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Award-Einreichungsvideos Arbeiten smart erläutern, Top-Jurys überzeugen GERMANY 4 191084 209802 05
Print neo

Print
neo
Welche neuen Chancen
digitale Medien dem Printdesign
eröffnen – und umgekehrt

Exklusiv: TDC-Preview Brandneu: edding-Typo-Site High-End-Fotoprints


Ausgezeichnete Typoarbeiten Making-of: Das HTML5-Webspecial von Analog- und Digital-Dienstleister für
aus aller Welt – für Print & Screen kempertrautmann, Shift und Büro Destruct brillante Abzüge in Galerie-Qualität
Editorial PAGE 05.12 003

Wie gedruckt
dien stünde nichts mehr im Wege. Und
dabei sind nicht etwa QR-Codes ge-
meint. Nein, die Rede ist von gedruck-
ter Elektronik und Video in Print.
Zweckoptimismus hin, Kreativpo-
tenzial her, dank Web to Print und Cloud
Publishing werden immer mehr Print-
Jobs – via PC oder Mobilgerät – auf klei-
nen und großen Drucksystemen ver-
anlasst: Postkarten, Broschüren, Foto-
bücher, Akzidenzen jeglicher Art. Ja, in-
dividueller Druck und Print on Demand
n »Print gewinnt! – Heute und in Zu- sind im gestalterischen Alltag ange-
Cover-Font: MVB Fantabular (www.mvbfonts.com); Foto: Kirsten Nijhof

kunft!«, tönt es lautstark in den Fach- kommen. Die aktuellen Lösungen ge-
medien. Kein Wunder, schließlich steht statten ressourcenschonende Ad-hoc-
die altehrwürdige Print-Media-Messe Produktionen, die dem Internet an Vari-
drupa vor der Tür. Nein, Print sei noch abilität kaum nachstehen – und liefern
lange nicht tot. Lediglich das klassische den haptischen Mehrwert noch dazu!
Offsetdruckgeschäft stagniere, ande- Doch Print wandelt sich angesichts
re Bereiche wüchsen. Der in Asien, der digitalen Medien nicht nur weg
Lateinamerika und Osteuropa wach- vom statischen Massenmedium hin zur
sende Wohlstand etwa sorgt in der punktgenauen One-to-One-Kommuni-
Verpackungsindustrie für Aufwind; die kation. Mit HD-Displays und Webfonts
zunehmende Alphabetisierungsrate in hält hochwertige Printästhetik nun
den bevölkerungsreichen Ländern Af- auch Einzug in die Bildschirmmedien.
rikas Asiens, und Südamerikas für stei- So stellen wir in vorliegender Ausgabe
gende Buch- und Zeitungsaulagen. denn auch Kreative vor, die konse-
Außerdem setzt man auf Hybrid- quent vorwärts denken und neu ans
druck, kann doch das Tonerdigitalver- Werk gehen. Wir berichten von High-
fahren qualitativ längst mit dem klas- End-Druckerzeugnissen, Crossmedia-
sischen Offsetdruck mithalten. So las- design, Selfpublishing, audiovisuellen
sen sich statische und variable Inhalte Artworks auf Papier – und last, but
einfach mischen und Individualisierun- not least, von viel Leidenschaft! Denn
gen äußerst kostenefizient produzie- Print, egal ob analog, digital oder rein
ren. Auch der Einbindung digitaler Me- virtuell, das ist neo!

Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher

PAGE Cover
Den Titel dieser Ausgabe
realisierte die Berliner
Druckerei Gallery Print
(www.gallery-print.de) im
Irisdruck. Anders als beim
klassischen Offsetverfah-
ren beinden sich dabei
alle Farben nebeneinan-
der in einem einzigen Farb-
werk. Während des Dru-
ckens mischen sich die
Farben sukzessive: Jeder
Bogen wird dadurch zum
Original mit einem einzig-
artigen, echten Verlauf
004 page 05.12

INHALT
SZENE
006 Was die Branche bewegt
Austria-Solar-Jahresbericht; Freitag-Ausstellung;
SXSW 2012; Ansichtssache: der inlationäre Gebrauch
des Worts »mehr« in Werbeclaims; Buchdesign

014 Branche & Karriere


Hartmut Esslinger über seine Rolle als Jurypräsident
beim ADC Wettbewerb; Rechtsratgeber Social Media

018 Ausbildung
Illustrationsprojekt; Animationsilm

TITEL
022 n Print neo
068 Der Lego-Hype
Die Druckindustrie ist in der Krise, aber da, wo sie
sich mit der digitalen Welt verbindet, entstehen neue
Geschäftsfelder und Medien – so wie sich auch
die Stärken des Printdesigns neu entfalten können

KREATION
032 Print neo: Selfpublishing
Von wegen altmodisch: Die Faszination für Druck-
sachen ist ungebrochen und indet in der
Selfpublishing-Bewegung engagierte Verfechter

040 Print neo: One-to-One-Kampagnen


Social Media und Mobile belügeln das Dialogmarke-
054 TDC-Preview
ting. Print wird damit im Zusammenspiel der Kanäle
aber keineswegs überlüssig – ganz im Gegenteil

046 n Award-Einreichungsvideos
Was muss ein Case-Film haben, um die Juroren zu
überzeugen? Was sollte man besser vermeiden?

052 Papierwelt
Papp-Kuckucksuhren; neuartiges Fotobuchpapier

TYPO
054 n TDC-Preview
Erstmals hat der Type Directors Club New York auch
herausragende Screenanwendungen prämiert

060 Print neo: Web- und App-Fonts


Associated Press und kabeleins machen vor, wie
dank Web- und App-Fonts medienübergreifend
konsistente Erscheinungsbilder aussehen können

064 n Typo-Site für edding


068 Typowelt
Wie kempertrautmann, Shift und Büro Destruct
den Wall-of-Fame-Nachfolger realisierten
page 05.12 005

≥ PAGE Online: Ob Stellenangebote, Inspiration,


News, Magazin-Volltextsuche, publishing-Tipps,
abo-angebote oder den page-Shop – das alles inden
Sie unter www.page-online.de

068 Typowelt
TDC-Intro-Gewinner; »FUSE«-Sammlung bei Taschen;
Marshal von Typonauten; »Moving Types«-Ausstellung

BILD
070 n Print neo: High-End-Fotoprints
Gute Zeiten für Auftraggeber von Prints in Galerie-
qualität! Heute steht ihnen das ganze Spektrum
an analogen und digitalen Techniken zur Verfügung

078 Interaktive Kunst-Installation


Wunderbar und ein bisschen verrückt: Petros Vrellis
setzte van Goghs »Sternennacht« für die Kinect um

080 Bildwelt
Graphic Novel von Carolin Walch; Foto-Apps; Illustra-
torenfestival; Stockbilder-Plug-in für Photoshop CS5

TECHNIK
082 Print neo: Electronics in Print
Die Technik ist da, ebenso erste Ansätze, die das
Potenzial multisensorischer Kommunikation zeigen

088 Making-of: MSN Visualizer


Hinderling Volkart entwickelte einen Player, der per
Zufallsprinzip aus Flickr-Fotos Musikclips generiert

094 Tools & Technik


Pentax K-01 von Marc Newson; eBoy-App The Grix;
Pantone in der Cloud; Photoshop Touch für iPad 2

SERVICES & STANDARDS


108 Kalender: Kongresse, Ausstellungen, Awards

110 Publikationen: Buchempfehlungen


für kreative Publisher
Meister psychedelischer Kunst; Erscheinungsbilder
für Small Businesses; Siebdruck-Handbuch

003 Editorial 020 PAGE Online


051 PAGE Abo 077 PAGE Mini-Abo 107 PAGE Shop
103 PAGE Stellenmarkt
113 Impressum/Vorschau
114 Fundstücke von Jürgen Siebert

PAGE SEMINARE
053 »Leitmedium Design« mit Jochen Rädeker
063 Transmediales Story-Training mit der Good School
088 Making-of: MSN Visualizer
079 »Visual Thinking Lessons« mit der Good School
093 PAGE Seminar »Generatives Design«
006 PAGE 05.12

SZENE
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Lichtblick
Für den österreichischen Solarverband
hat Serviceplan Campaign einen unge-
wöhnlichen Geschäftsbericht entworfen

n Die Empfänger des Jahresberichts


von Austria Solar dürften sich ziemlich
gewundert haben – waren die Seiten,
die sie aus der lichtdicht verschlosse­
nen Folie holten, doch komplett leer.
Tatsächlich handelte es sich um den
ersten sonnenbetriebenen Geschäfts­
bericht. Die fotochromatischen Farben
werden erst bei Einfall direkten Son­
nenlichts sichtbar, schon hinter einer
Glasscheibe lässt sich der Bericht nicht
mehr lesen. Die Reaktion verläuft wie
computersimuliert: Die pastelligen Far­
ben erscheinen leicht zeitversetzt auf
dem Papier, nach rund fünf Minuten
ohne Sonneneinwirkung sind sie wie­
der verschwunden.
Um die Idee zu verwirklichen, war
ein spezielles Druckverfahren notwen­
dig, das in dieser Form zum ersten Mal
eingesetzt wurde. Gemeinsam mit der
Druckerei Mory & Meier experimentier­
te die verantwortliche Agentur Ser­
viceplan Campaign nach einer ausge­
dehnten Vorrecherche zwei Tage lang
im Drucklabor, um das gewünschte
Resultat zu erzielen. Das Problem be­
stand vor allem darin, die Seiten voll­
kommen leer erscheinen zu lassen. Ne­
ben den Farben spielte diesbezüglich
das Papier eine ganz wesentliche Rol­
Ohne Sonne geht
le. Denn der Farbauftrag sollte so we­
nix: Serviceplan
nig wie möglich zu sehen sein. Schließ­
Campaign entwickelte
lich iel die Entscheidung auf Symbol
den ersten Geschäfts-
Tatami von Fedrigoni für den Innenteil
bericht, der nur mit
sowie auf einen säuerfreien und al­
Sonnenkraft zu lesen ist.
terungsbeständigen Rückwandkarton
Links: Das Schreiben
von Friedrich Römer für den Umschlag.
wurde in einer lichtdicht
Übrigens gibt es keine »normale« Vari­ ≥ PAGE Online
verschlossenen Folie
ante des Jahresberichts. Möchte man Ein Video vom
versendet, damit die
ihn drinnen lesen, braucht man eine sonnenbetriebenen
Seiten ganz weiß beim
UV­Lampe. Das sei nur konsequent, so Geschäftsbericht
Empfänger ankamen
die Macher. Denn schließlich sei ein So­ gibt es auf www.
larunternehmen auch nur bei Sonnen­ page-online.de/
schein produktiv. nik austria-solar
008 PAGE 05.12 SZENE

Gestaltung von der Insel steht von jeher für


Coolness: Patrick Rylands Spielzeug für die

Alle Bilder © by V&A Museum, London – außer Rendering oben rechts: ©by Zaha Hadid Architects, London
Badewanne (»Fish and Bird« von 1970) demons-
triert die Neigung zu klarem Design und zur
Natur als Inspirationsquelle. Rechts davon: Eine
Riesenauster zum Fest – Londons neues
Aquatics Centre von Zaha Hadid wird bei den
Olympischen Spielen diesen Sommer ganz
groß rauskommen. Darunter: Der skulpturale
Stuhl Little Heavy von Ron Arad (1989) zeigt eine
handwerklich-künstlerische Auseinander-
setzung mit Materialien. Zeitgemäß: Für das
Double-D Minikleid (unten) kombinierte Foale &
Tufin 1966 Mode und Graik

The Empire’s Best


n Designausstellung. Architektur, agierte Terence Conran auf das wach­
Mode, Fotograie, Kunst, Möbel­, Indus­ sende Interesse an Alltagsdesign.
trie­ und Kommunikationsdesign von Die zweite Sektion beleuchtet die
der Nachkriegszeit bis heute – diesen rebellische Seite britischer Kreativer
Bogen spannt die Schau »British De­ wie Richard Slee oder Damien Hirst.
sign 1948–2012. Innovation in the Mo­ Das Swinging London der Sixties wird
dern Age«, die bis 12. August im Lon­ hier ebenso vergegenwärtigt wie der
doner V&A Museum zu sehen ist. Zeit­ Punk der 1970er und das Cool Britannia
lich gerahmt von den Olympia­Events, der 1990er: mit Musikgraik der Pop­
gliedert sie sich in die Themenberei­ Art­Künstler, Vivienne Westwoods ers­
che »Tradition und Moderne«, »Sub­ tem Shop Let It Rock sowie Arbeiten
version« sowie »Innovation und Krea­ Peter Savilles und Tom Dixons. Der letz­
tivität«. Im ersten Teil geht es um die te Teil beschäftigt sich mit Architektur
Verbindung vieler Gestalter zur hand­ und Kreativität im Kontext des Pro­
werklichen Tradition bei gleichzeitiger duktionsprozesses und neuer Techno­
Afinität zum Fortschritt. Bereits 1951 logien, etwa anhand von Zaha Hadids
demonstriert das Festival of Britain Bauten. Für die Ausstellungsarchitek­
als Ausstellung zu Architektur, Indus­ tur ist Ben Kelly Design verantwortlich,
triedesign, Technik, Wissenschaft und Graphic Thought Facility für die Graik,
Kunst die traditionelle Wertschätzung Barnbrook Design gestaltete Erschei­
der Briten für kreative Leistung. Und nungsbild und Katalog, Soda die audio­
mit der Eröffnung von Habitat 1964 re­ visuellen Installationen. wl
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Neues Formgefühl
n Designausstellung II. Die 1920er Jahre waren in
Deutschland eine Zeit gesellschaftlicher und kreativer
Erneuerung, wie sie sich so schnell nicht wiederholen sollte.
Mit der Schau »Unsere Zeit hat ein neues Formgefühl.
Fotograie, Graik und Plakat der 1920er Jahre« lässt uns das
Folkwang Museum vom 28. April bis 5. August in diese Auf-
bruchsstimmung eintauchen. Das Essener Museum war selbst
Teil der gestalterischen Revolution und verfügt über bedeu-
tende Bestände zum Thema. Schon 1903 zeigte das damals noch
in Hagen beheimatete Haus Berufsfotograie – sicher eine der
ersten Ausstellungen dieses Genres. Und seit 2010 gehört die
Sammlung des Deutschen Plakatmuseums zum Folkwang.
Von Konstruktivismus über Neue Sachlichkeit bis Verismus reicht
das Spektrum der in der Zwanziger-Jahre-Schau vertretenen
Stile – der Begriff Verismus leitet sich von italienisch vero für
»wahr« ab und bezeichnet den bis ins Groteske übersteiger-
ten Realismus von Künstlern wie Otto Dix oder Rudolf Schlich-
ter, die die Kunstwelt und die gesellschaftskritische Presse mit
satirischen Graiken und Illustrationen bereicherten. Im Steidl
Verlag erscheint ein in die Hefte »Fotograie«, »Graik« und
»Plakat« unterteilter Katalog (28 Euro, isbn 978-3-86930-473-1).
Oben ein Modefoto der Fotograin Anneliese Kretschmer. cg
010 PAGE 05.12 SZENE

Ideen auf Basis existierender Tech­


nologien gab es auch zuhauf. Unzähli­
ge Panels beschäftigten sich damit,
die Grenzen von HTML5, CSS, JavaScript
und SVG abzustecken oder das UX­De­
sign zu revolutionieren. Allein Google
steuerte 25 Panel­Teilnehmer bei, un­
ter ihnen Aaron Koblin. Der rief das
Jahr für WebGL auf dem Smartphone
aus. Unterstützt wurde er mit handfes­
ten Beweisfällen von Programmierer
Ricardo Cabello alias Mr. Doop, Google
Software Engineer Ken Russell und
Shanna Tellerman von 3­D­Software­
Entwickler Autodesk. Sie prophezeiten
durch Hardware beschleunigtes 3­D
nicht mehr nur in Desktop­Browsern,
sondern auch auf nicht geschlossenen
mobilen Plattformen. Ein Spiel und je­
des andere Rich­Media­Erlebnis in 3­D
werden in Zukunft per Klick auf einen
Was wäre wenn? Link in jedem Medium möglich sein.

Ein Gespräch über n SXSW 2012. Jahr für Jahr pilgern Nicht nur Pepsi, auch Proifuturolo­ Es wird höchste Zeit für eine neue
Visionen zwischen wir zur Interactive­Konferenz South by gen wie etwa Ray Kurzweil und Bruce Sicht der Dinge«, meinte Smashing­
Futurologe Ray Southwest nach Austin in Texas, um Sterling, Politiker wie Al Gore oder ein Pumpkins­Sänger Billy Corgan über die
Kurzweil und Autor die Zukunft der digitalen Gesellschaft Haufen Google­Designer versuchten Musikindustrie. Ähnlich formulierte es
Lev Grossman zu diskutieren und unsere Vorstellun­ sich daran, neue Trends zu formulie­ TV­Koch Anthony Bourdain über das
auf der SXSW gen davon zu überprüfen. Vor Ort nei­ ren. Wir konnten sie belächeln oder Fernsehen und einige schlaue Marke­
gen viele Teilnehmer, versunken in ih­ inspirierend inden. Die diesjährige ter über Werbung und Marketing in ih­
rer eigenen Welt aus Kreativität, Infor­ SXSW schuf vor allem viel Raum für vi­ ren Panels. Ihr Fazit: Die alten Medien
mation, Inspiration und Science­Fiction, sionäre Stimmen und wesentlich weni­ und Geschäftsmodelle sind tot. Es folg­
zu übertrieben optimistischen Prophe­ ger für die zaghaften und skeptischen, te ein Aufruf nach konsequenter Ver­
zeiungen. Wir dürfen allerdings nicht die in den Jahren zuvor noch zum gu­ änderung, um relevant zu bleiben.
vergessen, dass die Perspektiven einer ten Ton gehörten. Ray Kurzweil zum In diesem Zusammenhang führte
digitalen Welt für viele immer noch ei­ Beispiel ging es in seinen wachrütteln­ Brian Solis, Principal Analyst bei Alti­
ne beängstigende Angelegenheit ist. den Reden um eine Metaebene: Die meter Group, die »Generation C« (Ge­
So unterhielt etwa Pepsi eine Diskus­ aktuellen Technologien könnten be­ neration Connected) an. Zu dieser zähl­
sionsplattform um die zentrale Frage: reits revolutionäre Ideen produzieren – ten die meisten von uns – über alle Al­
»Was wäre wenn?«. Täglich konnten wir müssten diese Ideen nur haben und tersgruppen hinweg, so Solis. Für einen
Besucher zusammen frische Konzepte die vorhandene Technik viel konse­ großen Teil der Gesellschaft sei Digital
und Visionen entwickeln. quenter einsetzen. kein Medium mehr, sondern das Zeit­

Aus einer Hand: Im Fokus der Ausstellung »Freitag – Out of the Bag« stehen die Entwicklung der Marke, ihrer Produkte und ihrer Kommunikation
PAGE 05.12 011

Beide Fotos: Roland Hachmann, Head of Social Media Marketing bei DDB Tribal Hamburg
Ein Marktschreier von Skype verliest alle Tweets während der SXSW, die
mit den Hashtags »#sxsw« oder #skpe« versehen waren

alter, in dem wir leben, erklärt er. Wei­ viertägigen Hackathon­Roadtrip. Die
te Teile unseres Lebens sind von digi­ 20­ bis Mitte­30­Jährigen mit Unterneh­
taler Vernetzung geprägt. Wir haben mergeist kämpften sich quer durch die
die Kontrolle über die uns erreichen­ Staaten, um schließlich einer Jury in
den Botschaften und über die Medien, Austin die beste Start­up­Idee vorzu­
die wir konsumieren oder selbst kreie­ tragen. 10 000 Dollar Preisgeld winkten.
ren. Daher beginnen wir alles zu verwei­ In den engen Bussen herrschten un­
gern, was nicht in die Kultur des mün­ menschliche Arbeitsbedingungen, un­
digen Konsumenten passt. Digital ist so­ ter denen vom Konzept bis zum Pro­
mit kein Kanal mehr für Werbung, son­ grammcode bei der Ankunft in Texas
dern eine Denk­ und Handlungsweise. alles fertiggestellt sein musste. Jeder
Mit Vorsicht zu genießen war die konnte das auf UStream live miterle­
Neuaulage des von Venture­Capita­ ben. Motivierend war für die Teilneh­
list Elias Bizannes aus San Francisco mer allein das Ziel, am Ende ein eigenes
initiierten StartupBus. Da begaben sich Start­up zu gründen. Wer es von ihnen
11 Tourbusse mit 336 Geek Chic Engi­ geschafft hat, dem werden wir auf der
neers, Hackern und Werbern von Agen­ nächsten Konferenz wiederbegegnen.
turen wie Razorish, GSD&M, Dentsu, Jürgen-Rahlff Lindner, Kreativ-
WPP Group, Havas und Ogilvy auf einen direktor bei DDB Tribal, Hamburg

Richtige Idee zur richtigen Zeit


n Freitag-Ausstellung. Die Firma tion« bis hin zu »Produktentwicklung«.
Freitag stellt seit 19 Jahren Taschen­ Zu sehen gibt es Prototypen und Ma­
unikate aus gebrauchten Lkw­Planen terialexperimente, Beispiele aus der
her. Mit den lifestylig inszenierten, in­ frühen visuellen Kommunikation, Fo­
dividuell und nachhaltig produzierten tos und Filme von Firmenpartys und
Produkten gelten die Zürcher als Vor­ Produktionsprozessen. Auch das Mar­
zeigemarke für die Kreativwirtschaft. kenimage in Japan wird vorgestellt,
Dem Geschäftsmodell und der Philo­ und ein Taschen­Zuschneider arbeitet
sophie der Freitag­Brüder, der visuel­ live im Museum. All dies macht deut­
len Markenkultur, den Herstellungs­ lich, wie Unternehmens­ und Pro­
prozessen und den Produkten wid­ duktkultur zusammenhängen. Bei Lars
met das Museum für Gestaltung Zü­ Müller Publishers erscheint anlässlich
rich nun vom 4. April bis zum 29. Juli der Ausstellung die Publikation »Frei­
eine Ausstellung. tag – Ein Taschen­Buch«. Alles in allem
Die Szenograie des Industriedesig­ also ein schöner Beitrag zur Frage, wie
ners Michael Schmid nimmt das Mo­ gelungenes Design entsteht – und wie
tiv des Lkw auf und präsentiert die Ex­ eine zeitgemäße theoretische Aus­
ponate in sieben thematischen Trai­ einandersetzung mit Gestaltung aus­
lern von »Wirkung« über »Kommunika­ sehen kann. wl
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Blätterrascheln
n Schönste Bücher aus aller Welt. »Der Buchgestal­
ter wird zum zweiten Autor. Er spricht zu uns in der Sprache
des Buches und des Papiers.« So urteilte die Jury über die
von Zhao Xigang gestaltete chinesische Publikation »The
Story of Paper­cut«, die sie mit eine Silbermedaille aus­
zeichnete. Farbe und Papier passen sich dem Inhalt an, das
weiche Buch schmiegt sich in die Hand des Betrachters und
lässt ihn die Papierschnittkunst buchstäblich erfühlen. Die
höchste Auszeichnung, die Goldene Letter, ging aber an ein
anderes Werk: das Fotobuch »La Résidence« des dänischen
Gestalters JH Engström. Durch ein System von Aufklappsei­
Zhao Xigang hat ten gelingt es ihm, die als Triptychen angelegten Bildserien
»The Story of zu lyrischen und narrativen Szenen zu entfalten.
Papercut« für den Von den 540 eingesandten Büchern zeichnete die Stif­
Leser fühlbar ge- tung Buchkunst 14 aus. Erstmals und einmalig waren keine
macht – und bekam Beiträge aus Deutschland dabei, da der deutsche Wettbe­
dafür Silber werb aufgrund der Neustrukturierung erst im Frühjahr 2012
stattindet (siehe PAGE 12.11, Seite 18). Bei den Schönsten
Büchern aus aller Welt sind ausschließlich Publikationen
zugelassen, die bereits auf nationaler Ebene gewonnen ha­
ben. Die Preisverleihung fand Mitte März auf der Leipziger
Gold für die Buchmesse statt. Weitere Bilder der Gold­ und Silbergewin­
originelle Bindung ner gibt es auf www.page-online.de/schoenste-buecher-aus-
von »Raum, aller-welt-2012 zu sehen. nik
verschraubt mit
der Zeit«. Um
die Fotos nicht
mit erklärenden
Texten zu über-
frachten, gestalte-
te Hubertus Adam
einfach ein Buch
mit zwei Blöcken

Ansichtssache
»Ich will nicht mehr!« PAGE­Redakteurin Antje Dohmann nervt der inlationäre
Einsatz des Mehr in der Werbung

n Ob Auto, Investmentfond, Flug­ Dabei gibt es doch auch ohne Wer­ »Ein Mehr als Bestandteil des Mar­
suchmaschine oder Kosmetik – jeder beversprechen jeden Tag mehr: mehr kenclaims kann helfen, zu positionie­
wirbt neuerdings mit mehr: »Mehr E­Mails, mehr Shoppingportale, mehr ren, zu differenzieren und eine Marke
Wagen« (Suzuki Swift), »Mehr einfach Stress, mehr Brotsorten beim Bäcker. greifbarer werden zu lassen«, so Ale­
machen« (Fidelity International), »Mehr Ich persönlich fände es sehr angenehm xander Hahn. »Wesentlich ist jedoch,
Flüge. Mehr billig« (Swoodoo), »Mehr und lebenserleichternd, gäbe es mal dass die Marke ihr Mehr­Versprechen
als weiss« (Perlweiss). Alexander Hahn, von etwas weniger. Vermutlich inden auch halten kann.« So manch einem
Gründer von Slogans.de, versteht dies Werber das Wörtchen »weniger« nicht Brand würde es sicher gut tun, etwas
als den Versuch, »Konsumenten zu ak­ so sexy. Zugegeben: Der Claim »Weni­ weniger zu versprechen. »Starten Sie
tivieren. Angesichts einer immer un­ ger Geld« statt »Mehr Geld« (Ageas) ein Auto und so viel mehr«. Was bitte
überschaubareren Angebotsvielfalt er­ würde außer dem Überraschungsmo­ soll ich mir ausgerechnet bei einem
scheint die Betonung eines konkreten ment wohl keine großen Erfolge erzie­ Ford Focus unter dem Mehr vorstel­
Mehrwerts zunehmend als geeigne­ len. Aber wo mehr exisitiert, gibt es len? Oder »Schützt noch mehr als Sie
tes Mittel, um sich von den Angeboten auch ein positives Weniger. Wieso nicht denken«. Woher will o.b. wissen, was
der anderen Mitbewerber abzugren­ mal »Weniger Benzinverbrauch« statt ich denke? Liebe Werber, schaltet mal
zen. Entsprechend ist ›mehr‹ seit Ja­ »Mehr G als jeder GTI zuvor« (VW Golf) einen Gang zurück und denkt an das,
nuar 2012 das meistgenutzte Wort in oder »Weniger Dreck für die City« statt was eure Omi euch schon sagte: Weni­
deutschen Slogans.« »Mehr Style für die City« (Peugeot)? ger ist manchmal mehr.
PAGE 05.12 013

England brennt
n Piktogramme. Viel wurde über die Aufstände in England im vergangenen
Sommer geschrieben, die auf die Erschießung Mark Duggans durch die Polizei
folgten. Aber kann man diese Geschichte auch ohne Worte darstellen? Stephen
McCarthy kann. Der britische Designer (www.loft27design.com) veröffent-
lichte eine 32-seitige Broschüre, in der er mittels Piktogrammen im Stil von
Otto Neurath dieses düstere Kapitel britischer Geschichte erzählt. Angefangen
von den Schüssen und den folgenden, zunächst friedlichen Demonstrationen,
über die Unruhen und Plünderungen, David Camerons vorzeitiger Rückkehr aus
dem Urlaub bis hin zu den Aufräumaktionen und drakonischen Bestrafungen,
bringt Stephen McCarthy die Ereignisse auf den Punkt. Kaufen kann man »England’s
burning« für 7,50 Pfund bei Unit Editions. ant

RGB-Variationen
n Erscheinungsbild. Schon im Jah­ rianten in ein Rastersystem integrie­
re 1972 trug ein berühmtes Live­Album ren lässt – perfekt um monatliche Ver­
der Band King Crimson den Ruhm des anstaltungen zu kommunizieren oder
Frankfurter Zoom Clubs in die Welt. um in unterschiedlichen Formaten in
Später wurde er als Sinkkasten legen­ Print, Web, Mobile sowie auf Wand­
där, nach dessen Insolvenz 2011 haben RGBs zum Einsatz zu kommen. Der Clou
ihn jetzt neue Betreiber unter dem al­ bei Letzteren: Sowohl das horizontale
ten Namen Zoom wiedereröffnet. Die Innen­ als auch das vertikale Außen­
Agentur Surface entwarf ein modula­ schild lassen sich farblich ans jeweilige
res Logo, das sich in verschiedenen Va­ Monatsprogramms anpassen. cg
014 PAGE 05.12 SZENE

BRANCHE & KARRIERE


Offener Thinktank
n Kongress-Erscheinungsbild. Wie
macht man digitale Fachmedien zu Geld?
Dem Thema Monetarisierungsstrategien
widmet sich am 14. und 15. Juni der Kongress
der deutschen Fachpresse, der erstmals
in Essen stattindet – im futuristischen
Q2-Glaskubus des ThyssenKrupp Quartiers.
Die Wiesbadener Agentur Ponderosa
Design übernahm die Leichtigkeit der Archi-
tektur ins Veranstaltungsdesign. »Wir
sehen den Kongress als gedanklichen und
formalen Raum, als Thinktank, der durch-
lässig für interdisziplinäre Ideen ist und es
erlaubt, Netzwerke zu schaffen«, erklärt
Designerin Simone Janz. So wurde ein iso-
metrischer Kubus zum variablen Key-
visual, das mit Gelb- und Grautönen das
Erscheinungsbild des Vereins Deutsche
Fachpresse aufgreift. Vielleicht sollte
man Letzteres in ähnlicher Weise mal ein
bisschen auffrischen? cg

Business Basics
Christian Büning, Präsident des Berufsverbands der Deutschen
Kommunikationsdesigner (www.bdg-designer.de), beantwortet berufs-

Foto: © André W. Sobott, www.aw-sobott.de


bezogene Fragen von Gestaltern. Hier stellt er aktuelle Fälle vor

Dörthe, 24: Ich bin bald mit meinen Kommunikations- müssen Sie mit Ihrem ganzen Vermö-
designstudium fertig. Nach dem Bachelor würde ich mich gen dafür geradestehen. Das Beste aus
gerne mit einer guten Freundin selbstständig machen. beiden Welten – eine Personengesell-
Wir haben im Studium viele Kurse gemeinsam belegt und schaft mit beschränkter Haftung – ist
gut zusammengearbeitet. Gerade überlegen wir, in Deutschland leider nicht möglich.
welche Unternehmensform wohl die beste für uns ist. Designer gründen häuig eine GbR.
Diese Gesellschaftsform ist sehr offen
Liebe Dörthe, und kann beliebig viele Partner auf-
herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Ent- nehmen, allerdings haftet dabei jeder eine gute Wahl. Beide sind anspruchs-
schluss, ein eigenes Büro zu gründen. für jeden. Sie sollten daher eine GbR voller in der Buchhaltung, Sie brauchen
Die beste Unternehmensform über- nur mit jemandem gründen, dem Sie Sie ein Stammkapital und sind bilan-
haupt gibt es nicht, aber die passende wirklich vertrauen. Die GbR ist in der zierungsplichtig. Daher empiehlt sich
für Sie und Ihre Freundin. Überlegen Buchhaltung auch ohne Steuerberater die Hilfe eines Steuerberaters.
Sie zunächst, was Ihnen wichtiger ist: machbar und verursacht keine nen- Mein Tipp: Exotische Unterneh-
eine Haftungsgrenze oder eine einfa- nenswerten Gründungskosten. Sie be- mensformen als Steuersparmodell wie
che Buchhaltung. nötigen lediglich einen Gründungs- eine Aktiengesellschaft (AG) oder ei-
Eine Haftungsgrenze erhalten Sie vertrag und müssen die GbR beim Fi- ne Limited (Ltd.) rechnen sich für klei-
mithilfe einer Kapitalgesellschaft, müs- nanzamt anmelden. Im Netz inden Sie nere Büros nicht. Vergessen Sie trotz
sen dafür aber einen erhöhten Buch- zahlreiche Vorlagen, die Sie für Ihre aller Gründungseuphorie auf keinen
haltungsaufwand akzeptieren. Weni- Zwecke anpassen können, unter an- Fall ein geordnetes Aulösungsverfah-
ger komplex in der Buchhaltung ist ei- derem dazu, wie man mit Gewinnen ren. Viel Erfolg und einen guten Start!
ne Personengesellschaft, zum Beispiel oder mit Konlikten umgehen soll.
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Wenn Sie Ihre Haftung beschränken Haben Sie Fragen, die Sie hier beant-
(GbR), dafür haften Sie allerdings voll wollen, ist eine Kapitalgesellschaft, al- wortet sehen möchten? Dann
und gesamtschuldnerisch. Das bedeu- so eine GmbH oder eine Unternehmer- schreiben Sie uns (E-Mail: business
tet, wenn es zu einem Schaden kommt, gesellschaft (UG haftungsbeschränkt) basics@bdg-designer.de)
PAGE 05.12 015
jj

