
räumen, in welchen Bereichen es seine
Nachhaltigkeitsziele (noch) nicht erfüllt.
Das ist ein wesentlicher Unterschied
zum Finanzbericht, in dem es meist da-
rum geht, das Unternehmen so positiv
und erfolgreich wie möglich darzustel-
len. »Ein Finanzreport berichtet vor al-
lem über erreichte Ziele, im Nachhaltig-
keitsbericht geht es dagegen um lang-
fristiges Engagement für die Zukunft«,
so Rädeker. Der offene Umgang mit Ri-
siken und Strategien schafft Vertrauen.
Die Datenerfassung ist von den Un-
ternehmen selbst zu leisten. Die Texte
entstehen dann zunehmend in Agentu-
ren, die dafür eigene Redaktionen auf-
bauen. Im nächsten Schritt geht es da-
rum, die Daten so zu visualisieren, dass
sie Sinn ergeben. »Die Frage ist: Wie
verbinde ich valide Aussagen mit einer
kommunikativen Kraft und Idee und ge-
stalterischer Vielfalt?«, erklärt Rädeker.
Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt,
denn Nachhaltigkeitsberichte dürfen
nicht werblich oder überredend wir-
ken. »Oft leiden die Reports darunter,
dass sie als Imagebroschüren mit grü-
nem Anstrich wahrgenommen wer-
den«, sagt Valentin Heisters.
Auch das Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung, das gemeinsam
mit dem Verein future – verantwortung
unternehmen jährlich ein Nachhaltig-
Emotional angesprochen Heisters & Partner für K+S keitsbericht-Ranking herausgibt, ach-
n Das Bergbauunternehmen K+S veröffentlicht seinen Nachhaltigkeitsbericht seit tet bei der Bewertung darauf, dass Fo-
einigen Jahren zeitgleich mit dem Finanzbericht in einem Schuber. Die Coverfoto­ tos und bildliche Darstellungen einen
grafien sind dabei stets aufeinander abgestimmt. In der hier gezeigten Publikation klaren Bezug zum Inhalt haben. »Wird
von 2010 ist ein Feld zu sehen, das auf dem Schuber noch unbestellt ist, auf dem der Bericht ohne Zusammenhang mit
Finanzbericht bereits grünen Weizen zeigt und auf dem Nachhaltigkeitsbericht schönen Naturimpressionen oder Fo-
bereit zur Ernte ist. Die Fotos im Innenteil sind ebenfalls hochwertig und bieten tos von glücklichen Familien hinterlegt,
gemeinsam mit handschriftlich anmutenden Schriftelementen einen emotionalen vermittelt das eher den Eindruck, dass
Zugang zu den Themen. Tabellen, Infografiken und längere Textstrecken sorgen von den eigentlichen Inhalten abge-
gleichzeitig dafür, dass der Bericht informativ ist und nicht aufgesetzt »grün« wirkt. lenkt wird«, erklärt Christian Dietsche,
Der übersichtlich gegliederte Bericht orientiert sich an den GRI­Richtlinien. wissenschaftlicher Mitarbeiter beim
page 11.13 059

IÖW. Besser ist es, konkrete Fallbeispie- lichkeit eines integrierten Berichts, der
le von Mitarbeitern oder Kunden zu zei- finanzielle und nicht finanzielle Krite-
Kombiniert wirDesign für Deutsche Börse
gen, die Zahlen und Zusammenhänge rien umfasst. Der wesentliche Vorteil n In ihrem Unternehmensbericht 2012 integrierte die
greifbar und verständlich machen. »Ei- solch umfassender Reports liegt darin, Deutsche Börse erstmals Informationen zu Nachhaltigkeit
ne glaubwürdige Darstellung verzich- dass sich die Wechselwirkungen zwi- und gesellschaftlicher Verantwortung, die bislang in
tet auf inszenierte Imagemotive und schen den Bereichen einfacher darstel- einem eigenständigen CSR-Report erschienen. Sie sind
setzt stattdessen auf authentische Bil- len lassen. Hier gilt BASF als Vorreiter hauptsächlich im Imageteil untergebracht, was eine
der und Reportagen, die das Engage- und Benchmark, für die Strichpunkt Vorstufe zum komplett integrierten Reporting darstellt.
ment und die Umsetzung der Nachhal- seit 2007 einen Gesamtreport umsetzt. Der Bericht wendet sich sowohl an Laien als auch
tigkeitsziele in der Realität belegen«, Die breite Einführung solcher Be- an Finanzanalysten. Letztere finden dank einer Kerbe
sagt Benjamin Klöck, Geschäftsführer richte steht allerdings vor Hindernis- im Papierschnitt schnell zu dem für sie interessanten
von hw design in München. sen. Zum einen sind in den Konzernen Zahlenteil. Die Gestaltung greift das kürzlich erfolgte
entweder verschiedene Abteilungen Refresh des Corporate Designs auf. Milchig-transparente
Die Visualisierung von komplexen für die Datenerhebung zuständig oder Kapiteltrenner und hochwertige Fotos sorgen für
Ursache-Wirkung-Zusammenhängen in eine Abteilung bearbeitet die Berich- ein seriöses und ästhetisches Erscheinungsbild. Parallel
Nachhaltigkeitsberichten ist eine be- te zeitversetzt. »Die größte Herausfor- zum rund 300-seitigen Printbericht gibt es eine Online-
sondere Herausforderung für Gestal- derung besteht darin, die Abläufe und version, bei der Verlinkungen die Kombination von
ter. »Hier wäre mehr Mut aufseiten der den Workflow so anzupassen, dass finanziellen und nicht finanziellen Informationen fördern.
Unternehmen wünschenswert«, sagt
Thomas Norgall. Offen für einen kreati-
ven Ansatz bei der Nachhaltigkeits-
berichterstattung zeigte sich Takkt, ein
B2B-Versandhandelsunternehmen, für
das Strichpunkt 2012 einen Report
gestaltete (siehe Seite 57). »Man kann
Nachhaltigkeit durchaus mit Entertain-
ment und kreativen Ideen verbinden –
aber es muss immer glaubwürdig blei-
ben«, so Jochen Rädeker. Wesentlich ist
auch Ehrlichkeit dem Kunden gegen-
über. »Wenn die Datenlage zu dünn ist,
raten wir dem Auftraggeber von einem
Nachhaltigkeitsbericht ab«, sagt Räde-
ker. Wenn dieser dennoch darauf be-
steht, lehnt Strichpunkt den Auftrag
ab. »Als eine der führenden Agenturen
in dem Bereich wollen wir nicht riskie-
ren, unseren Ruf durch zweifelhafte
Berichte zu schädigen.«
In der Kreativawardszene spielen
Nachhaltigkeitsberichte bislang kaum
eine Rolle. So hat etwa der BCP Award
keine eigene Kategorie dafür, sondern
bewertet sie in der Sparte Unterneh-
mensberichte. Es gebe schlicht zu we-
nig Einreichungen für eine eigene Kate-
gorie, sagt Andreas Siefke, Vorsitzen-
der des Forums Corporate Publishing,
das den Wettbewerb veranstaltet. Beim
Econ Award für Unternehmenskommu-
nikation werden dagegen seit dessen
Start 2007 Nachhaltigkeits- und CSR-
Berichte gesondert bewertet. Die Be-
wertung beim Ranking des IÖW be-
zieht sich hauptsächlich auf inhaltliche
Aspekte und berücksichtigt Gestal-
tung lediglich in Bezug auf Lesbarkeit
und Verständlichkeit.

Je wichtiger Nachhaltigkeit für den


wirtschaftlichen Erfolg des Unterneh-
mens wird, desto widersinniger er-
scheint es, zwei getrennte Berichte zu
veröffentlichen. Daher diskutiert die
Reportingszene derzeit über die Mög-
060 page 11.13 KREATION Nachhaltigkeitsberichte

»Die Aufbereitung anhand konkreter Geschichten die Zahlen für beide Reports zeit-
gleich erhoben werden können«, sagt
steigert die Glaubwürdigkeit der Berichte« Thomas Norgall. Er setzte bei wirDe-
sign einen kombinierten Bericht für die
Benjamin Klöck, Geschäftsführer von hw design, München Deutsche Börse um, der in einem aus-
führlichen Imageteil Nachhaltigkeits-
themen behandelt – immerhin ein ers-
ter Schritt zum integrierten Reporting
(siehe Seite 59). Zum anderen sprengt
die Kombination beider Berichte den
Rahmen eines gedruckten Reports,
will man sowohl den rechtlichen Anfor-
derungen an einen Finanzbericht als
auch den GRI-Indikatoren entsprechen.
Derzeit beschäftigt sich der Inter-
national Integrated Reporting Council
damit, eine Liste von Bewertungskrite-
rien zusammenzustellen, die beiden
Berichtarten gerecht wird, sich dabei
aber auf die wesentlichen Daten und
Fakten beschränkt. Sie soll Ende des
Jahres erscheinen. Eine weitere Mög-
lichkeit ist die Verbindung von Print
und Online-Verlängerungen. So hat SAP
2013 neben dem regulären, gedruckten
Geschäftsbericht einen integrierten
Bericht online gestellt. Dabei besteht
aber die Gefahr, dass die Informationen
zur Nachhaltigkeit wie hinterherge-
schoben und weniger wichtig wirken.

Ein weiterer Grund, warum einige


Unternehmen zögern, einen integrier-
ten Bericht vorzulegen, liegt darin, dass
ein Geschäftsbericht von einem Wirt-
schaftsprüfer abgenickt werden muss.
In einem Gesamtbericht würde das
auch für die Angaben zur Nachhaltig-
keit gelten. Zu diesem Schritt sind eini-
ge Konzerne noch nicht bereit. Zudem
müssten aufgrund der beschriebenen
erwarteten Offenheit im Nachhaltig-
keitsbericht auch negative Informa-
tionen und unerreichte Zielvorgaben
integriert werden, die auf dem Finanz-
markt ungern kommuniziert werden.
Benjamin Klöck erwartet, dass sich
Nachhaltigkeitskommunikation sowie
das Reporting im Allgemeinen weiter
diversifizieren werden. »Bis es einen
einheitlichen Standard gibt, nach dem
über finanzielle und nicht finanzielle
Leistungsindikatoren berichtet wird,
wird noch einige Zeit vergehen.« Da-
durch steige der Beratungsleistungsbe-
darf durch Kommunikationsagenturen.
Für Designer bedeutet das, dass sie sich
nicht auf die visuelle Gestaltung der
Offen kommuniziert hw design für BMW Berichte allein konzentrieren, sondern
n Mit dem »Sustainable Value Report 2010« für BMW holte hw design sich die höchste Auszeichnung auch fundierte Kenntnisse im Bereich
beim Econ Award für Unternehmenskommunikation 2012 in der Kategorie Nachhaltigkeitsberichte. Nachhaltigkeit mitbringen sollten.
Die Jury lobte besonders die offene und ehrliche Berichterstattung, die um kritische Fragen keinen Bogen Sonst droht die Gefahr, einem Unter-
mache. Der Bericht ist klar strukturiert und stellt das Nachhaltigkeitsprogramm inklusive Zielerrei- nehmen beim Greenwashing zu hel-
chungsgrad der einzelnen Bereiche dar. Dank des Spiels mit Typografie und unprätentiösen Fotografien fen – und das kann für alle Beteiligten
ist der Bericht gestalterisch abwechslungsreich und wirkt besonders authentisch. unangenehme Folgen haben. nik
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Business
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Das Toolkit für Service
und Business Design
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Freitag, 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr: Basics + Inspiration
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Service Design Basics. Einführung in die Grundlagen
von Service Design anhand von Case Studies, Einblick in
sparen, Nike+ FuelBand regt zu mehr Bewegung an –
Tools und Prozesse. Service Design hat das Zeug, zur neuen Königs-
Business Model Basics. Überblick über die wichtigsten disziplin in der Kreativbranche zu werden. Gleichzeitig
Theorien und Tools (z.B. Business Model Canvas). Mithilfe eröffnen neue Business-Ideen und Geschäftsmodelle
von Reverse Engineering kommen die Teilnehmer
erfolgreichen und erfolglosen Business Models auf die Spur. bisher ungeahnte Möglichkeiten für Kundenbindung
Real Life Challenges. Gemeinsam werden konkrete Problem-
und Wertschöpfung.
stellungen aus dem Arbeitsumfeld der Teilnehmer entwickelt.

Samstag, 09:00 Uhr bis 19:00 Uhr: Workshop


Wie entwickelt man diese Dienstleistungen? Wie ent-
deckt man neue Geschäftsfelder? Und wie überzeugt
Von der Kreativ-Idee zum Business Model. Wie wird eine
Idee zum Geschäftsmodell? In Teams arbeiten die Teil- man seine Stakeholder (den Kunden, den Vorstand …)
nehmer mit den Lehrern an Business-Ideen für die am von solchen Ideen? Der Workshop beantwortet diese
Vorabend verabschiedeten Problemstellungen.
Fragen und macht die Teilnehmer mit grundlegenden
Prototyping. Wie lassen sich Business-Ideen mit möglichst
einfachen Mitteln aufbereiten? Mithilfe von Papier, Lego
Tools und Denkweisen vertraut.
et cetera werden in den Teams Prototypen entwickelt.

Pitch. Wie verkaufe ich meine Idee mithilfe eines Prototyps? An zwei Tagen lernen Sie, Service-, Business- und
Die entwickelten Prototypen werden von den Teams präsen- Werbe-Denke miteinander zu kombinieren,
tiert und gemeinsam auf Herz und Nieren geprüft.
um neue Wege im Marketing zu gehen. Im Mittel-
punkt steht die Entwicklung konkreter Ideen
sowie die Erweiterung des eigenen Arbeitsfeldes.
Lehrer & Special Guests
Der Workshop »Creative Business Modelling« richtet
Drei Lehrer und internationale Special Guests, allesamt sich an Designer, Kreative, Strategen und Marketing-
Experten in Sachen Service Design und Business Modelling,
begleiten Sie die zwei Tage. Unter anderem mit dabei: manager aus Agenturen und Unternehmen.
Andy Polaine, Interaction-, UX und Service
Designer, ist Co-Autor des Buchs »Service Der Workshop findet am 25./26. Oktober 2013
Design: From Insight to Implementation.«
(erschienen 2013, Rosenfeld Media). in der Good School, Lagerstraße 36, im Hamburger
Andy Polaine lehrt Service Design an der Schanzenviertel statt. Die Teilnahme kostet 1.990 Euro
Hochschule Luzern. www.polaine.com
(zzgl. MwSt.) inklusive Arbeitsmaterial und Catering.
Stefan Erschwendner ist Co-Gründer und GF
von LHBS, Berlin. LHBS ist ein interdisziplinärer
Die Teilnehmeranzahl ist begrenzt!
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kommenden kulturellen Phänomenen und Kon-
sumentenbedürfnissen innovative Geschäfts- www.good-school.de/CBM oder
lösungen zu entwickeln. http://lhbs.at www.page-online.de/seminar
Matthias Weber ist Transformation Designer.
Er berät Unternehmen im Umgang mit
Veränderungen in Gesellschaft, Kultur und Die Good School (www.good-school.de) ist eine Schule für digitalen Wandel in
Technologie und hilft ihnen dabei, Hamburg. Ihr Ziel: Wissen, Fähigkeiten und Inspiration in neuen Medien und
neue Geschäftsfelder zu entwickeln. innovativem Marketing zu vermitteln. Seit 2009 hat sie mehr als 800 Profis aus
über 120 Unternehmen fit gemacht – darunter Deutschlands erfolgreichste
Leif Abraham, Co-Founder von Pay with a Kreativköpfe, Marketingmanager großer Marken und Vorstände internationaler
Tweet, ist Kreativdirektor bei der Agentur West Agenturnetzwerke. Sie arbeitet mit mehr als 150 nationalen und interna-
in San Francisco. Zuvor arbeitete er bei tionalen Top-Experten aus allen relevanten digitalen Disziplinen zusammen.
Crispin, Porter + Bogusky und R/GA New York.
http://west-sf.com Veranstalter: Good School // Kooperationspartner:
PAGE, das Magazin der Kreativbranche (www.page-online.de)
062 page 11.13 KREATION Flat Design

alles klar
Schnörkellos und reduziert aufs Wesentliche:
Der Siegeszug des Flat Designs – vor allem
in der mobilen Welt – ist nicht mehr aufzuhalten.
1 Steven B. Cook erklärt, warum

2 n Wer hätte geglaubt, dass Windows 8 einen neuen Trend


einläuten würde. Erst dachte ich: »Endlich hat Microsoft mal
Geschmack bewiesen.« Und dann: »Vielleicht ist es auch nur
die einzige Möglichkeit, sich vom Konkurrenten Apple abzu-
heben?« Ich bin überzeugter Anhänger des »Weniger ist
mehr«. Ich sage mit Absicht nicht: »Ich bin Minimalist.« Ich
habe ja auch noch nie einen Designer sagen hören: »Ich lie-
be das Durcheinander, es vermittelt eine so klare Botschaft.«
Man könnte Flat Design als eine der größten Bewegun-
gen der Designwelt bezeichnen. Doch halt: Obwohl es frisch
und unverbraucht aussieht, gab es reduziertes Design schon
immer. Derzeit ist es nur zurück, weil die richtige Zeit dafür
gekommen ist: Nutzer erwarten heute klare, gut gestaltete
Interfaces von digitalen Produkten und Dienstleistungen.
Sie wollen schnellstmöglich finden, was sie suchen. Genau
auf dieses Bedürfnis antwortet Flat Design.
Die Einfachheit des Flat Designs erinnert an die Design-
faustregel »Ausdrucksvoll, lesbar, verständlich«. Als Desig-
ner fragt man sich stets: Wie viel Ausdruck beabsichtige ich?
3
Was will ich interessanter gestalten? Welche Informationen
soll der Betrachter wirklich lesen? Alles, was Sie tun müssen,
ist, Ihr Konzept auf diese Aspekte hin abzuklopfen und dann
einen guten Mittelweg zu finden. Doch sind digitale Pro-
dukte ziemlich komplex. Es bedarf eines gründlichen Blicks
auf alle verfügbaren Informationen. Erst danach ordnen
Sie diese nach Wichtigkeit und reduzieren die Zahl und die
Form der Elemente bis auf die wichtigsten Komponenten.
Das sind – auf einen kurzen Nenner gebracht – die Prin-
zipien des Flat Designs, die ich wunderbar finde: Struktur,
visuelle Hierarchie, Einfachheit der Elemente und Farben
sowie mühelose Lesbarkeit. Denn rückblickend haben wir
die im Grunde simplen Designelemente wie Tiefe und
Schatten überstrapaziert. So folgt nun die Gegenreaktion
in Form einer erzwungenen Vereinfachung.

4
1 »FlatGuitars« ist ein gelungenes Beispiel für Flat Design:

skalierbare Vektorgrafiken, große Typo und responsiv.


≥ www.flatguitars.com
2 Das bewegliche Puzzle »Hundreds« nutzt einfache Formen

und Farben im Flat Design. Das Ziel: Man muss mindestens


100 Punkte zwischen den Kreisen sammeln. Wenn diese sich
rot färben und kollidieren, ist das Spiel vorbei.
≥ http://playhunddreds.com
3 Foundation von Zurb braucht man eigentlich gar nicht zu

erwähnen – sie sind die Protagonisten des Flat Designs.


≥ http://foundation.zurb.com
4 Die App Taasky von Scrape apps aus Prag ist noch nicht

fertig, doch kann man erkennen, dass die Farbführung toll,


frisch und modern wird. Das minimalistische Design von
Jakub Antalík verspricht zudem eine klare Nutzerführung.
≥ www.taasky.com
page 11.13 063

Vektorgrafiken im Flat Design


n Mit dem Aufkommen des eher geometrisch an-
mutenden Flat Designs schlägt die große Stunde der
skalierbaren Vektorgrafiken und damit der SVG-Da-
teien. Doch lassen sich – anders als bei den fürs skeuo-
morphe Design so wichtigen Pixelgrafiken – mit ih-
nen keine Fotos darstellen. Sie finden in der Regel nur
dann Verwendung, wenn sich der Bildinhalt so weit
reduzieren lässt, dass er zur Vektorgrafik taugt, etwa
für Icons oder UI-Elemente. Das Ergebnis lässt sich
dann – ganz im Sinne des Responsive Designs, das
möglichst alle Geräte inklusive der hochauflösenden
Die Reduktion auf einige simple Prinzipien wie Wissen, Retina-Displays verlustfrei bedienen will – beliebig
Sehen, Lernen, Klicken ist eine Erleichterung. Eine klare vi- vergrößern und verkleinern.
suelle Hierarchie führt das Auge durchs Layout. Die User Vektorgrafiken sind aus geometrischen Grundfor-
Experience des Flat Designs betont die wertvollen interak- men – Linien, Kurven, Kreise, Polygone – zusammen-
tiven Aspekte des Produkts oder der Dienstleistung und gesetzt und benötigen nur wenige mathematische
legt den Schwerpunkt auf Benutzerfreundlichkeit und Effi- Beschreibungen: bei einem Kreis zum Beispiel die
zienz. Viele Kreative sagen, dass die Betonung bestimmter Lage des Mittelpunkts und den Radius, aber auch die
Bestandteile dem Anwender hilft, Inhalte visuell zu organi- Linienstärke, die Konturfarbe oder diverse Füllmuster
sieren, und der User erwartet dies auch. und Verläufe. Eine ähnliche Entwicklung ist in der Ty-
pografie zu beobachten: Hier lösen im Interesse des
Flat Design macht es genau andersherum als Designtrends Responsive Designs zunehmend mathematisch defi-
der Vergangenheit: Es befreit den Nutzer von einer erzwun- nierte Vektorschriften die aus Pixeln bestehenden
genen und manchmal recht verwirrenden Interaktion. Sogar Bitmap-Schriften ab. Am Ende stehen dann ebenfalls
die Game-Welt setzt inzwischen darauf. Waren klassische SVG-Dateien.
Spiele noch hyperrealistisch, so blicken wir nun auf sauber SVG-Files brauchen wenig Platz, da nicht einzelne
aussehende Games – mit Weißraum, unkomplizierten For- Pixel gespeichert werden müssen, sondern nur die
men und einer auf Grundfarben basierenden Farbpalette. Pfade respektive die mathematische Beschreibung
Neben klaren User Interfaces bietet Flat Design auch für der darzustellenden Form. Dies wiederum kommt der
contentgetriebene Dienste einige Vorteile. Wir wissen, dass Mobile-first-Devise des Responsive Designs zugute –
Geschichten einer Website Leben einhauchen, weil sie für da der Speicher mobiler Geräte begrenzt ist.
den User mehr Relevanz haben. Flat Design ermöglicht es,
die Story durch eine clevere Optik voranzutreiben. Sie müs-
sen die Seite nur mit sinnvollen und nützlichen Inhalten fül-
len. Dadurch ergibt sich bereits die generelle Vorstellung
über den Aufbau sowie, weit wichtiger, die Führung des
Nutzers. Denn diesem geht es eher um eine solide inhalt-
liche Struktur als um »gutes Design«. Flat Design führt An-
wender, weil es alles Unnötige weglässt. Seine pure Ästhetik
vermittelt den Eindruck gereiften Designs, dessen Urheber
bessere Interfaces produzieren.

