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LowDesign
Top Budget––Low
Top Budget

Mehr mit Weniger: Geldwerte Tipps für Print & Digital


Design

Instant-Portfolios Free Fonts & Billigbilder Making-of: Sound-App


Online & Mobile: Praktische Tools für Erstklassige Schriften und die besten Inspirierend und performant: Wie
Kreative ohne Programmierkenntnisse Quellen für günstiges Stockmaterial der Sequenzer triqtraq entstand
Editorial PAGE 12.12 003
Spezielle
Vorsorgekonzepte für
Preisverdächtig

e
ihrer Kosten erforderlichen Stunden-

ativ
satz von 70 Euro zugrunde, ergibt das
summa summarum 83 300 Euro. Der
Gewinn für den Designer beträgt nach
Abzug aller Kosten null, der Verlust
pro Teilnahme 700 Euro, mindestens
118 Gestalter erleiden einen Totalver-
lust. Und nicht zuletzt zahlt dann auch
noch der Auftraggeber drauf. In Form
schlechter Geschäfte, versteht sich! Bil-
lig kommt teuer.
Nun ist Low-Budget-Design aber kei-
n Low-Budget-Design haftet der Ruf neswegs mit Preisdumping oder min-
Foto: Kirsten Nijhof

des Billigen an. Kein Wunder, auf Porta- derer Qualität zu verwechseln. Kleine
len wie designenlassen.de oder jovoto Budgets und Design schließen einan-
tummeln sich schließlich nicht nur Auf- der nicht aus. Im Gegenteil: Nur Design,
traggeber ohne Respekt, die Design- das verantwortungsvoll mit Ressour-
leistung zu Dumpingpreisen einkaufen cen umgeht, ist seine Bezeichnung
wollen, und Möchtegern-Gestalter, die wert. Und Kostenbewusstsein kommt
dem dann auch noch schamlos nach- natürlich auch dem Kreativen selbst
kommen. Jede Projektausschreibung zugute: Es bleibt unterm Strich mehr
auf einer dieser Crowdsourcing-Platt- Honorar für ihn, der Kunde fühlt sich
formen verursacht einen volkswirt-
schaftlichen Schaden von 83 000 Euro!
Torsten Stapelkamp, Professor für
Mediendesign an der Hochschule Hof,
hat das einmal ausgerechnet. Sie erin-
nern sich? Der durchschnittliche Um-
satz pro Projekt – zum Beispiel einer
Logo- oder Websiteentwicklung – liegt
bei 347 Euro (die uneingeschränkten
rundum gut beraten und belohnt Leis-
tung, die ihren Preis wert ist, mit Ver-
trauen und Folgeaufträgen.
Doch wie sieht Low-Budget-Design
in der Praxis aus? Heißt das, dass wir
Tausende von Broschüren von Hand fal-
zen? Gratisbilder sowie Free Fonts aus
dem Web saugen und Open-Source-
Software einsetzen? – In dieser Aus-
K re
Nutzungsrechte inklusive!). Im Schnitt gabe zeigen wir einfache Kniffe und
beteiligen sich 119 Gestalter und wen- überraschende Möglichkeiten, wie Sie
den jeweils mindestens 10 Stunden auf. großartige Arbeit bei minimalem Bud-
Legt man nun den für die Deckung all get leisten – ohne draufzuzahlen!

Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher

Den Titel dieser Ausgabe gestaltete das auf visu-


elle Identitäten spezialisierte Grafikdesignbüro
TwoPoints.Net. Das Thema »Top Design – Low Budget«
veranschaulicht es mit einem flexiblen grafischen
System, das trotz seiner einfachen Grundelemente
(Kreis, Quadrat, Dreieck) einen immensen Reichtum
an Kompositionen ermöglicht
004 page 12.12

INHALT
SZENE
006 Was die Branche bewegt
Designpreise der Schweizerischen Eidgenossen-
schaft; Eyes & Ears Awards; Stedelijk-Erscheinungs-
bild; Logo mit Alarmfunktion; Kunst-AR-App

014 Branche & Karriere


75 Kreativtools; Brennpunkt: Brauchen wir all diese
und immer neue Designevents?

018 Ausbildung
»Das Eil-Syndrom«; App-Design; Brand Academy

TITEL
020 n Top Design – Low Budget
Mit Intelligenz, Leidenschaft und so manchem über-
raschenden Trick können auch bei knapp kalkulierten
Kosten herausragende Lösungen entstehen

KREATION
032 Designhotels
Paris – London – Barcelona – Singapur: In diesen
Hotels inden Kreative vielleicht nicht immer die
Ruhe zum Arbeiten, aber ganz gewiss Inspiration

041 Papierwelt 064 Das Donkey-Projekt


Online-Kalkulator für Laserveredelungen

042 n Instant-Portfolios
Mit Responsive Design und Social-Media-Integration
bieten diese Webtools optimale Voraussetzungen
für die Präsentation der eigenen Arbeiten

TYPO
048 n Free Fonts
Viele Typedesigner stellen exzellente Schriften gratis
zur Verfügung. Wir zeigen einige besonders schöne

054 Typoszene Israel


Junge israelische Gestalter holen eine der ältesten
Schriften der Welt in die Gegenwart

062 Typowelt
Gestalten-Band zu Handlettering und Scriptfonts

BILD
064 Das Donkey-Projekt
Warum bloß fotograieren einige der spannendsten
084 Das Interface der Zukunft
Modefotografen Menschen mit Eselsmasken?
page 12.12 005

≥ PAGE Online: Ob Stellenangebote, Inspiration,


News, Magazin-Volltextsuche, publishing-Tipps,
abo-angebote oder den page-Shop – das alles inden
Sie unter www.page-online.de

070 n Billigbilder
Vorsicht, der Boom der Gratisbildplattformen hat
seine Tücken! PAGE sagt, worauf Sie achten müssen,
und weist den Weg zu den besten Adressen

076 Bildwelt
Interaktive Fotos; Kalender-Selfpublishing

TECHNIK
078 n Making-of: Sound-App triqtraq
Sounddesigner Sebastian Schatz nutzt die
Prozessorleistung des iPhones für eine
intuitiv bedienbare Sequenzer-Anwendung

084 Das Interface der Zukunft


So klein und leistungsstark Smartphones heute
schon sind, bald werden wir direkt mit unserer
Umgebung interagieren, sagt frog-CCO Mark Rolston
und legt bereits konkrete Lösungen vor

090 Gadgets
Von futuristisch bis praktisch: die neusten elektro-
nischen Devices fürs Büro und unterwegs

094 Ratgeber: Open-Source-Software


Ob Graik, Kollaboration, Film & Video oder Web-
entwicklung – für alle wesentlichen Bereiche
kreativer Arbeit gibt es heute frei verfügbare Tools
054 Typoszene Israel

SERVICES & STANDARDS


104 Einblicke
Kreative und der Blick aus ihren Büros

106 Kalender: Kongresse, Ausstellungen, Awards

108 Publikationen: Buchempfehlungen


für kreative Publisher
Zur Buchmesse gibt es immer besonders viele
interessante Neuerscheinungen: »M to M of M/M«
und »Zero to Five«, »The Phaidon Archive of Graphic
Design« und »Numbers in Graphic Design«

003 Editorial 016 PAGE Online 113 Impressum/Vorschau


057 PAGE Abo 103 PAGE Studenten-Abo 111 PAGE Shop
101 PAGE Stellenmarkt
114 Fundstücke von Jürgen Siebert

PAGE SEMINARE
059 Infograik-Seminar mit Jan Schwochow
075 »Designmanagement« mit Christine Hesse
088 »Gutes Design entwickeln« mit Jochen Rädeker
078 Making-of: Sound-App triqtraq
089 »Gutes Design gut verkaufen« mit Jochen Rädeker
006 PAGE 12.12

SZENE

Jan Abellan gestaltete den dreidimensio­


nalen Font Grischa Lumnezia. Oben
rechts: Ludovic Balland verantwortet
das Mediendesign zur Ausstellung
»Warszawa w budo wie« (Warschau im
Umbau). Ganz rechts: Die iligrane Damen­
kollektion stammt von Dominic Knecht
PAGE 12.12 007

Fotos: © BAK/Anja Schori außer Foto Mitte: © Ludovic Balland


n Seit 1918 werden jährlich die De­ Designvermittlung, eine zukunftsträch­
signpreise der Schweizerischen Eidge­
nossenschaft ausgelobt – ein Beleg für
die Wertschätzung von Gestaltung bei
tige Dienstleistung.« Auch in der Foto­
graie gebe es herausragende Arbeiten.
»Bemerkenswert ist, dass nicht mehr
Eine Klasse
unseren Nachbarn im Süden. Die Arbei­ nur schöne, interessante Bilder gezeigt
ten der diesjährigen Preisträger in den
Kategorien Graikdesign, Produkte und
Objekte, Mode­ und Textildesign, Foto­
werden, sondern häuig Motive mit
fast dokumentarischem oder gar poli­
tischen Hintergrund.« Mehr Innovati­
für sich
graie, Szenograie sowie Vermittlung ves hingegen habe sie sich im Produkt­/
zeigt das Museum Bellerive bis zum Objektbereich sowie bei Szenograie/ Unaufgeregt, präzise – und kein
27. Januar 2013. Auch Werke der drei Bühnenbild erhofft.
bisschen langweilig: Das Züricher
Grand­Prix­Design­Gewinner – ausge­ Sucht man als nicht schweizerischer
zeichnet werden diesmal die Gestalter­ Beobachter nach einem roten Faden Museum Bellerive präsentiert
größen Gavillet & Rust, Franco Clivio unter den Graikeinreichungen, fallen die Sieger des großen Schweizer
und Karl Gerstner – sind hier zu sehen. einem die klassischen Designtugen­
Neu ist 2012 die Aufhebung des Alters­ den auf: die markante Verbindung von Wettbewerbs für Design
limits von vierzig Jahren: Etwa ein Fünf­ traditionellen Typo­ und Graikelemen­
tel der Teilnehmer wie auch der Preis­ ten auf der einen und von künstleri­
träger ist älter als vierzig. schen, dynamischen Bildkompositio­
Über die medialen Trends sagt Jac­ nen oder überraschenden Motiven auf
queline Greenspan vom Museum Bel­ der anderen Seite. Ein ansprechenden
lerive, das zum Museum für Gestaltung Überblick über die nominierten und
Zürich gehört: »Uns ist aufgefallen, dass prämierten Arbeiten sowie ihre Macher
Graik nach wie vor sehr stark vertre­ bietet das Bundesamt für Kultur unter
ten ist. Ebenso die neue Sparte der www.swissdesignawards.ch. wl
008 PAGE 12.12 SZENE

Bauhaus-Träumereien
n Grafik-Ausstellung. »Lieber auf
luftlinien balancieren als auf dogmen
sitzen«, proklamierte verträumt­radikal
die Bauhäuslerin Lou Scheper­Berken­
kamp. »Phantastiken« lautet denn auch
der Titel der ersten Einzelausstellung,
die das Bauhaus­Archiv/Museum für
Gestaltung Berlin der Künstlerin und
Grafikerin widmet (bis 14. Januar 2013).
1901 geboren, studierte die junge Frau
aus Wesel von 1920 bis 1922 bei Johan­
nes Itten, Paul Klee, Lyonel Feininger
und Georg Muche am Bauhaus Weimar.
Dort traf sie ihren späteren Ehemann
Hinnerk Scheper, der sich einen Namen
als Farbgestalter, Fotograf und Denk­
malpfleger machte. Gemeinsam zog es
die beiden anschließend über Dessau
nach Moskau und Berlin.
Neben freien Arbeiten umfasst Lou
Scheper­Berkenkamps Werk auch Kin­
derbuchillustration, literarische Texte,
Entwürfe für Oskar Schlemmers Bau­
haus­Bühne und Farbgestaltungen von
Innenräumen, zum Beispiel der Berli­
ner Philharmonie von Hans Scharoun.
So deutlich ihr Ansatz die Bauhausleh­
re widerspiegelt, so zeitgemäß muten
© Nachlass Scheper, Berlin; Bauhaus­Archiv Berlin

die märchenhaft­melancholischen Mo­


tive und der poetische Wortwitz in Illus­
trationen und Collagen an. Neben dem
Ausstellungskatalog werden auch zwei
von Lou Scheper­Berkenkamps Kinder­
büchern neu aufgelegt. wl

Diese Collage gestaltet Lou Scheper­


Berkenkamp 1928 für Ise und
Walter Gropius zum Abschied

Fragen und Antworten


n Eyes & Ears Awards 2012. Die span­ wurde die bei Verlagen unbeliebte Ta­
nendste Kategorie ist dieses Jahr ganz gesschau­App ausgezeichnet.
klar Interactive Design, Promotion & Die beste contentbezogene Web­
Branding. Das überrascht auch eigent­ site 2012 ist die Microsite www.jjr2012.
lich nicht angesichts der zunehmen­ srf.ch des Schweizer Radio und Fernse­
den Verlagerung der audiovisuellen hens. Angelehnt an Jean­Jaques Rous­
Medien ins Internet und des Anstiegs seau stellte der SRF die Frage, ob Wis­
der Second­Screen­Nutzung. Den Preis senschaft und Kunst die Gesellschaft
für die beste Website eines Medienun­ weiterbringen. Die Antworten jedes
ternehmens sahnte das ZDF ab – mit Nutzers formten letztendlich ein ty­
seinem von den Usern nicht nur posi­ pograisches Porträt – eine konzep­
tiv bewertetem Relaunch im Frühjahr. tionell und visuell starke Umsetzung.
Die Jury lobt die Klarheit, Struktur und Nachholbedarf besteht jedoch noch in
intuitive Nutzerführung der Seite. Der Sachen Unternehmens­App und Social­
Sender überzeugte auch in der Sparte Media­Auftritt – hier gab es keine Ge­
programmbezogene App, mit seiner winner, sondern nur jeweils eine Aus­
Second­Screen­App zum Krimi »Letzte zeichnung. Alle Gewinner und Finalis­
Spur Berlin«, mit der die User parallel ten präsentiert der Veranstalter Eyes & Der neue Rousseau: Christoph Simon gewann den
zum Film selbst auf Spurensuche ge­ Ears of Europe auf seiner Website un­ Wettbewerb auf der SRF­Microsite. Seine Antwort ist
hen konnten. In derselben Kategorie ter www.eeofe.org. nik als typograisches Porträt angeordnet
PAGE 12.12 009

Frische Fische
n MfG-Award 2012. Mit vier neuen, Für followish realisierte Leagas
ungewöhnlich offenen Kategorien prä­ Delaney das Markenbuch »Gegen
sentierte sich in diesem Jahr der De­ den Strom«, das mit Zeichnungen
signwettbewerb des Bundesverbands und Pop­ups auf das erschreckende
Druck und Medien: »Emotion«, »Raffi­ Ausmaß der Überischung hinweist
nesse«, »Vereinfachung« und »Umwelt­
bewusstsein« heißt es jetzt statt »Ge­ Teufel komm raus für eine der einge­
schäftspapiere«, »Formulare« und »Ei­ reichten Arbeiten zu entscheiden. Ins­
genwerbung Druckereien«, geblieben gesamt wurden neunzehn Arbeiten
sind nur die »Debütanten«. Diese Neu­ ausgezeichnet, acht davon bei den De­
ausrichtung führte zu einem enormen bütanten – um die Qualität des Nach­
Anstieg der Einsendungen: 230 Arbei­ wuchses scheint es demnach gut be­
ten erhielt die Jury – so viele wie in stellt zu sein. Alle Gewinnerarbeiten
zwanzig Wettbewerbsjahren nicht. kann man sich unter www.mfg-award.
Die zwei Erstplatzierten sind das Bü­ de anschauen. ant
ro TGG Hafen Stenn Stieger aus St. Gal­
len (Rafinesse) sowie Jäger & Jäger aus
Überlingen (Emotion). In der Gruppe
Vereinfachung gab es keinen ersten,
aber einen zweiten Platz für labor b aus
Dortmund. In der Kategorie Umwelt­
bewusstsein verzichtete die Jury aller­
dings auf eine Auszeichnung. »Hätte es
sie schon 2011 gegeben, hätten wir si­
cher den einen oder anderen Preisträ­
ger gehabt«, meint Sprecher der Jury
Thilo von Debschitz. »Ich erinnere mich
an eine Arbeit von designgruppe koop,
bei der ein Mailing ohne Kuverts aus­
kam: Die Briefbogen aus Recyclingpa­
pier erfüllten durch einen besonderen
Faltmechanismus zugleich die Funk­
tion des Umschlags. Etwas ähnlich In­
novatives fehlte diesmal. Das Thema
Nachhaltigkeit spielt bei Designent­
scheidungen offensichtlich noch kei­
ne so wichtige Rolle.« Es spricht auch
für die Integrität der Jury, sich nicht auf

Talentierter Nachwuchs: Mit


Gefangenenliteratur setzt
sich das von Peter Meyer gestal­
tete Buch »8m²« auseinander
010 PAGE 12.12 SZENE

Hip aus Tradition


n Erscheinungsbild. Die Herrenbou­
tique Adler Altona vertreibt exklusive
Kleidung und Accessoires aus neuen
und etablierten Manufakturen. Der ho­
he Anspruch an die verwendeten Ma­
terialien, gepaart mit Sinn für Tradi­
tion und Handwerk, sollte sich auch im
visuellen Auftritt widerspiegeln. Also
nutzte die Agentur Salon91, an die sich
Inhaber Christian Adler wandte, histo­
rische Dokumente als Ausgangspunkt
für das Design. Der Corporate Font ist
von einem Werbeplakat der Argo Ree­
derei Richard Adler & Söhne inspiriert,
die Christian Adlers Urgroßvater ge­
gründet hat. Außerdem nutzten die
Kreativen Elemente eines alten Stadt­
plans des Hamburger Stadtteils Otten­
sen für die Geschäftsausstattung. Das
Logo dagegen ist ganz neu: Den sym­
Alle Medien für Adler Altona ließ Salon91 in der Druckwerkstatt Ottensen drucken, um pathischen Vogel entwickelte Salon91
den Lokalpatriotismus auch in der Produktion aufzugreifen aus einer schnellen Skizze heraus. aw

Ansichtssache
PAGE­Redakteurin Nina Kirst über den
Emotions­Overkill in der Werbung

n Der neue (und erste) Imagespot Weichzeichnermotiven und Sätzen


von Facebook stößt im Netz auf we­ wie »Du kaufst kein Haus, sondern
nig Gegenliebe. Das liegt nicht nur die Frau nebenan, die dir immer Eier
an dem unglaublich dummen Satz leiht« oder »Du kaufst die Sonne, die
»Stühle sind wie Facebook«, sondern auf deine Terrasse scheint«. Spätes­
auch an der schamlos übertriebenen tens wenn es heißt: »Du kaufst den
Emotionalisierung. Spielende Kinder, wichtigsten Ort der Welt«, greift der
Close­ups lächelnder Gesichter, emo­ Bausparer zu tief in die Emotionskis­
tionale Musik, die ab der Mitte des te. Diese »IKEA­isierung« in Werbe­ Schön notiert
Spots anschwillt, um eine Dramatik spots ist auch beim Versandhändler
zu erzeugen, die die Bilder nicht her­ Otto angekommen, der uns auf ein­ n Personal Cards. Klar kann man seine Nachrichten auch
geben, und eine weiche Frauenstim­ mal mit Produkten für die intimsten auf Post­its hinterlassen, aber so richtig Stil hat das nicht.
me im Voice­over. Schnurzegal, was Momente auszustatten scheint – sei Deutlich wertiger kommen die MessageCards daher, deren
sie da erzählt – Hauptsache, es fühlt es beim Mädelsabend oder beim Wurzeln in Afrika liegen. Der Missionskaufmann Adolf
sich gut an. Das kennt man doch ir­ Schmusen mit Kind. Ferdinand Stolz baute Ende des 19. Jahrhunderts mehrere
gendwoher? Richtig: von Apple, Meis­ Diese künstliche Intimität ist es, Kaffeeplantagen im damaligen Deutsch­Ostafrika auf, für
ter der bildgewaltigen Emotionalisie­ die das Ganze ins Unangenehme persönliche Nachrichten und Notizen nutzte er handliche,
rung. Jedoch trug bei der Präsen­ kippen lässt. Nirgends scheint man mit seinem Namen bedruckte Karten. Sein Enkel Gerhard J.
tation des neusten »Meisterwerks«, heute noch sicher zu sein – die per­ Stolz entdeckte jetzt eine dieser Karten im Familienarchiv
dem iPhone 5, selbst Apple eindeu­ sönlichsten Orte, Situationen und Er­ und entwickelte daraus die MessageCard. Für knapp 30 Euro
tig zu dick auf. Der Design­Tagebuch­ lebnisse werden von der Werbung kann man sich auf www.messagecard.com die auf 250 Gramm
Blogger Achim Schaffrinna fühlte sich iniltriert, nichts ist ihr mehr heilig, starkem Papier gedruckten MessageCards anfertigen lassen
an Spendenaufrufe von Hilfsorgani­ immer ist die Werbekamera bereits und dabei zwischen drei Schrif­
sationen erinnert. da gewesen. Storytelling und Emo­ ten wählen. Die Karten gibt es
Aber die beiden US­Konzerne sind tionalisierung in der Werbung sind kariert, blanko und liniert,
keinesfalls die einzigen, die uns mit nichts Neues, derzeit lassen jedoch ins Haus kommen sie in einer
Emotionen überschütten. Diese Tech­ immer mehr TV­Spots das richtige edlen Box, die sieben Blöcke
nik greift in deutschen Werbeblöcken Maß vermissen und bewirken mit à 15 Stück enthält. Ein schönes
in allen Bereichen um sich – selbst in übertriebener Gefühlsduselei das Ge­ Geschenk und ein Beitrag zu
so schnöden wie dem Bausparen. genteil des Angestrebten: Abwehr mehr Qualität und Haptik im
Schwäbisch­Hall wirbt neuerdings mit statt Verlangen. elektronischen Alltag. ant
PAGE 12.12 011

Designdrama
n Museums-CI. Mittels Kamera beim Film­Stills: Alle gucken bedröppelt –
Pitch für einen Traumjob – dem Rede­ die neue Stedelijk­Direktorin mit ihren
sign fürs Stedelijk Museum Amster­ neuen Designern, Ex­Direktor van
dam – hinter die Kulissen zu schauen, Tuyl mit Pitchsieger Pierre di Sciullo
ist für Gestalter schon spannend ge­
nug. Wie sich Berühmtheiten wie Irma kam das Museum eine neue Direktorin.
Boom, Pierre Bernard oder Linda van Die feuerte Pierre di Sciullo und kram­
Deursen und Armand Mevis fast devot te das Konzept von Mevis & Van Deur­
mit ihren Entwürfen vor der Kommis­ sen wieder heraus.
sion präsentieren, wie die Jury darauf Das Buch »The Style of the Stedelijk«
untereinander diskutiert, wie Pierre di von Frederike Huygen erzählt die gan­
Sciullo telefonisch mitgeteilt wird, dass ze Geschichte, von den Tagen des le­
er der Gewinner ist, hat Lex Reitsma in gendären Willem Sandberg bis heute
einer Dokumentation hautnah beglei­ (nai010 Publishers, 19,95 Euro, isbn 978-
tet. Dass daraus ein Skandal werden 94-6208-019-5). Und vor allem enthält
sollte, der auch die niederländische Öf­ es den Film von Lex Reitsma auf DVD.
fentlichkeit beschäftigte, konnte der Wer diesen Designkrimi gesehen hat,
Filmemacher nicht ahnen. Kurz vor Er­ ist gespannt, wie es weitergeht. Bis­
öffnung des hochmodernen Anbaus her war noch nicht viel Spektakuläres
zum alten Gebäude (Architekt war Mels von Mevis & Van Deursen zu sehen. In­
Crouwel, tatsächlich der Sohn des be­ teressanter als die Achtziger­Jahre­Re­
rühmten Wim Crouwel, der jahrelang trotypo von Pierre di Sciullo inden wir
Hausdesigner des Stedelijk war) be­ ihr Konzept aber allemal. cg

Logo und
erste Plakate
von Mevis &
Van Deursen
012 PAGE 12.12 SZENE

Wachsen und Gedeihen


Der Geschäftsbe­ n Geschäftsbericht. Wer seine Hand stützt wird diese Aussage durch die Il­ bei der Gestaltung von Geschäftsbe­
richt »In Good auf den Geschäftsbericht der Adris lus im Innenteil, die sich ebenfalls durch richten unerlässlich, auch eine digitale
Hands« verwan­ Group legt, bringt ihn zum Wachsen. Handauflegen verwandeln. Version zur Verfügung zu stellen. Aber
delt sich durch Die schwarze Thermofarbe auf dem Die kroatischen Kreativen haben anstatt diese dem Report auf CD bei­
Handaulegen Cover von »In Good Hands« reagiert ein Faible für haptische und sensori­ zulegen, entwickelte Bruketa & Zinic
auf die Wärme der Hand mit wuchern­ sche Spielereien. Schon 2007 sorgten für »In Good Hands« eine passende
den, grünen Ranken. Auf diese Art vi­ sie mit dem Annual Report »Well done« iPad­App, der dasselbe Prinzip zugrun­
sualisiert Bruketa & Zinic aus Zagreb, für Aufsehen, den man erst eine halbe de liegt: Bei der Berührung des Bild­
dass Adris durch die Hände ihrer Mit­ Stunde backen musste, bevor man ihn schirms fangen die grünen Blätter an
arbeiter wächst und gedeiht. Unter­ lesen konnte. Fünf Jahre später ist es zu wuchern . . . ant

Buch der Bücher


n Buchgestaltung. Manchmal muss ob nowakteufelknyrim nicht den Ka­
man sich Dinge nur ganz doll wünschen talog »Die schönsten deutschen Bü­
und, schwuppdiwupp, gehen sie in cher 2012« gestalten wolle.
Erfüllung. So geschehen im Fall von Petra Knyrim wollte, und kürzlich
Petra Knyrim. Als die Designerin zu erschien er: 280 Seiten dick, mit Lei­
Beginn des Jahres das Buch »Thomas neneinband und Lesebändchen, ein
Stricker­Skulpturale Fragen« zum Wett­ haptisches Vergnügen, das sich im In­
bewerb Die schönsten deutschen Bü­ nern fortsetzt. Die Textseiten mit sämt­
cher einreichte, dachte sie sehnsüch­ lichen Informationen sind auf Dünn­
tig: »Für die Stiftung Buchkunst wür­ druckpapier gedruckt, die 25 ausge­
de ich auch gerne mal arbeiten.« Viel­ zeichneten Bücher werden großzügig
leicht hatte sie auch laut gedacht, ein auf dem 150 Gramm starken Lessebo
paar Tage später rief jedenfalls Alexan­ Design Smooth präsentiert. Eine sehr
dra Sender, Geschäftsführerin der Stif­ nette Idee ist es, die Skizze des Seiten­
tung, bei ihr an und stellte ihr die Frage, layouts als Illustration auf dem Cover
und im Innenteil zu verwenden. Es ist
Rike Stephani und Petra Knyrim gut möglich, dass dieser Katalog (16 Eu­
gestalteten für die Stiftung ro, isbn 978-3-9814291-1-4) im nächsten
Buchkunst den Katalog »Die schöns­ Jahr selbst zu den schönsten deut­
ten deutschen Bücher 2012« schen Büchern gehört. ant
PAGE 12.12 013

Eine für die Ausstellung »ARART«


in Japan entstandene iPhone­App
erweitert die Kunsterfahrung

neuen Inhalten an. Die mit dem Vuforia


Augmented Reality SDK erstellte An­
wendung reagiert nicht auf abstrakte
QR­Codes, sondern auf konkrete Bild­
ausschnitte. Sobald sie ein in der inter­
nen Datenbank registriertes Kunstwerk
erkennt, spielt sie eine Animation ab,
die das Bild in die vierte Dimension er­
weitert. Mit einem Augenzwinkern er­
wacht zum Beispiel »Mona Lisa« zum
Leben, durch eine illustrierte Ausgabe
Mona LisAR von »Alice im Wunderland« flitzt ein
weißes Kaninchen (»Zu spät, zu spät!«),
n AR-App. Schon mal über Museums­ und die »Große Welle vor Kanagawa«
besucher geärgert, die, statt die Kunst­ wird zu einem Schauplatz für ein char­
werke auf sich wirken zu lassen, unun­ mantes »Godzilla­«Revival. Die von Kei
terbrochen aufs Display ihres iPhones Shiratori, Takeshi Mukai und Younghyo
starren? Sollte diese App Schule ma­ Bak für die Ausstellung »ARART« im
chen, gibt es zumindest einen guten japanischen Sapporo entwickelte App
Grund dafür: ARART reichert spiele­ soll in Kürze umsonst im iTunes Store
risch­kreativ bekannte Kunstwerke mit verfügbar sein. fb

Alarmzeichen
n Logodesign. Die praktischste Logoanwendung der Welt
(oder zumindest Berlins . . .) hat sich New Image Systems
ausgedacht. Das Erscheinungsbild der kleinen IT­Firma war
von dem im gleichen Gebäude in der Kopernikusstraße be­
heimateten Designstudio Boymeetsgirl neu gestaltet wor­
den: mit einem als Diagonale abstrahierten N im Mittelpunkt
und sechs aus der Hexadezimaldarstellung im Web abgelei­
teten Farben. Ein selbst konstruiertes Hexagon leuchtet nun
auch im Eingangsbereich von New Image Systems. Dabei
verbanden die ITler das Logo über ein Arduino­Board der­
gestalt mit ihrem automatischen Testsystem, dass die RGB­
LEDs stets melden, ob bei den Servern alles klargeht. »Ein
Beispiel: Wir betreuen den Server der Semperoper Dresden,
die in jeder Nacht unter anderem automatisch den neuen
Spielplan bekommt. Bei Grün ist alles okay, klappt etwas
nicht, leuchtet das Logo rot, bis der Fehler beseitigt ist. Blau
bedeutet, dass die Standleitung ausgefallen ist«, erklärt
Geschäftsführer Jaro von Flocken. Ein Logo, das also wahr­
haft im Dienst des Kunden steht. cg Gingen eine nützliche Verbindung ein: LED­Logo und Fehlertestsystem

Hildesheim wird berühmt


n Interactive Design. Endlich gern an der Ampel stehen! Mit »Streetpong«,
einem Projekt der Studenten Holger Michel und Sandro Engel, wäre das möglich.
Die Idee zu dem Game, bei dem Wartende an gegenüberliegenden Ampeln mitei­
nander das Uralt­Videogame »Pong« spielen können, entstand in einem Seminar
von Stefan Wölwer und wurde in einem Vimeo­Filmchen dokumentiert. Mit einem
Hinweis auf der PAGE­Facebook­Seite ing es an, weitere Blogs folgten und
traten eine Lawine von Millionen Views los. Bald kamen Anrufe von der »Bild«­
Zeitung und Fernsehteams trafen in Hildesheim ein – obwohl das Ampelspiel
noch gar nicht real existiert. Das könnte bald anders werden, zumal »Street­
pong« inzwischen zu den Siegern des Annual Multimedia Awards zählt und von
Medien in aller Welt gefeatured wurde. Es gab sowohl Gespräche mit dem
Hildesheimer Bürgermeister als auch mit dem Hersteller der Ampelanlagen.
Auch aus Neuseeland meldeten sich Interessenten. cg
014 page 12.12 SZENE

BRANCHE & KARRIERE


Spielend gelöst
n Kreativtechniken. Wenn Sie richtig systematisch an
Designaufgaben arbeiten wollen, sollten sie es mal mit die-
ser kompakten schwarzen Box probieren. Darin stecken
»75 Tools For Creative Thinking«, das heißt 85 Karten, die je
eine Vorgehensweise, sich einem Problem zu nähern, vor-
schlagen (BIS Publishers, 24 Euro, isbn 978-90-6369-275-9).
Konzipiert und gestaltet hat das Kartenset das niederlän-
dische Design- und Strategiestudio Booreiland. Tatsächlich
geht es weniger darum, die visuelle als die strategische
Ideenfindung zu befeuern, sprich Marke, Zielgruppe, User-
wünsche et cetera zu analysieren und daraus ein gestalte-
risches Konzept zu entwickeln. Sowohl eigene Erfahrungen
von Booreiland als auch bekannte Techniken wie Mind-
mapping, SWOT-Analyse oder die Cultural-Probes-Metho-
de von William Gaver fließen in die Vorschläge für Kreativ-
sessions ein. Sicherlich wird kein Mensch je alle 75 Karten
durchspielen. Aber wenn nur ein paar davon für Sie pas-
sen, ist das ja auch schon gut. Mehr unter http://75toolsfor
creativethinking.com. cg

Eine Box mit 75 Kärtchen hilft beim


Finden stichhaltiger Ideen

Business Basics
Christian Büning, Präsident des Berufsverbands der Deutschen
Kommunikationsdesigner (www.bdg-designer.de), beantwortet berufs-

Foto: © André W. Sobott, www.aw-sobott.de


bezogene Fragen von Gestaltern. Hier stellt er aktuelle Fälle vor

Katharina, 35: Hallo, ich arbeite seit dem Ende meines reagieren? Richtig, mit Irritation. Von
Studiums viel selbstständig und habe immer wieder Stress einem Proi erwarten Sie – vollkom-
mit Kunden, weil die meine Arbeit einfach nicht wert- men zu Recht –, dass dieser seine ei-
schätzen. Ich habe immer Diskussionen und meine Ent- genen Beindlichkeiten zurücknehmen
würfe werden alle kaputtgeredet. So langsam werde und sich ganz in den Dienst eines Pro-
ich echt sauer und auch ein bisschen verzweifelt. Habe ich jekts stellen kann.
einfach die falschen Kunden? Designer arbeiten zwar künstlerisch,
sind aber Dienstleister. Auftraggeber
Liebe Katharina, kaufen Design nicht aus Liebhaberei, kennt sein Geschäft und weiß jede
ich muss zugeben, ich habe leicht ge- sondern als Investition und wollen na- Menge Eigenheiten, die Ihnen nicht be-
stutzt, als ich Ihre Mail gelesen habe. türlich möglichst gute Erfolge damit wusst sind. Sie können gemeinsam ein
Sie schreiben, dass »die« Ihre Arbeit erzielen. Ihre Kunden kommen daher Ergebnis erreichen, das Sie alleine nur
nicht wertschätzen und Ihnen »alles« nicht mit der Absicht zu Ihnen, Ihre mit viel höherem Aufwand erreichen
kaputtreden. Gegenfrage: Schätzen Sie Entwürfe zu zerreden, sondern um sie würden. Jeder Proi kennt die Gren-
denn Ihre Kunden? Und denken Sie für ihre Vorhaben zu testen. Würden zen seiner Profession und weiß, wo
wirklich, dass Ihre Kunden Ihnen alles Sie einen Entwurf akzeptieren und be- die nächste Profession anfängt. Wenn
kaputtreden wollen? Vielleicht hilft Ih- zahlen, den Sie nicht auf Herz und Nie- dann zwei Prois wirklich zusammen-
nen ein Perspektivwechsel: Angenom- ren geprüft haben? Wenn Ihnen eine arbeiten, können tolle Projekte entste-
men, Sie möchten für Ihr eigenes Un- Präsentation nicht schlüssig vorkommt, hen. Gutes Gelingen.
ternehmen investieren und brauchen würden Sie ebenfalls ziemlich genau
einen Proi, zum Beispiel einen Bera- wissen wollen, ob Ihre Investition et-
ter. Jetzt will dieser Proi nicht nur sei- was taugt oder nicht. Haben Sie Fragen, die Sie hier beant-
ne Arbeit liefern, sondern von Ihnen Mein Tipp: Nehmen Sie Kritik an Ih- wortet sehen möchten? Dann
hören, wie toll er ist und wie schön er rer Arbeit nicht persönlich, sondern als schreiben Sie uns (E-Mail: business
das alles gemacht hat. Wie würden Sie Sparrings-Angebot. Ihr Auftraggeber basics@bdg-designer.de)
page 12.12 015
jj