Brennpunkt
Frog-Design-Gründer Hartmut Esslinger über
seine Rolle als Jurypräsident beim diesjährigen
ADC Wettbewerb und über gute Werbung

n Die Berufung von Hartmut Esslinger Wie deinieren Sie gute Werbung? +++ Neuer Chef bei häfelinger + wagner. Benjamin
als Jury-Chairman des ADC Wettbe- Es gibt ein paar zeitlose Beispiele wie Klöck (links) tritt die Nachfolge von Annette Häfe-
werbs 2012 sorgte für Verwunderung den »1984«-Spot von Apple. Steve Jobs linger an und führt die Münchner Designagentur ab
in der Branche. Der Frog-Design-Grün- sagte damals: »Advertising is about sofort gemeinsam mit Frank Wagner. Klöck soll die
der ist vorrangig für sein Produktde- emotion«. Für mich ist gute Werbung strategischen Leistungsfelder der Agentur wie Mar-
sign bekannt – eine Kategorie, die bei intuitiv. Man erfreut sich daran, man kenstrategie und -führung vorantreiben. Er wechselt
dem Festival nur eine untergeordnete fühlt sich bereichert und nicht ausge- von Peter Schmidt Group, wo er neun Jahre lang als
Rolle spielt. »Mit Hartmut Esslinger ha- nutzt. Die Ästhetik ist Mittel zum Geschäftsführer und Kreativdirektor den Münchner
ben wir eine echte Designlegende für Zweck, entscheidend sind Ethik und Standort leitete. Häfelinger hatte sich Ende Mai 2011
das Amt des Jury-Chairmans gewon- Konzept. Es wäre schön, wenn Wer- aus der Agentur zurückgezogen. +++ ADC*E Annual
nen. Eine Persönlichkeit mit Strahlkraft, bung ein bisschen intelligenter würde. als App. Der Art Directors Club of Europe veröffent-
einen Vordenker unserer Branche«, er- Nach Ihrer Professur in Wien haben licht sein Jahrbuch erstmals als iPad-App. Das digitale
klärt ADC-Präsidiumssprecher Jochen Sie nun einen Lehrstuhl in Shanghai. »Annual of Annuals 2011« zeigt die 582 Gewinner-
Rädeker. »Seit vier Jahrzehnten agiert Was reizt Sie an der Lehre? arbeiten des europäischen Kreativwettbewerbs, Pro-
Esslinger an der Schnittstelle von Wirt- Die Lehre ist quasi meine dritte Karrie- ile und Essays der Juroren. Es ist für 5,49 Euro im App
schaft und Design. Auch deshalb woll- re. Es macht Spaß, junge, talentierte Store erhältlich. +++ Britta Poetzsch zu Serviceplan.
ten wir ihn als Jury-Chairman haben. Leute gut in den Beruf zu bringen, oh- Seit 1. April ist Britta Poetzsch , zuletzt Chief Crea-
Denn das ADC Festival und der ADC ne die sonst übliche Schinderei in den tive Oficer der deutschen McCann-Erickson-Nieder-
Kongress setzen sich in diesem Jahr ersten Jahren. In Shanghai baue ich an lassung, Geschäftsführerin Kreation bei Serviceplan
damit auseinander, welchen Mehrwert der Fudan University ein neues Insti- Sales. Die Agentur kümmert sich um Sales Marketing
Kreativität für die Wirtschaft hat.« nik tut für strategisches Design auf, ma- innerhalb der Serviceplan-Gruppe. +++ Econ Awards
che auch Workshops und halte Vorle- Unternehmenskommunikation. Noch bis 27. April
Waren Sie überrascht, als der sungen im ganzen Land. In China pas- können sich Firmen, Organisationen, Stiftungen und
ADC Sie fragte, ob Sie den Jury- siert gerade sehr viel. Die Regierung öffentliche Institutionen aus dem deutschsprachigen
vorsitz übernehmen wollen? hat kürzlich dazu aufgerufen, weniger Raum um eine Auszeichnung für ihre Unternehmens-
Hartmut Esslinger Allerdings. Aber zu produzieren, dafür aber mehr Qua- kommunikation bewerben. Eingereicht werden kön-
es ergibt Sinn: Schließlich kann man lität mit besseren Gewinnen hervor- nen unter anderem Geschäfts- und Nachhaltigkeits-
Werbung nicht vom Produkt oder An- zubringen. Dabei möchte ich gern hel- berichte, Imagepublikationen und Magazine (Print
gebot trennen. Bei jedem Wettbewerb fen. Außerdem schreibe ich gerade an und iPad-Apps). ≥ www.econ-awards.de +++ Filmi-
geht es letztlich immer um Qualität. meinem zweiten Buch über Kreativi- sches Erzählen. Am 26. und 27. April veranstaltet
Was gut ist, ist gut und was schlecht tät und Design. Es muss endlich ein Eyes and Ears of Europe mit RTL Creation in Köln den
ist, ist schlecht. Das gilt für jeden Be- Gegengewicht zu rational motivierter Workshop »Storytelling mit der Kamera«. Darin wird
reich der Kreativität. Macht- und Geldgier geschaffen wer- die Kamera als Instrument zur Ideen- und Konzep-
Wie wollen Sie als Jury-Chairman den. Dabei geht es nicht nur um Erfolge tionsindung für Design, Promotion und Marketing
vorgehen? wie Apple, Sony oder Vuitton sondern analysiert. Anmeldeschluss ist der 20. April. ≥ www.
Es ist ja nur ein Ehrenamt, aber ich auch darum, wie und warum manche eeofe.de +++ CREA Credential Award 2012. Der von
werde sicherlich kein bequemes Jury- Dinge schiefgehen. der Agenturmanagementberatung cherrypicker ver-
mitglied sein. Ich war mal in der iF-Jury Was sind momentan die großen anstaltete Wettbwerb zeichnet die besten Selbstdar-
und da habe ich lediglich drei Arbeiten Themen im Design? stellungen deutschsprachiger Agenturen aus. Bewer-
für gut befunden. Ich wurde nie wie- Ganz klar: Sustainability. Nachhaltig- tet werden jegliche Eigenmarketingmaßnahmen zur
der eingeladen. keit nicht nur im Design, sondern für Neugeschäfts- oder Mitarbeitergewinnung. Einrei-
Dann gibt es dieses Jahr wohl die Menschen und die Welt. Ebenfalls chungsfrist ist der 15. Mai. ≥ www.credentialaward.
weniger Nägel. ein wichtiges Thema ist die strategi- com +++ ADC Young Masters Seminar »Design«.
Als Chairman habe ich letztlich nichts sche Leitung von Unternehmen. Viele Am 27. und 28. April veranstaltet der ADC in Hamburg
zu sagen. Aber ich bin gespannt, wie werden immer noch geführt wie das einen Workshop zum Thema Design. Unter den Refe-
die Juroren entscheiden, und ich wer- Römische Reich. Die Leute auf den renten sind beispielsweise Lars Harmsen, Geschäfts-
de meine Meinung sagen und die Leu- unteren Ebenen können noch so gut führer von Magma Brand Design, und Mate Stein-
te anstacheln. Es gibt sicher sehr gute sein – wenn oben nur left brainers sit- forth, Kreativdirektor bei Sehsucht Berlin. Sie beant-
Kampagnen – verstehen Sie mich nicht zen, haben kreative Innovationen kei- worten Fragen rund um Corporate Identity, Pro-
falsch. Über meine Arbeit hatte ich im- ne Chance. Wir brauchen kreativere duktentwicklung, Kommunikation im Raum und
mer Kontakt mit guten Agenturen. Chefs und Designer als Aufsichtsräte. Branding mit Typograie. ≥ www.adc.de +++ Seoul-
Partnerschaft. Die Berliner Corporate-Identity- und
-Design-Agentur Plex ist eine Partnerschaft mit Meta-
»Die Leute auf den unteren Ebenen können noch Branding eingegangen, einer Markenagentur in Süd-
korea. Mit rund 40 Mitarbeitern betreut diese in
so gut sein – wenn oben nur left brainers sitzen, Seoul Kunden wie Samsung, LG und Hyundai Motors.
Plex möchte mit dieser Partnerschaft ihre Präsenz in
haben kreative Innovationen keine Chance« Asien weiter ausbauen. nik
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Frisiertes Signet
n Selfpromotion. Die kleine Madri-
der Kreativagentur mit dem merkwür-
digen Namen ChickenBrainKen hat noch
keine Arbeiten vorzuweisen, außer
ihrem Logo. Doch das hat sie bereits
bekannt gemacht, besteht es doch
aus Haaren. Ein witziges YouTube-Video
erklärt, wie die beiden Gründer auf die
Idee kamen. Weil sie ihrem Firmenkürzel
einen sehr persönlichen Touch geben
wollten, hätten sie sich erst mal selbst
angeschaut – zwei junge Designer
in schwarzen Klamotten, der einzige
Unterschied, der ihnen ins Auge iel,
waren die Haare . . . Also frisch ans Werk
und draulosgebastelt. Bei genauerer
Betrachtung des Making-of-Videos wird
zwar deutlich, dass wohl nicht alles
eigene Haare gewesen sein können.
In puncto Eigenwerbung aber
jedenfalls schon mal ein Volltreffer. cg

Talentsuche im Quellcode
n Recruiting-Aktion. Mit der Crowdsourcing-Kam-
pagne »Mein Burger« stieß McDonald’s Deutschland auf
offene Ohren. Die Aktion rief jedoch nicht nur eifrige
Rezepte-Macher auf den Plan – sondern auch viele Hacker,
die sich daran versuchten, den Burger-Konigurator
zu manipulieren. Natürlich erfolglos, wie die zuständige
Agentur Razorish versichert. In Reaktion auf die
Hackerangriffe hat Razorish bei der Neuaulage der
Kampagne, in Absprache mit McDonald’s, im Quell-
code des Programms eine Nachricht versteckt. Doch statt
darin den Möchtegern-Manipulatoren auf die Finger
zu klopfen, lobt die Agentur die ausgefuchsten Hacker:
»Glückwunsch, so weit kommen nicht viele. Zeit für den
nächsten Schritt: talents@razorish.de«. Die Nachricht sei Facebook-Jura
gut versteckt, damit nur die besten Hacker daran gelan-
gen, so Tom Acland, Managing Director von Razorish. Die n Rechtsratgeber. Im Social Web 648-02588-8); Thomas Schwenke
ersten Bewerbungen seien schon eingegangen. nik interessieren sich mehr Menschen für bei O’Reilly die Publikation »Social Me-
Rechtsfragen, als man annehmen mag. dia Marketing und Recht« (29,90 Euro,
Über 2000 Follower hat der Twitter- isbn 978-3-86899-142-0).
Account des Stuttgarter Rechtsanwalts Schwer zu sagen, welches Buch bes-
Carsten Ulbricht , der seit 2007 den ser ist, zumal es Überschneidungen
Blog www.rechtzweinull.de betreibt. gibt. Vielleicht ist Schwenke näher dran
Auch nicht zu verachten: die knapp an der Kreativszene, während Ulbricht
2000 Likes, die die Facebook-Seite der mehr die Unternehmen anspricht. Aber
Berliner Anwaltskanzlei Schwenke & bei so webafinen Juristen inden sich
Dramburg mit ihrem Blog http://spree natürlich alle Infos über die Bücher on-
recht.de zu verzeichnen hat. Die 2.0-Ju- line, inklusive Inhaltsverzeichnis und
risten haben nun zufällig fast gleichzei- Probekapitel. Der Besuch auf den Web-
tig Bücher mit fast gleichem Titel vor- sites macht auch deutlich, dass es hier
gelegt: Carsten Ulbricht bei Haufe »So- um viele spannende Fragen aus dem
cial Media und Recht. Praxiswissen für Kreativalltag geht. Falls irgendwer da-
Unternehmen« (39,95 Euro, isbn 978-3- ran gezweifelt haben sollte. cg
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AUSBILDUNG

Von erfrischend
frech bis düster:
Alex Kowalski
(links), Isabella
Kellermeister
(rechts oben)
und Sieglinde
Fischer inter-
pretieren
berühmte
Kunstwerke

Alte Meister neu aufgelegt


≥ PAGE Online n Illustration. Die Fachhochschule Würzburg-Schwein-
Alle Arbeiten furt bietet einiges in Sachen Illustration. Die Dozenten Flo-
zeigen wir unter rian Bayer und André Rösler arbeiten seit zwei Jahren da-
www.page- ran, das Lehrangebot für Illustration im Fachbereich Ge-
online.de/ staltung auszubauen und die Studierenden mit allerhand
alte-meister- Projekten für ihre Disziplin zu begeistern. Einen Einblick in
neue-werke ihre Arbeit gibt das Semesterprojekt »Alte Meister – Neue
Werke«, bei dem sehenswerte Ergebnisse entstanden sind.
Florian Bayer hatte seine Studenten aufgefordert, sich
klassische Kunstwerke vorzunehmen und frei zu interpre-
tieren. »Das konnte ein Remix sein oder eine zu einem Ge-
mälde ausgedachte Geschichte, eine formale Spielerei oder
eine biograische Recherche«, erklärt er. »Herausgekom- widmete sich unterschiedlichen Stillleben, um daraus ein
men ist eine Hommage an Werke der Kunstgeschichte – in Kochbuch mit (un)genießbaren Rezepten zu gestalten.
einer Bandbreite, die vom Stillleben-Rezeptbuch über die Während sie ihre Essensvorschläge mit eher niedlich-ver-
illustrierte Biograie bis hin zum Dada-Tarot reicht.« spielten Illustrationen schmackhaft macht, interpretiert
So untersuchte die Illustrationsstudentin Hanne Jatho Alex Kowalski Egon Schiele in einem düsteren Skizzen-Stil.
in ihrem Buch die Geschichte hinter Gustav Klimts »Danaë«, Seine unheimlichen Bildwelten illustrieren die Biograien
Mona-Lisa Friedrich entwickelt aus Andrew Wyeths Gemäl- einiger Modelle, von denen der expressionistische Künstler
de »Christina’s World« einen Comic, und Sieglinde Fischer Porträts gemalt hat.
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Erd-Erkundung +++ Future Lions 2012. Die Agentur AKQA ruft zur
Teilnahme an dem von ihr und den Cannes Lions ini-
n Buchprojekt. Einen ungewöhnli- zen und Notizen festgehalten. Sie be- tiierten Wettbewerb auf. Unter dem Motto »Answer
chen Reisebericht hat Andrea Schulz richtet von Begegnungen mit Perso- the call« sollen Studenten eine Werbeidee entwickeln,
als Diplomarbeit im Fach Visuelle Kom- nen wie A14, klärt Fragen wie, warum wie sie vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen
munikation an der Kunsthochschule die Menschen so komische Frisuren wäre – so das Brieing. Die besten fünf Teams reisen
Berlin-Weißensee vorgelegt. Sie hat haben und die Vögel verkehrt herum zum Festival nach Cannes, um sich und ihre Ideen
sich von einer Theorie inspirieren las- landen. Sie meistert ihren Hunger mit vorzustellen. ≥ www.futurelions.com +++ Design am
sen, nach der am Nord- und Südpol kleinen Ekeleien und wundert sich, dass Oberrhein Award. Studenten und Absolventen
Öffnungen zu finden sind, durch die ihre Fotos nichts werden. Wer mehr aus dem Bereich Gestaltung sind aufgefordert, eine
Menschen in das Innere der Erde ge- über »Die Erde ist hohl« erfahren will, Corporate Identity für das von der EU geförderte
langen können. Dank einer zweiten kann auf www.andreaschulz.eu in dem Projekt »Design am Oberrhein/Design Rhin Supéri-
Sonne gibt es in dieser »konkaven amüsanten Buch blättern. eur« zu entwerfen. Aufgabe ist es, die Region im Drei-
Welt« einiges zu entdecken. ländereck als Designstandort zu positionieren und als
Die Gestalterin hat ihre Fantasie Ihre Reise in die »konkave Welt« Marke bekannt zu machen. Der erste Preis ist ein
wunderbar spielen lassen und genau hat Andrea Schulz in einfachen einwöchiger Workshop im Vitra Design Museum in
92 Reisetage in einfachen Bleistiftskiz- Bleistiftskizzen festgehalten Domaine de Boisbuchet. Das Konzept muss bis De-
zember 2012 eingereicht werden. ≥ www.design-am-
oberrhein.eu +++ Kolloquium »DESIGN promoviert«.
Am 28. April lädt die Deutsche Gesellschaft für De-
signtheorie und -forschung gemeinsam mit dem De-
sign Research Network und der Bauhaus-Universität
Weimar nach Weimar ein. Auf dem siebten Kolloquium
»DESIGN promoviert« stellen Doktoranden aus dem
Bereich Design ihre Forschungsthemen einem öffent-
lichen Publikum vor. Wer im Plenum sitzen möchte,
kann sich bis zum 20. April als Gastzuhörer anmel-
den. ≥ www.design-promoviert.de +++ Neue Profes-
soren für die KHM. Sechs Kreative haben zum Win-
tersemester ihre Lehre an der Kunsthochschule für
Medien Köln aufgenommen: Drehbuchautor Markus
Busch, der britischen Videokünstler Phil Collins, Foto-
grain Beate Gütschow, Autorin und Regisseurin Katrin
Laur, die französische Kamerafrau Sophie Maintigneux
und der Künstler Johannes Wohnseifer. +++ VES Award
entschieden. Die Visual Effects Society hat den Kurz-
Die Kunst des Zeitaufschubs verlernen ilm »a.maize« von Falko Paeper, Roman Kaelin und
Florian Wittmann in der Kategorie »Outstanding Visual
n Erklärvideo. Die Deadline rückt näher, Effects in a Student Project« prämiert. Die Studenten
und es fällt einem nichts Besseres ein, als von der Ludwigsburger Filmakademie hatten den Clip
die Stiftsammlung nach Farben zu sortieren. als ofiziellen Trailer zur FMX 2011, dem Stuttgarter Ani-
Wie man solchen Prokrastinationsverlo- mationsfestival, entwickelt (siehe unter www.fmx.de).
ckungen entgeht, diskutiert Grafik-Designer ≥ www.visualeffectssociety.com/ves-awards +++ Die
David Weigert in seiner Masterarbeit Klappe Nachwuchswettbewerb. Das Team, das den
»The Day before. A project about not making deutschen Filmnachwuchs bei den Cannes Lions ver-
a project«, die er an der Londoner Middlesex treten wird, steht fest. Die Klappe-Jury hat Christian
University angefertigt hat. Herzstück ist ein Kroll von Euro RSCG Düsseldorf und Carolina Klass
ironisch illustrierter Film, der mit bekannten von Markenilm in Hamburg mit Gold ausgezeichnet.
Icons spielt, die Designer vor die Wahl stellen, Die beiden überzeugten mit ihrem Spot »Pinkeln« für
zu arbeiten oder doch was anderes tun. Hier die Deutsche Bahn und gehen damit ins Rennen um
kämpfen Ordnersymbole und Facebook-Icon einen Nachwuchslöwen. +++ Designing Services.
um die Aufmerksamkeit der Maus, rattert das The Future of Design? Während der Münchner Crea-
Kalender-Icon, evaluieren Leistungskurven den tive Business Week diskutierten Experten auf dem von
Tag. Für alle, die sich von dem Video anges- der Macromedia Hochschule für Medien und Kommu-
prochen fühlen, gibt es noch eine Website mit nikation veranstalteten Panel Talk über Design in der
interaktiven Flash-Animationen: Unter http:// Dienstleistungswirtschaft. Impulsreferate und die
thedaybefore.davidweigert.com können Podiumsdiskussion stehen ab sofort als Videobeiträ-
Sie üben, Nein zu Ablenkungen zu sagen. nk ge unter www.youtube.com/user/mhmkvideos. nk
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PAGE ONLINE
Portfolio des Monats
In jeder Ausgabe stellen wir ein Mitglied aus der PAGE Community und Highlights aus seinem Portfolio vor

Jan Erlinghagen
www.page-online.de/community/portfolios/jan_erlinghagen

n Ob Kleinvieh, die Gewohnheiten bei der Klopa- Ich bin Freelancer


piernutzung oder urbane Mobilität: Der Berliner Ich biete Print, Konzeption, Beratung
Graik-Designer Jan Erlinghagen indet für jedes E-Mail hello@jan-erlinghagen.de
Thema eine ganz eigene Visualisierung. Er experi- Web http://jan-erlinghagen.de
mentiert mit Informationsgraiken und Schriften Standort Berlin
und hat auch eine eigene entworfen, den Display-
font Fana, der von Plakatschriften des 19. Jahr-
hunderts inspiriert ist.

E-Mag: KrEation | tyPo | BiLD | tECHniK | SZEnE | gaLEriE

Sinneslandschaften Schrift des Monats: Winco Leuchtendes Gelee


Kreation. Mitreißender visueller Neuzu- Typo. Retype-Gründer Ramiro Espinoza stu- Bild. Es muss nicht immer Wackelpudding
gang im Grassi Museum für Angewandte dierte die Arbeiten von Nachkriegsbuchge- sein: Le Creative Sweatshop aus Paris hat
Kunst Leipzig: Als Finale der ständigen staltern wie Berthold Wolpe und historische Designerleuchten in Schweine- und andere
Ausstellung können die Besucher jetzt in Druckschriften wie die Arpke Antiqua oder Speisegelees gegossen. Diese transluzen-
eine interaktive 360-Grad-Rauminstalla- die Globus Kursiv. Diese Einlüsse bilden den ten »Light & Jelly«-Experimente hat Foto-
tion eintauchen und sich in Klang- und stilistischen Rahmen seiner humanistischen graf Fabrice Fouillet in ihrer irritierenden
Bildprojektionen verlieren. Sans-Serif-Familie Winco. Schönheit eingefangen.
≥ www.page-online.de/grassi ≥ www.page-online.de/winco ≥ www.page-online.de/leuchtendes_gelee
PAGE 05.12 021

≥ www.page-online.de PAGEmag

Datenvisualisierung zu »Gewohnheiten bei der Klopapiernutzung« Dokumentation des Gestaltungswettbewerbs Barcode A40 für die
neuen Lärmschutzwände der A40 in Bochum-Wattenscheid Fana heißt die Displayschrift des Berliner Gestalters In seiner Diplomarbeit
»kleinvieh« setzte Jan Erlinghagen sich mit dem Thema Artenvielfalt auseinander

PagE nEWSLEttEr

100 beste Plakate 11 Interface für DJs Immer up to date


Szene. Unter 1800 eingereichten Plakaten Technik. Klangkünstler E.N.S. hat die An- n Bestellen Sie jetzt den kostenlosen
aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wendung Turntable Projection Mapping PAGE Newsletter und bleiben Sie auf
hat die Jury die 100 Besten ermittelt. Wie im- entwickelt, die die Gesten eines DJs am dem Laufenden rund um kreatives Me-
mer ist die Auswahl abwechslungsreich, in- Plattenspieler trackt und in soundreak- diendesign, Publishing und Trends. So
spirierend und spannend. Ab Juni sind die tive Bilder übersetzt. Zudem werden Vi- erfahren Sie auch als Erste, wenn wir
Siegermotive in Berlin zu sehen. Wir zeigen suals in angepasster Drehgeschwindig- ein neues PAGE Seminar veranstalten
jetzt schon zwanzig von ihnen. keit auf die Turntables projiziert. oder eine Sonderedition herausgeben.
≥ www.page-online.de/besteplakate_11 ≥ www.page-online.de/dj_interface ≥ www.page-online.de/newsletter
022 PAGE 05.12

TITEL

»Ein Bildschirm, der niemals ausgeht«: Der


Little Printer des Londoner Designstudios Berg
druckt Smartphone-Inhalte auf Papier
PAGE 05.12 023

HELLO PRINT
Insolvenzen in der Druckindustrie sowie sinkende
Zeitschriften- und Zeitungsaulagen auf der
einen Seite – Online-Druckservices und innovative
Printkommunikation auf der anderen Seite:
Die digitalen Medien eröffnen kreativen Köpfen ganz

A
neue Möglichkeiten ls die deutsche Nationalmannschaft
sich beim 6 : 2-Heimsieg gegen Öster-
reich souverän das EM-Ticket sicher-
te, jubelten nicht nur Fußballfans.
Thorsten Fischer schaute sich das
Match aus berulichen Gründen an,
denn er hatte an jenem 2. Septem-
ber 2011 zum ersten Mal Länderspiel-Bandenwerbung ge-
bucht. Beim Abpiff in der Arena auf Schalke hatten 12 Mil-
lionen TV-Zuschauer den Namen seines Unternehmens zig-
mal gelesen, direkt neben Coca-Cola, Commerzbank und
Mercedes-Benz. Am nächsten Morgen tauchte der Schrift-
zug obendrein in den Pressefotos der gedruckten Sport-
berichte auf. Fischer ist kein Konzernchef, er betreut auch
keine Weltmarke. Er ist Druckereibesitzer. In Würzburg.
Thorsten Fischer ist der Gründer von lyeralarm.
Foto: http://bergcloud.com

Seine lyeralarm GmbH ist die größte Onlinedruckerei


Europas und bearbeitet täglich bis zu 10 000 Aufträge.
15 000 Pakete verlassen an Werktagen das Betriebsgelän-
de. Gegründet hat Fischer lyeralarm vor zehn Jahren, zu-
nächst als Internetservice, der Druckaufträge online entge-
gennimmt und dann kostengünstig mit Druckpartnern
024 PAGE 05.12 TITEL Print neo

abwickelt. Mit dieser Methode machten die drei lyer- Handzetteln einem enormen Preisdruck ausgesetzt ist. In
alarm-Mitarbeiter bereits im ersten Geschäftsjahr einen Um- den Grenzregionen zu Polen und Tschechien lauert darü-
satz von 250 000 Euro. Vier Jahre später wurden die ersten ber hinaus die Konkurrenz aus den Nachbarstaaten, und
eigenen Druckmaschinen gekauft. Heute bilden 20 Groß- Aufträge mit weniger Zeitdruck wie zum Beispiel Bücher
format- und 10 Mittelformatsysteme den lyeralarm-Print- landen sowieso längst in Billiglohnländern.
park. Die Zahl der Beschäftigten ist auf 1500 gewachsen, Parallel dazu leisten die erfolgreichen Online-Printing-
der Umsatz lag 2011 bei rund 250 Millionen Euro. Services ihren Beitrag zum Preisverfall. Aufgrund exzellen-
Vor drei, vier Jahren hätte sich das kaum jemand vorstel- ter Worklows und brandneuer Maschinen haben sie den
len können. Die Druckindustrie steckt in der Krise. Tausende Markt seitlich ausgedünnt. Clevere Steuerungsprogramme
Betriebe sind vom Markt verschwunden. Doch einige wach- sammeln mehrere Tausend Druckaufträge pro Tag und po-
sen gegen den Trend, weil sie über das Internet mit vielen sitionieren sie so auf den Bogen, dass kein Verschnitt an-
kleinen und zum Teil neuen Kunden große Geschäfte ma- fällt. Und weil die jungen Unternehmen kräftig wachsen,
chen: lyeralarm, diedruckerei.de oder Laserline. laufen bei ihnen die neuesten Systeme, zum Beispiel eine
Heidelberg Speedmaster XL 105 mit interner Farbmessung,

S
elbst Experten hat der Erfolg der Online- die einen Printjob ohne Pause in konstanter Qualität durch-
Printing-Services überrascht. Seit 2000 rattert. Dank efizienter Technik lässt sich günstig produ-
hat die Druckindustrie 3900 Betriebe zieren, und so wird heute online gedruckt, was früher ne-
und 64 000 Beschäftigte verloren. Das benan erledigt wurde.
entspricht einem Minus von rund 30 Pro- Noch ist das Online-Printing-Business ein Markt, der von
zent. Auch von der positiven wirtschaft- vielen kleinen und einigen mittelständischen Druckereien
lichen Entwicklung seit 2010 konnte die besetzt wird. Doch das wird sich bald ändern. Ende Februar
Branche nicht proitieren. Im Gegenteil: Der Umsatz der ver- stieg die WAZ Mediengruppe mit einem Millionendeal bei
bliebenen rund 10 000 Unternehmen sank noch einmal um Tweak ein. Bei dem Onlineservice können Privatleute und
2,5 Prozent auf 20,2 Milliarden Euro. Kleinunternehmer gedruckte Werbemittel ohne Agenturen
Die aktuellen Probleme der Druckindustrie sind nicht und Designer erstellen. Ein Computer mit Internetzugang
konjunktureller, sondern struktureller Art. Durch die Krise reicht, um ins Remote Publishing einzusteigen. Die Tweak-
in der Zeitungsbranche und den Wegfall vieler Katalogkun- Site bietet eine Million Designvorlagen, dazu Fotos und
den können besonders Rollenoffset- und Tiefdruckanbieter kostenlose Logos sowie von Prois verfasste Textbausteine
ihre Maschinen für große Aulagen nicht mehr auslasten. für 350 Branchen. Druckereien können Partner werden und
Den Bogenoffsetdruckereien in den Großstädten geht es mithilfe des Portals binnen einer Woche eine Design-to-
kaum besser, weil auch die Produktion von Plakaten und Print-Website ins Netz stellen.

Große Umsätze mit kleinen Kunden: Das Geschäftsmodell


von Online-Printing-Services verbindet auf efiziente
Weise digitale und analoge Welt. So macht etwa lyeralarm
mittlerweile schon Bandenwerbung bei Länderspielen
026 PAGE 05.12 TITEL Print neo

Gründer von Tweak ist der irische Unternehmer und Fo- ren vom Schreibtisch aus steht uns noch bevor. Und es
tograf Jerry Kennelly, der jahrelange Erfahrung im Conve- kommt wahrscheinlich doller und mächtiger, als wir uns
nience-Design-Geschäft hat. Vor 15 Jahren gründete er mit das heute ausmalen können, denn erneut hat Apple als
Stockbyte eine der ersten Agenturen lizenzfreier Bilder, die aufmerksamer Innovator die Weichen gestellt.
er 2006 für 110 Millionen Euro an Getty Images verkaufte. So war es auch eine nette Geste von Apple, die Verlage
Die WAZ Mediengruppe will mit der Tweak-Kooperation – bei der Vorstellung ihres Publishingtools iBooks Author mit
angesichts rückläuiger Aulagen bei Zeitungen und Zeit- auf die Bühne zu holen. Tatsächlich wendet sich die iBooks-
schriften – einfach nur ihre Druckmaschinen mit privaten Umgebung nicht nur an die Verlagshäuser, sondern an je-
Aufträgen auslasten. Dabei wird sich der Riese aus Nord- dermann. Das Tool ist kostenlos und kinderleicht zu bedie-
rhein-Westfalen mit Kampfpreisen und Größe ein ordentli- nen. Das geplante Buch lässt sich am Mac wie eine Präsen-
ches Stück vom Online-Kuchen erobern. Schon in den nächs- tation zusammenbauen, Seite für Seite, mit bekannten
ten Wochen soll es losgehen. Handgriffen auf Basis von Vorlagen. Hat man sein Werk fer-
tig gestaltet, drückt man – wie beim Veröffentlichen einer

D
ie größte Gefahr, mit der die Druck- App – den Publish-Knopf, und schon wandert es in den
industrie in den kommenden Jahren iBookstore. Dabei ist es egal, ob das Buch etwas kosten oder
zu kämpfen haben wird, ist kultur- umsonst vertrieben werden soll. Wenige Stunden später
technischer Natur: Die Menschen le- steht es im iTunes-Buchregal, fertig zum Verkauf und zum
sen immer weniger auf Papier, son- Download auf fast 100 Millionen iPads weltweit.
dern zunehmend am Bildschirm. Die Apple ist es damit als erstes Unternehmen gelungen, ei-
jüngsten Statistiken schätzen, dass ne integrierte Publishing-Brücke mit drei Pfeilern zu kon-
ein arbeitender Mensch in einem Industrieland pro Tag auf struieren: Erstellung, Veröffentlichung und Vertrieb. Das
sieben verschieden Displays Informationen aufnimmt, an- bieten weder Amazon noch die anderen E-Book-Plattfor-
gefangen bei der morgendlichen Nachrichtenlektüre auf men, an denen seit Jahren gebastelt wird – mit den Verla-
dem Smartphone oder Tablet, gefolgt vom Digitalschau- gen als Bremser. Aus der Sicht eines Autors macht die neue
fenster in der U-Bahn oder dem Navi im Auto, über den Ar- Buch-Publishing-Schiene nicht nur den Verlag überlüssig,
beitsplatzrechner im Büro bis hin zu den heimischen Unter- sondern den Buchhändler gleich mit, ganz zu schweigen
haltungsgeräten Fernseher und E-Book-Reader. von Druckereien und anderen Zulieferern. Die ersten mit
Der Antwort von Angela Merkel auf die Frage der »Bild«- iBooks Author erstellten Bücher sind bereits erschienen –
Zeitung Ende Januar »Wie oft surfen Sie eigentlich im Inter- ohne Verlag, ohne Lektor, ohne Verhandlungen und ohne
net und was interessiert Sie dort besonders?« können sich Druckerei: Das ist die Zukunft des Publishings.
Millionen Bundesbürger anschließen: »Soweit ich Zeit ha-

H
be, schaue ich mir Online-Ausgaben einiger Zeitungen und eißt das nun, dass gedruckte Bücher,
Magazine an. Ich verfolge auch den Deutschen Aktienindex Zeitschriften, Verlage und Buchhänd-
und die Zinssätze für die verschiedenen Euro-Länder. (. . .) ler bald aussterben? Nein, denn wir
Ich habe ein Facebook-Proil als CDU-Vorsitzende und da wissen aus Erfahrung, dass alte Me-
auch viele ›Freunde‹ (. . .) Über Twitter ist der Regierungs- dien nur selten ganz von der Bildlä-
sprecher mit mittlerweile fast 50 000 Followern erreichbar.« che verschwinden, sondern ein glückli-
Damit hat die Bundeskanzlerin alles gesagt: Die elektro- ches und erfolgreiches Leben parallel
nische Lieferung von Texten und Bildern auf den privaten zu den Neuen Medien führen, siehe Vinyl, Radio, Papierfo-
Bildschirm ist schneller als jede Drucksache und selektiver tos, Sofortbilder, Visitenkarten, Ansichtskarten und der-
nutzbar als Radio und Fernsehen. Die meisten Medien ha- gleichen mehr. Aber ihre Funktion wird sich ändern. Und sie
ben einen Rückkanal, sodass der Empfänger zum Sender werden aufgewertet, wenn Unternehmer es richtig anstellen.
werden kann. Dies ist nicht nur ungemein sexy, sondern de- So ist beispielsweise im Zeitalter der totalen Verfügbar-
mokratisch und erfüllt einen Traum vieler Menschen. Nicht keit von Musik das Wissen von Musikredakteuren gefragt,
umsonst hat Facebook im Februar 2012 über 850 Millionen die und durch den Dschungel des Angebots navigieren.
aktiver Nutzer weltweit. Deren News sind für viele Men- Verleger werden noch viel mehr die Aufgabe übernehmen,
schen mindestens so wichtig wie die der Nachrichtenagen- für die sie heute von Hobby-Autoren gehasst werden: Qua-
turen und auf ihrem Bildschirm mischen sie beides – zu je- litäts-Pförtner zu sein. In Zukunft wird nur noch als ge-
der Tageszeit – zu einer individuellen Sonderausgabe zu- drucktes Buch erscheinen, was von inhaltlichem Wert ist
sammen. Da unsere Zeit für den Medienkonsum, ob alt oder und qualitativ Bestand hat. Alles andere erscheint digital.
neu, seit Jahren ungefähr konstant ist, spüren vor allem die Das ist gut für die Umwelt, für unseren Geldbeutel und
klassischen Medien Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und wirkt dem heimischen Medien-Organisationschaos entge-
Fernsehen das veränderte Nutzungsverhalten. gen. Billy muss sterben!
Blogs, Facebook und Co haben die Tätigkeit des Publi- Das digitale Publizieren erlöst die Drucker vom Preis-
zierens demokratisiert. Damit wird eine der letzten Schöp- kampf. Schnelle und billige Informationen, auch Nachschla-
fungstechniken vom Sockel der Exklusivität gestoßen. Be- gewerke, sind im elektronischen Kreislauf besser aufgeho-
gonnen hat das vor bald 30 Jahren mit dem Desktop-Publi- ben. Wer druckt, möchte repräsentieren. Da schaut man
shing, der elektronischen Mediengestaltung. Doch DTP war nicht auf den Cent. Ganz im Gegenteil: Die analoge Kom-
nichts anderes als Desktop-PrePress, das wahre Publizie- munikation wird alle Techniken schätzen, lieben und be-
028 PAGE 05.12 TITEL Print neo

zahlen, die der digitalen Welt verschlossen sind. Das


fängt bei Haptik und Geruch an, geht über Prägungen und
Lacke bis hin zum Stanzen, Laminieren und dem ganzen
Veredelungszauber. Dieser Trend ist schon heute an den
Umschlägen vieler Neuerscheinungen zu beobachten. Die
Verlage tun gut daran, in Graik und Gestaltung zu investie-
ren, um das Buch als Impulsprodukt zu stärken.
Weil bald jeder Mensch am heimischen Computer ein
Buch veröffentlichen kann, wird unser wertvollstes Kultur-
medium einen ungeheuren Boom erleben. Unter solchen
Demokratisierungen leidet natürlich erst mal die Qualität.
Das war beim Desktop-Publishing nicht anders. Doch nach
wenigen Jahren hat sich die Spreu vom Weizen getrennt.
Dann werden sich Techniken und Talente durchsetzen, die
das Medium auf ein noch nicht gekanntes Qualitätsniveau
heben. Und das auf beiden Schienen, digital und gedruckt.
Angenehmer Nebeneffekt solcher Massenphänomene
sind neue Märkte und Kunden. Auch im Zeitalter von E-Books
wird es auf Papier gedruckte Bücher geben, womöglich so-
gar mehr als zuvor, aber in geringerer Aulage, bis hin zu
einem Exemplar. Mittels Printing on Demand werden sie bald
direkt vor unseren Augen produziert. Das Zeitalter des
TREND Selfpublishing
Buchdruckautomaten wird kommen. Ein Vorreiter ist die Bruno Ceschel, Gründer der Plattform Self Publish,
Xerox-Tochter On Demand Books. Mit der Espresso Book Be Happy, http://selfpublishbehappy.com
Machine 2.0 hat sie ein Gerät entwickelt, das ein Buch tat-
sächlich so schnell drucken kann, wie es dauert, einen Cap- n Warum Selfpublishing glücklich macht? Genau diese Fra-
puccino zu trinken. Die britische Buchhandelskette Black- ge stellen wir in einem Fragebogen auch immer den Ma-
well will sechzig Filialen mit der Espresso Book Machine aus- chern der Bücher, die uns zugesandt werden und die wir
statten und damit vergriffene Titel wieder lieferbar machen. regelmäßig auf unserer Website vorstellen. Die häuigste
Antwort heißt: Weil es Spaß macht. Weil der Prozess, aus ei-