Und doch gibt es ein paar Dinge, bei denen Flat Design
schlichtweg versagt: Wenn wir mal einen Schritt aus der Vektorgrafik pixelgrafik
Designer-Ecke heraustreten, wird schnell klar, dass 99 Pro-
zent aller User Vertrautheit brauchen und damit auch die
gewohnten Skeuomorphismen. Neulich im Urlaub bekam
ich im Hotel eine Keycard. Wie immer, wenn Sie das erste
Mal vor Ihrer Zimmertür stehen, fummeln Sie so lange rum,
bis Sie herausbekommen haben, wie die Karte funktioniert.
Muss man sie durchziehen oder reinstecken? Wie herum?
Es scheint da keine Konsistenz zu geben. Auf der Rückreise
übernachteten wir in einem anderen Hotel, wo der Portier
uns einen altmodischen Schlüssel in die Hand drückte, mit
einem überdimensionierten barocken Anhänger. Ich wusste
sofort, was zu tun ist – wie wir alle. »Flat Design legt eine Modernität und Frische
Im realen Leben fluchen wir vielleicht ein wenig, aber
probieren so lange, bis die Tür sich öffnet. Doch wenn der an den Tag, die überfällig war. Und die
User in der digitalen Welt für einen Moment verwirrt ist, kann
das schnell das Aus für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung Nutzer erwarten und akzeptieren es, sie wollen
bedeuten. Sicher glauben Sie jetzt, Usertests und Prototy- nicht länger in schlechte Interaktion und
ping würden diese Probleme lösen. Aber Sie können Kom-
plexität und Usability nicht ernsthaft hinter Einfachheit unübersichtliche Layouts gezwungen werden«
064 page 11.13 KREATION Flat Design

5 Ganz im skeuomorphen Design, mit subtil verspielter

Lederoptik und Handschrift-Typo, versetzt die Digital-


agentur Basilico Interactive aus Brescia den Besucher in
die handgefertigte Welt von Bagigia-Taschen – fast so, als
könnte man sie direkt vom Bildschirm greifen.
≥ www.bagigia.com
6 Die iPad-App »Paper« von FiftyThree aus New York ist

ein digitales Skizzenbuch – natürlich mit klarem, intuitiven


Interface. Dezente Skeuomorphismen, vor allem bei den
Stiftstärken, stützen die Illusion, wirklich zu zeichnen.
5 ≥ www.fiftythree.com/paper

verbergen. User brauchen Hinweise, um herauszufinden,


was sie tun können. So kann die Nutzbarkeit darunter leiden,
wenn Designer zu stark vereinfachen und minimalisieren.
Skeuomorphes Design kann dem entgegenwirken.

Ein anderer großer Vorteil ist die emotionalisierende Kraft


der skeuomorphen Welt, die dem Nutzer eine klare Richtung
vorgibt und ihn durch opulente und einnehmende User Ex-
perience in die Anwendung hineinziehen kann. Oft resultiert
daraus erhöhtes Engagement, und die Loyalität zum Pro-
dukt steigt. Wenn wir schon über Gefühle sprechen – ich be-
haupte, dass alle Designer Herz und Seele in ihre Arbeit le-
gen. Darum haben wir diesen Beruf gewählt. Wir wissen,
dass Details, die andere Leute sehen (oder auch nicht sehen),
digitale Produkte und damit das Leben besser machen. Wenn
skeuomorphes Design gut gemacht ist, transportiert es eine
so starke Liebe zum Detail, dass es sich in der Einbildungs-
kraft des Nutzers einfach niederschlagen muss. Das ist auf
6 jeden Fall ein großer Vorteil gegenüber dem Flat Design.
Menschen staunen über Technik. Diese ist so weit ge-
kommen, dass sie reale Gegenstände repliziert oder Hand-
lungen unseres wirklichen Lebens nachahmt. Machen wir
eine Zeitreise ins Jahr 1973 – Xerox Parc, Palo Alto: Bis zu
diesem Wendepunkt in der Technikgeschichte beherrschten
fiese schwarze Bildschirme mit langweiliger grüner oder
orangefarbener Typo die PC-Welt. Und dann, auf einmal,
Inspiration zu Flat Design Skeuomorphismus sei Dank, war alles anders: Das grafi-
sche User Interface (GUI) gab jedem von uns einen virtu-
Codrops. Auf Codrops finden Sie hilfreiche und ellen Schreibtisch, an dem wir heute noch sitzen.
informative Tutorials und viele Anregungen zum
Thema Flat Design. Trotz all dieser Vorzüge hat Flat Design skeuomorphem
≥ http://tympanus.net/codrops Design vieles voraus. Sein Bekenntnis zur Einfachheit ver-
Der Autor bannt schlechte Designs, die von überstrapazierten visuel-
Steven B. Cook ist Designmodo. Designmodo ist nicht auf einen Stil len Elementen herrühren. Das Ende dieses Trends können
Kreativdirektor und beschränkt, die Artikel und Inspirationen erstrecken eigentlich nur Amateurdesigner einläuten, die sich nicht die
Partner bei eden- sich auf unterschiedlichste Themen. Zeit nehmen, seine Prinzipien zu beherzigen.
spiekermann, Berlin ≥ http://designmodo.com Könnte also auch das Flat Design ein Opfer der Zeit wer-
  den wie in den 2000ern die Webdesigntrends mit Hoch-
FLTDSGN. Man muss wohl nicht erklären, worauf glanzlook, blinkenden Elementen, Farbverläufen und Refle-
diese Website ihren Fokus setzt. Hier erwarten den xionen? Ich denke nicht. Wir dürfen nur nicht vergessen, für
Der Beitrag ist ein Besucher vielfältige Anregungen. wen wir gestalten. Sie sollten sicherstellen, dass die User Ihr
gekürzter Auszug ≥ http://fltdsgn.com Produkt oder Ihren Service jederzeit nutzen können – und
aus WEAVE 05.13, zwar überall. Wir wissen, dass Flat Design mit seinen Vek-
dem Interaction- Speckboy Design Magazine. Die Design-Website torgrafiken dem Responsive Design zugute kommt – einer
Design-Magazin von Paul Andrew aus dem schottischen Inverness Schlüsselkomponente des userzentrierten Ansatzes.
von PAGE. Das bietet eine wundervolle Auswahl an User-Interface- Neue Trends kommen schneller, als man denkt. Desig-
Heft können Sie Templates, Icons sowie interessante Blogposts zu ner werden eine Balance finden zwischen der Gestaltung
portofrei unter den Themen User Interfaces und User Experience. emotionaler Vertrautheit und klarer Nutzerführung ohne
http://shop.weave. ≥ http://speckyboy.com/2013/04/03/ unnötige Elemente, die lediglich von dem ablenken, was
de/weave/einzel flat-gui-templates für den User wirklich wichtig ist. So bekommt jeder, was er
hefte bestellen braucht. Steven B. Cook
PRAXIS

InfoGrafik
Visual Storytelling – Workflows & Cases

Die Agenda Das Seminar


zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht. Bei Stornierung der Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 09.08.2013 berechnen wir 50 Prozent, ab 13.09.2013 100 Prozent
Aufgrund der auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in der Reihenfolge der Eingänge der Zahlungen berücksichtigt. Die Teilnahmegebühr fällt mit der Anmeldung
an. Sie ist sofort nach Erhalt der Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage der Veranstaltung seitens der Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll

1. Das Wesen der Infografik – n Die Infografik erlebt einen wahren Boom: in Magazinen und Zeitungen
Stärken und Schwächen ebenso wie in Geschäftsberichten und Firmenpräsentationen, in Internet und
der Teilnahmegebühr. Die Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist jederzeit möglich. Es werden nur schriftliche Stornierungen oder Namenswechsel akzeptiert. Es gilt der Poststempel.

Wo sind die Grenzen zur Illustration, zur reinen TV. Damit entwickelt sich ein überaus vielseitiges, grenzüberschreitendes
Visualisierung und zur Kunst? Was kann und Tätigkeitsfeld für Grafik- und Kommunikationsdesigner, für Illustratoren und
muss eine Infografik leisten, und wie setzt man Fotografen, für Interaction Designer und Animation Artists. Infografiken
diese sinnvoll ein? Was unterscheidet eine können vielschichtige Inhalte rasch veranschaulichen. Doch je schneller und
journalistisch geprägte Grafik von einer Visuali- komplexer die Kommunikation insgesamt wird, umso achtsamer muss der
sierung in der Unternehmenskommunikation? Kreative mit der Datenaufbereitung umgehen. Mit einer ästhetisch faszinie-
Was sind die Gefahren und das Potenzial einer renden Visualisierung ist es nicht getan, es geht um Inhalte, Einsichten und
PR-Grafik? Inwieweit können sich Corporate die Macht des Bildes. Und genau hier liegt denn auch für Jan Schwochow die
Infographics an eine bestehende CI anpassen? eigentliche Herausforderung. Es wird immer schwieriger, gute und verlässliche
Quellen zu finden, um einen Sachverhalt korrekt und unverfälscht wiederzuge-
2. Vom Briefing über die Recherche zur ben. Der Grafik- und Kommunikationsdesigner ist schon lange nicht mehr nur
Umsetzung – Cases, Prozesse, Strategien reiner Gestalter, er ist zugleich Journalist und visueller Geschichtenerzähler.
Wie müssen die Basisinformationen für ein
gutes Briefing aufbereitet sein? Wie kommt Jan Schwochow erläutert im PAGE Seminar anhand konkreter Praxisbeispiele,
man an die relevanten Daten und damit auf wie eine Infografik entsteht – von der Recherche über die Skizze bis zur Rein-
die richtige Idee? Ist weniger mehr oder zeichnung und Animation. Er bietet tiefe Einblicke in die Arbeit eines Info-
mehr Information hilfreicher? Wie gewinne grafikers und beleuchtet das Spannungsfeld zwischen reiner Information und
ich den Kunden für die Idee? Wie läuft guter Gestaltung – wertvolles Know-how vom Designprofi für Designprofis!
die Abstimmung mit dem Auftraggeber?
Das Seminar »Infografik« findet am 11. November 2013 im Hotel Gastwerk,
3. Animation, Interaktion, Multichannel – Hamburg, von 9 bis 17:30 Uhr statt. Die Teilnahme kostet 648 Euro
die Wahl der Mittel und ihre Kalkulation (zzgl. gesetzlicher MwSt.). Die Gebühr umfasst die Tagungskosten,
Wie setze ich Infografiken crossmedial ein? Lunch und Kaffeepausen. Die Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt!
Ist eine statische oder eine interaktive, Also schnell anmelden unter www.page-online.de/seminar
animierte Grafik besser? Wie gestalte ich
den Workflow, um schon in der Ent-
wicklungsphase den unterschiedlichsten Der Referent
Nutzungsarten Rechnung zu tragen: als
App, Poster, Magazinseite oder PowerPoint- n Jan Schwochow (44), Gründer und Geschäftsführer der Golden Section Graphics
Template. Wie kalkuliere ich eine Infografik? GmbH, gilt als einer der renommiertesten Infografiker weltweit und ist als erster
Wie verhandle ich die Nutzungsrechte? Infografiker Mitglied der ADC-Jury. Jan Schwochow und sein Team haben zahlreiche
nationale und internationale Auszeichnungen erhalten, unter anderem bei den
Das PAGE Seminar mit Jan Schwochow lässt Malofiej Awards und den European Design Awards sowie beim ADC. Der Diplom-
genug Zeit für Fragen und Diskussionen und Designer blickt auf über 20 Jahre Erfahrung als Infografiker, Designer und Journalist
den Austausch der Teilnehmer untereinander. zurück. So war er unter anderem Ressortleiter und Artdirektor der Infografik-Abteilung
beim »stern« und als Artdirektor für Infografiken in der Entwicklungsgrafik des Verlags
PAGE // Ebner Verlag GmbH & Co. KG Milchstraße tätig. Zuletzt baute Jan Schwochow bei der Agentur KircherBurkhardt in
E-Mail: info@page-online.de Berlin eine Infografik-Abteilung auf, bevor er 2007 sein eigenes Unternehmen,
Telefon: +49 40 85183400 die Golden Section Graphics GmbH mit derzeit bis zu 15 Mitarbeitern gründete.
www.page-online.de/seminar Jan Schwochow ist Herausgeber und Chefredakteur des Magazins »In Graphics«.
066 page 11.13 KREATION

PAPIERWELT
man unterschiedliche Farbwelten des
2 Mehr Luxus von MOO Sortiments zusammenstellen und ver­
n Premium­Visitenkarten gibt es bei schiedene Kombinationen ausprobie­
MOO schon länger, jetzt bietet die On­ ren. Colorplan soll in sämtlichen Druck­
linedruckerei zudem Briefkarten, Post­ verfahren sehr gute Ergebnisse erzie­
karten sowie MiniCards im sogenann­ len und wird in Deutschland exklusiv
ten Luxe­Sortiment an. Das Büro ma te­ von Römerturm vertrieben.
rial dieser Linie ist dreimal so dick wie ≥  www.roemerturm.de
die Standardausführung und wird auf
dem mehrlagigen Superfine von Mo­ Fedrigoni auf der
hawk gedruckt. Eine farbige Papier­
schicht in der Mitte wirkt als Blickfang.
Buchmesse
Dank der patentierten Printfinity­ n Italienische Feinstpapiere für die
Technologie lässt sich jede Karte indi­ Buchgestaltung präsentiert Fedrigoni
viduell gestalten: Dazu können Kunden auf der Frankfurter Buchmesse vom
Vorlagen aus der MOO­Kollektion an 9. bis 13. Oktober. Dort stellt das Un­
ihre Bedürfnisse anpassen oder gleich ternehmen auch das Buch »Projekt
ihr eigenes Design hochladen. Dabei 16/2« vor, in dem acht internationale
realisiert MOO schon ab einer Auflage Verlagsdesigner – unter anderem Mike
von zehn Stück den Druck. Meiré, Studio FM oder Here Design –
≥  www.moo.com ihre Kreativität auf acht verschiedenen
Fedrigoni­Papieren unter Beweis stel­
Römerturm setzt len. Eine weitere Neuheit ist das druck­
frische Woodstock­Musterbuch, das far­
auf Farbe bige Papiere mit einem Recyclinganteil
n Mit der Einführung von Colorplan von 80 Prozent und sechs zusätzliche
erweitert Römerturm ihr Sortiment Farbnuancen enthält.
an farbigen Papieren. Das Feinstpapier Freuen können sich die Besucher
gibt es in 50 klassischen und trendigen außerdem auf das neue Splendorgel­
1 Tönen, es liegt in 8 Grammatu ren bis Visualbook mit hochwertigen weißen
hin zum 700 Gramm Karton sowie in Naturpapieren, die neuen Marcate­
25 edlen Prägungen vor. Zudem lassen Minifächer sowie das HP­zertifizierte
sich Colorplan­Produkte mehrlagig ka­ Indigo­Musterbuch. Fedrigoni hat auch
1 Kleider aus Papier schieren, sodass unendlich viele Kom­ ihre Klassiker im Gepäck, beispielswei­
Ein Wolf um den n Auf Modenschauen gezeigte Klei­ binationsmöglich keiten möglich sind. se die Kollektion »Book&Box«. Sie um­
Hals ist besser dung ist nicht unbedingt alltagstaug­ Damit der Nutzer nicht den Über­ fasst robuste, weiße und durchgefärb­
als die Taube auf lich. Einen Beweis für diese These lie­ blick verliert, stellt ein Musterbuch alle te Papiere, die sich auf optimale Weise
dem Dach – tolle fert die jetzt auf der Stockholm Fashion Farben, Grammaturen und Prägungen für Buchbindearbeiten und Kaschie­
Papierkreation Week vorgestellte Kollektion von Bea übersichtlich und zum Anfassen vor. rungen eignen. ant
von Bea Szenfeld Szenfeld. Außergewöhnliche Kreatio­ Unter www.colorplanpapers.com kann ≥  www.fedrigoni.de
nen aus Papier, mal als ein Gorilla, be­
stehend aus Hunderten kleiner Blätt­
chen, mal als um den Hals gelegter
Wolf, brachten die Zuschauer zum Stau­
nen. Besonders faszinierend sind die
Partnerlooks, die die Designerin so
kon zipierte, dass zwei Models ein Stück
gemeinsam tragen – ohne Gleichschritt
geht da gar nichts.
Die Haute­Papier­Kollektion von Bea
Szenfeld, die schon für Ikonen wie et­
Das Luxe-Sorti- wa Stella McCartney, Tommy Hilfiger,
ment von Swarovski oder Björk gearbeitet hat,
MOO umfasst ist sicher eher Kunst als Mode. Aber
neben Visiten- Björk hat ein derartiges Papier­Outfit
karten auch sogar schon getragen. Die Kreationen
Postkarten, kann man sich unter http://is.gd/desig
Briefpapier ner_bea_szenfeld anschauen. 2
und MiniCards ≥  www.szenfeld.com
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068 page 11.13

TYPO
PAGE 11.13 069

■ Tango, Gauchos, Albiceleste – für


uns ist Argentinien der Inbegriff gleich-
sam archaischer wie zivilisierter Leiden-
schaft. Aber natürlich darf man seine
Kultur nicht auf Tanz, Rinderzucht oder
Fußball reduzieren. Argentinien ist das
achtgrößte Land der Welt und nach Bra-
silien das zweitgrößte in Lateinamerika.
Die Buchmesse 2010 hat uns die großar-
tige Literatur nahegebracht, aber auch
im Typedesign ist Argentinien Weltklas-
se. Dabei sind es vor allem vier Found-
ries, die ganz vorne mitmischen – jede
von ihnen mit einem eigenen, präg-
nanten Profil. Allesamt in oder um die
Hauptstadt Buenos Aires gelegen, sind
sie ebenso Vorbild wie Vertriebsplatt-
form für die nachfolgende Generation.
Sudtipos – das sind die Schriftge-
stalter Ariel Garofalo, Claudio Pousada,
Diego Giaccone und Alejandro (ge-
nannt: Ale) Paul – gibt es bereits seit
2001. Frontmann ist der vielfach preis-
gekrönte Paul, ein Meister der stilisier-
ten Schreibschrift in der Tradition von
Hermann Zapf und Ed Benguiat. Seine
aus über 30 Einzelschriften bestehen-
de Bluemlein-Script-Kollektion ist eine
Reminiszenz an vergessene US-ameri-
kanische Schreibkünstler der 1930er
Jahre. Dem Sudtipos-Repertoire ist an-
zumerken, dass der 1972 geborene Ale
Paul lange Zeit als Artdirektor im Be-
reich Packaging und Branding tätig
war. Viele der kalligrafisch ausgelegten
Schriften, beispielsweise Aventura

Guille Vizzari (rechts), der mit Yani Arabena


das Studio Y+G betreibt, schuf eine Capitalis
Monumentalis mit einem Schuss Pinsel-
strich und baute sie mit Ales Pauls Hilfe
zur variantenreichen Esmeralda Pro aus

La Pasión Latina
Seit einer Art Typo-Urknall im Jahr 2001 hat sich in Argentinien eine einzigartige typografische
Kultur herausgebildet. Klaus-Peter Staudinger stellt sie und ihre Protagonisten vor
070 page 11.13 TYPO Typoreise argentinien

und Inoxida, oder die Hybridschrift


Coche entwirft er gemeinsam mit dem
Buchstabenkünstler und Logogestalter
Angel Koziupa. In ihren Kollaboratio­
nen verfolgen sie das Ziel, die südame­
rikanische Kultur zu repräsentieren.
Für die beiden bedeutet das Tempera­
Ales Pauls neuester
ment, Harmonie und Detailreichtum,
Wurf, die Rolling
entwickelt aus der handgeschriebenen
Pen, ist von der
Schrift heraus.
Flüssigkeit des
Schreibens mit
Einen etwas anderen Weg geht Type­
dem Kugelschrei-
Together, die 2006 von Veronika Burian
ber inspiriert –
und dem Argentinier José Scaglione ge­
technisch präzise
gründete Typefoundry. Sie lernten sich
und, wie immer
im renommierten MA­Typeface­Design­
bei ihm, aus-
Studiengang an der University of Rea­
gestattet mit
ding kennen. Ihre erfolgreiche Koope­
zahlreichen
ration betreiben sie weitgehend ge­
Alternativen
trennt in verschiedenen Ländern oder
und Ligaturen
sogar Kontinenten lebend. Dadurch
wie auch durch ihre vielfältige Lehrtä­
tigkeit erweitert sich der gemeinsame
Erfahrungsschatz beständig – was wie­
derum der multilingualen Anlage ihrer
Fonts zugutekommt. Dies, vor allem
aber der hochwertige Ausbau als gut
lesbare Textschriften prädestiniert die­
se fürs Editorial Design.
Eine weitere Spezialität von Type­
Together sind Custom Fonts, die meist
im Bereich des gehobenen Corporate
Darío Muhafaras Designs zum Einsatz kommen, wie die
2013 veröffent- Abwandlung ihrer erfolgreichen Bree
lichte Basile ist für das neue Erscheinungsbild Perus.
ein Handschriften- José Scaglione steht einem möglichen
font mit moder- argentinischen Lokalkolorit in seinen
ner, etwas brei- Arbeiten skeptisch gegenüber. Dies sei
terer Ausprägung eher eine Sache persönlicher Erfah­
als historische rung als kultureller Prägung. »Für mich
Vorbilder, der existiert der argentinische Stil nicht –
sich sehr gut fürs auf populäre Klischees gebe ich wenig.
Packaging eignet Argentinien hat durch überregionalen
Austausch einen Level erreicht, wo wir
Schriftentwerfer dem Rest der Welt als
gleichwertige Partner, nicht als Lehrer
oder Studenten begegnen«, sagt er.