Brennpunkt
Konferenzen und Designfestivals gibt es mehr als
genug. Braucht es da noch die Point Conference in
London, fragt PAGE-Redakteurin Claudia Gerdes

n Wenn ich sämtliche Konferenzen be- früher mal Managing Director bei Meta- +++ BDG-Umfrage. Der Berufsverband der Deutschen
suchen würde, die mich interessieren, Design London war, sowie Georgia und Kommunikationsdesigner hat die Online-Umfrage für
würden Sie diese Zeilen vermutlich gar Tim Fendley (www.pointconference. den Honorar- und Gehaltsreport 2012 gestartet. An-
nicht lesen, denn um Output zu pro- com). Was macht angesichts dieses gesprochen sind angestellte wie auch selbstständige
duzieren, wäre gar keine Zeit mehr. Überangebots solch eine Konferenz Kommunikationsdesigner. Die Erhebung läuft noch
Ich hätte mich auf der Ars Electronica noch notwendig und attraktiv? »Point bis 16. November. ≥ www.bdg-report.de +++ Stand-
in Linz über das Neueste in Sachen di- ist ein Independent-Event, der auf Qua- ortwechsel. RAPP Germany eröffnet ein Büro in Ber-
gitaler Kunst informiert, wäre dann lität und nicht auf Proit orientiert ist. lin und schließt im Gegenzug den Standort Düssel-
nach Potsdam zum d.confestival ge- So können wir die Ticketpreise nied- dorf. Die Hauptstadt-Dependance startet Anfang 2013
fahren, dem angeblich »weltweit ers- riger als die meisten Veranstalter hal- mit zwanzig Mitarbeitern, die Leitung übernehmen
ten internationalen Design Thinking ten. Die Konferenz soll für die gesamte Bernadett Schröder (Beratung) und Alexander Han-
Event«. Kurz daheim in Hamburg hät- Designcommunity zugänglich sein und sen (Kreation). Als Grund für den Umzug nennt die
te ich beim dreitägigen The Joy of Gra- auch darüber hinaus Debatten auslö- Agentur die Eröffnung des Flughafens Berlin-Bran-
phic Design wieder einmal Vorträgen sen«, erläutert Robin Richmond. Die denburg, was den Standort für den Großkunden air-
von Mario Lombardo, Erik Kessels und TYPO London sei eine großartige Kon- berlin wichtiger mache. +++ Illustrationsseminar.
Mirko Borsche gelauscht. Dann schnell ferenz, die er im Oktober 2012 wieder Der ADC veranstaltet am 6. und 7. Dezember in Berlin
zur Vlow nach Bregenz, schließlich ist besucht habe. Doch bei Point gehe es den Craft-Workshop Illustration. Unter Leitung von
Kommunikation im Raum heute so um mehr, man wolle Projekte und Part- Thomas Fuchs und Thilo Rothacker können Artdirek-
wichtig! Und – nach einem kleinen Ab- nerschaften anstoßen, kurz »greifba- toren und Illustratoren neue Techniken lernen, be-
stecher nach Berlin zur NEXT-Sonder- re Initiativen, die der Designbranche stehende Fertigkeiten verbessern und sich inspirie-
veranstaltung zu Servicedesign – di- zugute kommen«. ren lassen. Die Teilnahmegebühr beträgt 580 Euro.
rekt zur Frankfurter Buchmesse. Wo für Einen faden Nachgeschmack hinter- ≥ www.adc.de +++ Agenturwechsel. André Hen-
die Bücher selbst nicht viel Zeit bliebe, lassen oft nämlich gerade die inhalt- nen (Text) und Jan Wölfel (Art) wechseln als Krea-
denn es gibt ja ein Riesenkonferenz- lich weniger eingegrenzten Designkon- tivduo vom SinnerSchrader-Ableger Haasenstein zu
und -seminarprogramm, das dieses ferenzen. Manche Sprecher werden Leagas Delaney. Gefunden hat sich das Zweierteam
Jahr übrigens einen Besucherzuwachs seit Jahren herumgereicht, viele spu- einst bei Grabarz & Partner. +++ Jahrbuch ohne Buch.
von 10 Prozent verzeichnete. Ende Ok- len lediglich ihr Selbstdarstellungspro- Der Econ Verlag benennt seinen Wettbewerb Jahr-
tober war dann für Fotointeressierte gramm ab, das vielleicht ganz unter- buch der Werbung in »Jahr der Werbung« um. Ange-
(bin ich!) der Update – Salon für Foto- haltsam sein mag, aber die Zuhörer sichts der veränderten Medienlandschaft sei die Ori-
graie ein Plichttermin. Und jetzt wä- nicht wirklich weiterbringt. Konferenz- entierung an dem Medium Buch nicht mehr zeitge-
re ich schon wieder auf dem Sprung themen, die für einen roten Faden sor- mäß, so der Verlag. Bereits seit 2009 erscheint das
zur Face to Face von 15. bis 17. Novem- gen sollten, werden fröhlich ignoriert, Kompendium zusätzlich in einer kostenlosen Online-
ber in Ludwigsburg, zur push confe- da die Prois sowieso schon fertige Version. Das von Anzinger, Wüschner, Rasp gestalte-
rence über Interaction Design in Mün- Vorträge in der digitalen Schublade ha- te »Jahr der Werbung 2013« kommt im Frühjahr he-
chen am 23. und 24. November und zum ben. Am Ende bleibt nur die Erkennt- raus. +++ Neues Führungstrio. Die Digitalagentur La
Eurobest-Festival in Lissabon. Im Sü- nis: Außer Spesen nichts gewesen. Die Red hat ihre Geschäftsführung um die Kreativdirekto-
den ist Ende November das Wetter je- Point-Veranstalter möchten näher an ren André Bourguignon und Jan Hellberg erweitert. Sie
denfalls besser als hier! den Bedürfnissen des Publikums dran kümmern sich mit Margit Schroeder um die kreativen
Der heiße Herbst ist dann erst mal sein und auch von den PAGE-Lesern Belange der Agentur. Bourguignon arbeitete zuvor als
vorbei, die nächste Veranstaltungs- aus Deutschland wissen: Welche Fra- Senior Art Director bei OgilvyOne, Hellberg kommt von
welle rollt im Frühjahr an. Da ist zu hö- gen und Probleme beschäftigen De- Kolle Rebbe.+++ Neuzugang. Florian Bruchhaeuser ist
ren, dass in London für 2. und 3. Mai signer und Designunternehmen heu- neuer Head of Production, Research & Development
eine neue große Konferenz geplant te? Von welchen Sprechern möchten bei Liga 01 Computerilm. Er führte zuletzt sein eige-
ist – Konkurrenz für die TYPO Berlin, sie darauf Antworten hören? Fragen, nes Unternehmen La Fourmi, davor war er bei Dream-
die von 16. bis 18. Mai stattindet? Hin- die uns ebenfalls interessieren wür- works Animation in Los Angeles. +++ UX-Workshop.
ter der Point in London steckt tatsäch- den. Schicken Sie uns Anregungen un- Das Internationale Design Zentrum Berlin bietet den
lich das gleiche Team, das im Okto- ter info@page-online.de, Stichwort: Kurs »Schnittstelle Analog & Digital Media: neue Kon-
ber 2011 die erste TYPO London orga- Konferenzvisionen. Damit es eines Ta- zepte und ihre wirksame Vermittlung« an. Sylke Holtz,
nisierte: Robin Richmond, der übrigens ges die perfekte Veranstaltung gibt. selbstständige UX-Designerin, stellt am 26. November
Methoden für die gezielte Gestaltung von Nutzererleb-
nissen vor. Die Teilnahmegebühr liegt bei rund 100 Eu-
Manche Sprecher werden seit Jahren herumge­ ro (rund 65 Euro für IDZ-Mitglieder). +++ Kalender-
Wettbewerb. Bis zum 3. Dezember können Kalender-
reicht, viele spulen nur ihr Selbstdarstellungs­ macher ihre Werke beim gregor international calendar
programm ab, das ganz unterhaltsam sein mag, award einreichen. Alle eingesandten Kalender wer-
den vom 25. Januar bis 13. Februar im Stuttgarter
aber die Zuhörer nicht wirklich weiterbringt. Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg ausgestellt.
≥ www.gregor-calendar-award.com nik
016 PAGE 12.12 SZENE

PAGE ONLINE
Portfolio des Monats
In jeder Ausgabe stellen wir ein Mitglied der PAGE Community und Highlights aus seinem Portfolio vor

Sabine Ahrens
www.page-online.de/community/portfolios/sabine_ahrens

n »Do you need a designer?«, fragt Sabine Ahrens Ich bin Designer, Freelancer
in ihrem Flowchart und führt augenzwinkernd Ich biete Print, Online, Beratung
durch ein Fragen-Labyrinth. Natürlich ist die Ant- E-Mail hello@hellyeah.de
wort Ja – gerade bei ihren Kunden aus der Agen- Web www.hellyeah.de
tur-, Film- und Musikwelt. Für sie verwandelt die Standort Hamburg
Artdirektorin Booklets in Tagebücher, überzieht
Verpackungen mit knalligen Sprüchen oder gestal-
tet Etiketten mit unterschiedlichster Typo.

E-MAg: KrEAtion | tyPo | BiLD | tECHniK | SZEnE | gALEriE

Premium-Eis Melicena Pay What You Want Skurrile Schweiz


Kreation. Beim neuen Bio-Eis Melicena Typo. Einen spannenden Verkaufsansatz ver- Bild. »Reisen ins Landesinnere« nennt Guido
setzt die Agentur Leo Burnett auf ein un- folgen Riley Cran und Tyler Galpin von der Mingels seine preisgekrönten Reportagen für
gewöhnliches Packagingdesign, das ganz Lost Type Foundry. Nach dem Motto »Pay die Berliner Kulturzeitschrift »Das Magazin«.
von handgemachten Illustrationen lebt. what you want« kann man Schriften herun- Die Fotos dazu lieferte Andri Pol, der mit un-
Mit ausdrucksstarken Typen, absichtlich terladen und für diese bezahlen, was man geheuer treffsicherer Ironie eine Schweiz
krakelig gezeichnet, erzählt es die Mar- für angemessen hält. Die Einnahmen gehen zeigt, die man so nicht kennt. Jetzt gibt es
kenstory der Premium-Eiscreme. zu 100 Prozent an die Designer. die Reisen der beiden als Buch.
≥ www.page-online.de/melicena-eis ≥ www.page-online.de/losttype ≥ www.page-online/schweiz-bilder
PAGE 12.12 017

≥ www.page-online.de PAGEmag

Album-Gestaltung einschließlich Fotos für die Singer-Songwriterin Dragana Flowchart »Do you need a designer?« zur
Eigenwerbung Web-Portfolio für Regisseur Mario Zozin Die Keksverpackung gestaltete Sabine Ahrens als Give-away für den
Neptun Award im Auftrag von Albert Bauer Companies

PAgE nEWSLEttEr

»Yps«-Relaunch Inspiration pur! Immer up to date


Szene. »Yps« ist zurück – und zwar als Män- PAGE-Galerien. Gesammelt, geordnet n Bestellen Sie jetzt den kostenlosen
nermagazin für die heute 30- bis 45-jährigen und in einer Box zusammengefasst: In PAGE Newsletter und bleiben Sie auf
Leser von damals. Chefredakteur Christian zahlreichen Bildergalerien zeigt PAGE Ma- dem Laufenden rund um kreatives Me-
Kallenberg will mit Mode, Comics, Zauber- king-ofs, Kampagnen, Portfolios, Studio- diendesign, Publishing und Trends. So
tricks und natürlich der Gimmick-Beigabe einblicke und exklusive Reportagefotos erfahren Sie auch als Erste, wenn wir
»Kindheitserinnerungen wecken, ohne kind- von Events wie der Bread & Butter, TYPO ein neues PAGE Seminar veranstalten
lich zu wirken«. Wir stellen das Heft vor. Berlin oder der re:publica. oder eine Sonderedition herausgeben.
≥ www.page-online.de/relaunch-yps ≥ www.page-online.de/galerie ≥ www.page-online.de/newsletter
018 PAGE 12.12 SZENE Ausbildung

AUSBILDUNG
Keine Zeit
n Buchgestaltung. »Die ersten An­
zeichen des Krankheitsbildes sind ein
überdurchschnittlich hohes Maß an
Pünktlichkeit, Schlafdefizite, chroni­
sche Ungeduld und die pathologische
Zufuhr von Kaffee und anderen ›Mun­
termachern‹«: Die Definition des »Eil­
Syndroms« dürfte vielen Gestaltern be­
kannt vorkommen. Daniela Weiß be­
schäftigte sich in ihrer gleichnamigen
Abschlussarbeit für die Meisterklasse
an der Grafischen in Wien mit dem Phä­
nomen der Zeitverknappung in der
westlichen Gesellschaft. Darin analy­
siert sie Ursachen wie ungesunden Ehr­
geiz, Zeitdiebe im Alltag und Multitas­
king, beschäftigt sich aber auch theore­
Eine von mehreren tisch mit der Wahrnehmung von Zeit.
Ursachen für das Die Arbeit hat einen starken per­
»Eil-Syndrom« sind sönlichen Bezug: Weiß beschreibt sich
die Zeitdiebe, selbst als Workaholic und fertigte unter
die Daniela Weiß in anderem eine Analyse ihrer Wochenar­
ihrer Arbeit illus- beitszeit an. So wurde das Projekt auch
trativ umgesetzt hat zu einer Art »Selbsttherapie«, sagt die
Gestalterin. Ihre Beobachtungen und
Überlegungen visualisierte sie durch Il­
lustrationen, Fotos und Infograiken.
Das zweifarbig gestaltete, übergroße
Buch (23,5 Zentimeter mal 33,5 Zenti­
meter) hat Weiß zudem selbst gebun­
den. In vier zusätzlichen Bänden doku­
mentiert sie die Entstehung der Arbeit,
etwa in einem Zeitstrahl. Das »Eil­Syn­
drom« gewann den diesjährigen inter­
nen Designpreis der Meisterklasse.

»Fokus auf die visuelle Markenkommunikation«


n Im Herbst 2010 ging die Brand Aca­ Bedürfnissen und Anforderungen von enge Zusammenführung der Studien­
demy in Hamburg an den Start, im Agenturen und Markenunternehmen. gänge Brand Design und Brand Mana­
nächsten Jahr gibt es die ersten Bache­ Wie ist das Studium organisiert? gement gewährleistet. Viele Grundla­
lorabsolventen. Wir sprachen mit Ans­ Der dreijährige Bachelorstudiengang genseminare werden gemeinsam ge­
gar Eidens, Leiter des Studiendepart­ Brand Design vermittelt die theore­ lehrt. Von Beginn an wächst dadurch
ments Design, über das Angebot der tisch­wissenschaftliche und praktische das Verständnis für die Herausforde­
privaten Hochschule. Kompetenz, um alle sinnvollen Prozess­ rungen der jeweils anderen Studien­
schritte gestalten und kommunizieren gruppe. Das fördert die ganzheitliche
Was unterscheidet die Brand Academy zu können – angefangen bei der Ana­ Herangehensweise und effektives
von anderen Fachhochschulen im lyse der Markenstrategie, der gestal­ Teamwork in Hinsicht auf die spätere
Bereich Gestaltung? terischen Richtungsentscheidung, dem beruliche Praxis.
Ansgar Eidens: Die Brand Academy Entwurf und der Ausarbeitung des Ge­ Inwiefern bietet das Studium einen Be-
widmet sich umfassend dem Themen­ staltungskonzeptes bis zur Präsenta­ zug zur Praxis?
komplex Marke. Die Studiengänge tion und Dokumentation durch Design­ Über das Studium hinweg kooperie­
Brand Design und Brand Management richtlinien. Der Fokus auf die visuelle ren beide Studiengänge mit Agentu­
orientieren sich an den tatsächlichen Markenkommunikation wird durch die ren und Markenunternehmen, gestal­
PAGE 12.12 019

+++ Erste Honorarprofessorin. Irmgard Sonnen er­


hält eine Honorarprofessur im Fachbereich Design an
der Fachhochschule Düsseldorf. Die Graik­Designe­
rin gründete 1979 das Designbüro Sonnen und lehrt
seit 1981 in den Bereichen Typograie, Layout, Buch­
gestaltung und Corporate Design. Sie gestaltete und
publizierte zahlreiche Bücher an der Schnittstelle von
Kunst, Poesie, Literatur und Design, unter anderem
in ihrem 2007 gegründeten Queredo­Verlag. +++ Di-
gital Bauhaus Lab. Nach dem Vorbild des MIT Media
Lab errichtet die Bauhaus­Universität Weimar auf ih­
rem Campus ein interdisziplinäres Forschungszen­
trum für Wissenschaftler aus den Bereichen Informa­
tik, Ingenieurswissenschaften, Gestaltung und Gei­
steswissenschaften. Das Digital Bauhaus Lab soll 2013
fertiggestellt werden und zehn Labore auf vier Eta­
gen beherbergen. +++ Neue Professoren für Leip-
zig. Die Hochschule für Graik und Buchkunst Leipzig
hat drei neue Professoren: Ruprecht von Kaufmann
tritt zum diesjährigen Wintersemester die Professur
Tierpflege digital für Zeichnen und künstlerische Anatomie an, Jörg
Ernert übernimmt eine Professur für Malerei, Zeich­
n App-Design. Nie mehr doppelt füttern oder einen Impftermin verpassen: Mit nen und Komposition im Bereich Malerei/Graik, und
der Social-Management-Plattform inpetto will Carsten Hinz die Haustierhaltung Christoph Feist wird Professor für Zeichnen und Bild
auf zeitgemäße Weise optimieren. Ziel seiner Bachelorarbeit im Fach Interaction im Bereich Buchkunst/Graikdesign. +++ Deutscher
Design der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim Fernsehpreis. Philipp Käßbohrer und Matthias Schulz,
war es, eine digitale Plattform konzeptionell und graisch umzusetzen und ihre Studenten an der Kunsthochschule für Medien Köln,
Funktionsweise durchzuspielen. Das Konzept besteht aus einer App in Kombi- erhielten für ihre Produktion der Talkshow »Roche &
nation mit GPS-Halsband. Neben dem Standort soll die App über Aufgaben wie Böhmermann« den Förderpreis des Deutschen Fern­
Füttern und Reinigen sowie Termine beim Tierarzt informieren. Die medizini- sehpreises. Sie produzieren die Show mit ihrer Firma
schen Daten von Hund, Katze oder Maus sowie ein digitaler Impfpass sind ebenfalls Bildtonfabrik für ZDFkultur. Der Förderpreis ist mit
gespeichert. Ein Social Stream zeigt an, wenn freilaufende Tiere anderen inpetto- 15 000 Euro dotiert. +++ Materialbibliothek. Die Hoch­
Mitgliedern begegnen – das soll den Austausch zwischen ihren Besitzern fördern. schule Luzern – Design & Kunst hat eine umfangreiche
Für die Umsetzung nutzte Daniel Hinz, übrigens selbst Katzenbesitzer, Photo- Farbsammlung eröffnet. Die Materialbibliothek um­
shop, Illustrator und InDesign sowie Keynotopia fürs Prototyping. Zu der Arbeit fasst über 250 Farbpigmente, diverse Rohstoffe zur
gehört ein Kurzilm, der die Funktionen von inpetto erläutert ( www.carstenhinz. Herstellung von Farben sowie rund 1400 verschie­
de/inpetto ). Läuft alles nach Plan, wird die App zum Jahresende realisiert. dene Farbanstriche. Die Bibliothek ist nach Voran­
meldung für Besucher geöffnet. Informationen liefern
auch eine Online­Datenbank sowie eine iPhone­App.
≥ www.hslu.ch +++ Nebenjob für UdK-Präsident.
Professor Martin Rennert , Präsident der UdK Berlin,
ist neues Mitglied des Programmbeirats bei arte. Der
ten gemeinsam Workshops und Praxis­ die visuelle Umsetzung von Marken­ Rundfunk Berlin­Brandenburg entsandte ihn für
projekte. Im sechsten Semester arbei­ strategien, Corporate Design, Packa­ drei Jahre als Vertreter in das Gremium. +++ Multi-
ten die Studierenden im Rahmen eines ging oder auch Digital Branding. MediaArt-Dozentur. Jens Franke, freier Autor bei
Praxistransferprojekts mit einer Agen­ Was sollten Interessierte für ein PAGE und WEAVE, unterrichtet ab dem Wintersemes­
tur oder einem Unternehmen mehrere Studium an der Brand Academy ter 2012/13 an der Fachhochschule Salzburg im Stu­
Wochen zusammen. Diese praktische mitbringen? diengang MultiMediaArt. Sein erster Kurs trägt den Ti­
Phase lässt sich hervorragend mit der Neugierde, gestalterisches Talent und tel »Digitale Experimente«. ≥ www.fh-salzburg.ac.at
Bachelorarbeit kombinieren. die Bereitschaft, sich eingehend mit +++ ADC Nachwuchswettbewerb 2013. Noch bis zum
Für welche Berufe werden die Studen- theoretisch­wissenschaftlichen Hinter­ 15. Januar können Studenten und Junioren ihre Semes­
ten ausgebildet? gründen zu beschäftigen. Die Brand ter­, Abschluss­ oder Praxisarbeiten beim ADC Nach­
Der Studiengang Brand Design bildet Academy möchte Studierenden die wuchswettbewerb einreichen. Die Teilnahmegebühr
Kommunikationsdesigner aus, die als besten Voraussetzungen dafür mit­ liegt bei 75 Euro für Semester­ und Abschlussarbeiten
Experten für den Bereich Marke in De­ geben, sich zu verantwortungsvollen, und 125 Euro für Praxisarbeiten. Weitere Kosten ent­
signagenturen arbeiten. Dies mutet innovativ denkenden und selbstbe­ stehen nicht. Ausgezeichnet werden die Arbeiten im
sehr stark fokussiert an, bietet aber wussten Gestalterpersönlichkeiten ent­ kommenden Mai beim ADC Festival in Hamburg (sie­
äußerst vielfältige Arbeitsbereiche wie wickeln zu können. he PAGE 11.12, Seite 15). ≥ www.adc.de nik
020 page 12.12

TITEL

Kostenloses Material
Für das Leitsystem des
alten Speichers Metropolitan
Wharf am Themseufer
machte sich Mind Design auf
die Suche nach Treibholz.
Getrocknet, gesäubert und
mit Sandstrahl beschriftet,
wirken die Schilder äußerst
edel. Die Schrift entstand
in Zusammenarbeit mit Neal
Fletcher. Der 23-jährige
Typedesigner zeichnete zwei
Versionen: eine fürs Holz
mit offeneren Punzen und
eine etwas feinere
Variante für den Druck.

Für Ricordi entwarf


Atelier Brückner eine
Ausstellung mit zwei
Erzählsträngen: der
Historie des Musikverlags
und der Entstehung einer
Oper in fünf Schritten.
Teil der Vorabvisua-
lisierung war dieses
plastische 3-D-Modell
page 12.12 021

Mehr mit Weniger


Erstklassiges Design bei minimalem Budget? Da sind intelligente Lösungen gefragt. Wir zeigen, was sich Kreative
alles einfallen lassen, um Geld zu sparen und dennoch das Beste herauszuholen
022 page 12.12 TITEL Low Budget – Top Design

n Die Kosten niedrig zu halten ist ja erreichen kann. Wenn das aber sogar
zunächst einmal nichts Schlechtes – vo­ bei efizientestem Einsatz der zur Ver­
rausgesetzt, die Einsparungen gehen fügung stehenden Mittel nicht gelin­
nicht zulasten der Qualität. Wehe aber, gen kann, ist selbst Low Budget raus­
das Wort »Low Budget« fällt. Da zuckt geschmissenes Geld.«
manch Kreativer zusammen, hebt ab­ Kosten lassen sich an verschiede­
wehrend die Hände und sagt: »Damit nen Ecken eines Projekts sparen, schon
wollen wir nichts zu tun haben, wir sind ein ordentliches Brieing, die richtige
keine Billigagentur.« Keine Frage, der Recherche und eine korrekte Auftrags­
Begriff ist negativ besetzt. Eigentlich bestätigung verhindern Folgekosten
unsinnig, schließlich heißt Low Budget und schonen den Etat. Wo genau ge­
doch bloß, mit möglichst wenig Geld spart wird, sollte man allerdings gut
möglichst viel erreichen – also ein nied­ überlegen. »Grundsätzlich kann billig,
riger Etat, gepaart mit viel Intelligenz vor allem im Corporate Design, genau­
und Kreativität. »In unserer Branche so falsch sein wie unnötig teuer. Oft las­
bedeutet ›Low Budget‹ aber leider sen sich Kunden Logos über Crowdsour­
auch ein unterdurchschnittliches Ho­ cing­Plattformen gestalten und wissen
norar bei überdurchschnittlichen An­ dann nicht, wie sie diese in der Ge­
forderungen. Oder, anders gesagt: Der schäftsaustattung verwenden sollen«,
Kunde möchte den Mercedes zum beobachtet Holger Jacobs, Gründer
Golf­Preis«, erklärt Norbert Gabrysch. von Mind Design in London. Ein Logo
Dabei, so der Vorstandsvorsitzende von mache aber noch lange kein Corporate
wirDesign in Braunschweig und Ber­ Design. »Ebenso wenig sinnvoll ist es,
lin, steht Low Budget doch eigentlich für einen kleinen Job eine aufwendige
für Konzentration aufs Wesentliche. Kommunikationsstrategie und detail­
»Das setzt aber voraus, dass man in lierte Guidelines zu entwickeln, die der
den Anfang investieren muss, ins Kunde letztlich nicht braucht.« Mind
Darüber­Nachdenken, was überhaupt Design konzentriert sich daher auf die
das Wesentliche ist. Und wie ich das wesentlichen Anwendungen und be­
vielleicht auf eine etwas andere Art zieht die Produktion von vorneherein

»Low-Budget-Projekte? Das ist doch nichts Besonderes!


Zu uns hat in den letzten 25 Jahren noch nie ein Kunde gesagt:
Entwickeln Sie das Optimum – wir haben Geld wie Heu!«
Norbert Gabrysch, Vorstandsvorsitzender von wirDesign, Braunschweig und Berlin

Eigene Prägestanze
Das Briefpapier druckt Thomas
Moll für sein Innenarchitektur-
studio RaumFreude selbst auf
einem Laserprinter, die Visiten-
karten ließ er einfarbig schwarz
im Offset herstellen. Die ver-
antwortliche Designagentur
Fuenfwerken hatte die Idee,
die Geschäftsausstattung mit
einer Prägestanze zu veredeln,
die bei RaumFreude steht.
So kann der Kunde die Aulage
nach Bedarf steuern und muss
trotzdem nicht auf eine hoch-
wertige Anmutung verzichten.
page 12.12 023

mit ein. »Das heißt, wir gestalten oft


rückwärts und gehen vom Material und
vom Herstellungs­ oder Druckprozess
aus, um dann die Designentscheidun­
gen zu treffen. So stellen wir sicher,
dass wir das Produktionsbudget ein­
halten«, erklärt Holger Jacobs.
Low Budget im besten Sinne ist
das Leitsystem, das die Londoner De­
signer für den kürzlich renovierten al­
ten Speicher Metropolitan Wharf im auch exzellent zum Gebäude – viel bes­ Mülltonnen zu Kameras
Osten der Stadt entwickelten. Das Bud­ ser als jedes Material, das im Rahmen Wie verbessert man das Image
get war recht knapp, trotzdem kamen des Budgets zu kaufen gewesen wäre. der Müllabfuhr, ohne Millionen
Standardplastikschilder für sie nicht dafür auszugeben? Das fragte sich
infrage – das Material sollte einen Be­ Der Handwerker um die Ecke freut die Hamburger Stadtreinigung
zug zum Gebäude haben. Da Metro­ sich nicht als Einziger über eine kos­ und bat Scholz & Friends Berlin,
politan Wharf direkt an der Themse tengünstige Lösung, auch große Kun­ bei der Suche nach einer Lösung
liegt, kam Mind Design auf die Idee, den, besonders öffentliche Auftrag­ zu helfen. Die Kreativen hatten die
Treibholz zu sammeln. Gesagt, getan. geber, begrüßen intelligentes Design. Idee, das Arbeitsgerät der Müll-
Schnell waren einige Plastiktüten mit Wie die Technische Universität Braun­ männer – die Mülltonnen – zu einer
in etwa passenden Hölzern gefüllt schweig, von der wirDesign den Auf­ Lochkamera umzubauen und sie
und im Kofferraum verstaut. Nach dem trag für ein neues Corporate Design er­ damit ihre Lieblingsplätze fotogra-
Säubern und Trocknen ließ das Studio hielt. Mit 6 Fakultäten, 110 Instituten ieren zu lassen. Das Ergebnis
die Schrift – die es zusammen mit Neal und rund 3000 Mitarbeitern gehört die sind großartige Schwarzweißbil-
Fletcher auf Basis einer alten Beschrif­ TU zu den größten Arbeitgebern der der – für die die Werber das Wort
tung am Gebäude entworfen hatte – Region. Die Freiheit von Forschung und »Tonnograie« erfanden und die
per Sandstrahl ins Holz fräsen. Die fer­ Lehre war bislang auch als Freiheit der weltweit Millionen von Print- und
tig beschrifteten Treibholzschilder be­ öffentlichen Selbstdarstellung aufge­ TV-Kontakten generierten.
festigten sie auf Kupferrohren. So las­ fasst worden. »Je nach akademischem
sen sie sich, etwa beim Umzug eines Umfeld, Tradition und Anspruch der
Mieters, einfach an­ und abmontieren. Institutsleitung existierte ein buntes
Das Treibholzleitsystem sieht nicht nur Durcheinander bei den unzähligen Pu­
individuell und hochwertig aus, es passt blikationen, Präsentationen, Flyern
024 page 12.12 TITEL Low Budget – Top Design

Medien als Multiplikator und Webauftritten: von hochprofes­ nötig: ein Workshop mit Universitäts­
Um junge Leute in die Oper zu locken, gestaltete sionell bis gar nicht gestaltet, einher­ präsident und ­leitung mit dem Ziel,
DDB Stockholm zusammen mit der Mode- gehend mit einer kaum überschauba­ diese für das Projekt zu begeistern
marke Weekday eine Serie von T-Shirts, die ren Vielfalt an Gestaltungstools und und die nötige Rückendeckung zu be­
zugleich Operntickets waren. Events in Kommunikationsgewohnheiten«, sagt kommen sowie diverse Meetings mit
den Weekday-Stores, bei denen Teile des Norbert Gabrysch. Diesen Wirrwarr den verschiedenen Hochschulgremien.
Balletts aufgeführt wurden, bescherten sollte wirDesign vereinheitlichen, wo­ Ebenfalls nicht besonders günstig wa­
ein gigantisches Medieninteresse. Der visu- bei eine zentrale Forderung des Kun­ ren die Designentwicklung, der Prozess
elle Auftritt selbst war denkbar einfach: den lautete, dass das neue Erschei­ der Involvierung und Implementierung
ein typograisches Logo, simple braune Brief- nungsbild nach der Implementierung sowie die Dokumentation mit Anwen­
umschläge als Verpackung für die T-Shirts keine Kosten mehr verursachen dürfe. dungsbeispielen und Templates in ei­
und bedrucktes, pinkfarbenes Klebeband, um Um die Voraussetzungen dafür zu ner Online­Toolbox. »Low Budget be­
die Aktivitäten im Laden hervorzuheben. schaffen, waren einige Investitionen deutete bei diesem Projekt die unbe­

Vertrauen statt Timing


Ein Klangerlebnis im Netz schuf Scholz &
Volkmer für das Orchester der Kulturen,
bei dem vom australisches Didgeridoo
über eine türkische Baglama bis zum
Alphorn alle erdenklichen Instrumente
vertreten sind. Dass Dirigent Adrian
Werum den Kreativen vertrauensvoll
freie Hand ließ, sparte wertvolle Zeit, die
sonst für Abstimmungsprozesse und
Termineinhaltung draufgegangen wäre.
Und der für die Website entstandene
Globus ist ein so starkes Keyvisual, dass
er nun in der gesamten Kommuni-
kation zum Einsatz kommt – so gab es
ein Corporate Design quasi on top.
page 12.12 025

dingte Forderung des Auftraggebers,


dass Gestaltungslaien wie Studenten »Low Budget ist das Gegenteil von Wegwerfdesign.
oder Hilfskräfte das neue Corporate
Design anwenden können und wol­
len. Deshalb wäre es fatal gewesen,
Es bedeutet, mit einem Budget verantwortungs-
diese Schritte einzusparen«, betont
Norbert Gabrysch.
voll umzugehen und Design zu schaffen, das einen
Entscheidend für den nachhalti­
gen, langfristigen Low­Budget­Effekt
Wert und eine gewisse Langlebigkeit hat«
waren, so Gabrysch, vor allem folgen­ Holger Jacobs, Gründer von Mind Design, London
de Punkte: »ein sehr einfaches Design­
prinzip (›Ja, das verstehe und kann
ich‹), das zugleich eine unendliche Viel­
falt individueller Möglichkeiten zulässt dere Soundelement (siehe PAGE 11.12,
(›Super, ich kann fast machen, was ich Seite 38 ff.). An die Wiesbadener Inter­
will‹). Außerdem war es wichtig, dass active­Agentur wandte er sich, weil er
wir die unterschiedlichsten Anwender­ sich an deren Weihnachtsspecial »Har­
anforderungen berücksichtigt und Ver­ monice Mundi« erinnerte. Dabei war
ständnis für das Thema Corporate De­ jedem S&V­Mitarbeiter ein Klang zu­
sign geweckt haben.« Schon während geordnet, und die User konnten daraus
der Präsentation ihres Konzepts im unterschiedlichste Kompositonen kre­
Auswahlverfahren hatte wirDesign den ieren ( www.s-v.de/harmonicemundi ).
Fokus auf die Vorgehensweise und die »Wir schlugen ihm vor, anstatt einer
Einbeziehung der Mitarbeiter gelegt. HTML­Site gleich etwas Größeres zu
Denn es war klar, dass die Qualität des gestalten, um das Klangerlebnis dieses
Prozessmanagements bei diesem Pro­ neuartigen Orchesters auch im Inter­
jekt mehr zum Erfolg beitragen würde net erlebbar zu machen. Adrian We­
als die Gestaltung selbst. Sicher auch rum war bereit, uns mit der kreativen
deshalb konnten sich die Braunschwei­ Umsetzung freie Hand zu lassen«,
ger gegen andere Agenturen durch­ erzählt Kreativdirektorin Nicoletta
setzen, obwohl sie nicht das günstig­ Merk­Gerlach. So schenkte man sich
ste Angebot abgegeben hatten. schon mal geld­ und zeitfressende
Korrekturschleifen. »Adrian Werum
Außer genauer Planung kann aber war weniger Kunde als Partner, er war
auch Vertrauen helfen, im Budget zu selbst in das Projekt involviert. Er lie­
bleiben. Scholz & Volkmer machte die­ ferte uns die Soundspuren, die nach­
se Erfahrung bei der Entwicklung der her bei den Kompositionen ineinan­
Website für das Stuttgarter Orchester dergreifen, so an, dass unser Flash­
der Kulturen. Bislang hatte dieses nur Designer Marc Storch sie direkt ein­
eine reine HTML­Seite, jetzt wollte der bauen konnte. Es waren also weder
Orchestergründer, der Komponist und Studioaufnahmen noch Schnittarbei­
Dirigent Adrian Werum, einen Relaunch ten erforderlich.« Außerdem konnte
des Auftritts – sowie das eine oder an­ die Agentur auf Shootings verzich­

Stempel statt Druck


Viel Geld hatte Christine Kinsella bei
Eröffnung ihrer Akupunkturpraxis nicht,
aber sie wusste um die Bedeutung
einer überzeugenden Geschäftsausstat-
tung und wandte sich an Jeremy Dahl
und Becky Nelson von Bex Brands in San
Diego. Die investierten einen Großteil
des schmalen Budgets in das hochwer-
tige Papier Curious Particles Gold und
gestalteten Broschüren, die sie dann
kopierten. Farbe kam durch ein Set über-
dimensionierter Stempel hinzu. Damit
Christine Kinsella dies selbst machen kann,
entwickelte Bex Brands ein Raster und
eine Anleitung für den Einsatz der Stempel.
Das Jutesäckchen passt zum »Down to
earth«-Ansatz der Therapeutin, der Anhän-
ger fungiert gleichzeitig als Visitenkarte.
026 page 12.12 TITEL Low Budget – Top Design

Pappkartons statt
Aufsteller
Mit den Designtagen
Wiesbaden – Access
All Areas präsentiert
sich seit sechs Jahren
die Kreativbranche der
hessischen Landes-
hauptstadt. Fuenfwer-
ken entwickelte ein
äußerst kostengünsti-
ges temporäres Leit-
system in der Innen-
stadt, indem sie
wiederverwertbare
Pappkartons nutz-
te, die Poster, Veran-
staltungsplakat,
Programmheft und
Ortsplan in einem sind.

ten, denn die Bilder der Musiker or­ lich war das Ganze auch ein Experi­ und den einprägsamen Schriftzug
ganisierte das Orchester selbst – viel­ ment. Anfangs wussten wir nicht, ob nutzt Adrian Werum in der Zwischen­
leicht nicht so professionell, dafür aber der Künstler sich darauf einlassen zeit auch auf Plakaten und in seiner
sehr authentisch. würde, sich von uns das musikalische Geschäftskommunikation.
Kosten sparte zudem, dass Adrian Konzept vorgeben zu lassen. Da war
Werum keine Deadline gesetzt hatte: auf beiden Seiten eine Menge Vertrau­ Noch einen Schritt weiter in Sachen
Der Auftritt musste nicht zu einem be­ en nötig«, resümiert Nicoletta Merk­ Vertrauen gingen der Architekt Van
stimmten Zeitpunkt fertig sein. So Gerlach. Entstanden ist nicht nur eine Bo Le­Mentzel (siehe PAGE 09.12, Sei­
konnte Scholz & Volkmer die bei der informative Website, die gut aussieht te 52 ff.) und die Kommunikationsagen­
Arbeit für große Kunden immer mal und jede Menge Spaß macht, sondern tur Aperto in Berlin: Bei ihrem »Karma­
auftretenden Wartezeiten für das Or­ quasi nebenbei ein Corporate Design. Deal« ließt überhaupt kein Geld. »Van
chester der Kulturen nutzen. »Natür­ Denn den Globus als starkes Keyvisual Bo Le­Mentzel wird am 23. und 24. No­