V
erlagsleute mit Fantasie prophezeien ner Idee ein Objekt zu machen, sehr befriedigend ist. Das
angesichts solchen Wetterleuchtens liegt auch daran, dass Bücher meist in Teamarbeit von Leu-
einen interessanten »Zweitmarkt«. ten entstehen, die sich um Text, Bild, Gestaltung und Her-
Keine Ablösung des gedruckten Bu- stellung kümmern. Unsere Plattform will für diese Leute ei-
ches also, sondern eine Neuorientie- ne Community schaffen, Katalysator für ihre Kreationen sein.
rung, vor allem für die Digital Natives. Dazu veranstalten wir auch Workshops in ganz Europa.
Und: Wie soll man ein heruntergelade- Wobei die meisten Selfpublisher keineswegs nostalgi-
nes Buch eigentlich verschenken? Wie kann so ein Download sche Übriggebliebene aus dem Printzeitalter sind, sondern
als Zeichen von Respekt, Dank und Zuneigung den Blumen- Leute zwischen 25 und 30 Jahren oder jünger – wie Lewis
strauß von der Tankstelle ersetzen? Wer diese Fragen mit ei- Chaplin, der als 18-Jähriger den Blog und Miniverlag www.
nem Geschäftsmodell beantwortet, dem gehört die Zukunft. fourteen-nineteen.com gründete, der schon für Aufmerk-
Es ist absehbar, dass uns die Digitalisierung des Wortes samkeit sorgte. Er und andere Selfpublisher sind mit dem
bald anödet und der Ruf nach Gedrucktem lauter wird. Dann Internet aufgewachsen, kennen das Fotosharing über Flickr,
werden neue Copyshops entstehen oder die alten aufrüsten, Tumblr und so fort. Im Unterschied zum digitalen Bild, das
sodass wir unsere E-Books drucken und die selbst verfass- sich tausendmal kopieren und wiederholen lässt und über
ten Werke zum physischen Leben erwecken können. Wem das man jede Kontrolle verliert, bietet das Teilen gedruckter
der Weg auf die Straße zu mühsam ist, wird einen solchen Bilder eine andere Art von Vergnügen. Worüber man online
Drucker zu Hause oder im Büro stehen haben. So wie den Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig ermutigen
Little Printer, der dieses Jahr erscheinen soll – nur größer. kann – oder sich auf Selfpublishing-Messen treffen.
Das Technikspielzeug des Londoner Designbüros Berg Ich selbst habe bereits für klassische Buchverlage wie
druckt Tweets, Facebook-Pinnwände und digitale Visiten- zum Beispiel Aperture oder Chris Boot Ltd. gearbeitet und
karten auf Thermopapier. Die kleinen Papierstreifen, die fand es frustrierend, dass die Bücher, die mich am meisten
Einkaufsquittungen ähneln, lassen sich problemlos einste- interessierten, nicht publiziert wurden, sei es aus inanzi-
cken, mitnehmen und weitergeben. Oder wie die Erinder ellen Gründen oder weil sie zu gewagt waren. Im Selfpubli-
sagen: »Papier ist wie ein Bildschirm, der niemals ausgeht.« shing ist alles möglich, und man kann damit auch Erfolg ha-
Eine Smartphone-App steuert den Minidrucker. Dabei en- ben. In sämtlichen Listen der besten Fotobücher 2011 wa-
det jeder Printjob mit einem Smiley im Sichtfenster des ren selbst publizierte Titel dabei. Ei-
Little Printer . . . so wie damals, als wir den Mac zum Desk-
top-Publishing eingeschaltet haben. Jürgen Siebert
nige dieser neuen Player werden sich
bestimmt etablieren. Siehe Seite 032
030 PAGE 05.12 TITEL Print neo

TREND Print goes Screen


Jens Kutilek, Mitgründer der Digital-Agentur Netzallee in Berlin

Kommt die Schriftdarstellung auf aktuellen Bildschirmen schon


der Qualität im Druck nahe?
Nein, dafür müssten erst mal hochaulösende Monitore in den All-
tag einziehen. Bisher gibt es ausreichende Aulösungen meist nur
auf Smartphone- und iPad-Displays. Da man diese dichter vor die
Augen hält, relativiert sich die höhere Aulösung aber wieder.
Sind für High-Resolution-Displays spezielle Schriften nötig?
Auch die sind ja immer noch weit von Druckaulösungen entfernt.
Daher eignen sich für sie dieselben Schriften wie für schlechte
Druckbedingungen. Also robuste Serifenfonts oder Serifenbeton-
te. Auch Serifenlose, die in der Regel sowieso weniger anfällig für
schlechte Druckqualität sind. Allerdings gibt es am Bildschirm nicht
TREND Print to Web
die gleichen Effekte wie beim Druck, etwa das Zulaufen von Ecken Andreas Klemp, Geschäftsführer der Multichannel-Agentur
oder den Zuwachs bei Haarlinien. Dafür schaut das Auge ja ei- Red Urban in München
gentlich in eine Lichtquelle, sodass es Überstrahlungseffekte wie
bei Typo auf hinterleuchteten Schildern geben kann. Da gibt es in- n Digitale Kanäle werden im Dialogmarketing zwar zuneh-
teressante Ansatzmöglichkeiten für Typedesigner, zumal das Tes- mend wichtiger, weil sie per se dialogisch sind. Das heißt aller-
ten der Schriften in der tatsächlichen Anwendung auf dem an- dings im Umkehrschluss nicht, dass das Ofline-Mailing aus-
gepeilten Zielgerät viel einfacher geworden ist. stirbt. Die Kategorie ist beim diesjährigen Dialogmarketing-
Benötigen künftige Screenfonts noch Hinting? preis ddp sogar noch gewachsen – ein deutliches Indiz dafür,
Vorerst ja. Allerdings reicht die Leistungsfähigkeit heutiger Pro- dass sie nicht kurz vorm Ende steht. Es ist viel mehr ein Mit- als
zessoren dafür aus, das Hinting automatisch und in Echtzeit zu ein Nacheinander – zumindest im Moment noch. Wer weiß,
berechnen, wie es Mac OS X und die meisten Smartphone-Betriebs- wie es in zehn Jahren aussieht?
systeme schon tun. Für geglättete Buchstaben funktioniert das Heute haben klassische Print-Mailings nach wie vor Rele-
wunderbar. Das Problem sehe ich eher auf vanz. In einem zunehmend digitalen Umfeld erhöhen sie die
Anwenderseite: Jede kleinste Änderung bei Aufmerksamkeit für eine Marke oder ein Produkt – vorausge-
so etwas Grundlegendem wie der Textdar- setzt, sie sind gut gemacht und nicht bloße Schweinebauch-
stellung trifft fast automatisch auf Wider- zettel. Hochwertige analoge Aussendungen bleiben eher mal
stand. Die User sind an die bisherige Dar- auf dem Schreibtisch liegen als ein Newsletter im Posteingang.
stellung gewöhnt und können Neues schwer Interessant wird es bei der Kombination der Kanäle: Digital
akzeptieren. Deswegen hält sich so etwas kann ich ganz andere Welten erschaffen und emotionale Zu-
wie Windows XP mit seiner eigentlich ver- gänge setzen, zum Beispiel mit Bewegtbild. Das Aufrufen dieser
alteten Darstellung so hartnäckig. Neuar- Welten kann wiederum gut ofline angeregt werden. Klassische
tige Geräte wie Smartphones haben da eher Mailings sind dann das Tor zur Onlinekampagne, etwa mittels
die Chance, von vorn- QR-Codes oder Augmented Reality. So
herein etwas anders zu
machen. Siehe Seite 060 verknüpft man zwei Welten und schafft
weitere Erlebnisse online. Siehe Seite 040
TREND Electronics in Print
Jonas Voegeli arbeitet als Designer, Artdirektor und Markenspezialist und lehrt
Editorial Design an der University of Art and Design Lausanne

n Die Verbindung von Druck und Elektronik muss mehr sein als ein Jedes Blatt enthält einen Transpon-
Gadget, das für einen kurzen Augenblick die Aufmerksamkeit des der, und je ein Receiver in Cover und
Users fesselt. Das bedeutet, dass die elektronische Anwendung – Rücken empfängt das Signal. Ein
welche Gestalt auch immer sie hat – gegenüber einem Buch oder Chip wertet dann die Position der
Magazin einen Mehrwert bietet und gleichzeitig das Medium als Seite aus und gibt einen entspre-
solches unterstützt. Wer Multimedia haben möchte, ist mit einem chenden Ton aus. Interessant sind
iPad besser bedient. zudem Anwendungen im Fashion-
Für einen Komponisten und Theaterregisseur entsteht gerade bereich, zum Beispiel Stoffe, die ih-
ein Buch, in das ein MP3-Player integriert sein soll. Für den Künstler re Farbe verändern.
ist die Musik zu seiner Publikation essenziell, und er möchte nicht Die gedruckte Elektronik hat zu-
den Weg über beigelegte CDs gehen, die man erst entnehmen und letzt große technische Fortschritte
in ein Abspielgerät legen muss. Durch den MP3-Player, der auch ein gemacht, aber ich würde mir wün-
kleines Display für die Auswahl unter den 300 beigegebenen Tracks schen, dass es auch konzeptionell
enthalten wird, und die zugehörigen Kopfhörer lassen Buch und vorangeht, damit mehr als bloße
Musik zu einer Einheit verschmelzen. Hingucker he-
Ein anderes, ebenso überzeugendes Beispiel macht aus einem
in japanischer Broschur gebundenen Buch ein Musikinstrument:
rauskommen.
Siehe Seite 082
032 PAGE 05.12
KREATION
Im »Book Look Book« macht Fotograf
Jörg Koopmann die Selfpublishing-
Szene selbst zum Thema. Natürlich
erschien das Bücheranschaubuch,
das Fotos von Messen wie der Offprint
Paris zeigt, in seinem eigenen
Verlag namens Book With A Beard.
Design: Keller Maurer
We ♥ Print
Print ist out, die Jugend lebt nur noch digital? Ganz falsch.

PAGE 05.12
Die Faszination für Drucksachen ist ungebrochen und indet in der
Selfpublishing-Bewegung neue, engagierte Verfechter

033
034 PAGE 05.12 KREATION Selfpublishing

Der mit 25 000 Dollar


dotierte Grand Prize beim
von Blurb veranstalteten
Wettbewerb Photography
Book Now ging 2011 an
Valerio Spadas »Gomorrha
Girl«. Es verbindet auf
verschiedenen Papierarten
Fotos und persönliche
Texte mit Polizeiberichten

≥ PAGE Online n Was unterscheidet das Analoge mand-Anbieter Blurb, die aus ausge- und Wort vorstellen: in Heft #1 Under-
Links zu vom Digitalen? In einem TV-Bericht wählten Alben inklusive Kommenta- ground-Fotograf Alexander Binder, den
Selfpublishern übers aktuelle Strickrevival hörte ich ren ein Fotobuch erstellt. Da hat man 25books.com als »Rammstein on pa-
und einschlä- kürzlich, wie das ein älterer Mann auf etwas Greifbares in der Hand, das Le- per« bezeichnete; in Heft #2 Klaus Thy-
gigen Buchhand- den Punkt brachte, der seit Jahrzehn- ben rauscht nicht einfach so davon . . . mann, erfolgreicher Werbefotograf, der
lungen unter ten in einem kleinen Lädchen irgend- in dem freien Projekt »Hybrid« bizarre
www.page- wo in Deutschland Wolle verkauft. Kreativprofis gehen oft noch ein Stück Phänomene des globalen Kulturmisch-
online.de/ Dass plötzlich wieder junge Leute in weiter. Nehmen wir André Habermann, maschs festhält.
selfpublishing seinen Laden strömen, erklärt er sich Webdeveloper bei der Social-Media- Die Massen wollen die Magazinma-
als Gegenbewegung zur Flüchtigkeit Agentur Great White Ark in München, cher mit »RFLKT« nicht erreichen. Eine
des Digitalen: »Die wollen etwas in der Thomas Günther, Interactive Project Aulage von nur je 50 Stück soll das
Hand haben, das nicht mit dem nächs- Manager bei TBWA\Digital Arts in Ber- »Projekt etwas exklusiver halten«, er-
ten Klick wieder weg ist.« lin und Christoph Noé, Senior Art Di- klärt André Habermann. Der Spaß kos-
Genau darum werden wohl aus so rector bei der Digitalagentur Plan.net. tet knapp 700 Euro für den Druck und
vielen erfolgreichen Blogs Bücher oder Allesamt also berulich tief in der digi- Papier pro Ausgabe. Bei einem Ver-
stehen immer wieder neue Lösungen talen Welt verankert – doch nebenher kaufspreis von 8 Euro je Heft würde das
bereit, um unseren Facebook-Aktivi- geben sie das Printmagazin »RFLKT« ein Minus ergeben, die Agentur web-
täten gedruckte Beständigkeit zu ge- heraus. Zwei Ausgaben sind bisher er- guerillas, Ex-Arbeitgeber der drei, ist
ben – wie die App von Print-on-De- schienen, die je einen Künstler in Bild aber als großzügiger Sponsor beteiligt.
PAGE 05.12 035

Die PIY-Bewegung liebt das Re-


oder Upcycling vorhandener
Drucksachen. Designerin und
Bandmitglied Guðbjörg
Tómasdóttir kreierte die Cover
von My Bubba and Me aus
alten Plattenhüllen, die sie
mit selbst gemachten
Gummistempeln bedruckte

Man wolle etwas Haptisches schaf-


fen, »etwas zum Verweilen«, so die He-
rausgeber, das die Chance gebe, »Ma-
terial über einen langen Zeitraum zu
relektieren, den Relex des Abschal-
tens zu umgehen«. Auch um folgende
Frage zu klären, die sich der digitalen
Generation stellt: »Verändert sich ei-
ne wiederholte oder andauernde Be-
trachtung gegenüber einer einmaligen
oder lüchtigen?«

Selbst gemachte Zines kennen wir ja,


seit die Punks in den 1970er Jahren mit
den neuen Fotokopierern wilde Klebe-
layouts vervielfältigten. Der aktuelle
Publish-it-yourself-Trend kommt gestal-
terisch und inhaltlich gelassener daher,
ab und zu verkopft, aber auch oft frech,
subversiv und/oder erotisch. Zur Rück-
besinnung aufs Analoge gehört zu-
dem, dass man nicht nur online kom-
muniziert, sondern sich gern im echten
Leben auf kuscheligen Events trifft.
Immer zahlreichere Messen bieten
dazu Gelegenheit. Da ist die PA/PER
VIEW art book fair, die gerade wieder
in Brüssel stattfand, aber auch schon Herzens-Printprojekt
in London, Turin oder Eindhoven viele dreier Digitaldesigner
Besucher anlockte. Cutting-Edge-Foto- ist das Magazin
buchhändler Yannick Bouillis rief gleich »RFLKT«, das die Unter-
zwei Events ins Leben: die jährliche Off- schiede zwischen
print Paris sowie die Amsterdam Art/ digitaler und analoger
Book Fair. In London gibt es die Künst- Auseinandersetzung
lerbuchmesse Handmade & Bound so- mit künstlerischen
wie die Initiative Publish and be Dam- Ausdruckformen
ned, die eine jährliche Messe (zuletzt erkunden möchte
im März im ICA, dem Institute of Con-
tempory Arts) organisiert und seit Kur-
zem ein eigenes Magazin herausgibt. In
Rom fand zum zweiten Mal die Inde-
pendent-Publisher-Ausstellung »little
big press« statt, in Leipzig organi-
036 PAGE 05.12 KREATION Selfpublishing

Im Bongoût-Store in der Berliner Torstraße sowie über www.shop.bongout.org verkaufen


Anna Hellsgård & Christian Gfeller interessante Drucksachen. Darunter Bücher aus
der eigenen Siebdruckwerkstatt Re:Surgo! wie dieses 47 mal 34 Zentimeter große Unikat

sierte Spector Books anlässlich der drängten sich die Besucher bis spät in gefragt wie nie. Auf www.handmade
dortigen Buchmesse zum dritten Mal den Abend. Kein Wunder, waren doch kultur.de gibt es regelmäßige Hinwei-
im Centraltheater die Schau »It’s a Book, jede Menge spannende Selfpublisher se auf solche Workshops.
It’s a Stage, It’s a Public Place«. Nicht nur vertreten. Darunter Urs Lehni von Rol- Neues Interesse erweckt auch das
Selfpublisher, aber auch solche wer- lo Press aus Zürich sowie Lubok Press gute, alte Buchdruckverfahren, heut-
den auf den Book Days anzutreffen aus Leipzig, die Macher der Publikati- zutage schick Letterpress genannt und
sein, die C/O Berlin am 25. und 26. Mai onsreihe »Shake Your Tree« oder das weniger mit Büchern als mit Akziden-
zum zweiten Mal veranstaltet. Designerduo Jung + Wenig. Momentan zen verbunden, die mit Prägedruck
In Frankfurt hatte im vergangenen läuft die Planung zur Second Issue – auf lauschigem Papier edlen hapti-
Oktober First Issue Premiere, als »Self- wäre schön, die Veranstaltung könnte schen Reiz entfalten. In den USA gibt
Publishing Book Fair for Design and sich als Parallel-Event zur Frankfurter es viel mehr innovative Letterpress-
Art« Begleit- oder Gegenprogramm zur Buchmesse etablieren. Studios, aber auch hierzulande sind in
Buchmesse. Ex-»Form«-Chefredakteu- Szenestadtteilen seit geraumer Zeit
rin Petra Schmidt, die Designer Sandra Noch befriedigender als etwas Hand- wieder Ofizinen, sprich Druckerwerk-
Döller und Michael Satter sowie Adrian gemachtes zu kaufen ist nur, es mit ei- stätten zu inden. Zum Beispiel Letter-
Niessler und Catrin Altenbrandt von genen Händen zu schaffen. Der Sieb- press 77 in Düsseldorf-Flingern, Poly-
Pixelgarten gründeten für die Organi- druck war nie aus der Mode, im Zuge chroma im Hamburger Schanzenvier-
sation des Events eigens den Design- der Hand-made-Bewegung erlebt er tel oder Honeybird in Altona.
Verein Frankfurt e. V. Die Resonanz war aber einen regelrechten Boom. Kurse, Engagierte Verfechter traditionel-
groß, die Tickets für das Vortragspro- wie sie in Hamburg Atelier Frohstoff ler Druckkunst sind in Berlin unter
gramm schnell ausverkauft, und an oder in Berlin Drucksalon, Mother Dru- anderem Martin Z. Schröder, dessen
zahlreichen Ständen in engen Räumen cker und SDW Neukölln anbieten, sind Druckerey gerade das vierte Buch von
PAGE 05.12 037

Max Goldt produziert, oder Sabrina


Sundermann mit Small Caps, die sich
auch »Manufaktur für feine Drucke«
nennt. In der Regel, so erklärt sie, ar-
beiten die neuen Letterpress-Spezia-
listen sowohl mit Blei- oder Holzlet-
tern als auch mit Kunststoff- oder Ma-
gnesiumklischees, für die sich Vorlagen
am Rechner erstellen lassen. Die wer-
den von Spezialirmen angefertigt und
können auch Logos, Illustrationen oder
besondere Schriften drucken.

Absolutes Lieblingsgerät der Selfpu-


blisher aber ist der Risograph. Die von
der japanischen Firma Riso entwickel-
te Wundermaschine vereinigt sämt-
liche Eigenschaften, die PIYler entzü- In der Rubrik »GR3770«,
cken: niedrige Verbrauchskosten, ein- benannt nach ihrem
fache Bedienung inklusive Ansteue- Risographen, zeigt Jung +
rung über das Netzwerk, Schnelligkeit Wenig auf ihrer Website
(rund 180 Seiten in der Minute), alte- experimentelle Publika-
rungsbeständige Drucke und Umwelt- tionen wie diese sexy
freundlichkeit: Der Risograph benötigt Hommage an Tschicholds
nur wenig Strom, da er nicht mit Hitze berühmtes Buch »Erfreu-
arbeitet, die Druckfolie besteht größ- liche Drucksachen durch
tenteils aus Bananenplanzenfasern, gute Typograie« von 1960
die Farben werden auf Wasser- und
Sojaölbasis hergestellt.
Ursprünglich wurde ausschließlich
monochrom gedruckt, längst stehen
aber eine Menge Schmuck- und Son-
derfarben bereit, die sich durch Aus-
tauschen der je nach Gerät ein bis
zwei Druckzylinder wechseln lassen.
In Vollfarbe druckt die neue, nicht auf
Risographie, sondern auf Inkjettechno-
logie beruhende ComColor-Serie. Aber
das inden manche Selfpublisher viel
langweiliger als die Siebdruckanmu-
tung der Risographen.

Lo-Fi-Nische oder Professionalisierung:


Wie sieht die Zukunft des PIY aus? Jörg
Koopmann, dessen »Book Look Book«
wir zu Anfang dieses Artikels vorge-
stellt haben, ist zwiegespalten, was
den aktuellen Hype angeht. »Je mehr da
ist, desto weniger wird verkauft. Die Il-
lusion, dass man mit eigenen Publika-
tionen Geld verdient, ist schnell vom
Tisch.« Als geradezu schizophren emp-
indet er den Trend zur Exklusivität:
»Eine 2000er Aulage wird sich nie aus-
verkaufen. Also macht man sich mit
extra kleinen Aulagen rar, denn so-

Visuell und konzeptionell stark präsentiert


sich das im Rotationsoffset gedruckte
»Album, Magazin für Fotograie« aus dem
Umfeld der Hochschule für Gestaltung
Offenbach. Thema von Ausgabe #2 war
»Same/Same«; Informationen zum nächsten
Heft unter www.album-magazin.de
038 PAGE 05.12 KREATION Selfpublishing

Der Risographdruck
verleiht dem Scii-Kochbuch bald ein Buch vergriffen ist, fangen
»U Are A Chef« des Nor- alle an, es zu wollen.«
wegers Øivin Horvei eine Die Fotos, die Jörg Koopmann am
für Essbares ungewöhn- eigenen Stand schoss, fangen die fast
liche Farbanmutung. Es familiäre Atmosphäre unter den Fans
erschien bei Landill besonderer Printprodukte gut ein. »Das
Editions in London, gestal- hat etwas Liebevolles. Als Objekt bie-
tet hat diesen Band tet das Buch nach wie vor ein essenzi-
Tobias Röttger aus Berlin ell anderes Erlebnis als etwa das iPad«,
so Koopmann. Tatsächlich ließt viel
Liebe in die selbst publizierten Bücher
ein. Im Fall von Koopmanns Miniverlag
Book With A Beard auch die hochkarä-
tiger Designer wie Thomas Mayfried,
Mirko Borsche, Herburg Weiland oder
Keller Maurer, die Koopmann aus Job-
zusammenhängen kennt und die sei-
ne Bücher kostenlos gestalten.
Doch Vorsicht, wer jetzt über so viel
Idealismus lächeln will: Selfpublishing
ist kein elitäres Hobby, sondern auch
jenseits schicker Künstlerbücher längst
ein Massenphänomen. Laut »Publi-
shers Weekly« überstieg in den USA
schon 2008 die Zahl selbst publizierter
Titel diejenige aus klassischen Verlags-
häusern, wobei hier kleinste Print-on-
Demand-Aulagen die Hauptrolle spie-
len. Ein typisches Long-Tail-Business
Linoldruck und Inkjetprints
eben. Gleichzeitig haben die großen
von 3-D-Renderings verbinden
Verlage zu kämpfen, wie First-Issue-
sich in dem von slalom
Mitorganisatorin Catrin Altenbrandt
micro editions publizierten
durch ihre Auftragsarbeiten als Desig-
»XTAL« von Joe Villion,
nerin weiß: »Man muss die alten Model-
David Tovar und Marc Hennes
le überdenken. Das Web eröffnet neue
Vertriebsmöglichkeiten, und der Digi-
taldruck wird immer besser. Man kann
zum Beispiel Bücher testen, indem man
erst mal eine kleine Aulage druckt. Da
wird sich viel entwickeln.« Jedes PIY-
Projekt, und sei es auch noch so klein, ist
also Teil eines großen Umbruchs. cg
040 PAGE 05.12 KREATION One-to-One-Kampagnen

Gesprächsstoff
Die digitalen Kanäle beflügeln das Dialogmarketing und schaffen neue Möglichkeiten für die Kundenkommunikation.
Wie sich dadurch die Rolle von Print verändert, zeigen wir an aktuellen One-to-One-Kampagnen

n Eine Nachricht, die sich selbst zer­


stört, da denken die meisten automa­
tisch an »Mission Impossible«. Doch
das Schreiben, das Schweizer Ober­
stufenlehrer 2010 in ihrer Post fanden,
enthielt keinen Mordauftrag – und es
ging auch nicht in Flammen auf. Um
die Innovationskraft der Schweizer Tex­
tilindustrie zu beweisen und Schüler
für diesen Berufsweg zu begeistern,
hatte die St. Gallener Agentur am Flug­
hafen für den Textilverband Schweiz
ein Mailing entwickelt, das sich in Was­
ser aulöst. Nach zwei Minuten im Was­
serbad blieb von der textilen Aussen­
dung nur noch ein Schlüsselanhänger
mit der URL der Recruiting­Aktion

Fortsetzung folgt
n Auf überzeugende Weise verbindet Red Urban in ihrer Kampagne für
Getty Images Ofline und Online. Um ein Angebot für Bilder in Web-
aulösung bekannt zu machen, verschickte das Unternehmen 2010 ein Büch-
lein mit einer Kriminalgeschichte an Artdirektoren und Webdesigner –
allerdings ohne Aulösung. Die gab es nur im Web, wo man die Verbrecher-
jagd per Augmented Reality dreidimensional verfolgen konnte.
PAGE 05.12 041

Nehmen Sie Platz!


n Unübersehbar war das Mailing,
das gkk DialogGroup für das Stalburg
Theater in Frankfurt umsetzte: An
potenzielle Sponsoren wurden echte
Holzstühle verschickt – in Anlehnung
an das Ionesco-Stück »Die Stühle«, das
dem Paket als Reclam-Heft beilag.
Die Botschaft »Besetzen Sie jetzt einen
Platz im Stalburg Theater und wer-
den Sie als Sponsor sichtbar« wurde
online aufgegriffen: Auf der Kampag-
nen-Website führte eine anonyme Beset-
zungsliste die Adressaten auf und
nur die tatsächlichen Sponsoren wurden
namentlich genannt. Bis Ende 2011
gingen sieben direkte Spenden ein.
042 PAGE 05.12 KREATION One-to-One-Kampagnen

übrig. Lehrer wie Schüler waren be­


geistert. Dieses Mailing macht deutlich,
wie ein analoges Anschreiben dank ei­
ner überraschenden Idee aus der Flut
digitaler Informationen herausstechen
kann. Wirklich rund wird die Kampagne
aber erst durch die Verlängerung ins
Netz. Der mit der URL bestickte An­
hänger stellt die Verbindung zur Web­
site her, die weiterführende Informa­
tionen bereithält sowie einen direkten
Kontakt ermöglicht.
Die digitalen Kanäle vereinfachen
die Interaktion zwischen Kunde und
Marke, regen sie an und belügeln den
Dialog. Entsprechend sieht Martin Rie­
senfelder, Chief Creative Oficer bei Selbstauflösend
Wunderman Deutschland, das Ofline­
Mailing schon auf der »Liste der be­ n Um die Innovationskraft der Schweizer
drohten Werbemittelarten«. Weniger ri­ Textilindustrie zu beweisen und Schüler
goros ist da Andreas Klemp, Geschäfts­ für diesen Berufsweg zu begeistern, ent-
führer bei Red Urban in München: »Digi­ wickelte die Agentur am Flughafen ein
tale Kanäle werden immer wichtiger, Mailing, das sich in Wasser aulöst. Nach
da sie per se dialogisch sind. Das heißt zwei Minuten war von dem textilen
aber im Umkehrschluss nicht, dass das Anschreiben nur noch ein Schlüsselanhänger
Ofline­Mailing ausstirbt.« Ganz im Ge­ mit der URL der Recruiting-Aktion übrig.
genteil: Statt Online und Ofline gegen­
einander auszuspielen, gilt im Dialog­
marketing ebenso wie für alle ande­
ren Bereiche der Kommunikation, dass
»die Idee den Kanal bestimmt – oder
das Zusammenspiel mehrerer Kanäle«,
so Oliver Rosenthal, Geschäftsführer
bei Ogilvy One in Frankfurt am Main.
Wichtig ist vor allem, dass das Dia­
logmarketing auf die veränderten

Die große Wichtelej


n Im Herbst und Winter 2011 verbreitete Ogilvy One mit einer Wichtel-Aktion
Weihnachtsfeeling in IKEAs hej-Community. Auf dem Portal selbst sowie
auf den anderen IKEA-Seiten wurden die rund 56 000 hej-Mitglieder aufgerufen,
Geschenke zu basteln und an das hej-Team zu senden, das wiederum ein
Päckchen eines anderen Nutzers zurückschickte. Gesammelt wurden die ein-
gesandten Geschenke in einem aus Expedit-Regalen gebauten Advents-
kalender. In einer täglichen Weihnachtsshow konnten User unter anderem
den Aufbau und die Dekoration eines Weihnachtsraums mitverfolgen.
Insgesamt kamen bei der IKEA Wichtelej rund 450 Geschenke zusammen.
044 PAGE 05.12 KREATION One-to-One-Kampagnen

Licht spenden
n Als Gegenentwurf zu den üblichen Papier-Mailings zur
Weihnachtszeit entwickelte Red Urban Ende 2011 die
iPhone-App Licht an! für SOS Kinderdorf. Mit dem App-Kauf
spendet man automatisch 79 Cent an die Organisation
und bekommt zum Dank eine virtuelle Kerze auf sein Handy.
Auf einer interaktiven Landkarte werden alle Kerzen
angezeigt, so dass eine virtuelle Lichterkette entsteht. Seit
dem Launch sei die App bereits über 26 000-mal herun-
tergeladen worden, so die Agentur. Allerdings kann man
davon ausgehen, dass Konsumenten einer App für den
guten Zweck aufgeschlossener gegenüber stehen als etwa
Push-Nachrichten von Händlern.

Zeitreise
n Getty Images wollte die Aufmerksamkeit von Kreativen auf ihr Ange-
bot an historischem Bewegtbildmaterial lenken. Red Urban dachte sich
dafür die Kampagne »Jetzt oder nie! Starte deine eigene Bewegung« aus.
Auf der Microsite www.bewegung.gettyimages.de lassen sich Botschaf-
ten – sei es eine Verabredung zum Geschäftstermin oder eine Forderung
nach Freibier – in Original-Videos etwa aus den 1920er Jahren oder der
Zeit der Russischen Revolution einbauen und per E-Mail oder über Social
Media verbreiten. Den Anstoß gab ein Mailing mit Poster und Button im
Protest-Look. Laut Red Urban sind schon über 10 000 Filme verschickt worden.