Das erste argentinische Typolabel


überhaupt hat Alejandro Lo Celso 2001
ins Leben gerufen: PampaType, das er
allerdings lange Zeit von Mexiko aus
betrieben hat, wo er in Puebla an der
Universidad de las Américas lehrte. Der
1970 geborene Designer zählte zum
ersten Jahrgang des Postgraduierten­
programms in Reading und studierte
anschließend am Atelier National de
Recherche Typographique in Nancy.
Inzwischen ist PampaType nach Argen­
tinien zurückgekehrt – ins schmucke
La Plata. Lo Celsos gut ausgebaute
Werksatzschriften wie Borges, Quimera
oder zuletzt Arlt besetzen vor allem
das Genre der Buchtypografie. Und so
page 11.13 071

sind seine wichtigsten Fonts inspiriert Protagonisten wie Roberto Arlt und ne Fonts heute von Córdoba aus, wo er
von Werken argentinischer Dichter. Als Jorge Luis Borges. Nach vielen wirt­ meist als Plakatkünstler arbeitet und im
Designer, der überzeugt ist von kultu­ schaftlichen und gesellschaftlichen Kri­ privaten Rahmen unterrichtet.
reller Verschiedenheit und einer latein­ sen versetzte die fast zehnjährige Mi­
amerikanischen Identität, erklärt er: litärdiktatur, die 1983 nach dem Falk­ Ein weiteres Jahrzehnt später fruch­
»Die Kultur beeinflusst den lokalen landkrieg beendet wurde, das Land in tete schließlich der Unterricht des heu­
Schöpfer, aber dieser hat eine klare eine lange kulturelle Stagnation. te 73­jährigen Rubén Fontana an der
Verantwortlichkeit in Bezug auf seine Erst der 1945 am nördlichen Rand Universität in Buenos Aires und es kam
eigene Kultur – indem er sie reflektiert, von Patagonien geborene Luis Siquot zu einer Art Typo­Urknall, der – ausge­
infrage stellt, diskutiert, fördert, ver­ brachte Fachwissen in die (typografi­ hend von Argentinien und Mexiko – in
ändert und so etwas Neues schafft.« sche) Gestaltung ein. Nach seiner De­ kurzer Zeit dem lateinamerikanischen
Mit einem ähnlichen Anliegen grün­ signausbildung und ersten Berufser­ Kontinent eine eigene Schriftkultur be­
deten die Schriftkünstler Darío Muha­ fahrungen in Córdoba und São Paulo scherte. Endlich nahmen sich talen­
fara und Eduardo Rodríguez Tunni 2007 erhielt Siquot in den späten 1960ern tierte Gestalter auch der Schrift selbst
das Typolabel Tipo. Ihr Anspruch ist es, ein Stipendium für die Ulmer Hoch­ an. Interessanterweise war dies nicht
hochqualitative Schriftfamilien heraus­ schule, gelangte dann aber wegen de­ zuletzt auch eine Folge der großen ar­
zugeben, denen zwar erkennbar süd­ ren Schließung an die Hochschule für gentinischen Wirtschaftskrise 2001.
amerikanisches Flair anhaftet, die sich bildende Künste Hamburg. Ab 1991 ver­ Da Grafikdesign sich – zumal, wenn
aber dennoch oder gerade darum auf öffentlichte er als Erster seine selbst man nicht über gewachsene interna­
dem globalen Markt behaupten kön­ digitalisierten Vintage­Typedesigns wie tionale Kontakte verfügt – nur be­
nen. Aktuell sind die Basile, die zusam­ Abaton, Arecibo oder die zusammen grenzt exportieren lässt, sahen einige
men mit Felix Lentino gestaltete Malena mit Herb Lubalins legendärer Interna­ Kreative im Typedesign eine Chance,
oder Tunnis Lineare und Median. Gern tional Typeface Corporation differen­ einen größeren Markt zu erreichen.
darf es auch mal etwas extravaganter ziert ausgebaute Familie Juanita. Über Vor allem das Packaging Design bekam
sein wie die markig­fette Titulata oder das Label siquot’types vertreibt er sei­ durch die neue Exportorientierung
die neueste Kreation Think, eine eben­
so barock wie modern anmutende Li­
neare. Bei Tipo sind auch Schriften an­
derer namhafter Designer wie Rubén
Fontana oder Pablo Cosgaya vertreten,
die eher zur Lehrergeneration der jun­
gen Typoszene Argentiniens gehören.
Eduardo Tunnis
Diese Dichte an exzellenten Schriftge­ ungewöhnliche
staltern ist umso erstaunlicher, als Süd­ Titulata geht
amerika kein über lange Zeit gewach­ auf einen Kunden-
senes typografisches Erbe besitzt. Für wunsch nach einer
den gesamten Schriftgebrauch impor­ kräftigen und
tierte man über Jahrhunderte nahezu dynamischen, aber
alles aus Europa (oder Nordamerika). dennoch weichen
Im 19. Jahrhundert schufen dann jesui­ Titelschrift zurück
tische Missionare eigene Druckformen,
und zu Anfang des 20. Jahrhunderts
entwickelte sich in Argentinien allmäh­
lich eine eigenständige Literatur mit

Die unregel-
mäßige Barrio, die
Pablo Cosgaya
zusammen mit
Sergio Jimenez
entworfen hat,
ist eine Adaption
handgemachter
Ladenschilder,
wie sie in vielen
Vierteln von
Buenos Aires
zu sehen sind
072 page 11.13 TYPO Typoreise argentinien

größere Bedeutung – und so war


gleich ein Subgenre für die Typo­Freaks
entstanden, das in den ersten Jahren
gerade von Sudtipos reichlich bedient
wurde. Die Zeitschrift »Tipográfica« or­
ganisierte 2001 eine internationale Kon­
ferenz, die die eigentliche Initialzün­
dung für den Typo­Boom in Argentinien
darstellte. Drei Jahre später folgte die
Biennale Letras Latinas, die seit 2008
als Tipos Latinos südamerikanisches
Schriftschaffen in die Welt trägt.
Im Jahr 2005 erhielt Buenos Aires
den UNESCO­Titel »Stadt des Designs«.
Und in der Tat ist die Metropole, in der
gut ein Drittel der rund 40 Millionen
Einwohner Argentiniens leben, wich­
tigster Ausbildungsort für Design im
Land. Rubén Fontanas Wirken machte
die Fakultät für Architektur, Design
und Stadtplanung der staatlichen Uni­
versität von Buenos Aires (FADU/UBA)
zu einer Größe der internationalen Ty­
poszene. Insbesondere das Postgradu­
iertenprogramm Diseño de Tipografía
(CDT) wartet seit 2009 neben Fontana
als Direktor mit dem Who’s who der
argentinischen Schriftdesigner als Do­
zenten auf und ist ein Dreh­ und An­
gelpunkt für lateinamerikanische Stu­
denten geworden. Wichtige Lehrstuhl­
inhaber für Typedesign und Typografie
sind Pablo Cosgaya und Enrique Longi­
notti. Cosgaya, Jahrgang 1965, hat mit
Gleichgesinnten jüngst die Foundry
Omnibus­Type gegründet mit Schwer­
punkt auf hochqualitativen Webfonts.

Nach wie vor ist sehr viel Bewegung


in Argentiniens Typoszene – und immer
wieder tauchen, nicht zuletzt durch
den intensiven Typo­Unterricht an der
FADU/UBA neue Talente auf. Eines da­
von ist Maximiliano Sproviero, Jahrgang
1987, dessen Erotica dieses Jahr beim
Pablo Alfieri ver- TDC Typeface Design prämiert wurde
leiht der Schrift in (siehe PAGE 06.13, Seite 60). Seine 2008
seinen multimedia- gegründete Foundry Lían Types hat
len Anwendungen schon ein beachtliches Œuvre aufzu­
ungewöhnliche weisen. Sproviero hat mit rein kalligra­
dreidimensionale fischen Fonts begonnen, sich aber in­
Qualitäten. Wie zwischen mehr auf Textschriften ver­
hier bei Playful und legt, ohne seine skripturalen Vorlieben
Odyssea baut er zu verleugnen. Ziemlich gegenteilig, al­
für seine Werbe- so klar von der Konstruktion her kom­
clips Schriften aus mend, arbeitet der Designer Pablo Al­
unterschiedli- fieri mit Schrift. Seine spielerisch für die
chen Materialien Projekte des gemeinsam mit anderen
betriebenen Studios Playful & Plenty zu­
sammengesetzten Kreationen sind oft
grell, nicht selten dreidimensional und
bilden ab und zu den Ausgangspunkt
für witzige filmische Animationen.
Originelle Displayschriften entwirft
Sebastian Gagin. Der 28­jährige Desig­
page 11.13 073

ner sieht sein Land als Mix europäi­


scher, kolonialer und eingeborener Kul­
tur. Als Besonderheit seiner Landsleute
betrachtet er ihre resourcefulness, wie
er es nennt. »Es geht darum, pfiffig zu
sein, nach Lösungen angesichts knap­
per Ressourcen zu suchen und neue
Auch Sebastian
Antworten für jedes Problem zu fin­
Gagin hat ein
den.« Der Hauptunterschied zu Europa
Faible für die
oder den USA ist für ihn das Spieleri­
Konstruktion.
sche, Furchtlose und Offene: »Ein Stil,
Sein schräger
der etablierten, alten Traditionen nicht
Displayfont Kiwi
allzu viel Respekt entgegenbringt – so­
nutzt geschickt
dass es fett und farbenfroh zugeht,
das Merkmal der
zugleich aber auch darauf ausgerichtet
vervielfältigten
ist, nach bester Qualität zu streben.«
Senkrechten
und gibt ihm
Ganz ähnlich arbeitet der gleichaltri­
so einen Hauch
ge Venezolaner Rodrigo Fuenzalida in
Latin Flavour
Argentiniens Hauptstadt. Seine Fonts
Fux und Titan machen neugierig auf
mehr. Auch die Designs des Studios
Mambo sind gelegentlich typografisch
ausgelegt. Für einige ihrer Identity­Pro­
jekte zwischen Fashion und Editorial
haben sie eigene, erfrischende Schrif­
ten kreiert. Unbedingt erwähnenswert
ist auch Holabosque, ein junges Duo,
das aus der Graffitiszene kommt und
häufig mit handgeschriebenen Bot­
schaften und Zeichenteppichen ganze
Locations inszeniert. Dabei spielen sie
auch gern in Mustern und Farben mit
den ethnischen Besonderheiten latein­
amerikanischer Kultur.
Eine der vielversprechendsten Ko­
operationen ist derzeit das unter dem Martina Caraca-
Label Y&G firmierende Duo Yani Arabe­ vallo reitet
na und Guillermo Vizzari. Die 1985 und mit dem Art- und
1984 geborenen Gestalter haben ge­ Designstudio
rade das CDT­Programm absolviert und Mambo erfolg-
stellten bei der Abschlusspräsentation reich auf der
ihre wunderbare, bei Ale Paul und Ana Retrowelle – wie
Sanfelippo entworfene Abelina und Es­ hier beim Art-
meralda Pro aus. Letztere ist seit Kur­ work »Saudades«
zem bei Sudtipos erhältlich. Die Kalligra­ (zu Deutsch:
fin und der Buchstabenexperte haben Sehnsucht) zur
schon einzeln tolle Sachen gemacht, Eigenwerbung
wie Arabenas lebendige Handschriften der Agentur, die
oder Vizzaris über 1000 Glyphen um­ sie gemeinsam
fassender Font Ragazza – aber in ihrer mit Belén Peralta
Zusammenarbeit entwickelt sich ein Ramos und Max
einzigartiger Stil, der noch über Argen­ Paenza betreibt
tinien hinaus von sich reden machen
wird. Es ist nicht nur die sorgfältige und
ideenreiche Herangehensweise, son­
dern die unbedingte Hingabe, die man PAGE Online
ihren Arbeiten ansieht und die sie so Links und weitere
besonders machen. Trotz aller Bemü­ Arbeiten der
hungen um Internationalität macht hier vorgestellten
letztlich gerade dies das argentinische und erwähnten
Typedesign aus: die Liebe zum Detail, Designer finden Sie
zu tradierten Formen wie auch zur unter www.page-
Kalligrafie, kombiniert mit leidenschaft­ online.de/typoreise_
licher Verspieltheit – la pasión latina! argentinien
074 page 11.13 TYPO Responsive Typography

»Das Verwirrende an Responsive


Typography ist ja gerade,
dass man sie nicht sieht«

Oliver Reichenstein
studierte Philosophie
in Basel und Paris
und arbeitete als Brand
Consultant bei Inter-
brand Zintzmeyer & Lux,
bevor er 2003 nach Tokio
zog und dort seine Digital-
agentur Information
Architects gründete. Mit
Büros in Tokio, Zürich
und Berlin gab sie unter
anderem ZEIT Online
und den Websites von
Ringier oder den Freitag-
Brüdern ein neues Gesicht

Indra Kupferschmid ist


Typografin und Profes-
sorin für Typografie an
der Hochschule der
Bildenden Künste Saar.
Seit vielen Jahren
forscht sie über Schrift-
klassifikation und
arbeitet im Normungs-
ausschuss des DIN
mit. Sie schreibt Bücher
und für Websites,
hält Vorträge und pixelte
vor sehr langer Zeit
Bitmapschriften für
Geräte von Opel, Philips,
Bosch oder Siemens
page 11.13 075

n Wir alle zappeln beim Lesen am Bild-


Nicht nur das Design, auch die Typografie muss sich an verschiedenste schirm mehr oder weniger herum,
Endgeräte und Auflösungen anpassen. Haben Gestalter dafür sodass sich unser Leseabstand ständig
überhaupt ein Bewusstsein? Und was ist technisch schon möglich? ändert. Der kroatische Designer Marko
Dugonjic nahm dies zum Anlass für ein
Wir fragten Indra Kupferschmid und Oliver Reichenstein Responsive-Typography-Experiment :
Wenn man den Zugriff auf seine Web-
cam erlaubt, trackt eine Software stän-
dig den Abstand des Gesichts vom
Screen und passt die Größe der Schriften
auf der Website in Echtzeit an. Entfernt
man sich vom Bildschirm, werden
sie größer, nähert man sich, werden
sie kleiner. Was halten Sie davon?
Indra Kupferschmid: Das ist span­
nend und wird sicher irgendwann mal
so kommen, geht mir aber momentan
zu weit. Vielleicht eine gute Idee für
öffentliche Displays oder Terminals –
aber welchen Betrachter misst das Ge­
rät dann, wenn es mehr als einer ist?
Dass der Leseabstand die Schriftgröße
bestimmen sollte, ist für mich grund­
legend. Daher setze ich mich auch da­
für ein, dass Bogenminuten, die auf
dem Sehwinkel basieren, ein besseres
Maß für Schriftgrößen sind, da sie sich
unabhängig vom Leseabstand definie­
ren lassen. Dies haben wir auch in den
Empfehlungen des DIN Deutschen In­
stituts für Normung zur Leserlichkeit
von Schriften getan.
Oliver Reichenstein: Ein schönes Ex­
periment, weil es wunderbar zeigt, dass
die richtige Schriftgröße nicht primär
eine Frage der Viewport­Größe, son­
dern des Leseabstands ist. Es funktio­
niert erstaunlich gut, ist aber für einen
kommerziellen Einsatz bisher noch zu
umständlich. Ich könnte mir aber vor­
stellen, dass man die Leseabstands/
Schriftgrößenfrage auf iOS­Ebene lö­
sen kann. Vielleicht in iOS 8?
Was verstehen Sie unter Responsive
Typography?
Indra Kupferschmid: Dass die typo­
grafischen Parameter auf äußere Gege­
benheiten reagieren, zum Beispiel auf
unterschiedliche Geräte, Betriebssys­
teme und Programme, Displaygrößen
oder Lichtverhältnisse – und das in ei­
nem gewissen, vom Gestalter definier­
ten Rahmen. Um zu definieren, was pas­
sieren soll, muss man klären, was das
Ziel ist: eine möglichst identische Typo­
grafie unter unterschiedlichen Bedin­
gungen oder eine möglichst gute Typo­
grafie unter den jeweiligen Bedingun­
gen? Strebt man den gleichbleibenden
Grauwert an, müsste man Schriftgröße,
Zeilenabstand und Schnitt ändern
076 page 11.13 TYPO Responsive Typography

und auf das andere Format skalie­ Ein und dieselbe Schrift sieht auf hoch- Müssen denn Schriften auf verschie-
ren. Möchte man eine an die Umstände auflösenden Retina-Displays dünner denen Ausgabegeräten genau gleich
angepasste Typografie, kann man viel aus, auf niedrigauflösenden Bildschir- aussehen?
freier und auf viel mehr reagieren – auf men dagegen fetter. Brauchen wir ent- Indra Kupferschmid: Ich finde das
Proportionen, Laufweite, Ränder, Font, sprechend mehrere Varianten einer nicht so arg wichtig. Ich verstehe und
Farbe et cetera. Type, also eine Georgia iPad, Georgia sehe, was Kritiker meinen, aber auch,
Oliver Reichenstein: Dank Smart­ iPhone, Georgia PC und so weiter? wie viel Mehrarbeit für wie wenig Ver­
phones und Tablets haben wir heute ei­ Oliver Reichenstein: Solange die besserung das für die Schriftenhäuser
ne riesige Vielfalt an Displaygrößen, die Rendering­Unterschiede noch so frap­ und Webfont­Provider bedeutet. Heu­
auch noch alle unterschiedliche Aufö­ pant sind, ja. Bedenkt man, mit wie viel te gibt es so viele Ausgabegeräte und
sungen besitzen. Das hat natürlich Kon­ Sorgfalt Systemschriften gehintet wur­ Betriebssystem­Programm­Kombina­
sequenzen für die Typografie. Während den, dann erübrigt sich die Diskussion tionen, dass man sie nur unter extre­
Bildschirmschriften bisher mit offen­ darüber eigentlich. Man kann nur sehr men Aufwand auf eine einheitliche
sichtlichen Treppenformen in Erschei­ schwer argumentieren, dass Subpixel­ Strichstärke abstimmen könnte. Und
nung traten und für diese Pixelierung Antialiasing für verschiedene Schrift­ alles, was die Nutzer selbst einstellen,
optimiert werden mussten, sieht man größen Sinn macht, die Adaption auf können wir erst recht schwer beeinfus­
auf einem Retina­Display keine Trep­ verschiedenen Ausgabemedien aber sen – ob der Monitor dunkel oder hell
pen mehr. Trotzdem ist ein Retina­Dis­ sekundär sei. ist, welche Farbtemperatur und Kon­
play kein Papier, sondern ähnelt mehr Indra Kupferschmid: Für alle Schrif­ trasteinstellung er hat, wie das Umge­
einem Leuchtkasten. Einfach nur klas­ ten spezielle grades oder gar auf ein­ bungslicht ist, ob die Anwender eine
sische Schriften zu verwenden geht also zelne Geräte abgestimmte Fonts zu for­ Brille in welcher Stärke tragen oder ob
nicht. Wir müssen verschiedene Schnit­ dern, halte ich für etwas übertrieben, sie browserseitig ihr CSS beeinfussen.
te und Stile für verschiedene Ausgabe­ aber feinere Gewichtsabstufungen als Und das nur für die Strichstärke?
geräte entwickeln. Unter Responsive nur Regular und Bold sind schon gut Oliver Reichenstein: Ich verstehe
Typography verstehe ich nicht nur die und hilfreich. Was wir eher brauchen das Argument im Prinzip nur zu gut –
Anpassung der Schnittwahl an die Ei­ könnten, sind innerhalb einer Schriftfa­ Bildschirmgestaltung ist immer weit
genart des Bildschirms, sondern die milie mehr optische Größen für ver­ mehr eine Übung im Kompromiss als
Anpassung der Typografie als Ganzes, schiedene Textarten und Anwendun­ in der Perfektion. Mein Auge sieht das
folglich auch von Schriftart und ­größe, gen, also eine Version für ganz Kleines, aber anders. Es stört und nervt mich,
Zeilenlänge, Zeilenabstand, Kontrast eine für Fließtext, eine für Großes und wenn die Schrift, die ich ausgewählt
und so weiter. eine kompakte Variante für Headlines. habe, mal hungrig, mal übersättigt auf­

Vor und zurück Buchstaben-Mimik


Ein Responsive-Typo-Experiment, das auf den Leseabstand Mithilfe von Kyle McDonalds Gesichtserkennungssoftware Face-OSC
reagiert, setzte der kroatische Designer Marko Dugonjic schrieb Andy Clymer, Typedesigner bei Hoefler & Frere-Jones in
mit seiner Website für den Browser Chrome um: Entfernt New York, das kleine Programm Font Face, das die Parameter seines
man sich vom Bildschirm, wird die Schrift größer, kommt Gesichts auf einen Buchstaben anwendet, der mittels RoboFab
man näher heran, wird sie kleiner. Zukunftsweisend, aber gerendert wird. Andy Clymers Mund bestimmt die Buchstabensstär-
auch ein wenig verwirrend, da man sich automatisch ke – Bold bei geschlossenem Mund, Light bei weit geöffnetem –
vorbeugt, wenn man etwas nicht gut lesen kann – was die Neigung seines Kopfes legt den Neigungswinkel der Lettern fest,
dann als Reaktion darauf noch kleiner wird. die Höhe der Augenbrauen verändert die Farbe von Rot zu Orange.
≥ http://is.gd/Marko_Dugonjic ≥ http://is.gd/vimeo_font_face
page 11.13 077

tritt. Das hat damit zu tun, dass ich im


Laufe der Jahre übersensibel geworden »Vielleicht sind wir gestalter, die viel
bin. Aber diese gesteigerte Sensibilität
ist es ja, was das typografische Auge mit Drucksachen zu tun hatten,
vom Leseauge unterscheidet. Damit ei­
ne Schrift in meinem Auge angenehm tatsächlich genügsamer. Schriftbilder
wirkt, muss sie zwischen grobkörnigem
und Retina­Display bis zu einem halben differieren je nach papier, Druckerei,
Schriftgrad ab­ und zunehmen.
Sind Printdesigner, die am Bildschirm Wetter, Druckerlaune oder auflage«
lesen, vielleicht unempfindlicher
Indra Kupferschmid, Typografin und Professorin für Typografie
gegenüber nicht ganz perfekter Typo
als Webdesigner?
Indra Kupferschmid: Vielleicht sind und zweifellos kompetent in typogra­ gen Schriften, riesigem Zeilenabstand
wir Gestalter, die viel mit Drucksachen fischen Fragen, auf Papier wie am Bild­ und riesigen Rändern), deutliche Wort­
zu tun hatten, in der Tat genügsamer – schirm, verwendet für seine Site But­ abstände, entsprechende Ränder und
und ich schätze, den Lesern geht es terick’s Practical Typography mit seiner Zeilenlängen . . . All dies sind die Dinge,
ähnlich. Schriftbilder differieren je nach Equity eine Schrift, die nach meinem die bei Responsive Typography stim­
Papier, Druckerei, Wetter, Druckerlau­ Gutdünken bei der gewählten Schrift­ men sollten.
ne oder Aufage stark. Wenn man so größe unter WebKit zu wolkig rendert Oliver Reichenstein: Viel interessan­
will, hatte ich häufig schon innerhalb und für den Bildschirm etwas zu eng ge­ ter als die bloße Frage der Strichstär­
eines Buches Abweichungen in der setzt ist. Nichts Schlimmes, aber wenn ke ist, welche Art von Feinqualität eine
Stärke von Leicht bis Medium. er schreibt: »The fastest, easiest, and Schrift auf einem Retina­Display ange­
Oliver Reichenstein: Erinnert sich most visible improvement you can nehmer macht. Ich hege den Verdacht,
denn niemand mehr, dass man Gradie­ make to your typography is to ignore dass man in irgendeiner Weise mit Un­
rungen für verschiedene Papierquali­ the fonts that came free with your regelmäßigkeiten und einem Hinter­
täten gemacht hat? So weit ich es be­ computer (known as system fonts) and grundrauschen arbeiten muss, um die
urteilen kann, sehen Printaugen die buy a professional font«, dann denke Schrift nicht so kalkuliert wirken zu las­
Unterschiede einfach nicht so wie Bild­ ich eher: Damit, dass man keine Sys­ sen. Selbstverständlich kann man sich
schirmaugen. Matthew Butterick, ein temschriften wählt, hat man noch gar über solche Ideen lustig machen: »Ha­
großartiger Sprecher, Schriftgestalter nichts verbessert, im Gegenteil! Man ha, da beklagt sich ein Nostalgiker, dass
begibt sich zuerst einmal auf einen lan­ Schriften endlich perfekt sind!« Aber
gen Ast. Also, in einem ersten Schritt erwiesenermaßen fühlt man sich als
lieber nicht abweichen. Mensch in solch klinisch perfekter Um­
Wenn es nicht (nur) die Strichstärke ist – gebung unwohl. Von verschiedener
was ist für Responsive Typography Seite hört man auch: »Verwende doch
noch wichtig? einfach wieder Printschriften und halt
Indra Kupferschmid: In Hinsicht auf den Latz!« Aber was wenn nicht neue
Schrift: etwa gutes Rendering, gleich­ Technologie war der Motor typografi­
mäßige Strichstärken, nicht zu schma­ scher und schriftgestalterischer Ent­
le, rhythmische Proportionen, mode­ wicklung? Und ist denn ein Retina­Dis­
rate bis große x­Höhe, deutliche Innen­ play nicht eine radikal neue Entwick­
formen und Satzzeichen, Kerning, gute lung? Sollte man sich also nicht damit
Akzentbuchstaben. Allgemein sollte beschäftigen, wie man diese neuartige
die Schrift nicht zu eng in Proportion Technologie optimal nutzt? Sind Leute,
und Zurichtung und nicht zu fett und die darüber nachdenken, wie man wei­
nicht ultraleicht sein (das ist natürlich terschreiten sollte, wirklich Heulsusen?
sehr leicht gesagt!). Schriften mit gro­ Oder mangelt es den Leuten, die die
ßer x­Höhe, großzügigen Innenräu­ Rückkehr zur Printschrift fordern, nur
Von schmal men und wenig exzentrischen Details an Fantasie? Fürchten sie das Neue?
lassen sich bei niedriger Aufösung bes­ Ich sehe Retina­Displays als große
zu weit ser darstellen. Und davon, dass alle An­ Chance, Typografie und Schriftgestal­
Die Typo auf der A-List- wender hochaufösende Displays ha­ tung weiterzudenken.
Apart-Site passt sich ben, sind wir noch weit entfernt. Doch Hat der durchschnittliche Webdesigner
dem Hoch- oder Quer- ist es ein Trugschluss zu glauben, alle überhaupt ein typografisches Problem-
format an und ist so guten Drucktextschriften seien auto­ bewusstsein?
sehr lesefreundlich. Im matisch auch gute Schriften für den Indra Kupferschmid: Es entwickelt
Portrait-Modus eines Monitor. Da habe ich leider schon eini­ sich gerade. Schön wäre, wenn Typo­
Smartphones erscheint ge enttäuschende Bildschirmdarstel­ grafie und mit ihr zusammenhängen­
der Text in Georgia Pro lungen gesehen von Schriften, die ich de Probleme in der Ausbildung stärker
Condensed, im Land- für Printpublikationen wie Magazine, (oder überhaupt einmal) angespro­
scape-Mode hingegen Zeitungen oder Bücher super finde. In chen werden würden. Doch haben vie­
aber in der normal puncto Typografie: natürlich passender le Webdesigner und Entwickler keine
weiten Georgia Pro. Zeilenabstand, entsprechende Schrift­ formelle Ausbildung. Da bleiben ledig­
≥ http://alistapart.com größe (leider geht der Trend zu riesi­ lich entsprechende Artikel in Fach­
078 page 11.13 TYPO Responsive Typography