»Low Budget ist eine Art Spiel ohne Grenzen, bei dem aus einem kleinen
Etat ein großes, kreatives Spielfeld wird. Kleine Kunden haben oft
nur kleine Budgets, aber manchmal für uns großes kreatives Potenzial«
Nicoletta Merk-Gerlach, Kreativdirektorin bei Scholz & Volkmer, Wiesbaden

Puppen statt Models


Für die Flugsuchmaschine Swoodoo
konzipierte die zur Serviceplan-
Gruppe gehörende Filmproduktion
Neverest eine medienübergrei-
fende Kampagne, die statt teurer
Models Handpuppen einsetzt.
Das Konzept zeichnet sich durch ein
hohes Maß an Flexibilität aus,
denn mit Swoo und Doo lassen sich
zielgruppenspeziische Inhalte
und aktuelle Themen schnell und
kostenefizient für TV, Internet
oder Print umsetzen. Alles, was man
braucht, sind die beiden Figuren,
einen Hintergrund und eine Kamera.
In Kürze werden Swoo und Doo
nicht nur Geld sparen, sondern mit
einem Merchandising-Programm
sogar welches einbringen.
page 12.12 027

vember unseren zweiten ›Decoder‹- de gleichermaßen von dem Projekt


Workshop leiten, der, wie schon der begeistert sind. »Der gute alte Tausch-
erste mit Eike König, das offene Den- handel feiert in den digitalen Medien
ken fördern soll«, berichtet Jan Pautsch, ein Comeback«, ist Jan Pautsch über-
Unitleiter Kreation bei Aperto. Diesmal zeugt. »Natürlich funktioniert das nur
geht es um Le-Mentzels ›One Square als auf eine Nische bezogenes Experi-
Meter House‹. Sechs gemischte Aperto- ment. So etwas in Zusammenhang mit
Teams werden je ein Haus individuell großen Kundenprojekten zu setzen
gestalten. Als der Architekt sagte, er wäre Quatsch. Aber es ist eine kluge
möchte für diesen Workshop eigent- Idee für ein charmantes Businessmo-
lich gar kein Geld haben, sondern ei- dell. Das klassische Prinzip Kunde und
nen »Karma-Deal« eingehen, konnte Auftraggeber löst sich auf und neben-
Jan Pautsch damit erst nichts anfangen, bei entstehen nachhaltige, wertige
denn er arbeitet in einer stark kom- und nützliche Produkte.«
merziell getriebenen Welt. Er und sein Diese Kultur des Teilens und des
Team ingen an zu überlegen, was sie Austauschs hat eine ganze Reihe neu-
ihm anbieten können: »Wir kamen auf er Möglichkeiten hervorgebracht, das
die Idee, eine digitale Plattform für die Budget zu schonen – unterstützt durch
Do-it-yourself-Bewegung um das ›One die technischen Entwicklungen der
Square Meter House‹ zu entwickeln – letzten Jahre. Statt immer alles selbst
sie sichtbar zu machen, mit Geschich- und von Grund auf neu zu erstellen,
ten aufzuladen und zu vernetzen.« kann man auf vorhandene Lösungen Soziale Netzwerke nutzen
Ein großes Vorhaben für ein kleines und Ressourcen zurückgreifen. So in- Für das Maxim Gorki Theater Berlin
Budget und wenig Zeit bei allen Betei- den sich im Netz die verschiedensten transferierte Jung von Matt/Spree
ligten. Deshalb nutzen die Kreativen Instant-Portfolio-Anwendungen, die es gleich ein ganzes Theaterstück in die
foursquare, ein soziales Netzwerk, das auch webunkundigen Gestaltern er- virtuelle Welt. Die Facebook-Insze-
reale Orte digital sichtbar macht. »Dort lauben, sich rasch und simpel eine Site nierung »Efie Briest 2.0« trifft die Ziel-
lassen wir die One-Square-Meter-Welt zu bauen (siehe dazu den Artikel auf gruppe dort an, wo sie sich bevor-
kartograieren – von den Teilnehmern Seite 42 ff.). Die vielen Open-Source- zugt aufhält. Wer es nicht pünktlich zur
der Bewegung selbst. Durch die offe- Tools (siehe dazu Seite 94 ff.) können Aufführung schaffte, kann sie sich
ne Schnittstelle von foursquare können dabei ebenso hilfreich sein wie die Fül- weiterhin auf der Online-Bühne anse-
wir die One-Square-Meter-Daten wie le an hochwertigem Free Fonts (siehe hen. Einfach Mitglied werden unter:
Standorte, Check-ins und Kommenta- Seite 48 ff.) oder auch die Billigbild- www.facebook.com/groups/MGTOB.
re auf unserer eigenen Plattform sam- Plattformen (siehe Seite 70 ff.). Natürlich konnten die Zuschauer
meln. So entsteht ein Do-it-yourself- auch mitbestimmen – das ausgewählte
Atlas – in Echtzeit gefüllt mit Geschi- Soziale Netzwerke sind zudem eine Hochzeitskleid lässt allerdings Zweifel
chten aus der ganzen Welt.« Das Ganze gute Möglichkeit, um mit vergleichs- am Geschmack der Crowd aufkommen . . .
ist ein Experiment mit offenem Aus- weise wenig inanziellem Aufwand viel
gang. Damit es nicht zu Auseinander- Aufmerksamkeit zu bekommen. Jung
setzungen kommt, wer nun mehr Zeit von Matt/Spree transferierte gleich ein
und Aufwand investiert, braucht es ganzes Theaterstück in die virtuelle
Partner, die sich vertrauen und die bei- Welt und bescherte dem Maxim
028 page 12.12 TITEL Low Budget – Top Design

Gorki Theater Berlin mit »Efie Briest potenziale sich für die Theater­ und
2.0« einen Riesenerfolg. Die neue Spiel­ Kulturlandschaft im Social Web ver­
stätte ist eine Facebook­Seite, umfunk­ stecken, sondern auch einen Weg, mit
tioniert zur interaktiven Bühne, die ei­ einem schmalen Buget eine beste­
ne junge Zielgruppe erreichen und die hende Kommunikationsinfrastruktur
Online­Zuschauer neugierig auf die sinnvoll für das eigene Marketing zu
Aufführung am Maxim Gorki Theater nutzen und Interessierte genau dort
selbst machen wollte. Unter facebook. anzutreffen, wo sich bevorzugt auf­
com/groups/MGTOB konnten die Zu­ halten«, ist Till Eckel, Geschäftsführer
schauer bei der Online­Premiere live bei Jung von Matt/Spree überzeugt. Mit
miterleben, wie die Facebook­Proile Facebook als Bühne musste keine zu­
der Fontane­Figuren Efi Briest, Geert sätzliche Software programmiert, kein
von Innstetten bis hin zu Major Cram­ Kommunikationskanal eingekauft wer­
pas und einem Pferd zum Leben er­ den. Außerdem wurden Skript, Fotos,
wachten. Dabei bedienten sich die Videos und Musik beinahe ganz vom
Kreativen aller Mittel, die das Social Theater zur Verfügung gestellt. Auch
Network zu bieten hat: Rollenproile, wenn es sich schwer mit Zahlen bele­
Kluge Designimplementierung Statusmeldungen, Kommentare, Vi­ gen lässt, welche Besucher der Online­
WirDesign-Direktor Matthias Knoke und sein deo­ und Fotouploads, Places, Veran­ Premiere auch zur echten gekommen
Team entwickelten für die TU Braunschweig staltungen und so weiter. Selbstver­ sind, Lust auf Theater hat »Efie Briest
ein einfaches Gestaltungskonzept und einen ständlich konnten die User auch Ein­ 2.0« bestimmt gemacht – der Saal bei
Kanon aufeinander abgestimmter Sekun- luss auf das Stück nehmen: zum einen der realen Eröffnung war jedenfalls bis
därfarben, der auch Laien eine Vielzahl von in Form von interaktiven Szenen, bei auf den letzten Platz belegt.
Varianten ermöglicht. Das Layout gliedert denen sie durch Likes oder Kommen­ Ebenfalls die Kommunikationsstruk­
sich in ein Raster von Segmenten nach der tare den Verlauf bestimmen konnten, turen des Webs nutzte DDB Stockholm
Summenformel des Mathematikers Carl zum anderen durch ein vorher durch­ für eine Kampagne im Auftrag der
Friedrich Gauß. Zusammen mit dem Farbkon- geführtes Casting für drei Gastrollen. dortigen Königlichen Oper, die unter
zept prägt das »Gauß-Raster« inzwischen »›Efie Briest 2.0‹ zeigt nicht nur der Vergreisung ihres Publikums lei­
das Erscheinungsbild vieler Publikationen. auf, welche enormen Inszenierungs­ det. Wie aber lockt man jüngere Besu­

Selber falten und aufkleben


Die Fruchtpulver von Spice for Life
wirken hochwertig und besonders.
Das liegt vor allem an den im Buchdruck
gedruckten umlaufenden Figuren –
den Fruchtfeen – und den schön gestal-
teten Aufklebern. Eine kluge Produk-
tion sorgte für ein auf lange Sicht sehr
lexibles und damit auch günstiges
System. Verantwortlich für Konzept,
Gestaltung und Umsetzung ist
New Cat Orange aus Wiesbaden.
page 12.12 029

cher in die Oper, die oft schon mit der


Kleiderfrage überfordert sind? Die Kre­
ativen nahmen sich vor, die Dresscode­
Barriere abzuschaffen und designten
in Zusammenarbeit mit der Modemar­
ke Weekday eine Serie von T­Shirts,
die gleichzeitig Eintrittskarten für die
Oper darstellten. Events in den Week­
day­Stores, bei denen Teile des Bal­
letts »Manon« aufgeführt wurden und
Ausschnitte der Musik zu hören wa­
ren, sorgten für Aufsehen in den Me­
dien. So wurden die T­Shirts zum in­
novativen Mediakanal der Oper, und
Schwedens führende Fashionblogger
sprachen plötzlich über Opernkarten.
Der visuelle Auftritt der Aktion war
denkbar einfach: ein typograisches
Logo, simple braune Briefumschläge
als Verpackung für die T­Shirts und
bedrucktes, pinkfarbenes Klebeband,
um die Aktivitäten im Laden hervor­
zuheben. Die erste T­Shirt­Serie mit Flexible Grafik
»Manon«­Motiv war bereits nach vier spiel für einen Newsletter, dann von Ein einfaches graisches System, das
Stunden ausverkauft, und tatsächlich Fall zu Fall ergänzt. Apropos aufwen­ sich in verschiedensten Medien
jeder Käufer reservierte sich über den dige Veredelung: Bei Sonderdruckver­ anwenden lässt, kreierte Paula Scher,
beiliegenden Code auch einen Termin fahren macht es Sinn, nur ein Werk­ Partnerin bei Pentagram in New York,
für eine Aufführung. zeug, beispielsweise die Prägestem­ für den 58. Wettbewerb des Type Direc-
pel, anfertigen zu lassen, indem man tors Club. Ohne großen inanziellen
Der Herstellungsprozess bietet viel­ das Logo auf Briefbogen, Visiten­ oder Aufwand sorgen die knallroten Graiken
leicht das vielfältigste Einsparpoten­ Grußkarte gleich groß anlegt. Das für Aufsehen, und zwar völlig
zial – etwa durch vorausschauendes Ausreizen der Bogengröße kann eben­ egal, ob auf der Website, in Bannern,
Denken, indem man zum Beispiel für so ökonomisch sein wie das Wieder­ als E-Mail-Header oder auf den
spätere, kleinere Aulagen vorprodu­ verwenden von Makulaturbogen. Oder gedruckten Plakaten, die zugunsten
ziert. Also die Standards mit aufwen­ man recycelt gleich den gesamten Pa­ des TDC verkauft wurden.
diger Veredelung vorab in Großauf­ pierabfall. Dass daraus schöne Dinge
lage druckt, und die personen­ oder entstehen können, hat die Düsseldor­
terminspeziischen Elemente, zum Bei­ fer Agentur nowakteufelknyrim mit

»Low Budget bietet die Chance für etwas Einzigartiges,


weil die Währung Leidenschaft und Partnerschaft Berge
versetzen kann. Trotzdem bedarf es dafür einer Investition
des Kunden: nicht finanziell, sondern intellektuell«
Jan pautsch, Unitleiter Kreation bei aperto, Berlin
030 page 12.12 TITEL Low Budget – Top Design

ihrem Recyclingdesign bewiesen dem lexibler reagieren kann, wenn


(siehe PAGE 12.09, Seite 40 ff.). plötzlich Zimt viel mehr gefragt ist als
Wie sich bei Verpackungen etwas spa­ Curry. Für die unlängst hinzugekom­
ren lässt, weiß HP Becker, Gründer menen Fruchtpulver griff New Cat
von New Cat Orange in Wiesbaden. Orange auf das gleiche Grundkonzept
Das Biolabel Spice for Life, das feine zurück, ließ jedoch die Kartons – um
Gewürze aus aller Welt vertreibt, be­ sie von den Gewürzwürfeln zu unter­
nötigte ein lexibles, kostengünstiges scheiden – im Buchdruck mit einem
System, das trotzdem eine besondere Motiv, den Fruchtfeen, bedrucken.
Anmutung hat. Anstelle einer teuren, »Buchdruck zeigte sich hier als gute
komplizierten Faltschachtel aus Ver­ Alternative zum Offset, weil man deut­
bundstoffen, die schlecht zu recyceln lich weniger Material verbraucht – es
sind und so nicht zu einem Biolabel gibt kaum Makulatur – und wir mit
passen, ließ er aus einem günstigen dem haptischen Buchdruck quasi ei­
Recyclingpapier Stanzformen herstel­ ne Druckveredelung frei Haus erhal­
len, die dann in einer Berliner Behin­ ten«, sagt Becker.
derten Werkstatt zu Würfeln gefaltet Die hier beschriebenen und ge­
werden. »Die Stabilität ist ausgezeich­ zeigten Projekte sollten auch die größ­
net, auch wenn sie befüllt sind und ten Zweiler davon überzeugen, dass
man sie von oben anfasst«, so HP Be­ Geldsparen nichts mit billigem Design
cker. Anstatt die Würfel direkt im Off­ zu tun haben muss. Wer den Begriff
set zu bedrucken, ließ er Etiketten »Low Budget« trotzdem nicht über die
produzieren, die nicht nur den Platz Lippen bringt, kann ja ausweichen:
auf dem Druckbogen optimal ausnut­ Nennen Sie es doch einfach »Design
zen, sondern mit denen der Kunde zu­ mit Sparpotenzial«. ant

Tauschhandel
Als Vorbereitung auf den »Decoder«-Workshop, den Van Bo
Le-Mentzel bei Aperto in Berlin leitet, sammeln die Mitarbeiter
der Agentur Ideen für das Innenleben des One Square Meter
House des Architekten. Anstatt eines Honorars bekommt dieser
von Aperto eine digitale Plattform, um sein Projekt zu prä-
sentieren – ein »Karma-Deal«, früher Tauschhandel genannt.

Eigene Darsteller
Mit geringstem Aufwand produzierte
die Hamburger Agentur Kolle Rebbe einen
animierten Weihnachtsgruß für Ritter
Sport, der durch 266 Schokotafeln bewies,
dass es auch Ritter-Sport-Weihnachts-
männer gibt. Eigene »Darsteller« hielten
die Kosten niedrig, der Bauplan, den
man anschließend im Blog des Schoko-
ladenherstellers herunterladen konnte,
sorgte für viel Freude bei den Fans und
erneuten Trafic auf der Website.
032 PAGE 12.12

K R E AT I O N

l l u nd D iskretion
Rock ’ n ’ Ro hm en ihre Umgebu
ng auch beso nders in tensiv wahr. Gut
te
, dass immer
und intelligenten
Services
rw eg s, sie ne nd em A m bien
t nur viel unte orientieren – mit
inspiriere
Kreative sind nich n A ns prüc hen
els sich an ihre
mehr Designhot
PAGE 12.12 033

Superbude St. Pauli, Hamburg


≥ www.superbude.de

n Ein älterer Herr sitzt im Ohrensessel und liest


Zeitung, daneben läzt sich eine junge Frau mit
MacBook – so abwechslungsreich wie die Einrich-
tung ist auch das Publikum der Superbude St. Pauli.
Der Eingangsbereich ist in einem langen, schlauch-
förmigen Raum untergebracht und ausgestattet mit
gelber Holzverkleidung, Sitzecken aus Jeansstoff,
zu Stühlen umfunktionierten Schubkarren, beque-
men Ledersesseln und einer hohen Zeitschriften-
wand. Die Lage zwischen St. Pauli und Schanzen-
viertel ist ideal für Feierwütige ebenso wie Busi-
nessreisende und Stadttouristen. Ab 70 Euro zahlt
der Gast für ein Doppelzimmer in diesem Mix aus
Budgethotel und Hostel – eine günstige und ge-
mütliche Bleibe etwa zum ADC Festival, das im
nächsten Frühjahr in Hamburg stattindet.
Die Superbude St. Pauli eröffnete im Februar 2012,
das Schwesterhaus in St. Georg gibt es bereits seit
2008. Besitzer der Immobilie ist die Telekom, und
bei der Übernahme standen noch die Kabeltrom-
meln und Steckkästen des ehemaligen Fernmelde-
amts in der unteren Etage. General Manager Jörn
Hoppe beschreibt den Stil des Hotels als funktional
und simpel – aber mit Designanspruch. Die Ka-
beltrommeln etwa funktionierte die zuständige In-
terior-Design-Agentur Dreimeta zu Tischen um, die
heute in der Lounge stehen.
Do-it-yourself- und maritime Elemente sind wie-
derkehrende Motive in der Einrichtung, den thema-
tischen Schwerpunkt aber bildet Musik. So können
Bands Patenschaften für Zimmer übernehmen und
sich darin mit einer Songzeile verewigen; in der Su-
perbude inden Konzerte statt, und Kooperationen
mit Hamburger Clubs garantieren Gästelistenplät-
ze für Besucher. Der Clou jedoch ist die Rockstar-
Suite, ein Sechsbettzimmer mit herunterklappba-
rer Bühne, Soundsystem, Kühlschrank und Doppel-
dusche – gerne auch als Location für Pressetermine
und Fotoshootings gebucht.
Das Konzept für die Superbude entwickelte Jörn
Hoppe gemeinsam mit Kai Hollmann, Geschäftsfüh-
rer der Fortune Hotels Hamburg GmbH, die auch
das Gastwerk Hotel und die beiden 25hours in
Hamburg betreibt (siehe Seite 41). Ihre Idee war es,
die WG-Atmosphäre von Hostels mit dem Luxus
eines Hotels zu verbinden. So hat jedes Zimmer ein
eigenes Bad, Bettwäsche, hochwertige Matratzen
und WLAN. Spontane Aktionen wie temporäre Tat-
toos für die Gäste anlässlich des Reeperbahn Festi-
vals oder originelle Mailings an Journalisten – Mix-
Tapes in Jeanshülle – sorgen für Buzz in sozialen
Netzwerken und in den Medien. Verspielt ist auch
die von xport aus Dresden gestaltete Website: Mit
der U-Bahn fährt der Nutzer hier wahlweise nach
St. Pauli oder St. Georg, wo er mit einem Aufzug die
jeweilige Superbude erkunden kann.
Foto: Francis Amiand 034 PAGE 12.12 KREATION Designhotels

Mama Shelter, Paris


≥ www.mamashelter.com/de

n Wie bei Mama zu Hause sieht es bei liche Musikevents ziehen Einheimi-
Mama Shelter in Paris zwar nicht aus – sche an, die auch gern das Restaurant
dafür legt das Hotel besonderen Wert und die Bar besuchen. Seinen Gäs-
auf Freundlichkeit, Kommunikation und ten bietet das Hotel Fahrräder, Roller
Service. Fernab touristischer Sehens- und kleine Autos an. Mit knapp 90 bis
würdigkeiten im 20. Arrondissement 180 Euro pro Nacht im Einzelzimmer
gelegen, verwandelte Philippe Starck sind die Preise für eine Metropole wie
ein stillgelegtes Parkhaus in ein stylis- Paris durchaus erschwinglich. Mama
hes Wohlfühlhotel, das 2008 eröffne- empfängt übrigens auch in Marseille.
te. Grafiti an Wänden, Decken und
Fußböden sowie unverputzte Beton-
wände sind als Reminiszenzen an den
einstigen Betonklotz geblieben. Das
Mobiliar ist liebevoll zusammenge-
würfelt und kontrastreich kombiniert:
Plastik-, Holz- und Metallstühle, edle
Stoffe und gebürstetes Metall, grobe
Holzbalken und iligrane Lampen.
Lobby, Restaurant, Bar und Café
beinden sich in einem großen Raum,
lange Tische und Sitzecken sollen die
Geselligkeit fördern. Die Zimmer bie-
ten Rückzugsmöglichkeiten für Ent-
spannung oder Arbeit. Jeder Raum ist
mit einer kleinen Büroecke inklusive
WLAN ausgerüstet, 24- bis 27-Zoll-iMacs
dienen als Fernseher, Radio und Com-
puter. Für Meetings steht ein Atelier
mit etwa fünfzig Sitzplätzen zur Verfü-
gung. Kleine Details wie verschiedene
Masken über den Nachttischlichtern –
etwa Elvis oder Mickey Mouse – geben
einen überraschend verspielten Touch.
»Simple, honest and a little bit hip«,
so der Ansatz von Mama Shelter. Das
drückt auch die Homepage aus, die re-
duziert im Pinterest-Raster gestaltet ist
und Fotos der Mitarbeiter in Facebook-
Schnappschuss-Manier zeigt. Wöchent-
PAGE 12.12 035

40 Winks, London
≥ www.40winks.org

n Wohnzimmeratmosphäre im wahrs-
ten Sinne des Wortes erwartet die Gäs-
te bei 40 Winks, dem »Micro-Boutique-
hotel« von Interior Designer David Car-
ter. Sein Queen Anne Townhouse hat
er mit einem eklektischen Mix aus Ein-
richtungs- und Dekorationsgegenstän-
den verschiedener Epochen eingerich-
tet. Wie »Alice im Wunderland« kön-
nen die Gäste in dieser fantastischen
Atmosphäre der Realität entliehen.

Foto: Aliona Adrianova


Möbel aus mehreren Jahrzehnten, ver-
zierte Spiegel, lebensgroße Puppen
und Porzellanhunde, goldene Wände,
Deckengemälde und noch vieles mehr
zieren die plüschig-dunklen oder licht-
durchluteten Räume. »Das Haus ist wie
eine Autobiograie: Es spiegelt meinen
Geschmack und meine Leidenschaf-
ten wider – und es verändert sich
ständig«, so Carter.
Das 1717 errichtete Gebäude dien-
te schon einige Zeit als Location für
Shootings, als David Carter sich im
März 2009 entschloss, es auch als Über-
nachtungsgelegenheit zu vermieten.
Der opulente Shabby Chic zieht vor
allem Kreative aus Mode, Kunst und
Design an. »Wir bieten etwas Beson-
deres, etwas Experimentelleres«, er- Eine weitere Möglichkeit, in die At- die Wartezeit und kann gleichzeitig an
klärt Carter. Der Nachteil: Mit einem mosphäre von 40 Winks einzutauchen, einem der momentan angesagtesten
Single- und einem Doppelzimmer in- sind Events wie zum Beispiel die »Bed- Veranstaltungen in London teilneh-
den hier lediglich drei Personen Un- time Stories«, eine dekadente Pyjama- men. Ganz wichtig: Vorher ein schö-
terschlupf. Einen Besuch sollte man al- Party für Erwachsene mit Live-Perfor- nes Nightie shoppen – darauf legt der
so einige Monate im Voraus planen. mances und Gin-Cocktails in Teetas- Gastgeber nämlich großen Wert. Wer
Mit etwa 130 respektive 220 Euro pro sen. Ein Tipp: An diesen Abenden ist im Hotel noch ein wenig arbeiten oder
Nacht ist das Hotel zwar nicht günstig, das Singlezimmer häuig noch frei, da allein vor dem Fernseher entspannen
aber bezahlbar – besonders für Lon- es als Umkleide genutzt wird. Wenn möchte, sollte sich allerdings ein regu-
doner Verhältnisse. man das in Kauf nimmt, verkürzt man läres Hotel suchen.

25hours Hafencity, Hamburg


≥ www.25hours-hotels.com

n 25hours mag eine Hotelkette sein – Gedichten von Joachim Ringelnatz. Für und eine große Eichenholztreppe ver-
momentan gibt es sieben Häuser im die Umsetzung heuerten die 25hours- leihen dem Raum den Look eines La-
deutschsprachigen Raum –, und doch Betreiber ein interdisziplinäres Krea- gerhauses. Zentrales Element ist ein
ist jedes davon einzigartig. Denn die tivteam an. Dazu gehören eventlabs, Überseecontainer, von Hapag-Lloyd zur
Hotels gehen auf ihre jeweilige Umge- eine Agentur für Markenkommunika- Verfügung gestellt und einem Schiffs-
bung und deren Historie ein, erzählen tion im Raum, der freie Artdirektor ausrüster veredelt, der als kleiner Kon-
also jedes eine eigene Geschichte. So Markus Stoll, Interior Designerin Conni ferenzraum dient. Sofas und Sessel
auch das 25hours Hafencity, das den Kotte sowie das Architektur- und De- aus Brasilien, Hanfteppiche aus einer
Gegensatz von traditionellem Hafen- signbüro Stephen Williams Associates – kleinen türkischen Manufaktur und ma-
quartier und hypermoderner Archi- allesamt aus Hamburg. ritime Fundstücke wie eine Madonnen-
tektur des neu entstehenden Viertels Die Empfangshalle des im Juli 2011 statue sorgen für Wohnzimmerlair in
aufgreift. Gestalterisches Motto ist die eröffneten Hotels ist großzügig und der Lobby. Die Einzelstücke sammelte
Seefahrt, Pate dafür stand Kuttel Dad- mondän. Sechs Meter hohe, unverputz- Conni Kotte innerhalb von zwei Jah-
deldu, der raubeinige Seemann aus den te Decken, Markierungen am Boden ren in ganz Europa zusammen.
036 PAGE 12.12 KREATION Designhotels

Die Zimmer, hier Kojen genannt, sind das sprichwörtliche Seemannsgarn op- die auch Nicht-Gästen offenstehen. Auf
warm und gemütlich gestaltet. Lotsen- tisch umgesetzt (siehe PAGE 11.12, Sei- dem Dach beindet sich eine innische
leitern dienen als Ablage, ein von dem te 74). Als Basis dienten die Geschich- Sauna mit Hafenblick und Astra-Kühl-
Hamburger Möbelbauer likoo entwor- ten von 25 Seefahrern, die sich im Log- schrank. Derzeit liegt das Hotel noch
fener Überseekoffer als Arbeitsplatz, buch jedes Zimmers nachlesen lassen. inmitten von Baustellen und neuen
die Betten sind mit dunklem Holz ein- Die Zeichnungen im Matrosen-Tattoo- Apartmenthäusern, ab Dezember soll
gefasst, und überall inden sich runde Stil zieren auch die Geschäftsausstat- die neue U-Bahn-Linie U4 direkt vorm
Formen, die an Bullaugen erinnern. Am tung des Hotels. Außerdem gibt es Haus halten, auch ein eigener Boots-
auffälligsten ist aber die Tapete: Hier hat zwei Konferenzräume, eine Galerie für anleger ist geplant. Eine Übernachtung
der Berliner Illustrator Jindrich Novotny Events und diverse Aufenthaltsräume, kostet 105 Euro aufwärts.

das Sterne, Blumen, Seepferdchen und


Musiknoten scheinen. Die Innenseiten
sind mit einem Holzmosaik verziert,
das eher an urige Steinhäuschen erin-
nert. Selbst im kleinsten Wagen, dem
»Schwalbennest«, indet sich genug
Platz für ein Doppelbett, eine kleine
Sitzbank und Regale. Neben den eher
spartanisch eingerichteten »Berg- und
Talhütten« aus hellem Holz prunkt der
»Alte Palast«, gebaut aus dem holzver-
täfelten Empfangsraum einer ehema-
ligen Möbelfabrik, verziert mit einem
bunten Glasfenster.
Für weniger experimentierfreudige
Besucher hat der Hüttenpalast auch
ein paar klassische Hotelzimmer parat.
Sie sind größer und haben zudem ein
Foto: Jan Brockhaus

eigenes Bad. Für sämtliche Übernach-


tungsplätze ist freies WLAN vorhan-
den, in Café, Garten oder Aufenthalts-
raum lässt sich gemütlich arbeiten. Eine
Übernachtung im Hüttenpalast schlägt
je nach Personenanzahl mit circa 45
Hüttenpalast, Berlin oder 65 Euro zu Buche, die Hotelzim-
≥ www.huettenpalast.de mer sind 20 Euro teurer. Corporate De-
sign und Webauftritt wirken ein wenig
n Wer es klein und gemütlich mag – ben durch liebevolle Einrichtungen und zusammengeschustert – das mag da-
und noch dazu Gefallen an Camping Umbauten ein einzigartiges Etablisse- ran liegen, dass die Betreiberinnen von
indet, für den ist der Hüttenpalast in ment geschaffen, das außer den Schlaf- dem Interesse an ihrem Konzept über-
Berlin genau richtig. In einer alten Fa- plätzen auch einen Aufenthaltsraum, rumpelt wurden, macht aber auch
brikhalle in Neukölln stehen je drei ein Café und einen Garten umfasst. nichts. Wie das Hotel wirkt die Website
Wohnwagen und Holzhütten für einen Die Unterkünfte sind alle verschie- sehr persönlich und lässt das Herzblut
Stadtaufenthalt mit Landfeeling bereit. den eingerichtet. Der Wagen »Kleine spüren, mit dem sich die beiden ihrer
Silke Lorenzen und Sarah Vollmer ha- Schwester« hat ein Faltdach, durch Großstadtoase widmen.
038 PAGE 12.12 KREATION Designhotels

Hotel Daniel, Wien


≥ www.hoteldaniel.com/

n Bereits die Außenansicht des im


Frühjahr eröffneten Hotels Daniel in
Wien ist eindrucksvoll. Das in den 1960er
Jahren von Wolfgang Lippert entwor-
fene Gebäude wartet mit einer heute
denkmalgeschützten Curtain-Wall-Fas-
sade auf. Vom Dach ragt ein gestrande-
tes Segelboot – ein Kunstprojekt von
Erwin Wurm. Der Weg in die Lobby führt
an einem kleinen Gemüsebeet vorbei.
Der loftartige, helle Raum beherbergt
neben der Rezeption einen kleinen
Shop und die Bakery, die Restaurant,
Café und Bar in einem ist. Die Einrich-
tung ist ein Mix aus Vintage, klassischem
und jungem Design sowie DIY-Mobiliar,

Foto: Hotel Daniel Vienna


etwa einer an Seilen herabhängenden
Couch und Tischen aus Spanholzpalet-
ten. Die Interior-Ideen stammen von
Besitzer Florian Weitzer persönlich. Die
gemütliche Atmosphäre, freies WLAN,
internationale Küche und selbst geba-
ckene Kuchen ziehen auch Wiener an.
Die Einrichtung der Zimmer selbst dungstour durch Wien bietet das Hotel
ist sehr reduziert, Besonderheiten sind Fahrräder und Vespas an.
Hängemattensessel und durchsichtige Das Corporate Design aus der Feder
Duschkabinen im Raum. In den oberen von moodley brand identity kommt
Etagen geben die großen Fenster den reduziert, leicht und locker daher wie
Blick frei auf das Schloss Belvedere, das Hotel selbst. Viel Weiß, verspielte
dessen Park direkt ans Hotelgelände Icons und cognacfarbenes Leder prä-
grenzt. An der Vorderseite rauscht die gen das moderne Erscheinungsbild und
Stadtautobahn vorbei, die Fenster sind die hoteleigenen Produkte wie weiße
aber gut isoliert. Das gilt auch für die Hemden, Seife und iPhone-Cases. Ur-
»Suite« im Vorgarten: ein Original Air- sprung des Hotels ist das Daniel in Graz,
stream-Wohnwagen aus den USA. Der 1886 erstmals eröffnet und 2005 von
Silberpfeil wurde komplett saniert und Florian Weitz als Lifestylehotel neu auf-
zu einem komfortablen Hotelzimmer gestellt. In Wien zahlen die Gäste circa
für einen außergewöhnlichen Stadt- 90 Euro pro Einzelzimmer – eine Nacht
aufenthalt ausgebaut. Für die Erkun- im Airstream kostet rund 110 Euro.
PAGE 12.12 039

Casa Camper, Barcelona


≥ www.casacamper.com

n An der Casa Camper im Barrio El Konferenzräume bereit. Die Schlafzim-


Raval kann man schon mal versehent- mer liegen zur ruhigen Hofseite, wo ein
lich vorbeilaufen: Wer das altertümli- 18 Meter hoher vertikaler Garten für
che »Hotel«-Schild übersieht, mag den eine ungewöhnliche Aussicht sorgt.
Innenraum für ein Fahrradladen oder Casa Camper verfügt über eine Anla-
eine Galerie halten. Die auffälligsten ge zum Wasserrecycling sowie ein so-
Einrichtungsgegenstände der Lobby larbetriebenes Wasserheizungssystem.
sind nämlich zehn Leihräder, die von Die Preise für ein Einzelzimmer bewe-
der Decke hängen sowie eine Foto- gen sich – je nach Vorlaufzeit (Frühbu-
wand, die Bilder von den umliegenden cherrabatte) und Saison – zwischen
Geschäften zeigt. Die Rezeption aus rund 150 bis 250 Euro.
Marmor und Holz wirkt luxuriös, Pop- Casa Camper Barcelona gibt es seit
Art und ein mit Blumen und Büchern 2005, einen weiteren Standort in Ber-
gefüllter Tisch lockern die Einrichtung lin-Mitte seit 2010. Sie sind hundert-
der Lobby auf. Essensbereich und Zim- prozentige »Produkte« der mallorqui-
mer sind auf einfache Weise und funk- nischen Schuhmarke Camper. Entspre-
tional eingerichtet. chend bestimmt die Firmenfarbe Rot
Die Besonderheit der Casa Cam- auch das Corporate Design der Hotels.
per: Die Gäste bewohnen hier nicht Im ganzen Haus verteilt inden sich
ein, sondern zwei Zimmer. Schlaf- und Graiken von América Sànchez und
Wohnraum sind durch einen Gang ge- Albert Planas, die in handgeschriebe-
trennt und farblich gekennzeichnet – ner Typo beispielsweise dazu auffor-
rot für Schlafen und weiß für Wohnen. dern, die Treppen zu benutzen statt
Das Wohnzimmer mit Plasma-TV und den Aufzug (»It’s healthier«). Icons und
WLAN bietet eine Rückzugsmöglich- Hinweisschilder sind im selben Look
keit für Entspannung oder Arbeit. Für gehalten. Derzeit planen die Betrei-
Meetings stehen darüber hinaus zwei ber weitere Standorte.
040 PAGE 12.12 KREATION Designhotels