Persönlich
n Im Rahmen ihres Kundenbindungspro-
gramms Miles & More gratuliert Lufthansa
Vielliegern zum Geburtstag. Sie erhalten
eine personalisierte Monotypie, auf der ihre
Flugbewegungen grafisch umgesetzt sind.
In diesem exklusiven One-to-One-Mailing
setzt die verantwortliche Agentur Wunderman
ganz auf die Stärken des Printmediums.
PAGE 05.12 045

Ansprüche der Kunden eingeht. Die­ ße Adressenpools angesammelt – da­


se treten heute viel aktiver und direk­ bei aber die Mobilfunknummern und
ter mit Marken in Kontakt. Sie ent­ E­Mail­Adressen samt Opt­in verges­
scheiden weitestgehend selbst, mit sen.« Dennoch sind sich die Dialogmar­
wem sie wann und wo kommunizie­ keter einig, dass Mobile Marketing
ren wollen – sei es über Opt­ins für E­ künftig eine große Rolle spielen wird –
Mail­Newsletter oder den Like­Button nicht zuletzt wegen des Geotargeting,
auf Facebook. Dialogmarketing muss das es erlaubt, Kunden anzusprechen,
die entsprechenden Anreize bieten die sich in der Nähe eines bestimmten
und sich viel mehr als bisher auf das Geschäfts oder eines Events beinden.
Gespräch mit den Kunden einlassen.
»Customer Relationship Management Das Internet mag auf den ersten Blick
ist zur Customer Managed Relation­ als Nonplusultra des Dialogmarketings
ship geworden: Der Kunde managt erscheinen – aber auch das reine Off­
seine Beziehung zu einer Marke – line­Mailing hat seine Stärken. Gerade
nicht umgekehrt«, so Oliver Rosenthal. hochwertige und handgemachte Krea­
tionen können überraschen und über­
Je mehr Macht beim Adressaten ei­ zeugen. »Die Zukunft des Papier­Mai­
ner Dialogkampagne liegt, desto durch­ lings liegt im Premiumbereich«, sagt
dachter muss deren Strategie sein. So Michael Koch, Executive Creative Direc­
braucht es eine kreative Story, die sich tor bei der Frankfurter gkk DialogGroup
als roter Faden durch sämtliche Maß­ und langjähriger Juryvorsitzender beim
nahmen zieht – ob analog oder digital. Deutschen Dialogmarketing Preis. Für
»Für jeden Kanal im Mediamix muss Briefsendungen spricht nicht nur die
man die für die Zielgruppe relevanten Haptik, auch der Geruchs­ und der Ge­
Botschaften und Calls­to­Action be­ schmackssinn können angesprochen
reithalten«, sagt Martin Riesenfelder. werden. »Dagegen hat ein E­Mailing
Ofline­Mailings werden dabei immer keine Chance«, erklärt René Eugstair,
häuiger zur Eintrittskarte für Online­ Kreativdirektor der Agentur am Flug­
Kampagnen. Im einfachsten Fall füh­ hafen. »Persönliche Anschreiben wer­
ren Links oder QR­Codes den Kunden den heute vielmehr als Wertschätzung
auf vorpersonalisierte Websites. wahrgenommen denn als Belästigung«,
Etwas komplizierter wird es bei der glaubt auch Oliver Rosenthal von Ogil­
engen Verwebung von Online und Off­ vy One. Lieblose Massenmailings ge­
line, etwa bei der Aktion von Red Ur­ hen dagegen zurück, sie verlagern sich
ban für Getty Images. Die Bildagentur ins Internet, wo der Versand deutlich
verschickte 2010 eine Kriminalgeschich­ kostengünstiger ist. Hier gibt Eugstair
te als gedrucktes Büchlein an Artdirek­ aber zu bedenken, dass die Response­
toren, Webdesigner und Artbuyer, um Rate häuig unter der von Ofline­Mai­
ein Angebot für Bilder in Webaulö­ lings liege: »Damit relativiert sich auch
sung bekannt zu machen. Im entschei­ der günstigste Cost­per­Click.«
denden Moment riss die Story ab – die Besonders für erklärungsbedürfti­
Aulösung gab es lediglich im Internet. ge und hochqualitative Produkte eig­
Dort konnte man die Verbrecherjagd nen sich Ofline­Mailings. »Wirbt etwa
per Augmented Reality dreidimensio­ eine Bank um Anleihen in Millionen­
nal weiterverfolgen. »Digital kann man höhe, sollte sie in mehr als eine schnö­
ganz neue Welten und emotionale Zu­ de E­Mail oder einen Flyer investie­
gänge schaffen, zum Beispiel mit Be­ ren«, so René Eugstair. Die zielgenaue
wegtbild. Ofline dient dabei als Tor zu Ansprache erlaubt es zudem, treue
diesen neuartigen Erlebnissen«, erläu­ Kunden mit Aussendungen zu beloh­
tert Andreas Klemp. nen, die in hoher Aulage zu teuer wä­
Ein spannendes Spielfeld für Dia­ ren. So verschickt Lufthansa seit 2010
logmarketing ist die mobile Kommuni­ personalisierte Geburtstagskarten an
kation. »Hier hinken wir in Deutschland Inhaber der schwarzen HON Circle Card,
aufgrund strikter Datenschutzregelun­ die man ab mindestens 600 000 Flug­
gen und dem ausgeprägten Bewusst­ meilen innerhalb von zwei Jahren be­
sein für Privatsphäre noch hinterher«, kommt. Dabei handelt es sich um eine
so Oliver Rosenthal. Zwar stünde der Monotypie, die die individuellen Flug­
deutsche Markt in Bezug auf Smart­ bewegungen des Empfängers visuali­
phone­Verbreitung dem US­amerikani­ siert. Damit gelang der verantwortli­
schen in nichts nach, doch die Skepsis chen Agentur Wunderman ein One­to­
der Konsumenten, Unternehmen und One­Mailing par excellence, das sicher
Datenschützer sei eine große Hürde Platz auf so manchem Schreibtisch
für innovative Kampagnen. Zudem feh­ oder gar Kaminsims gefunden hat –
le es häuig an der Infrastruktur: »Viele sowie Beachtung bei internationalen
Firmen haben zwar über die Jahre gro­ Kreativawards. nik
046 PAGE 05.12 KREATION Einreichungsfilme

Mit der Pringles Crunch Band App lassen sich Rock-


songs komponieren und 15 verschiedene virtuelle
Instrumente spielen, während man aus den leer-
gefutterten Packungen Lautsprecher bauen kann.
Die skurrilen Nerds, die CP+B Europe in einem Video
die App vorstellen lässt, sorgten auf den Jurysit-
zungen des vergangenen Jahres für großen Spaß
PAGE 05.12 047

Challenge, Solution, Result


Was gehört in einen guten Einsendungsilm und was nicht? Und ist nicht vielleicht die Zeit reif,
über ganz neue Einreichungskonzepte nachzudenken?

n Eine aufgepumpte Männerstimme ren Agenturen steuern, sehr gut in der Arbeit einreicht. »Eine Kategorie aus- ≥ PAGE Online
spricht von Herausforderungen und Lö- Lage sind, eine gute Idee von der per- zuwählen ist wie eine Anzeige zu schal- Die Links zu
sungen. Dabei fallen Begriffe wie etwa fekten Inszenierung einer mittelmäßi- ten.« Und was die Länge angeht, kal- den erwähnten
»a new level of problems« und »a uni- gen Idee oder gar von einem Fake zu kuliert Sabnis 15 Sekunden, um das Filmen inden
que Twitter algorithm« oder »millions unterscheiden. Problem zu erklären, weitere 15, um die Sie unter www.
of impressions on a zero media buy«. Was aber macht eine gelungene Lösung zu beschreiben. Eine Minute page-online.de/
Könnte das der Einsendungsilm Ih- Einsendung aus? Rahul Sabnis, Execu- oder etwas mehr sollte man dann bei einreichungsilme
rer Agentur sein? Dann seien Sie versi- tive Creative Director bei Euro RSCG in der sexy Idee verweilen, um schließ-
chert, dass er bei den allermeisten Ju- New York, postete Ende Januar auf Sli- lich wiederum in 15 Sekunden die Aus-
rys durchfallen wird. deShare den Beitrag »Make better vi- wirkungen – ohne Übertreibungen –
»Klischees, Marketingsprache und deos«. »Denken Sie daran«, schreibt zu präsentieren. Insgesamt also nicht
Übertreibungen sind schwer zu ertra- er, »dass die Juroren in drei Tagen mehr mehr als etwa zwei Minuten.
gen«, sagt Jan Pautsch, der schon in kreative Artworks zu sehen bekom-
vielen Jurys in der Kategorie Digital ge- men als Sie im ganzen Jahr.« Wer seine Das Grundgerüst eines Films besteht
sessen hat. »Für Amüsement sorgen Idee da nicht auf den Punkt kommuni- für Stefan Zschaler aus der Formulie-
solche Filme, wenn sich im Realitycheck ziert, ist schnell raus. Sabnis rät zudem, rung von Ziel, Strategie und Kampag-
das Projekt selbst dann als komplettes sich ausreichend Gedanken über die nenidee, der kreativen Umsetzung in
Mittelmaß oder sogar als Fake heraus- Kategorie zu machen, in der man seine den entsprechenden Medien sowie
stellt.« Nahezu unerträglich indet der
Unitleiter Kreation bei Aperto in Ber-
lin schlecht animierte und vertonte Vi-
deos oder zu lange und zu selbstver-
liebte Darstellungen. Hingegen mag er
es, wenn das Team und die Agenturkul-
tur dahinter sichtbar werden.
Leagas-Delaney-Kreativchef Stefan
Zschaler sieht das ganz ähnlich: »Diese
Art von Sensationssprache, die einen
Case überverkauft, gehört nicht in ei-
nen Film. Damit meine ich, dass viele
Texte beziehungsweise Sprecher den
Eindruck vermitteln, als habe die Agen-
tur erst vor einer nahezu unlösbaren
und unmenschlichen Aufgabe gestan-
den und dann, mit einem Geniestreich,
die Welt neu erfunden. Je mehr ein Film
versucht, auf die Tonne zu hauen, des-
to schneller setzt bei einem guten Ju-
ror der Skepsis-Relex ein.«
»Viele Case-Filme versemmeln mit
Ein schlechter Case-Movie kann eine schlechten Texten, quäkenden Sprechern,
Idee ruinieren, aber funktioniert das
auch umgekehrt? Kann ein geniales Vi- miserabler Bildqualität, schriller
deo den Blick auf die Qualität der ei-
gentlichen Arbeit verstellen? Die Ant- Musik oder unzureichender Didaktik
worten von Pautsch und Zschaler klin-
gen beruhigend, beide sind überzeugt, die Chancen der Idee«
dass die Juroren, die ja als Kreative oft
selbst die Einreichungsprozesse in ih- Stefan Zschaler, Kreativchef von Leagas Delaney, Hamburg
048 PAGE 05.12 KREATION Einreichungsfilme

produziert werden kann. Jan Pautsch werbe entstehen, sollte sich jeder Ma-
erinnert noch einmal daran, dass es cher vor ihrer Realisierung fragen, ob
nicht die Aufgabe eines Case-Films ist, die Idee wirklich so stark ist, dass sich
die ohnehin schon vorliegende Einrei- der Einsatz lohnt«, so Stefan Zschaler.
chung zu visualisieren. »Vielmehr muss Bei Leagas Delaney werden viele
er aufzeigen, wie die Arbeit funktio- Case-Filme deshalb nicht nur für Wett-
niert hat, und sollte alle verbleibenden bewerbe produziert, sondern auch, um
Fragen der Juroren beantworten.« umfangreiche Kampagnen zu doku-
Ein wichtiges Kriterium ist die Län- mentieren und sie für die Agenturdar-
ge. Während die New York Festivals stellung oder als Referenzen zu nutzen.
120 Sekunden und der ADC 180 Sekun- »Wenn so ein Film dann hilft, einen po-
den als Obergrenze vorgeben, muss tenziellen Kunden zu überzeugen, dass
man für Cannes eine Langversion zwi- wir in einem für ihn wichtigen Bereich
schen 120 und 180 und eine Kurzversion eine besondere Expertise besitzen, hat
zwischen 45 und 60 Sekunden produ- das ja auch seinen Wert.«
zieren. Generell sind für die meisten
Juroren drei Minuten die Schmerz- Einen hohen Produktionsaufwand
grenze. Jan Pautsch plädiert augen- hält Jan Pautsch in der Regel nicht für
zwinkernd für einen 30-Sekünder: »In gerechtfertigt: »Es geht doch darum,
der TV-Werbung bringt der ja die Mes- die Idee, das Konzept und den Wert
sage bestenfalls auch auf den Punkt. der Arbeit für uns, unsere Kultur oder
Warum soll das bei Case-Movies nicht unsere Industrie mit adäquaten Mit-
gehen?« Unbedingt beachten sollte teln, charmant und überzeugend dar-
man die inhaltlichen Vorgaben der Ver- zustellen. Ist die Innovationskraft des
anstalter. So ist es zum Beispiel beim Projekts offensichtlich, reicht zur Be-
ADC Deutschland nicht zulässig, »Prä- werbung unter Umständen ein Smart-
sentationen, Herleitungen, Ergebnisse phone-Filmchen, das alle für die Jury
und Erklärungen, die die zu bewer- bedeutsamen Infos transportiert.«
tende Arbeit überschreiten«, zu kom- Professionelle Sprecher, Animatio-
munizieren. Sprich: Man darf nicht mit nen, Bildbearbeitung, Schnitt, Insze-
bereits gewonnenen Preisen prahlen. nierung, Motion Graphics: Wer exter-
ne Prois bezahlen muss, dem laufen
Durchaus Wirkungs- und Erfolgsnachweisen. Immer komplexere Kampagnen für die Kosten schnell davon. Auch deshalb
selbstironisch »Dieser Rahmen sollte mit Klarheit, ei- immer erklärungsbedürftigere Produk- produziert Leagas Delaney wie viele
präsentiert ner guten Didaktik und einem in irgend- te – das macht die Arbeit der Juroren Agenturen mittlerweile inhouse. »Wir
sich die Londoner einer Weise überraschenden Element nicht ganz einfach. »Ein simples Case- haben seit über zwei Jahren mit dem
Agentur Dare gefüllt werden. Das kann die Einfach- Movie kann ihnen aber den Clou oder LDPD (Leagas Delaney Production De-
in ihrem Image- heit der Umsetzung sein, eine interes- die innovativen Details einer Arbeit partment) eine integrierte Produkti-
ilm »Tis is sante Animation, das Layout selbst, schnell vor Augen führen. Details, die onsabteilung, die unter anderem in der
Dare. Are you?« aber auch eine spannende Argumen- sie bei der Eigenexploration am Com- Lage ist, komplette Filme für Kunden
und nimmt tationsführung. Ganz nützlich ist es, puter vielleicht übersehen hätten«, sagt herzustellen. Wir verfügen über ein um-
dabei den Info- wenn die Macher sich selbst oder die Stefan Zschaler. fangreiches Equipment für Schnitt so-
graik-Hype Aufgabe nicht zu ernst nehmen.« Bei der Produktion der Filme über- wie Bildbearbeitung und produzieren
gleich mit aufs Überhaupt seien Einreichungsilme hören viele Agenturen das Wörtchen natürlich auch Case-Filme. Die Hoheit
Korn. Ein eine Kunst für sich, so Stefan Zschaler, »simpel« allerdings gelissentlich. Der über die Filme haben aber die jeweils
Konzept, das und sollten nicht nebenbei gemacht Aufwand nimmt Dimensionen an, die verantwortlichen Kreativteams«, sagt
sich auch auf Ein- werden. Am besten plane man sie so nicht selten im fünfstelligen Bereich Stefan Zschaler. Wie hoch die Kosten
sendungsilme früh, dass bei der Umsetzung des Pro- liegen. Ist das gerechtfertigt? »Wenn für diese Filme sind, will er lieber nicht
übertragen ließe jekts auch das Material für den Film Case-Movies allein für Kreativwettbe- verraten. »Vermutlich würde es mir

Allen Kreativen ans Herz zu legen ist der SlideShare-Beitrag »Make better videos« von Rahul Sabnis. In drei Schritten erklärt
der Executive Creative Director bei Euro RSCG in New York, wie man mit seinem Case-Film bei den Juroren ankommt
PAGE 05.12 049

»Auch komplexe Projekte


müssen in maximal 90 Sekunden
vermittelbar sein«
Christian Daul, Geschäftsführer bei Scholz &
Volkmer in Wiesbaden, über die Einreichungs-
strategie der Agentur

Aufs Jahr gerechnet: Wie viele Projekte reichen


Sie bei wie vielen Awards ein?
Christian Daul: Etwa ein Dutzend Projekte bei
ungefähr zwanzig Wettbewerben. Aber sehr se-
lektiv, das heißt, nicht jedes Projekt bei jedem
Wettbewerb. Und schon gar nicht ein Projekt in
acht Kategorien.
Nach welchen Kriterien suchen Sie die Awards aus?
Wir reichen nahezu ausschließlich zu den für die Rankings von »w&v« und
»Horizont« relevanten Contests ein. Gibt es keine Punkte, ist der Wettbe-
werb für uns in der Regel uninteressant.
Haben Sie einen Award-Manager, der sich darum kümmert?
Ja, wir haben eine Halbtagsstelle dafür.
Und was geben Sie dafür aus?
Natürlich kann ich Ihnen keine genauen Zahlen nennen, aber unser Jahres-
budget liegt im mittleren fünfstelligen Bereich. Damit sind wir eher konser-
vativ und versuchen, eine gesunde Mischung zwischen Aufwand und dem
möglichen Ertrag zu erreichen.
Nutzen Sie Filme, um den Juroren die immer anspruchsvolleren
Fantasy Inter- Anwendungen im Digitalbereich verständlich zu machen? Oder was
active aus New ist Ihr Mittel der Wahl?
York ist berühmt Case-Filme sind schon länger üblich, gerade um die komplexen digitalen
für ihre perfekt Projekte schnell und überzeugend zu vermitteln. Wir produzieren mit un-
gestalteten Case seren Motion-Experten zum Teil inhouse, in manchen Fällen aber auch mit
Studies, die jede einem erfahrenen externen Dienstleister. Dabei geht es nicht nur um Wett-
Menge Hinter- bewerbseinreichungen, sondern auch um die Nutzung der Videos für Cre-
grundinforma- dentials und andere Selbstdarstellungen. Außerdem produzieren wir regel-
tionen liefern. mäßig Einreichungsseiten, auf denen wir die wesentlichen Informationen
Hätten Juroren und den Case-Film präsentieren.
mehr Zeit, dann In wessen Verantwortung liegt die Produktion der Filme?
könnten sie Stu- Das übernehmen die betreuenden Teams, weil sie die Fallbeispiele, Hin-
dien wie diese tergründe und Ergebnisse am besten kennen. Wir haben inzwischen ein
für HTC zusätz- solides Know-how in allen Teams und sehen uns auch die Best Practices
lich zur Bewer- der Konkurrenten an, sodass wir keine Spezialistentruppe dafür benötigen.
tung, etwa Wie lang sollte ein Case-Film sein? Und was gehört dort nicht hinein?
einer integrier- Auch komplexe Cases müssen in maximal 90 Sekunden vermittelbar sein.
ten Kampagne, Mehr überfordert die Juroren und sorgt für Unmut. Wer selbst regelmäßig
heranziehen in Jurys sitzt, weiß ziemlich gut, was man gerne sieht und was nicht. Abso-
lute No-Gos sind offensichtliche Schwindeleien bei der Aufgabenstellung
die Tränen in die Augen treiben. Aber oder den Ergebnissen, typische Agenturmenschen als »Zielgruppe« im Vi-
durch das LDPD können wir viele Pro- deo und grässliche Elevator-Musik.
jekte kostengünstiger halten.« Immer erklärungsbedürftigere Produkte, eine immer unübersichtlichere
Award-Landschaft, Juroren, die sich stundenlang Einsendungsilme ansehen
Sinnvoll ist es also, Case-Filme mehr- müssen . . . Ist es Zeit, über ganz neue Einreichungsformen nachzudenken?
fach zu verwerten. Da kommt es gerade Wirklich not täte es, die Awardlandschaft zu konsolidieren. Aber es ist nun
recht, dass seit einiger Zeit auch in Pit- mal ein freier, marktwirtschaftlicher Wettbewerb, und so lange es mone-
ches Videos sehr beliebt sind. So wer- täre und eitle Interessen gibt, wird es immer weiter auch unsinnige Wett-
den momentan nicht nur Juroren, son- bewerbe geben. Einreichungen einfacher zu gestalten halte ich für ein
dern auch Pitch-Entscheider mit Filmen schwer umsetzbares Ansinnen. Im Gegenteil: In jedem Wettbewerb sollte
verwöhnt, die beispielsweise die Kam- man den Arbeiten den nötigen Raum geben, um sie fair und würdig zu be-
pagne aus der Zukunft heraus als me- werten. Überall, wo das nicht der Fall ist, stimmt die Infrastruktur mög-
ga erfolgreiche Retrospektive erzählen licherweise nicht. In einer immer komplexeren Marketingwelt, in der die
und es einem gestressten Marketing- Grenzen zwischen Werbung und Produkt verwischen, ist eine Übersimpli-
Chef leichter machen sollen, eine emo- izierung der Einreichungen respektlos den Kreativen gegenüber.
tional motivierte und schnelle Ent-
050 PAGE 05.12 KREATION Einreichungsfilme

judging-Prozesse, bei denen eine grö-


ßere Gruppe von Juroren vor der ei-
gentlichen Jurierung per Crowdsour-
cing eine Vorauswahl trifft. »Die Hive,
Webby und Lovie Awards gehen inte-
ressante neue Wege. Da wird in naher
Zukunft sicher noch einiges passieren.«
Für Jan Pautsch ist die Zeit reif für
alternative Konzepte: »Wer häuiger
juriert, spürt eine gewisse Case-Film-
Übersättigung. Ich würde gerne auch
mal etwas anderes sehen. Mir gefallen
zum Beispiel die kompletten Websites,
die mittlerweile mit textlichen und il-
mischen Case Studys und Behind-the-
Scenes-Filmen produziert werden. Das
»Eine gute Award- und Einreichungs- ist oft sehr hilfreich, um den Produkti-
onsaufwand für die Kampagne zu ver-
strategie ist für Agenturen unerlässlich. stehen, zumal in ihnen die Teams, die
Entwickler und teilweise auch die Kun-
Sonst wirft man die Einreichungs- den zu Wort kommen.« Zudem werde
gerade viel mit linearem Storytelling
gebühr schnell zum Fenster hinaus« über Scrolling und mit interessanten
Formaten wie immersivem Video oder
Jan Pautsch, Unitleiter Kreation bei Aperto, Berlin Graphic Recording experimentiert. »Ich
kann mir vorstellen, dass sich Awardein-
reichungen dieser Techniken künftig
scheidung für ein Konzept und eine werten –, dann kämen drei Tage Non- verstärkt bedienen, um Konzepte inno-
Agentur zu fällen. Jan Pautsch warnt stop-Filme-Gucken auf ihn zu. Bei drei vativer und plastischer zu illustrieren.«
allerdings, dass es »beim Pitch- wie Minuten wäre es schon fünf Tage, eine Der Trend geht aber auch noch in ei-
auch beim Awardilm wichtig ist, sich ganze Arbeitswoche. Das ist bei meh- ne andere Richtung: back to the roots.
nicht von der Werbung für das, was reren Wettbewerben pro Jahr ein un- »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis je-
man zu beurteilen hat, in der Entschei- bezahlter Fulltime-Job. mand wieder eine Einreichung in Key-
dung beeinlussen zu lassen. Sinnvoll note schreibt«, vermutet Jan Pautsch.
wäre es, das eigentliche Produkt – al- Der Schluss liegt nahe: Neue Bewer- »Das wirkt authentisch, und es geht ja
so die Plattform, die App, die Kampag- tungskonzepte müssen her. »Die Wett- auch eigentlich um das Was und nicht
ne, das Konzept – kritisch selbst aus- bewerbsveranstalter werden nicht da- um das Wie. Das Unsichtbare der Arbeit
zuprobieren und zu testen.« rum herumkommen, sich mehr Gedan- kann man schließlich mit ganz unter-
Aber wie soll das gehen? Nehmen ken um die Kategorien zu machen«, ist schiedlichen Tools sichtbar machen.«
wir die London International Awards. Jan Pautsch überzeugt. »Digital etwa Manches Jurymitglied wäre wohl über-
Als Jurymitglied musste Jan Pautsch in ist viel zu allgemein und müsste in un- rascht, vielleicht auch irritiert, ganz si-
der Kategorie Digital 800 Arbeiten be- terschiedliche Kategorien mit eigenen cher aber sehr aufmerksam, wenn ein
werten. Setzt man nur zwei Minuten Juroren aufgesplittet werden. Die Jury- Scribble das Konzept einer komple-
pro Case an – was meist nicht einmal marathons der großen Awards sind xen Arbeit erklärt. Vielleicht sollten die
reicht, um eine App zu laden, geschwei- sonst nicht mehr zu leisten.« Vorstellen Agenturen also doch noch einmal über
ge denn, eine Einreichung fair zu be- könnte er sich auch vorgeschaltete Pre- das Wort »simpel« nachdenken. ant

Eine Parodie auf Case-Movies und damit ein Muss für geplagte Juroren ist »Pink Pony«. Der Film zeigt, wie die kanadische
Agentur John St. die imaginäre Aufgabe »Mache Chelsea Bedanos 8. Geburtstagsparty zu einem Erfolg in einem bereits
gesättigten Geburtstagsmarkt« umsetzt. Das herzerfrischende Viral bescherte John St. jede Menge Auszeichnungen
052 PAGE 05.12 KREATION

PAPIERWELT
Neuartiges Inkjetdrucke zu Büchern oder Alben
binden wollen. Denn die Art der Kon-
Fotobuchpapier fektionierung gewährleistet einen ein-
n Der digitale Fotobuchmarkt ist das heitlichen Faserverlauf in sämtlichen
Segment der Papierindustrie mit den Bögen – wichtige Voraussetzung zum
höchsten Wachstumsquoten. Meistens Binden eines Buches. Die Laufrich-
handelt es sich dabei um gebundene tung der Fasern ist auf jeder Verpa-
Bücher auf gestrichenem Papier. Wie ckung angegeben. Außerdem ist Pho-
auch in Katalogen oder Broschüren gibt to Rag Book & Album mit 220 Gramm
es leider einen Bund, in dem ein Teil etwa ein Drittel leichter sowie etwas
der Bilder verschwindet. Der amerika- dünner und lexibler als das klassische
nische Papierhersteller Mohawk bringt Photo Rag. Es ist in fünf Formaten von
mit Panoramic für HP-Indigo-Drucker A4 bis zum Großbogen erhältlich.
jetzt ein Papier auf den Markt, dass ≥ www.hahnemuehle.de
sich so binden lässt, dass die Broschü-
re oder das Buch komplett lach liegt
und man in einem Zug über zwei Sei-
Mehr Galaxi
ten drucken kann. n Im aktuellen »[bluebasics]«-Muster-
»Die Ästheten unter den Gestaltern buch stellt Papier Union Galaxi Bulk vor,
werden dieses Produkt lieben«, sagt ein matt gestrichenes Bilderdruckpa-
Jörg Schefler, Geschäftsführer von The pier. Seine Oberläche verbindet die
Media House in Mühlacker. Er ist der Haptik von Naturpapier mit der Abbil-
erste deutsche Drucker, der mit diesem dungsqualität gestrichener Papiere.
Papier experimentiert. Da der Groß- Hohe Opazität und neutrale Weiße
Uhren aus Pappe handel hierzulande noch sehr zöger- sollen darüber hinaus optimale Lesbar-
Safari, Pop oder n Mit Kuckucksuhren verhält es sich lich reagiert, bezieht er das Papier di- keit garantieren. Das 1,1-fache Volumen
lieber Camou- ähnlich wie mit Gartenzwergen: Man rekt vom Mohawk-Lager in den Nie- sorgt dafür, dass es in einer Stärke von
lage? Die Papp- hasst sie oder man liebt sie, dazwi- derlanden. Ȇber ein Internet-Portal 90 Gramm so dick ist wie ein anderes
Kuckucksuhren schen gibt es nicht viel. Manuel Ganz, wollen wir Kreative und Digitaldrucker gestrichenes, mattes Bilderdruckpa-
gibt es in verschie- Steffen Bittmann und Merlin Becker zusammenbringen und ihnen in ei- pier in 115 Gramm. Bücher und Katalo-
denen Varianten aus Gaggenau nahmen sich jetzt das nem Onlineshop die Möglichkeit ge- ge auf Galaxi Bulk sind damit bei glei-
Original aus dem Schwarzwald vor ben, das vorkonfektionierte Papier zu chen Papierkosten und gleicher Seiten-
und fertigen Kuckucksuhren aus Pap- bestellen«, so Schefler. Er selbst ist zahl um bis zu 30 Prozent dicker. Bei
pe. 60 Zentimeter groß sind die Zeit- von Panoramic rundum begeistert und Mailings kann man ein geringeres Flä-
messer mit Quarz-Pendeluhrwerk, sie sieht lediglich eine Schwierigkeit: »Wie chengewicht einsetzen und spart da-
bestehen zu 100 Prozent aus Recycling- bringe ich den Gestaltern jetzt bei, mit bei den Papierkosten ebenso wie
karton. Zur Auswahl stehen sechs recht dass sie keine Bundstege mehr einzu- beim Porto. Erhältlich ist »[bluebasics]«
poppige Modelle. Dabei sind die guten planen brauchen?« beim Papier-Union-Musterservice.
Stücke von der Verpackung bis zum ≥ www.panoramic-shop.de ≥ www.papierunion.de
Uhrwerk ein Schwarzwälder Produkt,
in Handarbeit hergestellt aus Materi-
alien von lokalen Lieferanten. Ein Tri-
Papier für Fotobücher Grau war gestern
but an die Neuzeit ist der Webshop, n Mit Photo Rag Book & Album erwei- n Die Unterschiede zwischen Frisch-
dort lassen sich die Uhren für knapp tert Hahnemühle die Palette ihrer be- faser- und Recyclingpapieren werden
23 Euro bestellen. schichteten Baumwollpapiere. Interes- immer geringer – das beweist Antalis
≥ www.pappuhren.de sant ist die Sorte für all diejenigen, die mit dem neuen Image Recycled, einem
Büropapier in den Varianten High und
Bright White. Es soll eine hohe Weiße
besitzen und weniger Unreinheiten als
andere Recyclingpapiere aufweisen.
Panoramic von High White gibt es in 75 und 80 Gramm,
Mohawk liegt Bright White – das sich auch für farbi-
ganz lach. ge Inkjet- und Laserprints eignet – nur
So kann man in in 80 Gramm. Beide Ausführungen lie-
einem Zug gen in A4 und A3 sowie im Großfor-
über zwei mat und als Rollenware vor. ant
Seiten drucken ≥ www.antalis.de
054 PAGE 05.12

TYPO
PAGE 05.12 055

Blickwinkel
Schüler sollen nicht nur
Wissen in sich hineinstop-
fen, sondern auch ihren
Charakter bilden, forder-
te ein Artikel im »New
York Times Magazine«.
Wünschenswert seien
Mut, Optimismus, Neu-
gier, Selbstkontrolle,
Dankbarkeit, Lebens-
freude und soziale Intel-
ligenz. Doyle Partners
aus New York iniltrierte
mehrere Schulen mit
diesem Gedanken, indem
sie die Begriffe mit
angemaltem Klebeband
auf Wänden, in Fluren,
an Treppen und sogar in
der Turnhalle anbrachte.
Dabei sind die Wörter
nur aus einer bestimmten
Perspektive lesbar.

Vogelflug
Als Zeichen der Solida-
rität mit den Menschen in
Fukushima kreierte der
in Toronto lebende Japa-
ner Kyosuke Nishida das
3-D-Plakat »Words can ly
a thousand miles« mit
vielen Origami-Kranichen,
die traditionell für Glück
stehen. Weil es darauf so
viel positive Resonanz
gab, rief er mit Brian Li,
Dominic Liu und Simon
Duhamel die passende
Website ins Leben,
auf der man Botschaften
verschicken und
auch spenden kann.

≥ PAGE Online
Weitere beim TDC prä-
mierte Arbeiten inden
Sie unter www.page-
online.de/tdc_2012

Ansichtssachen
Bevor die vom Type Directors Club New York prämierten Arbeiten nach Deutschland kommen,
können Sie bei uns schon eine Auswahl sehen – Inspiration garantiert
056 PAGE 05.12 TYPO TDC New York

n Es tut sich was. Erstmals wurden


beim 58. TDC nicht nur Bücher, Plaka­
te, Corporate Designs, Selbstdarstel­
lungen und Verpackungen ausgezeich­
net, sondern auch Websites und eine
App, nämlich das Fontbook fürs iPad.
Ebenfalls fürs iPad entstand die PGA
Grass Animation. Ken DeLago, Kreativ­
direktor des amerikanischen Golferma­
gazins »GolfDigest«, setzte in einem Ar­
tikel über den Atlanta Athletic Club die
Headline aus einem Gras­Font. Für die
iPad­Version wollte er das Gras jedoch
wachsen sehen und beauftragte den
3­D­Illustrator Chris O’Riley, eine ent­
sprechende Animation zu erstellen.
Mindestens genauso, wie wir uns
freuen, dass der TDC endlich auch di­
gitale Medien berücksichtigt, freuen
wir uns, dass es mit den Einsendungen
wieder bergauf geht. Im Vergleich zum
Vorjahr erreichten fast 200 Beiträge
mehr das New Yorker TDC­Büro, insge­
samt 1538. Hochschulen und Werbe­
agenturen hielten sich allerdings nach
wie vor vornehm zurück. Unter den
Rasant
223 ausgezeichneten Arbeiten indet Alberto Ascaris Liebe
sich keine einzige deutsche Werbe­ zu Essen und Wein war
agentur – und auch nur sehr wenige ebenso groß wie seine
internationale. Schade, entstehen hier Erfolge in der Formel 1.
doch ebenfalls typograisch interessan­ Als ein Restaurateur
te, zum Teil humorvolle Arbeiten. in Toronto eine Pasta-
Rundum zufrieden können die deut­ und Weinbar eröffnete,
schen Kreativen mit der Ausbeute sein. beauftragte er Blok
Für sie gab es fünzigmal einen Award Design, ein Corporate
for Typographic Excellence – zwölf Aus­ Design zu entwickeln,
zeichnungen mehr als 2011. So sind das an sein Idol erinnert.
auch zwei der fünf prämierten Web­ Die Kreativen spickten
sites deutsche: die von Edenspieker­ Visiten- und Speisekar-
mann entwickelte Homepage für die ten, Papiertüten und
Red Bull Music Academy und die von Wasserlaschen mit
Fuenfwerken gestaltete Site für den Reminiszenzen an den
Winzer Josef Leitz (siehe PAGE 01.12, Rennfahrer und sei-
Seite 60 ff.). Erfolgreichstes Büro war ne Zeit. Selbst die Farb-
Fons Hickmann m23, das fünfmal punk­ palette ist ein Tribut an
tete. Das erzwungene Aussetzen im Ascaris Markenzeichen –
vergangenen Jahr – als Jurymitglied den babyblauen Helm.
durfte der Berliner Designer und Ty­
pograf keine eigenen Arbeiten einrei­
chen – scheint keine negativen Aus­
wirkungen gehabt zu haben. Ganz gut
schnitten auch Strichpunkt aus Stutt­
Be Bold
gart und die für ihr ausgesprochenes Mit dreidimensiona-
Typo­Faible bekannte Münchner Agen­ len Fonts in Übergröße
tur Herburg Weiland ab, die beide je­ macht die dänische
weils vier Awards bekamen. Foundry Playtype in
Der Mix macht es auch in diesem ihrem Laden in
Jahr: Origami neben Websites, Univers Kopenhagen auf ihren
und Helvetica neben Schreibschriften Onlineshop aufmerk-
und Schnörkelfonts. Die 223 verschie­ sam. Kaufen kann man
denen Arbeiten zu betrachten ist nicht in dem typograie-
nur inspirierend, sondern macht auch gesättigten Verkaufs-
viel Spaß. Gelegenheit dazu gibt es die­ raum zum Beispiel
ses Jahr schon auf der drupa in Düs­ T-Shirts, Notebooks,
seldorf: Am 3. Mai um 15 Uhr wird die Poster und anderes
58. TDC Show in Halle 6 eröffnet. ant graisches Zubehör.
PAGE 05.12 057

Rosarot
Die berühmten
»Vagina-Monologe«
der New Yorker
Theaterautorin und
Aktivistin Eve Ensler
basieren auf rund
200 Interviews mit
verschiedensten
Frauen. Das Stück
wurde vergange-
nes Jahr als deutsch-
englische Beneiz-
veranstaltung wäh-
rend des V-Day
Berlin aufgeführt.
Das Ankündigungs-
plakat brachte
Fons Hickmann m23
einen von insgesamt
fünf TDC-Awards.