medien und die hoffentlich auch in Hard­ und Softwarehersteller bei Dis­
Zukunft weiterhin große Anzahl von plays und Renderingmethoden besser
Webdesignkonferenzen. abstimmen würden. Ein wichtiger und
Oliver Reichenstein: Als ich 2006 in guter Schritt war vor Kurzem die freie
unserem Blog schrieb: »Webdesign ist Veröffentlichung des CFF rasterizer von
95 Prozent Typografie«, gab es als Reak­ Adobe ( http://is.gd/cff_rasterizer ). Das
tion ein Riesentheater. »Ein Bild sagt wird die Bildschirmdarstellung von
mehr als tausend Worte«, »alles über­ Schriften schon bald merklich verbes­
trieben«, »lächerlich«, »Aufmerksam­ sern, da damit das aufwendige True­
keitsclown« und was ich da sonst noch Type­Hinting nicht mehr unbedingt
alles gehört habe. Aber: Der Eintrag ist erforderlich ist.
nach wie vor einer unserer beliebtes­ Nick Sherman hat ja die Idee, statt
ten. Inzwischen wird er auch wunder­ verschiedene Schriften für verschiede-
bar verstanden und darüber hinaus ne Geräte einzubinden, eine Art
kaum mehr angefochten. Macro-Hinting zu nutzen, mit dem die
Was ist technisch überhaupt schon Fonts intelligent auf die Umgebung
möglich, und worauf werden wir noch reagieren. Glyphen werden zum Bei-
warten müssen? spiel automatisch schmaler, wenn
Oliver Reichenstein: Verschiedene die Spaltenbreite geringer wird. Ist das
Gradierungen für verschiedene Rende­ technisch möglich?
ring­Umgebungen und Aufösungen Indra Kupferschmid: Das würde ein
auszugeben ist möglich, und wir haben Revival der parametrischen Schriften
damit bereits sehr gute Erfahrungen wie etwa ehemals Multiple Master
gemacht. Langfristig bleibt das wohl oder QuickDraw GX voraussetzen. Ich
eher eine Behelfslösung. Das neue iOS 7 glaube nicht, dass das momentan tech­
kommt mit Dynamic Type und das nisch so einfach möglich ist, aber grund­
heißt: je größer die Schrift, desto fei­ sätzlich halte ich das für sehr gut und
ner die Strichstärke – was grundsätz­ auch für realistisch, dass sich das um­
lich ein interessanter Ansatz und ein setzen ließe.
Schritt in die richtige Richtung ist. Je Oliver Reichenstein: Ich bin sehr
höher die Aufösung unserer Geräte, froh, dass ich jetzt mit meiner Wahr­
desto weniger relevant wird das The­ nehmung nicht mehr alleine stehe.
ma Strichstärke. Nick auf meiner Seite zu haben ist an­
Indra Kupferschmid: Für alles, wo­ genehm. Denn davon, wie man das
für es Media Queries gibt, kann man ein Problem technisch löst, versteht er viel
angepasstes CSS oder spezielle Font­ mehr als ich.
dateien an die jeweiligen Ausgabege­ Oliver, auf Ihrer Website und in der iOS-
räte senden. Das könnte man sicher App iA Writer haben Sie Responsive
noch mehr ausreizen, zum Beispiel mit Typography umgesetzt. Was genau
schmaleren Schriften für kleine schma­ haben Sie gemacht?
le Displays, wie sie auch Mobiltelefone Oliver Reichenstein: Wir haben von
haben. Auf der Website A List Apart der Typefoundry Bold Monday unter­
beispielsweise bekommt man im Por­ schiedliche Gradierungen der Schrift
trait­Modus des iPhone Georgia Pro Nitti für mittlere Aufösungen (iPhone 3,
Condensed angezeigt, im Landscape­ iPad 1 und 2, Mac OS X) und Retina­Dis­
Modus dagegen die normal weite Geor­ plays erhalten. Gleich nach den ersten
gia Pro. Das finde ich recht komforta­ Tests auf Retina­Displays haben wir die
bel, denn weite Schriften – und gute Gradierungen selbst vorinterpoliert
Bildschirmschriften für kleine Größen und getestet und bei Bold Monday für
haben häufig relativ breite Proportio­ den Feinschliff in Auftrag gegeben.
nen – sind in schmalen Spalten nicht Das Verwirrende an Responsive Typo­
so toll. Umgekehrt benötigen breite graphy ist ja gerade, dass man sie nicht
Schriften eher breite Zeilen. Wünschen sieht. In mittlerer Aufösung wirkt die
würde ich mir mehr und vor allem qua­ Nitti Light genauso wie unsere Gradie­
litativ bessere Media Queries. Zum Bei­ rung auf dem Retina­Display. Als wir iA
spiel ist es momentan nicht möglich, Writer aber zum ersten Mal auf einem
Logo-Stretching die exakte physische Größe eines Ob­ Retina­Display sahen, waren wir etwas
Experimental Jetset aus Amsterdam ent- jekts auf dem Bildschirm jeden Be­ beschämt. Die Schrift wirkte ohne die
wickelte für das Whitney Museum in New trachters zu bestimmen. In Pixel ja, vertraute Ausschmierung aufgrund der
York ein neues Corporate Design mit dem aber nicht wie groß in Millimetern mit Pixelierung so dünn und ausgehungert,
großen W als Logo. Die New Yorker Digital- dem Lineal gemessen. Darauf müssen dass ich selbst die Gradierung sofort
agentur Linked by Air sorgte dafür, dass es wir vermutlich noch eine Weile warten. zur Top Prio gemacht habe. Seitdem
sich jeweils den Ausgabegeräten anpasst – Schrift­ und Webentwickler versuchen wir unsere Webseite auf Responsive
schlank und lang oder kurz und breit. alles Erdenkliche zu tricksen. Dabei Design umgestellt haben, ist die Ver­
≥ http://whitney.org wäre es am einfachsten, wenn sich weildauer signifikant gestiegen. Ich
page 11.13 079

»Damit, dass man keine


Systemschriften wählt, hat
JETZT 1×
man noch gar nichts GRATIS
verbessert, im gegenteil!
Man begibt sich zuerst
Infos und Bestellung:
shop.weave.de/1xgratis TESTEN
einmal auf einen langen ast«
Oliver Reichenstein, Gründer von Information Architects

kann allerdings nicht mit wissenschaft­


licher Bestimmtheit sagen, dass es aus­
schließlich an der Typografie liegt, da
wir die Schriftgrade zur gleichen Zeit
mit einem ganz neuen Design einge­
führt haben.
Haben Sie schon für Kunden Websites
mit Responsive Typography realisiert?
Oliver Reichenstein: Nein, bisher
noch nicht. Responsive Typography
wäre bei leseintensiven Seiten wie Zei­
tungen zwar durchaus sinnvoll, aber
die Auslieferung von verschiedenen
Schriftgraden macht die Seite doch
schwerfälliger und die Implementie­
rung wird komplexer. Bei traffic­inten­
siven Seiten ist die Performance im­
mer noch wichtiger als der Feinschliff.
Bei einem Shop scheint mir responsive
Typo hingegen nicht so wichtig. Man
kann darüber streiten, ob Freitag.ch
nicht doch auf solche Details achten
sollte, aber bevor wir bei den Freitag­
Brüdern ein Budget für Responsive
Typography eingeben, sollten wir an
der grundsätzlichen Responsiveness
arbeiten. Und bevor wir daran arbei­
ten, haben wir geholfen, Redaktions­
prozesse zu definieren. Wichtiger als
die Darstellung der Inhalte sind ja die
Inhalte selbst.
Indra, ich habe schon mehrfach
von Responsive Typepalette gehört.
Was ist das genau?
Indra Kupferschmid: Das ist ein Tool,
an dem ich zusammen mit David Jona­
than Ross und anderen Cracks von Font
Bureau in Boston arbeite. Im Wesent­
lichen geht es darum, dass man über
verschiedene Regler die Spaltenbreite
und Größenpräferenz angibt und die
Anwendung dann anhand eines Algo­
rithmus eine passende Schriftgröße,
Zeilenabstand und Ränder vorschlägt.
Ich hoffe sehr, dass wir unsere Respon­
sive Typepalette bis zum Ende diesen
Jahres, zusammen mit weiteren Tools
für Schriftgrößen im Hinblick auf Lese­
abstand und zur Schriftwahl, veröf­
fentlichen können. ant
080 page 11.13

BILD
page 11.13 081

Kunstvoll
Was hatte die diesjährige Illustrative in Berlin zu bieten?
Wir zeigen eine Auswahl unserer Favoriten

1
Edgar Baks minimalis­
tische Hommage an die
Stadtteile Warschaus
082 page 11.13 BILD Illustrative

Taiwanesin Jennis Li n Ist es überhaupt Illustration im de bis zur U­Bahn­Fahrkarte kann man klärt es Pascal Johanssen. Kurz, Illustra­
Cheng Tien macht
aus Internetfotos
klassischen Sinne, was auf der Illustra­ fast alles zu Kunst oder zu Trash erklä­ tionen sind nicht so abgehoben wie
Gemälde tive zu sehen ist? Über weite Strecken ren, wenn man sich die richtige Begrün­ »echte« Kunst, handwerklich oft beein­
nicht wirklich. Denn Pascal Johanssen dung dafür ausdenkt. Erklärtes Ziel der druckend, und sie berühren den Be­
und Katja Kleiss, die den Event 2006 ins Illustrative­Macher ist es jedenfalls, die trachter oft mindestens ebenso nach­
Leben riefen, wollten von Anfang an die kunstvollen Arbeiten von Illustratoren haltig wie das, was man sonst in Gale­
Schnittmengen von »freier« Kunst und in die Galerien hinein zu bringen. »Was rien oder Museen sieht.
angewandter Illustration erkunden. die Sammler an Illustration schätzen,
Nun lässt sich die Frage, was Kunst ist die Lesbarkeit der Bilder, die techni­ Wer also brauchbare, anwendbare Il­
eigentlich ist, heutzutage ja ohnehin sche Finesse und eine gewisse Emotio­ lustration bei der Illustrative sucht, ist
kaum noch beantworten. Vom Gemäl­ nalität, die von ihr ausströmt«, so er­ schief gewickelt. In dem bis unter das
page 11.13 083

Dach mit Artworks ausgestatteten Ber­ Highbrow­Kunst ab. Ein klassischer Ver­
liner Direktorenhaus waren vielmehr treter dieses Stils ist Victor Castillo. Der
auch dieses Jahr vor allem freie Arbei­ in Los Angeles lebende Chilene verwan­
ten von Illustratoren zu sehen, aber delt auf seinen Leinwänden süßliche
auch Kreationen von Artists, die sich Comicelemente in surreale Horrorsze­
ohnehin kaum in »angewandte« Gefil­ narien, die auf der Illustrative einen
de begeben. Der künstlerische An­ ganzen Raum füllten. Auch die melan­
spruch des Festivals wurde 2013 sogar cholischen pastellfarbenen Bilder der
noch bekräftigt. In der Hauptausstel­ Taiwanesin Hsiao­Ron Cheng, auf de­
lung waren statt digitaler Editionen – nen meistens Mädchen, Pflanzen und
wie häufig in früheren Jahren – dies­ Tiere anzutreffen sind, lassen sich der
mal nur noch Originale oder streng Lowbrow­Kunst zuordnen.
limitierte Editionen zugelassen. Auch
Installationen und Objekte waren zu Das Schöne an der Illustrative aber
sehen, wobei hier der Bezug zum Gen­ ist die Vielfalt der Stile und Arbeitswei­
re Illustration nicht immer so deutlich sen, die man zu Gesicht bekommt –
ersichtlich war wie bei den Skulpturen darunter waren dieses Jahr unter an­
des in Barcelona lebenden Schweden derem die Collagen des Franzosen Seb
Axel Brechensbauer. Jarnot, die düsteren, an die sogenann­
Im Ganzen kann man vielleicht von te Metaphysische Malerei seines be­
einer großteils vom aktuellen Hipster­ rühmten Landsmann Giorgio de Chirico
Geschmack geprägten Pop­Art spre­ erinnernden Bilder des Italieners Mas­
chen oder den in den USA geprägten similiano Grandoni, die Ethnokunst der
Begriff der Lowbrow­Kunst ausweiten. zwischen Berlin und Kapstadt pen­
Letztere hat bekanntlich ihre Wurzeln delnden Urban Artist MYMO oder die
im Underground und grenzt sich – oft dreidimensionalen Kreationen aus Pa­
knapp an der Grenze zum Kitsch – ganz pier, Pappe und dünnen Holzstäben
bewusst gegen die etablierte elitäre der Leipziger Künstlerin Oskar Rink,

Das Raster hinter


den Arbeiten
der Niederländerin
Sigrid Callon stammt
aus der Stickkunst
084 page 11.13 BILD Illustrative

Eiko Ojala aus Tallinn täuscht


bei seinen »Reachers« das Auge
mit raffinierten Schatten

»Living in Danger«: Axel Brechensbauer


5 liebt es, flache Skizzen in dreidimensionale
Objekte zu verwandeln

die unter einem männlichen Pseu­ Buchillustration greifen fast alle zu­ 1 Edgar Bak aus Warschau ist ein
donym arbeitet. rück, aber auf stilistisch höchst hete­ Artdirektor und Grafikdesigner, der
Zur Vielfalt der Exponate trug stark rogene Weise. Durchgängig ist die kon­ gerne mit eigenen, extrem reduzier­
auch die Sonderschau polnischer Illus­ zeptionelle Kraft der Arbeiten. Mit Me­ ten Illustrationen arbeitet – und auch
tratoren bei, die Agata Nowicka und taphern zu arbeiten, wurde wohl in Typo minimalistisch­illustrativ einsetzt
Maria Zaleska von der Plattform Illo ku­ den Zeiten sozialistischer Zensur zur wie bei den Plakaten zum Filmfestival
ratierten. Wir haben der polnischen Il­ Gewohnheit, als man versuchte, ver­ »From Poland with Shorts«, das auch in
lustratorenszene ja schon einen gro­ steckte Botschaften in Bildern unter­ Berlin gastierte. Beim britischen Verlag
ßen Artikel gewidmet (siehe PAGE 07.13, zubringen. Zur starken Wirkung der Bil­ Unit Editions hat er mit Charlotte West
Seite 70 ff.), aber in Berlin gab es wie­ der tragen aber auch oft feine Ironie ein Buch über das legendäre, im Jahr
der eine Reihe spannender und eigen­ oder gar schwarzer Humor bei. Grund­ 1955 gegründete polnische Designma­
ständiger Arbeiten zu entdecken. Was sätzlich ja immer ein gutes Stilmittel, gazin »Projekt« herausgebracht. Wir
genau das Geheimnis der neuen pol­ um Vielschichtigkeit zu erzeugen. Mehr zeigen Illustrationen aus einer Serie
nischen Illustratoren­»Schule« ist, lässt polnische Illustration ist übrigens auf über die Stadtteile Warschaus. Darun­
sich schwer sagen. Aufs reiche visuelle http://illo.pl und dem Blog http://ilus ter Wilanow, wo die meisten jungen
Erbe der polnischen Plakatkunst und tracja.tumblr.com zu sehen. Familien wohnen, oder das vor dem
page 11.13 085

Zweiten Weltkrieg gebaute Saska Kepa. 5 Axel Brechensbauer entwarf in 6 Valero Doval war einer der 2013
Dort findet man niedrige Wohngebäu­ seinem Job als Produktdesigner von auf der Illustrative ziemlich zahlreich
de im Stil des Modernismus, die – wie der Sonnenbrille über Möbel bis zur vertretenen Collagekünstler. Der Illus­
es Edgar Bak ausdrückt – heute immer Astronautenausrüstung unterschied­ trator aus Valencia ist dieser Technik
noch smart sind. lichste Dinge. Dann beschloss er, sich verfallen, seit ein Freund ihm am Ende
≥  www.edgarbak.info vom Zwang zur Funktion zu befreien, seines Kunststudiums in Valencia eine
zog von Schweden nach Spanien in ein japanische Zeitung schenkte und er be­
2 Jennis Li Cheng Tien ist eine der abgelegenes altes Haus auf dem Land, gann, die für ihn sinnlosen, bunten Bil­
vielen Neu­Berlinerinnen, die die Kre­ um dort nach dem ultimativen Objekt der zu neuen Bedeutungen zusammen­
ativszene der Hauptstadt bereichern. zu forschen, das bloß die pure Form be­ zusetzen. Kommerziell arbeitet er heu­
Die Taiwanesin hat Interactive Media gehrenswert macht. Dabei entstanden te für Kunden wie Kenzo, Timberland,
in Singapur studiert und an der Bau­ Skulpturen wie die 56 Zentimeter hohe Panasonic, Orange, »Wallpaper« oder
haus­Universität Weimar einen Master Figur »Living in danger«, die eine sechs­ »The New York Times«. In seinen freien
of Fine Arts im Studiengang Kunst im eckige Form mit Popkultur­ und Comic­ Arbeiten ergänzt er gefundene Bilder
öffentlichen Raum und neue künstle­ elementen verbindet und gleichzeitig häufig nur durch einfache farbige geo­
rische Strategien erworben. Bekannt an antike ornamentale Skulpturen er­ metrische Formen wie Drei­ und Recht­
Bei seinen freien
wurde sie aber erst mal mit ihrem Pro­ innert. Im Moment verlegt Brechens­ ecke, Kreise, Ringe oder Eier. Dabei ist Collagearbeiten –
jekt »Have A Nice Day«, bei dem sie bauer sein Studio zurück nach Schwe­ die Collage kein ästhetisches Verwirr­ wie hier bei der
Personenfotos aus dem Internet auf ei­ den, wo er in der Hauptstadt Stockholm spiel, sondern arbeitet oft gezielt auf »Incubator Lounge«
und einem Schlaf­
ne Weise bearbeitet, dass anonymisier­ mit Anders Wirén die Firma Standard einen neuen Sinngehalt hin. So wird zimmer, das zu
te Gemälde daraus entstehen – wobei Standard gründete. Und die verkauft aus einer Ansammlung von Sesseln »Cosmic Dreams«
sie ihr Interesse an Malerei und aktu­ alles andere als Standardprodukte. eine Brutkasten­Lounge – Inkubator einlädt – arbeitet
Valero Doval
eller Mode verbindet. ≥  www.standardstandard.com;  für allerlei Neues. cg aus Valencia am
≥  http://dasplayhaus.tumblr.com http://mynameisaxel.com ≥  www.valerodoval.com liebsten per Hand

3 Sigrid Calon ließ sich für ihr Pro­


jekt »/ \ | & ­« durch Stickgitter inspirie­ 6
ren. Der Titel greift die in einem Drei­
mal­drei­Loch­Raster möglichen, acht
verschiedenen Stiche auf. Dieses Ras­
ter übersetzte die Niederländerin, die
ursprünglich Textildesign studierte, in
Druckgrafiken. Wobei wiederum auf
einem Risographen acht verschiede­
ne Farben zum Einsatz kamen, die wie
beim Sticken üblich »übereinanderge­
legt« wurden. So entstanden höchst
reizvolle Farb­ und Formexperimente,
die sie in einem Buch zusammenfass­
te – fünfzig davon sind als Einzelblät­
ter erhältlich und sehen besonders in
der Kombination faszinierend aus.
≥  www.sigridcalon.nl

4 Eiko Ojala aus dem estnischen Tal­


linn wurde Anfang des Jahres auf zahl­
reichen Designblogs mit seiner Serie
»Naked« gefeatured, die nackte Frau­
enfiguren aus scheinbar kunstvoll ver­
schachtelten Papiersilhouetten entste­
hen ließ. Doch es stellt sich auf Nach­
frage heraus: Was nach Handarbeit mit
Papier aussieht, entsteht in Handarbeit
am Computer. Wobei Ojala große Sorg­
falt in das Studium realistischer Schat­
ten steckt. In ganz schwierigen Fällen
fotografiert er sogar Schatten, um sie
in seine Bilder einzubauen. Das kommt
auch bei internationalen Kunden wie
etwa bei der »New York Times« oder
dem V&A Museum gut an. In der freien
Serie »Reachers« geht es darum, wie oft
wir uns und unsere Werte verbiegen,
um unsere Ziele zu erreichen.
≥  www.ploom.tv
086 page 11.13 BILD

BILDWELT

1 Mini-Wunderland
Frank Kunerts n Scherzhaft könnte man die Kreati- tografieren. Doch im Gegensatz zum Boden schwebt, oder ob das Abfluß-
»Menu à deux« onen von Frank Kunert als »Lowbrow«- cleanen und kühlen Demand geht es rohr einer Toilette direkt in einen Wohn-
und »Hotel Variationen auf die Arbeiten des welt- bei Kunert bittersüß, oft witzig und zimmerfernseher führt . . .
Bellevue« – unten berühmten Thomas Demand bezeich- ein wenig schmuddelig zu – egal, ob ein »Verkehrte Welt«, der erste Band
rechts ist zu nen. Wie dieser baut Kunert menschen- Museum of Contemporary Art so ab- sei ner surrealen Inszenierungen, he-
sehen, wie die leere Miniaturwelten, um sie später mit gehoben ist, dass die Zugangstreppe rausgegeben von Thilo von Debschitz
Bilder entstehen einer analogen Großbildkamera zu fo- unerrreichbar diverse Meter über dem und gestaltet in dessen Q Kreativge-
page 11.13 087

  Mehr zum Thema Fotografie und Illustration unter


www.page-online.de/emag/bild

sellschaft, erhielt 2009 den Deutschen in einem alten Postgebäude beheima-


Fotobuchpreis. Nun erscheint der Nach- tet ist, etwa für Kunden wie thjnk. Für
folger »Wunderland« – wieder bei Hatje die Agentur entstand eine ganze Rei-
Cantz – mit neuen Bildern zum Staunen he von 3-D-Schriftzügen im Rahmen
und Schmunzeln (72 Seiten, 16,80 Eu- einer Kampagne des Mobilfunkanbie-
ro, isbn 978-3-7757-3583-4). Auch ein ters Base. Vertreten wird Foreal von
Set mit zehn Postkarten ist unter dem Die Illustratoren in Hamburg und YCN
gleichen Titel zu haben. Talent Agency in London.
≥  www.hatjecantz.de ≥  www.weareforeal.com

2 Leben als Illustrator 4 Tierisches Vergnügen


n Hundert Aufträge oder mehr im n Ganz entzückend sind die Bilder,
Jahr – das sind Zahlen, von denen die die Index Book in »Bestiary. Inspiring 2
meisten Illustratoren nur träumen kön- animals by inspired artists« zusammen -
nen. Doch bei den Kollegen aus dem ge tragen hat (192 Seiten, 25 Euro, isbn Kustaa Saksi – hier eine Cover-Illustration fürs Magazin
Buch »A Life in Illustration. The Most 978-84-15308-44-7). Fotoinszenierun- »Nico« – plaudert aus seinem »Life in Illustration«
Famous Illustrators and Their Work« gen, Illustrationen, Street Art, Tapeten
(Gestalten, 256 Seiten, 39,90 Euro, isbn und Wandschmuck: Überall finden sich
978-3-89955-485-4) ist dies durch aus hier Tiere. Manche lassen sich an uner-
nichts Ungewöhnliches. Den Unterti- warteten Orten entdecken, wie Elefant
tel müsste man allerdings ein wenig oder Fuchs in den Linien der Londo-
abschwächen, denn es sind wohl nicht ner U-Bahn-Karte (siehe www.animals
»die« berühmtesten, aber einige der ontheunderground.com  ). Andere tre-
erfolgreichsten Zeichner derzeit, die ten als Hybride auf und repräsentieren
hier in ausführlichen Porträts aus dem etwa auf den Theaterplakaten von Isi-
Nähkästchen plaudern. dro Ferrer immer wieder neue Stücke.
Mit Artists wie Christoph Niemann, Oder Tiere nehmen riesige Dimensio-
Catalina Estrada, Peter Grundy, Jessica nen an, wie die 40 Meter lange Vogel-
Hische, Oliver Jeffers, Olaf Hajek oder skulptur, die Jean Jullien für die Bar Le
Jan van der Veken (über den gleichzei- Nid (zu Deutsch: das Nest) im obers ten
tig eine Monografie bei Gestalten er- Stockwerk eines Hochhauses in Nantes
schien) sind die wesentlichen Berei che schuf. Die Theke findet sich im Körper
der Branche vertreten: Werbung, Edi- des Vogels, Tische und Sitzgelegen-
torial, Mode, Infografik, Lettering und heiten haben die Form von Eiern. cg 3
narrative Illustration. Anhand wichti- ≥  www.indexbook.com
ger Protagonisten entsteht ein breites
Panorama der Zunft, von Stil über Benjamin Simon
Technik und Business bis zum Illustra- und Dirk Schuster
torendasein als Lebensstil. von Foreal
≥  www.gestalten.com schufen dieses
musikalische Herz
für das Cover
3 3-D-Duo von Neeons EP
n Foreal heißt das neue Studio für »Neeonovum«
3-D-Design und Artdirektion von Dirk
Schuster und Benjamin Simon – der
Na me deutet auf den realisti schen
Touch hin, der ihre Arbeiten fast echt
aussehen lässt. Beide Gestalter haben
schon zusammen in Trier studiert, ar-
beiteten später bei so bekannten Stu- Der schwedi-
dios wie ilovedust in Portsmouth und sche Still- und
Serial Cut in Madrid. Dort kreierte Food-Fotograf
Benjamin Simon übrigens auch das Carl Kleiner
Cover für PAGE 08.12 zu unserer Titel- kreierte vege-
geschichte »Idee komm raus«. tarische Tiere
Inzwischen sind die beiden zurück 4 für das Café M
in Trier und werkeln in ihrer Firma, die in Beirut
1 Das Erfolgsseminar
»Leitmedium Design« reloaded
Mit neuen Fallbeispielen – als Eintages-
oder Zweitagesseminar buchbar!