Wanderlust, Singapur
≥ http://wanderlusthotel.com/

n Was passiert, wenn man vier Design- mer sind mit illusionistischen Einrich-
studios anheuert und ihnen komplett tungsgegenständen und Dekorationen
freie Hand lässt? Hotelier Loh Lik Peng versehen wie zum Beispiel Stereoan-
hat es ausprobiert, und das Resultat ist lagen oder großen Blüten – was dem
das wunderbar bunte und abwechs- Gast das Gefühl gibt, sich inmitten eines
lungsreiche Wanderlust in Singapur. Comics zu beinden. Andere Zimmer
Die Lobby gestaltete Asylum (siehe haben gewagte eckige Deckenkons-
PAGE 04.11, Seite 44 ff.) im »Industrial truktionen, die an Origami-Faltungen
Glam«-Look, der unverputzte Kabelka- erinnern. In der dritte Etage stattete
näle mit Skulpturen und getönten die multidisziplinäre Kreativagentur
Spiegeln kombiniert. Für die Zimmer fFurious die Zimmer mit roter Rakete,
im ersten Stock zeichnet Phunk Studio Schreibmaschinensofa, ausgestopften Das von Foreign Policy in Singapur ≥ PAGE Online
verantwortlich. Das Designkollektiv kre- Monstern oder Blätterwäldern aus. entwickelte Corporate Design nimmt Weitere Bilder
ierte einen Traum für Pantone-Fans: Besonders diese Kreationen spiegeln die Flugreise als gestalterisches Motto, aus den vor-
Jeder Raum ist in einer anderen Farbe den Ansatz von Loh Lik Peng wider, es dominiert das Air-Mail-Farbtrio Weiß- gestellten Hotels
gehalten – und das konsequent auf je- der seine Hotels als Spielplatz für Er- Rot-Blau. Die Visitenkarten des Perso- sowie Links zu
der Oberläche und bis ins kleinste De- wachsene sieht – eine ideale Inspira- nals ähneln Gepäckanhängern, Koffer weiteren Hotels
tail. Korrespondierend dazu gibt es tionsquelle für Kreative also. Komfort werden mit einem Klebeband versehen, und Plattformen
Neonleuchten mit Songtiteln wie »Yel- und Ausstattung sind top, was neben auf dem die Zimmernummer steht – inden Sie unter
low Submarine« oder »Blue Monday«. dem Übernachtungspreis von 190 bis inklusive Baggage-Claim-Abriss für den www.page-
Wem das zu bunt ist, der kann sich 400 Euro auch die Mitgliedschaft bei Gast. Der Look wird konsequent ge- online.de/
im zweiten Stock einmieten: Hier setzt Design Hotels beweist, einer Vermark- wahrt, selbst die Innenseiten der Brief- designhotels
DP Architects einen Kontrast mittels tungsplattform für originelle wie luxu- umschläge zeigen Karten mit Flugrou-
komplett weißer Räume. Einige Zim- riöse Designhotels. ten. Da kommt Wanderlust auf! nik
PAGE 12.12 041

PAPIERWELT
molux­Sortiment an hochglänzenden, ropapier und bei Publikationen umfas­ Mit der Chromolux
gussgestrichenen Papieren, Etiketten send Papiere mit dem Blauen Engel ein. more with less
und Kartons verkleinert und dabei die Die EthikBank überzeugte die Jury Challenge will
verbreitetsten Farben und Gewichte in als Vorreiter in einer Branche, in der Metsä Board
den Vordergrund gerückt hat. Bei der die nachhaltige Verwendung von Recy­ Zanders Kreative
Auswahl des richtigen Produkts helfen clingpapier aufgrund des hohen Ver­ für einen ver-
zwei Kollektionsbücher, eines fürs Pa­ brauchs eine besondere Relevanz hat. antwortlichen
pier und eines für Karton, sowie eine Greenpeace Energy, so die Jury, betra­ Umgang mit
handliche Minikollektion. chte sehr genau alle Stufen der Medi­ natürlichen Res-
≥ www.chromolux.de/de/ enproduktion und lenke in vorbildli­ sourcen gewinnen
chromolux-challenge.html cher Weise die Aufmerksamkeit auf den
nachhaltigen Einsatz und das Bedru­
cken von Papier im Unternehmen. Der
»Steckbrief Umwelt« dritte Finalist, Jack Wolfskin, ist mit
n Papyrus Deutschland stellt ihren dem Druck seiner Kataloge auf Recy­
neuen »Steckbrief Umwelt« vor. Über clingpapier Wegbereiter in einem Pro­
die Jahre ist eine Fülle von Zertiizierun­ duktsegment, das ökologische Ein­
Chromolux-Kreativ- gen und unterschiedlichen Umweltzei­ sparpotenziale bisher kaum nutze. Der
chen entstanden, die die verschiede­ Gewinner wird am 7. Dezember 2012
wettbewerb nen Aspekte ökologischer und sozial auf dem Deutschen Nachhaltigkeits­
n Brauchen wir von allem wirklich im­ nachhaltiger Produktion repräsentie­ tag bekannt gegeben.
mer mehr? Oder ist weniger nicht bes­ ren. Die 20­seitige Broschüre im prakti­ ≥ www.nachhaltigkeitspreis.de
ser? Das fragt Papierhersteller Metsä schen Hosentaschenformat gibt einen
Board Zanders und lädt zur Chromolux kompakten Überblick über die gängi­
more with less Challenge ein. Bis 20. No­ gen Umweltlabels und ­zertiikate. Sie
Onlinerechner
vember können Kreative unter ande­ wurde klimaneutral auf RecyStar Polar n Was kostet eigentlich eine Laser­
rem Plakate, Magazine, Illustrationen gedruckt und lässt sich über die Web­ gravur oder ein Laserschnitt? Ohne zu­
oder auch nicht realisierte Konzepte site kostenlos anfordern. erst eine umständliche Anfrage stellen
einreichen, deren Qualität in der Re­ ≥ www.papyrus.com/de zu müssen, kann man dies auf der Web­
duktion aufs Wesentliche liegt. Eine site von Palegra nachschauen. Der Ver­
Jury wählt die fünf besten Arbeiten Sonderpreis edelungsspezialist stellt dort einen
aus, und zu gewinnen gibt es je eine Budgetrechner bereit. Gibt man die
Chromolux­Sonderedition der Minikü­
Recyclingpapier Höhe der Aulage, die Maße der Laser­
che miniki, die auch im kleinsten Büro n EthikBank, Greenpeace Energy und veredelung, die Art des Motivs und das
oder Atelier Platz indet. Obwohl der Jack Wolfskin sind beim diesjährigen gewünschte Endprodukt an, errechnet
Wettbewerb unter dem Namen des Wettbewerb um den Deutschen Nach­ das Tool den Preis. Dieser ist zwei Wo­
Zanders­Flaggschiffs Chromolux läuft, haltigkeitspreis 2012 für den Sonder­ chen lang verbindlich. Papier, Druck
gibt es bezüglich des zu verwenden­ preis Recyclingpapier nominiert, der und Logistik sind im Preis noch nicht
den Papiers keinerlei Vorgaben. unter der Patenschaft von Steinbeis Pa­ berücksichtigt. Service, so Palegra, be­
Hintergrund für die Ausschreibung pier vergeben wird. Alle drei setzen in ginne mit schnellen Angeboten. ant
ist, dass das Unternehmen das Chro­ ihren Nachhaltigkeitsstrategien bei Bü­ ≥ www.palegra.de
http://brithanson.com/ 042 PAGE 12.12 KREATION Portfolio-Tools

Das bin ich


Online-Portfolios sind heute Plicht, doch viele Gestalter schrecken vor HTML und CSS zurück. Die
Lösung: Tools, mit denen sich schnell und intuitiv Websites erstellen lassen – ganz ohne Coding

n Eine eigene Website zu bauen er­ nötig wäre. Zumal es genug andere Pro­ einfach besser als der Link zum Be­
fordert Zeit – vor allem für Leute, die jekte gibt, die Zeit und Aufmerksamkeit hance­ oder about.me­Proil.
keine Programmiersprachen beherr­ in Anspruch nehmen. Vor allem Foto­ Zum Glück stehen immer mehr Web­
schen. Ist die Seite einmal online, ist grafen, Illustratoren und auf Print spe­ applikationen zur Verfügung, die es Ge­
der Stress noch nicht vorbei: Jede Än­ zialisierte Designer tun sich mit ihrer staltern ohne Programmierkenntnisse
derung erfordert erneutes Eintauchen Webpräsenz oft schwer. Dennoch ist ermöglichen, schnell professionelle On­
in die Welt von HTML, CSS und Co. Das diese heutzutage essenziell für den line­Portfolios anzulegen – und das für
führt häuig dazu, dass Portfolios sel­ professionellen Auftritt – eine eigene wenig Geld. Bislang schreckten viele
tener aktualisiert werden, als eigentlich URL macht sich auf der Visitenkarte vor den mangelnden Individualisie­
PAGE 12.12 043

Für Blogger Squarespace


n Squarespace hat im Juli eine neue dienen, aktuell wird allerdings noch an
Version gelauncht. Die aktuelle Layout­ einer besseren Funktionalität gefeilt.
Engine ermöglicht eine intuitive Erstel­ Eine Statistik nach dem Vorbild von
lung und Bearbeitung der Website per Google Analytics, Suchmaschinenopti­
Frontend­Editing, Dateien lassen sich mierung und Bildbearbeitungsfunktio­
direkt vom Desktop in den Browser nen gehören ebenfalls zum Angebot.
ziehen. Derzeit stehen zwanzig Design­ Im Vergleich zu anderen Portfolio­
Templates zur Verfügung, bei denen Anwendungen setzt Squarespace ver­
man Farbpalette, Font und Layout be­ stärkt auf die Integration von Social
http://darrenbooth.com/

stimmen kann. Die Designs sind klar Media. Jede Website hat ein eigenes
und reduziert, die Arbeiten stehen im­ Blogging­Tool, in das Nutzer die Inhal­
mer im Fokus. Der Domain­Name ist te von Tumblr, WordPress oder Blog­
frei wählbar und die Darstellung für ger importieren können. So sind sämt­
mobile Devices optimiert. Auch das liche Blogposts an einer Stelle zusam­
Editing­Tool lässt sich per iOS­App be­ mengefasst und nichts geht verloren.
Auch Twitter­ und Instagram­Feeds las­
sen sich einbinden sowie umgekehrt
neue Einträge auch automatisch bei
Twitter und Facebook veröffentlichen.
Kommentaroptionen ermöglichen un­
mittelbares Feedback auf der Website,
außerdem kann man mehrere Contri­
butors für eine Seite freischalten. So
eignet sich Squarespace auch für Agen­
turen. Die für die Kreativszene konzi­
pierte Anwendung zählt mittlerweile
auch einige Unternehmen zu ihren
Nutzern, für die die New Yorker Firma
spezielle Templates entworfen hat.

Fazit: Squarespace ist besonders für


Leute attraktiv, die im Social Web aktiv
sind. Mit dem Tool lassen sich sowohl
Website und Blog venetzen als auch
Social Networks nahtlos einbinden.

Preis: 14 Tage frei, Standard-Account


etwa 10 Dollar im Monat (100 Dollar
im Jahr), Unlimited-Account ungefähr
20 Dollar im Monat (190 im Jahr)
≥ www.squarespace.com
http://vanbruntstillhouse.com/

www.lostswell.com/
044 PAGE 12.12 KREATION Portfolio-Tools

rungsmöglichkeiten solcher Tools


zurück – wie soll man seine Kreativität
beweisen, wenn man eine Website von
der Stange hat? Doch die Tools der
neuen Generation bieten zahlreiche
Möglichkeiten, das persönliche Port­
folio den eigenen Bedürfnissen ent­
sprechend zu gestalten.
So lässt sich das Layout anpassen,
Farbpalette und Typo auswählen und
bei manchen Diensten auch in den
Sourcecode eingreifen, um tiefere Ver­
änderungen vorzunehmen. Frei be­
stimmbare URLs, eigene Favicons und
der Verzicht auf Eigenanzeigen der
Plattformen (beziehungsweise ganz
dezente Hinweise) tragen zur profes­
sionellen Anmutung der Online­Prä­
senzen bei – ebenso wie die puristi­
schen Layouts, die die Arbeiten in den
Mittelpunkt stellen. Zudem bieten alle
Tools die Möglichkeit, Social­Media­
Kanäle zu integrieren, sodass die eige­
ne Website zur Anlaufstelle für persön­

http://salon.io/janalinaberkenbusch/
liche Inhalte im Social Web werden
kann. Alle Anbieter erfüllen eine wei­
tere wichtige Voraussetzung: Die mit
ihnen eingerichteten Portfolios sind
http://salon.io/Caspar

auch auf mobilen Devices darstellbar,


die meisten mittels Responsive Design
für alle Bildschirmgrößen optimiert.
Wem eine Responsive Website nicht
genügt, der kann auch eigens ein mo­
biles Portfolios erstellen. Mit Booklets
( www.bookletsworld.com, gratis) las­
sen sich etwa Collagen aus Text, Bild
Für junge Kreative Salon.io
und Sound zusammenstellen, die be­ n Salon.io, entstanden in einem In­ rich lobt unter anderem den schnellen
sonders für die Darstellung auf Smart­ teractive­Design­Kurs an der Hochschu­ Support der Betreiber.
phones und Tablets optimiert sind. Ein le für Gestaltung Offenbach (siehe Die Designs von Salon.io wirken jün­
umfangreicheres Tool ist die App Port­ PAGE 07.12, Seite 104), war ursprüng­ ger und verspielter als bei anderen An­
folio für iPhone (2,39 Euro) und iPad lich als interne Plattform für Studenten bietern – viele der Websites erinnern
(11,99 Euro). Hier lassen sich via Drop­ gedacht, die dann aber weiterentwi­ etwa an den ungeordnet wirkenden
box hochgeladene Bilder in Galerien ckelt wurde. Die Single­Page­Web­App Look des Inspirationsblogs Haw­lin. Ei­
anordnen. Beide Tools eignen sich für beindet sich noch in der Private­Beta­ ne Besonderheit ist, dass Besucher die
die schnelle Präsentation unterwegs – Phase. Demnächst startet ein Presale, Inhalte bewegen können – sofern die­
ein richtiges Online­Portfolio können um die letzten Programmierfeinheiten se Funktion freigeschaltet ist. Die Ver­
sie aber nicht ersetzen. inanzieren zu können. änderungen werden nicht gespeichert,
Wir stellen hier Portfolio­Anwen­ Das Tool bietet die Möglichkeit, Bil­ sorgen aber für eine spannendere User
dungen vor, die den Ansprüchen von der vom Desktop direkt in den Brow­ Experience. Unter den Nutzern inden
Kreativen aus verschiedenen Diszipli­ ser zu ziehen und sie dort zu bewegen. sich bisher neben Graik­Designern
nen gerecht werden. Sie bieten zwar Um eine Website zu erstellen, muss und Fotografen auch viele Musiker.
nicht so viele Freiheiten bei der Ge­ man nicht selbst programmieren –
staltung wie selbstständig program­ man kann es aber. Ein Code­Editor im Fazit: Das Angebot des Start­ups wirkt
mierte Websites. Die Nutzer schätzen System erlaubt es Usern mit HTML­ frischer und hipper als andere. Das
an ihnen aber die intuitive Bedienbar­ und CSS­Know­how (und Premium­ dürfte besonders Studenten und junge
keit, die eine schnelle Umsetzung er­ Account), ihren Auftritt nach Belieben Kreative ansprechen. Nutzer mit Co­
laubt, und nehmen dafür gern ein paar zu individualisieren. Allen anderen ste­ ding­Know­how und Premium­Account
Einschränkungen bei der Individuali­ hen Design­Templates, verschiedene können tief in die Programmierung ih­
sierbarkeit in Kauf. Neben üblichen Webfonts und Drag­&­Drop­Funktio­ rer Site einsteigen. Auch hier gibt es
Standards wie Multimedia­Einbindung, nen zur Verfügung. Dazu lassen sich deutschsprachigen Support.
Social­Media­Integration oder mobiler Social Media, Sound­ und Video­Files
Nutzbarkeit hat jedes Tool seine eige­ nach Belieben einbetten. Salon.io­Sites Preis: Basic-Account einmalig etwa
nen Schwerpunkte – sei es in Design, funktionieren auf mobilen Geräten, 12 Euro (begrenztes Datenvolumen),
Funktionsweise oder Community. Letzt­ die Darstellung wird derzeit aber noch Premium-Account circa 90 Euro im
lich entscheiden die eigene Zielsetzung optimiert. Der Domain­Name ist frei Jahr (im Presale nur 45 Euro)
und Geschmack über die Auswahl. nik wählbar. Printdesigner Caspar Wünd­ ≥ www.salon.io
PAGE 12.12 045

Für Ästheten AllYou


n Die Züricher Agentur PlasmaDesign
hat ihre Portfolio­Applikation Mitte
2011 gelauncht. Websites lassen sich
mit ihr schnell und intuitiv per Drag­
and­Drop anlegen, ein Backend gibt es
nicht. Zahlreiche Templates und Gestal­
tungsdetails ermöglichen ein hohes

http://grol.allyou.net/160076
Maß an Individualisierung. So stehen
etwa 93 Webfonts zur Auswahl, und Bil­
der lassen sich horizontal, vertikal oder
als Slideshow anordnen. Nutzer kön­
nen eine eigene URL wählen und nach
Belieben Plug­ins anderer Dienste wie
Facebook, Twitter oder Google+ ein­
binden. Dank Responsive Design pas­
sen sich die Sites automatisch verschie­
denen Bildschirmgrößen an. »Wir wol­
len ein möglichst umfassendes Tool bie­
ten, damit man keine zusätzliche Seite
mehr braucht«, erklärt Christian Weber,
Geschäftsführer von Plasma Design.
AllYou richtet sich explizit an Krea­
tive. Fotografen, Künstler und Stylisten
stellen derzeit die größte Nutzergrup­

www.martenaduss.com/33269
pe. Auffällig an dem Tool ist das redu­
zierte, cleane Design, das die Arbeiten
in den Mittelpunkt rückt. Aufgrund der
hohen Individualisierbarkeit sieht den­
noch kein Proil aus wie das andere.
Corinne Tan, Fotograin aus Auckland,
schätzt an AllYou auch den Service der
Betreiber. Olga Gromova, Graik­Desi­
gnerin in London, berichtet von einer
teilweise sehr langen Ladezeit, sonst
ist auch sie mit dem Dienst zufrieden.
Für Präsentatoren projeqt
Fazit: AllYou eignet sich für Kreative n Ursprünglich entwickelte TBWA pro­ und Favicon lassen sich individuell an­
mit einer Vorliebe für puristisches Web­ jeqt, um eine übergreifende Website passen, das Layout ist dagegen wenig
design. Die Bedienung ist durch Front­ für das Agenturnetzwerk aufzubauen. beeinlussbar. Kürzlich erweiterte pro­
end­Editing besonders schnell und in­ Die Anwendung orientiert sich weni­ jeqt aber das Angebot mit einer Tile­
tuitiv. Zu empfehlen für alle, die einen ger an gängigem Webdesign als an Optik im Pinterest­Stil und kündigte
deutschsprachigen Support vorziehen. Präsentationsprogrammen. Projeqt­ weitere Templates an.
Seiten sind aufgebaut wie Slideshows, Zu den Nutzern gehören nicht nur
Preis: 30 Tage frei, danach rund 12 Euro die Arbeiten stehen klar im Mittel­ Freelancer, sondern auch Agenturen,
im Monat oder knapp 100 Euro im Jahr punkt. Neben Bildern werden in den wie etwa Dorland aus Berlin. Die An­
≥ www.allyou.net meist horizontalen Slides auch Feeds wendung biete ihnen alles, was sie um­
von Social Networks angezeigt. URL setzen wollten, sagt Chief Creative Of­
icer Hendrik Melle. »Wenn jemand so
ein gutes Tool produziert, muss man
das Rad kein zweites Mal erinden. Die
Inhalte machen den Wert aus, nicht die
Plattform.« Außer Bildern lassen sich
etwa PowerPoint­ und PDF­Dokumen­
te hochladen, dank Responsive Design
ist das Proil auf allen Geräten abrufbar.

Fazit: Projeqt eignet sich primär für


die reine Darstellung von Arbeiten. Wer
in kürzester Zeit ein Online­Proil für
eine Präsentation zusammenstellen
http://tbwa.com

will, ist mit dem Tool bestens beraten.

Preis: kostenlos
≥ www.projeqt.com
046 PAGE 12.12 KREATION Portfolio-Tools

Für Anspruchsvolle Cargo Collective


n Cargo Collective ist eine Invite­only­ sites sehen entsprechend professionell
Für Unkomplizierte Community. Um das Tool nutzen zu aus. Ein Schwachpunkt ist aber das
können, muss man sich per E­Mail be­ (noch) fehlende Responsive Design.
4ormat werben – in der Regel werden aber
n Die Anwendung ist einfach zu be­ kaum Anfragen abgelehnt. Cargo bie­ Fazit: Cargo Collective eignet sich für
dienen und zu individualisieren. Nut­ tet 39 Design­Templates an, die meis­ Kreative, die Wert auf Exklusivität legen
zer können Layout, Farben und Typo­ ten davon sind schlicht und symme­ und zugleich Interesse am Netzwerken
graie frei wählen und bei Bedarf in trisch. Die Plattform dient als Port­ haben. Am besten lässt sich das Ange­
den Sourcecode eingreifen – sofern foliotool sowie als Community. Dabei bot ausschöpfen, wenn man seine Site
sie einen Pro­Account haben. Zudem fungiert das Frontend als öffentliche durch eigene Programmierung anpasst.
bietet 4ormat die Integration von So­ Website, das Backend als persönliches
cial Media und Google Analytics an so­ Proil innerhalb des Netzwerks. Hier Preis: begrenztes Proil gratis, sonst
wie ein eigenes Favicon. Der Domain­ kann man anderen Mitgliedern folgen circa 9 Dollar im Monat oder ungefähr
Name ist frei wählbar, ein kleiner und Beiträge kommentieren. Neben 70 Dollar im Jahr
Hinweis auf der Website deutet auf vielen Graik­Designern tummeln sich ≥ www.cargocollective.com
4ormat hin. Die Websites sind mobil bei Cargo Collective Musiker, Maga­
optimiert. Der New Yorker Graik­Desi­ zine und sogar ein Designinstitut.
gner Rhoan O’Connell lobt, dass sich Die Plattform ermöglicht – und
die Layouts für alle Gestaltungsdiszi­ empiehlt – die Individualisierung mit­
plinen eignen – für Motiondesigner tels Coding. Ist man darin selbst nicht
ebenso wie für Printspezialisten. Un­ bewandert, bietet Cargo eine Liste
ter den Nutzern inden sich viele Fo­ von Developern innerhalb der Commu­
tografen, die meisten stammen aus nity an, die man für die Customization
Nordamerika – was mit dem Standort anheuern kann. Graik­Designer Tim
Toronto zusammenhängt. Boelaars aus Amsterdam nutzte diese
Möglichkeit, um ein möglichst indivi­
Fazit: 4ormat bietet soliden Service, duelles Proil zu erhalten. Er lobt au­
sticht aber weder bei Nutzung noch ßerdem das einfache Hinzufügen, Ent­
Design besonders heraus. Es eignet fernen oder Verbergen von Inhalten.
sich für alle, die schnell und unkompli­ Cargo ist ein Freemium­Angebot:
ziert eine Website erstellen wollen und Bei der kostenlosen Nutzung sind das

http://michaelstevenforrest.com/
keinen Wert auf eine Community legen. Datenvolumen und die Zahl der Pages
beschränkt. Beim kostenplichtigen Ac­
Preis: 30 Tage gratis, Basic-Account count kann man sich die URL aussu­
rund 7 Dollar im Monat, Pro-Account chen und hat erweiterte Programmier­
etwa 13 Dollar im Monat möglichkeiten. Cargo wirkt sehr seriös
(Agenturen rund 25 Dollar) und auf Qualität bedacht. Die inner­
≥ www.4ormat.com halb der Community erstellten Web­
http://fradinemmanuel.4ormat.com/
http://rhoan.4ormat.com

www.timboelaars.nl/
PAGE 12.12 047

Für Netzwerker
Behance ProSite
n Den meisten Kreativen ist die Com­
munity Behance bekannt, bei der man
kostenfrei ein Proil anlegen kann, um
seine Arbeiten zu präsentieren. Im
März 2011 erweiterte Behance ihr An­
gebot um ein Tool zur Erstellung einer
eigenen Online­Präsenz: ProSite. Auch
hier sind keinerlei Coding­Kenntnisse
nötig, gestaltet wird per Drag­and­

http://jacknl.com/
Drop. Das Grundlayout ist zwar immer
gleich, lässt sich aber in hohem Maße
variieren, etwa bei der Anordnung von
Bildern, Hintergrundfarben und Web­
fonts. Ein schöner Effekt sind Roll­over
Shades, mit denen durch Mouse­over

www.saragaragnani.com/
farbliche Highlights ausgelöst werden Für Social Webber
können. ProSite bietet alle Standards
wie eigene URL, Social­Media­, Google­
Flavors.me
Analytics­ und Multimedia­Einbindung n Mit Flavors.me lässt sich zwar auch
sowie Kompatibilität für sämtliche mo­ eine Website gestalten, doch liegt der
bilen Devices. Darüber hinaus können Fokus auf der Integration bestehender
User ein eigenes Favicon einsetzen. Präsenzen im Social Web. Auf der Proil­
Um eine ProSite einzurichten, ist Startseite erscheint meist eine Liste
ein Behance­Proil notwendig, da von verschiedener Dienste wie Instagram,
hier die Inhalte hochgeladen werden. Twitter oder YouTube, deren Inhalte
Bei Bedarf lässt sich dieses verstecken, sich der Besucher anzeigen lassen kann.
sodass es nur als privates Archiv fun­ Inhalte werden also nicht auf die Web­
giert. Die Plege zweier Proile mag site hochgeladen, sondern aus ande­
aufwendig klingen, hat aber Vorteile: ren Diensten importiert. Die Individua­
http://lionelfernandezroca.com/

So sind die Arbeiten an zwei Stellen im lisierbarkeit der Seite ist begrenzt, die
Netz aufindbar und Behance dient Selbstdarstellung erfolgt über die ein­
zudem als Community für den Aus­ gebundenen Kanäle. Stef Spijkermans,
tausch mit anderen Kreativen oder die freier Stratege in Amsterdam, schätzt
Suche nach Projektpartnern. Während diese Übersichtlichkeit: »Im Gegensatz
man die Arbeitsbeispiele auf der eige­ etwa zu WordPress verliert man sich
nen Website zwecks Übersichtlichkeit nicht in Tausenden von Optionen und
einschränken sollte, kann man das Plug­ins. In wenigen Minuten hat man
Behance­Proil als Sammelstelle aller eine Online­Präsenz erstellt, die gut
Projekte nutzen. aussieht und repräsentabel ist.«

Fazit: ProSite bietet sich besonders Fazit: Mit Flavors.me lässt sich eher
für Kreative an, die bereits ein Behance­ ein Aggregat für Social­Media­Inhalte
Proil besitzen. Der Grad an Individua­ erstellen als eine eigenständige Site.
lisierbarkeit ist nicht so hoch wie bei Das Tool eignet sich für Kreative, die
http://grifincreech.com/

anderen Diensten, dafür ist die Bedie­ unterschiedliche Kanäle bespielen und
nung einfach und schnell. diese an einem Ort bündeln wollen.

Preis: circa 11 Dollar im Monat, Preis: limitierter kostenloser Zugang,


rund 100 Dollar im Jahr Proi-Account rund 20 Dollar im Jahr
≥ www.prosite.com ≥ www.lavors.me
048 page 12.12

TYPO

»Meine ersten Fonts


betrachtete ich nicht
als professionelle
Entwürfe. Daher habe
ich sie verschenkt.
Heute lebe ich vom
Typedesign, also
verkaufe ich sie«
Jos Buivenga
page 12.12 049

Strategische
geschenke
Das Budget ist maximal ausgereizt, aber Sie haben noch
keine Schrift? Zum Glück inden sich im Netz qualitativ
hochwertige Typen, die nichts kosten – sehen Sie selbst

n Anlässe, einen Free Font einzuset­ vertrauen hatte, habe ich ihn kosten­ Jos Buivenga
zen, gibt es immer wieder. Manchmal los unter einer Creative­Commons­Li­ arbeitete zu-
lässt das Budget einfach keinen Spiel­ zenz angeboten – die beste Entschei­ nächst in einer
raum für eine Schrift, oder man möch­ dung, die ich je getroffen habe.« Rund Werbeagentur,
te etwas für Freunde gestalten bezie­ 300 000 Mal wurde die Schrift herun­ bevor er sich
hungsweise erst mal eine Idee aus­ tergeladen, weltweit eingesetzt und ganz und gar
probieren, ohne dafür gleich viel Geld bescherte ihm unzählige wertvolle Kon­ dem Typedesign
auszugeben. Dann ist es natürlich vor­ takte. Als FF Kava ist die überarbeitete verschrieb.
teilhaft, auf einen hochwertigen Free und erweiterte Familie inzwischen bei Bei jeder seiner
Font zurückgreifen zu können. Aller­ FontShop zu kaufen, die ursprüngliche Schriften ist
dings darf man längst nicht mit jedem Kaffeesatz lässt sich allerdings nach mindestens ein
kostenlosen Zeichensatz auch alles ma­ wie vor auf http://yanone.de herunter­ Schnitt kosten-
chen. Viele Typedesigner erlauben die laden, ebenso ein zweiter Free Font: los, wie hier links
freie Verwendung nur für private, nicht die Tagesschrift. die Museo Slab
aber für kommerzielle Zwecke. Gründ­ und Museo 500,
liches Lesen der Nutzungsbedingun­ Sechs kostenlose Schriften bietet Neal herunterzuladen
gen ist also der erste Schritt. Fletcher auf seiner Website www.neal auf www.exjlibris.
Schriftgestalter verschenken ihre fletcher.co.uk an: »Meine Reise ins Type­ com. Der Rubri-
Werke aus unterschiedlichen Gründen: design begann als Experiment, als Ge­ kentitel oben links
Natürlich gibt es wahre Altruisten, in legenheit, mir eine Fertigkeit beizu­ ist in der Decani
den meisten Fällen aber stehen Free bringen, die ich schon immer lernen von Neal Fletcher
Fonts am Anfang der Typedesignkar­ wollte«, erzählt der 23­jährige Brite. gesetzt
riere, wenn sich der Designer einfach »Die Reaktionen auf meine erste Schrift
nicht sicher ist, ob die Schrift gut ge­ waren positiv, also machte ich weiter.
nug zum Verkauf ist. Wie im Fall von Aber weil ich immer noch lerne, fände
Jan Gerner, der unter dem Künstler­ ich es falsch, sie zu verkaufen.« Für die
namen Yanone (siehe PAGE 03.10, Sei­ Zukunft hofft er allerdings, ein kleines,
te 56 ff.) arbeitet: »2004 erschien meine feines Portfolio seiner Fonts auch kom­
erster, kompletter Font namens Kaffee­ merziell anbieten zu können.
satz. Weil ich wenig über die Typosze­ Diesen Schritt hat Jos Buivenga be­
ne wusste und noch weniger Selbst­ reits vollzogen. Als der Niederländer
050 page 12.12 TYPO Free Fonts

polaris wollte Felix Braden zu einer großen Familie ausbauen, dann wurde aber ein Free Font daraus. ≥ www.loodfonts.com, www.behance.net/Floodfonts

Bouwen ist eine Baukastenschrift, die es in den drei Versionen Filled, Holes und parts gibt. ≥ www.nealletcher.co.uk

Die moderne art-déco-Schrift Decani steht in Light, Medium und Bold, jeweils mit Italics zur Verfügung. ≥ www.nealletcher.co.uk

elega ist eine Serifenlose in Light, Medium und Bold plus passende Kursive. außerdem existiert eine gerundete Version. ≥ www.nealletcher.co.uk

Die geometrische geotica umfasst 16 Schnitte, jeder hat rund 600 glyphen. Die geotica Three Regular steht kostenlos zur Verfügung. ≥ www.exljbris.com

Die sympathische Serifenschrift Lido gibt es in neun kostenlosen Schnitten. allerdings muss man vor dem Download einen account anlegen. ≥ www.stormtype.com

Der FF Dingbats 2.0 Sampler enthält eine ganze Reihe kostenloser Zeichen des von Johannes erler und Henning Skibbe überarbeiteten Klassikers. ≥ www.fontshop.de

Soia pro ist eine umfangreiche Fontfamilie der französischen Typefoundry Mostardesign. einen Schnitt gibt’s umsonst. ≥ www.fontsquirrel.com, www.mostardesign.com

Mittelalterlich und trotzdem modern ist gallus Konzept, die in Regular, Medium und Bold vorliegt. auch hier gilt: erst registrieren, dann downloaden. ≥ www.stormtype.com

Die serifenlose Textschrift Fengardo Neue kann man in Regular und Black herunterladen. ≥ www.fontsquirrel.com

eine elegante Schreibschrift im Retrolook. ≥ www.fontsquirrel.com

Die Schrift stammt aus der Zeit, als Felix Braden viel mit pixeln und Rastern experimentierte. ≥ www.loodfonts.com, www.behance.net/Floodfonts

Die Type basiert auf den Lehrmaterialien der Montessori-Schulen. Kostenlos ist sie nur für den privaten gebrauch. ≥ www.macrhino.com
page 12.12 051

noch als Artdirektor bei einer Wer­ (www.floodfonts.com) – nämlich die spiel um ihn über Typekit als Webfont
beagentur arbeitete, gestaltete er, ge­ Arbeitszeit: »An meiner jüngsten kom­ zu vertreiben. »Das ist dann ein Mo­
wissermaßen als Ausgleich, ein paar merziellen Schrift, der FF Scuba, habe dell irgendwo zwischen kostenloser
Schriften, die er verschenkte. »Meine ich drei oder vier Jahre gesessen und und kommerzieller Schrift, das des Öf­
ersten Fonts betrachtete ich nicht als musste mich an einigen Stellen auch teren interessante Kontakte und Mög­
professionelle Entwürfe, deshalb gab schon mal quälen. Ich fände es unan­ lichkeiten eröffnet.« Bereut hat der
ich sie kostenlos weg – mit der ein­ gemessen, wenn ich eine große, gut Designer es im Übrigen nie, einige sei­
zigen Intention, dass andere Leute ausgebaute Familie verschenken wür­ ner Schriften verschenkt zu haben.
vielleicht Spaß daran haben.« Vor eini­ de. Bei anderen Typen habe ich aber Zumal er natürlich hofft, dass die Leu­
gen Jahren aber beschloss er, mit Type­ bloß ein wenig herumexperimentiert te eher bereit sind, eine Schrift von
design seinen Lebensunterhalt zu be­ oder hatte einfach keine Lust mehr, ei­ ihm zu erwerben, wenn sie schon gute
streiten. Alle seitdem entstandenen nen Ansatz weiterzuverfolgen. Dann Erfahrungen mit seinen Free Fonts
Schriften kosten Geld – wobei bei jeder mache ich daraus einen Free Font und gesammelt haben.
Neuerscheinung ein oder zwei Schnit­ freue mich, wenn die Leute ihn nut­ Wie die meisten Typedesigner sieht
te umsonst sind, um neugierig auf den zen.« Wie bei der Polaris, die ursprüng­ Felix Braden Gratisschriften, auch qua­
Rest zu machen. lich eine große Familie werden sollte. litativ hochwertige, nicht als Konkur­
Dieser Strategie bedienen sich auch Als Braden dann allerdings nicht wei­ renz zu kostenplichtigen. »Ich hoffe
große Schriftenhäuser. »Bei der Einfüh­ terkam, mutierte sie zum Gratisfont. eigentlich eher, dass durch sie ein Be­
rung neuer Schriften geben wir oft Free Eine gute Idee zu haben ist die eine wusstsein etabliert wird, dass nicht al­
Fonts heraus«, sagt FontShop­Vorstand Sache, daraus eine komplette Fontfa­ le Typen umsonst sind. Free Fonts bie­
Jürgen Siebert. »Aktuell gibt es zum milie zu entwickeln, eine ganz andere. ten eine hervorragende Möglichkeit,
Beispiel bei dem Webfont FF Chart­ Eine Schrift, die sich verkaufen soll, be­ von den illegalen Schriften wegzukom­
well den Schnitt Radar kostenlos zum nötigt einen umfangreichen Zeichen­ men. In den meisten Fällen stellt der
Testen. So wollen wir den Leuten Lust satz und andere Feinheiten, die mit Nutzer fest, dass weniger Zeit inves­
auf Schriften machen und in sozialen viel Mühe verbunden sind. »Nach den tiert wurde und entsprechend weni­
Netzen ins Gespräch kommen.« ersten 52 Zeichen beginnt für mich die ger Qualität darin steckt als in einer
Fleißarbeit. Einen Free Font kann man professionellen Type.« Sie brauchen
Ein sehr plausibles Kriterium, nach dann einfach mal online stellen und also, wenn Sie jetzt jede Menge Schrif­
dem er entscheidet, ob er eine Schrift sehen, ob er angenommen wird«, sagt ten herunterladen sollten, nicht das
kostenlos anbietet oder verkauft, hat Felix Braden. Ist dies der Fall, baut er kleinste bisschen schlechte Gewissen
der Kölner Typedesigner Felix Braden ihn gelegentlich weiter aus, zum Bei­ zu haben. ant

Als hätten wir uns abgesprochen: Während der Recherche zu diesem Artikel brachte der Hamburger Designer Florian Zietz
mit seinem Büro Librito die iPad-App FreeFonts 1.0 heraus. Sie zeigt eine Auswahl von circa 90 Text-, Display-, Fraktur- und
Symbolschriften, die im Internet frei verfügbar sind und sich für kommerzielle Zwecke kostenlos einsetzen lassen.
Die ausgewählten Fließtextschriften enthalten die üblichen Sonderzeichen und Umlaute und liegen zudem in bis zu sechs
Schnitten vor. Bis 31. Dezember ist die App zum Einführungspreis von 0,79 Euro erhältlich, danach kostet sie 2,99 Euro
052 page 12.12 TYPO Free Fonts