Blumig
»Herbstzeitlose« war der Titel einer Veranstaltung mit
Alpenmusik
Musik und Street Art in Heidelberg. Graik-Designer Für Music Austria
Götz Gramlich gestaltete ein blumiges Poster, das mit dem schuf Eva Dranaz von
Namen spielt. Dabei ist die Herbstzeitlose das verbin- 3007 in Wien B2B-
dende Element zwischen den verschiedenen Lettern. Promotiontools mit
dem Ziel, den öster-
reichischen Musik-
export zu fördern. So
entstanden fünf
Logos und fünf Bild-
welten zu verschie-
denen Musikrichtun-
gen. Während die
Designerin visuell bei
Österreich-Klischees
blieb, setzte sie
mit der nüchternen
Univers in Light
Ultra Condensed
einen typograischen
Kontrapunkt, der
durch die Anordnung
an eine Notation
in der Musik erinnert.

Barock
In diesem Cover für
»Metropoli«, die
wöchentliche Bei-
lage der Zeitung
»El Mundo«, bilde-
Grasgrün te Artdirektor
Für die iPad-Version des Magazins »GolfDigest« beauf- Rodrigo Sanchez
tragte Kreativdirektor Ken DeLago den 3-D-Illustra- mit der Schrift
tor Chris O’Riley damit, ein T zu begrünen, und zwar Golden Coquerel die
so, dass man dem Gras beim Wachsen zusehen kann. barocke Atmo-
O’Riley formte das T aus Erde, fotograierte es und ent- sphäre des Cirque
wickelte daraus eine Animation für das E-Mag. du Soleil nach.
058 PAGE 05.12 TYPO TDC New York

Moderne Tradition
Auf dem Weg zu ihrem Praktikum ging Christine Aaron, Studentin an der New Yorker School of Visual
Arts, häuig an The Old Print Shop vorbei, einer Kunstgalerie, die sich auf amerikanische Drucke
aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert spezialisiert hat. Als sie ein paar Semester später die Aufgabe
bekam, ein Rebranding für ein Geschäft aus der Umgebung zu entwickeln, kam natürlich nur
The Old Print Shop infrage. Sie schuf ein wunderschönes, kühnes Corporate Design inklusive Website,
das Tradition und Moderne verbindet – schade, dass es bislang ein rein akademisches Projekt ist.

Bodypainting
Aïzone ist ein luxuriöser Department-Store im Libanon. Stefan Sagmeister wurde beauftragt,
eine Werbekampagne zu entwickeln und frönte einmal mehr seinem Faible für Körper-
bemalung. Unter der Artdirektion von Jessica Walsh beschriftete die Bodypainterin Anastasia
Durasova die Models mit den Sätzen: »Forget Regret«, »The Time is Now« und »Talk Less
Say More«. Fotos dieser für den Nahen Osten ungewöhnlich freizügigen Kampagne waren in
Zeitungen, Magazinen und auf Billboards im ganzen Land zu sehen.
PAGE 05.12 059

Freibeuter
Vor zehn Jahren gründete Dave
Eggers in San Francisco das
Schreibzentrum 826 Valencia
und begeistert Kinder und
Jugendliche – vor allem aus
sozial schwachen Familien –
für kreatives Schreiben. Zur
Finanzierung eröffnete der
Autor den Pirate Supply Store,
in dem es vom T-Shirt bis zum
Glasauge alles mögliche und
unmögliche Piratenzubehör
gibt. Die soeben von Eric
Heiman, Partner der Agentur
Volume, redesignte Website
transportiert die spezielle
Atmosphäre des Ladens auch
durch die besondere Typo-
graie – Captain Jack Sparrow
hätte es nicht besser gekonnt.

Dreifach
Üppig ausgestattet ist diese illustrierte
Biograie über Charles Dickens. Der
New Yorker Designer Roberto de Vicq de
Cumptich gestaltete zwei Umschläge:
einen mit Ornamenten und einer Stan-
zung, die den Blick auf den darunterlie-
genden Umschlag freigibt. Dieser zeigt
in Sepia eine Reihe von Dickens’ Figuren.
Das Ganze steckt in einem folienge-
prägten Schuber, der alle Romane des
englischen Schriftstellers aufzählt.

Großflächig
Der Stadtteil Highlands in Louisville,
Kentucky, ist ein Magnet für Besucher und
Einheimische, denn es wimmelt hier
von fantastischen Restaurants und kleinen
Geschäften. Grund genug für Bryan Todd,
noch mehr Werbung für Highlands zu
machen. An einer Gebäudeseite des Wine
Market ließ der Designer von Letter-Artist
Kirby Stafford in zwei Tagen ein typogra-
isches Gemälde schaffen, das nun einen
weiteren Grund für einen Besuch liefert.
060 PAGE 05.12 TYPO Typografische Konsistenz

Gemeinsam stark
Dank hochaulösender Displays, Web- und App-Fonts ist ein typograisch konsistenter Auftritt
über alle Medien hinweg möglich. Kabeleins und Associated Press treten den Beweis an

n Gelegentlich kann es auch mal Bei interaktiven Projekten erstellt te, das Brieing komplett ignoriert zu Die Kabeleins-
einfach sein. So wie für Fork Unstable Fork häuig zuerst das Designkonzept haben. Bei so viel gelungener Konsis- Seite am Rechner
Media beim Redesign der Kabeleins- für Mobile. Das sei auch eine gute Stra- tenz stört es kaum, dass die Klick- unterscheidet
Website. Denn kurz zuvor hatte der tegie, um sich zu fokussieren. Zudem zahlen nach unten gingen – liegt das sich kaum von der
Sender seinen Printauftritt überarbei- wirken sich die Eigenheiten in der Be- doch nur daran, dass der User jetzt auf dem iPad.
tet und dabei die Neo Sans des briti- dienung mobiler Devices – zum Bei- kaum noch klicken muss. Nur Mouseovers
schen Designers Seb Lester als Haus- spiel keine Mouse-overs, größere, mit (ganz oben) wer-
schrift gewählt. Dass diese bereits als mehr Toleranz angelegte Buttons – auf Das neue AP-Logo wurde in Blogs und den von mobilen
Webfont vorlag, war für die Hamburger die Gestaltung der Website aus. Im Fall Magazinen rauf und runter gefeatured. Geräten nicht
Kreativen ein glücklicher Umstand, der von Kabeleins zeigt sich die gewünsch- Merkwürdig nur, dass kaum jemand unterstützt. Das
Zeit und Geld sparte. »Als Grundlage te Großzügigkeit in großen Bildern und darauf einging, dass die New Yorker Corporate Design
bekamen wir von Kabeleins den Style- großer Schrift, die am Rechner dann Agentur Objective Subject erstens der Printmedien
guide, der aber natürlich nicht fürs Web richtiggehend riesig erscheint. Das wie- nicht nur ein Logo, sondern ein kom- (rechts unten)
gemacht war«, erzählt Fork-Kreativge- derum passt gut zu der Art, wie der plettes Corporate Design entwickelt ist auch im Web
schäftsführer Roman Hilmer. »Anstatt Sender in seinen Printmedien die Sen- hat. Dass zweitens zwei neue Schrif- sofort wieder-
uns sklavisch an diese Vorgaben zu dezeiten ebenfalls übergroß darstellt. ten eingesetzt werden, nämlich FF zuerkennen. Das
halten, die in digitalen Medien viel- »Aus unserer Sicht muss Fernsehen im Good und Freight Text. Und dass drit- liegt vor allem
leicht gar nicht funktionieren, haben Web bildgewaltig daherkommen. Ge- tens diese beiden Schriften in allen an der groß einge-
wir versucht, die Prinzipien des Style- rade auch, weil beides künftig ohne- Medien zum Einsatz kommen: in Print, setzten Kabel-
guides zu ergründen. Das haben wir hin zu einem Medium verschmelzen Internet sowie einer nativen App. eins-Hausschrift
anschließend auf die digitale Umge- wird. Es muss wie beim Fernsehen In der gedruckten Kommunikation Neo Sans
bung übertragen.« funktionieren: einschalten, drin sein, dient die All Caps der FF Good von Lu-
Mehr Entertainment und weg vom durchs Programm switchen«, sagt Ro- kasz Dziedzic als Headlinefont, die mit
Klein-Klein, hin zu einem großzügigen man Hilmer. Deshalb ließen die Desi- der Freight Text von Joshua Darden als
Umgang mit Typo und Bildern, das gner im Interface viele klassische Navi- Brotschrift kombiniert wird. Ähnlich im
wünschte sich der Sender für die Neu- gationselemente weg und legten es Web: Hier ersetzt jedoch die Georgia
gestaltung seiner Homepage. Dabei wie eine Scrollingseite an. die Freight. Grund dafür seien, so die
war von Anfang an klar, dass diese Durch den Scrollmechanismus und Agentur, die deutlich längeren Lade-
auch auf Tablets und Smartphones die Tatsache, dass die großen Bilder in zeiten der Website beim Einsatz der
funktionieren sollte. Eine native App der Regel immer auch gleich Videos Freight. Die kostenlose iPhone- und
dagegen hielten weder der Kunde noch sind, greift die Website die Funktions- iPad-App nutzt dann nur die FF Good.
Fork für sinnvoll: »Wenn es nicht da- weise der Touch-Devices auf und bil- Das ist sicherlich keine schlechte Ent-
rum geht, spezielle Funktionen der det so eine gelungene Verbindung zwi- scheidung, da die Serifenlose auch auf
mobilen Geräte wie die Kamera zu schen den verschiedenen Geräten. Die dem kleinen Smartphone-Display sehr
nutzen, ist es für den User eigentlich große Typo in der Hausschrift Neo Sans gut lesbar ist.
bequemer, nicht erst eine App herun- sorgt zudem dafür, dass die Website Schade ist es schon, dass AP auf ih-
terladen zu müssen, sondern einfach sofort als Kabeleins erkennbar ist. Der rer Website für den Fließtext doch auf
auf die Website zugreifen zu können«, Sender war mit dem Ergebnis sehr zu- eine Systemschrift zurückgreift. Zumal
führt Roman Hilmer aus. frieden, auch wenn er Fork bescheinig- die Freight als Webfont vorliegt
PAGE 05.12 061
062 PAGE 05.12 TYPO Typografische Konsistenz

Für die Printkommunikation nutzt


Associated Press die FF Good
und Freight Text. Zentrales Element
des Corporate Designs ist das
neue Logo im weißen Container

und die Ladezeiten daher eigentlich


nicht so gravierend länger sein dürf-
ten. Aber trotzdem: Dass eine solche
Riesenorganisation sich auf das Aben-
teuer Web- und App-Fonts einlässt,
verdient Respekt. Viele andere Unter-
nehmen verhalten sich in diesem Punkt
wesentlich zögerlicher.
Der neue Flughafen Berlin Branden-
burg beispielsweise hätte ein Parade-
beispiel für konsistente Typograie wer-
den können. Alexander Branczyk hat
eigens einen Corporate Font gezeich-
net, der ursprünglich in allen Medien
zum Einsatz kommen sollte. Und das
sind viele: Print, Leitsystem, Autobahn-
schilder, Anzeigenscreens, Mobile und
Internet. Im letzten Moment machten
die Verantwortlichen aber einen Rück-
zieher – Website und App sollen jetzt
doch Systemschriften verwenden. Bei
einem derartigen Großprojekt, so die
Begründung, stehe die Lesbarkeit über
allem. Schade, ich denke, der Flugha-
fen hat hier eine große Chance ver-
passt, sich auch in den digitalen Medien
mit einer starken, konsistenten Identi-
tät zu präsentieren. ant

Mitte: Auf der AP-Website sorgt die FF Good für typograische


Konsistenz und das Logo für schnelle Wiedererkennbarkeit. Leider
ersetzt die Georgia hier den Corporate Font Freight. Die AP-App
setzt ganz auf die FF Good – auf Smartphones (oben) ebenso
wie auf dem iPad (rechts). Keine schlechte Idee, ist sie doch selbst
in kleinen Größen auch auf dem Smartphone gut lesbar
064 PAGE 05.12 TYPO edding-Typo-Site

In der neuen edding-Kampagne dreht sich alles um den Font edding850, den Büro Destruct mithilfe
des dicksten Markers des Schreibwarenherstellers gestaltet hat

n Der Überraschungshit des Werbe­ angesiedelt. Ausgangspunkt ist das tra­ Ironie an. Das zeigt der Kurzilm von
jahres 2011 war eddings Wall of Fame. ditionelle Produktversprechen des Per­ Kai Sehr, Regisseur der preisgekrönten
Kaum eine Kreativjury, die die interakti­ manent Markers: Ein edding schreibt Dokumentation »Skateistan«, der Bü­
ve Webkampagne mit Gemeinschafts­ überall. Doch wie schreibt er auf dem ro Destruct bei der Schriftentwicklung
faktor nicht mit Edelmetall bedacht Computer? Die Lösung: mit einer eige­ begleitete. Um ein Gefühl für den ed­
hat. Rund 250 000 Menschen aus aller nen Schrift. Diese basiert auf dem fet­ ding 850 zu bekommen, scribbelten die
Welt verewigten sich mit Zeichnungen testen Marker im Angebot des Schreib­ Gestalter unendlich viele Blätter mit
auf http://wall-of-fame.com. Jetzt gilt warenherstellers: dem edding 850. Buchstaben voll – eines der ersten aus­
es nachzulegen, und auch diesmal will Für das Typedesign konnte man Bü­ geschriebenen Wörter war ganz nach
edding mithilfe von kempertrautmann ro Destruct in Bern gewinnen. Die De­ Schweizer Manier »Schoggi«. Die be­
die Aufmerksamkeit von Kreativen ge­ signer, die auf www.typedifferent.com wusst rough gehaltenen Skizzen redu­
winnen. Da diese den Großteil ihrer Zeit über 140 eigene Schriften vertreiben, zierten und vereinfachten sie nach und
am Rechner und im Netz verbringen, nahmen sich der Aufgabe mit Schwei­ nach – »bis jeder Buchstabe fast schon
ist die neue Kampagne ebenfalls dort zer Präzision und einer guten Portion ein Logo war«, erklärt Büro­Destruct­
PAGE 05.12 065

Die Gestalter von


Büro Destruct krit-
zelten zunächst
Unmengen Buch-
staben auf Papier,
ehe sie die Zeichen
am Rechner glätte-
ten und reduzierten.
Heraus kam ein Mix
aus handgezeich-
Mitgründer Lopetz. Dabei konzentrier­ neten Elementen und
ten sich die Designer auf den breiten klarer graischer
und den ganz dünnen Strich des Mar­ Gestaltung. Werbe-
kers. Daraus entstand eine Art Baukas­ und Dokumentar-
tensystem, aus dem sie die Buchstaben ilmer Kai Sehr hat
am Computer zusammensetzten. Die Büro Destruct bei
Designer vektorisierten die Scans in der Schriftent-
Illustrator, wo sie die Schrift auch kon­ wicklung über die
struierten. Kleinere Ungenauigkeiten Schulter geschaut.
wurden im FontLab Studio bereinigt. Sein Kurzilm (oben)
dient als Inspiration
Die anfangs eher schroffen Lettern und Teaser, der
wurden im folgenden Bearbeitungs­ Lust auf die Schrift
prozess immer cleaner, bis schließ­ machen soll
066 PAGE 05.12 TYPO edding-Typo-Site

lich eine einzigartige Mischung aus


handgezeichneten Elementen und glat­
ter graischer Umsetzung entstand. Die
fertige Schrift umfasst mehr als 230 Zei­
chen inklusive Sonderzeichen und Li­
gaturen. Sie reizt das Maximum der
Fette aus, die sich mit dem Marker er­
reichen lässt – und orientiert sich nicht
unbedingt an der optimalen Lesbar­
keit. Dadurch eignet sie sich weniger
für lange Texte, aber bestens für die
graische Gestaltung.
Die blockige edding850 bekommt je­
der, der sich auf der Website www.type-
for-type.com verewigt. Erst dann wird
der Download freigeschaltet. Die Mit­
arbeit an dem kollaborativen Textdo­
kument ist sehr einfach: Gleich auf der
Startseite lädt ein großer blinkender
Cursor ein, den fetten Font auszupro­
bieren. Der Text lässt sich im Editor oh­
ne Schwierigkeiten formatieren. Wie
schon bei der Wall of Fame handelt es
sich um eine Live­Umgebung, die Ge­
schriebenes in Echtzeit abbildet und
mehrere User zur gleichen Zeit aktiv
sein lässt. Im Gegensatz zur Grafiti­
wand basiert die neue Website samt
Editor allerdings nicht auf Flash, son­
dern auf HTML, inklusive HTML5­Ele­
menten. Der User kann überall in dem
Dokument ansetzen, Bezug auf ande­
re nehmen oder ganz unabhängig tex­
ten. Die einzelnen Beiträge sind in sich
geschlossen und lassen sich nicht im
Nachhinein ändern. »Wie es sich für
edding gehört, ist das Geschriebene
permanent«, erläutert Christoph Gäh­
wiler, Kreativdirektor bei kempertraut­
mann in Hamburg.

Das Projekt entwickelte kempertraut­


mann gemeinsam mit der neu gegrün­
deten Agentur shift aus Hamburg. De­
ren Geschäftsführer Stefan Walz (Krea­
tion) und Dorothea Feurer (Beratung)
waren bereits an der Konzeption und
Umsetzung der Wall of Fame beteiligt.
Das übergreifende Agenturteam um­
fasste zeitweise bis zu fünfzehn Per­
sonen aus unterschiedlichen Diszipli­

Einfach draulostippen: Die Mit-


arbeit an dem kollaborativen Text-
dokument erfolgt über einen
HTML-Editor. CTNM in Hamburg
hat die Website programmiert
PAGE 05.12 067

Im Uhrzeigersinn: Daniel Wolcke, Simon Becker, Christoph Hoppenbrock

Die fetteste Buchstabensuppe der Welt: Kreative sind


eingeladen, mit der edding850 geschaffene Artworks
in die Galerie hochzuladen – hier erste Beispiele

nen. »Eine feste Rollenverteilung gab type-for-type.com außerdem über eine


es nicht. Spannender als die Frage, Projektgalerie, die Arbeiten zeigt, die
woher eine Idee kommt, ist, wohin sie mit der Schrift spielen. Artworks, die
eigentlich gebracht werden kann«, so bei den Nutzern besonderen Gefallen
Christoph Gähwiler. inden, werden in ein PDF­Magazin auf­
Die Website wurde im März 2012 nach genommen, das sich zusammen mit
und nach gelauncht und war zuerst der Schrift downloaden lässt. Das bie­
nur einem kleinen Kreis von Kreativen tet Gestaltern eine Plattform, sich mit
zugänglich. »Diese Strategie sorgt da­ ihren Werken einen Namen zu machen.
für, dass die Idee ihren Weg zuerst zu Aus der ersten, exklusiven Phase
jenen indet, für die sie gemacht ist. des Projekts sind bereits einige Arbei­
Das hat bereits bei der Wall of Fame ten zusammengekommen, die die Ma­
den entscheidenden Dreh für die posi­ cher begeistern und hoffen lassen, an
tive Entwicklung gegeben«, so Stefan die Erfolge der Wall of Fame anknüp­
Walz. Wird die Messlatte anfangs hoch fen zu können: »Wenn einem aus dem
angesetzt, wächst die Hürde für weni­ Nichts die vielleicht fetteste Buchsta­
ger qualitative Beiträge. bensuppe der Welt serviert wird, dann
Um zum kreativen Umgang mit der merkt man, dass es wieder klappen
edding850 anzuregen, verfügt www. könnte«, freut sich Gähwiler. nik

Von A bis 9: Die komplette


edding850 gibt es
zum Download auf www.
type-for-type.com
068 page 05.12 TYPO

TYPOWELT
TDC Intro 2012
n Der vom New Yorker Type Directors
Club veranstaltete Title-Design-Award
steht immer ein bisschen im Schatten
seines großen Bruders. Aber zu Un-
recht, denn auch wenn er sich quanti-
tativ nicht mit diesem messen kann,
kann er qualitativ durchaus mitreden.
Die Jury um Chairwoman Karin Fong,
Mitgründerin von Imaginary Forces in
New York und Los Angeles, prämierte
12 der 49 eingereichten Videos, sechs
aus den USA und jeweils eines aus Me-
xiko, England, Frankreich, Russland,
den Niederlanden und Deutschland.
Sebastian Lange, Kreativdirektor bei
qu-int. in Freiburg, bekam die Auszeich-
nung für seine Opening Titles anläss-
lich des Internationalen Design Film
Festival 2011 in Singapur. Ab 3. Mai kann
man die Arbeiten des TDC Intro im Rah-
men der TDC Show auf der drupa in
Düsseldorf anschauen.
≥ www.tdc.org

Welcome Oklahoma
n Die Typonauten haben ihre erfolg-
reiche Schriftfamilie Oklahoma erwei-
tert. Zu Sheriff und Deputy kam nun
eine dritte Variante hinzu: Marshal, die
breiteste von allen. Außerdem überar-
beiteten die Bremer die Vektoren der
bestehenden Schnitte und entwickel-
Ganz oben: Mit dem Title Design für »The Practice of Beauty« ist Platon Infante aus Moskau einer der
ten Alternativbuchstaben. Sie ergänz-
diesjährigen TDC-Intro-Gewinner. Darunter: Für die Opening Titles zum Internationalen Design Film
ten die Fonts um jeweils 140 Glyphen,
Festival 2011 in Singapur bekam Sebastian Lange ebenfalls einen Award
sodass die Fontfamilie von jetzt an
auch osteuropäische Sprachen und
Türkisch unterstützt.
Ebenfalls neu ist der Open-Type-Ef-
fekt Dancing Baseline. Dieser sorgt da-
für, dass die Buchstaben auf der Grund-
linie springen, was den handgeletter-
ten Charakter der Schrift intensiviert.
Oklahoma ist für knapp 60 Dollar über
MyFonts zu beziehen, im Moment gilt
noch das Einführungsangebot zum hal-
ben Preis.
≥ www.myfonts.com;
www.typonauten.de

20 Jahre »FUSE«
n 1990 gründeten Neville Brody, Joan
und Erik Spiekermann in Berlin Font
Shop International und gaben in den
Neues Mitglied der Schriftfamilie Oklahoma ist die breite Variante Marshal darauf folgenden zehn Jahren, zusam-
page 05.12 069

≥ Weitere interessante artikel rund um Typograie inden Sie unter www.page-online.de/


emag/typo und Links zu Typefoundries et cetera unter www.page-online.de/typo-links

men mit Jon Wozencroft, 18 Ausgaben


des experimentellen Typograiemaga-
zins »FUSE« heraus. Dieses befasste
sich jedes Mal mit einem bestimmten
Thema und bestand aus einem ein-
fachen Kartonumschlag, der neben
fünf gedruckten Plakaten auch eine
Diskette beziehungsweise CD mit vier
oder mehr Schriften enthielt, welche
die Grenzen von traditioneller Typo-
graie sprengten.
Der Taschen Verlag hat jetzt mit
»FUSE 1–20« (416 Seiten, 39,99 Euro,
isbn 978-3-8365-2501-5) eine Samm-
lung aller 18 Ausgaben herausge-
bracht. Damit nicht genug, liegen dem
Band zehn DIN-A2-Poster bei – das
sind die bisher noch nicht publizierten
»FUSE 19« und »FUSE 20«. Die 24 Schrif- »FUSE 1–20« lässt
ten dieser beiden Ausgaben lassen das einlussreiche
sich durch die beiliegende Keycard typograische
downloaden. Das von Neville Brody Ideenlabor wieder
und Jon Wozencroft herausgegebene lebendig werden
»FUSE 1–20« ist eine Zeitreise, span-
nend für alle, die dabei waren, und erst
recht für die jüngere Generation, die
damit ein bedeutendes Kapitel Schrift-
geschichte nacherleben kann.
≥ www.taschen.com

»Moving Types« forever


n Wer hätte jemals gedacht, dass ei-
ne Typograie-Ausstellung derart er-
folgreich ist, dass sie noch einmal um
vier Monate verlängert wird. So ge-
schehen bei »Moving Types – Lettern
in Bewegung« im Mainzer Gutenberg-
Museum, die jetzt erst am 12. August
endet. Die Schau zeigt vom frühen
Avantgardeilm bis zur modernen App,
wie sich mit animierten Buchstaben
gestalten lässt, wie sie informieren,
unterhalten und selbst zu Kunstwer-
ken werden.
Wer es trotz Verlängerung nicht
nach Mainz schafft, kann für 19, 95 Euro
zumindest den Katalog mit eingebau-
tem Kino kaufen. Mehr als 80 Filmse-
quenzen und Dokumentationen sind
in ihm mittels QR-Code abrufbar. Viele
der QR-Tags sind selbst kleine Kunst-
werke, die in Anlehnung an die jewei- Die »Lettern in
ligen Bildwelten gestaltet wurden. Die Bewegung« sind
eigens für den Ausstellungskatalog bis 12. August im
entwickelte iOS- und Android-App gibt Mainzer Guten-
es kostenlos. ant berg-Museum zu
≥ www.moving-types.com sehen
070 PAGE 05.12

BILD

Gute Aussichten
Die digitale Technik und das Internet haben den Markt für High-End-Fotoprints tiefgreifend verändert.
Für Designer, Fotografen und Künstler bedeutet das so manche Neuorientierung
PAGE 05.12 071

Fotos (von links): © www.lumas.de; © www.whitewall.de

n Ist der hochqualitative Druck eigentlich noch gefragt, eines steht fest: Fine-Art-Prints und jede Art von hochqua- Der Weg von der
wollten wir wissen. »Ja«, »nein«, »teilweise« – unterschied- litativen Fotoprints sind gefragt. Denn es gibt viele Dienst- Vorlage bis zum
licher könnten die Antworten nicht sein. Dabei haben wir leister, die sie anbieten, es gibt ein enormes Spektrum an museumsreifen
die gefragt, die es wissen müssten: die hoch spezialisierten Herstellungsverfahren, und es gibt eine wachsende Nach- Print erfordert
Dienstleister, die für Fotografen und Künstler, aber ebenso frage. Nicht nur von Museen, Galerien, Sammlern, Fotogra- unabhängig vom
für Designer, Innenarchitekten und Sammler die Prints an- fen, sondern auch von (Foto-)Amateuren, Designern und Un- Produktionspro-
fertigen, die das Nonplusultra der Druck- und Belichtungs- ternehmen, die sich auf hohem Niveau präsentieren wollen. zess Sachkennt-
kunst darstellen. Die unterschiedlichen Antworten haben viel Die Antwort heißt also »Ja« – ist aber eigentlich ein »Ja, nis und Erfahrung
mit der persönlichen Perspektive zu tun und damit, ob man aber«. Denn der Markt für hochwertige Belichtungen ist mit
die Frage primär ökonomisch oder ästhetisch versteht. Aber dem Zusammenbruch der analogen Fotograie in die Knie
072 PAGE 05.12 BILD High-End-Fotoprints

gegangen, sodass viele Fotolabore nicht überlebt haben


und eine ganze Reihe immer noch vor einem Umstrukturie-
rungsprozess stehen. »Die Zeiten sind hart«, meint David
Cuenca, der als ehemaliger Werbefotograf mit Gigantfoto
in Berlin, Alstercolor in Hamburg und Grieger Stuttgart
gleich drei angesehene Firmen aus der Insolvenz übernom-
men und neu auf Kurs gebracht hat (siehe Interview links).
»Als spezialisierter Dienstleister mit einem hohen Bera-
Foto: David Cuenca

tungsanteil erleben wir derzeit einen eher schrumpfenden


Markt«, sagt David Cuenca.

Aus Kundensicht ist der schrumpfende Markt nicht unbe-


dingt schlecht – vor allem da die sinkende Nachfrage über-
wiegend Dienstleister trifft, die auf individuelle Kundenbe-
»Ich glaube an den foto- treuung setzen, und so einen Preisdruck erzeugt. Junge,
günstige Online-Anbieter wie WhiteWall erleben dagegen
graischen Prozess« einen regelrechten Boom und produzieren in Massenanfer-
tigung, aber mit hochwertiger Technik und ebenso hoch-
David Cuenca, Geschäftsführer von Grieger Stuttgart, Alstercolor wertigen Materialien Fine-Art-Prints in sehr guter Qualität.
und Gigantfoto, über die Veränderungen im Markt für High-End- Dazu kommen im Amateurbereich die Billiganbieter wie
Fotoprints und die anhaltende Bedeutung analoger Techniken PosterXXL, die aufgrund der rasanten technischen Entwick-
lung auch recht gute Prints liefern können.
Herr Cuenca, Sie haben gleich drei der angesehensten Qualitätslabore Was dieses »recht gut« bedeutet und wie es sich von der
in Deutschland übernommen. Was treibt einen Fotografen dazu, in dieses High-End-Klasse unterscheidet, darüber gibt es viele Mei-
Geschäft einzusteigen? nungen. Auch darüber, was das beste Verfahren ist, um ei-
David Cuenca: Ich bin schon immer von Großfotos und deren Herstel- nen HiFi-Print zu produzieren. Es kommt einfach darauf an,
lung fasziniert gewesen. Deswegen konnte ich es nicht akzeptieren, dass was man möchte: Farbe oder Schwarzweiß, bloßen Druck
diese Firmen einfach so von der Bildläche verschwinden. Fotolabore sind oder auch Veredelung? Wie wichtig ist die Haltbarkeit und
ein verlässlicher Partner eines jeden Fotografen. Hin und wieder muss von welcher Grundlage geht man aus? Negativ, Dia, digitale
man die Treue der Kunden allerdings mit einem kleinen Augenzwinkern Daten oder etwa andere analoge Vorlagen? Wenn man das
infrage stellen. Wobei ich das nachvollziehen kann: Die Auftraggeber, also für sich geklärt hat, kann man einen Dienstleister suchen,
Agenturen und Großunternehmen, geben den Preisdruck und die Ge- der über die Technik verfügt, die Werke so zu produzieren,
schwindigkeit ja vor. wie man es sich vorstellt.
Wie läuft das Geschäft mit hochklassigen Prints?
Der Markt ist wesentlich schwieriger geworden, weil Kunden den qualita- Das gängigste Verfahren zur Produktion von High-End-Fo-
tiven Unterschied häuig nicht mehr kennen und beurteilen können. Inter- toprints – in Farbe ebenso wie in Schwarzweiß – ist Inkjet.
netplattformen gaukeln einen günstigen Preis vor, verkaufen allerdings Zum Einsatz kommen hier fast ausschließlich Sechsfarbdru-
keine Qualitätsprodukte und sind daher preislich nicht wirklich vergleich- cker von Epson, die bis zu einer Breite von etwa 160 Zenti-
bar. Es fehlt oftmals das Verständnis dafür, wie viel Know-how und welche metern sowie von der Rolle drucken. Die Dominanz des ja-
technischen Abläufe überhaupt vonnöten sind, um ein Qualitätsprodukt panischen Unternehmens liegt in dessen Technologievor-
herzustellen. Glücklicherweise fragen Künstler, Galerien, Museen und sprung begründet, sodass bei den größeren Formaten im
Fotografen unsere Fotovergrößerungen rege nach. Es gibt also diesen High-End-Bereich kaum Konkurrenz besteht und die Labore
Markt und auch den Anspruch. allesamt auf Epson angewiesen sind.
Ihr Angebot reicht von Inkjet über digitale Belichtungen auf Fotopapier bis Verarbeitet werden fast alle Materialien, meist Papiere
hin zu analogen Vergrößerungen über Horizontalbelichter an. Warum? von Epson selbst, von Hahnemühle, Canson oder Tepco. Um
Es ist uns wichtig, die ganze Bandbreite anzubieten. Bei allen Vorteilen, das Vertrauen in die junge Inkjettechnik zu stärken, hat Ep-
die der Inkjetdruck mit sich bringt, setzen viele Kunden auf bewährte Ver- son 2003 die Digigraphie-Charta ins Leben gerufen, die die
fahren. Beispielsweise unser Diasec, um Belichtungen mittels Silikon hin- Parameter Drucker, Tinte und Papier in bestimmten Kon-
ter Acrylglas zu bringen, oder auch analoge Vergrößerungen. Und man stellationen in Übereinstimmung bringt und so Konstanz
darf eines natürlich nicht vergessen: Eine Belichtung ist immer noch ein und eine Garantie für die Haltbarkeit der Prints (bis 75 Jah-
Unikat, und Sammler wie Künstler wollen dies – und nicht einen Druck, re) bringen soll. Produzieren dürfen unter diesem Label
den jeder nachmachen kann. ausschließlich von Epson zertiizierte Dienstleister. Die Aus-
Gibt es typische Digital- und typische Analogkunden? wahl der Papiere ist dann natürlich eingeschränkt – Epson
Das kann man so nicht sagen. Fotografen, die mehr von der technischen testet nur eigene High-End-Papiere und einige wenige an-
Bildgestaltung und vom Bildaufbau her denken, lassen eher digital auf dem derer Hersteller, unter anderem von Hahnemühle. Doch
LightJet belichten. Fotografen, die aus Farbwelten kommen, inden diese bieten die zertiizierten Dienstleister wie Recom Art oder
nur im analogen Prozess wieder. Analoge Farbwelten unterscheiden sich Sander in den meisten Fällen eine Reihe zusätzlicher Mate-
in ihrer Poesie eindeutig von digitalen Fotolaserbelichtungen. rialien an, die zwar nicht das Digigraphie-Label besitzen,
Wie sehen Sie die Zukunft der analogen Belichtungstechnik? aber ähnliche Eigenschaften aufweisen.
Es wird nicht einfacher werden. Der analoge Prozess ist langsam und da- Um den Sinn der Charta nachvollziehen zu können, muss
her selten rentabel. Außerdem muss man Fachleute inden, die etwa mit man die Geschichte von ihrem Ursprung her erzählen. Und
dem Horizontalvergrößerer umgehen können. Generell macht es die Insol- hier steht die lange Erfahrung mit Fotograien auf Barytpa-
venz von Kodak in Zukunft schwerer, an die Papiere in den ganz großen pier. Gemeint sind analoge Vergrößerungen auf barium-
Formaten heranzukommen. Man muss dazu aber sagen, dass der analoge sulfathaltigen Papieren, die seit über 120 Jahren vorge-
Prozess nur noch einen kleinen Teil unseres Geschäfts ausmacht. nommen werden und extrem haltbar sind. Jahrzehntelang
wurden hochwertige Schwarzweiß- und früher auch Farb-
PAGE 05.12 073

vergrößerungen auf diesem Material erstellt. Nicht nur weil


die Künstler ihren Werken Langlebigkeit geben wollten, son-
dern auch weil sich Sammler inanziell nur dann engagie-
ren, wenn sie sicher sein können, dass ihre Investition sich
nicht nach wenigen Jahren durch Vergilben und Ausblei-
chen in nichts aulöst.
Der Inkjetprint stand anfangs unter dem Verdacht, sich
nach kürzester Zeit in ein schmutziges Blatt zu verwan-
deln – was für die ersten Drucke auch beinahe zutraf. Das
Misstrauen in der Szene war sehr groß und ist auch immer
noch nicht ganz verschwunden, obwohl Tinten und Pa-
piere mittlerweile so weiter entwickelt wurden, dass man
von einer Haltbarkeit ausgehen kann, die zumindest mit
Baryt in einer Liga spielt.
Dass in puncto Haltbarkeit und Qualität Baryt immer
noch die Oberhand hat, davon ist Wolfgang Söder von Grau-
wert überzeugt – zumindest, wenn es um Schwarzweißab-
züge geht, ist für ihn der handgefertigte Barytabzug unge-
schlagen. Das Hamburger Fotolabor ist eines der letzten,
das in Spitzenqualität analoge Abzüge auf Baryt anfertigen
kann. Zu den Kunden von Grauwert gehören renommierte
Fotokünstler wie Thomas Dilge, Karin Székessy oder auch
der Amerikaner Jeff Widener. Geht es um Schwarzweiß-
arbeiten, so schätzen sie die analogen Vergrößerungen
von Grauwert. Bei Farbdrucken setzt Wolfgang Söder wie
fast alle anderen Labore auf die Inkjettechnik. »Sobald man
in die Farbe geht, ist digital besser. PE- und C-Prints werden
irgendwann spröde«, erklärt er.