PRAXIS

Gutes DesiGn
entwickeln
Fallbeispiele & Strategien

Das Seminar 1 Der Referent Das Seminar 1


n Dass Design ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist, steht außer Frage: n Jochen Rädeker, Mitbegründer und geschäfts-
CD/CI-Agenturen verzeichnen eine Auftragslage wie schon lange nicht führender Gesellschafter von Strichpunkt, ist
mehr; klassische Werbeagenturen bauen ihre Design-Units aus; auch kleine Professor für Corporate Identity und Corporate
und mittlere Unternehmen entdecken die Notwendigkeit, sich durch einen Design. Er war acht Jahre Vorstandsmitglied des
professionell gestalteten, ganzheitlichen Auftritt – über alle Medien hinweg – Art Directors Club Deutschland, davon drei Jahre
den nachhaltigen Erfolg im internationalen Wettbewerb zu sichern. Auf als Präsidiumssprecher. Er ist Mitglied im D&AD
Designer kommen dabei neue Herausforderungen zu: Immer mehr werden London und im Type Directors Club New York.
sie auch zu Beratern für strategische Unternehmenskommunikation. Die Seine Designagentur Strichpunkt steht für hoch-
Entwicklung und Umsetzung eines Markenauftritts ist deshalb kein leichtes wertige Marken- und Unternehmenskommuni-
Unterfangen: Es ist ein langfristiger Prozess, der von Gestalter und Auftrag- kation im Print-, Online- und 3-D-Bereich, hat mehr
geber nicht nur gegenseitiges Vertrauen und Kooperationsvermögen erfordert, als 600 internationale Preise gewonnen und ist
sondern vom Designer auch die Kunst, Beratung, Konzeption und Umsetzung
zielgerichtet zu verzahnen.
Die Agenda
Jochen Rädeker erläutert im PAGE Seminar »Leitmedium Design« anhand eines
prototypischen, gemeinsamen Marken-Workshops und konkreter Praxisbei- 1. Vom Leitbild zur Bildwelt
spiele, wie Sie einen komplexen Gestaltungsprozess angehen, mit dem Kunden Was Corporate Identity von Corporate
eine umfassende Branding-Strategie entwickeln und – weit über Styleguides Design unterscheidet – und warum
hinaus – die gesamte Unternehmenskommunikation harmonisieren. Wertvolles das eine für das andere so wichtig ist.
Know-how vom Designprofi für Designprofis in Agentur und Unternehmen!
2. Vom Briefing zur Strategie
Das Seminar »Leitmedium Design 1« findet am 4. April 2014 im Hotel 25hours, Wie entwickelt man mit dem Kunden
Hamburg Bahrenfeld, von 9 bis 17:30 Uhr statt. Die Teilnahme kostet 648 Euro das optimale Briefing? Wie definiere
(zzgl. gesetzlicher MwSt.). Die Gebühr umfasst die Tagungskosten, Lunch ich eine Kommunikationsstrategie?
und Kaffeepausen. Die Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt! Also Der Marken-Workshop als zentraler
schnell anmelden unter www.page-online.de/seminar. Startpunkt in ein erfolgreiches Projekt.

Am Folgetag findet Jochen Rädekers Anschluss-Seminar zum Thema Kalkulieren, 3. Von der Strategie zur kreativen Idee
Präsentieren, Verkaufen statt. Sie können die Seminare einzeln buchen, sie Wie funktional muss, wie kreativ
bauen nicht direkt aufeinander auf. Wenn Sie aber beide buchen, zahlen Sie nur darf ein gutes Corporate Design sein?
1166 Euro (zzgl. gesetzlicher MwSt.) statt 1296 Euro und sparen 130 Euro. Möglichkeiten und Grenzen des
Kreativprozesses.

PAGE // Ebner Verlag GmbH & Co. KG // E-Mail: info@page-online.de // 4. Vom Leitmedium zur Medienneutralität
Telefon: +49 40 85183400 // www.page-online.de/seminar Wie werden aus einer großartigen
Idee großartige Medien?
Aufgrund der auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in der Reihen- Wege und Umwege zu einem
folge der Eingänge der Zahlungen berücksichtigt. Die Teilnahmegebühr fällt mit der Anmeldung an. Sie ist sofort nach konsistenten Markenauftritt.
Erhalt der Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage der Veranstaltung
seitens der Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprü-
che bestehen nicht. Bei Stornierung der Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 10. 01. 2014 berechnen Der PAGE Workshop mit Jochen Rädeker lässt
wir 50 Prozent, ab 14. 02. 2014 100 Prozent der Teilnahmegebühr. Bei Buchung beider Tage können seitens des Teil-
nehmers nicht einzelne Tage storniert werden. Die Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist jederzeit möglich.
genug Zeit für Fragen und Diskussionen und
Es werden nur schriftliche Stornierungen oder Namenswechsel akzeptiert. Es gilt der Poststempel. den Austausch der Teilnehmer untereinander.
april 2014
2 Das Erfolgsseminar
»Leitmedium Design« reloaded
Mit neuen Fallbeispielen – als Eintages-
oder Zweitagesseminar buchbar!

PRAXIS

Gutes DesiGn
Gut verkaufen
Kalkulation & Präsentation

Das Seminar 2
seit Jahren in den Top Ten des PAGE Kreativ- n Designer wollen nur eins: Top-Arbeit abliefern – über alle Medien hinweg.
rankings vertreten. Jochen Rädeker verfügt Denn das bringt dem Kunden Wettbewerbsvorteile und dem Gestalter
mit seinen Arbeiten für Unternehmen von Geld, Ruhm und Ehre. Doch vor der allgemeinen Freude steht harte Arbeit:
adidas bis WMF, von Beiersdorf über Vorwerk Wie wird ein Designkonzept kalkuliert? Wie werden Angebote vom
bis zu Kulturfestivals, Schauspiel und Oper Designer richtig formuliert und vom Kunden richtig bewertet? Wie laufen
über einen immensen Erfahrungsschatz in Verhandlungen für beide Seiten sinnvoll ab? Ist der Job da und die
Sachen Konzeption und Umsetzung komplexer Idee steht *, kommt die nächste Hürde: Wie kann ich bei internen und
Designstrategien – von der Imagebroschüre externen Präsentationen überzeugen?
bis zur Werbekampagne, vom Online- bis zum
Messeauftritt. Er ist Autor zahlreicher Bücher Jochen Rädeker erläutert anhand der zehn wichtigsten Erfolgsfaktoren
zum Thema Unternehmenskommunikation. (und Problemfelder) für ein gutes Projekt den optimalen Workflow zwischen
Kreativen und Auftraggebern. Am Beispiel konkreter Kalkulationen aus
unterschiedlichen Aufgabenfeldern von Print bis Online und vom kleinen
Die Agenda Projekt bis zum umfassenden Corporate Design zeigt er den Aufbau
eines überzeugenden Angebots und diskutiert mit den Teilnehmern, wie
1. Kunden stören. Kreative nerven Designleistungen fair bepreist, überzeugend verkauft und sinnvoll abge-
Vom Pitch bis zur Agenturauswahl, vom rechnet werden können. Das Seminar schließt mit ausführlichen Praxistipps
Briefing bis zum Timing, vom Angebot für erfolgreiche Präsentationen von Designern bei Kunden wie auch bei
bis zur Autorenkorrektur: Workflow, Stol- Meetings innerhalb von Unternehmen.
perfallen, Tipps und Taktik für den gegen-
seitigen Umgang der Projektpartner.
Das Seminar »Leitmedium Design 2« findet am 5. April 2014 im Hotel 25hours,
2. Richtig kalkulieren Hamburg Bahrenfeld, Hamburg, von 9 bis 17:30 Uhr statt. Die Teilnahme kostet
Stundensätze, Pauschalen, erfolgsabhängige 648 Euro (zzgl. gesetzlicher MwSt.). Die Gebühr umfasst die Tagungskosten,
Honorare, Nutzungsrechte: Welche Kalkulation Lunch und Kaffeepausen. Die Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt!
ist für welches Projekt richtig? Wo liegen Vor- Also schnell anmelden unter www.page-online.de/seminar.
und Nachteile, was bringt Erfolg und Transpa-
renz für beide Seiten? * Am Vortag findet Jochen Rädekers Seminar zum Thema Designstrategien
und Konzeption statt. Sie können die Seminare einzeln buchen, sie bauen
3. Richtig anbieten nicht direkt aufeinander auf. Wenn Sie aber beide buchen, zahlen Sie nur
Aus der Praxis für die Praxis: Aufbau, 1166 Euro (zzgl. gesetzlicher MwSt.) statt 1296 Euro und sparen 130 Euro.
Pricing und Rahmenbedingungen
überzeugender Angebote anhand
konkreter Kalkulationsbeispiele PAGE // Ebner Verlag GmbH & Co. KG // E-Mail: info@page-online.de //
Telefon: +49 40 85183400 // www.page-online.de/seminar
4. Überzeugend präsentieren
Pitch und Präsentation: 40 Tipps für Aufgrund der auf 18 Personen pro Veranstaltung begrenzten Teilnehmerzahl werden die Anmeldungen in der Reihen-
eine erfolgreiche Präsentation. folge der Eingänge der Zahlungen berücksichtigt. Die Teilnahmegebühr fällt mit der Anmeldung an. Sie ist sofort nach
Erhalt der Rechnung zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ohne Abzug zu überweisen. Bei Absage der Veranstaltung
seitens der Ebner Verlag GmbH & Co. KG wird die Seminargebühr voll zurückerstattet. Darüber hinausgehende Ansprü-
Der PAGE Workshop mit Jochen Rädeker lässt che bestehen nicht. Bei Stornierung der Anmeldung gelten folgende Fristen und Gebühren: Ab 10. 01. 2014 berechnen
wir 50 Prozent, ab 14. 02. 2014 100 Prozent der Teilnahmegebühr. Bei Buchung beider Tage können seitens des Teil-
genug Zeit für Fragen und Diskussionen und nehmers nicht einzelne Tage storniert werden. Die Vertretung eines angemeldeten Teilnehmers ist jederzeit möglich.
den Austausch der Teilnehmer untereinander. Es werden nur schriftliche Stornierungen oder Namenswechsel akzeptiert. Es gilt der Poststempel.
090 page 11.13

TECHNIK

avoid the Unexpected!


Google Glass soll 2014 erscheinen, andere Entwickler stehen mit ihren Smart-Glass-Konzepten
schon in den Startlöchern. Simon Ruschmeyer berichtet, wie sich die neue Gerätekategorie neben
Smartphones positioniert und was es beim Interface Design zu beachten gibt

n Die Idee einer intelligenten Brille Reality oder auch Augmented Reality es bietet ihm kontextsensitive Optio­
ist nicht neu, bereits im Jahr 1966 ent­ bezeichnet dabei Anwendungen, die nen an, wenn er sie braucht, ansons­
wickelte der US­amerikanische Virtual­ über das reale Sichtfeld des Anwen­ ten tritt es hinter die Inhalte zurück
Reality­Pionier Ivan Sutherland das al­ ders virtuelle Inhalte einblenden (Op­ und gibt die Sicht auf die reale Welt
lererste Head­Mounted Display. In den tical See­Through AR), sich in Realzeit frei. Kein Wunder also, dass Technik­
neunziger Jahren, als Jaron Lanier den an Bewegungen anpassen und auf enthusiasten den intelligenten Brillen
Begriff der virtuellen Realität prägte, Eingaben reagieren. entgegenfiebern. Endlich ein Gadget,
wurden diese Displays populärer und Diese Vermischung von realen und das Hände und Arme befreit. Große
insbesondere in Gamedesign und Me­ virtuellen Inhalten trifft ein Paradigma Euphorie löst unter Nerds darüber hi­
dienkunst experimentierte man viel des UI Designs im Kern: Das perfekte naus vor allem die Möglichkeit aus, mit
mit Virtual und Mixed Reality. Mixed Interface ist für den User unsichtbar, dem Gerät immer online zu sein.
page 11.13 091

Der Anwender
steuert Google
Glass über eine
Timeline, die sich
mittels Touchpad
am Brillenbügel
bedienen lässt
092 page 11.13 TECHNIK Interface Design für Smart glasses

Recon Jet soll Der Wechsel zwischen realer und Kein Medium zuvor ist dem Menschen Verbindung. Neuartig ist auch der Kno­

Quelle: http://jet.reconinstruments.com
im Februar 2014 virtueller Welt ist dann nur einen Wim­ so sehr auf den Leib gerückt, was deut­ chenlautsprecher, der Töne direkt als
verfügbar sein pernschlag entfernt. lich wird, wenn man einen Glass­User Vibrationen auf den Schädelknochen
und spricht mit bei der Benutzung beobachtet. Das des Nutzers abgibt, sodass nur dieser
ihrem Design und Der Cyborg im Display befindet sich kurz über dem die Töne hören kann. Der Akku, der im
den passenden rechten Auge, sodass er nach oben Bügel hinter dem Ohr steckt, hält im
Funktionali-
Überwachungsstaat schauen und im Nahbereich fokussie­ Normalbetrieb knapp einen Tag. Zum
täten in erster Seit der Ankündigung von Google Glass ren muss. Diese unnatürliche Blick­ Aufwecken der Brille neigt der User
Linie Sportler an überwiegen in der Presse allerdings die richtung erzeugt tatsächlich den Ein­ den Kopf nach oben beziehungsweise
kritischen Stimmen – angesichts des druck, dass er in eine andere Dimen­ tippt auf das auf dem rechten Bügel
NSA­Skandals werden zahlreiche Si­ sion starrt, wofür bereits die Wendung befindliche Touchpad. Applikationen
cherheitsfragen gestellt. Die Kamera­ »glassed out« geprägt wurde. aktiviert man meist per Stimme. Der
option des Geräts macht viele nervös, Befehl »Glass, take a picture« bringt
da über sie die Glass­User überwacht Wie Smart-glass-Interfaces das Gerät dazu, ein Foto zu schießen,
werden könnten. Noch mehr Sorgen »Glass, how do I say ›cucumber‹ in Ja­
bereitet es jedoch, dass jene heimlich
funktionieren panese?« liefert die passende Über­
ihre Umgebung filmen und so ihre Mit­ Von allen angekündigten Smart Glas­ setzung. Suchergebnisse auf derartige
bürger ausspionieren könnten. Obwohl ses sind über Google Glass die meis­ Anfragen werden sowohl im Display
die Brille erst von Early Adoptern in ten Details bekannt. Die Brille ist mit angezeigt, als auch über den Knochen­
den USA getestet wird, habe einige einem Prisma ausgestattet, das eine lautsprecher vorgelesen.
Cafés im Silicon Valley sich bereits zur Auflösung von 640 mal 360 Pixeln bie­ Die sogenannten Timeline­Cards
Glass­freien Zone erklärt. In Großbri­ tet. Der Anwender muss nach oben organisieren das Interface der Daten­
tannien hat das Verkehrsamt vorsorg­ blicken, um den Screen zu sehen – da­ brille, das zeitlich geordnet ist: Rechts
lich verkündet, dass das Tragen von mit lässt sich Google Glass als ein peri­ liegen Dinge aus der Vergangenheit
Google Glass beim Autofahren nicht phäres Display einordnen. Im Gegen­ (Fotos, Nachrichten et cetera), links öff­
erlaubt sei. Im Internet weht der Shit­ satz zu AR­Displays, die das gesamte net sich die Zukunft, beispielsweise
storm gegen die Wunderbrille und ihre Blickfeld ausfüllen, ist Google Glass ein Wetterinformationen oder Termine. Die
Träger werden wenig schmeichelhaft »Glance­at Device«, wie es der AR­For­ Timeline steuert der Anwender über
»Glass Holes« genannt. scher Blair MacIntyre von der Georgia das Touchpad am Bügel, mit einer
Neben den Überwachungsfragen Tech School of Interactive Computing Wischbewegung kann er vor­ und zu­
verunsichert einige auch das Ausse­ unterscheidet. »In gewisser Weise ist rückscrollen, durch Antippen wählt er
hen der Brille. Mit dem dicken, aufge­ Google Glass das Gegenteil von Aug­ eine Option aus, eine Wischbewegung
setzten Seitenrahmen, der Kamera und mented Reality, da die Aufmerksam­ nach unten geht eine Ebene zurück. In
Display enthält, erinnert der Nutzer an keit von der Realität weg und auf das der Timeline tauchen sowohl die Er­
den Terminator – Cyborg­Fantasien lie­ Display gezogen wird, das man dafür eignisse auf, die man mit dem Gerät
gen da nahe. Der alte Scifi­Mythos der fokussieren muss.« selbst generiert (Fotos, Videos, Such­
von Verbindung von Mensch und Ma­ Neben dem Prisma hat das Gerät ei­ anfragen) als auch News von abon­
schine scheint nun Realität zu werden. ne Kamera sowie Bluetooth­ und Wi­Fi­ nierten Diensten.

Das Start-up Meta


entwickelt die
Space Glasses,
die echte AR-
Anwendungen
und komplexe
Gesteninter-
aktionen ermög-
lichen sollen
page 11.13 093

Der vergrößerte
Ausschnitt des
Recon-Jet-Inter-
faces zeigt, wie
das Display
Informationen
wie die Herz-
frequenz oder
die Laufstrecke
anzeigt

Mit den drei Touchgesten Swipe Smartphone. Eine Beschränkung, durch für April 2014 angekündigte Stream­
Down, Scroll und Tap steigt der Nutzer die CEO Francesco Giartosio und sein lined Edition seiner Space Glasses wird
tiefer in die Navigation ein. Sobald er Team ihr Produkt im Vorteil gegenüber mit Gesten steuerbar sein und bietet
eine Timeline­Card durch Tippen akti­ Google Glass sehen. Denn dadurch sei mit zwei Projektoren echte Augmen­
viert hat, erscheinen Optionen, durch sowohl eine längere Batterielaufzeit als ted Reality, die das gesamte Sichtfeld
die er sich scrollend navigiert. Per Tip­ auch ein angenehmeres Seherlebnis ausfüllen soll. Über die Gestensteue­
pen wählt er die gewünschte aus. Man­ möglich, da die Nachrichten mittig un­ rung soll man so zum Beispiel virtuelle
che Timeline­Cards sind mit einer um­ ten auf dem Display erscheinen sollen. Skulpturen im realen Raum erstellen
gefalteten Ecke als Bündel gekenn­ Ob diese Funktionalität ausreicht, können. Anders als die meisten Smart
zeichnet, ein Tippen auf eine solche um Google ernsthaft Konkurrenz zu Glasses sind die Space Glasses aber
Karte öffnet eine Unterebene, auf der machen, bleibt abzuwarten. Beim De­ nicht für den Alltag gedacht, sondern
dieses aufgefächert wird. sign des Brillengestells haben die Ita­ hauptsächlich für Unterhaltungszwe­
liener den Kaliforniern jedoch einiges cke und die berufliche Nutzung.
alternativen zu voraus. Während Google Glass seinem
Träger den Cyborg­Look verleiht, soll
google glass GlassUp im modischen Hornbrillende­
UI-Design: Weniger ist Mehr
Recon Instruments will ab Februar 2014 sign erscheinen. Doch auch das Produkt Viele Beobachter verstanden Smart
ihr Head­up­Display Recon Jet auf den von Google hat noch Entwicklungspo­ Glasses zu Beginn als Smartphone­Er­
Markt bringen, das auf den Einsatz im tenzial beim Design; so hat man be­ satz, ein zweiter Blick zeigt, dass die
Sportsegment ausgelegt ist. Wie bei reits Kooperationen mit Ray­Ban und Brillen eher als Ergänzung dazu konzi­
Google stört das Display nicht die Sicht, Warby Parker angekündigt. Und im Web piert werden. Da Smartphone­Nutzer
hier ist der Screen allerdings im peri­ machen schon Verbesserungsvorschlä­ häufig schon von der Funktionsvielfalt
pheren unteren Sichtfeld angeordnet, ge die Runde, zum Beispiel eine Reihe ihrer Geräte überfordert sind, sollen
damit man beim Sport nicht in die von 3­D­Renderings des Mobile­Deve­ Smart Glasses sich zurückhalten und
Sonne blinzeln muss. Gesteuert wird lopment­Studios Sourcebits, das sich kontextsituative Informationen mit ein­
das Recon Jet über einen optischen Google Glass auch als schwarze Horn­ deutigen Interaktionsoptionen bieten.
Touchsensor, der sich auch mit Hand­ brille vorstellt (siehe Seite 94). Google­Entwickler Timothy Jordan hat
schuhen bedienen lässt. Voice­Control Aus Japan kommt ein weiterer Mit­ in seinem Vortrag »Building New Ex­
ist wohl technisch möglich, wird aber bewerber, der durch Design überzeugt. periences with Glass« auf der SXSW­
beim Release nicht integriert sein. Der Technologieexperte Takahito Igu­ Konferenz die User­Interface­Guide­
Noch ein bisschen simpler gehalten chi will mit seiner Firma Telepathy das lines für Google Glass vorgestellt.
ist das ebenfalls ab Februar 2014 er­ Telepathy One auf den Markt bringen, An erster Stelle steht die Empfeh­
hältliche GlassUp der italienischen Fir­ bei dem Live­Videostreaming im Mittel­ lung »Design for Glass«. Developer soll­
ma Si14. Steuern lässt es sich via Touch­ punkt stehen wird, mit Details zu den ten nicht versuchen, Software von mo­
Control am Brillenbügel. Das mono­ Interaktionsmodi hält man sich bisher bilen Geräten zur portieren, da Glass
chrome Display stellt nur Text dar. Die zurück. Einziger Konkurrent, der an­ ganz andere Anforderungen an das De­
Entwickler verstehen ihre Brille somit dere Interaktionsmöglichkeiten plant, sign stelle. Dann »Keep it timely«: Glass
auch eher als Zweitbildschirm zum ist das kalifornische Start­up Meta. Die sei ein »Jetzt­Gerät«, auf dem Nach­
094 page 11.13 TECHNIK Interface Design für Smart glasses