Die für die Danish School of Media und Journalism entstandene Type gibt’s in sechs Schnitten und einer Displayversion. ≥ www.daltonmaag.com

Jede Menge Tierspuren inden sich in dem Font animal Tracks von andrew D. Taylor. ≥ www.fonts2u.com

Dick und fett, im Stil von Comics und alten Zirkusplakaten. ≥ www.loodfonts.com und www.behance.net/Floodfonts

In Light, Regular und Bold stellt uns der schwedische architekt Mårten Nettelbladt die Miso zur Verfügung (siehe auch Seite 21 ff.). ≥ www.martennettelbladt.se

Manchmal müssen es einfach Totenköpfe sein. Da hilft SkullBearer von astigmatic. ≥ www.astigmatic.com

Mal eine andere Handschrift als immer die üblichen Verdächtigen. ≥ www.astigmatic.com

Vierzehn Schnitte umfasst die Sovereign. Die Regular ist kostenlos und macht appetit auf mehr. ≥ www.fontshop.de

ausgewaschene Type für Displayanwendungen. Für kleinere punktgrößen und fürs Web eignet sich die poster Clean. ≥ www.hvdfonts.de

Mit Roman und Bold plus Kursive, dazu Heavy und Small Caps bietet die Schriftfamilie viele Möglichkeiten. ≥ www.exljbris.com

Fontin gibt es in Roman, Italic, Bold und Small Caps. ebenfalls kostenlos ist die Fontin Sans in Regular und Bold plus Italics sowie Small Caps. ≥ www.exljbris.com

Für Freunde gebrochener Schriften bietet Dieter Steffmann eine Riesenauswahl. ≥ www.moorstation.org

geeignet für monumentale anwendungen im Stil römischer Inschriften. ≥ www.moorstation.org

Mit den sechs Schnitten extralight, Light, Regular, Semibold, Bold und Black ist dieser Monospaced Font sehr gut ausgebaut. ≥ www.fontsquirrel.com
054 PAGE 12.12 TYPO Typoszene Israel

Heilige Schrift
Seit Jahrtausenden ist das Hebräische die Schrift der jüdischen Religion. In Israel ist erstmals eine
typograische Alltagskultur entstanden – in spannungsreicher Nachbarschaft zur arabischen Welt
PAGE 12.12 055

n Man kennt es, ohne es lesen zu kön-


nen: Das hebräische Alphabet stellt
bis heute eine Sonderform in der typo-
graischen Welt dar. Es stammt direkt
von der phönizischen Schrift ab und
ist damit eine der ältesten noch ver-
wendeten Schriften. Eine modernisier-
te Version des antiken Hebräischen
dient seit der israelischen Staatsgrün-
dung 1948 – neben dem Arabischen –
als Umschrift der ofiziellen Amtsspra-
che. Da das Hebräische die Schrift des
Judentums ist, beschränkt sich seine
Verbreitung nicht auf Israel, sondern
es indet sich im religiösen Kontext
nahezu über die ganze Welt verstreut
wieder. Für das Alltagsleben hat sich
allerdings nur in Israel eine neue typo-
graische Kultur entwickelt – die sich
auch erheblich von den traditionellen
Formen unterscheidet.
Obwohl das Hebräische eine Qua-
dratschrift ist und in den Glyphen Merk-
male zeitgemäßer westlicher Schriften
aufweist, hat es vor allem mit dem Ara-
bischen zwei Dinge gemeinsam: zum
einen die Schreibrichtung von rechts
nach links, zum anderen den weitge-
henden Verzicht auf Vokale. Damit en-
den aber die Gemeinsamkeiten. Ver-
gegenwärtigt man sich die geopoli-
tische Lage von Israel im Nahen Osten,
wird man sich schnell bewusst, dass
der Sprachraum des Hebräischen voll-
ständig umgeben ist von arabischer
Schrift und Kultur. Das bleibt natürlich
nicht ohne Einluss – und sei es nur,
dass auf ofiziellen Beschilderungen
oft alle drei Schriften – Arabisch, La-
Links: Oded Ezers Poster »My Aleph«. Oben: Seine sehr zeitgemäße Interpretation der »Haggadah«,
teinisch/Englisch und Hebräisch – ver-
einer jahrhundertealten Sammlung von Gebeten und Liedern über den jüdischen Exodus. Herausgeber
treten sind. Von der archaischen Schrift
des im Frühjahr bei Little, Brown erschienenen Bandes ist Jonathan Safran Foer
hin zu einer modernen typograischen
Alltagskultur war es allerdings ein gro-
ßer Schritt, der erst ziemlich spät im
20. Jahrhundert gemacht wurde. Oded Ezer
Pioniertaten des modernen Hebräi- Der mit Abstand exponierteste Vertreter der
schen gab es schon vor der Gründung jungen Typedesignszene Israels ist sicherlich
Israels. Dazu zählen die um die vorletz- Oded Ezer – und dabei kein Schriftgestalter im
te Jahrhundertwende in Leipzig von herkömmlichen Sinne. Der typograische Künst-
dem Religionslehrer Raphael Frank ge- ler und Experimentator, wie er sich selbst be-
schaffene, leicht kalligraische Frank- zeichnet, geht mit seinem Studio seit 2000 an
Rühl ebenso wie die geradlinigere Ha- die Grenzen dessen, was man gängigerweise unter Typedesign ver-
dassah des aus Nazi-Deutschland in die steht – und gern darüber hinaus. Seine Fontkreationen sind drei-
Niederlande gelohenen Buchgestal- dimensional, anarchisch, chaotisch, poetisch, evolutionär. Buchsta-
ters und Typografen Henri Friedlaen- ben gebärden sich wie iligrane Insekten, werden zu Teilen der
der. Mit der Hausschrift für die gleich- Körpersilhouette oder entspringen einem geheimnisvollen »Typo-
namige zionistische Frauenbewegung sperma«. In immer wieder neuen Inszenierungen setzt der vielfach
schuf Friedlaender einen nachhaltigen preisgekrönte Designer aus Tel Aviv Schrift in ein ungewohntes
Prototyp für das heutige Hebräische. Licht. Trotzdem kommt auch seriöses Fontdesign nicht zu kurz. Ne-
Im heutigen Israel kommt man an ben verschiedenen für Kundenprojekte entwickelten Schriften ist
der Typefoundry Masterfonts von Zvi- für westliche Anwender die mit dem Wahlberliner Rob Keller gene-
ka Rosenberg nicht vorbei. Master- rierte und bei Mota Italic erschienene Vesper Hebrew interessant.
056 PAGE 12.12 TYPO Typoszene Israel

≥ PAGE Online Sein ungefähr gleichaltriger Kolle-


Weitere Arbeiten ge Meir Sadan ist da kritischer und
und Links finden bezeichnet die israelische Kultur »als
Sie unter www. eklektisch in ihrer besten Ausformung
page-online.de/ und schizophren in ihrer schlechtes-
type_israel ten«. Seiner Ansicht nach legten zwar
einige Bauhaus-Studenten, die wäh-
rend der 1930er Jahre einwanderten,
ein gutes Fundament – wovon aber
»traurigerweise heute nur noch ein ge-
ringer Einluss im zeitgenössischen De-
sign sichtbar ist«. Unabhängig von den
verschiedenen Designströmungen er-
zeugt das Hebräische aufgrund seiner
archaischen Form sehr solide Textblö-
cke, denn es hat nur einen einzigen
Buchstaben, der über die allgemeine
Schrifthöhe hinausgeht: »Deshalb gibt
Ein brisantes es mehr Probleme mit der Lesbarkeit.
Thema, erfrischend Aber das wird wettgemacht durch die
gestaltet: Die schlichte Anmut des Hebräischen«, so
beeindruckende Sadan. Oder, wie Rosenberg ein ande-
Kampagne »Israel res Merkmal beschreibt: »Das Lateini-
Loves Iran« des sche sitzt über alle Buchstaben hinweg
Graik-Designers auf der Schriftlinie. Das Hebräische hat
Ronny Edry hat dagegen – wie das geschriebene Hin-
international große di – eine hängende Schriftlinie, die wir
Resonanz hervor- auch ›Wäscheleine‹ nennen.«
gerufen. Ursprüng- Neben diesen typograischen Be-
lich auf Face- sonderheiten ist das zeitgenössische
book gestartet, Design in Israel natürlich auch von dem
entwickelt sie sich sehr speziellen kulturellen und (geo-)
immer weiter politischen Spannungsfeld geprägt –
wie unlängst die Kampagne »Israel
fonts entwickelt seit 1986 für al- sign- und Kunsthochschule im Nahen Loves Iran« von Ronny Edry und an-
le möglichen und auch unmöglichen Osten – Schriftdesign unterrichtet. Das deren jungen Gestaltern und Aktivis-
Fonts des Lateinischen hebräische Pen- Angebot seiner Fontschmiede umfasst ten auf Facebook zeigte. Mittlerweile
dants. Zu den Formen des Hebräischen hebräische Adaptionen sämtlicher in gibt es eine eigene, englischsprachige
passen die Adaptionen mal mehr, mal der westlichen Welt gängigen Stile der Website und einige andockende Mo-
weniger gut. Da es seinen Ursprung im letzten zwei Jahrzehnte. Auch wenn dule größtenteils in den Social-Media-
Schreiben mit der Breitfeder hat, gibt kalligraisch angehauchte Typedesigns Plattformen. Bemerkenswert ist ne-
es im Grunde keine Serif. Die meisten dabei nicht fehlen, scheint Shmuel Sela ben dem politisch brisanten Inhalt der
Fonts sind reine Sans – manchmal aber doch eine besondere Vorliebe für die Kampagne der klare Look mit hohem
mit kalligraischen Schweifen an den Konstruktion zu hegen. Wiedererkennungswert – der haupt-
Endungen. Interessant wird es, wenn sächlich durch die offensive Farbge-
die formalen Eigenheiten der hebrä- Das israelische Design sieht Ben Na- bung und von der fetten Serifenlosen
ischen Buchstaben zur Geltung kom- than zweigeteilt: Auf der einen Seite mit entfernten Punzen als Auszeich-
men, wie etwa bei Anmutungen von existiere eine kommerzielle Alltagsty- nungsschrift getragen wird.
Schreibschrift, aber erstaunlicherwei- pograie, die stark amerikanisch ge- »Es gibt bei uns einige Schriften,
se noch stärker bei den modern kon- prägt sei und versuche, die vielfältigen die stark mit der politischen Situation,
struierten Lettern. Rein technisch ge- Erscheinungsformen des Lateinischen etwa der sozialen Revolte im letzten
sehen bestehe, so Zvika Rosenberg, nachzuahmen. Auf der anderen Seite Sommer, in Verbindung stehen. Diese
neben Israel durch die jüdisch-ortho- inde man edles Hochkulturdesign, et- gelten bei vielen Menschen tatsäch-
doxen Gemeinden weltweit ein anhal- wa für Museen, das handwerklich sau- lich als Fonts der Revolution«, berich-
tender Bedarf an Fontwicklungen: »Ich ber und mit klassischen Schriften die tet Michal Sahar, weiblicher Kopf der
denke hier an komplizierte OpenType- israelische Sprachtrilogie feiert: Heb- Typefoundry Hagilda. Hoffen wir, dass
Programmierungen sowie die an die räisch, Arabisch und Englisch. »Als äu- die israelischen Designer ihre Gesell-
Berücksichtigung typograischer Fea- ßerst junges Land – Israel hat gerade schaft im friedlichen Protest weiter-
tures für das Hebräische in den Lay- seinen 64. Geburtstag gefeiert – sind hin kreativ mitprägen können. Auf so
outanwendungen.« wir noch dabei, zu lernen und eine ei- unterschiedliche Weise die von Sahar
Ebenfalls seit den späten siebziger gene Gestaltungstradition zu entwi- gemeinten Kollegen und jemand wie
Jahren aktiv ist der in Litauen gebore- ckeln. Dabei entstehen schon viele Ronny Edry oder Oded Ezer auch ar-
ne Shmuel Sela, der in Jerusalem die neuartige Konzepte, die eines Tages beiten: Dieses Wirken inspiriert den
Typefoundry Ot Sela betreibt und an Einluss auf die ganze Designgemein- Nachwuchs im eigenen Land. Und de-
der renommierten Belazel Academy de haben werden«, prognostiziert der ren künftige Typedesigns werden es in
of Arts and Design – der größten De- 28-jährige Gestalter. sich haben. Klaus-Peter Staudinger
058 PAGE 12.12 TYPO Typoszene Israel

Michal Sahar und Danny Meirav Ben Nathan


Hagilda, die Gilde, nennen Michal Sahar Obwohl er kürzlich erst seinen Abschluss an
und Danny Meirav ihre gemeinsame Un- der Belazel Academy gemacht hat, ist Ben
ternehmung, die auch außerhalb Israels Nathan kein Neuling in der Typedesignbran-
gut ankommt. Denn Hagilda ist nicht ein- che. Schon Anfang 2000 hat er seine erste
fach nur eine weitere Typefoundry. Ihre Schrift BN Hazeroth für Masterfonts entwi-
hebräischen Fonts gehören zu den mo- ckelt und 2010 Oded Ezers Schriftenwebsite
dernsten der israelischen Szene und erinnern stilistisch wie auch gestaltet. Für seine aktuelle Abschlussarbeit hat sich Ben Nathan
in der Präsentation gelegentlich an die einlussreichen Paneuro- eine Novität vorgenommen: den wunderschön ausgeglichenen
päer Underware. Die beiden Designer sind auch solo aktiv und brin- hebräischen Font Days & Nights in den zwei Schnitten Book und
gen in die Schriftentwürfe ihres Labels daher sehr gegensätzliche Italic. Das ist deshalb so ungewöhnlich, weil das Hebräische ne-
Einlüsse ein. Neben denen aus dem Westen sind dies die 1950er ben der fehlenden Serif auch keine Kursiven kennt. Während man
und 1960er Jahre in Israel, die angesichts politischer Krisen und seine früheren Schriftexperimente auf Free-Fonts-Seiten indet,
Veränderungen Zeiten eines klar strukturierten Designs waren. präsentiert der 28-Jährige aktuelle hebräische Fonts und andere
Trotz dieses historischen Resonanzraums spiegelt sich in den Ar- Arbeiten auf seiner Website Hafontia.
beiten von Hagilda vor allem das moderne Israel wider. Sahar ist
es ein Anliegen, nicht nur hebräisch-lateinische Fonts zu entwer-
fen, sondern als dritte Sprachkultur das Arabische zu integrieren.

Die beiden Schriften


von Ben Nathan –
Days & Nights und
Shabtai – entstan-
den als Abschluss-
projekt an der
Belazel Academy of
Arts and Design –
und zeigen das große
Potenzial des
jungen Gestalters

Schriftmuster von Michal Sahars (links) und Danny Meiravs Type-


foundry Hagilda, deren Witz und Spirit nicht nur in den Namen zum
Ausdruck kommen: Arctic, Cartonage, Blender und A Glass of Milk
060 PAGE 12.12 TYPO Typoszene Israel

Guy Saggee
Der zur jüngeren Generation gehörende Gestal-
ter Guy Saggee betreibt das Studio Shual von
Holon aus – dort im Center for Digital Art ansäs-
sig – gemeinsam mit dem in New York lebenden
Mushon Zer-Aviv. Die beiden Multimediadesig-
ner sind eher Typoliebhaber denn Typografen
und spielen in ihren illustrativen Arbeiten mit Lettern und Texten –
dies aber höchst amüsant und auf charmante Weise provokativ.

Von oben nach rechts unten: Guy Saggees Poster »Let the Pantshit-
ters Lie« aus der Serie»Haunted Letters«, eine Zeitung für die Sound-
installation »Hapzura« und das Erscheinungsbild für die Ausstellung
»Free Radicals« im Israeli Center for Digital Art in Holon
PAGE 12.12 061

Meir Sadan Yanek Iontef


Der 29-Jährige ist Schriftgestalter und Typo- Ein wahrhaft Schriftbesessener ist Yanek Ion-
graielehrer in Tel Aviv. Die von ihm entwor- tef. Der knapp 50-Jährige kam mit 16 Jahren
fenen Fonts, wie zum Beispiel Shimshon und aus der früheren UdSSR ins Land und studier-
Choco, kommen recht zeitgeistig und gefällig te an der Jerusalemer Belazel Academy, wo er
daher. Eine Ausnahme bildet die breitfedrig als autodidaktischer Typedesigner ab 1995 ei-
entworfene Tuvia. Das Angleichen des Hebrä- ne Zeit lang als Vorgänger von Shmuel Sela un-
ischen an das Lateinische liegt Meir Sadan ebenso am Herzen wie terrichtete. Seine zunehmend in hebräischer und lateinischer
das Experimentieren mit neuen Formen. Als Initiator des Type- Form entworfenen Fonts vertreibt er erfolgreich über seine Type-
spotting-Spiels zeigt der Graik-Designer seine missionarischen foundry Fontef. Iontef lebt in Tel Aviv und hat sich stark mit der
Ambitionen. Vergleichbar mit den hiesigen Typospaziergängen dortigen urbanen Typograie auseinandergesetzt, die ihm ebenso
geht es dabei in einer Art visuellen Schnitzeljagd um das Erken- wie auch das archaisch-jüdische Schriftentum des 14. Jahrhun-
nen und Zuordnen von Fonts im städtischen Raum. Zudem be- derts als vielfältige Inspirationsquelle dient. Der fahrradbegeis-
treibt er unter http://oketz.com einen Blog zu hebräischer Schrift. terte Designer indet mit seinen Schriftentwürfen wie der FF Carto-
nage oder seinem Beitrag zur Großfamilie FF Skill auch außerhalb
des Landes große Beachtung.

Von oben: Schriftmuster von Meir Sadans leichtfüßigem Font Ganz oben: Yanek Iontef restaurierte das Erscheinungsbild eines
Choco, den er ausgehend von einer eigenen Handschrift alten Friedhofs in Tel Aviv – hier das Signet mit dem Namen. Darunter
entworfen, und ein Poster mit der geprägten Shimshon in einer die Schriften Tiferet für eine nationale Lotterie und Strauss für die
adäquaten Anwendung für ein Musikevent gleichnamige Bankengruppe, die er inzwischen über Fontef vertreibt
062 page 12.12 TYPO

TYPOWELT
Jan Middendorp einmal mehr sein fei­
nes Händchen für die Umsetzung typo­
graischer Themen beweist.
≥ www.gestalten.com

P22-Webfonts
n Die P22­Bibliothek mit insgesamt
81 Schriften stehen nun auch als Web­
fonts zur Verfügung, darunter so be­
kannte Typen wie beispielsweise Un­
derground, Cezanne oder Eaglefeather.
Der Verkauf der für das Internet op­
timierten Schriften läuft über You­
WorkForThem.
Bekannt geworden ist die 1994 von
Richard Kegler gegründete US­ameri­
kanische Typefoundry P22 mit kunst­
geschichtlich inspirierten Schriften. Als
das Angebot zu unübersichtlich wur­
de, teilte Kegler das Unternehmen in
verschiedene Bereiche auf: Internatio­
nal House of Fonts bietet seit 2001 Al­
phabete von Designern aus aller Welt
an, und Sherwood Type vertreibt die
vielen Entwürfe von Ted Staunton. Im
Jahr 2004 übernahm P22 dann noch
das Traditionsunternehmen Lanston
Type und 2006 Rimmer Type Foundry.
Trotz des großen Faibles für Schrift­
geschichte und historische Vorbilder
blickt P22 mit ihren nun erhältlichen
Webfonts klar nach vorn.
≥ www.youworkforthem.com

Actium von Type Mafia


n Die serifenlose Schriftfamilie Acti­
um denkt mit: Dank des Smart­Capo­
Features werden neben einer Zahl ste­
hende Versalien, wie sie zum Beispiel
schrift, und Rick Cusick gibt einen Ein­ in britischen Postleitzahlen vorkom­
Handgeschrieben blick in Inspirationen und Einlüsse men, standardmäßig in Mid Caps so­
»Hand to Type« n Scriptfonts, Lettering und Kalligra­ beim Grußkarten­Multi Hallmark. wie die Mediäval­ in Versalziffern um­
taucht tief in ie liegen ungebrochen im Trend. Da In neun Interviews kommen Schrift­ gewandelt. Gleiches gilt für Versalwör­
die Welt von kommt ein neues Buch aus dem Ge­ künstler wie etwa Ken Barber, Niels ter wie USA oder NATO. Ein Feature,
Lettering und stalten Verlag gerade recht, das sich Shoe Meulman oder Gemma O’Brien das dem Schriftbild sehr gut tut. Ent­
Kalligraie ein diesem Thema umfassend annimmt. zu Wort. Natürlich gibt es auch hier worfen hat Actium das junge Amster­
»Hand to Type« heißt das 240 Seiten schon eine ganze Menge großartiger damer Designstudio Type Maia. Die
starke Werk (49,90 Euro, isbn 978-3- Artworks zu sehen. Das Kapitel »Port­ klare, elegante und zeitgemäße Schrift
89955-449-6), das weit mehr ist als ei­ folio & Process« schließlich stellt Künst­ mit ihren zwölf Schnitten von Light bis
ne Sammlung schöner Bilder. Auf das ler und ihre Arbeiten vor und zeigt bei Black plus Italics eignet sich für vielfäl­
Vorwort von Herausgeber Jan Midden­ einigen den Weg von handgearbeite­ tige Anwendungen.
dorp folgen acht Essays von ausge­ ten Buchstaben zu digitalen Fontda­ Type Maia vertreibt ihre Fontfa­
wiesenen Experten: Shoko Mugikura teien, beispielsweise bei Julia Sysmä­ milie zum Preis von knapp 700 Dollar
schreibt über japanische Schrift, Nadi­ läinen Mister K oder Underwares Liza. über MyFonts. Ein Schnitt kostet circa
ne Cahin über das Arabische, Florian »Hand to Type« ist ein Leckerbissen für 90 Dollar. Zum Ausprobieren kann man
Hardwig über die deutsche Kurrent­ schriftinteressierte Gestalter, mit dem sich einen kostenlosen Testfont her­
page 12.12 063

≥ Weitere interessante artikel rund um Typograie inden Sie unter www.page-online.de/emag/typo


und Links zu Typefoundrys et cetera unter www.page-online.de/typo-links

unterladen. Zudem gestalteten die De­ lässt sich auch ganz gezielt anwenden:
signer zu ihrer Schrift eine schöne Bro­ Durch Stylistic Alternates lassen sich
schüre, die am Ende den Namen des kräftige und leichte Zeichen voneinan­
Studios erklärt: »Wer nicht als Fischfut­ der trennen oder auch komplett in ei­
ter enden will«, heißt es dort, »sollte nen der vier Schnitte zerlegen. MeM
die Fontlizenzen beachten.« unterstützt mit über 300 Glyphen die
≥ www.typemafia.com gängigen lateinischen Zeichensätze,
zusammen mit den abwechslungsrei­
chen Alternativzeichen kommt man auf
Barack von Ekke Wolf rund 630 Glyphen. Erhältlich ist MeM
n Barack Obama kann zurzeit jede für circa 40 Dollar über HypeForType,
Unterstützung gebrauchen – typogra­ YouWorkForThem oder MyFonts. ant
ische bekommt er jetzt aus Wien. Als ≥ www.mem.26plus-zeichen.de
Hommage an den US­Präsidenten ge­
staltete Ekke Wolf eine Fontfamilie mit
dem Duktus einer klassizistischen Gro­ Bei dem experimen-
tesk, die durch ihre unregelmäßigen tellen Schriftsystem
Konturen ungezwungen und jung wirkt. MeM entstehen dank
Die Barack umfasst insgesamt drei OpenType äußerst
Schnitte: Aus den Handzeichnungen abwechslungsreiche
auf Transparentpapier entwickelte Wolf Schriftbilder
erst die Outline­Version, die auch die
Grundlage für die Barack Bold bildet.
Aus dieser entstand dann am Compu­
ter die Medium. Eine Vielzahl an Vari­
anten und alternativen Zeichen sorgt
für großen Gestaltungsspielraum. Au­
ßerdem stattete der Designer, dessen
Hauptgeschäft die Buchgestaltung ist,
die Schrift mit einer Handvoll von Sym­
bolen aus, darunter auch das Gesicht
Obamas, das je nach Schnitt variiert.
Abbildungen der Barack, die es für et­
wa 50 Euro bei URW++ gibt, inden Sie
unter www.page-online.de/barack.
≥ www.urwpp.de

Multiple Persönlichkeit
n Lesbarkeit steht bei der MeM nicht
gerade im Vordergrund. In dem ex­
perimentellen Versalalphabet führten
Elena Schädel und Jakob Runge For­
men von vier Schnitten in einem Font
zusammen. Die zahlreichen Alterna­
tivzeichen und die extremen Stile der
einzelnen Glyphen erzeugen eine le­
bendige Spannung aus geometrischer
Anmutung und Verspieltheit – die
Grenzen zwischen Graik­ und Type­ Ihre Fontfamilie
design verschwimmen. Actium präsentiert
Was wie eine Aneinanderreihung Type Maia in einer
von Vektorformen wirkt, ist ein durch­ elegant gestalteten
dachtes Schriftsystem: Eine automati­ Broschüre
sche Shufle­Funktion mixt in den gän­
gigen Designprogrammen die Schrift­
gewichte und verhindert die Wieder­
holung gleicher Zeichen. Aber MeM
064 PAGE 12.12

BILD Fotograf Thomas Hoeffgen, Shooting Camel Active, Peru


»Peru hat ein besonderen Duft und ist sehr feucht. Mit diesem
ständigen Nebel hatte ich gar nicht gerechnet . . .« Thomas Hoeffgen
»Das Bild entstand auf einem Plateau über dem Heiligen Tal der
Inka. Unsere Models stammten aus vier Generationen derselben
Familie – mit einem Baby auf dem Rücken – und erschienen
lachend und farbenfroh. Sie schienen es für ziemlich blödsinnig zu
halten, dass wir sie baten, für den Camel-Active-Shot immer
wieder den gleichen Weg hin und her zu gehen. Am Maskenfoto
hatten sie mehr Spaß.« Will Matthews
PAGE 12.12 065

Eseleien
Warum fotograiert man Leute mit Eselsmasken? Die Agentur Donkey tut das
mit System – mit einigen der derzeit spannendsten Modefotografen
066 PAGE 12.12 BILD Donkey-Projekt

n Es gibt mehr Gründe, als man auf Anhieb Während dieser Artikel entstand, war ein Don- Fotograf Ben Lamberty,
denken mag, eine Agentur Donkey zu nennen. key-Team mit Fotograf Misha Taylor in Marokko, Shooting Venice Beach, Hamburg
Erstens sei der Esel keineswegs dumm, erklärt in Oasen, in der Wüste und in Casablanca. Es gab »Model Angelina war den ganzen Tag
Boris Frommen: »Menschen haben Esel auf Ber- auch schon Reisen nach Nepal, Neufundland, barfuß herumgesprungen. Die Füße
ge geschickt und je nachdem, wie sie gelaufen Japan, Bolivien, Peru, Indien, Russland, Malawi, taten ihr weh, und sie wollte nur noch
sind, wurden Wege oder Straßen gebaut.« Zwei- Island oder Indonesien. Location-Scout ist ein im Barbierstuhl des Stylisten sitzen.
tens habe Kleopatra Schönheitsbäder in Esels- abenteuerlustiger Südafrikaner, den die Don- Die Chance haben wir genutzt, um ihr
milch genommen. Drittens standen beim ersten key-Kreativen in Malawi kennenlernten und der die Maske aufzusetzen.« Ben Lamberty
Shooting in Spanien Esel in der Gegend herum. immer vorweg mit dem Storyboard durch das
Und viertens hätte sich Frommen + Berger »wie Land reist. Im März geht es wieder in die Mon-
Hoch- und Tiefbau« angehört, sagt Frommen. golei. Dort, so berichtet Frommen, sei nicht nur
So heißt die Agentur, die er im Jahr 2000 mit das Essen für den europäischen Magen ausge-
Flobo Berger in Hamburg gründete, also Don- sprochen speziell. »Man muss alles doppelt mit-
key. Berger startete 2007 die Firma Donkey Pro- nehmen, denn wenn die Kamera kaputtgeht,
ducts. Deren humorvolle Kreationen sind mitt- kann man keine leihen. In der Hauptstadt Ulan-
lerweile in neunzig Ländern zu inden, so zum Bator gibt es kein einziges Fotostudio, man
Beispiel in Museumshops. Die Agentur Donkey muss einen Vorhang mitbringen, vor den man
betreut weiterhin erfolgreich Mode- und Kos- die Models stellt.«
metikkunden – von Kampagne, Katalog, Web- Eine Eselsmaske ist bei jedem Shooting im
site und Messestand bis hin zu Verpackung und Gepäck. Bei allen Kunden, sogar wenn im Studio
Flakongestaltung. Inzwischen gibt es in Berlin in Hamburg Still-Life-Fotos von Parfumlakons
auch ein Donkey-Büro für PR, in der Modebran- oder Katalogbilder für Otto entstehen. Donkey Fotograf Leif Schmodde,
che besonders wichtig. arbeitet immer mit Topfotografen, und die dür- Shooting Otto Versand, Hamburg
Bei Modeshootings um die Welt zu jetten ist fen am Ende des Shootings mit der Maske ma- »Unser allererstes Shooting für Otto
ja nicht ungewöhnlich. Bei Donkey geht das chen, was sie wollen, sie ganz frei interpretie- sollte modern und reduziert werden:
aber weit über die üblichen Schönwetter-Loca- ren. So ist eine Reihe äußerst ungewöhnlicher cremefarbener Hintergrund, kaum
tions hinaus. Das liegt vor allem am Kunden Ca- Fotos entstanden, die wir auf diesen Seiten vor- Make-up, fast keine Accessoires. Für
mel Active, den Donkey seit sechs Jahren be- stellen. Die Fotografen selbst haben die Bilder das Eselbild gab es also nicht viel
treut. Für das Männermodelabel, das weltweit für uns kommentiert, oder Kreativdirektor Will zum Spielen. Wir probierten einiges
250 Stores betreibt und an über 11 000 Points of Matthews, der nach einer Assistenz bei Joachim mit dem Model aus, als mir der
Sale vertreten ist, entstehen zweimal jährlich Baldauf zu Donkey kam und dort Shooting Di- Jack Russell des Stylisten aufiel, der
Saisonkataloge und Kampagnenmotive. Die Mar- rector genannt wird, weil er nahezu jede Foto- uns aus der Ecke des Raums beob-
kenstory geht so: Drei Männer sind auf aben- produktion begleitet. »Und der die großartige achtete. Dann ging alles sehr schnell.
teuerlicher Reise in exotischen Ländern unter- Idee mit der Eselsmaske hatte«, wie Boris From- Leckerbissen in die Maske und schon
wegs, in Städten, vor allem aber in der Natur. men ergänzt. cg hatten wir das Bild.« Will Matthews
PAGE 12.12 067
068 PAGE 12.12 BILD Donkey-Projekt

Fotograf Daniel Cramer,


Shooting Camel Active (oben), Bugatti (links), Hamburg
»Wir waren in einer heruntergekommenen Lagerhalle in Hamburg-Billstedt,
wo die Polizei manchmal Schießübungen macht. Es ging um Vorabmesse-
motive vor der Russlandreise für Camel Active, die Halle sollte Russland dar-
stellen. Dieses Bild entstand in einem verlassenen Büro.« Boris Frommen

»Da die Models Zwillinge waren, dachte ich: Toll, eine Maske und ich kann
trotzdem das Gesicht zeigen! Dann hab ich gleich aus den beiden einen
einzigen Esel gemacht.« Daniel Cramer

Fotograf Joachim Baldauf, Shooting Toni Gard, Skihalle Bispingen


»Das Motiv ist ein gutes Beispiel für die Parallelwelt, die ein Foto zeigen
kann. Man sieht einen knienden Mann nachts in einer zugeschneiten
Landschaft oder einem Park. Die Realität ist ein Set, gebaut in einem Snow
Dome im Sommer. Auf dem Bild nimmt man die Eselsmaske als surreales
Element wahr. Wirklich surreal ist aber, wo und wann das Sujet entstanden
ist. Während der Fotoproduktion sind Menschen Ski gefahren, saßen im
Sessellift. In der Mittagspause haben wir Käsespätzle in einem auf rustikal
getrimmten Restaurant gegessen. In einer riesigen Blechbox auf dem
platten Land. Ein Mann kniet im Anzug im Schnee mit Eselsmaske auf dem
Kopf, während Kinder in dicken, bunt bedruckten Daunenjacken Schnee-
plug üben und die Klimaanlage die Halle auf 0 Grad kühlt. Das ist mehr als
nur eine Fotoproduktion. Ein Happening!« Joachim Baldauf
PAGE 12.12 069

Fotograf Thomas Lohr, Shooting Camel


Active, Russland und Indien
»Ein Bild entstand in einem russischen Fit-
ness-Studio. Bei dem anderen waren wir
in Rajasthan, im Minibus auf der Fahrt zum
Flughafen. Als die Sonne aufging, standen
plötzlich Hunderte von Kamelen auf der
Straße, mit einem Hirten. Fantastisch schön
im Morgenlicht.« Will Matthews

Fotograf Markus Pritzi, Schleswig-Holstein


»Obwohl Markus Pritzi viel für uns arbeitet, war nie ein gutes Eselsbild
bei unseren Donkey-Shootings gelungen. Dieses entstand bei einer
anderen Editorial-Produktion in meinem Garten. Model Isabelle hatte
diese Latexhufe aus einem Sexshop, da mussten wir ein Eselsfoto
schießen.« Will Matthews

Fotograf Hans Hansen,


Shooting Toni Gard,
Hamburg
»Untitled«. Hans Hansen

Fotograf Frank Grimm,


Shooting Otto Versand, Hamburg
»Schwer zu glauben, dass dieses Foto am
Ende eines Katalogshootings entstand.
Ein größerer Kontrast der Bildsprachen lässt
sich kaum denken.« Boris Frommen
070 page 12.12 BILD Low-Budget-Bildquellen

Sparen ohne gefahren


Sind wir nicht alle ein bisschen Low Budget? Bei Billig-Bilddatenbanken im Internet ist aber Vorsicht angesagt

n Wie stellen Sie sich ein Foto vor, Dabei ist Dreamstime keine Klit­ frei kennen (Letzteres kostet auch Geld,
das folgendermaßen geschildert wird: sche. Die 2004 von Serban Enache und doch lassen sich die Motive anders als
»Zwei Frauenfahrwerkbeine auf Fuß­ Dragos Jianu in Bukarest eröffnete Fo­ lizenzplichtige Bilder unabhängig von
boden nach einer großen Party«? Rät­ toplattform hat inzwischen ihr ofiziel­ Ort, Zeit und Aulagenhöhe nutzen).
selhaft mutet auch diese Bildbeschrei­ les Headquarter in den USA und war­ Nehmen wir etwa stockvault.com,
bung an: »Zwei junge Frauen quadrie­ tet mit beeindruckenden 140 000 Con­ eine internationale Plattform, zu der ei­
ren weg, um zu boxen«. Am besten tributors sowie 14,5 Millionen durchaus nen die Google­Suche nach »free stock
aber fanden wir: »Nahrung mit Liebe – brauchbaren Bildern auf, davon circa stock images« führt. Gratisbilder darf
helfen Sie dem bedürftigen Konzept 600 000 kostenlos. Einkaufen lässt sich man hier aber nur für persönliche und
mit einer Scheibe brot«! So wird das mit Credits, noch billiger aber sind Sub­ nicht kommerzielle Zwecke nutzen. An­
Foto eines Toasts mit einer Aussparung skriptionen. Um einen Monat lang täg­ dernfalls wird der Suchende zu be­
in Herzform in Worte gefasst. lich 25 Bilder downzuloaden, bezahlt kannten kommerziellen Anbietern wei­
Jede Menge Spaß dieser Art kann man etwas über 200 Euro – das macht tergeleitet – zweifelsohne die Connec­
man auf der Website der Bildagentur rund 27 Cent pro Bild. tion, über die stockvault.com dann
Dreamstime haben, die in zwölf Spra­ eben doch Geld verdient.
chen vorliegt. Ins Deutsche wurde sie Auf der Suche nach billigen oder kos­ Was Sinn macht, schließlich gab es
zum großen Teil automatisch über­ tenlosen Fotos erlebt man im Web so die Microstock­Revolution nicht ohne
setzt. Da wird es vor allem bei recht­ manches Abenteuer. Damit das keine Grund. Vor zehn Jahren waren die
lichen Fragen schwierig . . . »Über un­ unliebsamen Auswirkungen hat, gilt es meisten Bildagenturen auf Print ixiert
ser entfaltetes Genehmigen können zu prüfen, mit wem man es zu tun hat, und teuer. Als Reaktion auf den Be­
unsere Ablagenfotos für die digitalen/ und unbedingt in die Nutzungsbedin­ darf nach preiswerten Internetfotos
elektronischen Schablonen, Ekarten, gungen zu schauen. Es soll ja Leute ge­ schossen jede Menge Wild­West­An­
Screensavers benutzt werden, für T­ ben, die immer noch nicht den Unter­ bieter aus dem Boden, um diese Lücke
Shirts, Segeltuch, Plakate.« Alles klar? schied zwischen kostenlos und lizenz­ zu schließen – häuig in krasser recht­