Schwierig wird es, wenn Kunden analoge Ausarbeitungen


von digitalen Aufnahmen verlangen. In der Regel werden
dann Negative oder Dias als anologe Zwischenstufen er-
stellt, die als Vorlagen dienen. Kai Sandner aus Essen hat
als Geschäftsführer des Fachlabors Polycolor einen Digital-
belichter entwickelt, der aus digitalen Daten direkt Baryt-
oder anderes Fotopapier belichten kann. Zum Einsatz
kommt eine Bildröhre mit einer Aulösung von rund 30 Me-
gapixeln, die über einen Umlenkspiegel und ein Vergröße-
rungsobjektiv das Bild auf das Fotopapier projiziert. Im
Prinzip funktioniert der Variochromat genauso wie ein al-
ter Fachvergrößerer, der aber digital bestückt wird. Die Er-
gebnisse sind absolut überzeugend, allerdings ist bei 60 mal
80 Zentimeter das größtmögliche Format erreicht.
Farbe ist inzwischen fast ausschließlich eine Domäne der
digitalen Produktion. So hat der Kölner Universaldienstleis-
ter Sander noch eine Dependance in Frankfurt, die Farb-
vergrößerungen analog herstellt, aber laut Geschäftsführer
Julian Röder machen nicht digitale Arbeiten lediglich 5 Pro-
zent des Gesamtumsatzes aus. Grieger Stuttgart ist noch
etwas stärker im Analogen engagiert, produziert aber eben-
falls vorwiegend digital. Neben dem Inkjetdruck kommen
Lambda-Belichter oder LightJets zum Einsatz. Sie belichten
Fotopapier mittels Lasertechnik, meist bis zu einem For-
mat von 180 mal 300 Zentimetern. Die Ergebnisse sind – bis
auf die typischen Farbwelten des Filmmaterials – mit den
analogen Belichtungen früherer Jahre vergleichbar.
Ob diese chemischen Belichtungen beziehungsweise
die Inkjetprints besser sind, lässt sich nicht pauschal beant-
worten. Vielmehr kommt hier das Papier ins Spiel und da-
mit das Medium, auf dem der Künstler sich präsentieren
möchte. Die Bandbreite ist bei Inkjet größer, insbesondere
wenn man sich von der fotorealistischen Darstellung ver-
abschiedet. Die Frage Haltbarkeit stellt sich wieder neu, so-
bald es um die Versiegelung hinter Acryl oder anderen Ma-
terialien geht: Gegner der Belichtungstechnik führen an,
dass die Chemikalien beispielsweise hinter Glas destruk-
074 PAGE 05.12 BILD High-End-Fotoprints

tiv arbeiten, die Befürworter verweisen dagegen auf die Der Vertrieb erfolgt bei allen Anbietern samt Beratung vor
jahrzehntelangen positiven Erfahrungen, die beim Inkjet- Ort – mit Ausnahme von WhiteWall, die den Markt durch
druckverfahren noch fehlen würden. günstige, online bestellbare Fine-Art-Prints aufgemischt hat.
Hier indet die Kommunikation über die Website statt. Die
Weiterverarbeitung und Veredelung sind Standard. Be- Fachlabore reagieren mit eigenen Online-Angeboten. Wie
liebt ist die Verklebung der Prints hinter Acryl. Möglich ist Recom mit dem Printportal, über das Kunden Prints komplett
zudem der Direktdruck auf Acrylglas, was die Tiefenwir- über das Web ordern können. Das ist günstiger, als die Bera-
kung und Leuchtkraft verstärken kann, aber zulasten der tung vor Ort in Anspruch zu nehmen. Wer weiß, was er will,
Weißtöne geht – es fehlt das Papier. Zurzeit arbeiten einige kann Recom-Qualität also auch günstiger bekommen. High-
an vom Rechteck abweichenden Form aten. Interessant ist End-Fotoprints sind also immer noch gefragt, nur gibt es heu-
ein neuer Ansatz von Sander: Das Unternehmen versiegelt te eine größere Auswahl. Das drückt die Preise – und weckt
Prints mit lüssigem Kunstharz, was für abgerundete Kan- die Innovationskraft der Anbieter. Qualitätslabore mit Prei-
ten und eine polierbare, restaurierbare Oberläche sorgt. Wir sen wie bei WhiteWall gab es früher nicht, ebenso wenig wie
haben uns einige solcher Prints angeschaut. Das Kunstharz die Inkjettechnologie. Wer Sonderwünsche hat oder einen
scheint tatsächlich mehr Schwärze durchzulassen als Acryl. Barytabzug wünscht, wird ebenfalls bedient. Markus Linden

High-End-Print-Anbieter im Überblick

Links von Jim Rakete ist Skia-Erinder Dieter Kirchner zu sehen, rechts von ihm Karl-Heinz Benatzky

Jim Rakete signiert seine


Skia-Prints. Ebenfalls
mit Skia produziert: das
Buch »Ruhrgebiet Mack«

Skia High-End aus der Druckmaschine


n Skia ist kein Anbieter, sondern ein möglich ist, hat Dieter Kirchner die Bild-
Herstellungsverfahren, hinter dem drei aufbereitung für Speedmaster opti-
Firmen stehen. Neben dem Skia-Erin- miert und die Druckerei die gesamte
der, dem Berliner Printexperten Dieter Hardware daraufhin justiert. Darüber
Kirchner, sind das die Druckerei Be- hinaus kommen spezielle Papiere und
natzkyMünstermann in Hannover so- Farben zum Einsatz, die eine extreme
wie die Agentur Independent-Medien- Haltbarkeit und Tiefen mit hoher Dich-
design mit Geschäftsführer Horst Mo- te garantieren. Das maximal bedruck-
ser in München. Mit der Heidelberger bare Format ist etwa 75 mal 100 Zen-
Speedmaster XL105 nutzt Skia interes- timeter. Skia lässt sich auch für den
santerweise eine auf Durchsatz opti- Buchdruck einsetzen.
mierte Digitaldruckmasche für die Pro- ≥ www.b-plus-m.de;
duktion von Fine-Art-Prints. Damit das http://independent-medien-design.de
PAGE 05.12 075

Der argentinische Fine-Art-


Künstler Edgar Angelone lässt
seine Galerieabzüge bei
Polycolor in Essen fertigen. Die-
ser Abzug ist zurzeit in einer
Ausstellung in Indien zu sehen

Polycolor Digital
auf Baryt
n Eine Besonderheit von Polycolor in
Essen ist der von Geschäftsführer Kai
Sandner entwickelte Variochromat, mit
dem sich auf Basis digitaler Daten Ver-
größerungen anfertigen lassen. Viele
namhafte (Foto-)Künstler lassen hier
produzieren. Polycolor deckt zwar die
komplette Bandbreite ab, doch liegt
der Schwerpunkt auf der Ausarbeitung
von Schwarzweißwerken. Die meisten
Kunden wählen Barytpapier, das bis
zu einer Größe von 80 mal 60 Zentime-
© Edgar Angelone

tern belichtet werden kann. Größere


Formate müssen auch bei Polycolor via
Inkjetdruck umgesetzt werden.
≥ www.polycolor.de
Foto: © Wolfgang Burat; Artwork © Dr. Christina Lissmann (www.lissmann.com)

Sander Besondere Veredelungen


n Dass der Name Sander weltweit ein ist. Dazu kommt eine größere Klarheit,
Begriff ist, hat mit dem Gründer des was zu mehr Tiefen im Bild führt. Die
Unternehmens zu tun: August Sander. Veredelung mit Kunstharz ermöglicht
Der große Dokumentarist zog 1911 beliebige, auch runde Formate, wie
nach Köln und eröffnete dort ein Fo- links im Bild zu sehen ist.
tolabor. Heute gibt es neben der Zen- Die Produkte des Universaldienst-
trale in Köln noch Dependancen in leisters tragen entweder das Digigra-
Düsseldorf und Frankfurt. phie-Label oder sind nach Fogra zerti-
Obwohl analoge Ausarbeitungen iziert. Im Fine-Art-Bereich produziert
zum Repertoire gehören, steht das La- Sander bis zu einer Breite von etwa
bor vor allem für hochwertige Inkjet- 160 Zentimetern (endlos). Neben Papier
prints, die es in allen denkbaren For- werden auch Materialien wie Alu oder
men veredelt – neuerdings auch mit Tapete verarbeitet. Der Rundum-Ser-
»Herbarium des Heraklit« von Wolf- einer Harzglasur, die im Unterschied vice schließt Beratung, Testdrucke, Ver-
gang Burat und Christina Lissmann zu den üblichen Acrylglasversiegelun- packung und weltweiten Versand ein.
gen polierbar und damit restaurierbar ≥ www.sander.de

Recom Art Full Service


Fotos: © Sandra Freij, www.lundlund.com

n Ursprünglich aus der Bildbearbeitung, -korrektur und


Repro kommend, bietet das Ostildener Unternehmen
heute einen Rundumservice – von der Retusche über die
Herstellung von Prints bis zu Verpackung und Versand. Fo-
toprints produziert Recom Art überwiegend per Inkjet-
druck, die Digitalbelichtung via LightJet gehört aber eben-
so zum Angebot wie spezielle Verfahren, etwa die Kombi-
nation von Inkjet- und Siebdruck. Obwohl Recom frühzeitig
ein Printportal eingerichtet hat, inden die meisten Kunden
über die intensive Beratung zu dem Unternehmen. Recom-Prints von Arbeiten der Fotograin Sandra
≥ www.recom.de; www.recom-printportal.de Freij in der Ausstellung »Leica@Fashionweek«
076 PAGE 05.12 BILD High-End-Fotoprints

In den Räumen
der Berliner Lumas-
Galerie signiert
Robert Lebeck Prints,
die WhiteWall
Foto: © Bernard Bruck, hauptstadtstudio.com

angefertigt hat

WhiteWall Fine Art online


n Das Lumas-Spin-off ist eines der größten Online-Foto-
labore für professionelle Anwender. Der Unternehmens-
sitz ist zwar Berlin, produziert wird aber in der Nähe von
Köln hauptsächlich mit Lambda- oder LightJet-Belichtern.
Bestellbar sind auch Fine-Art-Prints mit Epson-Sechsfarb-
Inkjetdruckern auf Hahnemühle-Papier. Mit dem LightJet
produziert WhiteWall bis zu einer Größe von 180 mal 300 Zen-
timetern, allerdings unkaschiert. Angeboten werden Direkt-
druck und Fotoabzug hinter Acryl, auf Aluminium und wei-
tere Fotoprodukte. Auf Wunsch kann man die Prints auch
direkt rahmen lassen.
Tendenziell ist ein Fine-Art-Print bei WhiteWall günsti-
ger als beim Fachlabor. Wer also nicht vom Standard ab-
weicht, wird hier zu guten Preisen fündig. Beraten lassen
Fotos: © www.whitewall.de

kann man sich entweder an der Kundenhotline, per Chat


oder E-Mail. In Düsseldorf gibt es einen Showroom, in dem
die Mitarbeiter Beratungen durchführen. Interessant ist
auch der WhiteWall Kunstmarkt, über den Kreative ihre Ar-
beiten präsentieren und verkaufen können.
≥ www.whitewall.de

Grieger Stuttgart Von analog bis digital


n Mit Diasec hatte Grieger lange Zeit Cuenca hat Letzteres 2010 übernom- tet und anschließend vergrößert wer-
ein Monopol auf die Kaschierung von men und hält nach wie vor fast die ge- den. Ansonsten bietet Grieger über-
belichteten Fotos hinter Acrylglas. In- samte analoge Produktionskette auf- wiegend Digitalbelichtungen auf Light-
zwischen bieten fast alle Konkurren- recht. So kommt dort beispielsweise Jets an (bis 180 mal 300 Zentimeter)
ten dies ebenfalls an. Die Marke Dia- noch der Horizontalvergrößerer zum und setzt auch bei den Acrylglasver-
sec nutzen jedoch nur die mittlerweile Einsatz, wobei allerdings in den meis- edelungen auf Digitalbelichtungen, die
getrennten Unternehmen Grieger Düs- ten Fällen digitale Daten die Ausgangs- mit Silikon verklebt werden.
seldorf und Grieger Stuttgart. David basis sind, die zunächst digital belich- ≥ www.grieger-digital.de

Grauwert Schwarzweiß trifft auf Inkjet


n Das Hamburger Fotolabor Grauwert ten aber auch digitale Daten, scannen
existiert seit fast dreißig Jahren und und bieten einen Rundum-Service bis
hat es geschafft, den durch die digi- hin zu Rahmung und Verpackung an.
tale Technik ausgelösten Wandel der Analoge Belichtungen sind bis zu ei-
Branche mit einer Doppelstrategie zu ner Größe von 1,25 mal 2 Metern mög-
überstehen: Es bietet modernen Ink- lich, größere Formate produziert Grau-
Foto: Günter Zint, © Grauwert/KuK-Archiv

jetdruck in höchster Qualität, bleibt wert im Inkjetdruck.


aber gleichzeitig den alten, analogen ≥ www.grauwert.de
Produktionstechniken treu. Diese wer-
den überwiegend für Schwarzweiß-
ausarbeitungen verwendet, die Grau-
wert insbesondere für Fotokünstler
weltweit anfertigt. Ausgangsbasis sind Günter Zint fotograierte
dann meistens Negative (bis hin zum Jimi Hendrix, als dieser
Großformat). Die Hamburger belich- 1967 auf St. Pauli auftrat
078 page 05.12 BILD Making-of: »Sternennacht«-Installation

n Die Liebe zur Kunst geht bei Petros


Vrellis so weit, dass er jeden einzelnen
Pinselstrich von Vincent van Goghs be-
rühmtem Gemälde »Sternennacht« als
Partikel-Animation nachempfand. Ins-
gesamt waren dafür 80 000 Partikel not-
wendig. Davon ausgehend entwickelte
der Medienkünstler und Elektrotech-
niker aus dem nordgriechischen Ioanni-
na mit dem Open-Source-Toolkit open-
Frameworks eine Screen-Installation,
bei der der User über die Kinect, den
gestengesteuerten Controller von Mi-
crosoft, mit seinem Finger den Malluss
verändern kann (www.youtube.com/
user/pvrellis). Auch der Ambient-arti-
ge Hintergrundsound reagiert auf die

action painting Gesten. »Die Interaktion eröffnet ei-


ne alternative Perspektive auf das Ge-
mälde«, erklärt Petros Vrellis. Und das
Der Medienkünstler Petros Vrellis schuf eine experimentelle stimmt, denn sie lässt van Goghs dy-
namischen, aber in Öl gebannten Pin-
Kinect-Anwendung, bei der der User van Goghs »Sternennacht« selstrich auf einzigartige Weise wieder
durch seine Berührungen zum Leben erweckt lebendig werden. vd

petros Vrellis über die Umsetzung der interaktiven Installation mit openFrameworks und Kinect

Partikel-Animation Gestensteuerung mit Kinect


Zunächst versuchte ich die Bewegungslüsse nachzuvollziehen, Für die Installation richtete ich den Sensor der Kinect auf die Projek-
durch die das Gemälde entstanden ist. Diese setzte ich dann tionsläche, also den Monitor. Das openFrameworks-Add-on ofxKinect
in openFrameworks mit 80 000 Partikeln um. In der 3-D-Compu- liefert die 3-D-Koordinaten für die Kommunikation mit der Kinect.
tergraik dienen Partikelsysteme dazu, eine große Anzahl von Deren Tiefensensor sucht die zweidimensionale Fläche des Bildschirms
Objekten zu animieren und so zum Beispiel Rauch oder Wasser zu nach den Punkten ab, an denen die Hände des Users dem Display sehr
simulieren. Die Partikel legte ich als OpenGL-Mini-Maps in Form nahekommen oder es berühren. Dies geschieht mithilfe der Erweite-
kleiner Pinselstriche an, die sich mit einem lüssigen Algorithmus rung ofxOpenCV. Nun zeigte der Monitor mir die Koordinaten an, die
bewegen. Das Velocity Field, also die Funktion, die Richtung und die Kinect-Kamera von den Gesten ermittelt. Diese Daten verwendete
Geschwindigkeit der Partikel steuert, ließ ich dabei nicht automa- ich, um das Velocity Field der »Sternennacht«-Animation zu verän-
tisch berechnen, sondern richtete alles manuell ein. Dazu musste dern und damit die Partikel beziehungsweise die Pinselstriche auf
ich etwa 100 Parameter kalibrieren. Nach drei Monaten Program- dem Screen zu steuern. Ebenso wie ein normaler Bildschirm lässt sich
mierung nahm die Kalibrierung noch einmal so viel Zeit in Anspruch. auch ein Touchscreen für die Anwendung nutzen.
080 page 05.12 BILD

BILDWELT
ren Schwestern Julia und Romina zu-
sammengearbeitet, aber auch eigene
Comics für die Hamburger Anthologie
»Orang« und im Musikmagazin »Opak«
veröffentlicht. Mit ihrem klaren, grad-
linigen Zeichenstil, der Manga-Einlüs-
se auf sehr eigenständige Weise verar-
beitet, und glänzenden Dialogen ist
ihr ein bemerkenswertes Debüt ge-
lungen. Jetzt, wo ihr Buch fertig ist,
will sie auch wieder verstärkt als Illus-
tratorin arbeiten – wie sie uns berich-
tet, bereitet sie ein »Killer-Portfolio«
vor. Wir sind gespannt.
≥ www.carolinwalch.de;
www.reprodukt.com

Stockbilder per Plug-in


n Eigentlich liegt es nahe, Nutzer von
Bildern da abzuholen, wo sie diese
brauchen, nämlich direkt bei der Ar-
beit mit Programmen wie Photoshop,
InDesign oder Illustrator. Mit der in die
Creative Suite 2 und 3 integrierten Da-
tenbank Adobe Stock Photos hatte
der Softwarehersteller das schon ein-
mal versucht, 2008 den Dienst aller-
dings wieder eingestellt.
Jetzt machten sich Stockbildprois
ans Werk: Die Microstock-Agentur Fo-
tolia stellt 16 Millionen Motive über
ein CS5-Plug-in bereit. Die Erweiterung
entstand in Zusammenarbeit mit der
von ehemaligen Adobe-Programmier-
ern gegründeten Firma Silicon Publi-
shing. Diese verwendete Adobes neue
CS-Extension-Technologie, die die Ent-
wicklung hilfreicher Tools um die Crea-
tive Suite herum erleichtern will.
≥ www.fotolia.de/adobeplugin

Neue Foto-Apps
n Angesichts von 15 Millionen Usern,
die Instagram gefunden hat, ist es viel-
leicht kein Zufall, dass die junge Ent-
wicklerschmiede Factyle aus Toronto
Wie im echten Soap-Leben ihre neue App Cinemagram nannte.
In Caroline n Die erste Graphic Novel der Münch- schen Versace-Boutique und Kokspar- Damit lassen sich die im Augenblick so
Walchs Graphic ner Zeichnerin Carolin Walch ist eine ty von MTV-Kamerateams begleiten beliebten animierten Foto-GIFs erzeu-
Novel »Roxanne & dicht an der Realität bleibende Sati- lassen. Berühmt sind sie bloß wegen gen, die auch unter der Bezeichnung
George« ver- re auf MTV-Soaps à la »The Osbournes« ihrer Papas – zwei Altrocker, die we- Cinemagraphs bekannt sind. Zunächst
markten zwei geworden. »Roxanne & George«, er- gen des Tods eines Mitglieds ihrer Ex- gab es Aufregung, weil man die GIF-
Hollywood- schienen im Reprodukt Verlag (136 Sei- Band Hell Patrol seit zwanzig Jahren Dateien nicht auf dem eigenen iPhone
Youngsters ihr ten, 17 Euro, isbn 978-3-941099-77-7), verfeindet sind . . . speichern, sondern nur unter www.ci
Glamourleben erzählt die Geschichte zweier Holly- Bislang hatte Carolin Walch unter nemagram.tumblr.com veröffentlichen
als MTV-Show wood-Youngsters, die ihr Leben zwi- dem Namen The Royal Walchs mit ih- konnte – übrigens eine amüsante Fo-
page 05.12 081

≥ Mehr zum Thema Fotograie und Illustration unter www.page-online.de/emag/bild

Wie abstrakt
soll’s denn sein?
Mit pxl ist
alles möglich

tosharing-Community. Jetzt sind die isbn 978-1-85669-738-5). Den im Lon- Großes Illustratoren-
Exportmöglichkeiten wesentlich ver- doner Verlag Laurence King erschie-
bessert, und die Entwickler arbeiten nenen Band mit dem Untertitel »The
Festival
weiter an Updates. Art of Visual Storytelling« haben zwei n Tschüss Berlin, es lebe das Rhein-
Gelungen ist auch pxl von Rainer Professoren aus Cambridge geschrie- land! Was sich dort in Sachen Illustra-
Kohlberger. Der Berliner hat schon die ben. Martin Salisbury leitet dort an tion tut, zeigt vom 20. bis 22. April das
beiden experimentellen Apps ield der Anglia Ruskin University den ers- Festival illu12 im Kölner Design Quar-
(2011 beim ZKM App Art Award ausge- ten britischen Masterstudiengang für tier Ehrenfeld, parallel zur Art Colog-
zeichnet) sowie 2010 rain entwickelt, Kinderbuchillustration. Entsprechend ne. Über vierzig Illustratoren aus Nord-
ein Tool, das mit Farben und Sounds sachkundig kommt das Buch daher, rhein-Westfalen kann man dort live er-
abstrakte Muster generiert. Weniger das sowohl Klassiker, herausragende leben, in einem bunten Mix von Aus-
avantgardisch kommt nun die App pxl Studentenarbeiten als auch aktuelle stellung, Messe, Vorträgen und Ge-
daher, mit der sich Fotos in neun edi- Kinderbücher zeigt. Das Zusammen- sprächsrunden, Live-Zeichnen, Work-
tierbaren Styles abstrahieren lassen. spiel von Wort und Bild ist ebenso shops für Kinder und Illu-Basar.
≥ www.cinemagr.am; Thema wie Zeichen- und Drucktech- Veranstalter des bisher einmaligen
www.kohlberger.net niken oder die Besonderheit des Kin- Events sind die Illustratoren Elke Ha-
derbuchmarkts. Ein Anfang für die nisch, Antje Herzog, Martin Schlier-
professionelle Betrachtung der Kunst kamp, Boris Servais, Daniel Schreiber,
Bildergeschichten des visuellen Geschichtenerzählens ist Emmeke van der Put und Ruth Zadow.
n Theorie und kreative Praxis des endlich gemacht. Wir würden uns al- Es verspricht unterhaltsam zu werden,
Kinderbüchermachens will die Publika- lerdings ein vergleichbares Buch aus wie schon die Teilnehmer-Portfolios auf
tion »Children’s Picturebooks« zusam- Deutschland wünschen. der Festival-Website ahnen lassen. cg
menbringen (192 Seiten, 22,50 Pfund, ≥ www.laurenceking.com ≥ www.illustratoren-festival.de

Antje Herzog
gehört zu
den Organisa-
toren des
Kölner Illu12-
Festivals – hier
ein Bild aus
einer witzigen
Serie über
Auch auf Deutsch zu haben: Kinder- Hunde, zu sehen
buch von Oliver Jeffers, 2010 mit dem auf www.
British Book Design Award prämiert antjeherzog.de
082 PAGE 05.12

TECHNIK
PAGE 05.12 083

Print-o-tronics
Die Verschmelzung von Elektronik und Druck birgt großes Potenzial für Kommunikation, die
alle Sinne anspricht. Doch noch sind Konzepte jenseits bloßer Effekthascherei rar gesät

n Videos in Anzeigen und Sound nun auf marktfähige Produkte. Flache Druckbranchenmagazin »Canvas« mit
in Grußkarten oder Lichteffekte auf Audiomodule, ultradünne LEDs oder einem mit elektrochromatischer Tinte
T-Shirts – die Einbindung digitaler Me- Elektrolumineszenzfolien ebenso wie gedruckten Cover, das zu interaktiven
dien in Printprodukte reicht weit über gedruckte Batterien dürften schon Spielereien einlud. Ein Projekt, das in
die Verwendung von QR-Codes hinaus. bald in industriellem Umfang herge- zweifacher Hinsicht technisches Neu-
Elektronik lässt sich direkt in Zeitschrif- stellt werden und Kommunikations- land betrat: Zum einen war es erst das
ten, Mailings und Verpackungen inte- konzepte hervorbringen, die in bereits zweite mit E-Ink-Cover weltweit, und
grieren – und sogar auf Papier drucken. heute realisierten Projekten erst an- zum anderen war auch das interaktive
Einiges ist noch Zukunftsmusik, aber satzweise zu entdecken sind. Konzept der Titelgraik in dieser Form
nach langen Jahren der Grundlagenar- Anfang vergangenen Jahres prä- ein Novum. Im Oktober 2008 hatte be-
beit legt die Branche ihr Augenmerk sentierte sich das US-amerikanische reits das US-Magazin »Esquire« bei

Für den hochwertigen Verpackungs­


karton Invercote des schwedischen
Papierherstellers Iggesund gestaltete
Sebastian Onufszak den Inhalt
der fünften Black Box. Seine Wahl iel
auf ein Videodisplay, für das er in
3­D einen kurzen Film schuf, der sich
künstlerisch mit der Geschichte
von Iggesund auseinandersetzt
084 PAGE 05.12 TECHNIK Electronics in Print

100 000 Heften ein kleines E-Ink-Ele-


ment auf das Cover gedruckt. »Canvas«
produzierte nur 12 000 Hefte, doch war
der inteteraktive Titel ein ziemlicher
Kraftakt für alle Beteiligten.
Insgesamt 13 Partner engagierten
sich bei dem »Canvas«-Projekt. Dazu
gehörte der Farbenhersteller Ntera
mit seiner elektrochromatischen Tin-
te NanoChromics und DuPont Teijin
Films mit Molinex ST505, einem hitze-
beständigen Polyestersubstrat. Spray-
lat stellte die silberne leitfähige Tinte
zur Verfügung, mit der die Leiterbah-
nen zwischen den Batterien und dem
Display gedruckt wurden. Mit der Dru-
ckerei Si-Cal aus Westborough in Mas-
sachusetts war eine Spezialist für das
Ntera-Farbsystem mit an Bord. Der Di-
gitaldruckmaschinenbauer Ricoh stand
als Sponsor und Initiator hinter dem
Projekt. Auch die Kreativen, die Aus-
sehen und Verhalten des E-Ink-Covers
entwickelten, waren vom Fach: ein
Team aus Studenten und Professoren
der California Polytechnic State Uni-
versity (Cal Poly) in San Luis Obispo.
Die Idee der Studenten war es, auf
die Anmutung einer Kladde zu setzen,
in der der Leser mit dem Stift bestimm-
te Punkte antippt und so nach und
nach Reaktionen auslöst. Das Cal-Poly-
Team übernahm auch die Vorstufen-
arbeiten. Der Hefttitel entstand in zehn
Durchgängen im Siebdruckverfahren,
wobei Si-Cal die durchsichtige Polyes-
terfolie von hinten bedruckte. Danach
wurde sie laminiert und zugeschnit-
ten. Die Batterien klebten die Studen-
ten von Hand auf die Folie, die am En-
de schließlich auf das Cover der Fe-
bruar-Ausgabe von »Canvas« geklebt
wurde. Der kleine Kreis der Abonnen-
ten war begeistert.

Wie die Verbindung von Verpackungs-


druck und Elektronik aussehen kann,
das zeigt neben der Iggesund-Box das
Schminkkästchen »Book of Shadows IV«
der Kosmetikmarke Urban Decay aus
dem Jahr 2011. Es entstand in Koope-
ration mit dem Mobiltelefonanbieter
HTC und dem Video-in-Print- und Ver-
packungsspezialisten Americhip, der
2010 auch schon dem »Spiegel« zu sei-
ner viel beachteten Volkswagen-Werbe-
karte verholfen hatte. Diesmal verzich-
tete Americhip auf ein eigenes Display,
da das HTC-Smartphone diese Rolle
übernehmen sollte.
Das Mobiltelefon beindet sich im Sebastian Onufszak (rechts) ging bei sei­
Deckel der Box – neben einem Schmink- ner Interpretation der Black Box sehr frei
spiegel. Über ein USB-Kabel kann es mit dem Thema um und schuf eine surreale
geladen und ein externer Lautsprecher Filmsequenz (ganz oben). Die Illustratio­
in Form eines kleinen Schlüsselanhän- nen (oben) stammen aus dem Storyboard
gers eingestöpselt werden. Die Ma-
PAGE 05.12 085

Der Phönix aus der Black Box


Eine schöne Verbindung von Druck und Elektronik ist dem Designer Sebastian Onufszak
mit seinem Beitrag zu Iggesunds »The Black Box Project« gelungen

n Papierhersteller verteilen gerne grund. Ein amerikanischer Hersteller können – sofern das erwünscht ist.
schön gebundene Proben ihrer Papie- wollte fast 200 Dollar pro Display be- Um das Videodisplay angemessen zu
re und Kartons in geschmackvollen rechnen. Am Ende wurde das Team in präsentieren, konstruierte Schindler
Schubern. Iggesund geht bei der Pro- China fündig. Mihao Electronic in Shenz- Parent zudem je einen Einsatz für den
motion ihres Kartons Invercote einen hen produzierte die Displays zu einem Boden und den Deckel der Black Box,
anderen Weg. Seit zwei Jahren lässt Bruchteil des amerikanischen Preises, sodass es beim Transport nicht ver-
der schwedische Papierkonzern eine rund 20 US-Dollar, zudem liegt das Un- rutscht, aber beim Öffnen der Box so-
schwarze Box aus Invercote von ver- ternehmen recht nah an Hongkong, wo fort ins Auge fällt.
schiedenen Künstlern bespielen. Das Iggesund eine Repräsentanz unter- Am Ende geiel dann auch der Agen-
Konzept entwickelte Iggesund zusam- hält. Das war deshalb wichtig, weil die tur Onufszaks Film, und sie dachte sich
men mit der Markenagentur Schindler Black Box nur mit Iggesund-Material für die Präsentation etwas ganz Be-
Parent. Die bislang realisierten Ideen hergestellt werden darf. Statt die Elek- sonderes aus: eine Black Box in Über-
gingen in sehr unterschiedliche Rich- tronikkomponenten des Displays mit größe mit den Maßen 1,50 mal 1,50 mal
tungen. So gestaltete der niederländi- Hartschaum in das Gehäuse einzupas- 1,50 Meter. In der Sperrholzkonstruk-
sche Designer Frans van Hertum unter sen, musste bei dieser Produktion für tion übernahm ein LCD-TV-Gerät die
anderem in iligraner Laserschnitttech- die Elektronik jeweils ein entsprechen- Funktion des Displays. Eine Silberfolie Sämtliche Bau­
nik produzierte Papierornamente. Ada der Hohlraum aus einem Stapel Igge- in der Oberhälfte der Holzbox relek- teile – vom
und Andrea Brunazzi aus Turin füllten sund-Papier ausgestanzt werden. tierte zudem das Bild. Den Besuchern Display über die
die Box mit einem Pastaset, inklusive Das 5-Zoll-Display ist in eine lache, der Events geiel diese Kombination Lautsprecher
Tomatensoßenkonzentrat sowie ei- kleine Schachtel aus Invercote einge- genauso wie den Empfängern der und Batterie bis
ner Nudelzange. bettet. Ein Lichtsensor neben dem Dis- Black Box. Es ist recht unwahrschein- zur USB­Schnitt­
Bei der fünften Black-Box-Edition play erkennt, wenn die Einheit hoch- lich, dass die edel anmutende Schach- stelle – wurden
dann iel die Wahl auf den deutsch- gehoben wird, und startet dann den tel unbeachtet in der Ecke landet. Und in einem aus­
polnischen Illustrator und Designer Se- Film. Weiterhin gibt es einen USB-Port so hat Iggesund ihr Kommunikations- gestanzten Block
bastian Onufszak, der schon Pepsi-Co- zum Auladen des Akkus und um die ziel dank der Verbindung von Druck aus Iggesund­
la, Loewe und manch anderer Marke Filme für das Display austauschen zu und Elektronik erreicht. dsc Papier platziert
zu einem starken Auftritt verholfen hat.
Seine Idee: Die Schachtel sollte ein Dis-
play enthalten, für das er ein Video
produzieren wollte, das die Geschich-
te von Iggesund aufgreift, genauer ge-
sagt einen Vorfall aus dem 18. Jahrhun-
dert, als russische Truppen das Städt-
chen Iggesund mit seiner Papiermühle
niederbrannten, die Industrie aber
trotzdem eine Wiedergeburt erlebte.
Daraus gewann Onufszak das Leitmo-
tiv »Wiedergeburt« für seinen Film,
der stark mit mystischen Elementen
spielt. Die ersten Storyboards verblüff-
ten die Agentur: Es war nicht genau
das, was sie sich erwartet hatte, aber
sie hielt sich an die selbst gesetzten
Regeln und ließ Onufszak seine Frei-
heit. In 3-D realisierte er eine Animati-
on über das Werden und Vergehen in
einer surreal anmutenden Welt.
Für die Agentur rückte derweil die
praktische Umsetzung in den Vorder-
086 PAGE 05.12 TECHNIK Electronics in Print

cher stellten sich vor, dass die Nut- Im Verpackungsbereich mag der-
zerinnen sich über QR-Codes mit dem zeit zwar keine so rasante Entwicklung
Mobile-Browser auf Videoseiten um- stattinden wie bei der E-Ink-Technolo-
leiten lassen, wo sie fünf Videos mit de- gie. Angesichts des vorhandenen Plat-
taillierten Informationen zum perfek- zes ist die weitere Miniaturisierung der
ten Make-up mit den Kosmetika aus Technik aber auch weniger entschei-
dem »Book of Shadows IV« inden. Den dend. Gefragt ist vielmehr Kreativität,
freien Platz in der Box füllte Americhip um mit den existierenden Mitteln Kon-
mit Schmetterlingen aus bedruckter zepte entwickeln können, die sich den
Acetatfolie, die auf dünnen Drähten Bedürfnissen der Konsumenten und
stecken, die beim Öffnen zum Vibrie- der Empfänger unterordnen und kein
ren gebracht werden. Selbstzweck sind. dsc

n Viele Verlage stehen unter zuneh-


mendem Wettbewerbsdruck, weil die
Printaulagen und Anzeigenvolumina
sinken. Markenartikler fordern Inno-
vationen, doch Agenturen sind man-
gels Know-how oft überfordert. Prin-
ted Electronics und Electronics in Print
etwa sind Anwendungen mit großem
Potenzial für die Branche. Über die
Möglichkeiten, die diese Technologien
derzeit bieten, haben wir mit Christian
Rommel gesprochen.