Quelle: www.sourcebits.com
Sollte sich die richten von gestern nichts zu suchen abgespeckte Versionen der jeweiligen auch vorgelesen. Somit hat er die Hän­
Technologie hätten. Drittens gilt »Don’t get in the mobilen Apps. Mit der Facebook­Vari­ de frei, um zu kochen, und das Rezept
in Zukunft way«. Zeige Informationen, wenn diese ante kann man Fotos teilen, die man jederzeit vor Augen.
verkleinern gewünscht werden, sonst bleibe un­ mit Glass aufgenommen hat, aber bis­ Auch der Interactive Rescue Assis­
lassen, wären sichtbar, und als viertes Prinzip nennt lang keine Videos. Es ist auch nicht tant der Essener Interactive­Agentur
auch schlan- Jordan: »Avoid the Unexpected«. Man möglich, den eigenen Facebook­Stream SawatzkiMühlenbruch zeigt das Poten­
kere Brillen- solle dem User genau die Interaktions­ zu lesen. Mit der Glassware von Twit­ zial der freihändigen Anwendung. Die
gestelle denk- optionen geben, die er von der jewei­ ter lassen sich hingegen sowohl Fotos Ersthelfer­App soll bei Unfällen einen
bar. Hier eine ligen App erwarte und ihn nicht mit als auch Videos veröffentlichen, und automatischen Bericht an die Einsatz­
Designstudie mehrdeutigen Auswahlmöglichkeiten man erhält Direktnachrichten derje­ zentralen übermitteln und dem Helfer
von Sourcebits irritieren. Bei allen Smart Glasses muss nigen, denen man folgt. Über das My­ exakte Vorgehensweisen einblenden.
ein kontextsensitives User Interface Glass­Panel, indem man jede Glass­ Sie wird auch für Smartphones entwi­
höchste Priorität sein; verwirrende Op­ ware konfigurieren kann, lassen sich ckelt, hat aber im Zusammenspiel mit
tionen im Blickfeld würden schnell zu außerdem einzelne Anwender bestim­ Smart Glasses einen klaren Mehrwert.
Frustration beim User führen. men, deren Tweets man auf seine Bril­ »Nutzt du die Rescue­App mit deinem
le senden lassen möchte. Smartphone, hast du nur eine Hand
»Konfiguration vs. Kuration« könn­ frei oder musst, wenn dein Handy auf
apps für Smart glasses te man den Gegensatz nennen, zwi­ dem Boden liegt, ständig den Blick vom
Welche Smart­Glass­Konzepte sich am schen dem zahlreiche Glassware­An­ Unfallopfer abwenden. Neben zwei
Ende durchsetzen können, wird sicher wendungen pendeln. So lassen sich freien Händen ist bei der Nutzung mit
von der Qualität der verfügbaren Apps beispielsweise bei der CNN­App einzel­ Google Glass auch die Knochenschall­
abhängen. Google nennt die Apps für ne Ressorts abonnieren, während die technik ein Vorteil, da die Töne des Ge­
ihre Brille passenderweise Glassware. NYTimes­App die wichtigsten Nach­ räts direkt ins Innenohr geleitet wer­
Neben Google Now, Google+, Maps richten zusammenstellt und stündlich den und nicht die Außengeräusche
und Gmail sind bislang hauptsächlich ein Bundle in die Timeline schickt. Die überdecken, wie es ein Kopfhörer tun
Social­Media­Dienste wie Twitter, Face­ einzelnen Meldungen enthalten ein würde. Leistest du also Hilfe am Stra­
book und Path verfügbar, außerdem Foto und eine Headline, eine kurze Zu­ ßenrand, hörst du das herankommen­
News­Services wie NYTimes oder CNN. sammenfassung kann man sich vorle­ de Auto und kannst dich im Notfall
Bei den meisten dieser frühen Glass­ sen lassen. Die Informationsgehalt der rasch in Sicherheit bringen«, erläutert
ware­Anwendungen handelt es sich um App ist somit sehr begrenzt, da holt Geschäftsführer Kay Mühlenbruch. Der
man wohl doch lieber das Smartphone in der Entwicklung befindliche Inter­
raus, um die News zu lesen. Viele die­ active Rescue Assistant hat den mit
ser ersten Glassware­Apps wirken noch 250 000 Euro dotierten Förderpreis des
nicht besonders ausgereift, wie be­ Landes NRW erhalten.
Development für Google Glass schnittene kleine Brüder ihrer großen Das Open­Source­Projekt OpenGlass
Smartphone­Geschwister. der beiden Doktoranden Andrew Miller
n Designer und Coder finden unter folgenden Links und Brandyn White bringt die Smart­
nützliche Ressourcen für die Glassware­Entwicklung. Neue geräte erfordern Glass­ mit anderen Technologien zu­
Neben Googles Angeboten ist das Photoshop­Tem­ sammen. Es nutzt Bildklassifizierungs­
plate für die Timeline­Cards sehr hilfreich; mit Glass Sim
neue ansätze techniken und Crowdsourcing, um un­
kann man direkt im Browser Prototypen erstellen. Das Potenzial der Smart Glasses wird ter anderem Nutzer mit Sehschwäche
insbesondere bei Apps deutlich, die zu unterstützen. Diese können mit
Google UI-Design Guidelines die Freihändigkeit bei der Interaktion Google Glass ein Foto schießen und
≥  https://developers.google.com/glass/ui-guidelines nutzen. KitchMe ist die erste Rezept­ dieses dann an die Crowd schicken, et­
Google Mirror API Playground datenbank, die eine Glassware­App wa via Twitter oder Amazon Mechani­
≥  https://developers.google.com/glass/playground anbietet. Mit der Spracherkennung cal Turk, um sich eine Frage über die
Google Glassware PSD Template kann der Anwender nach Rezepten Umgebung beantworten zu lassen. Sol­
≥  http://glass-ui.com/ suchen. Wenn er eines ausgewählt hat, che Services gibt es bereits für Smart­
Prototyping Glass Applications bekommt er die Zutaten eingeblen­ phones, sie sind damit allerdings er­
≥  http://glasssim.com/ det. Die Kochanweisungen werden so­ heblich schwieriger zu bedienen. Die
wohl auf Timeline­Cards angezeigt als Library von OpenGlass bietet noch
Lückenlose Inspiration!
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096 page 11.13 TECHNIK Interface Design für Smart glasses

Die KitchMe- sign für Smart Glasses derzeit Kontex­


Glassware bietet tualität und Einfachheit sind. Künftig
ein klares Inter- sind jedoch komplexere Interaktions­
face. Der Koch modi zu erwarten. Schon bald könnte
hat das Rezept neben Voice­, Touch­ und Gestensteue­
stets vor Augen, rung auch Eyetracking als Eingabeop­
aber die Hände tion für Smart Glasses hinzukommen.
frei zum Kochen Am Fraunhofer IOSB wird derzeit eine
Datenbrille entwickelt, die sich via Blick
steuern lassen soll und die das Pro­
blem der Informationsüberforderung
von Smart­Glass­Usern mindern könn­
te. Im Projekt »ARtSENSE« am FZI For­
schungszentrum Informatik des Karls­
ruher Instituts für Technologie (KIT)
wird diese Brille eingesetzt, um AR­Leit­
systeme für Museen zu entwickeln.
Die Herausforderungen beim Inter­
face Design für Smart­Glass­Anwen­
dungen beschreibt Eduardo Monari,
promovierter Ingenieur am Fraunho­
fer IOSB: »Unsere Probanden stufen ein
minimalistisches Design der Benutzer­
oberfläche mit wenigen, klar struktu­
rierten Bedien­ und Darstellungsele­
menten für Optical See­Through AR als
zielführend ein.« Da es aber ja gerade
der Zweck von AR­Anwendungen sei,
ergänzende Informationen zur Umge­
bung zu bieten, sei es nicht so einfach,
sich hier in Zurückhaltung zu üben.
Eyetracking könnte beim automa­
tischen Erkennen von Nutzerinteres­
sen große Dienste leisten, so Eduardo
Monari. Fokussiert ein Nutzer zum Bei­
spiel ein Museumsobjekt für einen ge­
wissen Zeitraum, erkenne das System
diese Aufmerksamkeitskonzentration
und böte die passenden Informatio­
nen per AR­Einblendung an. Anschei­
nend hat auch Google das Potenzial
von Eyetracking für Smart Glasses er­
kannt und sich ein Patent für ein Ver­
fahren zur Messung der Wirkung von
viele weitere Funktionen, um Glass­ pelfarben erkennen und ist lernfähig, Werbung gesichert. Dabei solle neben
ware zu entwickeln, auch erste Ansät­ so kann es sich beispielsweise die Ge­ der Dauer, mit der ein User eine Wer­
ze für AR­Anwendungen. OrCam aus sichter von Bekannten merken. bung betrachtet, auch die emotionale
Israel arbeitet ebenfalls an einer Seh­ Reaktion anhand von Pupillenanalysen
hilfe. Die Kamera mit Knochenlautspre­ Komplexere Interaktion in möglich sein. Ob die Technologie bei
cher kann man auf handelsübliche Bril­ Glass zum Einsatz kommen soll, will
lengestelle setzen. Zeigt der Anwen­
der Zukunft Google bisher nicht bestätigen, wohl
der auf einen Text, liest die Sehhilfe Alles in allem lässt sich sagen, dass die auch um neuen Überwachungsfanta­
diesen vor. Das Gerät kann auch Am­ höchste Prämisse beim Interface De­ sien keinen Nährboden zu geben.

Die NYTimes-
Glassware liest
dem Nutzer kurze
Meldungen vor
Anzeige von Adobe Systems GmbH

Adobe Expertenforum
Hier beantwortet das Adobe-Expertenteam häufig gestellte Fragen rund um die Creative Cloud.
Diesmal geht es um Interaktions- und Motiondesign fürs Web mit Edge Animate CC

I
n Sachen Webanimationen hat cken sicher zu durchqueren. Rückspra- der Workflow zwischen den verschie-
sich in den letzten beiden Jahren chen mit dem Entwickler, die etwa beim denen Disziplinen und Teams in der
manches grundlegend verändert. klassischen Photoshop-Workflow not- nächsten Zeit weiter verbessert.
HTML5 und Co wurden erwachsen wendig sind, gehören damit der Vergan-
und führten zahlreiche neue Möglich- genheit an, denn alles, was gestaltet wird, Die Entwickler im Blick
keiten unter anderem für die visuelle kann dank der integrierten Browser- Neben dem »Design in a Browser«-
Kreation ein. Der Animations-Alles- Vorschau auch tatsächlich dargestellt Prinzip fördert Animate das Zusam-
könner Flash Platform hat sich zur werden. Die mühsame Erstellung einer menspiel mit den Entwicklern auch da-
lebendigen Spieleplattform und State- Vielzahl von Bild-Slices entfällt. durch, dass es etablierte Techniken und
of-the-Art-Basis für Premium-Video- Zusatzbibliotheken wie yepnope zum
inhalte gemausert und kommt dem- Stärken für die visuelle Laden von Ressourcen oder das omni-
entsprechend nur noch vereinzelt im Kreation präsente jQuery für die DOM(Do-
klassischen Webdesign zum Einsatz. Wer bereits mit Flash Professional oder cument Object Model)-Manipulation
Den wachsenden Fähigkeiten der of- After Effects Erfahrungen gesammelt verwendet. Zudem speichert das Tool
fenen Webstandards, wie HTML, CSS hat, wird sich recht schnell in Animate sämtliche Dateien als offene HTML-
und JavaScript, und der schier unein- zurechtfinden. Doch auch Neulinge und JavaScript-Files, was Freunde von
geschränkten Liebe vieler Webworker nimmt das Tool an die Hand. So be- Versionsverwaltungen à la SVN oder
zu ihnen wird Adobe mit einer neuen grüßt Animate sie mit verschiedenen Git freuen wird, denn dort lassen sich
Produktlinie gerecht: den Edge Tools & In-App-Tutorials zum direkten Mitma- Animate-Projekte ohne Umwege ein-
Services. Während einige der enthalte- chen. Auch das für Motiondesign ele- und auschecken.
nen Werkzeuge eher die programmie- mentare Easing-Verhalten unterstützt Den Beweis, dass Animate aufgrund
rende Zunft im Blick haben oder sich den Anwender mit nachvollziehbaren offener Webstandards und jQuery auch
noch im unfertigen Preview-Stadium Vorschau-Graphen, die das Erzeugen für Entwickler äußerst spannend ist,
befinden, ist eines davon bereits »ready von non-linearen Animationen, etwa habe ich mit der Erweiterungsbiblio-
for primetime«: Edge Animate CC. eines »Abbremsens«, zum Kinderspiel thek Edge Commons angetreten. Diese Mit Edge
werden lassen. bohrt Animate auf und stellt so auf ein- Animate CC
Ein modernes Tool für Auch Bewegungspfade und Web- fache Weise viele Zusatzfunktionen kos- können
moderne Ansprüche fonts lassen sich dank der kostenlosen tenlos bereit. Zu den Highlights zählen Kreative sich
Auch wenn man mit Animate ohne Schriftenbibliothek Edge Web Fonts Parallax, Media Overlays oder der Com- visuell aus-
technischen Background unmittelbar und ihrer bewährten Typekit-Infra- position Loader. Zahlreiche Tutorials toben – und
und intuitiv interaktive Webanimatio- struktur direkt und ganz ohne Code- zu Animate sowie einen kleinen Markt- erzeugen dabei
nen kreieren kann, lohnt sich ein kur- kenntnisse verwenden. Die nahtlose In- platz für kostenlose Komponenten und direkt HTML,
zer Blick hinter die Kulissen, um die tegration von Adobes Creative-Cloud- Vorlagen stelle ich auf meiner Site www. CSS und
Potenziale zu erkennen. So setzt die Diensten wird dafür sorgen, dass sich edgedocks.com bereit. Simon Widjaja JavaScript
Bühne des Tools bei der Darstellung
auf Chromium (CEF), das Browser-
fundament, das uns beispielsweise in
Form von Google Chrome oder beim
mobilen Surfen häufiger begegnet. Da-
mit ist eines der ersten Kreativwerk-
zeuge entstanden, das dem modernen
Paradigma »Design in a Browser« ge-
recht wird.
Sämtliche Werkzeuge innerhalb von
Animate übersetzen die kreative Arbeit
also direkt in Code, den jeder moderne
Browser darstellen kann. Möchte man
etwa mit Schlagschattenvariationen, ab-
gerundeten Ecken oder den neuen, in
CSS3 eingeführten Verläufen experi-
mentieren, hilft Animate dabei, den
sonst häufig schwer nachvollziehbaren
Dschungel an Kompatibilitäts-Fallstri-
098 page 11.13 TECHNIK Computational Spaces

Sprich mit mir!


An der HAW Hamburg denken Design- und Informatikstudenten die Interaktion
zwischen Mensch und Ding neu

Einige Arbeiten aus n Was passiert, wenn man Designer und Informatiker zu­ Hübler: Für Designer ist es wichtig, Technik besser zu ver­
dem »Computatio- sammensetzt und sie gemeinsam Anwendungen entwickeln stehen. Ich glaube, dass es da künftig mehr Überschneidun­
nal Spaces«-Projekt lässt? Die Departments Informatik und Design an der Hoch­ gen geben wird. Technologie wird für Kommunikations­
sind am 2. November schule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg ha­ und Modedesigner immer interessanter und relevanter. In­
bei der Hamburger ben es unter der Leitung von Professorin Franziska Hübler terdisziplinarität ist für die spätere Berufswelt sehr wichtig.
Nacht des Wissens (Design) und Professorin Dr. Birgit Wendholt (Informatik) Birgit Wendholt: Die Informatiker lernen projektbezo­
auf dem HAW- ausprobiert. Inhaltlicher Schwerpunkt des Gemeinschafts­ genes Arbeiten – statt wie sonst für Klausuren zu büffeln.
Campus, Berliner projekts »Computational Spaces« ist die Erprobung neuer Und sie lernen querzudenken und ihr kreatives Potenzial
Tor 5, zu sehen Interaktionsformen zwischen Mensch und Objekt bezie­ auszuleben. Zudem ergibt sich im Studium ansonsten kaum
(http://computatio hungsweise Raum. Statt klassischer Eingabegeräte wie Tas­ die Möglichkeit, interdisziplinär zusammenzuarbeiten.
nalspaces.org) tatur, Maus und Touchscreen steuern direkte und indirekte Wie sieht das organisatorisch aus?
Gesten und Bewegungen des Menschen sowie messbare Wendholt: Die Kooperation ist nicht institutionalisiert in
Größen der Umgebung, etwa Temperatur oder Sound, die dem Sinne, dass es einen Kurs beider Fachbereiche gibt. Im
Reaktion der künstlerischen Installationen. Design ist »Computational Spaces« als Kurs angelegt, bei den
Die Studenten loten so in jedem Semester die Schnitt­ Informatikern als viermonatiges Projekt im fünften Semester.
stelle zwischen physischer und virtueller Welt aus. Dabei ent­ Hübler: Aus dem Design können Studierende aus dem drit­
stehen surreal­poetische oder ironisch­lustige Objekte. Die ten bis zum fünften Semester teilnehmen.
Entwicklungen der Studenten im freien Experimentierfeld Wie gut sind die Studierenden in dieser Phase gewappnet
der Hochschule liefern auch Denkanstöße für die Umset­ für solche Projekte?
zung kreativer Auftragsarbeiten, etwa Projektionen und in­ Wendholt: Die Informatiker stehen zu diesem Zeitpunkt
teraktive Installationen für Kunden wie Intel oder Sony. kurz vor ihrem Bachelorabschluss und können schon ziem­
Franziska Hübler und Birgit Wendholt lich viel. Zudem haben wir mittlerwei­
erzählen im Interview von ihren Erfah­ le viel Erfahrung gesammelt und wis­
rungen und was Designer und Informa­ »Beide Disziplinen sen, welche Werkzeuge man braucht,
tiker voneinander lernen können. nik um schnell zu einem Ergebnis zu kom­
müssen für sich men. Es gibt Softwarebibliotheken, die
Wie kam es zu der Zusammenarbeit? man adaptieren kann oder Ergebnisse
Franziska Hübler: Einem Informa­
tikprofessor war zu Ohren gekommen,
eine vollwertige aus vorherigen Semestern, auf die man
aufsetzen kann. Außerdem laden wir
dass es im Fachbereich Design eine
Professorin gibt, die lötet und pro­
arbeit machen. alle Studierende ein, die bereits an einem
Projekt mitgearbeitet haben und die
grammiert – das war ich. Zu der Zeit
haben die Informatiker viel mit Ro­
sollen das gefühl anderen unterstützen können.
Gibt es eine Aufgabenverteilung?
botern gearbeitet und wie ich mit Mo­
toren und Sensoren experimentiert.
haben etwas Haben die Designer die Ideen und die
Informatiker setzen sie um?
Wir Designer haben die Sachen zum
Beispiel in Bekleidung eingenäht und
geschafft zu haben« Wendholt: Wir legen großen Wert
darauf, dass genau das nicht passiert!
kleine interaktive Objekte gestaltet. Beide Disziplinen müssen für sich eine
Die Informatikprofessoren Gunter Klemke, Birgit Wendholt vollwertige Arbeit machen. Alle sollen das Gefühl haben, et­
und Kai von Luck kamen daraufhin auf mich zu und wir ha­ was geschafft zu haben. Das ist aber kein Selbstgänger.
ben unser erstes großes Testprojekt mit je zehn Design­ Wenn wir die Tendenz bemerken, dass in einer Gruppe eine
und Informatikstudenten umgesetzt. Dabei handelte es Disziplin überhandnimmt, intervenieren wir schon mal.
sich um die partizipatorische Ausstellung »Ambient Aware­ Gibt es Teams, bei denen die Zusammenarbeit besonders
ness Environment« mit Installationen, die auf unterschied­ gut geklappt hat?
liche Arten auf die Besucher reagierten. So antworteten sie Wendholt: Janina Schlichte (Design) und Iwer Petersen
etwa auf deren Bewegungen, Geräusche oder Gesten mit (Informatik) sind ein Dream­Team. Die beiden realisieren
eigener Bewegung, Licht, Film oder Sound. momentan neben dem Studium das studentische Projekt
Hat die Zusammenarbeit auf Anhieb funktioniert? »HAWilux«, für das sie Fördergelder von der Fakultät Tech­
PAGE Online Hübler: Natürlich gab’s zunächst Barrieren und Vorbehalte nik und Informatik erhalten haben. Unter der Leitung der
Weitere Arbeiten gegenüber der anderen Disziplin. Wir hatten auch leichte beiden und des Programmierers Björn Eberhardt erfor­
aus dem Projekt Sprachprobleme. Aber letztlich haben beide Bereiche von­ schen die Studierenden hier Möglichkeiten, Informatik und
stellen wir unter einander gelernt. Einige Studenten sind vom ersten Projekt Design in technisch anspruchsvollen, ästhetischen und
www.page-online. an bis zum Master bei dem Thema geblieben. funktionalen Objekten zu verbinden und innovative Me­
de/computational- Was können Designer von Informatikern lernen – dienkunst zu kreieren. Im Rahmen von Workshops geben
spaces vor und umgekehrt? sie ihre Erkenntnisse an andere Studierende weiter.
page 11.13 099

Hübler: Das ist genau unsere Intention: Die Studierenden


so zu begeistern, dass sie selbstständig weiterarbeiten und
sich entwickeln. Hochmotiviert lernt man am besten.
In welche berufliche Richtung gehen die Teilnehmer später?
Wo können sie diese Erkenntnisse anwenden?
Hübler: Momentan am besten im akademischen Bereich,
weil der sich der Forschung und Innovation widmet. Aber
ich denke, es wird immer mehr Firmen geben, die sich auf
dem Gebiet Computational Spaces selbstständig machen.
Noch nicht so sehr in Deutschland, sondern mehr in den
USA und Großbritannien.
Was für Firmen sind das?
Hübler: Was Projektionen angeht, zum Beispiel Marshmal­
low Laser Feast, in puncto interaktive Installationen etwa
Troika. Beide Studios sitzen in London. Andere Agenturen
mit diesem Schwerpunkt arbeiten mehr im künstlerischen
Bereich und machen Installationen oder haben sich auf
Events oder Messen spezialisiert.
Wendholt: Janina und Iwer versuchen gerade Fördergelder Emotional Dialogue
über den IKT Innovativ Gründerwettbewerb zu bekom­
von Svenja Keune und Janina Müller
men, um in dem Bereich weiterarbeiten zu können. Aber
das ist in Deutschland noch sehr schwierig. Informatiker Die Designerin Svenja Keune lotete mit Unterstützung der Informatikerin Janina
können die Fähigkeiten, die sie bei dem »Computational Müller in ihrer Masterthesis die Grenzen zwischen realer und digitaler Welt
Spaces«­Projekt erlernt haben, gut weiterverwenden, etwa aus und untersuchte die Kommunikation zwischen Mensch und Ding. Sie schuf
im Bereich Computer Vision. So hat zum Beispiel Microsoft drei interaktive textile Oberflächen, die mit Bewegung und Geräuschen auf die
mit Kinect Fusion eine Software entwickelt, mit der man Betrachter reagieren. Das Objekt »Lomelia« beispielsweise antwortet mittels
3­D­Welten rekonstruieren kann. Besetzen große Unterneh­ Gesichtserkennungssoftware auf Mimik. Die Bewegung steuern Servomotoren
men diese Themen, haben unsere Studenten gute Chancen und Mikrocontroller. Svenja Keune und Janina Müller bekamen für »Emotional
auf interessante Jobs. Dialogue« im letzten Jahr den DMY Award und den Pappel-Designpreis.
Welche Technologien sind bei den Studierenden momentan
besonders beliebt?
Wendholt: Fassadenprojektionen sind immer noch äu­
ßerst populär – obwohl das Thema eigentlich schon alt ist.
3­D­Printing ist gerade auch ein großes Thema, wozu es
bereits erste Installationen gab. Ebenso moderne Benut­
zerschnittstellen und Natural User Interfaces wie zum Bei­
spiel Gestensteuerung.
Hübler: Die Technik sollte aber nie der Ausgangspunkt
sein. Wir beginnen mit einer Idee und überlegen dann, mit
welcher Technik wir sie am besten umsetzen können.
Wendholt: Der Kurs ist eine gute Möglichkeit, Studierende
an schwierige technische Themen heranzuführen. Würde
man ihnen vorher sagen, dass sie komplizierte Algorithmen
verstehen müssen, wäre die Akzeptanz geringer. Über den
niedrigschwelligen Einstieg lassen sich dann anspruchsvol­
le Bachelorthemen definieren.
Hübler: Je tiefer man einsteigt, desto komplizierter wird
es. Aber wenn man von einer Idee erst mal begeistert ist,
fällt es leichter.
Haben Sie beide ein Lieblingsprojekt? Und verraten Sie uns,
welches es ist?
Hübler: »Emotional Dialogue« von Svenja Keune ist ein
sehr gelungenes Objekt zwischen der physikalischen und
realen Welt (siehe rechts oben). Hier verschwimmen die
Grenzen zwischen Emotionalität und Maschine. Es ist ein Ottavia
Objekt, das Besucher begeistert und verwundert.
von Newid Rahimi, Florian Moser und Florian Huchthausen
Wendholt: Mein gestalterischer Favorit ist die Installation
»Creatio ex Nihilio« von Nils und Jan Evers, Sandra Fulbrecht, Das Projekt bezieht sich auf Ottavia, eine der »fragilen Städte« aus Italo Calvinos
Ognjen Jeftic und Stephan Ohm. Die Arbeit ist eine gelun­ Buch »Die unsichtbaren Städte«. Das Objekt besteht aus verschiedenen
gene Kombination aus künstlerischem Konzept und tech­ Pyramiden aus Papier, deren Kanten und Flächen mit einem Beamer farbig
nischer Umsetzung. Mein Favorit in technischer Sicht ist die angestrahlt werden. Betrachter können mittels Kinect mit der Projektion
Bachelorarbeit von Iwer Petersen. Dabei handelt es sich interagieren. Mit ihren Bewegungen ziehen sie sozusagen die Konturen der
um perspektivisch korrekte 3­D­Projektions­Mappings auf Pyramiden auseinander. Auch die angrenzenden Flächen reagieren auf die
sich bewegende Objekte. Bewegung und verändern ihre Farbe.
100 page 11.13 Technik