1
preisgünstig bis kostenlos
Adressen für Schnäppchenjäger – und was dahintersteckt
123RF. Über 15 Millionen lizenzfreie Fo­ fotograf, 2003 aboutpixel.de ins Leben.
tos, Vektorillustrationen und jetzt Vi­ Längst kann man dort auch Credits
deos bietet 123RF an, die in einem Dut­ kaufen, mindestens 150 Stück für 15 Eu­
zend Sprachen existierende Microstock­ ro. Bilder kosten zwischen 6 Credits (XS)
© aboutpixel.de/Martina Marschall; Flickr/Nicki Varkevisser; fotolia/Olly

2
Site von Inmagine aus Houston, Texas. und 42 Credits (XXL).
Seit 2008 gibt es ein Büro im hessischen Lustig zu lesen sind die Hinweise der
Nidderau, entsprechend gut betreut Administratoren an die Bildautoren.
sind die deutsche Site und der hiesige »Bitte achte immer darauf, dass die Um­
Service. Die Agentur wirbt mit Preisen gebung im Bild auch herzeigbar ist.
von 68 Cent pro Bild beim Credit­Kauf Manchmal ist man so begeistert vom
und 21 Cent pro Bild beim Abonne­ perfekt getroffenen Hauptmotiv, dass
ment – was aber nur bei Mengenra­ man ganz übersieht, dass hinten gera­
batten gilt. Eine interaktive Graik auf de die Oma ins Bild läuft«, heißt es da
der Site zeigt den Preis pro Bild bei etwa. Bei Makros und Nahaufnahmen
den verschiedenen Lizenzmodellen an. sollten die fotograierten Gegenstände
≥ http://de.123rf.com sauber sein, also keine »Sonnenbrillen
mit Fingerabdrücken, schmuddelige
3 1 aboutpixel.de. Als Tauschplattform, Tastaturen, Münzen mit Fusseln oder
ähnlich wie Photocase, rief Andreas zerkratztes Glas«. Und schließlich: »Vor
Dittberner, Graik­Designer und Hobby­ allem am Meer immer schön die Ka­
page 12.12 071

Frank Erler,
einer der
Gründer des
kleinen,
aber feinen
Low-Budget-
Anbieters
Photocase

licher Ignoranz. Heute haben fast alle


großen, klassischen Agenturen recht­
Und da draußen im weltweiten Web
indet man nicht nur gute, ehrliche
»Wir nehmen uns die
lich unbedenkliche Bilder in Webaulö­ Menschen. So gibt es böse Fotografen,
sung im Programm. Und auch wenn die Bilder auf Billig­ oder Kostenlos­ Frechheit heraus, für den
das Material für die Crowdsourcing­ Plattformen stellen, um dann mit Sys­
Plattformen aufgrund der puren Mas­ tem Abmahnungen über dicke Scha­ Kunden vorzuselektieren,
se juristisch nicht immer hundertpro­ denersatzforderungen zu verschicken,
zentig zu kontrollieren ist, bieten die weil etwa der Urheber nicht genannt die plattform gewisser-
bekanntesten Microstock­Agenturen wurde, das Foto nur zu redaktioneller,
längst Versicherungen für eventuell aber nicht zu kommerzieller Verwen­ maßen zu kuratieren«
doch entstehende Probleme. dung freigegeben war oder andere
»Details« aus den Nutzungsbedingun­ Wann und wie ist Photocase entstanden?
Vorsicht ist aber immer angesagt bei gen übersehen wurden. Frank Erler: Es ing vor elf Jahren als Hobbyprojekt
Anbietern, die man nicht kennt. Vor al­ Noch mieser wird es, wenn – wie an. Wir waren allesamt Graiker und hatten das Pro­
lem sollte man nachlesen, ob alles Robert Kneschke auf dem Blog www. blem, keine guten Fotos zu inden oder wenn, dann zu
klargeht in Sachen Model und Proper­ alltageinesfotoproduzenten.de berich­ teuer. Also haben wir eine Austauschplattform ge­
ty Release, ob also die Rechte für abge­ tet – Fotos anonym in Gratisarchive gründet, die eine Alternative zu den gängigen Stock­
bildete Personen, Gegenstände und hochgeladen werden, um sie nach ei­ motiven mit Handshakes oder Headsets bieten
Gebäude abgesichert sind. In den Nut­ ner Weile wieder zu löschen und Ab­ sollte. 2007 haben wir die Agentur dann zu unserem
zungsbedingungen erklären manche mahnungen mit Berufung auf das Ur­ Hauptberuf gemacht.
Agenturen nämlich ausdrücklich, dass heberrecht zu kassieren. Da kann es Wie funktioniert die Auswahl? Das Archiv hat
sie keine Verantwortung übernehmen, verdammt schwierig werden, zu be­ ja »nur« 250 000 Bilder, während andere Anbieter
falls seitens der Fotografen Abmah­ weisen, dass das Bild beim Download mit Millionen aufwarten.
nungen ins Haus lattern. frei von Rechten war. cg Ein halbes Dutzend Leute sind mit dem Selektieren
der etwa 2000 Fotos beschäftigt, die wir am Tag be­
kommen. Wir sagen nie: »Das ist ein schlechtes Foto«,
sondern: »Das passt nicht zu uns«. Dabei ist unsere
mera gerade halten, sonst läuft das merzieller Agenturen verdienen. Da Ablehnungsquote mit rund 90 Prozent relativ hoch.
ganze Wasser aus!« Extrem boden­ geht man besser direkt zu Flickr oder Fotografen, die auf Masse produzieren, werden bei
ständige Tipps, aber durchaus wirk­ den bekannten Microstock­Anbietern. uns keinen Spaß haben und wieder ihres Weges ge­
sam, wie das herzeigbare Bildangebot ≥ www.lickr.com/search/advanced hen. Fotografen, die stilistisch zu uns passen, bleiben
bei aboutpixel.de zeigt. dabei. Wir nehmen uns eben die Frechheit heraus,
≥ www.aboutpixel.de 3 Fotolia. Erst im Mai bekam Fotolia, für den Kunden vorzuselektieren, die Plattform ge­
Europas führende Microstock­Agentur, wissermaßen zu kuratieren.
2 Flickr. So mancher Flickr­Hobbyfo­ eine Kapitalspritze von 150 Millionen Wie würden Sie den Photocase-Stil beschreiben?
tograf hat nichts dagegen, wenn seine Dollar von der New Yorker Beteiligungs­ Die Motive sind emotionaler und natürlicher, beson­
Bilder auch kommerziell zum Einsatz gesellschaft Kohlberg Kravis Roberts ders Personenfotos. Ganz selten steht da einer ge­
kommen, und versieht sie mit einer (KKR), die damit 50 Prozent der Anteile künstelt unter einer Studiolampe und reckt den Dau­
Creative­Commons­Lizenz. Oft sind die erwarb. Oleg Tscheltzoff, 2004 Mitgrün­ men hoch. Wir versuchen, den normalen Menschen
besten Fotos, die unter www.lickr.com/ der von Fotolia, bleibt aber CEO und Pre­ zu zeigen, oft mit einer Portion Witz.
search/advanced nach Anklicken des sident. Weitere News aus diesem Jahr: Welche rechtlichen Vorgaben müssen die Bildautoren
Buttons »Find content to use commer­ das neue Plug­in für die Creative Suite, beachten? Gab es schon Probleme?
cially« oder »Find content to modify, mit der sich aus dieser direkt auf den Die Fotografen müssen versichern, dass sie ein Mo­
adapt, or build upon« erscheinen, aber Fotolia­Bestand zugreifen lässt. Und die del Release haben, es aber nur bei Verlangen ablie­
gar nicht gratis: Sie gehören zur Flickr­ Kooperation mit deviantART – ausge­ fern. Ansonsten achten wir wie üblich darauf, dass
Kollektion von Getty Images, deren Re­ suchte Bilder vom Tummelplatz für Digi­ auf den Bildern keine Logos, Autos et cetera zu se­
dakteure die Site regelmäßig abgrasen. tal Artists sind nun bei Fotolia erhältlich. hen sind. Außerdem stehen wir in engem Kontakt
Die wirklich kostenlosen Bilder wer­ ≥ www.fotolia.de mit einer sehr guten Anwaltskanzlei. Probleme gab
den gerne auch übers Flickr­API von es nur mal, als sich Paare getrennt haben und der Fo­
»Free Stock«­Sites angeboten, die ihr 4 Image Direkt. Totgesagte leben tograf plötzlich kein Model Release hatte. Aber das
Geld mit Werbung oder undurchsichti­ länger. Die bekannte Royalty­Free­Platt­ ist in all den Jahren nur zwei Mal vorgekommen.
gen Vermischungen mit Material kom­ form Image Direkt war zeitweilig von
072 page 12.12 BILD Low-Budget-Bildquellen

der Bildläche verschwunden, mel­


dete sich aber Anfang 2012 verjüngt
und in ansprechendem Online­Outit
zurück. Hinter dem Revival steckt die
renommierte Bildagentur F1online aus
Frankfurt, die Image Direkt schon 2007
Simon erwarb. Die neue Site möchte es den
Steinberger Kunden besonders leicht machen: Sie 4

von Pixabay, können auch ohne Credits kaufen, so­


einer neuen gar Minibeträge kann man per PayPal 5

Plattform für oder Online­Überweisung bezahlen.


Gratisbilder Und beim Bezahlvorgang registriert
man sich auch erst. Davor hat man die

© image direkt; istockphoto/Ondine Corewijn; photocase.com/una.knipsolina; Pitopia/Christian Schwier


Wahl zwischen 2 Millionen Bildern in
»es ist ein geben und einer durchweg professionellen Qua­
lität zu Preisen ab 1,61 Euro für die
Nehmen. glückliche 72­dpi­Aulösung. Wobei dank Endless 6

Scrolling das nervige Klicken zur nächs­


Nutzer laden selbst Bilder ten Seite entfällt.
≥ www.imagedirekt.de
hoch, weil ihnen klar ist,
5 iStockphoto. Sie gilt als Mutter al­
dass sie damit jedem wei- ler Microstock­Plattformen und Pionie­
rin des Crowdsourcing­Modells in der
teren Suchenden helfen« Bildagenturbranche. Gegründet im Jahr
2000 von Bruce Livingstone in Kana­
Wie viele Bilder hat Pixabay? da, wurde die Firma 2006 von Getty
Simon Steinberger: Aktuell rund 50 000; etwa die aufgekauft. In den USA kommen über
Hälfte davon sind Fotos, der Rest Cliparts. Täglich die Hälfte aller Stockbilder inzwischen
kommen etwa 100 bis 150 neue Bilder hinzu. Wir ha­ von iStockphoto. Seit Neuestem kann
7
ben zwar rund 7000 Mitglieder, richtig aktiv tragen man dort nicht mehr nur per Credits
aber derzeit rund 300 Fotografen und Graiker bei. oder Abo einkaufen, sondern Bilder,
Warum geben Leute Bilder kostenlos her? Audio­ und Videodateien ebenfalls ein­
Es ist ein Geben und Nehmen. Glückliche Nutzer la­ zeln erwerben, was gegenüber Kun­
den selbst Bilder hoch, weil ihnen klar ist, dass sie da­ den und Steuer oder innerhalb von
mit jedem weiteren Suchenden helfen. Wikipedia Firmenkonten für größere Transpa­
funktioniert ja ähnlich. Man indet sehr zuverlässige renz sorgt – und natürlich besonders
Daten – und wer etwas beizutragen hat, macht das praktisch für Gelegenheitsnutzer ist.
gerne, denn es ist ein tolles und nützliches Projekt, ≥ http://deutsch.istockphoto.com über die Einzelkaufoption zu Preisen
von dem jeder proitiert. ab 2,94 Euro (klein), 5,88 Euro (groß)
Warum ruft man überhaupt eine Site mit kostenlosen morgueFile. Das schon in den 1990er und 9,80 Euro (supergroß).
Bildern ins Leben? Jahren gegründete Online­Archiv für ≥ www.photocase.de
Hans Braxmeier und ich haben gemeinsam das Au­ Gratisbilder ist mittlerweile so eng mit
torenportal Pagewizz.com entwickelt und arbeiten Dreamstime verbandelt, dass man sehr 7 Pitopia. Als Ute Jansing selbst noch
daran begeistert bis heute. Dort kann jeder eigene gut aufpassen muss, um wirklich ein Bilder kaufte, so erzählt sie, habe sie
Artikel ins Netz stellen. Die Autoren verwenden ger­ morgueFile­Bild zu erwischen – dass sich »immer fürchterlich geärgert, wenn
ne Bilder für ihre Texte und dabei kam es immer wie­ dann auch ohne Quellenangabe kom­ man nach einer Sucheingabe Bilder an­
der zu Abmahnungen – wegen urheberrechtlich ge­ merziell nutzbar ist. Ein Website­Re­ geboten bekam, die null mit dem Be­
schützter Bilder oder falschen beziehungsweise un­ launch ist angekündigt. griff zu tun hatten. Das wollte ich bei
vollständigen Bildquellenangaben. Daher haben wir ≥ http://morgueile.com meiner eigenen Agentur vermeiden«.
eine sichere Bildquelle aufgebaut, deren Fotos und Jetzt behauptet Pitopia aus Karlsruhe,
Zeichnungen sich ohne Bedenken frei verwenden PantherMedia. Die Münchner Bild­ die »treffergenaueste Suche für exak­
lassen. Was ursprünglich nur für unsere Autoren ge­ agentur basiert auf einer 2004 ge­ te Ergebnisse« zu haben. Einzelbilder
dacht war, entwickelte sich rasant zu einem interna­ gründeten Fotocommunity. Seit dem stehen ab 2,99 Euro zur Verfügung, bei
tionalen Großprojekt. Pixabay ist 2011 gestartet, 2012 Relaunch im Jahre 2011 ist die Site er­ Credits greifen Rabatte. Wobei Pitopia
gab es einen Relaunch als weltweite Community in heblich komfortabler geworden. Der sich mit »nur« 3000 Bildautoren nicht
zwanzig Sprachen. Kauf geht über Credits, Abos oder auch als Crowdsourcing­Plattform versteht,
Auf der Website werben auch kommerzielle Anbieter. einzeln ab 1,90 Euro je Bild vonstatten, sondern als Bildagentur. Zu den The­
Ja, wir zeigen unseren Nutzern alternative Bilder von wobei es bei den Abonnements kein men Essen und Trinken gibt es unter
Shutterstock und bei erfolgreicher Vermittlung erhal­ tägliches Downloadlimit gibt. food.pitopia.de eine eigene Datenbank
ten wir eine Provision. Wir spielen mit verschiedenen ≥ www.panthermedia.net mit 140 000 Bildern.
Möglichkeiten der Finanzierung: Spenden, Google ≥ www.pitopia.de
AdSense et cetera. Das Geldverdienen steht jedoch 6 Photocase. Low­Budget­Anbieter
sehr im Hintergrund. Uns ist wichtiger, dass Pixabay mit ästhetischem Anspruch – siehe In­ Pixabay. »100% quality and 100% pu­
Spaß macht und wächst. terview mit Frank Erler auf Seite 71. Fo­ blic domain«, so lautet das Motto der
tos gibt’s für Download­Credits oder Gratis­Plattform, deren Bilder sich –
074 page 12.12 BILD Low-Budget-Bildquellen

auch bearbeitet – ohne Bildnach­ XSmall bis 30,90 Euro für XXLarge. Mo­
weis kommerziell verwenden lassen.
Vorsicht ist allerdings beim Thema
tive aus der »Wanted«­Kollektion sind
ein bisschen teurer.
Mobile Stock
Modelvertrag geboten. Ein Interview ≥ www.shotshop.com n Ist etwa schon die nächste Micro­
mit Gründer Simon Steinberger ist auf stock­Revolution im Kommen? Die zu­
Seite 72 zu lesen. Shutterstock. Einer der ganz großen nehmende Qualität von Handyfotos
≥ http://pixabay.com/ Player im Microstock­Business ist die löst in der boomenden Start­up­Szene
2003 gegründete Firma aus New York. jedenfalls hektische Aktivitäten aus.
8 Pixelio/ClipDealer. Pixelio hieß bis Ihre 20 Millionen Bilder sind per Sub­ Schauen wir uns zum Schluss brand­
2007 Pixelquelle und stammt noch aus skription oder on demand erhältlich. neue Apps und Anbieter von Mobile­
der Zeit, als Blogger verzweifelt güns­ Letzteres heißt einfach, dass man kein Stock­Bildern an.
tige Fotos suchten. Die werbeinan­ tägliches Abo­Bilderkontingent hat, das
zierte Plattform hat weiterhin kosten­ nach einem Tag verfällt, sondern eine Pictorama. Mit App und On­
lose Bilder, zum Teil aber nur zur re­ gewisse Anzahl von Downloads kauft, line­Marktplatz startet die
daktionellen Nutzung. Mit ClipDealer die man eine gewisse Zeit nach Bedarf Hamburger Firma Pictorama.
haben die Pixelio­Macher rund um Ge­ nutzt. Auf der Website der Shutter­ Das Besondere: Die App versieht alle
schäftsführer Markus Hein darüber hi­ stock­Schwester Bigstockphoto lässt Fotos mit GPS­ und Zeitstempel, ehe sie
naus längst erfolgreich einen kommer­ sich per Credit und Einzelbildverkauf zum Verkauf hochgeladen werden. So
ziellen Marktplatz gestartet, der ne­ shoppen – Letzteres zu Preisen zwi­ können Nutzer regionale sowie jahres­
ben Videos auch Fotos, Vektorgrai­ schen 2,29 Euro für kleine und 9,99 Eu­ oder tageszeitlich deinierte Motive in­
ken, Musik und Geräusche anbietet. ro für XL­Dateien. den. Mit dieser Idee (und Venture­Kapi­
≥ www.pixelio.de; ≥ www.shutterstock.com; tal im Rücken) will das Team um Chris­
http://de.clipdealer.com/ www.bigstockphoto.de toph Becker internationale Märkte er­
obern. Eine Android­App ist in Arbeit.
9 Shotshop.com. Gute Bilder, schö­ Stockfresh. Schnäppchenjäger ken­ ≥ www.pictorama.com
ne Website und durchdachte Such­ nen die Namen StockXpert und SXC.hu
funktionen – die in der Glogauer Stra­ schon lange. Die ungarischen Plattfor­ 10 Foap. Mit schönen Fotos
ße in Kreuzberg beheimatete Agentur men wurden erst von Jupiterimages und einer schicken App fällt
Shotshop.com ist in Deutschland eine aufgekauft und gingen mit dieser dann die schwedische Neugrün­
der besten Adressen für preiswerte in Getty Images auf. StockXpert machte dung Foap auf – und einem Preis, der
Bilder. Man setzt auf Qualität statt auf 2010 dicht, die Gratisbilder­Site www. mit 10 Dollar pro Bild über üblichen
Quantität und kommt ohne Abos und sxc.hu gibt es noch, aber ohne recht­ Microstock­Niveau liegt. Wobei Credits
Credits mit purem Einzelbildverkauf liche Garantien. Die Gründer beider die Sache etwas billiger machen kön­
aus, bei Preisen zwischen 99 Cent für Sites, Peter Hamza und Andras Pfaff, nen. Die Frage ist ja, ob Handyfotos
blieben derweil nicht untätig und star­ durchweg billiger sein müssen als Auf­
teten Stockfresh. Anderthalb Millionen nahmen von »normalen« Kameras.
Fotos kamen dort schon zusammen, Auf Dauer dürften die Entstehung von
teilweise von einigen der bekanntes­ Fotos immer weniger interessieren –
ten Microstock­Fotografen. zumal wenn man sie nur online nutzt.
≥ http://de.stockfresh.com ≥ www.foap.com

Veer. Ein beliebter Qualitätsanbieter ist 11 PlusGram. Die im Juni 2012 in Pal­
8
diese kanadische Firma, die seit 2007 ma de Mallorca gegründete Plattform
Corbis gehört und Fotos sowie Schrif­ hat sich auf sehr reizvolle Instagram­
ten verkauft. Einzelbilder kosten zwi­ Bilder spezialisiert. Eine detaillierte
schen 1,50 und 24 Euro, mit Credits kann Suchfunktion sucht man noch verge­
der Preis pro Bild auf 61 Cent sinken. bens, alle Rechtsgarantien werden
≥ www.veer.com ausdrücklich ausgeschlossen.
≥ http://plusgr.am
Wikimedia Commons. Wer Bilder aus
© Gisela Peter /pixelio.de; Shotshop; Foap/Erik Naes; plusgram/fbenigno

9
Wissenschaft, Geschichte oder Geogra­ Pocketstock. Ziemlich voll­
ie sucht, ist bei der Mediendatenbank mundig sind die Erklärungen
von Wikipedia richtig – circa 14 Millio­ von Russell Glenister, ein Ur­
nen Files gibt es dort, darunter Audio­ gestein der Branche und Ex­Kreativ­
dateien und Filme. Wobei zu unter­ chef der einst von Getty aufgekauften
scheiden ist zwischen Creative­Com­ Nobel­Bildagentur Tony Stone. Credits
mons­Lizenzen, die Quellenangaben seien »mega­out«, so Glenister, er setzt
10 verlangen und manchmal die Verfrem­ aufs angeblich revolutionäre Bidder­
dung verbieten, sowie gemeinfreien System: Preisangebote der Käufer, die
Public­Domain­Bildern. Nach US­Recht nach spätestens 24 Stunden beantwor­
ist jedes vor 1923 entstandene Bild Pu­ tet werden. Fotografen können ihren
blic Domain. Doch Vorsicht: Bei aktu­ Account über die Pocketstock­App ver­
ellen Reproduktionen – etwa Fotos ei­ walten – auch die Anfragen der Kun­
nes alten Gemäldes – gilt es wieder den, die es billiger haben wollen. Ob
Urheberrechte zu beachten. das Modell funktioniert? cg
≥ http://commons.wikimedia.org ≥ www.pocketstock.com

11
076 page 12.12 BILD

BILDWELT
Interaktive Fotos
n Eigentlich lässt sich mit den beweg­
lichen Fotoobjekten des österreichi­
schen Künstlers Franz Bergmüller ja
analog interagieren: Per Schalter setzt
der Betrachter eine Mechanik in Gang,
die mit Bewegung, Geräusch oder Licht
dem Bild eine überraschende, neue Di­
mension gibt. In einem Fotoband lässt
sich dies kaum wiedergeben – wohl
aber in einer iPad­App.
Die Salzburger Galerie Fotohof, die
jüngst in ihrem auf zeitgenössische Fo­
tograie spezialisierten Verlag auch
Bergmüllers Bildband »Studio Stills«
veröffentlichte, brachte nun mit »Stop
Motion« ihre erste App­Publikation
heraus. Die enthält sogar gleich zwei
Bücher (wenn auch jedes nur wenige
Seiten hat): im Hochformat »Charac­
ters«, das eine Art von Foto­Hampel­
männern zeigt, im Querformat »Scene­
ries«, wo seltsame Dinge mit Landschaf­
ten passieren . . . Kunst für 1,59 Euro.
≥ www.fotohof.at;
www.franzbergmueller.net

Rich-Media-Fotobuch
n Fotobuchdienstleister Blurb eröff­
net Gestaltern ganz neue Perspektiven:
Fortan können sie mithilfe der Platt­
form nicht nur gedruckte Bücher, son­
dern auch Rich­Media­E­Books pub­
lizieren. In diese lassen sich neben Bil­
dern und Texten zusätzlich Video­ und
Audiodateien von Kamera, Mobiltele­
fon oder Computer integrieren. Beson­
ders interessant ist dies etwa für Kin­
derbücher, Reiseführer, Kochbücher
oder auch Portfolios, Firmenpublika­
Was passiert, tionen und Kataloge. Die »Enhanced
wenn man eBooks« kann man so um eine Tonebe­
auf den roten ne bereichern oder mit bewegten Bil­
Knopf drückt? dern ergänzen – und später auf dem
Franz Bergmül- iPad lesen. Einige Beispiele sind schon
ler hat immer unter www.blurb.de/enhanced-ebook-
wieder surreale gallery zu sehen.
Überraschungen ≥ www.blurb.de/ebook
parat

Kalender-Selfpublishing
n Die Idee ist so gut und so einfach,
dass eigentlich ein junges Start­up da­
rauf hätte kommen können . . . Doch da­
hinter steckt eines der größten Ver­
lagshäuser Deutschlands, die Cornel­
page 12.12 077

≥ Mehr zum Thema Fotograie und Illustration unter


www.page-online.de/emag/bild

sen Bildungsgruppe. Deren neue On­


line­Plattform Calvendo steht nun für Neues aus der Bildbranche
all jene bereit, die schon lange mal ei­
nen eigenen Kalender veröffentlichen Fashion und Beauty bei Corbis
und verkaufen wollten. Die Premiumsammlung Corbis Outline, die exklusive
Fotografen, Illustratoren oder Gra­ Studioporträts von Celebritys anbietet, hat Zuwachs
ik­Designer können bei Calvendo kos­ bekommen. In der neuen Kollektion »Outline Beauty«
tenlos einen Kalenderentwurf hochla­ sind Fotos zum Themenbereich Mode, Schönheit und
den, der nach Prüfung durch eine Jury Lifestyle zu inden – von denselben renommierten
eine ISBN­Nummer erhält und über den Fotografen geschossen wie die Porträts.
Buchhandel angeboten wird. Gedruckt ≥ www.corbisimages.com/stock-photo/outline
wird erst on demand – für die Urheber
gibt es bei jeder Bestellung 30 Prozent Der Berg ruft
der Einnahmen, was für die Verlags­ Unter »alpin« versteht die junge Bildagentur alpine­
branche vergleichsweise viel ist. Wer STOCK.com aus Zürich keineswegs bloß Alpenbilder,
für 2013 also noch eine geniale Idee sondern Fotos aus alpinen Landschaften weltweit.
hat, sollte sich beeilen. Aber es gibt ja Ob Bergsport, Luftbilder oder Flora und Fauna – wohl
auch sogenannte ewige Kalender, die kein anderes Spezialarchiv widmet sich dem Thema
schlicht keine Wochentage und Jah­ Berge so umfassend.
reszahlen enthalten . . . ≥ www.alpinestock.com
≥ www.calvendo.de
Berühmte Fotografen
James-Bond-Print Die Deutsche Fotothek in Dresden, die sich die »Siche­
rung und Aktivierung von bedeutenden Zeugnissen
zu gewinnen der analogen Fotograie« zur Aufgabe macht hat, er­
n »Her Majesty’s secret agent« hat öffnete jüngst ihr »Archiv der Fotografen«, wo man
50. Geburtstag und aus diesem Anlass die Werke bedeutender Fotokünstler kennenlernen
erscheinen beim Cross Cult Verlag die kann. Darunter sind Karl Blossfeldt, Heinz Hajek­
Originalromane von Ian Fleming erst­ Halke oder Heinrich Heidersberger. Weitere Nach­
mals in ungekürzter, originalgetreu­ lässe sollen folgen.
er Übersetzung. Mindestens ebenso ≥ www.deutschefotothek.de
toll: das einheitliche Coverdesign von
Michael Gillette, seit Jahren einer der Neues bei WhiteWall
gefragtesten US­Illustratoren. Der in Das Online­Labor WhiteWall, bekannt für Fotos in
San Francisco lebende Zeichner ent­ Galeriequalität, hat seine Website gründlich überar­
schied sich, nicht etwa 007 himself zu beitet und bietet für seine Prints neue Gestaltungs­
zeigen, sondern lauter Bond­Girls – die­ möglichkeiten wie Mehrteiler, Rundformate oder Ex­
se zum Teil nur mit der Covertypo be­ Michael Gillettes Bond-Cover gibt trempanoramen. Außerdem gibt es fortan auch Foto­
kleidet. Die Illustrationen lösten einen es auch als Art-Prints – wir bücher, gedruckt in 1200 dpi auf einer HP Indigo 7600.
wahren Hype aus und lassen sich seit verlosen den »Feuerball«-Druck ≥ www.whitewall.com
Kurzem auch als Art­Prints erwerben.
Wir verlosen ein Exemplar unter www. Premiumkollektion bei Veer
page-online.de/james-bond-print . Der Anbieter preisgünstiger Fotos, Illustrationen und
Ursprünglich erschien die Buchrei­ Schriften hat unter dem Label »Veer Royale« ein
he mit den von Michael Gillette gestal­ Best­of seiner Bilder zusammengestellt. Wer möch­
teten Umschlägen bei dem britischen te, kann seine Suche fortan mit einem kleinen Häk­
Penguin­Verlag. Für die deutsche Über­ chen von vornherein auf diese Motive beschränken.
setzung hat Gillette die Typo natürlich Das Beste: Der Preis bleibt gleich.
neu gemacht und auch die Gelegenheit ≥ www.veer.com/about/veerroyale
genutzt, das grüne Cover für »Thunder­
ball«, das sich im Druck als problema­ Neuer Wandschmuck von ixxi
tisch erwies, für »Feuerball« noch ein­ Der niederländische Anbieter von Kachelbildern –
mal komplett zu überarbeiten. Drei der gedruckt auf Synaps­Synthetikpapier von Agfa – hat
deutschen Bände sind bereits erschie­ neue Produkte im Programm, etwa ein Set mit varia­
nen, die restlichen elf folgen sukzessive bel kombinierbaren Illustrationen von Hannes Beer.
von Dezember 2012 bis März 2014. cg Nach wie vor ist es aber auch möglich, selbst Kachel­
≥ www.cross-cult.de; bilder zu gestalten. cg
www.michaelgillette.com ≥ www.ixxidesign.com
078 PAGE 12.12

TECHNIK

In fünf Minuten zum Hip Hit


Mit der Prozessorleistung neuer Smartphones lassen sich auch komplexe mobile Musikanwendungen program-
mieren. Der Sounddesigner Sebastian Schatz und seine Freunde wollten aber keine herkömmliche
Sequenzer-App gestalten, sondern ein intuitives Werkzeug, das auch nach längerer Zeit noch Spaß macht
PAGE 12.12 079

n Es ist tatsächlich so einfach, wie zen zu können und das Interface clean
der Amsterdamer Komponist Sebastian zu halten«, erklärt Schatz. Auch das
Schatz von triqtraq, seiner Sequenzer- Magazin »Computer Music« beindet,
App, behauptet. Selbst ich benötige dass das völlig genügt: »Jeder Kanal ist
nicht länger als 20 Minuten, um die monofon, aber mit zwei Kanälen für
18 Megabyte auf meinem iPad zu ins- Drums, einem für Bass und einem für
tallieren und einen ersten halbwegs Lead-Sound lassen sich leicht reichhal-
hörbaren Track damit zu programmie- tig Tracks arrangieren« (http://is.gd/
ren – und das will schon etwas heißen, 0F7DXh). Die Beschränkung hilft darü-
denn bisher ist mir das noch nicht ein- ber hinaus dabei, den Überblick zu be-
mal mit Data Beckers Techno Maker halten, und das ist gerade beim Jam-
für Windows 95 gelungen (dabei hatte men in Echtzeit wünschenswert.
der Hersteller doch unter dem Slogan Zu den Features gehören zum Bei-
»Techno kann jeder« versprochen, auch spiel das gleichzeitige Bearbeiten meh-
mich »in 5 Minuten zum HipHit Fun- rerer Spuren und die Loop-Range-Funk-
Factor 100« zu führen). Auch die drei tion, mit der sich die Länge der un-
Musikproduzenten aus meiner Ham- terschiedlichen Tracks variieren lässt,
burger Nachbarschaft, Oliver Schwarz sodass Polyrhythmen, also Überlage-
(www.schwarzsingt.de), Florian Sieg- rungen verschiedener Rhythmen, ent-
mund (http://heimorgelstudio.de), und stehen. »Die ›Loop Range‹-Funktion
Harry Bum Tschak (www.horstrecords. kann man aber auch für jede Automa-
de, www.bum-tschak.com), setzten sich tion, also jeden Effekt, einstellen. So
nur wenige Minuten mit der App aus- verschiebt sich auch die Länge der Ef-
einander, um einstimmig zu urteilen: fekt-Modulation im Verhältnis zur No-
»Das ist ein Spielzeug für die U-Bahn, tensequenz«, verrät Sebastian Schatz
damit kann ich vielleicht schnell et- eines der verborgenen Features und
was festhalten, wenn ich unterwegs fasst zusammen: »Wenn man möchte,
einen Geistesblitz habe.« kann man die App so einstellen, dass
Dennoch verbergen sich kreative sie ein einziges Sample abspielt, und
Möglichkeiten in der App, die nicht es kommt trotzdem immer ein neuer
gleich auf den ersten Blick zu erken- Klang heraus.«
nen sind und die zu entdecken auch
bei fortgeschrittenen Usern für nach- Konzeption: Frühling in Amsterdam
haltiges Vergnügen sorgt. In der App Die Idee einer leicht zu bedienenden
können Nutzer zunächst in Echtzeit Sequenzer-App kam Schatz bereits
oder im klassischen Step-Editor-Mo- 2010. »Ich probierte zu der Zeit einige
Installieren, öffnen, loslegen:
dus kleine 16-schrittige Sequenzen er- Musik-Apps aus, doch die meisten wa-
einfach den roten Aufnahme-
stellen, mit dem »Kill«-Button in der ren so umständlich zu bedienen oder
Button im unteren Bereich des
Mitte des Screens live einzelne Schrit- kompositorisch so limitiert, dass ich
Screens drücken, einen der
te wieder löschen und – ebenfalls in daran keinen Vorteil gegenüber dem
vier Kanäle A, B, C oder D aus-
Echtzeit – Parameter wie Tonhöhe, Musikmachen am Computer erken-
wählen und aus der aktiven
Delay, Filter und Decay automatisie- nen konnte.« Als Anfang 2011 Schatz’
Fläche in der Mitte eines
ren. Dazu stehen vier Kanäle mit je- guter Freund seit Kindertagen, der In-
der jeweils acht Samples in
weils acht Soundsamples aus einer dustrial Designer Jörg Peschel aus Ess-
Echtzeit einspielen
Bibliothek von 350 Sounds zur Verfü- lingen, vorübergehend nach Amster-
gung, die Sebastian Schatz extra für dam zog und sich der Software-Ent-
Entwickler Sebastian Schatz, die App entwarf. wickler Olaf van Zon, ein Freund und
Jörg Peschel, Olaf van Zon »Natürlich scheinen vier Kanäle nicht früherer Nachbar des Komponisten,
Projekt triqtraq, eine Vierkanal- unbedingt viel für einen Sequenzer. dazugesellte, brainstormten die drei in
sequenzer-App fürs iPhone Jeder Kanal ist monofon, also können ihrer Freizeit gemeinsam und hielten
Zeitraum Januar 2011 bis Mai 2012 maximal vier Samples gleichzeitig lau- die Grundstruktur sowie erste Features
Technik Objective-C und C++ fen, aber diese Limitierung haben wir der App auf Papier fest.
URL www.triqtraq.com absichtlich gewählt, um andere Funk- »Die App sollte ein sehr direktes In-
tionen auf dem Smartphone umset- terface bekommen, damit es Spaß
080 PAGE 12.12 TECHNIK Making-of: triqtraq

macht, sie zu nutzen, und dabei


so viel musikalischen Tiefgang bieten,
dass sie als Kompositions-Tool inte-
ressant bleibt. Am Ende soll der Nut-
zer selbst bestimmen können, wie er
die App verwendet; oberlächlich zum
schnellen Sketchen von musikalischen
Ideen oder als inspirierendes Kompo-
sitions-Tool«, so Schatz.
1 Als Peschel wieder zurück nach
Deutschland musste, trieben van Zon
und Schatz die Entwicklung zunächst
zu zweit voran: »Im ersten Halbjahr
produzierten wir schon ein paar Pro-
totypen, die Soundverarbeitung und
ein paar Effekte, wir hatten allerdings-
noch überhaupt kein zugängliches In-
terface«, erläutert Olaf van Zon, und
Peschel fügt hinzu: »Als ich im Herbst
2011 wieder dazukam, standen das
technische Gerüst und die grobe Be-
dienstruktur der App schon zu etwa
zwei Dritteln fest. Der perfekte Mo-
ment, um sich an das graische Inter-
face zu machen, also die Größe der
Elemente und Schriften sowie Farben
und Kontraste anzupassen.«

Interface Design:
Drei intensive Wochen
»Diese drei Wochen im Herbst 2011
waren wirklich effektiv«, erinnert sich
Interface-Brainstorms Schatz, der es kaum abwarten konnte,
von Sebastian Schatz die App dem Publikum vorzustellen,
mit vier Kanälen zum um endlich Feedback zu bekommen.
Aufzeichnen der Effekte Jörg Peschel erklärt, wie er an die Sa-
in Realtime. Die Idee, das che heranging: »Im Studium habe ich
Eingespielte in einem mich lediglich in der Diplomarbeit mit
Monitor zu visualisieren, Interface Design auseinandergesetzt.
entstand zum Schluss. Für mich bedeutet Design immer: lo-
Erst saßen die Buttons gisch Denken und aufräumen.«
unten, da das leichter Das Interface besteht hautsächlich
zu programmieren war. aus drei Elementen: einer Zeitleiste im
Mittels Loop-Range- oberen Screen-Drittel, einem aktiven
Funktion lässt sich die 2 Bereich in der Mitte, in dem sich die
Länge der Sequenz vari- vier Kanäle in Echtzeit bedienen las-
ieren. Im Filtermodus sen, und einem statischen Fundament
dämpft man pro Kanal mit Aufnahme- und Wiedergabe-But-
auf der x-Achse die hohen ton. »Wir haben versucht, die Bedie-
Frequenzen, und auf der nung so kompakt wie möglich zu ge-
y-Achse deiniert man stalten, um einen hohen Nutzungs-
die Lautstärke der höchs- Flow zu erzeugen. Ich muss hier nicht
ten Frequenz. In der mehr von Ebene zu Ebene springen,
Pattern-Ansicht kann um Geschwindigkeit, Filter oder Effek-
man bis zu 16 gespei- te zu ändern, sondern kann alles in
cherte Patterns hinter- Echtzeit auf einer Oberläche mani-
einanderschalten und pulieren«, so Schatz.
bis zu 32-mal wiederho- Während sich die Strukturierung lo-
len. Im erweiterten gisch aus dem ergab, was Schatz, van
Pitch-Filter bestimmt Zon und Peschel miteinander disku-
man die Tonhöhe ein- tierten, verfranzte sich Peschel kurz
gespielter Sequenz- im Knopfdesign und verdankt dem ein
schritte. Im Glide-Modus echtes Aha-Erlebnis: »Ich wollte am
lässt sich die Tonhöhe Anfang ganz tolle Knöpfe designen,
statt sequenzweise die aussehen wie reale Knöpfe, natür-
durchgehend ändern lich dreidimensional, mit perfekt
PAGE 12.12 081

3 4

5 6
082 PAGE 12.12 TECHNIK Making-of: triqtraq

gestreutem und relektierendem


Licht auf den anderen Knöpfen. Ich 2-D versus 3-D
hatte mich schon mit Olaf unterhalten, im Interface-
wie wir das umsetzen könnten«, bis er Umfeld
sich plötzlich fragte, was das Ganze
eigentlich soll: »Immerhin beindet man
sich am Bildschirm in einer 2-D-Welt,
und es hat mich auch schon immer an
Apples Interface gestört, dass es die
reale Welt imitiert – etwa mit dem
Adressbuch oder dem Bücherregal.«
Also reduzierte er die Knöpfe wieder
und ist im Nachhinein sehr froh, zurück
zu sein in der lachen Welt. »Die meis-
ten Musik-Apps wollen aussehen wie
Geräte – unsere nicht«, sagt Schatz.