Herr Rommel, Sie unterscheiden klar


zwischen gedruckter Elektronik und
der Verschmelzung von Elektronik mit
Das US­Druckbranchenmagazin Druck. Weshalb?
»Canvas« experimentierte 2011 Christian Rommel: Die in den Medi-
mit einem E­Ink­Titel. Möglich wurde en verwendeten und verwechselten
das Projekt durch die Kollabora­ Bezeichnungen der Technologien sind
tion von 13 Partnern und Sponsoren: teilweise haarsträubend. Unsere An-
vom Uni­Seminar bis zur Spezial­ sätze basieren auf der Verbindung von
druckerei. Unten: »Book of Shadows IV« hochwertigen Printmedien mit mikro-
ist ein Schminkköfferchen aus ver­ elektronischen Produkten und Appli-
edeltem Karton mit Mobiltelefon­ kationen, die über eine eigenständige
anschluss, externem Lautsprecher Energiezufuhr verfügen und damit un-
und latternden Schmetterlingen abhängig von externen Lese- und Aus-
gabegeräten funktionieren. Genau das
leistet gedruckte Elektronik (noch)
nicht. Natürlich sind die Zukunftssze-
narien lexibler OLED-Monitore auf
Folienbasis oder gedruckte Batterien
sehr spannend. Aber derzeit sind das
reine Laborprodukte, die in Kombina-
tion mit Print nicht massentauglich rea-
lisierbar sind.
Können Sie uns aktuellen Anwendun­
gen für Electronics in Print nennen?
Beispiele sind integrierte Audiomodu-
le (Ton), ultralache LEDs, Glasfaserop-
tik oder auch Elektrolumineszenzfolien
(Licht) sowie rotierende oder ander-
weitig bewegliche Elemente (Bewe-
gung). Unser Produkt Vidipri verbindet
bereits alle drei Aspekte und appel-
liert an drei Sinne gleichzeitig. Einsatz-
gebiete sind Broschüren, Mailings, Ein-
ladungskarten oder auch Bücher und
Speisekarten.
Welche Möglichkeiten bietet die Techno­
logie Ihrer Ansicht nach für den Einsatz
in der Werbung?
PAGE 05.12 087

»Die Verbindung von Elektronik und Print ist


weder Gimmick noch kurzfristiger Trend«
Christian Rommel ist Geschäftsführer von Rox Asia Consultancy Ltd., einer deutschen
Kreativagentur mit Sitz in Hongkong, die seit 13 Jahren auf die Entwicklung und
Produktion innovativer Printmedien und Sonderverpackungen spezialisiert ist

Jede Technik und jedes Medium hat Derartige Produkte sind weder Gim- leichten Zeitschriftenbeilage, modii-
seine individuellen Vorteile. Wir wollen mick noch ein kurzfristiger Trend, wenn zieren müssen. Rox Asia ist hier einer
durch die Kombination etablierter Me- die Möglichkeiten richtig und sinnvoll der führenden Anbieter weltweit. Ak-
dien die bestmögliche Nutzung unter- genutzt werden. Wenn nur der einma- tuelle Themen sind regenerative Ener-
schiedlicher Werbeformen erreichen. lige, aufmerksamkeitsheischende Wer- gien, also Wind, Solar und Wasser, die
Elektronik bietet dem Konsumenten beeffekt, die Novität, im Vordergrund wir versuchen, im Kleinformat »be-
ein vielschichtiges emotionales Erleb- steht, werden derartige Anwendun- greifbar« zu machen und nicht nur
nis – überraschend, spannend und in- gen schnell verpuffen und den Konsu- zweidimensional abzubilden.
teraktiv. Genau das ist es ja, was den menten langweilen. Für wiederholte Mit welchen Verlagen arbeiten Sie
Erfolg der Smartphones erklärt, deren Einsätze am POS sind sie ohnehin zu zusammen?
Verbreitung und Akzeptanz unseren kostspielig. Der reine Nutzen von Elek- Bauer Media in Hamburg zum Beispiel.
Produkten den Weg ebnet. Jeder an- tronik muss im Vordergrund stehen – Der Verlag bietet uns die Möglichkeit,
spruchsvolle Konsument erwartet heu- auch als Mittel zum Zweck optimierter neue Wege der Produktentwicklung
te mehr technische Features, vor allem Kundenkommunikation. Und diesen und des Marketings zu gehen. Inno-
aber Mehr-Wert. Nutzen gilt es zu erkennen und kon- vationsmanagement bedeutet nicht
Welche Bedeutung hat die Verschmel­ zeptionell in cleverer Weise den Kun- nur gelebte Neugier und Kreativität,
zung für das Medium Print? denbedürfnissen anzupassen. Genau sondern auch die Bereitschaft, Risiken
Es ist eine Zusatzoption, die Vorteile da liegt unsere Stärke. einzugehen und mögliche Fehlschlä-
klassischer Druckprodukte mit den Geben Sie uns doch bitte ein paar ge zu akzeptieren. Doch bisher konn-
Möglichkeiten der digitalen Technik Beispiele dafür. ten wir alle neuen Projekte für Bauer
verbindet. Im Gegensatz zu elektroni- Wenn ein Hersteller von Mobiltelefo- Media erfolgreich umsetzen. Und wir
schen Medien sind Printprodukte nicht nen ein hochwertiges Direct Mailing arbeiten gemeinsam mit »TV Movie«
so schnelllebig. Man braucht Zeit, um an potenzielle Neukunden verschickt, schon wieder an tollen neuen Pro-
sich damit auseinanderzusetzen, aber könnten diese Broschüren beim Öff- dukten, die im Frühjahr lanciert wer-
dann ist die Intensität meist auch stär- nen anfangen zu vibrieren. Hier geht den sollen . . . Natürlich ist unser Bestre-
ker. Print wird deswegen immer eine es nicht nur um den Überraschungsef- ben, auch mit unseren neusten Lichtin-
wichtige Größe im Kommunikations- fekt, sondern es wir außerdem eine novationen an den großen Erfolg von
mix bleiben. In der Kombination mit klare Anwendung des beworbenen Vidipri im Jahr 2010 und dem im Heft
Elektronik wird ein traditionell gedruck- Produkts gezeigt. Eine weitere Son- integrierten Solarmodul im Sommer
tes Kundendesign jedoch noch einmal deranwendung könnte Wärmeerzeu- 2011 anzuschließen. Aber da sind wir
ganz klar aufgewertet. Es ist dieser gung sein. Stellen Sie sich vor, Sie be- sehr optimistisch.
harmonische Kontrast, die Wechselwir- kommen Post von einem Heizungsbau- Ist das Thema Elektronik im Druck
kung, die fasziniert. ern oder einem Energieunternehmen. nicht für jeden großen Markenartikler
Was denken Sie, welche Rolle wird Während Sie lesen, erwärmt sich das spannend?
die Elektronik in der Zukunft des Papier langsam. Solche multisensori- Prinzipiell können auch andere gro-
Drucks spielen? schen Features bewirken auch im Un- ße Verlage und Markenartikler unser
Unser Leben wird zunehmend von der terbewusstsein emotionale Wunder. Know-how und die Produktionsmög-
Elektronik bestimmt. Sie ist omniprä- Die Möglichkeiten der Technik sind lichkeiten nutzen. Denn jeder ist auf
sent, ob der Fahrassistent im Auto, enorm vielfältig. Man muss sie nur er- der Suche nach innovativen Möglich-
GPS in der Uhr oder Zeitschaltung von kennen und konzeptionell richtig ein- keiten, sich von den Wettbewerbern
Fensterrollläden: Täglich wächst die setzen. Das bedarf eines hohen Maßes abzuheben. Dafür bedarf es jedoch
Selbstverständlichkeit, mit der wir uns an Kreativität. mehr als nur eines adäquaten Marke-
in allen Lebenslagen der Elektronik be- An welchen aktuellen Projekten tingbudgets und eines dazu passen-
dienen. Doch sie muss sich den Bedürf- arbeiten Sie derzeit? den Konzepts. Man muss den Mut ha-
nissen des Verbrauchers oder des Emp- Wir arbeiten in vielen Bereichen, um ben, neue Wege zu gehen, und weder
fängers unterordnen und möglichst un- Licht, Ton und Bewegung in eine at- Experimentierfreude noch unterneh-
sichtbar werden. Elektronik zum Selbst- traktive Form zu bringen. Der Entwick- merische Risikobereitschaft sind Ei-
zweck ist ein No-Go. lungsaufwand ist ziemlich hoch, weil genschaften, die in Deutschland stark
Manche elektronischen Applikationen wir zwar elektronische Standardkom- ausgeprägt sind . . .
scheinen eher nette technische Gim­ ponenten verwenden, diese jedoch Das Interview führte Frank
micks zu sein. Sehen Sie hier ebenfalls für den mobilen Einsatz, zum Beispiel Lohmann von unserem Schwester-
einen ernsthaften Trend? in Form einer möglichst dünnen und magazin »Deutscher Drucker«
088 page 05.12 TECHNIK Making-of: MSN Visualizer

n Um die neuen Features von Inter-


net Explorer 9 zur Geltung zu bringen,
wollte Microsoft etwas Besonderes.
Zugleich sollte die Kampagne das Mar-
kenproil von MSN als Infotainment-
Portal schärfen. »Wir suchten nach et-
was visuell Interessantem und Neuen
und kamen auf einen Player, der über

Musik-Wort-Bilder Tags individuelle Musikvideos gene-


riert«, sagt Michael Hinderling, Krea-
tivdirektor und Mitgründer der verant-
wortlichen Agentur Hinderling Volkart
in Zürich. Das Konzept für den Visuali-
Die Agentur Hinderling Volkart entwickelte für Microsoft MSN UK eine zer entwickelte er mit Screendesigner
One Screen Application, die aus Flickr-Fotos Musikclips generiert Ruben Feurer und Severin Klaus, Leiter

MSN Visualizer kombi-


niert Flickr-Fotos zu
Musikclips. Die Auswahl
der Motive erfolgt per
Zufallsprinzip, aber
immer passend zu den
Song-Lyrics (siehe
http://msnvisualizer.ch)
page 05.12 089

Interaction Development. Ein fünfköp- fallsprinzip aus verschiedenen Titeln tes Gesamtbild. Das ist plakativ und
iges Team verfolgte das Projekt dann Clips erzeugt, indem er zu den jewei- rückt zudem das Hauptkonzept der
während eines halben Jahres und setz- ligen Lyrics passende Motive der Foto- dynamischen Bildersuche in den Vor-
te die One Screen Application mit Java- sharing-Plattform Flickr einblendet. Zu- dergrund«, so Michael Hinderling. »Wir
Script, CSS, HTML5 und PHP um. »Wir sätzlich kann der User eigene Song- wollten keine klassische Navigation ab-
haben langsam angefangen und viel texte schreiben, zu denen die Anwen- bilden, sondern haben bereits auf der
experimentiert. Solche Dinge entste- dung dann ebenfalls einen Bilderclip Startseite alles gemixt: die Bilder, die
hen nicht einfach, indem man ein Kon- zusammenstellt. Für den Player wähl- als Einstieg zu den Songs dienen, und
zept festnagelt und danach mit der te Hinderling Volkart 65 Titel aus dem die wenigen Menüpunkte, die durch ihr
Umsetzung beginnt. Da sind viele Ite- Repertoire des britischen Musiklabels Rot herausstechen.« MSN Visualizer war
rationen von der Frontend-Entwicklung Ninja Tune aus. im Januar online und wurde von Millio-
zum Konzept und Design und wieder Das Visualizer-Interface selbst soll- nen von Usern in 16 Ländern aufgeru-
zurück gefragt«, so Hinderling. te möglichst einfach sein. »Die Kombi- fen. Für Interessierte hat Hinderling
MSN Visualizer ist ein mosaikartig nation aus unterschiedlichsten Bildern Volkart ihn noch einmal unter http://
aufgebauter Musikplayer, der per Zu- in dem Gitternetz ergibt ein interessan- msnvisualizer.ch eingerichtet. vd

Hinderling Volkart über die entwicklung von MSN Visualizer

Alle Illustrationen: Severin Klaus


Zusammenspiel von Front-
und Backend planen
Unser Konzept sah Folgendes vor: Sobald der User aktiv
1 wird und einen Track anklickt, soll die Bildersuche auf
Flickr anlaufen. Dazu sendet das Frontend einen Aufruf an die
Backend-Applikation, die dann den Song mit den einzelnen
Wörtern und den dazugehörigen Bildern an das Frontend
schickt. Diesen Ablauf programmierten wir in JavaScript
und PHP; die Timecodes und Musikstücke legten wir in einer
Datenbank ab. Konkret heißt das: Entschließt sich der
Nutzer, einen Song abzuspielen, verschickt JavaScript die
entsprechenden Wörter an den Server. PHP startet die
Songsuche und ordnet die Begriffe dem passenden Timecode
zu. Dann läuft die Flickr-Suche für jedes Wort an. Sobald
der JavaScript-Befehl das erste Bild bei Flickr indet, werden
die weiteren Suchresultate vorgeladen. Sind alle Bilder
geladen, startet die HTML5-API den Song und spielt ihn ab.

Cashing ins Backend verlagern


Wegen der erwarteten hohen Nutzerzahlen lagerten wir

Von oben: Agenturmitgründer


2 die Flickr-Suche ins Backend aus. Das Cashing, also die
Zwischenspeicherung der Suchanfragen, konnten wir nur dort
Michael Hinderling, Severin Klaus, realisieren. Generell hängt die User Experience stark von
Leiter Interaction Development, der Reaktionsgeschwindigkeit der Anwendung ab. Manchmal
und Ruben Feurer, Screendesigner gerät in Vergessenheit, dass das Backend einen großen Anteil
bei Hinderling Volkart in Zürich daran hat und entsprechend performant umgesetzt sein muss.
090 page 05.12 TECHNIK Making-of: MSN Visualizer

Hinderling Volkart über die entwicklung von MSN Visualizer mit HTML5, CSS, JavaScript und pHp

Soundfiles mit den


Wörtern taggen
Für das Taggen der Wörter
4 mit den Lyrics bearbeiteten
wir jeden der 65 Tracks einzeln
und von Hand in der Mac-
Karaoke-Software iKaraoke Tune-
Konzept für hohe Prompter. Während der Song
Nutzerzahlen läuft, erscheinen synchron dazu
die Texte in einem Fenster. Die
entwickeln Lyrics hatten wir vorher von
Damit die Anwendung Ninja Tunes erhalten. Ein Musiker
3 reibungslos läuft, mussten
wir Berechnungen über die
taggte für uns die Wörter,
indem er bei jedem gesungenen
größte anzunehmende Nutzer- Wort die Leertaste betätigte
zahl anstellen. Ausgangspunkt und auf diese Weise die Wörter
waren 90 Millionen Song-Views mit dem Song verband. Das
in einem Monats. Die Zugriffe war relativ anspruchsvoll, da
verteilen sich natürlich nicht gleich- er jedes Stück in einem Durch-
mäßig über den Tag, sondern es gang taggen musste. Das Ergeb-
gibt Hochzeiten – zum Beispiel am nis sicherte er als XML-Datei,
frühen Abend gegen 18 Uhr. Ein die in unsere Datenbank
MP3-Track hat etwa 5 Megabyte, eingespeist und vom System
die Fotos dazu noch einmal um verarbeitet wurde.
die 5 bis 10 Megabyte – das multi-
pliziert mit Millionen von Usern . . .
Bei diesen ungeheuren zu erwar-
tenden Datenmengen wäre ein
problemloses Abspielen des
Players nicht gewährleistet gewe-
sen. Aus diesem Grund ließen
wir das Projekt über Microsofts
Cloud-Plattform Windows
Azure laufen. Damit lagerten wir
alle Daten in ein Distributed
Network aus, sodass die User je
nachdem, wo sie sich aufhalten,
die Daten von unterschiedlichen
Orten zugesandt bekommen.

Bildsuche für freie


Eingaben einrichten
MSN Visualizer erlaubt es dem User auch
5 eigene Songtexte einzugeben. Passend
dazu muss die Anwendung ein Musikstück
mit der entsprechenden Anzahl von Wörtern
inden. Denn so lassen sich die eingegebenen
Begriffe auf den Timecodes beziehungs-
weise auf den Tags platzieren. Gleichzeitig
wird bei Flickr ein passendes Bild für jedes
Wort gesucht. Wenn sich für eines kein Motiv
indet, startet eine vorgefertigte Suche,
zum Beispiel nach dem Tag »unknown«.
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Reihenfolge der verschiedenen


Interface-Ebenen festlegen
Für die technische Umsetzung der Oberläche lagerten
6 wir die verschiedenen Elemente auf mehrere Ebenen
aus. Dies lösten wir mit dem z-Index, einer Eigenschaft von
CSS. Das Gitternetz als visuelles Stilelement legten wir mit
dynamisch erzeugten Document-Object-Model (DOM)-Ele-
menten an. Ganz oben platzierten wir schwarze Kästen, die
als animierte Überlagerungen dienen und nur eingeblen-
det werden, wenn der User zwischen den Modulen navigiert.

Animationen für die Übergänge mit


JavaScript umsetzen
Die Interaktion basiert in erster Linie auf JavaScript
7 und Ajax – angefangen vom Laden der Daten über das
komplexe Layoutverhalten der Site bis zum Abspielen der
Songs. Wichtig war uns, ausschließlich HTML5-Technolo-
gien zu nutzen, die Internet Explorer 9 neu unterstützt.
Dazu gehören die Audio-API und CSS3 Transforms, nicht
aber CSS3 Transitions. Ihr Einsatz ist in Internet Explorer 9
nicht möglich. So erzeugten wir die Animationen für die
Übergänge mit JavaScript. Da der Microsoft-Browser die
verwendeten Technologien sehr performant unterstützt,
erzielten wir lüssige Animationen auf User-Interaktionen.
092 page 05.12 TECHNIK Making-of: MSN Visualizer

Hinderling Volkart über die entwicklung von MSN Visualizer mit HTML5, CSS, JavaScript und pHp

Layout der Site entwickeln


Beim Interface des Players sollten die
8 Songtitel im Vordergrund stehen.
Zunächst probierten wir Verschiedenes aus:
einmal graische Formen, kombiniert mit
den Titeln, einmal eine Tag-Cloud, bei der die
meistgespielten Songs typograisch hervor-
gehoben sind. Dabei stellte sich heraus, dass
Bilder die Grundidee am besten transpor-
tieren. Unsere Lösung sah schließlich vor,
schon auf der Startseite auf Basis der Song-
titel dynamische Bilder zu generieren, quasi
als Cover für die einzelnen Musikstücke.
Dadurch erhält der Anwender bei jedem
Besuch ein anderes visuelles Erlebnis.

Layout auf One Screen


Application abstimmen
Da unser Layout zu komplex für die
9 Umsetzung in CSS war, griffen wir auf Java-
Script zurück. Die nummerierten Kästchen
des Interface lädt die Anwendung dynamisch.
Diese stehen für die verschiedenen Songs
oder, wenn der User eigene Texte eingibt, für
die einzelnen Wörter. Die roten Felder sind
die Menüpunkte. Die Seite sollte sich der
jeweiligen Screengröße anpassen, wenn der
User das Browserfenster aufzieht. Bei jedem
Resize errechnet JavaScript dafür die Position
der Grid-Elemente. Da dies während der
Live-Vergrößerung zu unruhig wäre, schoben
wir eine gewisse Verzögerung ein, nach
der erst die Neuberechnung stattindet.
094 PAGE 05.12 TECHNIK

TOOLS & TECHNIK


Adobe Shadow Beta
n Webdesigner, die Anwendungen für
mobile Geräte entwickeln, sind die Ziel­
gruppe von Shadow, das in den Adobe
Labs gratis bereit steht. Das Tool er­
laubt es, Webseiten für Android­ oder
iOS­Devices mit dem Desktop­Brow­
ser zu synchronisieren. Zudem lassen
sich in der Entwicklungsumgebung vor­
genommene Änderungen auf Smart­
phone oder Tablet testen. Shadow ist
eine Server­App, die auf dem Desk­
top­Computer im Hintergrund läuft und
zugleich die Inhalte an spezielle Apps
überträgt, die auf dem iOS­ oder An­
droid­Gerät arbeiten. Als Browser wird
nur Google Chrome unterstützt. dsc
≥ http://labs.adobe.com/
technologies/shadow/

Das neue iPad The Grix für iPad & iPhone


Das Retina-Dis- n Das im März vorgestellte Tablet hat Die eingebaute Kamera – iSight ge­ n Zusammen mit den Programmierern von
play des neuen Apple nicht mehr nummeriert, sondern nannt – erfasst 5 Megapixel und ist Felt Tip bringt eBoy ein App-Spielzeug heraus.
iPad setzt bezeichnet es als »das neue iPad«. Des­ in der Lage, Video in Full­HD­Qualität The Grix ist ein gigantischer Pixeleditor, mit
dasGerät von sen Highlight ist das Retina­Display, das aufzuzeichnen. dem man kleine Kunstwerke gestalten kann.
der Android- nach dem kleinen iPhone 4 nun auch Das iPad unterstützt nun auch den Auf einer 8-mal-8-Matrix lassen sich Muster
Konkurrenz ab auf dem iPad angelangt ist. Der Bild­ LTE­Standard zur ultraschnellen Da­ erstellen, die auf einer zweiten Ebene selbst
schirm verfügt über eine Aulösung von tenübertragung, allerdings nicht auf zu Bausteinen werden. Diese kann man hin
2048 mal 1536 Pixeln, was einer 2k­Auf­ den in Deutschland üblichen Frequen­ und her schieben, drehen und immer wieder
lösung bei digitalem Film entspricht, zen. Die Preise beginnen bei ungefähr neu anordnen. Man kann aber auch gleich auf
eine um 44 Prozent höhere Farbsät­ 480 Euro. Mit dem neuen iPad kann die 128 vorgefertigten Bausteine zurückgrei-
tigung und insgesamt 3,1 Millionen Pi­ sich Apple technologisch wieder von fen. So entstehen Bilder im 64-mal-64-Pixel
xel – auf den gleichen 9,7 Zoll wie bis­ ihren Android­Mitbewerbern abset­ Format. Die fertigen Artworks kann man dann
lang. Im Innern des Apple­Tablets sorgt zen. Keiner von diesen bietet auch nur auf Twitter, Tumblr, Facebook oder Flickr
ein A5X­Chip mit Quad­Core­Graik für ein annähernd so hochaulösendes Dis­ veröffentlichen. Seltsam nur, dass sie allesamt
die lüssige Darstellung auf dem jetzt play oder das schnelle LTE. dsc doch irgendwie nach eBoy aussehen. The
erheblich höheraulösendem Display. ≥ www.apple.com/de/ipad Grix gibt’s für 3,99 Euro im App Store. ant
≥ http://thegrix.com/

Visualisierungskonferenz
n Als 2006 die erste see stattfand, war sie als einmaliges
Event gedacht. Der große Erfolg zeigte aber, dass so etwas
tatsächlich noch gefehlt hatte – eine Konferenz, die neue
Formen der Visualisierung von Information erkundet und dazu Experten aus Technik,
Kunst, Design und Wissenschaft zusammenführt. Bei der see#7 wird wie schon 2011
das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum der Vorträge und vorgestellten Projekte stehen.
Das hat sicher mit dem Umweltengagement von Scholz & Volkmer zu tun, aber auch
damit, dass es bei einem so komplexen Thema »die Herausforderung groß ist, Daten
und Botschaften zu übermitteln und erfahrbar zu machen«, so Agenturchef Michael
Volkmer. Entsprechend hochkarätig sind die Sprecher: darunter Manuel Lima, UX-De-
signer und Gründer von Visualcomplexity.org, oder Designerin Stephanie Posavec,
deren Leidenschaft der analogen Umsetzung von Daten gilt. Die Konferenz indet am
28. April in der Wiesbadener Lutherkirche statt. au ≥ http://see-conference.com
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Hardware
Pentax K-01 by Marc Newson
+++ Apple TV. In der neuen Version unterstützt App­
n Der australische Designer Marc New­ gehört zur Generation der neuen spie­ les TV­Box erstmals Filme in Full HD. Über Airplay
son, bekannt für seine amorphen Ses­ gellosen Kamerasysteme, an denen sich kann sie iOS­Bildschirminhalte wiedergeben und den
sel, hat sich erstmals an den Entwurf Spiegelrelexobjektive nutzen lassen. Fernseher zum zweiten Display machen; auch sämt­
einer Kamera gewagt: Seine knallgelbe Wem das Gelb zu knallig ist, der kann liche iCloud­Inhalte wie Filme, Fotos und Musik ste­
Pentax K­01 bietet schön geschwunge­ die rund 780 Euro teure Pentax K­01 hen nun zur Verfügung. Neu ist darüber hinaus, dass
ne Knöpfe und ein geräumiges 3­Zoll­ auch in Silber und Schwarz erhalten. vd es ausgewählte Apps von Drittanbietern gibt. Apple
Display. Aber auch die technische Aus­ ≥ www.pentax.de/de/ TV kostet ungefähr 110 Euro. ≥ www.apple.com/de/
stattung des Modells kann sich sehen systemkameras/k-01.html appletv +++ Mobiler Highspeed-Speicher. Zur CeBIT
lassen: Der neu entwickelte CMOS­ hat Elgato ein externes SSD­Laufwerk herausgege­
Sensor erreicht eine Aulösung von ben, das allein über die Thunderbolt­Schnittstelle
16 Megapixeln und eine Empindlich­ mit Strom versorgt wird. Um Energieverbrauch und
keit bis ISO 25 600. Hitzeentwicklung im Rahmen zu halten, verbaut der
Das Standardobjektiv besitzt eine Hersteller nur eine SATA­2­SSD. Die Preise für das El­
Brennweite von 61 Millimetern im 35­ gato Thunderbolt SSD liegen bei rund 400 Euro für
Millimeter­Format. Eine Besonderheit 120 Gigabyte und 650 Euro für 240 Gigabyte. ≥ www.
ist, dass es sich dabei um ein gerade Die K-01 ist das Ergebnis einer elgato.com +++ Design-Kopfhörer. SuperDarts
mal 9,2 Millimeter tiefes Wechselobjek­ Kollaboration des Designers Marc heißen speziell auf iPhone und iPad abgestimmte In­
tiv handelt – eine Weltneuheit. Die K­01 Newson mit Pentax Ear­Kopfhörer mit Fernbedienung und Mikrofon von
Atomic Floyds. Jeweils zwei Lautsprecher stecken in
den aus einem Stück Titan gearbeiteten Köpfen, rotes
Kevlar schützt die Kabel, und die Stecker sind vergol­
det. Das Designstück kostet knapp 250 Euro. ≥ www.
atomicfloyd.com/superdarts +++ MediaTablet Ulti-
mate II. Aiptek hat ein Graiktablett für professio­
nelle Anwender vorgestellt. Mit 9,5 Zoll ist es recht
klein. Sein batterieloser und neigungsempindlicher
Stift arbeitet mit einer Aulösung von 5080 lpi und
2048 Druckstufen. Auf dem recht breiten Gehäuse­
rand beinden sich zwei Scrollräder, denen sich
Funktionen wie Zoomen, Scrollen und Navigieren
zuweisen lassen. Hinzu kommen vier, ebenfalls frei
programmierbare Hotkeys. Das MediaTablet Ulti­
mate II soll ab Mai zum Preis von etwa 150 Euro bereit
stehen. ≥ http://aiptek.eu/index.php/de +++ WLAN-
fähiger A3+-Fotodrucker von Epson. Der Stylus
Photo 1500W bedruckt neben Papier auch Folien
und DVDs. Von Digitalkameras, die PictBridge unter­
stützen, sind direkte Ausdrucke möglich. Ebenso von
iPhone und iPad – in diesem Fall dank iPrintApp. Der
rund 410 Euro teure Sechsfarbdrucker verwendet
Pantone in der Cloud Epsons Claria­Tintenset, das eine Lebensdauer der
Farben von bis zu 200 Jahren verspricht. ≥ www.ep-
n Im Vorfeld der echten Substraten – inklusive brauner son.de +++ Android-Walkman von Sony. 1979 brach­
drupa haben Pan­ Wellpappe, durchsichtiger Folie oder te Sony mit dem ersten Walkman seine wichtigste
tone und X­Rite weißen Polypropylens – unter Ver­ Marke auf den Markt. Jüngstes Produkt der Serie ist
eine Farbmanage wendung echter Druckverfahren die der Walkman Z, der Android 2.3.4 nutzt und einen
mentlösung vor­ Markenfarbstandards abgeleitet. Alle 4,3­Zoll­TFT­Touchscreen mit 480 mal 800 Pixeln be­
gestellt, die sich Farbwerte sind in einer Datenbank in sitzt. Der Player bietet ein Wi­Fi­ und ein Bluetooth­
der Möglichkeiten der Cloud hinterlegt. Der Zugang dazu Modul sowie eine HDMI­Schnittstelle, allerdings we­
der Cloud bedient. PantoneLive soll vor kostet ungefähr 80 Euro für einzelne der Telefon noch Kamera. Seine Stärke ist die Musik.
allem weltweit agierende Unterneh­ Designer, etwa 890 Euro für die Druck­ Dazu sind ein S­Master­MX­Digitalverstärker einge­
men darin unterstützen, im Druck im­ vorstufe und ab 1540 Euro für die Pro­ baut sowie verschiedene Clear­Audio­Technologien.
mer exakt die im Corporate Design de­ duktion. PantoneLive soll voraussicht­ Den Walkman Z gibt es mit einer Speicherkapazität
inierten Farben zu treffen. Dazu hat lich am 15. Juni starten. dsc von 16 Gigabyte (etwa 270 Euro) und mit 32 Gigabyte
Pantone aus echten Druckfarben auf ≥ www.pantone.com/live (circa 310 Euro). ≥ www.sony.de dsc
096 PAGE 05.12 TECHNIK Tools & Technik

Photoshop Touch für iPad 2


n Fast zeitgleich zur Präsentation des als 1600 auf 1600 Pixel haben und
neuen iPad erschien Photoshop Touch nicht größer als 2,5 Megabyte sein dür­
für iPad 2. Wie die Android­Version ent­ fen. Darüber hinaus werden File­Sha­
hält sie die Kernfeatures von Adobes ring­Services wie beispielsweise Drop­
Bildbearbeitungssoftware wie Ebenen, box nicht unterstützt.
Software Filter und Auswahlwerkzeuge sowie Umgekehrt funktioniert der Trans­
das neue Scribble­Select­Tool.Dieses fer besser: Eine in Photoshop Touch
+++ Adobe Photoshop Lightroom 4. Die Fotogra­ Basisset dürfte den meisten Tablet­ erstelltes Artwork lässt sich im JPEG­
fensoftware unterstützt nun Geotagging und ver­ Usern reichen, wenn sie unterwegs oder PNG­Format speichern und per
fügt über eine Softprooing­Funktion, mit der sich schnell einen Schnappschuss von der E­Mail versenden oder auf Facebook
Probleme beim Druck von Fotos identiizieren las­ iPad­Kamera bearbeiten und ihrem teilen. Wer es samt Ebenen editieren
sen. Fotografen können sich über neue Funktionen Netzwerk teilen wollen. Schließlich will, muss es in die Creative Cloud la­
zum Bearbeiten von Lichtern und Tiefen im Foto besticht die App durch ihre gute Um­ den, um es am Rechner in Photoshop
freuen. Daneben hat Adobe die Möglichkeiten zur setzung auf dem Touchscreen: Die CS5 mit einem speziellen Plug­in zu
Videobearbeitung erheblich erweitert. Statt rund Nutzerführung über leicht verständ­ öffnen. Andere Programme, wie etwa
300 Euro kostet Lightroom 4 nur noch circa 130 Euro. liche Menüsymbole ist sehr intuitiv ge­ Photoshop Elements 9, unterstützen
≥ www.adobe.com/de/ +++ VivaDesigner 7.1. löst. Dass Photoshop Touch bislang le­ die Photoshop­Touch­Dateien nicht.
Softwarehersteller Viva aus Koblenz hat seine Publi­ diglich auf Englisch erhältlich ist, stört Natürlich will kein Kreativproi Fo­
shingsoftware für Webbrowser portiert. Damit er­ deshalb nicht weiter. Verbesserungs­ tos auf seinem mobilen Endgerät mit
laubt es VivaDesigner 7.1 nun, auch ohne extra Plug­ würdig ist jedoch das Pinsel­Tool, bei den Fingern editieren. Das ist klar.
in oder Flash im Browser anspruchsvollere Layout­ dem User nur den Durchmesser nach Aber um schnell eine Idee festzuhal­
operationen wie Spationieren auszuführen. Kunden Pixeln verändern kann. ten oder ein Scribble zu erstellen, ist
oder externe Mitarbeiter können so problemlos an Bei den Importmöglichkeiten rich­ die App genial. Darüber hinaus adres­
den Layoutdateien arbeiten. Vorgegebene Rollen ver­ tet sich die Software mehrheitlich an siert Adobe mit ihr all diejenigen, die
einfachen das Sperren und Freigeben bestimmter User, die mit der iPad­Kamera erstellte ihre Bilder nicht nur archivieren und
Bereiche. VivaDesigner soll zur drupa im Mai erschei­ Fotos bearbeiten wollen. Aber auch organisieren wollen, etwa mit iPhoto
nen und lässt sich auf eigenen Servern hosten. Auf Bilder aus Photoshop CS5 lassen sich (das es übrigens auch für iPad und
Wunsch übernimmt Viva das Hosting. ≥ www.vivade über Adobes anmeldeplichtigen und iPhone ab iOS 5.1 gibt). Für sie ist die
signer.de +++ PitStop Pro 11 und PitStop Server 11. (noch) kostenfreien Service Creative App eine preisgünstige Erweiterung,
Enfocus präsentiert zur drupa eine neue Version sei­ Cloud aufs iPad laden – allerdings ist die wunderbar für das Experimentie­
ner Prelight­Tools. Die Prüf­ und Korrekturoptionen der Serverspeicher bloß bis maximal ren am Touchscreen angepasst wur­
arbeiten jetzt mit dynamischen Prelight­Proilen: 2 Gigabyte gratis. Allerdings werden de. Adobe Photoshop Touch für iPad 2
Der Anwender legt Werte über Variablen fest oder dabei alle Ebenen auf eine reduziert. ab iOS 5.0 und Android ab 3.1 ist auf
lässt die Variablen automatisch mit aus einem Auf­ Die zweite wesentliche Einschränkung Englisch im App Store und auf Google
trag übernommenen Werten ausfüllen. Das soll Ar­ ist, dass die Bilder, die man überneh­ Play für 7,99 Euro erhältlich. vd
beit sparen und Fehler vermeiden. Bis 2. Mai ist Pit­ men möchte, keine höhere Aulösung ≥ www.adobe.com/de/
Stop 10 einschließlich eines kostenlosen Upgrades
auf Version 11 für rund 640 Euro erhältlich. Danach
kostet PitStop 11 circa 840 Euro. PitStop Server steht
für rund 2300 Euro beziehungsweise circa 3000 Euro
(Vollversion) bereit. ≥ www.enfocus.com +++ De-Mail-
Zertizierung. Drei Anbieter haben zur CeBIT die De­
Mail­Zertiizierung des Bundesamts für Sicherheit in
der Informationstechnik (BSI) erhalten: Deutsche Eine kleine Aus-
Telekom, United Internet und Mentana­Claimsoft. wahl an Filter-
Allerdings kommen zunächst nur Telekom­Geschäfts­ effekten wie Ver-
kunden in den Genuss der verschlüsselten und doku­ wischung oder
mentierten E­Mails. Alle anderen Angebote starten Farbkorrekturen
erst im September. Die Deutsche Post, die mit ihrem vervollkomm-
E­Postbrief ein ähnliches, allerdings nicht BSI­zertii­ nen das Motiv.
ziertes Produkt betreibt, überlegt, dieses ebenfalls Darunter:
als De­Mail zertiizieren zu lassen. ≥ www.bsi.bund. Ganz neu ist
de/ +++ Apple schaltet iWork.com ab. Am 31. Juli ist die Funktion
Schluss für die Online­Plattform, die zwar ofiziell im­ »Scribble Select«.
mer eine Public Beta blieb, aber interessante Fea­ Sie erlaubt es,
tures für die Anwender von Keynote, Numbers und Objekte mit den
Pages bot. Sie werden von Apple nun auf iCloud ver­ Fingern freizu-
wiesen. Im Unterschied zu iWork.com fehlt jener al­ stellen. Mithilfe
lerdings die Möglichkeit von Online­Präsentationen einer zweiten,
beziehungsweise zum Bereitstellen und Kommen­ gezeichneten
Foto: Business Wire

tieren von Dokumenten. Schon zum 1. Juli wird Apple Linie zur Abgren-
auch den alten Cloud­Dienst MobileMe einstellen. zung klappt
≥ www.apple.com/de/ dsc das bei Details
ziemlich gut
108 page 05.12