Tools & TECHNIK


Kameramodule fürs
Smartphone
n Gerüchte gab es schon länger, Sony
hat es tatsächlich gemacht: Mit den Mo­
dulen SmartShot DSC QX­10 und DSC
QX­100 stellen die Japaner jetzt eine
Kameraergänzung für Smartphones
vor. Während übliche Ansteckobjektive
für Handys einfache Vorsatzlinsen sind,
handelt es sich hier um Kameramodu­ Von Sony kommt ein Objektiv-Sensor-
le, die bis auf Display und Steuerele­ Modul für Smartphones
mente alles mitbringen, was eine Ka­
mera ausmacht. Sie werden zwar ans um sie zu koppeln. Sonst muss man die denöffnung von bis zu 1,8 aus. Beide
Smartphone geklipst, eine elektroni­ Wi­Fi­Verbindung manuell einstellen. Module verfügen über einen eingebau­
sche Verbindung besteht aber nicht. Das Smartphone erhält mit dem ten Akku und legen die Fotos wahlwei­
Vielmehr kommunizieren Kameramo­ DSC QX­10 einen 18,2­Megapixel­Sen­ se auf einer eigenen SD­Karte, auf dem
dul und Handy über Wi­Fi miteinander. sor und ein 10­fach­Zoomojektiv. Das Smartphone oder auf beiden Geräten
Voraussetzung ist die Installation der DSC QX­100 verfügt gar über 20 Mega­ ab. Das DSC QX­10 kostet knapp 200 Eu­
kostenlosen Android­ oder iOS­App. pixel und einen 1­Zoll­Sensor. Das Carl­ ro, DSC QX­100 etwa 450 Euro. Beide
Verfügt das Smartphone über NFC, Zeiss­Objektiv zeichnet sich durch ei­ sind in Schwarz und Weiß erhältlich.
reicht die Berührung beider Geräte aus, nen Zoomfaktor von 3,6 und eine Blen­ ≥ www.sony.de

Über Direct Link lassen sich


nun SpeedGrade-Korrekturen
in Premiere direkt anwenden

Premiere kann nun mit UltraHD,


also mit 4K­ und 6K­Material, umgehen
und es ohne Transkodierung bearbei­
ten. Den Workflow mit dem Farbkor­
rektursystem SpeedGrade hat Adobe
ebenfalls optimiert, über Direct Link ist
das Öffnen der Szene in SpeedGrade
aus Premiere heraus möglich. Die Än­
derungen sind dann direkt im Projekt
sichtbar. After Effects trackt jetzt zu­
Neues aus der Cloud sätzlich auch Masken, ist nach Anga­
ben des Herstellers schneller gewor­
n Adobe hat einige Veränderungen te für die weitere Arbeit an der Web­ den und kann SD­Material besser zu
an der Creative Cloud vorgenommen site mit Dreamweaver oder Edge Re­ HD hochskalieren.
und dabei Photoshop von der (inter­ flow zu erstellen. Der Designer muss Fotografen offeriert Adobe ein neu­
nen) Versionsnummer 14 auf die 14.1 die Ebenen lediglich entsprechend be­ es Mietmodell: Für knapp 13 Euro im
gehoben. Darüber hinaus überarbei­ nennen, damit Generator (»Datei/Ge­ Monat soll es ein Paket aus Photoshop
tete das Unternehmen die Videotools nerieren«) beim Export die passenden CC, Lightroom 5, 20 Gigabyte Speicher­
und entwickelte ein Lizenzmodell spe­ Elemente erzeugt und dann auf die ge­ platz in der Creative Cloud und einem
ziell für Fotografen. wünschten Größen und Formate ska­ Behance­Pro­Account geben. Voraus­
Die Neuerungen bei der Bildbear­ liert. Außerdem hat Adobe die Verzah­ setzung ist der Besitz einer Photoshop­
beitungssoftware betreffen lediglich nung mit Edge Reflow verbessert: Die Lizenz, mindestens in Version CS3. Das
das Webdesign: Integriert ist nun die Designs lassen sich jetzt unmittelbar Angebot gilt nur, wenn man bis zum
Photoshop­Erweiterung Adobe Gene­ aus Photoshop importieren, eine Än­ 31. 12. 2013 eine derartige Fotografen­
rator, die dabei hilfreich ist, aus Ebenen derung in Edge Reflow spiegelt sich in Lizenz eingerichtet hat.
und Ebenengruppen grafische Elemen­ Photoshop wider. ≥ www.adobe.com/de
page 11.13 101

1 2

Cintiq-Grafiktabletts mit mehr Freiheit Hard- und Software


n Wacom stellt zwei autarke Versio­ einer 256 oder 512 Megabyte großen +++ PDF-Preflight ohne Schriftprobleme. Enfocus stellt
nen ihrer Cintiq­Grafiktabletts vor. Das SSD. Da sich die Mac­ und Windows­ eine Lösung für den Fall vor, dass fehlende Fonts im PDF­
Cintiq Companion und das Cintiq Com­ Versionen von Illustrator nicht unter­ Dokument die Produktion stoppen: Durch eine Verein­
panion Hybrid verfügen über einen scheiden und auch die Dateiformate barung mit Monotype gibt es ein Sofortlizenzierungs­
Touchscreen und lassen sich sowohl dieselben sind, lässt sich ein nahtloser programm, mit dessen Hilfe die PitStop­Tools die fehlen­
als klassisches Zeichentablett am Rech­ Workflow auch in einer Mac­Umgebung den Schriften einbetten, sodass das PDF­Preflighting
ner als auch ohne Computer betreiben. aufbauen. Bei einem Gewicht von 1,8 Ki­ ohne Probleme abläuft. PitStop Server und PitStop Pro
Ihre Ausstattung gleicht der von Cin­ logramm ist es nicht besonders leicht. greifen ab Version 12 auf Monotypes Baseline­Plattform
tiq 13HD und 22HD touch: HD­Bild­ Das Cintiq Companion kostet etwa zu und integrieren die Fonts auf Wunsch automatisch.
schirm mit Multitouchsteuerung, Wa­ 1900 Euro mit 256 Gigabyte Speicher Als Einführungspreis kostet ein Font pro Schriftart und
com Pro Pen mit 2048 Druckstufen und circa 2400 Euro mit der 512 Giga­ Dokument ungefähr 1,50 Dollar. ≥ www.enfocus.com
und Neigungssensor. byte großen SSD. +++ UHD-Camcorder. 1 Sony hat auf der IFA einen 4K­
Der rechnerunabhängige Betrieb Etwas leichter (1,7 Kilogramm) und Camcorder vorgestellt. Der FDR­AX1E nimmt mit einer
wird in beiden Cintiq­Versionen mit un­ günstiger ist das Cintiq Companion Hy­ Auflösung von 3840 mal 2160 Pixeln im XAVC­S­Format
terschiedlichen Betriebssystemen rea­ brid, das mit Android Jellybean läuft. auf, ein Firmware­Update soll demnächst die Aufzeich­
lisiert. Will man unterwegs mit gewohn­ Am Rechner verhält es sich wie ein nor­ nung in AVCHD ermöglichen. Bis zu 60 Vollbilder pro Se­
ten Tools wie Adobe Illustrator arbei­ males Grafiktablett, und es beinhaltet kunde kann der Sony­Camcorder erfassen und dabei auf
ten, kann das mit Windows 8 laufende auch die gewohnten Zeichentools. Un­ zwei SD­Karten speichern. Diese lassen sich im laufenden
Cintiq Companion zum Einsatz kom­ terwegs lassen die mitgelieferten An­ Betrieb wechseln. Ab November soll der FDR­AX1E für
men. Hier arbeitet ein Core­i7­Prozes­ droid­Apps Wacom Manga Canvas und 4500 Euro erhältlich sein. ≥ www.sony.de +++ Semiprofi-
sor mit 8 Gigabyte Arbeitsspeicher und Wacom Creative Canvas zum Arbeiten Kamera. Mit der OM­D EM1 präsentiert Olympus ein neu­
nutzen. Angetrieben wird das Compa­ es Flaggschiff aus ihrer Micro­Four­Thirds­Reihe. Die klei­
nion Hybrid von einem Nvidia­Tegra­ ne Kamera löst 16 Megapixel auf, kann sowohl Micro­
4­Prozessor, als Speicher stehen ent­ Four­Thirds­ als auch mit Adapter Four­Thirds­Objektive
weder 16 oder 32 Gigabyte zur Ver­ ansteuern und lässt sich über Smartphones und Tablets
fügung. Der Preis für das Hybrid bedienen. Ein Hybrid­Autofokus sorgt für die schnelle Fo­
Companion liegt bei 1400 Euro kussierung mit allen Objektivtypen. Kreativfunktionen wie
(16 Gigabyte) und 1500 Euro Live­Bulb (mit Licht in eine Langzeitbelichtung malen)
(32 Gigabyte). werten die Kamera auf. Zusammen mit dem Zoomobjek­
≥ http://cintiqcompanion. tiv Zuiko 2,8/12­40 mm kostet die OM­D EM1 etwa 2200 Eu­
wacom.com ro. ≥ www.olympus.de +++ 3-D-Drucker von Colani. 2
Einen von Luigi Colani gestalteten 3­D­Drucker stellt Pearl
vor. Der Internetversandhändler hatte mit dem Free­
Wacoms neue Companion- Sculpt EX1 bereits ein günstiges Modell im Angebot, das
Serie arbeitet stationär neue, auf der IFA präsentierte soll nun auch mit seinem
als Grafiktablett und auch Design überzeugen. Der Colani FreeSculpt arbeitet mit
autonom ohne Computer zwei Materialien, die sich wahlweise nur durch die Farbe
oder auch in ihrer Zusammensetzung unterscheiden.
Mit der integrierten Scanfunktion soll sich der Drucker
Panoramabilder mit einem Klick auch als Kopierer für Gegenstände einsetzen lassen.
≥ www.pearl.de +++ iPad-Steuerung. Access heißt eine
n Ricoh stellt mit der Theta eine Amateurkamera vor, die – im iPad­App von Windows­Virtualisierer Parallels. Mit ihr las­
Unterschied zu professionellen Automatiksystemen oder dem sen sich Apple­ und Windows­Rechner vom Tablet aus
Stitching am Rechner – mit nur einer Auslösung ein vollsphäri- steuern. Mit den Fingern simuliert man dabei die Maus­
sches Bild erzeugt. Hierzu hat die Kamera zwei Objektive und bewegungen, eine vollwertige Tastatur wird am iPad
Sensoren auf beiden Seiten und fügt die zwei Fotos intern zusam- eingeblendet, sodass sich alle Programme auch mit
men. Der interne Speicher fasst etwa 1400 Aufnahmen. Alter- Sondertasten bedienen lassen. Access funktioniert auch
nativ lassen sich die Bilder direkt aufs iPhone (ab 4s), bald auch über das Internet, setzt allerdings ein nicht ganz güns­
auf Android-Geräte übertragen. Zudem ist die Steuerung der tiges Abo von knapp 45 Euro im Jahr voraus. ≥ www.
Kamera über das Smartphone möglich – allein schon deshalb, weil parallels.com/de +++ Hochwertiger A3-Druck. Expres­
bei der direkten Auslösung der Fotograf immer mit im Bild ist. sion Photo XP­950 heißt das neue A3­Multifunktions­
Am Boden der Kamera ist ein Stativgewinde angebracht. Zum gerät von Epson, das mit sechs Tinten druckt. Mit zwei
Betrachen der Rundumpanoramen benötigt man die App auf Papierkassetten kann man zwischen Papierformaten und
dem Smartphone oder eine kostenlose Windows- beziehungswei- ­oberflächen wechseln, auch CDs oder DVDs lassen sich
se Mac-Software. Will man die Bilder publizieren, lädt man sie bedrucken. Epsons auch als Scanner und Kopierer ein­
auf die Plattform www.theta360.com und verlinkt sie. Die Ricoh setzbares Multifunktionsgerät steht für ungefähr 400 Eu­
Theta soll im Oktober für circa 400 Euro in den Handel kommen. ro zur Verfügung. ≥ www.epson.de ml
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DESIGNU5WERBUNGU5AUSBIlDUNG U5MEDIENU5GRAFIK im Online-Studium

U5
Akademie U5 » Staatlich anerkannte Aufstiegs-
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106 page 11.13

EINBLICKE
In alles involviert oder keine Ahnung, was läuft? Wir fragten Kreative: Wie beschreibt Ihre Mutter Ihren Job?

Teamarbeit
n Wie soll ich den Job meines Sohnes
beschreiben oder was ich mir darunter
vorstelle . . . am Anfang war ich von
ganz normaler Werbung ausgegangen,
doch mit der Zeit, wenn ich Arbeiten
von ihm sah, war ich total überrascht,
was ich da zu sehen bekam. Es gefällt
mir alles, manchmal muss ich nur zwei­
mal hinschauen. Für mich ist es fast
unvorstellbar, vor einem weißen Blatt
zu sitzen und so nach und nach, oder
vielleicht auch plötzlich, die zündende
Idee zu haben.
Ich denke, die Kommunikation mit
Kollegen und die Arbeit mit den Stu­
denten, überhaupt die Teamarbeit ma­
chen den Großteil im Job meines Soh­
nes aus. Auf mich macht er den Ein­
druck, meistens glücklich in seinem
Beruf zu sein. Mir fehlt dazu einfach
die Kreativität, aber meine Bewunde­
rung ist unendlich groß.
Adelheid König, Mutter von
Eike König, Gründer des
Designstudios Hort, Berlin

Nie das Gleiche


n Anfangs dachte ich, dass der Beruf mehr handwerklich
geprägt ist und dass man viel zeichnet. Ich hatte die Vor­
stellung, dass Grafiker eher Werbung machen und Plakate
zeichnen. Mir war nicht bewusst, dass man so viel am Com­
puter arbeiten muss. Das ist eine Welt, mit der ich mich nicht
auskenne und die sich mir nur schwer erschließt.
Bei jedem neuen Auftrag muss meine Tochter immer
sehr in die Materie eintauchen und immer am Puls der Zeit
sein. Ich denke, dass es manchmal schwierig ist, das Ganze
umzusetzen, da man nicht auf Knopfdruck kreativ sein kann.
Sie probiert am Computer Formen, Farben und Schriften
aus und kann das dann drucken. Außerdem holt sie sich
Informationen aus dem Computer und kann dort eine Men­
ge recherchieren und vergleichen.
Ich finde es schön, dass man nicht immer jeden Tag das
Gleiche macht, im Gegensatz zu anderen Berufen, bei de­
nen man morgens schon weiß, was einen den ganzen Tag
über erwartet. Aber manchmal stelle ich mir das auch sehr
anstrengend vor. Man muss sehr wandlungsfähig und im­
mer offen für alles sein. Das ist schon eine Herausforderung,
aber auch viel Abenteuer.
Ich glaube, es ist der richtige Weg für meine Tochter, da
sie das immer machen wollte. In meinen Augen ist es ein
sehr schöner Beruf, der meine Tochter erfüllt. Ich bin auch
sehr stolz auf sie und kaufe immer die Zeitschriften, in de­
nen ihre Arbeiten erscheinen.
Margarethe Kehrer, Mutter von Susanne Kehrer,
Mitbegründerin des Designstudios I Like Birds, Hamburg
page 11.13 107

zeigte sich die Gabe des Mitfühlens. Er


konnte zuhören, wollte verstehen und
richtig einschätzen. Mit einer gehöri­
gen Portion Charme konnte er Schwä­
chen gestehen oder sie auch geschickt
verbergen. Das alles zeugt von Interes­
se am Menschen, was meiner Ansicht
nach eine wichtige Eigenschaft leiten­
der Persönlichkeiten sein sollte. Er hät­
te auch Arzt werden können, wie ein
Nachbar ihn mit 17 einschätzte.
Setzt man den sicheren Geschmack
im Kreativbereich und das Markenver­
ständnis voraus, gehört zu seinem Job
heute viel mehr als Menschenkenntnis.
Aber sie nützt bei der Einschätzung von
Kunden, Manövern der Konkurrenz und
dem Durchschauen von Komplexität.
Gisela Ade, Mutter von Gregor Ade,
Managing Partner der Peter Schmidt
Group, ist studierte Grafikerin und
Interesse am Menschen Fotografin und führte das Designbüro
n Lang ist es her, dass ich die Arbei­ Umgang mit der sich sehr schnell wan­ Atelier Ade anfangs zusammen
ten des kreativen Sohnes begutachten delnden Medienwelt. mit ihrem Mann, später in Eigenregie.
durfte, ja, Ratschläge erteilten sollte. Gregor war schon als Kind freund­ Auch heute arbeitet sie noch für
Inzwischen bin ich eher angewiesen lich, offen und neugierig anderen Men­ langjährige Kunden vor allem im
auf Tipps zu neuen Schriften oder den schen gegenüber. Als er älter wurde, Stuttgarter Raum.

Schwächen nicht erlaubt


n Mein Sohn hat einen sehr interes­
santen Beruf, der Kreativität, Teamfä­
higkeit Menschenkenntnis, Ehrgeiz und
viel persönliches Engagement/Zeit ver­
langt. Nach meiner Vorstellung steht
er aufgrund der wirtschaftlichen Wett­
bewerbssituation oft unter Druck. Bei
Erfolg erlangt er zwar Selbstbewusst­
sein und finanzielle Sicherheit, Miss­
erfolge erzeugen jedoch Stress, Frus­
tration und finanzielle Unsicherheit.
Also ein sehr erfolgsorientierter Be­
ruf, der keine Schwächen zulässt (aus
der Sicht einer Beamtin!).
Konkret stelle ich mir seine Arbeit
aus sehr unterschiedlichen Tätigkeiten
zusammengesetzt vor: neue Kunden
suchen, Gespräche führen, Ziele fest­
legen, Entwürfe mit der entsprechen­
den Family diskutieren, Präsentatio­
nen vorbereiten und vor Kunden hal­
ten, Fotoshootings veranlassen und
vieles anderes mehr.
Annemie Rebmann,
Mutter von Mathias Rebmann, Monika Hanke, Mutter von
CD Art und Family-Leiter Sascha Hanke, Executive
Kreation bei Scholz & Friends, Creative Director bei Kolle Rebbe,
Berlin Hamburg
108 page 11.13

KALENDER
1
Kongresse 25.10.–26.10.
Messen push.conference 13
Konferenz für kreatives
seMinare Coding und UX Design
München
09.10.–13.10. ≥  http://push-
Frankfurter Buchmesse conference.com/2013
mit Gastland Brasilien
Messe Frankfurt 25.10.
≥  www.buchmesse.de Update – Salon der
Fotografie
19.10. Event der Bildagentur-
SeitenAnsichten branche Berlin
Symposium zu ≥  www.up-date.ws
unabhängigen Foto-
grafiemagazinen 07.11.–10.11.
Galerie für Zeigenös- Internationale Szeno-
sische Kunst Leipzig grafie Biennale 2013
≥  www.seiten Lectures, Performances,
ansichten.com Paneldiskussionen und Magnum-Fotograf Jonas Bendiksen ist mit diesem Foto beim 5. Fotofestival vertreten
ein Hochschulsymposium
24.10.–25.10. Ludwigsburg Symposium zum 16.11.–17.11. Bis 18.10.
Integrated2013 ≥  www.sceno- 60. Geburtstag des KIOOSK. Independent Das Jahr der

Von unten: Alexandre Wollner: Konstellation e3 aus der Serie »Formulierung – Interaktion – Artikulation«, 2010, digitaler Druck, 50 x 50 cm; Jonas Bendiksen: Mumbai, Indien, 2006
Kunst- und Design- biennale.com Klingspor-Museums Publishing Fair Werbung 2014
konferenz Antwerpen Offenbach Event für Magazin- und Gesucht ist exzellente
≥  www.integrated 07.11.–09.11. ≥  www.klingspor- Buchgestalter Kraków Werbekommunikation
conf.org viscom museum.de ≥  www.kioosk.pl ≥  www.jdw.de
Messe für visuelle Kom-
25.10–26.10. munikation, Technik und 11.11. 22.11.–23. 11. Bis 25.10.
Creative Business Design Messe Düsseldorf »Infografik: Visual Jahrestagung der iF communication
Modelling ≥  www.viscom- Storytelling« Deutschen Gesellschaft design award 2014
Service-Design-Seminar messe.com PAGE-Seminar mit für Designtheorie und Prämiert wird Kommu-
von PAGE & Good School Jan Schwochow (siehe -forschung 2013 nikationsdesign aus
07.11.– 08.11.