Ran an die Umsetzung


Für die Entwicklung einer Musik-App
sollte man zunächst etwas über Au-
diotheorie allgemein und besonders
über digitale Signalverarbeitung (DSP)
wissen. »Ich las also erst einmal ›Un-
derstanding Digital Signal Processing‹
von Richard G. Lyons, um Audioverar-
beitung und Filtertechniken zu verste-
hen«, erklärt van Zon. Die Schwierig-
keit der Musik-App besteht vor allem
in der Soundverarbeitung. Immerhin
berechnet triqtraq vier Kanäle sowie
die einzelnen Effekte und Filter gleich-
zeitig – schafft die App dies nicht
schnell genug, entstehen Latenzen, es
stottert und knackt. »Der Code muss
sehr efizient sein, und wir mussten
uns immer wieder neue Tricks überle-
Tempo ist alles
gen, um die Performance zu verbes-
sern«, erinnert sich van Zon. Der Software-Entwickler und KI-Experte
Um die Theorie in Code zu überset- Olaf van Zon hat triqtraq programmiert.
zen, ließ er sich unter anderem aus
dem Quellcode-Archiv http://musicdsp. Dabei musste er insbesondere für guten
org inspirieren. »Letztendlich schrie- Klang sorgen – wegen der Rechenleis-
ben wir unsere eigenen Filter und muss-
ten per Versuch herausinden, welche
tung des iPhones immer noch die größte
Sampling- und Filter-Algorithmen wir Herausforderung an einer Musik-App
einsetzen wollten. Wir entschieden
uns dann für die, die am besten klan-
gen und dabei efizient waren«, sagt Von oben: Der Amsterdamer n Audio-Applikationen verlangen vor allem eine starke
van Zon und ergänzt, dass man viel Komponist, Musikproduzent Prozessorleistung: Um Audio in CD-Qualität zu erzeugen,
Zeit und gute Nerven braucht, um in und Sounddesigner Sebastian benötigt man ein ausgehendes Signal von 44 100 Kilohertz
seiner Freizeit eine App zu bauen und Schatz, 29, betreibt die Produk- mit einer Präzision von 16 Bit. Das bedeutet, dass die App
sie auch zu inalisieren: »Wir haben viel tionsirma Zaplin Music (www. jede Sekunde 44 100 Abtastwerte (die kleinsten unter-
getestet, um sämtliche Fehler zu in- zaplinmusic.com). Im Mai 2012 scheidbaren Teilchen im Audiobereich) in Stereo generieren
den, und mussten verschiedene Teile veröffentlichte er die Step- muss. Bei triqtraq haben wir vier Kanäle, also die vierfache
neu schreiben, weil sich das Konzept Sequenzer-App triqtraq Rechenlast, dazu kommen die verschiedenen Algorithmen
graduell geändert hatte.« für Decay und Filter; zum Mixen und fürs Panning der Kanä-
Pläne fürs nächste kostenlose Up- Software-Entwickler Olaf le brauchen wir außerdem CPU-Leistung. Alles in allem
date gibt es bereits: »Im Moment lässt van Zon, 30, musste sich mussten wir den Code also optimieren, damit keine La-
sich die Musik noch nicht exportieren«, für das App-Development tenzen entstehen, und ich verrate hier ein paar Tricks dazu.
räumt Schatz ein. »Eine wichtige Funk- zunächst mit Audiotheorie Zunächst suchte ich mir die Stellen im Code, bei denen
tion, mit der wir gewartet haben, weil vertraut machen es wirklich auf Geschwindigkeit ankommt, und konzen-
wir erst einmal das Nutzerfeedback zu trierte mich auf die Soundverarbeitung. Zum Vergleich:
triqtraq hören wollten. Nun arbeiten Der Esslinger Industrial Beim Interface spielt Geschwindigkeit eine eher unbedeu-
wir daran – und auch daran, dass sich Designer Jörg Peschel, 31, tende Rolle, denn hier werden Nutzer eine Verzögerung
die Stücke ganz einfach im Netz veröf- gestaltete das Interface von 50 Millisekunden kaum bemerken, beim Sound aber
fentlichen lassen.« le von triqtraq sehr wohl. In Apples Editor Xcode 4 indet man unter
PAGE 12.12 083

»Menu Open Developer Tool« ein Werkzeug namens Folgendes beachten: Wenn man C++-Code in eine Objec- ≥ WEAVE Online
Instruments, mit dem sich rechenintensive Stellen recht tive-C-Klasse schreibt, muss man die Dateiendung von ».m« Eine Linkliste zum
gut aufstöbern lassen: Es bietet einen Time Proiler, der ab- in ».mm« ändern, damit der Compiler den C++-Code erkennt. triqtraq-Projekt
liest, welche Code-Zeile wie viel Verarbeitungszeit benö- inden Sie unter
tigt. Nachdem ich also wusste, welche Stellen ich optimie- -(int)doB { www.weave.de/
ren musste, ing ich mit einfachen Maßnahmen an. ... linklisten/
// do something in Objective-c here triqtraq0612.
... Weitere Musik-
Werte in Variablen schreiben return someValue; App-Empfehlungen
}
Wird ein Wert öfter als einmal berechnet, ist es besser, von Produzent
1 ihn in eine Variable zu packen, statt ihn immer wieder
neu zu berechnen. Das verringert die CPU-Auslastung auf
-(void)doA {
x = [self doB];
Harry Bum Tschak
gibt’s unter
}
Kosten von etwas Speicherkapazität. In einfachen Fällen www.weave.de/
achtet der Compiler auf solche Dinge, die komplexeren An- linklisten/music_
gelegenheiten lassen sich damit aber nicht lösen. Zum Bei- apps0612
spiel lassen sich die Code-Zeilen Wenn man doB als C-Funktion schreibt, lässt sie sich als
C-Funktion aufrufen:
float outputLeft = A1 * factor * maxVolume;
float outputRight = A2 * factor * maxVolume; int doB (){
...
besser so notieren: // do something in C code here
...
float volumeFactor = factor * maxVolume; return someValue;
float outputLeft = A1 * volumeFactor; }
float outputRight = A2 * volumeFactor; -(void)doA {
x = doB();
}
Divisionen vermeiden
Da Floating Point Divisions – das Teilen von Gleitkom-
2 mazahlen – auf dem iPhone ganz schlecht performen,
sollte man sie im Audiocode so weit wie möglich vermei-
methodForSelector nutzen
den. Sollte man sie jedoch wirklich brauchen, kann man Statt den Code in eine C/C++-Funktion zu program-
den Code auf so wenig Divisionen wie möglich reduzieren,
etwa so: Der Abschnitt
4 mieren wie im vorherigen Beispiel, können Sie auf
die Objective-C-Methode auch mit einem Zeiger verwei-
sen und sie später mit ihm aufrufen. Das Tempo ist jetzt
float someValue = 7.0f; fast so hoch wie ein Aufruf in C/C++. Sie können den Code
for (int i = 0; i < 1024; i ++) { also wie folgt optimieren:
...
float A = x / someValue; typedef int (*DoB_IMP)(id,SEL);
... SEL doBSel;
} DoB_IMP doBMethod;
-(int)doB {
lässt sich ändern in: …
// do something in Objective-C here
float someValue = 7.0f; …
float inverseOfSomeValue = 1 / someValue; return someValue; Dieses Making-of
for (int i = 0; i < 1024; i ++) { }
stammt aus
... -(void)doA {
WEAVE 06.12, dem
float A = x * inverseOfSomeValue; doBMethod(self, doBSel);
Interactive-Design-
... }
Magazin von
} -(void)init {
PAGE. Die komplette
// storing pointer to function
Ausgabe können
doBSel = @selector(doB);
Sie ab 19. November
Methoden schneller abrufen doBMethod = (DoB_IMP)[self methodForSelector:doBSel];
im Bahnhofsbuch-
}
Objective-C kann für zeitkritische Anwendungen relativ handel erhalten –
3 inefizient sein, gerade wenn es um den Aufruf von Me-
thoden geht. Will man eine Methode in einem zeitkritischen Nun sind Sie an der Reihe, es selbst zu versuchen. Wenn es
oder aber bereits
jetzt bequem und
Code aufrufen, könnte man die Methode in eine C/C++- nicht auf Anhieb klappt, haben Sie Geduld – die Entwick- portofrei unter
Funktion ändern, weil ihr Aufruf viel schneller ist. Objective-C lung von Apps erfordert viel Zeit und Konzentration, aber http://is.gd/HfBt5Z
und C/C++ lassen sich gut mischen – doch sollte man dabei das Resultat kann sich durchaus lohnen. Olaf van Zon (le) vorbestellen
084 page 12.12 TECHNIK Meta-City

»Was die anwender wollen,


das ist eine Computerleistung
ohne den Computer«
sagt Mark Rolston, COO von frog – und arbeitet mit seiner Agentur schon an konkreten Lösungen
für eine Zukunft, in der wir über Sprache und Gesten mit unserer Umgebung interagieren

n Nicht erst seit »Big Data« zum Trendbegriff avanciert Mobiltelefon dabei allerdings im Weg, denn ich muss meine
ist, fragen sich viele, was mit den Unmengen an Daten ge- Unterhaltung unterbrechen, um darauf etwas eintippen zu
schehen soll und kann, die täglich über uns und um uns he- können«, sagt Mark Rolston.
rum gesammelt werden, seien es unsere digitalen Spuren
online oder auch die im realen Raum, etwa auf unserem Ausgehend von diesen Überlegungen gelangte frog zu
Weg zur Arbeit. Und wie lassen sich diese Daten so als Infor- der These, dass die Stadt der größtmögliche konzeptuelle
mationen präsentieren, dass wir etwas damit anfangen Rahmen für ein Interface sein müsse, zumindest dort, wo
können? Mark Rolston, Chief Creative Oficer von frog, be- der Computer das alltägliche Kommunikationsmedium ist.
schäftigt sich schon lange mit diesem Thema. Ihn interes- »Deshalb ingen wir bei der kleinsten Zelle der Stadt an:
siert, wie wir in Zukunft miteinander und mit unserer Um- den einzelnen Räumen. Viele Räume machen ein Gebäude
gebung interagieren werden. Der Designer gehörte 1996 aus, aus denen wiederum eine Stadt entsteht. Gleichzeitig
zu den Gründern der Digital Media Group von frog und hat stellt die Stadt eine Ansammlung all ihrer Bewohner dar,
seither die Entwicklungen in der Computer- und Internet- und sie ist eine Ansammlung von Informationen, die sich
industrie nicht nur verfolgt, sondern auch mit eigenen Pro- aus dem steten Datenluss der mobilen Geräte oder Kame-
dukten vorangetrieben. ras im öffentlichen Raum speist. Auch die Bewegungsmel-
Sein aktuelles Konzept der »Meta-City« versteht die Stadt der unter der Straße und darüber, beispielsweise Wetter-
als Interface, bei dem die digitale und die physische Infra- messgeräte, gehören dazu«, erklärt Mark Rolston.
struktur zu einem hybriden Informationssystem verschmel- Wenn nun all diese Daten im städtischen Raum zusam-
zen, das uns rundherum umgibt. Diese Vorstellung ist weni- mengeführt werden und interagieren, dann entsteht das,
ger utopisch, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Im was Mark Rolston als »Meta-City« bezeichnet. Der Compu-
Grunde denkt Mark Rolston nur die Entwicklungen der letz- ter als materieller Gegenstand, als Hardware, tritt in den
ten Jahrzehnte konsequent weiter. Zunächst hat der Com- Hintergrund und die Stadt selbst wird zum Computer. Da-
puter unseren (Arbeits-)Alltag erobert. Mit dem iPhone ist raus folge, dass in zehn Jahren die meisten Interaktionen
er nun als ständiger Begleiter in unser Leben eingezogen und der Nutzer eben nicht mit dem Mobilgerät, sondern mit der
sorgt dafür, dass wir immer und überall vernetzt sind. Umgebung stattinden werden. In diese Richtung weisen
Mark Rolston erklärt: »Auf Konferenzen geht es heute auch Sprachassistenten wie Siri, bei dem der User nicht das
ständig um mobile Ubiquität. Die Herausforderung an die iPhone anspricht, sondern frei in den Raum hinein reden
Designindustrie ist aber eine andere: Die Gadgets mögen kann. »Ich glaube auch, dass das OnStar-System, das in den
zwar immer kleiner und leistungsfähiger werden, doch was Fahrzeugen von General Motors installiert ist, eine große
die Anwender wirklich wollen, das ist eine Computerleis- Zukunft hat. So wie ich einem Auto sage, dass sich die Gara-
tung ohne den Computer. Gestengesteuerte Interfaces sind gentür öffnen soll, könnte man auch mitten im Zimmer ste-
ein Resultat davon.« Die Menschen nutzen ihre mobilen hen und sagen, dass die Eingangstür abgeschlossen wer-
Geräte, um Informationen abzurufen, weil sie wissen wol- den soll«, so Rolston.
len, wo ihre Freunde gerade sind und was diese tun, oder Je nach Situation wird in Zukunft für die Interaktion mit
um Kontakt mit ihnen aufzunehmen. »An sich steht das der Umgebung eine Kombination aus Gesten- und Sprach-
page 12.12 085

Mark Rolston, Chief


Creative Oficer
von frog, sieht das
Interface der
Zukunft als Ver-
quickung von
digitalen Infor-
mationen mit
dem uns umge-
benden Raum
086 page 12.12 TECHNIK Meta-City

»In der Stadt der Zukunft tiert wird. Wenn man nach draußen auf die Straße geht,
greifen andere Sets, etwa aus welcher Entfernung man je-
mand anderen anstarren darf«, so Rolston.
verschmelzen Digitales Ausgehend von diesen Versuchsanordnungen hat frog

und reale Lebenssituation zu bereits mehrere Produkte für verschiedene Unternehmen


und Marken umgesetzt. Auch ihr smarter Raum existiert als
Prototyp für die Wohnung von heute, bestehend aus Senso-
einer einzigen erfahrung« ren und Beamern. Der von Jared Ficklin entwickelte RoomE
umfasst einen Lichtschalter, in den eine Kamera und ein Mik-
Mark Rolston, Chief Creative Officer von frog rofon eingebaut sind. Gesteuert wird Switch, so der Name
des Schalters, über Gestik und Stimme. Dazu passend gibt
es die smarte Glühlampe Bulb. Diese kombiniert LEDs und
erkennung zum Einsatz kommen. Während sich für den einen Projektor, um Licht zu geben und zugleich Informati-
Input in Innenräumen etwa gut mit sprachlichen Anweisun- onen auf Oberlächen darzustellen. Sowohl die Technik als
gen arbeiten lässt, dürfte hingegen auf der Straße reine Ges- auch das Design stammen von frog, geplant ist die Produk-
tik sinnvoller sein. Beim Output, also bei der Darstellung von tion und Distribution zusammen mit einem Partner.
Informationen, schätzt Mark Rolston, dass kurze, zeitnahe Auch für den öffentlichen Raum hat die Agentur bereits
Textnachrichten zusammen mit Visualisierungen zuneh- verschiedene Anwendungen realisiert: So entwarfen Execu-
men werden, etwa auf Flatscreens im öffentlichen Raum. tive Creative Director Holger Hampf und Principal Director
Ralph Bremenkamp, beide bei frog in München, für Alcatel-
Einen ersten Transfer des »Meta-City«-Konzepts auf In- Lucent ein neues Design für deren Picocells-Produktpalet-
nenräume versucht frog mit visuellen Interfaces und Pro- te. Picocells sind kleinere Kurzstreckenfunkzellen für den
jektionen im Raum und auf Oberlächen. Ziel ist es, eine mobilen Datenverkehr in Städten. Da die Anwohner keine
Wohnung so zu erweitern, dass diese »weiß«, wann man mit Funkmasten zugestellte Umgebung wollen, galt es, die
Licht benötigt, oder wann die Alarmanlage aktiviert wer- Picocells so zu gestalten, dass sie als Manifestation der digi-
den soll. »Es geht nicht um futuristisches Wohnen, sondern talen Datenbewegungen mit dem physischen Raum, einem
um realistische Anwendungen in der Alltagsumgebung von Laternenpfahl oder Straßenschild, verschmelzen, also fast
heute: zum Beispiel dass ich koche und der Computer das unsichtbar sind. Hampf und Bremenkamp fragten Behör-
Rezept dafür auf den Tisch projiziert. Beides, Digitales und den in Deutschland und Großbritannien nach den Anforde-
reale Lebenssituation, verschmilzt miteinander zu einer ein- rungen an solche Funkzellen im öffentlichen Raum. Darauf-
zigen Erfahrung«, so Mark Rolston. hin fertigten sie mehrere Prototypen an und installierten
An die Umsetzung des interaktiven Raumes – RoomE dafür eigens einen Mast im Münchner Büro von frog, um
genannt – machte sich Mark Rolston zusammen mit Jared realistische Bedingungen für die Aufstellung zu schaffen.
Ficklin, Principal Technologist bei frog in Austin, Texas. Fick- Das Ergebnis ist ein schlankes Modell, das sich längs an den
lin baute dafür einfache Controller an ein Lampenset, das Laternenpfahl schmiegt.
über einem Tisch angebracht war. Während eine Kinect die Eine weitere Anwendung, die frog für den intelligenten
Bewegungen der Person und ihre Position erfasste, identi- Umgang mit Daten entwickelt hat, ist Agheera. Dabei han-
izierte ein Spracherkennungssystem ihre Anweisungen. Das delt es sich um ein groß angelegtes Datenprojekt für die
Licht ließ sich also mittels Sprache und Gesten steuern – globale Produktlogistik, das dieses Jahr für DHL in der Test-
der Raum wurde smart. »Als Anweisungen bevorzugen die phase war und nun eingesetzt wird – im Moment sind etwa
User eine möglichst natürliche Kommunikation, also dass 6000 Lastwagen in Deutschland damit bestückt. Agheera
sie wie zu einem anderen Menschen sagen können: ›Bitte ist ein Tracking-System für jede Art von Gütern, die ver-
mach das Licht an!‹«, so Rolston. schickt, verladen oder verschifft werden. Das alles geschieht
Im nächsten Schritt sollte nun auch die Oberläche oder in Echtzeit, und selbst Details wie die Temperatur des Rau-
das Objekt, mit dem interagiert wird, ein direktes Feedback mes, in der sich die versendete Kiste beindet, werden auf
liefern. Guus Baggermans, Interaction Designer bei frog in Anfrage sofort an eine Webapplikation oder eine mobile
Amsterdam, montierte eine Webcam auf einen bewegli- App übermittelt. Dazu muss man wissen, dass es eine Viel-
chen Körper zu einer Art Robotermännchen, das die Bewe- zahl von unterschiedlichen Tracking-Geräten auf dem Markt
gungen des Users analysieren und ihm folgen kann, wobei gibt, etwa GPS-Empfänger über Kurzwellen oder über Sa-
sie ihren »Kopf« seiner Position anzupassen versucht. Wenn tellitenverbindung, Near Field Transmitter (NFC) oder ein-
der Anwender sie direkt ansieht, richtet sich das Kamera- faches GSM. Agheera empfängt all diese Informationen und
auge im selben Blickwinkel auf ihn, sodass es scheint, als fügt sie wie bei einem Puzzle zusammen, um jedes der ein-
würde sie zurückschauen. »Es geht dabei nicht darum, die zelnen Güter über die jeweiligen Dienste zu verorten.
Technologie zu vermenschlichen, sondern um den Aus- »Für uns ist es nicht das erste Mal, dass wir etwas zum
druck und um das Feedback. Wenn der Computer als kon- Thema Big Data entwickeln. Aber hier war es besonders
kretes Gerät nicht mehr das alleinige Mittel ist, etwas mit- spannend herauszuinden, was benötigt wird, um die Diens-
zuteilen, entstehen neue Ideen, etwa die eines Platzhal- te zu integrieren und eine einheitliche User Experience zu
ters, der auf etwas anderes verweist«, sagt Rolston. So wie schaffen«, sagt Mark Rolston. Agheera demonstriert, wie
eben die Character Camera durch ihre scheinbar mensch- sehr Digitales und Physisches in unserer Welt bereits mitei-
lichen Reaktionen zu einer Art Gegenüber wird. Um diese nander verzahnt sind, wenn Kisten von Raum zu Raum trans-
Anordnung in den öffentlichen Raum zu übertragen, benö- portiert werden und Sensoren sie ständig überwachen
tigt man eine Art Sprache, ein festgelegtes Zeichensystem und verorten. Auch das passt in Mark Rolstons Konzept der
oder einen Sprach- und Bewegungscode für Interaktionen. »Meta-City«: einer Zukunft, in der keiner mehr in sein iPhone
»Wenn man den anderen nicht kennt, gibt es ein funda- versunken ist, sondern sich User der Stadt öffnen und mit-
mentales Verhaltensset, das im privaten Rahmen akzep- tels Gesten und Sprache mit ihr interagieren. vd
page 12.12 087

3 4

1 Das Konzept der »Meta-City« von Mark Rolston – in Zukunft


5
verschmelzen physischer und digitaler Raum zu einem inter-
agierenden Informationsluss. Mehr unter http://designmind.
frogdesign.com/articles/sketches-of-the-meta-city.html.
2 RoomE ist eine Versuchsanordnung von frog design in Austin,

Texas, bei der Geräte in der Wohnung auf Sprache und Gestik
reagieren. Ein solcher smarter Raum muss auch Feedback an den
User geben. Die Character Camera Wink verdeutlicht, wie
wichtig ein Gegenüber ist. 3 Zu dem RoomE-Konzept gehört
auch Bulb – eine LED-Lampe mit eingebauten Sensoren, die
die Umgebung tracken. Gleichzeitig projiziert sie Informationen
auf Oberlächen. 4 Den Lichtschalter Switch steuert der
Nutzer per Bewegungssensor und Spracherkennung. 5 Bei dem
Smartcell-Projekt für Alcatel-Lucent ging es darum, Picocells –
das sind Funktransmitter für den mobilen Datenverkehr – so zu
gestalten, dass sie sich dem Stadtbild anpassen und mit ihrer
Umgebung camoulageartig verschmelzen. 6 Den Tracking-
6
Service Agheera, der Güter weltweit punktgenau verortet,
entwickelte frog für DHL. Seit diesem Jahr im Einsatz, bündelt
Agheera unterschiedlichste ortsbezogene Daten, sodass
diese bequem auf der Website www.agheera.com oder über
die mobile Applikation einsehbar sind
090 PAGE 12.12 TECHNIK Gadgets

Aus Qs Labor
Ob Smartpen, Miniprojektor oder iPad-Double auf Rollen – wir präsentieren
nützliche und witzige Gadgets für den kreativen Arbeitsalltag
PAGE 12.12 091

1 MindWave. EEG und EKG für jedermann


erlauben die Instrumente des Herstellers
NeuroSky. Die Geräte messen die Gehirn-
wellen des Trägers, um damit Spiele und
Lernanwendungen zu steuern. Auch in der
Marktforschung lassen sich die Headsets 2
einsetzen. Die Geräte kosten ab 100 Euro.
≥ www.neurosky.com

2 Echo Smartpen. Mitschriften und Audio-


aufnahmen bringt das Livescribe-System
zusammen. Ein in den Stylus eingebautes Dik-
tiergerät zeichnet Vorträge und Gespräche
auf, während der Anwender gleichzeitig auf
Spezialpapier mitschreibt. Dank spezieller
Markierungen erkennt der Stift dabei, wo er
sich auf dem Papier beindet. Tippt man später
auf die entsprechende Stelle auf dem Papier,
gibt das Gerät die entsprechende Sprachsequenz
wieder. Kostenpunkt: ungefähr 250 Euro.
≥ www.livescribe.com/de/smartpen/echo
3

3 Leap Motion. Leap Motion kann das Glei-


che wie die Kinect: Gesten in einem festgeleg-
ten Raum erfassen – nur sehr viel präziser als
der Microsoft-Controller, verspricht der Herstel-
ler. Stellt der Benutzer die Box vor sich auf,
kann er Präsentationen und Simulationen, aber
auch Webbrowser frei im Raum über Handges-
ten steuern. Die ersten Serienmodelle sollen im
Frühjahr 2013 auf den Markt kommen; für circa
55 Euro können sie schon vorbestellt werden.
≥ https://leapmotion.com

4 hi-Call. Mit der klassischen Geste aus 4


Daumen und kleinem Finger kann telefonie-
ren, wer die hi-Call-Handschuhe besitzt.
In den Stoff des linken Handschuhs sind Laut-
sprecher und Mikrofon eingebaut, ergänzt
um ein Bluetooth-Modul und einen Lautstärke-
regler. Preis: rund 50 Euro.
≥ www.hi-fun.com

5 Thunderbolt Express Dock. Der Thunder-


bolt-Standard erlaubt einen so hohen Daten-
durchsatz, dass sich die gesamten Peripherie-
geräte eines Laptops über ein einziges Kabel
anschließen lassen. Die elegant designte
Docking-Station von Belkin bietet Ports für 5
USB-3-Geräte, eSATA, Firewire, Netzwerk, Kopf-
hörer und Mikrofon sowie weitere Thunder-
bolt-Geräte, wie einen Monitor. Das Dock gibt
es ab Anfang 2013 für rund 300 Euro.
≥ www.belkin.com/thunderbolt
092 PAGE 12.12 TECHNIK Gadgets

6 Double Robotics. Diese Mischung aus Segway


und iPad ermöglicht es, aus der Ferne präsent zu sein.
Das Double fährt als Stellvertreter durch Ausstel-
lungen, Büros und Fabriken oder nimmt an Meetings
teil, während man ihn mithilfe einer iPad-App via
Internet steuert. Der Nutzer sieht das Bild der Kamera,
während sein Gesicht auf dem Display erscheint.
Die Roboter gibt es zum Preis von rund 1550 Euro.
≥ www.doublerobotics.com

7 360-Imager. Das eiförmige Gerät der kanadischen


Firma Tamaggo ist eine unkomplizierte Kamera, die
sowohl horizontale als auch vertikale Panoramastand-
und -bewegtbilder in guter Qualität aufzeichnet.
6 Der Preis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
≥ www.tamaggo.com

7 8 AudioBulb. Eine normale Glühbirnenfassung –


mehr braucht es nicht für Licht und Ton. Audiobulb, eine
Kombination aus Lautsprecher und Glühbirne, wird
einfach eingeschraubt und liefert dann sowohl Licht als
auch Musik, die per WLAN übertragen wird. Interes-
sant kann dies etwa für die Ausstellungsgestaltung sein.
Kostenpunkt: ab 100 Euro.
≥ http://giinii.com/AudioBulb.html

9 Aiptek MobileCinema i50S. Schutzhülle, Batterie-


pack und Projektor in einem ist das MobileCinema
i50S, das sich einfach auf ein iPhone 4 oder 4S schie-
ben lässt. Eine Bilddiagonale von 150 Zentimetern
erreicht der Projektor, danach wird die Darstellung
unscharf. Genug für eine kleine Präsentation eines
PDF-Dokuments oder eines Video. Der rund 250 Euro
teure Miniprojektor wiegt gut 100 Gramm.
≥ www.aiptek.de

8 10 Booq Boa low. Ein Arbeitsplatz auf Reisen


indet in diesem Rucksack Platz: unten eine Spiegel-
relexkamera mit mittelgroßem Objektiv und
hinten, geschützt in einem gepolsterten Fach, Lap-
tops zwischen 13 und 17 Zoll. Außen unauffällig
schwarz, leuchtet das rote Futter des rund 180 Euro
teuren Backpacks beim Öffnen umso kräftiger.
≥ www.booqeurope.com

11 Galileo. Das von dem Start-up Motrr entwickelte


Stativ nimmt ein iPhone auf, über ein zweites Gerät
lässt sich das Galileo dann in alle Richtungen bewegen.
Praktisch ist dies zum Beispiel für Videokonferenzen.
Der Preis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
≥ www.motrr.com

12 Digits Touchscreen Pads. Um bei eisigen


Temperaturen iPad oder iPhone nicht ungeschützt
bedienen zu müssen, gibt es nun eine Lösung
in Form von Aufklebern für die Fingerspitzen der
Handschuhe. Die Digits Touchscreen Pads sind
mit rund 17 Euro allerdings erstaunlich teuer. dsc
≥ www.getdigital.de
PAGE 12.12 093

10

11

12
094 PAGE 12.12 TECHNIK Open-Source-Tools

Frei, nicht kostenlos


Wer mit schmalem Budget anspruchsvolle Projekte stemmen will, landet irgendwann bei
Open-Source-Lösungen. Doch Vorsicht ist geboten: Nicht jedes Tool entspricht professionellen
Standards. PAGE erklärt, worauf Sie achten müssen

n Der Trend bei den großen Softwareherstellern, egal, ob zu bieten haben. So ein Fall ist VVVV, auch wenn es nicht
Adobe, Autodesk oder Microsoft, geht hin zu jährlichen Sub­ wirklich Open Source ist. »Die Entwicklungsumgebung nut­
skriptionen der eingesetzten Programme. Doch müssen diese zen wir sowohl zur Mediensteuerung als auch für Echtzeit­
Kosten sein? In den ersten Jahrzehnten des Computerzeit­ animationen, da sie sehr gute Schnittstellen zu anderen An­
alters gab es die Software zum Mainframe gratis dazu, und wendungen und zur Hardware bietet. Der nicht kommer­
die Anwender tauschten ihre Verbesserungen frei unterei­ zielle Einsatz ist frei; als professionelle Anwender haben
nander aus. Erst in den 1970er Jahren änderte sich dies und wir VVVV aber lizenziert«, erklärt Jens­Oliver Gasde, Head of
mit den Softwarelizenzen entstand eine eigene Wirtschafts­ Motion Design bei Atelier Markgraph.
branche. Dennoch gibt es heute für fast jedes Tool auch ein
Open­Source­Pendant: angefangen bei Betriebssystemen Ein grundsätzliches Ja oder Nein zu freier Software für den
wie Linux und den zahlreichen Varianten des Unix­Derivats professionellen Einsatz gibt es also nicht, aber eine Reihe
BSD über Ofice­Anwendungen wie OpenOfice bis hin zu von Faktoren, die bei der Entscheidung helfen können. Der
Spezialtools wie Jahshaka fürs Videoediting. wohl wichtigste Gesichtspunkt ist die Stärke der Community,
Freie Software heißt allerdings nicht, dass ihr Einsatz die hinter einem Open­Source­ oder Free­Software­Projekt
nicht mit Kosten verbunden wäre, etwa wenn man eine steht. Je mehr Einzelpersonen und Firmen aktiv an der Ent­
angepasste Version oder einen Servicevertrag erwirbt. Sie wicklung mitarbeiten, desto wahrscheinlicher ist es, dass
können durch Support entstehen oder wenn fehlende Fea­ man im Bedarfsfall Rat und Fachleute indet oder dass das
tures später ergänzt, also extra programmiert, werden. Für Produkt so sicher und die Auswahl an Add­ons so breit ist,
Kosten sorgen aber auch Pannen und Arbeitspausen, wenn dass man auch alleine gut zurechtkommt. Der zweite Fak­
die Lösung nicht so funktioniert, wie gedacht. Hinzu kommt, tor ist, wie bei jedem anderen Tool, dessen Stärken und Leis­
dass bei einigen Open­Source­Tools die Einarbeitung schwer­ tungsfähigkeit. Zu Beginn vieler Open­Source­Projekte stand
fällt und so zumindest zeitweise die Performance der Mit­ der Wunsch, die Funktionalität kommerzieller Lösungen all­
arbeiter sinkt. Mate Steinforth, kreativer Kopf von Sehn­ gemein zugänglich zu machen. So ging es zunächst um ein
sucht Berlin, schätzt zum Beispiel die 3­D­Software Blender Aufholen. Inzwischen bietet aber fast jedes Tool auch eigene,
durchaus, doch indet er selten Artists, die sie so gut be­ innovative Features. Linux­User durften sich so schon lange
herrschen wie Maya, 3ds Max oder Cinema 4D. vor Mac­OS­ oder Windows­Anwendern über virtuelle Desk­
Auf einen anderen, wichtigen Aspekt weisen Ralf Schnü­ tops freuen (auch wenn das Konzept an sich viel älter ist).
rer und Jens­Oliver Gasde von Atelier Markgraph in Frankfurt Der dritte Faktor ist der Lernaufwand, den das Tool dem
hin: Die Zusammenarbeit mit Auftraggebern und Partnern Kreativen abverlangt. So gibt es für fast jede Anwendung
machte die Anschaffung der entsprechenden Standardsoft­ vertraute Bedienschemata, von denen man nur ungern ab­
ware notwendig. »Ich arbeite privat mit OpenOfice und weicht. Einige Open­Source­Lösungen, etwa OpenOfice,
bin damit zufrieden. Ich habe aber festgestellt, dass Word­, halten sich sehr nah an jene Quasistandards, die geschlosse­
Excel­ und PowerPoint­Dateien unserer Kunden in Open­ ne Software gesetzt hat – in diesem Fall die älteren Micro­
Ofice gelegentlich anders dargestellt werden. Das ist für soft­Ofice­Versionen. Andere, wie das Bildbearbeitungstool
mich der wichtigste Grund in der Agentur auf die Quasi­In­ Gimp, sind weit entfernt von ihrem Widerpart. Die Frage ist
dustriestandards zu setzen, auch wenn dafür Lizenzgebüh­ also, ob die Einsparungen an Lizenzgebühren und der Vor­
ren fällig werden«, so Projektmanager Ralf Schnürer. Open­ teil, eine transparente Software einzusetzen, die Kosten
Source­Tools kommen nur dann zum Zuge, wenn sie mehr für die benötigte Zeit des Lernen aufwiegt. Wobei manch­

»Ich halte Open Source für


sehr wichtig und bleibe
auch mit den Entwicklungen
immer auf dem Laufenden.
In der Produktion setzen
wir aber nur äußerst selten
Open-Source-Tools ein«
Mate Steinforth, Geschäftsführer von Sehsucht Berlin
PAGE 12.12 095

mal ja auch die Open-Source-Lösung das einfacher zu be-


dienende Tool ist. So gab für Mate Steinforth bei der Ent-
scheidung für die Character-Design-Software Sculptris de-
ren »ungemein intuitiver Ansatz, 3-D-Modelle zu formen und
auszuarbeiten« den Ausschlag.
Neben diesen drei Hauptkriterien spielt eine Reihe wei-
terer Aspekte eine Rolle. So sollte eine Open-Source-Soft-
ware in möglichst vielen Sprachen lokalisiert sein, auf mög-
lichst vielen Betriebssystemen laufen und alle relevanten
Dateiformate unterstützen. Nicht unwichtig ist auch ein Blick
auf die Lizenz: Unter den in weiten Teilen synonymen Sam-
melbegriffen »Freie Software« und »Open Source« gibt es
ein breites Spektrum von rechtlichen Konstruktionen. Wer
professionell mit Open-Source-Software arbeitet, sollte
dabei einen Blick auf die Lizenzbedingungen werfen, um
sicherzugehen, dass keine Gebühren fällig werden oder die
Produkte der Arbeit gar selber unter einer Open-Source-
Lizenz stehen müssen. Auf den folgenden Seiten inden Sie
eine Auswahl von Open-Source-Software für den Einsatz in
Agenturen oder den Büros von Freelancern. Die Auswahl
enthält ausgereifte Lösungen, aber auch ein paar schwä-
chere Projekte – da, wo ein Aufgabengebiet von den Com-
munitys kaum abgedeckt wird. dsc

OPEN-SOUrcE-SOftWArE
Bewertungskriterien
Die folgenden Kriterien helfen die Stärken und Schwächen
der Anwendungen zu erkennen. Je mehr schwarze Punkte
ein Tool in einer Kategorie aufweist, desto besser ist es.