KALENDER
Messen • Kongresse • Seminare Messen • Kongresse • Seminare
München GGL-Forum 2012 Düsseldorf drupa
12. bis 13. April Fachtagung zur Designlehre für morgen 3. bis 16. Mai »one world – one drupa« lautet das Motto der
Halle 27, Kochan & Partner internationalen Print-Media-Messe
≥ www.tgm-online.de
5. bis 6. Mai Creative Weekend im drupacube
München Zehn Vorträge: »Respekt und Übermut« Mit Vorträgen zur Zukunft des Editorial Designs und
17. April Florian Haller von Serviceplan spricht über des Digital Imaging sowie Eröffnung der 58. TDC-
19:30 Uhr »Eine Währung mit Hochkonjunktur. Über die Show 2012 (siehe Seite 54 ff.) Messe Düsseldorf
Gestaltung von Vertrauen« Gasteig, Black Box ≥ www.drupa.de
≥ www.tgm-online.de
Mainz Typograie und Macht
Mailand Salone Internazionale del Mobile 4. bis 5. Mai Die fünfte Jahrestagung der Gesellschaft für Design-
17. bis 22. April Trendsetzende Interior-Design-Messe geschichte fragt nach den politischen Dimensionen
Fiera Milano, Rho von Typograie Fachhochschule Mainz
≥ www.cosmit.it ≥ www.gfdg.org

Arnhem, Facing Pages Wien European Newspaper Congress 2012


Niederlande Festival der unabhängigen Magazinmacher mit 6. bis 8. Mai »Visual Storytelling« wird ein großes Thema der
20. bis 22. April Vorträgen und Ausstellungen Trans 6 Konferenz sein Messe Wien
≥ www.facingpages.org ≥ http://enc.newsroom.de

Hamburg PAGE Seminar »Leitmedium Design« Stuttgart FMX 2012


23. April Workshop mit Jochen Rädeker (siehe Seite 53) 8. bis 12. Mai Konferenz rund um Animation, Effekte, Games
Gastwerk Hotel Hamburg und Interactive Media Haus der Wirtschaft
≥ www.page-online.de/seminar ≥ www.fmx.de

Toronto FITC Toronto 2012 Berlin NEXT Berlin 2012


23. bis 25. April Webdesign- und Technologiefestival Hilton Toronto 8. bis 9. Mai Konferenz für die digitale Industrie
≥ www.itc.ca Station-Berlin
≥ http://nextberlin.eu/next-100
Köln beyond tellerrand // play
24. bis 27. April Konferenz und Workshops zu Webdesign und Frankfurt/Main ADC Festival 2012
-development Mediapark Köln 9. bis 13. Mai Übergreifendes Motto ist »Ideen sind das Geld von
≥ http://play12.beyondtellerrand.com morgen. Kreative als Vorboten einer neuen Ökonomie«
Messe Frankfurt
Amsterdam The Next Web ≥ www.adc.de
25. bis 27. April Konferenz zu technologischen Neuheuten, Business
und zur Kultur des Internets Westergasfabriek Berlin re:campaign 2012
≥ http://thenextweb.com 11. bis 12. Mai Konferenz für die »besten Kampagnen im Netz«
Kalkscheune
Hamburg PAGE Seminar »Designmanagement« ≥ http://recampaign.de
27. April Workshop mit Christine Hesse
Gastwerk Hotel Hamburg Berlin TYPO Berlin 2012
≥ www.page-online.de/seminar 17. bis 19. Mai Die Designkonferenz steht unter dem Motto
»sustain« Haus der Kulturen der Welt
Hamburg fbcamp ≥ http://typotalks.com/berlin/de
27. bis 28. April Barcamp zu Facebook Attraktor
≥ www.fbcamp.de Barcelona OFFF Barcelona 2012
17. bis 19. Mai Festival für Design, Technik, Kunst und Kultur
München Deutsche Publishing-Konferenz 2012 Disseny Hub Barcelona
27. bis 28. April Praxisnahe Konferenz zu den wichtigsten technischen ≥ www.offf.ws/2012
Entwicklungen im Publishing Hotel Vitalis
≥ http://publishing-konferenz.de Hamburg PAGE Seminar Generatives Design
29. Juni Hands-on-Training zu Processing (siehe Seite 93)
Wiesbaden see # 7 Gastwerk Hotel Hamburg
28. April Konferenz zur Informationsvisualisierung ≥ www.page-online.de/seminar
(siehe Seite 94) Lutherkirche Wiesbaden
≥ http://see-conference.com Hamburg NEU! Visual Thinking Lessons
27. August Workshop von PAGE & Good School (siehe Seite 79)
Hamburg Boom! Transmediales Story-Training Good School
27. bis 28. April Workshop von PAGE & Good School (siehe Seite 63) ≥ www.page-online.de/seminar
Good School
≥ www.page-online.de/seminar Festivals • ausstellungen
Berlin :republica 12 Berlin Pictoplasma Festival Berlin 2012
2. bis 4. Mai Konferenz rund um Blogs, Social Media und Fragen 11. bis 15. April Das Character-Design-Event umfasst Screenings,
der digitalen Gesellschaft. Das Thema lautet diesmal ein Symposium und vieles mehr (siehe PAGE 03.12,
»Action« Station Berlin Seite 8) Verschiedene Orte in Berlin
≥ http://re-publica.de/12 ≥ http://berlin.pictoplasma.com
page 05.12 109

≥ Weitere Termine unter www.page-online.de/events. Dort können Sie uns auch Ihre Veranstaltungstermine mitteilen

Festivals • ausstellungen Wettbewerbe


Berlin Art and Design for All. The Victoria and Die Kreativ-Awards 2012
Frankfurt am Main © 2012 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Artists Rights Society (ARS), New York; Gerhard Richter: Neger (Nuba) / Negroes (Nuba), 1964, 145 x 200 cm, Öl auf Leinwand Courtesy Gagosian Gallery © Gerhard Richter
Tate Gallery, London, 2011; E+U Hiestand, ABM-Plastiktragtasche, 1960er Jahre, Museum für Gestaltung Zürich, Designsammlung, Foto: Umberto Romito, © ZHdK; Andy Warhol, Joe Dallesandro, 1971, Foto: Leo Weisse, MMK Museum für Moderne Kunst
Von unten: Pipilotti Rist: Lungenlügel, 2009 Audio-Video-Installation (Videostill) Courtesy Pipilotti Rist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine, New York; David Hockney: A Bigger Splash, 1967, Acryl auf Leinwand, 96 x 96“ © David Hockney, Collection:

Bis 15. April Albert Museum Die wichtigsten Design- und Kreativcontests mit Ein-
Die Schau zeichnet die Entstehungsgeschichte dieses sendeterminen und Anforderungen inden Sie unter
bedeutendsten Designmuseums und seinen Einluss ≥ www.page-online.de/wettbewerbe2012
auf vergleichbare Kunst- und Designsammlungen
nach (siehe PAGE 01.12, Seite 8) Ab April London International Awards 2012
Bundeskunsthalle Wettbewerb für herausragende Werbung – die
≥ http://bundeskunsthalle.de Kategorien reichen von »Design« und »Digital«
über »Integrated Campaign« bis hin zu »The NEW«
Köln Art Cologne ≥ www.liaawards.com
18. bis 22. April Rund 200 Galerien zeigen moderne Kunst Koelnmesse
≥ www.artcologne.de Bis 13. April 24. BFF-Förderpreis & Reinhart-Wolf-Preis 2012
Ausgezeichnet werden die besten Hochschul-
Berlin 7. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst abschlussarbeiten im Bereich Fotograie
2011; Barbara, aus der Serie Week-End, 2009 © Alex Prager, Courtesy of the Artist and Yancey Richardson Gallery; Aba (Männergewand), Kaschan, Iran, 1874, Seide © Victoria and Albert Museum, London

Ab 27. April Anspruch der Programmmacher ist es, »Ungese- ≥ www.bff.de


henes und Unbekanntes« zu präsentieren
≥ www.berlinbiennale.de Bis 13. April outstanding artist award »Experimentelles
Design« & Joseph Binder Award junior
Düsseldorf State of the Art Photography Österreichischer Preis für noch nicht realisierte
Bis 6. Mai Die Digitalisierung und die damit verbundene Ent- Gestaltungskonzepte, die künstlerisch, gesellschaft-
stehung eines gobalen Datenraums haben die Foto- lich und wirtschaftlich interessant sein könnten,
graie enscheidend verändert. Die Schau präsentiert sowie für eine besonders innovative Diplomarbeit
41 Fotokünstler, deren Arbeiten in dieser Hinsicht ≥ www.designaustria.at
trendsetzend sind (siehe PAGE 03.12, Seite 82)
NRW-Forum Düsseldorf Bis 17. April ADC Young Guns
≥ www.nrw-forum.de (Early Bird)/ Der New Yorker Art Directors Club sucht die
8. Mai besten Nachwuchskreativen der Welt
Berlin Gerhard Richter: Panorama ≥ www.adcyoungguns.org
Bis 13. Mai Die gemeinsam mit der Tate Gallery und dem Centre
Pompidou konzipierte große Geburtstagsausstel- Bis 20. April Berliner Type 2012
lung macht nun in Berlin Station. Zu sehen gibt es Bei dem internationalen Contest lassen sich
auch weniger bekannte Arbeiten des Künstlers, der Druckschriften einreichen, die für die B-to-B- oder
am 9. Februar 80 Jahre alt geworden ist B-to-C-Kommunikation entstanden sind
Neue Nationalgalerie ≥ www.berliner-type.eu
≥ www.neue-nationalgalerie.de/
Bis 20. April Corporate Design Preis 2012
Frankfurt Warhol: Headlines Der Wettbewerb prämiert Erscheinungsbilder (neu
Bis 13. Mai Das Zugleich von Faszination und analytischer Durch- oder überarbeitet) aus Deutschland, Österreich und
dringung der Mechanismen medialer Inszenierung der Schweiz, die sich durch herausragendes Design
macht die Besonderheit von Andy Warhols Werk aus. und eine zukunftsträchtiges Konzeption auszeichnen
Zu sehen sind Arbeiten aus vier Jahrzehnten ≥ www.corporate-design-award.eu/
Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main
≥ www.mmk-frankfurt.de Bis 30. April Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2012
Nach einem Jahr Pause indet der Designpreis
Zürich 100 Jahre Schweizer Graik wieder statt (siehe PAGE 04.12, Seite 15)
Bis 3. Juni Selten hat man Gelegenheit, so viel exzellentes Kom- ≥ www.dmy-berlin.de
munikationsdesign an einem Ort zu sehen. Dabei
vertritt die Ausstellung die These, dass es nicht ein Bis 30. April Bundespreis ecodesign 2012
bestimmter Stil ist, sondern die Haltung, die Schweizer Gesucht sind Produkte, Dienstleistungen und Sys-
Graik kennzeichnet (siehe PAGE 03.12, Seite 8) teme sowie Prototypen und Konzeptstudien,
Museum für Gestaltung die den nachhaltigen Konsum fördern. Außerdem
≥ www.museum-gestaltung.ch gibt es eine separate Nachwuchskategorie
≥ www.bundespreis-ecodesign.de
Berlin Paciic Standard Time.
Bis 10. Juni Kunst in Los Angeles 1950–1980 Bis 18. Mai Joseph Binder Award 2012
In der öffentlichen Wahrnehmung stand die West- In diesem Jahr indet der österreichische Design-
Coast-Kunstszene lange im Schatten New Yorks. In wettbewerb wieder mit dem Schwerpunkt Graik-
Berlin sind jetzt zentrale Teile einer Megaschau aus design und Illustration statt. Gestalter und Studenten
L. A. zu sehen – neben Arbeiten von Künstlern wie aus aller Welt können ihre zwischen Anfang 2010
Ed Ruscha oder Bruce Nauman auch die Architektur- und Mai 2012 realisierten Arbeiten einreichen
fotos von Julius Shulman Martin Gropius Bau ≥ www.designaustria.at
≥ www.gropiusbau.de
Bis 31. Mai Marianne.von.Willemer.2012 –
Mannheim Pipilotti Rist: Augapfelmassage Preis für digitale Medien
Bis 24. Juni In ihren farbintensiven Videoarbeiten erzählt die Bewerben können sich Künstlerinnen, die für ihre
Schweizer Künstlerin »von der unzivilisierten Arbeiten digitale Medien nutzen oder explizit auf
Schönheit, der Hingabe an das Leben« (Pipilotti Rist) diese Bezug nehmen – ob Computeranimation,
Kunsthalle Mannheim generative Graik, digitale Musik oder Web-Projekte
≥ www.kunsthalle-mannheim.eu ≥ www.linz.at/frauen/57564.asp
110 PAGE 05.12 Publikationen

PUBLIKATIONEN

Das Kinderbuch
»Andromedar
SR-1« gestaltete
Heinz Edelmann
auf Wunsch
der mit ihm be-
freundeten
Autoren im
psychedelischen
Stil – sein
Geschmack war Marijke Koger und The Fool entwarfen
das eigent- Wandbemalung und Fashion
lich nicht . . . für die Apple Boutique der Beatles

ten Artists ansiedelt, als da wären Ma-


rijke Koger, Keiichi Tanaami, Tadanori
Yokoo, Dudley Edwards, Martin Sharp
oder der 1932 in Hamburg geborene
und in Jerusalem aufgewachsene Mati
Klarwein, der Plattencover-Klassiker für
Santana, Jimi Hendrix, Buddy Miles
oder Earth, Wind & Fire, aber auch viel
heute unerträglich Schwülstiges ent-
warf. Der Band ist nichtsdestotrotz ein
Riesenspaß, sowohl in visueller Hin-
sicht als auch als Einblick in eine Zeit,
in der Jugendrevolution, Drogen und
n »Electrical Banana«. Es ist ein zwie- ohne Drehbuch zu bringen, hatte mit sexuelle Befreiung eine überborden-
spältiges Gefühl, das dieses Buch hin- den Beatles nichts zu tun, denn sie de Kreativität hervorbrachten – und
terlässt. Norman Hathaway und Dan waren an dem Projekt gar nicht betei- ebenso bunte, wilde Lebensgeschich-
Nadel (bekannt durch den Indepen- ligt, und hat sich lange Zeit für den ten, von denen die Protagonisten hier
dent-Verlag PictureBox aus Brooklyn) Film geschämt . . . selbst erzählen.
stellen darin sieben führende Künstler Tatsächlich liegt die Grenze zwi- > Norman Hathaway, Dan Nadel:
der Sixties-Psychedelik vor. Den An- schen psychedelischer Kunst und Kitsch Electrical Banana. Masters of
fang macht ein Porträt von Heinz Edel- wohl nur im Auge des Betrachters, und Psychedelic Art. Bologna (Damiani
mann, der als Illustrator des Kultma- jeder kann für sich selbst entscheiden, Editore) 2012, 208 Seiten. 29 Euro.
gazins »twen« und als Artdirektor des wo er die anderen im Buch vorgestell- isbn 978-88-6208-204-4
Beatles-Animationsilms »Yellow Sub-
marine« aus dem Jahre 1968 berühmt
wurde. Letzterer eine Ikone der Psy-
chedelik, doch wie Edelmann berich-
tet, kam er zu dem Projekt wie die
Jungfrau zum Kind, mochte psychede-
lische Graik eigentlich nicht, nahm kei-
Mati Klarweins ne Drogen (entsprechende Einladun-
berühmtes Cover gen plegte er mit den Worten »Nein
für Miles Davis: danke, ich bin Alkoholiker« abzuleh-
Afro-Surrealis- nen), versuchte in London verzweifelt
mus ganz im Geist ein wenig deutsche Ordnung in eine
der Zeit um 1970 Chaosproduktion mit 150 Zeichnern
PAGE 05.12 111

n »Introducing«. Es ist ein erfreuli- Die von Tayburn aus Edinburgh


cher Trend: Die Ansprüche ans Design entworfene Visitenkarte für
steigen, längst erwarten urbane Kun- eine Autowäscheirma verwandelt
den nicht mehr nur von den Mega- sich in ein praktisches Schwämm-
brands ein schickes Design, sondern chen, das man gern behält
auch vom Friseur, Optiker, Fahrradla-
den oder Fitness-Studio um die Ecke, Dieser Band hat viele Beispiele zu-
ganz zu schweigen von ohnehin de- sammengetragen, kapitelweise nach
signafinen Kleinunternehmern wie Ar- Trends sortiert. »Sunny Side Up« zeigt
chitekten oder Fotografen. Fröhlich-Buntes, in »Pretty Straight«
sind minimalistische Entwürfe zu se-
hen, oft in Schwarzweiß, die sich an-
genehm von der Überladenheit des
üblichen Verpackungs-, Broschüren-
und sonstigen 08/15-Designs abheben.
Schwer angesagt ist auch der Vintage-
Look in »Everlasting«, der gute alte
Wasser, Luft, Qualitäten wie handwerkliche Sorg-
Erde, Strom: Auf falt suggeriert. Und im Kapitel »With a
vier Farben und Twist« wird mit Witz und Mut mal um
vier Icons beruht die Ecke gedacht. Insgesamt ein inspi-
das von Esther rierender Band für die anspruchsvolle
Rieser aus Zürich Lösung alltäglicher Aufgaben.
gestaltete > Robert Klanten, Anna Sinofzik:
Erscheinungsbild Introducing: Visual Identities
für das Pro- for Small Businesses. Berlin
jekt »Schlauer (Gestalten) 2012, 256 Seiten.
Wohnen« 38 Euro. isbn 978-3-89955-411-3
Foto links: Luca Gambi

So sieht die
Grundausstat-
tung fürs
Siebdrucken aus

Les Queues de n »Silkscreen Basics«. Ausführliche die sich dann mit einem Rakel die Farbe ner oder Julia Schonlau von Juju’s Deli-
Sardines aus Handbücher zum Siebdruck gibt es auf auf die Druckunterlage bringen lässt. very. Das Zubehör, um gleich selbst los-
Frankreich bringt Deutsch zurzeit nur antiquarisch. Da Wie das funktioniert, erläutert der zulegen, gibt’s im Internet, etwa bei
regelmäßig greift man gerne zu dieser neuen eng- Band Schritt für Schritt und gut nach- Spezialisten wie www.siebdruckland.
Strumpfkollektio- lischsprachigen Publikation. Bekannt- vollziehbar mit vielen Bildern. Der zwei- de, die übrigens einige gute Videoan-
nen mit Sieb- lich beruht dieses Druckverfahren da- te Teil stellt interessante Siebdrucker leitungen auf ihrer Website zeigen. cg
drucken heraus rauf, ein mit Fotoemulsion bestriche- vor, die von ihrer Arbeit berichten und > SHS Publishing: Silkscreen Basics.
nes Siebgewebe so zu belichten, dass den einen oder anderen Trick verra- A Complete How-to Handbook. Berke-
die Emulsion an bestimmten Stellen ten – darunter aus deutschen Landen ley, CA (Gingko Press) 2012, 216 Seiten.
aushärtet und an anderen nicht, durch Bongoût, Christine Campe, Ellen Wag- 29,90 Euro. isbn 978-1-58423-419-7
112 PAGE 05.12 Publikationen

»Mad Men« versehen, gehen auch alte Anzeigen weg wie warme Sem-
meln . . . Jim Heimann und Steven Heller haben wohl in die Bestände
ihrer vor rund zehn Jahren erschienenen Buchreihe »All American
Ads« gegriffen und daraus diese zwei Bände im Schuber neu gemixt.
Jason: Ich habe Adolf Hitler getötet. Berlin (Reprodukt) 2012, 48 Sei-
ten. 13 Euro. 978-3-941099-95-1. Endlich liegt der skurrile Comic des
norwegischen Zeichners, in dem ein Berufskiller und Adolf Hitler di-
verse Zeitreisen vor und zurück unternehmen, auch auf Deutsch vor.
Skinner: The Art of Skinner. Every Man Is My Enemy. Berkeley, CA
(Gingko Press) 2012, 172 Seiten. 29,90 Euro. 978-1-58423-469-2. Der kali-
fornische Artist Skinner hat nichts als schlimme Monster im Kopf. Die
malt er farbenprächtig und mit großem Erfolg – siehe www.theartof
skinner.com. Sandu Publishing: Scandinavian Graphic Design.
Berkeley, CA (Gingko Press) 2012, 256 Seiten. 45 Euro. 978-1-58423-463-0.
Aus dem schönen Überblicksband zeigen wir ein vom norwegischen
Designstudio Grand People gestaltetes CD-Cover. Clay A. Johnson:
The Information Diet. A Case for Conscious Consumption. Sebasto-
pol, Kalifornien (O’Reilly) 2012, 160 Seiten. 18,50 Euro. 978-1-4493-0468-3.
Bei Fett und Zucker haben wir gelernt, Maß zu halten – doch was Infor-
mationen angeht, droht Überfütterung. Mehr über eine dringend not-
wendige Diät unter www.informationdiet.com. Paul Jackson: Grund-
lagen des Verpackungsdesigns. Vom Entwurf zur Schachtel. Bern
(Haupt Verlag) 2012, 128 Seiten. 29,90 Euro. 978-3-258-60040-6. In
PAGE 10.11 haben wir das wunderbare Buch »Folding Techniques for
Designers« von Paul Jackson vorgestellt, das ins Falten freier Formen
einführt. Inzwischen liegt es auf Deutsch beim Haupt Verlag vor –
ebenso wie diese neue Publikation über Faltverpackungen, deren
englischer Titel »Structural Packaging: Design Your Own Boxes and
3-D Forms« lautet. Stephan Moebius, Sophia Prinz (Hrsg.): Das De-
sign der Gesellschaft. Zur Kultursoziologie des Designs. Bielefeld
(transcript) 2012, 438 Seiten. 29,80 Euro. 978-3-8376-1483-1. Interessanter
Sammelband mit theoreti-
schen Aufsätzen zur sozia-
Neuerscheinungen – kurz vorgestellt len und kulturellen Funktion
von Design. Sandra Rend-
Charlotte Rivers: I Heart Stationery: Fresh Inspirations for Hand- gen, Julius Wiedemann: In-
crafted Cards, Note Cards, Journals, & Other Paper Goods. New York formation Graphics. Köln
(Universe) 2012, 192 Seiten. 24,95 Dollar. 978-0-7893-2488-7. Brief- und (Taschen) 2012, 480 Seiten.
Geschenkpapiere, Einladungskarten, Notizbücher: Ein Bastelbuch für 49,99 Euro. 978-3-8365-2879-5.
Fans verspielter Papierwaren, das in England unter dem Titel »I Love Auch der Taschen Verlag hat
Stationary« erschien. Unter www.charlotterivers.blogspot.com gibt’s nun einen opulenten Band
ebenfalls viele nette Handmade-Entwürfe. Jim Heimann, Steven Hel- zu dem im Augenblick so
ler: Mid-Century Ads: Advertising from the Mad Men Era. Köln (Ta- beliebten Thema Infograik
schen) 2012, 720 Seiten. 39,99 Euro. 978-3-8365-2834-4. Mit dem Label vorgelegt. cg

Ungewöhnlich viel Satire für einen Sprachwissenschaftler.


Was lesen Sie? Diverse Sprachwissenschaftler haben tolle Bücher geschrieben.
Uwe Pörksen untersucht in »Plastikwörter. Die Sprache einer inter-
Tobias Röttger, Hort, Berlin nationalen Diktatur« Hülsenwörter wie Kommunikation, Sexuali-
www.hort.org.uk und tät oder Entwicklung. Sie werden von der Gesellschaft mit Bedeu-
www.tobiasroettger.de tung aufgeladen und über vieles gestülpt, bleiben aber eine unde-
inierbare Wolke. Ein anderes Buch, das mich kurzfristig zuerst re-
gelrecht blockiert hat, ist »Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu
Was ist Ihr Lieblingsbuch? lehren vergaß« von Wolf Schneider. Er demontiert Zeitungsartikel
Tobias Röttger: Als All Time Classic lese ich immer wieder gern und zeigt, wie geschrieben wird, ohne wirklich etwas zu sagen.
die Glossen von Umberto Eco, von dem man ja vor allen Dingen Und stellt Regeln auf, wie man das vermeidet.
den Roman »Der Name der Rose« kennt. Eco ist ja auch ein be- Designer drücken sich auch gern mal schwammig aus.
rühmter Semiotiker und hat nebenher Glossen für eine italieni- Manche schreiben sehr gut, wie Bob Gill, von dem ich viel gelesen
sche Zeitschrift geschrieben. Sie sind in dem Band »Wie man mit habe. Bei anderen ist es katastrophal. Dabei muss man oft, etwa
einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge« gesam- bei Pitches, Konzepte schriftlich erklären. Wir Gestalter überprü-
melt. Eco sagt, wie man Dinge tun soll, indem er sehr witzig be- fen unsere Kreationen x-mal: Sitzt das hier? Ist das die richtige
schreibt, wie man es nicht machen sollte – ob es um Klischees in In- Schriftgröße? Und so fort. In der gleichen Weise sollten wir wohl
dianerilmen oder um Computerhacking geht. unsere Texte überprüfen, kritisch uns selbst gegenüber sein.
page 05.12 113

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Redaktion (CH: 181,80 Franken, A: 108,50 Euro). Ob Führungskraft, Angestellter oder Freelancer – in der Kreativbranche
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Nina Kirst (nik), Nantjen Küsel (nk);
die PAGE-Jahrgangs-CD, kostet 106,40 Euro
steht das Thema Weiterbildung hoch im Kurs. Nicht nur Designseminare
Freie Mitarbeit: Antje Dohmann (ant),
Dr. Claudia Gerdes (cg), Wiebke Lang (wl), (CH: 201 Franken, A: 119,60 Euro). Das Abo werden gebucht, auch Personal Coachings kommen immer öfter ins
Daniel Schilling (dsc); Rebecca von Hoff kann immer 6 Wochen vor Ablauf des Spiel. Wir stellen interessante Weiterbildungsangebote und -strategien
(Graik), Christine Krawinkel (Artdirektion); Bezugsjahres schriftlich gekündigt werden.
Schüler und Studenten erhalten gegen Vor-
vor und berichten aus der Praxis
Sibylle Kumm (Schlussredaktion),
Maiken Richter (Text-/Schlussredaktion), lage eines gültigen Ausweises oder einer
Jan Roidner (Text-/Schlussredaktion); gültigen Immatrikulationsbescheinigung
Sabine Danek (sd, Redaktion Online) 20 Prozent Rabatt. Mitglieder der Allianz
deutscher Designer (AGD), des Bundes
Autoren dieser Ausgabe Deutscher Graik-Designer (BDG) und des
Christian Büning, Verena Dauerer (vd), designerinnen forum e. V. erhalten ebenso
Markus Linden, Jürgen-Rahlff Lindner, 20 Prozent Rabatt.
Jürgen Siebert

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion
© Yu Ping Chuan, New York

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≥ www.facebook.com/pagemag ≥ iTunes app Store ten aktuelle Trends. Denn bei den Illustratorenagenturen tut sich was!
114 PAGE 05.12 Fundstücke von Jürgen Siebert

Vom Ende der Schreibschrift


Kühne Kommentare von Jürgen Siebert zu Trends, Ereignissen und
dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen

n Es gab da eine paradiesische Ecke der Lehrstoff hat sich innerhalb der dass die meisten Menschen heute zwar
in meiner Kindheit: Wir hatten einen letzten 45 Jahren mehr als verdoppelt. mehr schreiben als je zuvor, allerdings
Zeitschriften- und Spielwarenladen. Das Einüben einer schönen Handschrift nicht mehr mit dem Stift, sondern mit
Wenig erbaulich war dagegen, dass ist jetzt Privatsache, so wie beispiels- der Tastatur . . . Vor allem diese Technik
meine Eltern ziemlich streng waren, weise regelmäßiger Sport oder das Er- müsste den Kindern in der Schule nä-
nein: konsequent. Ich wurde weiß Gott lernen eines Musikinstruments. Und hergebracht werden. 
nicht verwöhnt, was ich rückblickend deshalb wird in den kommenden Jah- Wie nicht anders zu erwarten, be-
als eine nachahmenswerte Erziehungs- ren die verbundene Handschrift in der trachten eine Menge »Experten« die
maxime bewerte. Ich durfte zwar jede Schule abgeschafft. Abschaffung der Schreibschrift an der
Diese und weitere Woche alle Comics und sämtliche Illus- Der Grundschulverband, eine ein- Schule als Weltuntergang. Sprachschüt-
Fundstücke von trierten durchstöbern, aber Spielzeug lussreiche Interessenvertretung aus zer, die vor Jahren gegen die Recht-
Jürgen Siebert in- gab es nur an Ostern, zum Geburtstag Lehrern, Pädagogen, Wissenschaftlern schreibreform polemisierten, wehren
den Sie unter und an Weihnachten. Alleine ein Deal und Menschen, denen das Wohl von sich nun mittels Facebook und Unter-
www.page-online. mit meiner Mutter hätte diese Regel Grundschülern am Herzen liegt, setzt schriftenaktionen gegen das »Ausster-
de/fundstuecke durchbrechen können, dieser lautete: sich seit zwei Jahren für die Ablösung ben einer Kulturtechnik«. Dabei stellt
»Für jede 2 in Handschrift bekommst der Ausgangsschriften ein, von denen niemand infrage, dass das Schreiben
du einen Lego-Bausatz.« Ich war total es drei verschiedene in den deutschen mit der Hand eine bedeutende Kultur-
scharf auf diese Dinger im Wert von 2 Bundesländern gibt. An ihre Stelle soll technik der Menschheit ist. Nur ist sie
bis 3 Mark. Die »Schönschrift« wurde die neue Grundschrift treten, die kei- heute kaum noch gefragt und nützlich
damals in Deutscharbeiten, Heimat- ne Normschrift ist. Ihre an die Druck- für die Menschen – »so wie die Kultur-
kundetests und auch in Mathematik schrift angelehnten Formen sollen Kin- technik des Reitens«, schreibt Peter
separat benotet. Was soll ich sagen . . . dern dabei helfen, die Druckbuchsta- Praschl im »SZ«-Magazin vom 16. Fe-
In den 4 Jahren Grundschule bekam ben in der Schreibbewegung lüssig zu bruar (06/2012).
ich keinen einzigen Lego-Baukasten verbinden, erlauben also unterschied- Es soll ja keinem verboten werden,
aufgrund einer Note 2 in Handschrift. liche Verbindungen, die zudem nicht sich diese Technik anzueignen. Nur
Eine 3+ war das Höchste der Gefühle, durchgängig auf dem Papier sichtbar gehört sie nicht mehr auf die Lehrplä-
selbst da blieb meine Mutter hart. werden müssen. ne der Schulen, weil sie fast aus un-
Aus diesem Erlebnis habe ich ge- Die Argumente der Reformer: Die serem Alltag verschwunden ist. Zwar
lernt, dass eine ordentliche Handschrift Unterrichtszeit, die man spart, wenn gibt es dazu keine aktuellen wissen-
einem entweder zufällt oder man sich Schüler nicht mehr zwei Schreibschrif- schaftlichen Untersuchungen, aber ein
diese mit intensiver Schulung aneig- ten einüben müssen, kann für die Ver- Blick aufs eigene Leben und das unse-
nen muss. Für kalligraische Mätzchen mittlung nützlichen Wissens und nütz- rer Mitmenschen macht deutlich, dass
hatten die Lehrer schon damals keine licher Fähigkeiten verwendet werden. wir kaum noch zum Stift greifen. »Oft
Zeit. Heute fehlt sie noch mehr, denn Es ist eine unbestreitbare Tatsache, genug gibt es Tage, an denen das Ein-
zige, was man von Hand schreibt, die
Unterschrift auf einem Kreditkarten-
beleg ist«, so Peter Praschl.
Böswillige unterstellen den Schreib-
fans, dass es ihnen beim Kampf für den
Erhalt quälender Schönschreibübun-
gen gar nicht um das Schreiben gehe,
sondern um die Übung an sich, den
disziplinarischen Akt. So hat jede Me-
daille zwei Seiten, und jede Geschich-
te mehrere Wahrheiten. Aus dieser
Perspektive betrachtet, könnte ich die
Anekdote aus meiner Kindheit auch
entgegengesetzt interpretieren: Das
Schönschreiben war eine Qual, genau-
so wie die Abmachung mit meinen El-
tern. Ich habe mich konsequent der
Die Schrift Ernst 55 ist einer der Helden der neuen »Antriebskampagne« der Volksbanken doppelten Disziplinierung widersetzt
Raiffeisenbanken, konzipiert von Heimat Berlin. Der 30-Sekunden-Spot erzählt die und mich nicht verbiegen lassen. Und
Geschichte von Ernst, der erst mit 55 Jahren lesen und schreiben lernte – auf Basis der Hamburger schon wird aus der Geschichte einer
Grundschrift, die sich auf www.was-uns-antreibt.de kostenlos downloaden lässt Sauklaue eine Heldensage.

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