© Jonas Bendiksen/Magnum Photos (zu sehen in der Ausstellung »No Place like Home / Zuhause« im Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
(siehe Seite 61) Seite 65) Hotel Gast- zum hochaktuellen unterschiedlichsten
Good School, Hamburg Ins Besondere. werk, Hamburg Thema »Die Politik Disziplinen
≥  www.page-online.de/ Schrift- und Buchkunst ≥  www.page-online.de/ der Maker« ≥  www.ifdesign.de
seminar gestern und heute seminar HBFK Hamburg
≥  www.dgtf.de/ Bis 31.10.
3 tagung2013/cfp Das Jahr der Werbung:
Newcomer-Agentur
04.12.–06.12 des Jahres
Eurobest Gesucht ist die beste
Europäisches Kreativ- Nachwuchsagentur
festival Lissabon ≥  www.jdw.de
≥  www.eurobest.com
Bis 31.10.
09.12.–11.12. campus
Play & Make Der Nachwuchswett-
Konferenz für kreative bewerb sucht die besten
Coder, Maker und und mutigsten Hoch-
Designer Capitol schulabschlussarbeiten
Theater, Düsseldorf in Werbung, Medien- und
≥  http://playand Kommunikationsdesign
make.com ≥  www.campus.jdw.de

Bis 08.11.
WettbeWerbe SXSW Interactive
Awards
Kreativawards 2013 Contest für interaktive
Auf PAGE Online finden Anwendungen
Sie eine Übersicht ≥  http://sxsw.com/
aktueller Wettbewerbe interactive/awards/
≥  www.page-online.de/ interactive-awards
wettbewerbe
Bis 01.12.
Bis 14.10. 21. Internationales
Gute Gestaltung 14 Trickfilm-Festival
Späteinreicherfrist des Stuttgart – Call
Designwettbewerbs for Entries
≥  www.ddc.de ≥  www.itfs.de
dDer brasilianische Designer Alexandre Wollner hat in den 1950ern Jahren in Ulm studiert
page 11.13 109

Weitere Termine unter www.page-online.de/events. Dort können Sie uns auch Ihre Veranstaltungstermine mitteilen.
page Seminare finden Sie unter www.page-online.de/seminare

2
ausstellungen präsentiert avanciertes
Magazindesign
Festivals Haus der Kunst München
≥  www.hausder
Ab 12.10. kunst.de
Kunst & Textil. Stoff als
Material und Idee in Bis 29.10.
der Moderne von Klimt The Future is Here:
bis heute A New Industrial
Multimedial, interdiszi- Revolution
plinär und kulturüber- Die große Schau unter-
greifend angelegte sucht die durch Maker
Überblicksausstellung Movement, 3-D-Printing
Kunstmuseum Wolfsburg und Open Design ver-
≥  www.kunstmuseum- änderten Entwicklungs-
wolfsburg.de und Produktions-
prozesse und lässt dabei
Bis 13.10. das Museum selbst
Visual Leader 2013. Das zur »Factory« werden
Beste aus Zeitschriften Design Museum London
und Internet ≥  www.designmuseum.
Präsentiert werden die org
bei den LeadAwards
nominierten und 30.10.–03.11.
prämierten Arbeiten B3. Biennale des
Deichtorhallen, Hamburg Bewegten Bildes
≥  www.deichtor Neues Bewegtbildfestival
hallen.de zum Thema »Expanded
Narration« Frankfurt
Bis 13.10. und Umgebung
Aram Bartholl: ≥  www.b3biennale.com
Hello World!
Mit viel Humor machen Bis 10.11.
die Installationen des 1 5. Fotofestival
Medienkünstlers den Mannheim-Ludwigs-
Einfluss des Digitalen hafen-Heidelberg
in unserem alltäglichen »Grenzgänge. Magnum:
Leben sichtbar Trans-Territories« ist das
Kunstverein Kassel übergeordnete Thema Japanische Mode und Plakatkunst sind in Zürich zu sehen
≥  www.kasseler der Fotoausstellungen in
kunstverein.de acht Museen und Galerien
≥  www.fotofestival.info
19.10.–27.10.
Knüpfteppich, um 1930, 276 x 131 cm, Boujad (Marktort), Mittlerer Atlas, Marokko, Sammlung Adam, München

Dutch Design Week Bis 10.11.


Designfestival Eindhoven 100 beste Plakate 12.
≥  www.ddw.nl Deutschland
Österreich Schweiz
25.10.–27.10. Wunderbarer Überblick
Designers Open über moderne Plakat-
Designfestival Leipzig gestaltung MAK, Wien
≥  www.designers ≥  www.mak.at
open.de
14.11.–20.11.
Bis 27.10. CynetArt Festival
Street-Art Brazil Digitalkunstfestival
Die Schau zeigt die Viel- Dresden
falt der einzigartigen ≥  www.cynetart.de
brasilianischen Graffiti-
kunst – und das in der Bis 24.11. Die marrokanische Teppichkunst besticht durch ihren freien Umgang mit Form und Farbe
gesamten Frankfurter Kunstbiennale in
Innenstadt Venedig Designerduos (siehe Der freie Umgang mit Far- Bis 02.02.2013
≥  www.schirn.de Internationale Seite 8) Museum für Kunst ben und Formen in der 3 alex wollner brasil.
Kunstausstellung und Gewerbe Hamburg nomadischen Knüpfkunst design visual
Bis 27.10. ≥  www.labiennale.org ≥  www.mkg- inspirierte Künstler der Die Ausstellung widmet
Paper Weight. hamburg.de Moderne wie Kandinsky sich dem 1928 geborenen
Stilbildende Magazine Bis 01.12. oder Mies van der Rohe brasilianischen Designer
von 2000 bis heute Whatever. The Art of Bis 05.01.2013 Die Neue Sammlung, Museum für Angewandte
Die von »PIN-UP«-Art- Rocket & Wink 2 Marokkanische München Kunst Frankfurt
direktor Felix Burrichter Ausstellung des hoch- Teppiche und die ≥  www.pinakothek.de/ ≥  www.museum
kuratierte Ausstellung kreativen Hamburger Kunst der Moderne teppiche angewandtekunst.de
110 page 11.13

Publikationen

Unter Design-
direktor Richard
Turley warten
die Cover der
»Bloomberg
Businessweek«
mit einem zeit-
gemäßen Look
auf, von dem
wir bei »Spiegel«
und »stern«
nur träumen
können – auch
nach dem
Relaunch von
Letzterem

n »Designing News«. Einem italieni­ trale Rolle zu. Seine Arbeit ist nicht län­ mer verbreiteteren Newsreader. All das
schen Designer haben wir den ersten ger der redaktionellen Planung nach­ gilt es, der jeweiligen Funktion im »Öko­
wirklich umfassenden Band über die geordnet, sondern er ist ein »Rethin­ system« News gemäß zu gestalten –
aktuelle gestalterische Aufbereitung ker« – wie Franchi es nennt –, der das es gibt viel zu tun.
von Nachrichten zu verdanken. Fran­ gesamte System immer wieder neu > Francesco Franchi: Designing
cesco Franchi landete nach Stationen überdenkt. Und zu diesem gehören News. Changing the World of Editorial
bei verschiedenen wichtigen Zeitun­ Printprodukte, Beilagen und Sonder­ Design and Information Graphics.
gen im Newsroom von »Il Sole 24 Ore«, hefte, Websites, mobile Angebote und Berlin (Gestalten) 2013, 224 Seiten.
Italiens renommiertester Wirtschafts­ die Gestaltung von Inhalten für die im­ 49,90 Euro. isbn 978-3-89955-468-7
zeitung. Er kennt die Herausforderun­
gen, die sich Newsdesignern im digita­
len Zeitalter stellen, also selbst bestens,
hat aber für Fallbeispiele auch Berich­
te renommierter Kollegen von »ZEIT«,
»Guardian«, »New York Times« oder
Reuters.com zusammengetragen.
Fazit des Buchs, das sich jeder Nach­
richtengestalter zulegen sollte: Dem
Designer kommt bei der crossmedia­
len Newsaufbereitung eine ganz zen­

Line-Extension der anderen Art: Nicht


nur Tyler Brûlés »Monocle« hat
mittlerweile Shops in aller Welt. Kürz-
lich eröffnete auch #guardiancoffee
im Herzen der Tech City in East London
page 11.13 111

Weitere Buchrezensionen finden Sie unter www.page-online.de/buecher

n »it’s a miracle!« Als ein Wunder


sieht es Anthon Beeke selbst an, wie
sein Leben verlaufen ist. Als Arbeiter­
kind ging er ab 14 Jahren bei einem
Schlachter in die Lehre, besuchte der­
weil von 1956 an eine Abendschule für
Design. So begann eine spektakuläre
Karriere. Mit Schocktheaterplakaten
und ansteckender Fröhlichkeit misch­
te er bald die Amsterdamer Design­
szene auf. Zwischen 1976 und 1982 war
er bei Total Design, später machte er
als Artdirektor von »View on Colour«
und »Bloom« auf sich aufmerksam, den
Magazinen der genialen Trendpäpstin
Lidewij Edelkoort, die auch seine Le­
benspartnerin wurde. Diese gab jetzt
eine Monografie heraus, die zurück­
schaut auf Beekes äußerst vielseitiges
und kaum einzuordnendes Werk, das
von laut und derbe bis zart und poe­
tisch, von kraftstrotzenden, oft selbst
geschossenen Bildern bis zu raffinier­
ter Typografie reicht.
> Anthon Beeke: it’s a miracle! Amster-
dam (BIS Publishers) 2013, 448 Seiten.
45 Euro. isbn 978-90-6369-330-5

Eine Doppelseite aus Li Edelkoorts


Magazin »Bloom« von 1998 sowie
Theaterplakate von 1995 und 1966

Bücher über die n »Ästhetik des Buchs«. Als Offensi­


Ästhetik des ve der alten Herren könnte man diese
Buchs müssen neue Buchreihe bezeichnen – und sie
sehr ästhetisch ist sehr charmant und gelehrt gera­
sein: rechts ten. Klaus Detjen, ehemaliger Hoch­
eine Doppelseite schullehrer für Typo und Gestaltung
aus Günter Karl an der Muthesius Kunsthochschule in
Boses »Das Ende Kiel ist Herausgeber der bislang drei Antike, Günter Karl Bose mit der sü­ Band 01: Hans Andree: normal regular
einer Last« schmalen Bändchen. Die Autoren wa­ ßen Last papierener Bücher, von der book roman. Ein Beitrag zur Schrift
ren oder sind alle Professoren, haben wir heute befreit (?) werden, und Gerd und Typografiegeschichte. 72 Seiten.
niemals aufgehört, Bücher zu lieben, Fleischmann mit der aktuellen Bedeu­ isbn 978-3-8353-1354-5; Band 02:
und setzen sich jetzt in von ihnen je­ tung von Jan Tschichold. Wir freuen Günter Karl Bose. Das Ende einer Last.
weils selbst gestalteten Publikationen uns auf weitere Bände. Die Befreiung von den Büchern. 80 Sei-
mit der Ästhetik des Buchs auseinan­ > Klaus Detjen (Hrsg.): Ästhetik des ten. isbn 978-3-8353-1355-2; Band 03:
der. Hans Andree mit dem Zusammen­ Buchs. Göttingen (Wallstein Verlag) Gerd Fleischmann: Tschichold – na und?
spiel von Typo­ und Lesekultur seit der 2013, je Band 19,90 Euro, 79 Seiten. isbn 978-3-8353-1353-8
112 page 11.13 publikationen

Neuerscheinungen – kurz vorgestellt


1 David Prudhomme: Einmal durch den Louvre. Berlin (Reprodukt) denn als Produkt gedacht werden müssen, hat Dirk von Gehlen, Lei­
2013, 80 Seiten. 20 Euro. 978-3-943143-72-0. Der französische Comicautor ter Social Media bei der »Süddeutschen Zeitung« und Redaktionsleiter
hat seine Beobachtungen im meistbesuchten Museum der Welt in teil­ von jetzt.de, bei diesem Buch selbst praktisch umgesetzt. Per Crowd­
weise sehr witzigen Bleistiftzeichnungen festgehalten. 2 viction:ary: funding über Startnext bezog er die Leser von Anfang an ein, eine
Just Kidding! A to Z Designs for Kids & Kidults. Hongkong (viction:ary) erste, limitierte Version für die Unterstützer gab es im Mai. Jetzt er­
2013, 240 Seiten. 40 Dollar. 978-988-19439-6-5. Die wunderbare Welt schien ein Update, das den bisherigen Entstehungsprozess themati­
der kreativen Fantasie macht nicht nur Kindern Spaß: Dieser Band siert. Wibke Weber, Michael Burmester, Ralph Tille (Hrsg.): Inter­
zeigt verspieltes Design vom schnurrbartförmigen Schokololli bis zu aktive Infografiken. Heidelberg (Springer) 2013, 263 Seiten. 49,99 Euro.
der an Luftballons schwebenden Magic Bank – aber auch manches 978-3-642-15452-2. In diesem von drei Professoren der Stuttgarter
Produkt, das die Welt nicht braucht . . . Henning Wagenbreth: Plastic Hochschule der Medien herausgegebenen Aufsatzband geht es nicht
Dog. 24 Geschichten aus der Steinzeit des digitalen Buchs. Berlin hübsch bunt, sondern wissenschaftlich tiefschürfend zu. Viele Fall­
(Metrolit) 2013, 24 Seiten. 19,99 Euro. 978-3-8493-0074-6. Die ebenso beispiele sorgen aber für Praxisbezug. Andrew Losowsky, Sven Eh­
ätzenden wie lustigen »elektronischen Comicstrips für Taschencom­ mann, Robert Klanten: Around the World. The Atlas for Today.
puter«, die Wagenbreth anno 2000 für den legendären Palm­Hand­ Berlin (Gestalten) 2013, 272 Seiten. 39,90 Euro. 978-3-89955-497-7. Um­
held zeichnete und die später in der »ZEIT« erschienen, kommen in so farbenfroher ist dagegen diese infografische Sammlung, mit der
einem dicken Pappband wieder. Helen Birch: Freehand. Sketching der Gestalten Verlag an den Publikumserfolg des Infografikbuchs
Tips and Tricks Drawn from Art. Hove, West Sussex (Rotovision) 2013, »Deutschland verstehen« anknüpfen will. cg
224 Seiten. 9,99 Pfund. 978-2-88893-209-3. Kein zu spät gekommenes
Handbuch für das einst beliebte Zeichenprogramm – anhand von
schönen Beispielen werden hier Techniken und Stile des Freihand­
Zeichnens erklärt. Dominik Imseng: Die Idee ist die Moral der Wer­
bung. Kindle eBook (Amazon Media EU) 2013, 51 Seiten. 3,08 Euro. Die
vor allem in der »Neuen Zürcher Zeitung« erschienenen Texte des
Schweizer Werbers und Journalisten liegen gesammelt als E­Book vor.
Dirk von Gehlen: Eine neue Version ist verfügbar. Wie die Digitali­
sierung Kunst und Kultur verändert. Berlin (Metrolit) 2013, 144 Sei- 2
ten. 12,99 Euro. 978-3-8493-0325-9. Seine These, dass Filme, Bücher oder
Musik sich wie Software »verflüssigen« und somit eher als Prozess

es ist besser, die Basics der Gestaltung zu kennen, als in Blogs Arbei­
Was lesen Sie? ten anzuschauen, die »in« sind.
Lesen Sie auch Romane?
Jan­Frederic Goltz, Da lasse ich mich gerne von Popliteratur berieseln. Zum Beispiel »Naiv.
Atelier Disko, Hamburg Super« von Erlend Loe, fast schon ein skandinavischer Klassiker. Es
http://atelierdisko.de geht um die Lebenskrise eines Studenten, der nicht richtig weiß, was
er machen soll. Das wird aber mit hohem Unterhaltungswert erzählt.
Sie haben ja nicht etwa selbst eine Sinnkrise?
Was für Bücher mögen Sie? Keineswegs, aber jeder ist mal an einem Scheideweg. Man braucht
Jan-Frederic Goltz: Was Designpublikationen angeht, finde ich sie Krisen sogar, denn sie bedeuten auch immer einen Neuaufang. Es gibt
um so spannender, je spezieller das Thema ist und je tiefer es hinein­ da ein glänzendes Buch mit einem schrecklichen Titel: »Das Ende der
geht. Eine Bibel ist nach wie vor »Detailtypografie« aus dem Verlag Liebe: Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit« von Sven Hillenkamp.
Hermann Schmidt, sehr empfehlenswert ist aber auch »Kreativität Ein sehr komplexes Werk über die unendlichen Möglichkeiten, die
aushalten« von Frank Berzbach. man heute hat – und zwar nicht nur in Beziehungen – und die einen
Was ist anders beim Print- und Online-Lesen? manchmal ganz schön behindern. Auch beim Gestalten muss man ja
In den modernen Medien passiert immer alles parallel. Beim gedruck­ Entscheidungen treffen. Dass viele in den Agenturen bis in die Pup­
ten Wort und Bild nimmt man sich mehr Zeit und muss nicht noch ne­ pen vor ihrer Arbeit sitzen, liegt auch oft daran, dass sie sich nicht ent­
benbei Mails lesen oder den Facebook­Status aktualisieren. Diese Ent­ scheiden können. Ein wenig mehr Selbstbewusstsein und Entschleu­
schleunigung und Reduktion muss sein, um sich zu fokussieren. Und nigung machen es leichter, auf den Punkt zu kommen.
PAGE 11.13 113

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Chefredakteurin/Publisher Telefon: +49 2225 7085-535
Dipl.-Des. Gabriele Günder, V.i.S.d.P. Telefax: +49 2225 7085-550
Textchefin Selbstständig gemacht, Agentur gegründet – und dann? 
Astrid Umbreit Das PAGE-Abo, also 12 Ausgaben und
Redaktion die PAGE-Jahrgangs-CD, kostet 106,40 Euro Um sich in der Kreativbranche selbstständig zu machen braucht man
Franziska Beyer (fb), Nina Kirst (nik); (CH: 201 Franken, A: 119,60 Euro). Das Abo
Anna Weilberg (aw, Redaktion Online, kann immer 6 Wochen vor Ablauf des
Ideen, Mut und praktisches Wissen. Wie aber geht es weiter?
verantw.); Freie Mitarbeit: Antje Dohmann Bezugsjahres schriftlich gekündigt werden. Wie schafft man es, sich nach der erfolgreichen Existenzgründung
(ant), Dr. Claudia Gerdes (cg), Rebecca von Schüler und Studenten erhalten gegen Vor- zu etablieren? Wir sprachen mit Gestaltern über ihre Erfahrungen
Hoff (Grafik), Christine Krawinkel (Artdirek- lage eines gültigen Ausweises oder einer
tion); Maiken Richter (Text-/Schlussredak- gültigen Immatrikulationsbescheinigung
und geben Tipps, wie auch Sie den Laden am Laufen halten
tion), Jan Roidner (Text-/Schlussredaktion); 20 Prozent Rabatt. Mitglieder der Allianz
Sabine Danek (sd, Redaktion Online) deutscher Designer (AGD), des Bundes
Deutscher Grafik-Designer (BDG) und des
Autoren dieser Ausgabe designerinnen forum e. V. erhalten ebenso
Christian Büning, Steven B. Cook, 20 Prozent Rabatt.
Wiebke Lang (wl), Markus Linden (ml),
Simon Ruschmeyer, Jürgen Siebert,
PAGE Mediaberatung

Artwork für das Efterklang-Album »Magic Chairs« (www.hvasshannibal.dk)


Klaus-Peter Staudinger
Anzeigenleiter: Alexander Herz
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Schrift: New Paris von Swiss Typefaces
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(www.swisstypefaces.com)
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Martin Gotti Gottschild: Dia-Abend. Metrolit Verlag

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Gerichtsstand ist München.
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Im Zeitschriften- und Bahnhofsbuchhandel sowie in allen Pressefachgeschäften
mit dem Blauen Globus können Sie PAGE kaufen oder bestellen. Comedian Martin »Gotti«
Gottschild zeigt in seinen
Mitglied der Informationsgemeinschaft zur Feststellung kultigen Diavorträgen,
der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) dass auch dem banalsten
Foto noch eine lustige
Geschichte zu entlocken
≥ www.page-online.de ≥ www.twitter.com/pagemag ist. Wir haben ihn
≥ www.facebook.com/pagemag ≥ iTunes App Store gefragt, wie er das macht
114 page 11.13 Fundstücke von Jürgen Siebert

Direkter Draht zur Prominenz


Kühne Kommentare von Jürgen Siebert zu Trends, Ereignissen und
dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen

n Twitter und Facebook haben sich Wirtschaft oder Kultur aus erster Hand lich schreiben und die Nachrichten
zur Konkurrenz von Nachrichtenagen- zu empfangen. Hierfür waren die Mas- der Menschen lesen, denen sie folgen
turen und elektronischen Medien ent- senmedien als »Zwischenhändler« zu- (Dialog) . . . insbesondere dann, wenn
wickelt. Nutzer können eigene News ständig, die amtliche Verlautbarun gen die Menge der Tweets vierstellig und
(Tweets, Mitteilungen) verfassen und entweder 1 : 1 oder redaktionell ange- höher ist. Hier eine Reihe mit Beispie-
publizieren. Diese werden unmittelbar reichert auslieferten. Die Vernetzung len von echten Promi-Twitterern: Dan-
den Perso nen angezeigt, die dem Sen- der Weltbevölkerung hat dieses System ny DeVito (6348 – 13 – 2 818 548), Alicia
der folgen, und von diesen auch wei- umgekrempelt, mit dem Effekt: Es gibt Keys (4270 – 411 – 16 449 432), Eva
tergeleitet. Eine Art Schneeballeffekt kein Alleinrecht mehr, weder für das Longoria (6444 – 541 – 6 512 312), Carl
Diese und weitere sorgt dafür, dass auf diese Weise Top- Empfangen von Nachrichten noch für Icahn (20 – 8 – 77 946), Jan Josef Lie-
Fundstücke von Meldungen entstehen, die auch Perso- das Senden. Noch besser: Das Emp- fers (1642 – 112 – 38 223), Boris Becker
Jürgen Siebert fin- nen erreichen, die dem Originalverfas- fangsgerät ist gleichzeitig Sender (11 912 – 728 – 232 473). 
den Sie unter ser der Nachricht (noch) nicht folgen. Am Beispiel von Twitter möchte ich Der mächtigste Twitterer in diesen
www.page-online. Vor Social Media war es den »End- kurz zeigen, dass der Nutzen eines Beispielen ist zweifellos der US-Multi-
de/fundstuecke verbrauchern« von Nachrichten nicht Nachrichtenkanals allein von seiner milliardär und Großinvestor Carl Celian
möglich, Neuigkeiten aus Politik, Sport, Einrichtung durch den Empfänger ab- Icahn, der sich trotz strenger Aktien-
hängt. Das war früher ähnlich und gesetze nicht scheut, kursrelevante
überschaubar, als man sich für eine Nachrichten zu twittern. Beispiel: »Had
bestimmte Tageszeitung oder ein Wo- a nice conversation with Tim Cook to-
chenmagazin entschied und den Pro- day. Discussed my opinion that a lar-
grammablauf in Radio und Fernsehen ger buyback should be done now.«
aktiv plante. Heutzutage verhindert die Das war am 22. August 2013. In dersel-
schiere Masse des Angebots einen ben Stunde stieg der Börsenwert von
schnellen Königsweg. Apple um 4 Milliarden Dollar. 
Richtig interessant ist Twitter erst,
wenn Prominente selbst kommunizie-
ren. Wird der Kanal vom Management Twitter wird richtig inte-
gefüllt, liest sich das auch so und ist
entsprechend langweilig. Wie bei Peter ressant, wenn Prominente
Maffay, zum Beispiel: »Peter ist heute
Abend beim #Echo2013 in Berlin da-
bei und in zwei Kategorien nominiert.
gegen Gesetze, PR-Regeln
Um 20.15 Uhr geht’s los! Daumen drü-
cken!« Gähn. Stattdessen würde ich
und Management-
gern so was lesen wie: »23:00. Komme
gerade erschöpft von der Bühne. Wer
Maulkörbe verstoßen.
trinkt noch einen Absacker mit mir im
Clubkeller, Chausseestraße?« Twitter wird also richtig interessant,
Um zu erkennen, ob ein Star selbst wenn Prominente gegen Gesetze, PR-
twittert, reicht meist ein Blick auf die Regeln und Management-Maulkörbe
drei Kennzahlen: 1. Tweets, 2. folgt und verstoßen. Vier Wochen vor Veröffent-
3. Follower. Bei Maffay liest sich das so: lichung ihres neuen Albums En de Sep-
49 Tweets, er folgt 3120 Leuten und tember gewährte Cher ihren Fans einen
Statt »Bunte« hat 34 464 Follower. Die drei Ziffern Blick hinter die Kulissen des Shootings
oder »Gala« sind für Twitter-Junkys so aufschluss- fürs Albumcover. In 3 Tweets veröffent-
Direktnachricht reich wie für Playboys die Maße von lichte die 67-jährige Musikerin Fotos, die
vom Star: Cher Brust, Taille, Hüfte. Beim Maffay-Ac- zeigen, wie aus einem ziemlich norma-
weiht ihren Fans count verraten sie, dass nur selten et- len Bild ein geschöntes Porträt wird,
in die Manipula- was vermeldet wird und die Redaktion das sie 30 Jah re jünger aussehen lässt.
tionen des Cover- versucht, jedem Follower aus Dank- Das ist ehrli che Kommunikation, direkt
fotos für ihr barkeit selbst zu folgen. Ein Dialog mit aus dem Tagebuch einer Künstlerin.
neues Album ein den Fans ist nicht möglich, wird auch Wunderbare Zeiten sind das heute
nicht angestrebt.  für echte Fans. Kein Vergleich zu den
Wenn bei Promis die mittlere Zahl, 1970er Jahren, als ich mich mit der mo-
also die Anzahl der Personen, denen natlich erscheinenden »Sounds« und
sie selbst folgen, zwei- oder dreistellig dem teuren Importblatt »New Musical
ist, liegt nahe, dass sie höchstpersön- Express« informieren musste.
Bdiegal
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