P Professionalität
Wie geeignet für professionelle Produktionen
L Lernaufwand. Wie schnell kann sich ein mit vergleich-
baren Standardtools vertrauter Kreativer einarbeiten
U Umfeld. Wie aktiv ist die Community und wie weitrei-
chend der Support durch Dienstleister
K Kompatibilität. Wie groß ist das Spektrum unterstützter
Betriebssysteme, Sprachen und Dateiformate

BASISANWENDUNGEN
Linux
Das alternative Betriebssystem verfügt über die
größte Community, die eine breite Palette an maß-
geschneiderten, einfach zu installierenden Distri-
butionen mit aufeinander abgestimmter Software für jede
Aufgabe anbietet. Zudem gibt es viele hochwertige Open-
Source-Lösungen nur exklusiv für diese Plattform – dafür
sind die Produkte der großen kommerziellen Anbieter, egal
ob Adobe, Autodesk oder Microsoft, nicht für Linux verfüg-
bar. Zu den Nachteilen zählt auch der Lernaufwand beim
Umstieg von Windows oder Mac OS. ≥ www.linux.com
P L U

OpenOffice
Eines der ausgereiftesten Open-Source-Projekte
ist das Ofice-Paket mit seinem Abkömmling Libre-
Ofice. OpenOfice deckt Textverarbeitung, Tabel-
lenkalkulation, Datenbank, Präsentation und sogar Bildbe-
arbeitung ab. Der Lernaufwand ist relativ gering, da es
096 PAGE 12.12 TECHNIK Open-Source-Tools

sich an den älteren Microsoft Ofice­Versionen orientiert, GRAFIK


und die Software kooperiert gut mit anderen Plattformen
und Anwendungen. Bei Problemen steht eine große Com­
munity zur Verfügung. ≥ www.openofice.org
Gimp
P L U K Die Bildbearbeitungssoftware hat lange Zeit auf
ein eigenwilliges Interface aus einzelnen Paletten
gesetzt. Inzwischen nähert sich das Erscheinungs­
Firefox bild aber dem von Photoshop an. Schön ist, dass sich dank
Das Mozilla­Projekt, entstanden aus Netscape Na­ des Gimp­Plug­ins PSPI sogar einige Photoshop­Erweite­
vigator, führte als Erstes den Begriff »Open Source« rungen verwenden lassen – wobei es für das Open­Source­
ein. Firefox spielt von seiner Funktionalität her in Tool ebenfalls ein breites Spektrum an Plug­ins gibt. Wer
der ersten Liga der Webbrowser mit. Seine Stärke ist, dass sich oder seinen Mitarbeitern die Zeit geben will, sich ein­
er sich sehr gut durch Plug­ins erweitern lässt, Firebug zum zuarbeiten, bekommt mit Gimp eine leistungsfähige Alter­
Beispiel liefert Webdesignern umfangreiche Hintergrund­ native zu proprietärer Software, auch wenn Photoshop am
informationen zu eigenen oder fremden Seiten, was sich Ende noch mehr Features bietet.≥ www.gimp.org
beim Webdesign auszahlt. Zudem ist Firefox in allen Spra­ P L U K
chen lokalisiert. ≥ www.mozilla.org/de/irefox/new
P L U K
Blender
Der 3­D­Modelling­Bereich ist durch die High­End­
Lösungen kommerzieller Anbieter wie 3ds Max,
ZUSAMMENARBEIT Maya oder auch Cinema 4D geprägt, mit denen fast
alle Artists arbeiten. Entsprechend schwer hat es Blender
mit seiner teilweise doch recht gewöhnungsbedürftigen
ownCloud Benutzeroberläche. Auf der Plusseite kann die Software
Im Cloud­Bereich ist Open Source mit ownCloud leistungsfähige Werkzeuge für alle Schritte der 3­D­Graikpro­
stark aufgestellt. Entweder auf einem eigenen duktion verbuchen sowie eine starke Community. Auf lange
Server oder bei einem Dienstleister gehostet, er­ Sicht könnte Blender sich durchaus als Alternative zu den
laubt es die einfach bedienbare Lösung, Dateien, Kontakte, etablierten Programmen durchsetzen. ≥ www.blender.org
Termine, aber auch Bilder und Musik im Team zu nutzen P L U K
oder Kunden zur Verfügung zu stellen. OwnCloud bietet zwar
nicht so viele Features wie die kostenplichtigen Lösungen
Box.com oder Huddle.com, doch gibt es eine relativ große
Scribus
Community und eine Vielzahl an Hostern, die ownCloud­ InDesign oder XPress kann Scribus sicher nicht er­
Installationen als schlüsselfertige Dienstleistung anbieten. setzen – vor allem nicht bei professionellen Work­
Für Windows, Mac OS und Linux gibt es Clients zum auto­ lows mit externen Partnern. Für einfachere Print­
matischen Synchronisieren. Für Android und iOS stehen layouts ist Scribus aber eine gute Wahl, gerade für Anwen­
darüber hinaus mobile Apps für den Zugriff von unterwegs der, die nicht täglich eine Graiksoftware benötigen. Die
zur Verfügung. ≥ http://owncloud.org Community ist klein, dennoch wird das Tool fortentwickelt.
P L U K Die urtümliche Benutzeroberläche hätte ein Update be­
sonders nötig. ≥ www.scribus.net/canvas/Scribus
ProjectLibre P L U K

Die früher unter dem Namen OpenProj bekannte


Projektmanagementsoftware funktioniert recht
gut und hat eine treue Fangemeinde. Diese ist al­ FILM & VIDEO
lerdings relativ klein, sodass man bei kritischen Projekten
vorsichtshalber auf ein ausgereifteres Produkt zurückgrei­
fen sollte. Wer gewohnt ist, mit Programmen wie Microsoft
Jahshaka
Project oder Merlin zu arbeiten, muss etwas Zeit fürs Um­ Das Tool bietet beeindruckende Funktionen für
lernen einplanen. ≥ http://openproj.eu Videoschnitt und visuelle Effekte. Doch leider ist
P L U K es für den Produktionseinsatz ungeeignet, denn
Jahshaka­Projekte lassen sich nicht in anderen Anwendun­
gen weiterbearbeiten. Außerdem scheint das Entwickler­
Thunderbird team untergetaucht zu sein. ≥ www.jahshaka.com
Der E­Mail­Client des Mozilla­Projekts hat eine P L U K
hohe Verbreitung. Leider haben die Entwickler je­
doch im Juli erklärt, keine neuen Features mehr
liefern zu wollen, da die Zukunft aus ihrer Sicht der Web­
Audacity
mail gehöre. Immerhin: Wartungsupdates wird es weiterhin Auf den ersten Blick eher unscheinbar, leistet das
geben. Wer langfristig auf einen E­Mail­Client setzen will, Audiotool aber professionelle Dienste beim Auf­
sollte sich also besser nach einer anderen Software umse­ nehmen und Schneiden von Tonmaterial. Eine ak­
hen. Kurz­ und mittelfristig aber ist Thunderbird durchaus tive Community hilft bei Fragen und garantiert die Weiter­
eine sehr gute Wahl. Microsoft Exchange unterstützt die entwicklung. Das deutsch lokalisierte Audacity unterstützt
Lösung nicht. ≥ www.mozilla.org/de/thunderbird alle großen Plattformen. ≥ http://audacity.sourceforge.net
P L U K P L U K
PAGE 12.12 097

Lightworks
Eine eindrucksvolle Liste an großen Hollywood­
Produktionen kann die Schnittsoftware Light­
works als Referenzen vorweisen. Ob »Mr. Bean«,
»Pulp Fiction« oder »Mission Impossible«, sie alle entstan­
den mithilfe der Open­Source­Lösung, die sich in ihrem Auf­
bau an den analogen Schneidetischen vergangener Tage
orientiert. Die Lightworks­Community ist eher klein, aber
aktiv. Minuspunkte sind, dass es die Anwendung bislang
nur für Windows gibt und sie Umsteigern einiges an Einar­
beitung abverlangt. ≥ www.lwks.com
P L U K

WEB-DEVELOPMENT
TYPO3
Der Markt der Content­Management­Systeme ist
heiß umkämpft, dennoch halten Open­Source­
Lösungen hier bedeutende Anteile. TYPO3 ist mit
Sicherheit das leistungsfähigste System, das es ermöglicht,
Rechte und Rollen äußerst differenziert und individuell
festzulegen. Mit dem Framework lassen sich komplexe Web­
projekte realisieren – fortgeschrittene IT­Kenntnisse voraus­
gesetzt. Auch das Backend für die Redakteure ist gewöh­
nungsbedürftig. Zum Ausgleich gibt es eine starke Commu­
nity und überdurchschnittlich viele Dienstleister, die bei
Fragen weiterhelfen können. ≥ http://typo3.org
P L U K

Drupal
Das ebenfalls sehr umfassende Open­Source­
Content­Management­System Drupal eignet sich
für Webseiten mit hohen Zugriffszahlen und vie­
len Mitarbeitern. Es wird auch für sehr große Websites mit
einem sehr hohen Besucheraufkommen und komplexen
Strukturen eingesetzt. Auch das Umfeld an Entwicklern
und Dienstleistern ist gut. ≥ http://drupal.org
P L U K

Joomla
Joomla ist ebenfalls ein beliebtes Open­Source­
CMS für professionelle Anwendungen mit einer
breiten Community an Entwicklern, Dienstleistern
und Anwendern. Es lässt sich recht gut erlernen und bietet
ein breites Umfeld an Erweiterungen und Plug­ins für un­
terschiedlichste Aufgaben. ≥ www.joomla.org
P L U K

KompoZer
Der wahre Entwickler hackt HTML und CSS in sei­
nen Texteditor. Das ist bestimmt auch ein Grund
dafür, weshalb das Open­Source­Angebot an gra­
isch orientierten Web­Authoring­Lösungen nach dem Vor­
bild von Dreamweaver äußerst bescheiden ausfällt. Kompo­
Zer, entstanden aus Netscape Composer, wird seit zwei Jah­
ren nicht mehr weiterentwickelt. Wer es mag, kann damit
auch professionelle Webseiten erzeugen. Insgesamt sind die
kostenplichtigen Tools in diesem Bereich aber deutlich bes­
ser als KompoZer. ≥ www.kompozer.net/index.php
P L U K
104 PAGE 12.12

AUSBLICKE
Der Wind pfeift, das Laub verfärbt sich – es wird Herbst. Jetzt ist der Blick aus den Bürofenstern am schönsten

Sonnwendwand, Chiemgauer Alpen


n Als Möbelmagnat habe ich natürlich keine Zeit, um aus
dem Fenster zu sehen. Für PAGE mache ich eine Ausnahme
und siehe, ich sehe die Sonnwendwand in den Chiemgauer
Alpen, 1511 m hoch. Der Blick aus dem Fenster hinter mir
zeigt den Festhallen-Uhrturm mitten in Aschau, 14,4 m Hö-
he und 17:05 Uhr. – Reicht noch für einen Auslug. Es ruft
der Berg! Und so ist meine Zeit als Magnat für heute vorbei.
Danke, PAGE!
Nils Holger Moormann, Produzent für Designmöbel,
Aschau im Chiemgau

Speicherstadt, Hamburg
n Seit 1996 sitzen wir in Hamburgs historischer Speicher-
stadt. Einen dieser Speicher hatte ich erst kurz vorher zum
ersten Mal bei einer Vernissage von innen gesehen. Mir war
sofort klar: Hier will ich arbeiten. Damals durfte nur in die
Speicherstadt, wer ein »hafennahes Gewerbe« betreibt. Die
Kaffee-Börse, unser Kunde, war die Eintrittskarte. Ich sitze
noch immer im selben Büro wie damals. Und genieße noch
immer das Besondere dieses Ortes. Der Blick, das Tuten der
Barkassen, die Döntjes der Barkassenführer (»Hier heb wi
dat scheunste Gebäude der S-peicherstadt . . .«), das Plät-
schern der Wellen, das Möwengeschrei. Und ab und zu for-
dert uns die Polizei zum Verlassen des Gebäudes auf, weil
eine Sturmlut naht. Die Speicherstadt ist für mich ein per-
manentes, inspirierendes Abenteuer.
Stefan Kolle, Geschäftsführer Kreation der
Werbeagentur Kolle Rebbe, Hamburg
PAGE 12.12 105

BT Tower, London
n Wenn ich aus dem Fenster unse-
res Razorish-Büros in London schaue,
fällt mein Blick auf den BT Tower. Am
10. September um 20:12 Uhr war ich
noch im Büro, als hier die Hölle aus-
brach: BT feierte das Ende der Olympi-
schen Spiele mit einem beeindrucken-
den Feuerwerk über dem Turm.
Schon als Kind war er für mich der
auffälligste Bau der Londoner Skyline,
hervorgegangen aus den Bedürfnissen
einer modernisierten Welt. 1962 als
Fernsehturm errichtet, symbolisiert der
BT Tower den bahnbrechenden Wan-
del des Kommunikationszeitalters. Da-
rüber hinaus stellt er den Triumph des
Designs dar: absolut funktional, mit
einem hohem Wiedererkennungswert
und wunderschön.
Mein Blick aus dem Fenster kann
für mich vieles bedeuten: einen Mo-
ment der Ruhe, die Bewertung einer
Arbeit, einen Tagtraum. Oder die nack-
te Verzweilung, wenn ich mir den Lon-
doner Sommer anschaue . . .
Daniel Bonner, Global Chief Creative
Oficer Razorish, Berlin

Berliner Ensemble
n Ein weiter Blick aus dem Fenster,
der das Denken beschleunigt, ist mir
beim Arbeiten wichtig. Beim Telefonie-
ren und Überlegen stehe ich oft am
Fenster meines Berliner Büros, dessen
Ausblick eine Art komprimierte Stadt-
geschichte wiedergibt – für ein Post-
kartenmotiv allerdings zu abgerockt:
Fernsehturm, Marienkirchenspitze und
Domkuppel, das klobige Dach der Volks-
bühne und Hans Poelzigs Wohnbauten
der Neuen Sachlichkeit. Ich freue mich
besonders, wenn die Plakatwand am
Haus des Berliner Verlags mit neuen
Werbemotiven bestückt wird. Da raten
Reiseanbieter im trüben Berliner Win-
ter: »Alltag aus. Leben an.« oder »Fühle
die Sonne!«, und Nike doziert: »Alle
Träume klingen verrückt. Bis sie wahr
werden.« Wem sich so tiefsinnige Slo-
gans vor dem Bürofenster präsentieren,
der braucht keinen Motivationschoach.
Wiebke Lang, PAGE-Redakteurin, Berlin,
verantwortlich für die »Einblicke«
106 page 12.12

KALENDER
Messen • Kongresse • Seminare Messen • Kongresse • Seminare
Halle Fiasco – ma non troppo. Vom Designfehler zum Berlin ADC Craft Workshop »Layout & Art Direction«
8. bis Fehlerdesign 30. November Geleitet wird das Seminar von Götz Ulmer, Johannes
10. November Designtheoretische Symposium Burg Giebichenstein bis 1. Dezember Krempl und Jens Schmidt BBDO Proximity Berlin
≥ www.burg-halle.de ≥ www.adc.de

München Webfontday 2012 Hamburg Leitmedium Design 1: Gutes Design entwickeln


10. November Im Zentrum der Vorträge steht die Frage, wie sich An- 1. März 2013 PAGE-Seminar mit Jochen Rädeker (siehe Seite 88)
wenderfreundlichkeit und (typo)graische Qualität Gastwerk Hotel Hamburg
im Webdesign vereinbaren lassen Kochan & Partner ≥ www.page-online.de/seminar
≥ http://2012.webfontday.de
Hamburg Leitmedium Design 2: Gutes Design gut verkaufen
London Internet Week Europe 2. März 2013 PAGE-Seminar mit Jochen Rädeker (siehe Seite 89)
12. bis Festival der Internet-Community und -Industrie Gastwerk Hotel Hamburg
16. November ≥ www.internetweekeurope.com ≥ www.page-online.de/seminar

Stuttgart Ringvorlesung »Do You Believe in Users?« Hamburg Infograik-Seminar


14. November Anders Carlsson über »Hackers and Suckers: Under- 8. April 2013 PAGE-Seminar mit Jan Schwochow (siehe Seite 59)
19:30 Uhr standing the 8-bit Underground« Stadtbibliothek Gastwerk Hotel Hamburg
≥ www.merz-akademie.de/lectures ≥ www.page-online.de/seminar

Berlin E:Publish Hamburg Wieder da! PAGE Seminar »Designmanagement«


15. bis Kongress für Neues Publizieren Adlershof con.vent. 22. April 2013 Workshop mit Christine Hesse (siehe Seite 75)
16. November ≥ http://is.gd/nqgzif Gastwerk Hotel Hamburg
≥ www.page-online.de/seminar
Berlin Summit of New Thinking
15. bis Konferenz zu offenen Strategien an der Schnittstelle Festivals • ausstellungen
16. November von Technologie und Medien sowie Kultur und Gesell-
schaft, veranstaltet von newthinking Station Berlin Berlin 28. Internationales Kurzilmfestival Berlin
≥ http://open-strategies.de 13. bis Diesmal sollen es rund 500 Filme in 56 Programmen,
18. November 7 Wettbewerben, 7 Kinos und Locations werden
Ludwigsburg Face to Face ≥ www.interilm.de
15. bis Konferenz für Wirtschaft, Design und Kommunikation
17. November Haus der Wirtschaft Dresden Cynetart
≥ www.face-to-face.eu 15. bis Internationales Festival für computergestützte
21. November Kunst Festspielhaus Hellerau
Düsseldorf beyond tellerrand ≥ http://t-m-a.de/cynetart/f2012?lang=en
19. bis Vorträge und Workshops zu Webdesign und Web-
21. November development Capitol Theater und Jacobihaus Berlin Low Bros – Oh Deer
≥ http://2012.beyondtellerrand.com Bis 17. November Die Eröffnung ihres Showrooms For Contemporary
Character Design and Art feiert Pictoplasma mit
Hamburg Global Fonts Day einer Ausstellung von Arbeiten der Brüder Nerd und
22. November Von URW++ veranstaltete Konferenz rund um Qbrk aus Hamburg und Berlin, die als Low Bros
weltweit einsetzbare Schriften East Hotel Hamburg einen ganz eigenen, expressiven Illustrationsstil
≥ www.page-online.de/global-fonts-day entwickelt haben Pictoplasma Kitchen
≥ http://kitchen.pictoplasma.com
München push conference
23. bis Die von envis precisely veranstaltete Konferenz will Köln Architekturfotograie – Made in China
24. November die Lücke zwischen UX Design und Interactive Arts Bis 25. November In den nächsten 15 Jahren soll in China Wohnraum für
schließen BMW Welt und Alte Kongresshalle circa 350 Millionen Menschen entstehen. Wie unter-
≥ http://push-conference.com/2012 schiedlich chinesische und westliche Fotografen,
darunter Feng Yan, Peter Bialobrzeski oder Bird-
Lissabon Eurobest Festival 2012 heads, diesen Wandel urbaner Lebenswelten wahr-
28. bis Event der europäischen Kreativbranche nehmen, lässt sich in dieser Ausstellung beobachten
Ben Plefka: Lebensraum, 2006

30. November Cinema São Jorge und Pátio da Galé Museum für angewandte Kunst Köln
≥ www.eurobest.com ≥ www.makk.de

Offenbach/ Deutscher Marken- und Designkongress Istanbul Istanbul Design Biennial


Main Thema: »Markenmanagement für Investitionsgüter« Bis 12. Dezember Erstmals präsentiert sich die aufregende Design-
29. bis IHK Offenbach/Main szene der Metropole am Bosporus
30. November ≥ www.german-design-council.de ≥ http://istanbuldesignbiennial.iksv.org
page 12.12 107

≥ Weitere Termine unter www.page-online.de/events. Dort können Sie uns auch Ihre Veranstaltungstermine mitteilen
Deutschland–Belgien 3:1, Düsseldorf, 11.10.2011, Torwart Manuel Neuer, Technik: Schwarzweißfotograie, Chromtintendruck auf Büttenpapier, kaschiert auf Aludibond, Größe je 109 x 163 cm © Regina Schmeken; Art Spiegelman:
Selbstporträt mit Maus-Maske. Titelseite für The Village Voice. 6. Juni 1989/from: Spiegelman, behind the mirror, portfolio of Galerie Martel, Paris 2009; Martin Woodtli: Plakat zur Ausstellung »Take Away« im Museum für Gestaltung

Festivals • ausstellungen Wettbewerbe


Zürich, 2005 (Ausschnitt), Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, © ZHdK; Pete Docter: Sullivan und Mike, Die Monster AG, 2001, Filzstift © Disney/Pixar; Boukari Kaoulatou, Pèhunco, Benin, 2011. © Albert Watson

Hamburg Albert Watson: Visions Feat. Cotton Made in Africa Bis Out of Balance – Kritik der Gegenwart
Bis 6. Januar 2013 Klar, auch seine ikonisch gewordenen Porträts 12. November Designpreis für Informationsvisualisierungen, die
gefeierter Musiker und Models sind in dieser Aus- komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge und
stellung zu sehen – viele davon als Vintage-Abzüge, Zukunftsherausforderungen verständlich machen
die Albert Watson selbst in der Dunkelkammer (siehe PAGE 10.12, Seite 12)
entwickelt hat. Das Herzstück aber sind die Ergeb- ≥ www.archplus.net; www.bauhaus-dessau.de
nisse seiner Reise durch Benin, die der Fotograf
im letzten Jahr unternommen hat: Bilder aus dem Bis Chromolux more with less challenge
Leben afrikanischer Baumwollbauern 20. November Gesucht sind Arbeiten aus Corporate, Kommunika-
(siehe PAGE 11.12, Seite 52 ff.) Haus der Photographie tions- oder Editorial Design, die sich durch Reduk-
≥ www.deichtorhallen.de tion aufs Wesentliche auszeichnen (siehe Seite 41)
≥ www.chromolux.de
Bonn PIXAR – 25 Years of Animation
Bis 6. Januar 2013 Mit »Toy Story«, dem ersten komplett computerani- Bis Plagiarius Wettbewerb 2013
mierten Film, hat das kalifornische Studio 1995 das 30. November Ziel der »Auszeichnung« ist es, Fälle von Produkt-
Genre des Trickilms revolutioniert. Die Schau widmet und Markenpiraterie aufzudecken
sich den Vorarbeiten für die Filmproduktion, bei de- ≥ www.plagiarius.com
nen künstlerische Techniken wie Pastellmalerei oder
Bildhauerei eine erstaunlich große Rolle spielen Bis Call for Entries: Internationales Trickfilm
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik 1. Dezember Festival 2013
Deutschland Gesucht sind nach dem 1. Oktober 2011 produzierte
≥ www.bundeskunsthalle.de Animationsilme für den Internationalen Wettbewerb
(Kurzilm), AniMovie (Langilm), Young Animation
Zürich Magie der Dinge. Das Produktplakat (Studentenilm), Tricks for Kids – Kurzilm und Serie
Bis 6. Januar 2013 In den 1940er Jahren erlebte die auratische Insze- oder Cartoons for Teens (Kurzilme, Serien, Animes,
nierung von schlichten Alltagsdingen im Sachplakat Machinimas und Cut Scenes aus Computerspielen)
einen Höhepunkt. Die damit verbundenen visuel- ≥ www.itfs.de
len Strategien stehen im Zentrum dieser konzentrier-
ten Ausstellung, die 80 Plakatklassiker Sach- Bis Gregor International Calendar Award 2013
fotograien sowie Werbeilmen gegenübergestellt 9. Dezember Wettbewerb für herausragend gestaltete Werbe-
Museum für Gestaltung, Galerie und Verlagskalender (siehe Seite 15)
≥ www.museum-gestaltung.ch ≥ www.gregor-calendar-award.com

Köln Co-Mix. Art Spiegelman Bis Talents 13. Memories


Bis 6. Januar 2013 »Eine Retrospektive von Comics, Zeichnungen und 14. Dezember An dem internationalen Wettbewerb können
übrigem Gekritzel« lautet der Untertitel dieser gro- angehende Fotografen und Kunstkritiker
ßen, von dem weltberühmten US-Zeichner selbst unter 35 Jahren teilnehmen
zusammengestellten Ausstellung. Auch wenn sein ≥ www.co-berlin.info
Hauptwerk »Maus« viel Raum einnimmt, sind hier
etwa auch Art Spiegelmans erste Arbeiten für die Bis Fumetto Comix-Wettbewerb 2013
Kaugummiindustrie oder Skizzen und vollständig 4. Januar Gesucht sind Comics zum Thema »Gerechtigkeit«
ausgearbeitet Bildfolgen, Illustrationen und Titel- (maximal 4 Seiten im A3- oder A4-Format). Die
zeichnungen für den »New Yorker« zu sehen vierzig bis fünfzig nominierte Arbeiten werden
Museum Ludwig während des Festivals vom 16. bis 24. März in einer
≥ www.museum-ludwig.de Ausstellung präsentiert
≥ www.fumetto.ch
Berlin Regina Schmeken. Unter Spielern –
Bis 6. Januar 2013 Die Nationalmannschaft Bis BoB 2012
Die »SZ«-Fotograin Regina Schmeken durfte die 11. Januar Eingereicht werden können Werbe- und Kommunika-
Nationalmannschaft seit 2011 bei ihren Spielen tionsmittel im Bereich der Business-to-Business-
begleiten. Entstanden sind ebenso ungewöhnliche Kommunikation, die von Oktober 2011 bis Septem-
wie erhellende Bewegungsstudien in Schwarzweiß ber 2012 in Deutschland, Österreich oder der
Martin-Gropius-Bau Schweiz zum Einsatz kamen
≥ www.gropiusbau.de ≥ www.bobaward.de

Bis ADC Nachwuchswettbewerb 2013


Berlin transmediale 2013 15. Januar 2013 Studenten, Absolventen und Junioren sind auf-
29. Januar bis »Back When Pluto Was a Planet« ist diesmal der Titel gerufen, ihre besten Semester-, Abschluss- und
3. Februar 2013 des Festivals für Kunst und digitale Kultur Praxisarbeiten einzusenden (siehe Seite 19)
≥ www.transmediale.de ≥ www.adc.de
108 PAGE 12.12 Publikationen

PUBLIKATIONEN

Für Rapper Kanye West


entwarf M/M 2011
Plattencover – und
machte auch edle
Seidenschals daraus

n »M to M of M/M«, »Zero to Five«.


Es ist gar nicht lang her, da war in Frank­
reich in Sachen zeitgeistiges Graikde­
sign nicht allzu viel los. Komisch eigent­
lich, wo doch Mode und Kunst gerade
dort den perfekten Nährboden für in­
novative graische Gestaltung abgeben.
Unter dem Namen M/M mischten dann
Arbeiten des
Michaël Amzalag und Mathias Augus­
angesagten
tyniak die Szene auf und sorgten inter­
jungen Pariser
national für Furore. In einem magazin­
Designstudios
artig auf dünnem Papier gestalteten
Akatre für das
Wälzer voller Bilder und ausführlicher
Kunst- und
Interviews mit ihren Auftraggebern hal­
Kulturzentrum-
ten sie nun Rückblick auf zwanzig Jah­
Main d‘Œuvres
re Arbeiten für Björk, Yohji Yamamoto,
Givenchy, Marc Jacobs, Palais de Tokyo,
»Vogue« und, und, und . . .
Heute boomt die französische De­
signszene, etwa mit Studios wie Akatre,
über das ein Buch beim Gestalten Ver­
lag erschien. Klar, es ist viel kleiner als
das von M/M, aber gehaltvoll – zu se­
hen sind schräge Bildwelten ebenso
wie edle Typograie oder innovative
Corporate Designs. Vive la France!
> Emily King: M to M of M/M (Paris).
London (Thames & Hudson) 2012,
528 Seiten. 42 Pfund.
isbn 9780500289938
> Akatre: Zero to Five. Berlin
(Gestalten) 2012, 176 Seiten. 19,90 Euro.
isbn 978-3-89955-458-8
PAGE 12.12 109

n »TypoLogo«, »Los Logos 6«. Gerade erschien im Typologos von Perfektes Recherchetool: Loseblatt-
Gestalten Verlag der sechste Band in der Bestseller- Pentagram-Partner sammlung zur Designgeschichte
Reihe »Los Logos«, der Taschen Verlag brachte auch Eddie Opara: Sorg
schon drei Bände »Logo Design« heraus. Braucht die Architects und UCLA n »The Phaidon Archive of Graphic
Welt noch mehr dieser Bücher? Die Antwort lautet: Ja. Design«. Eigentlich sollte aus diesem
Während »Los Logos 6« lippiger daherkommt und in Unten: Zeichen aus Rückblick auf fünfhundert Jahre Gra-
Kapiteln wie »Art Brut« oder »Glitch« Trends untersucht, »Los Logos« von ikdesign ein Buch werden. Doch dann
ist Michael Evamys »TypoLogo« mit 1300 Zeichen von Till Wiedeck, McMil- machte der britische Verlag Phaidon
250 Designbüros seriöser. Systematisch handelt es ab, lan Klinker und daraus eine 31,5 Zentimeter hohe Ar-
wie sich aus Schrift Signets bauen lassen, und zeigt Post Typography beitsbox mit 500 Karten. Von der Gu-
durchweg ernst zu nehmende Beispiele. Was das Buch tenberg-Bibel bis zum documenta-Ka-
jedoch vor allem von anderen Sammelbänden unter- talog 2012 zeigen sie vorne ein großes
scheidet, sind die Erklärungen zu jedem Logo. Solche Bild – Buch- oder Magazincover, Er-
Einblicke in die Konzeption braucht die Welt immer. scheinungsbild, Werbeplakat, Logo, ty-
> Michael Evamy: TypoLogo. Mit Zeichen Zeichen pograische Arbeiten, Verpackungen,
setzen! Mainz (Hermann Schmidt) 2012, 336 Seiten. Filmvorspänne, Plattencover und so
29,80 Euro. isbn 978-3-87439-828-2 weiter – , auf der Rückseite indet sich
> Los Logos 6. Berlin (Gestalten) 2012, 398 Seiten. die Geschichte sowie zusätzliche Bil-
39,90 Euro. isbn 978-3-89955-450-2 der aus dem thematischen Umfeld.
So viel Luxus hat seinen Preis, aber
auch große Vorteile: Man kann die Kar-
ten nach Gusto sortieren oder ein-
zelne bei der Recherche an die Wand
pinnen. Das Material der Box in Akten-
ordneroptik unterstreicht den Arbeits-
charakter. Und es ist auch noch Luft
für weitere Karten, die im Lauf der Zeit
dazukommen sollen.
> The Phaidon Archive of Graphic
Design. London (Phaidon) 2012,
1000 Seiten. 185 Euro.
isbn 9780714848679

n »Einhundert«. Wie viele Dinge be- mit dem Wilhelm Braun-Feldweg För- Sollten Gestalter eine Art ökologischen
sitzen Sie und wie viele brauchen Sie derpreis für designkritische Texte, kurz Eid ablegen? Und wie sieht es bei vir-
zum Leben? Eine Frage, auf die Moritz bf-preis, ausgezeichnet wurde. tuellen Gütern aus? Die sind doch um-
Grund präzise Antworten suchte, als Der Selbstversuch des UdK-Absol- weltfreundlich und man kann im Über-
er 2003 in sein erstes Berliner WG-Zim- venten, der 2009 an der Gründung des luss schwelgen? So sorgt das Büchlein
mer zog und seine Besitztümer zählte: Sustainable Design Center beteiligt für eine unterhaltsame und gedanken-
Es waren damals nicht mal 100. Wie war, gibt zu vielfältigen Überlegungen anregende Lektüre.
daraus im Lauf der Jahre 767 und dann Anlass. Wie verändert eine derartige > Moritz Grund: Einhundert. Sulgen,
langsam wieder nur 200 wurden, be- Selbstbeschränkung die Ansprüche an Schweiz (Niggli) 2012, 176 Seiten.
schreibt er in einem Buch, das jüngst das Design der Dinge, die man besitzt? 25 Euro. isbn 978-3-7212-0852-8
110 PAGE 12.12 Publikationen

Cover von Mal-


colm Garrett
(1977) und Ray-
mond Pettibon
(1982). Das mitt-
lere Cover gestal-
tete die Band
1981 wohl selbst

n »Design und Punk«. Die Bands nicht nur massenweise Artworks zu und die Augen mit Hakenkreuzen ver­
nannten sich The Killjoys, TNT, The Sta­ sehen, sondern auch jede Menge Span­ sah. Oder wie Künstler Raymond Petti­
lin, Kaaos, Pöbel oder Sperma – und nendes zu lesen gibt. bon für Black Flag, die Band seines
das Design war entsprechend. Zwei ab­ Etwa wie Malcolm Garrett beim Co­ Bruders, ein Logo gestaltete, das sich
solute Insider haben dieses Buch über ver zu »Orgasm Addict« von The Buzz­ manche als Ikone des Punks auf die
die wohl wildeste Zeit musikalischer cocks zum Vorreiter für den später so Haut tätowierten.
und graischer Provokation verfasst: beliebten Gebrauch von Fotokopierern > Russ Bestley, Alex Ogg: Design und
Musikjournalist Alex Ogg sowie Graik­ wurde. Wie Jamie Reid in der Werbung Punk. Posters + Flyers + Fanzines +
Designer, Ex­Punk und Sammler Russ für ein legendäres Skandalalbum der Album Covers. Innsbruck (Hannibal
Bestely ( www.hitsvilleuk.com ). Sie führ­ Sex Pistols der Queen Sicherheitsna­ Verlag) 2012, 244 Seiten. 39,99 Euro.
ten unzählige Interviews, sodass es deln durch Mund und Nase steckte isbn 978-3-85445-393-2

Links der erste Schritzug von 1976, oben das Logo von 1982,
an dessen schrafiertes O viele noch mit Nostalgie denken

n »Logo Life«. Auch wenn dieses Ge­ tel, Credit Suisse, Reuters, Holiday Inn Anwendungen. Grundsätzlich fällt auf,
schichtsbuch über berühmte Marken­ oder Japan Airlines, die aber nach ei­ dass die derzeit angesagten 3­D­Logos
zeichen nicht übermäßig schön gestal­ nem üblen Ausrutscher 2011 zum Kra­ mit Schatten­ und Glanzeffekten oft
tet ist, dürfte es Logo­Fans faszinieren. nich­Logo aus den Fünzigern zurück­ erstaunlich billig und blass wirken.
Bekanntlich ereifert sich diese Spezies kehrte. Andere Renovierungen gingen > Ron van der Vlugt: Logo Life.
Mensch über nichts so gerne wie die jedoch gut: die Web­2.0­Logo­typische, Life Histories of 100 Famous
Verschlimmbesserung von Wort­ und slicke Kleinschreibungstypo von Pepsi Logos. Amsterdam (BIS Publishers)
Bildmarken. Anlass für die Klage »Frü­ sieht auf Dosen nicht schlecht aus – 2012, 312 Seiten. 24 Euro.
her war alles besser« geben etwa In­ das Buch zeigt nämlich auch Fotos von isbn 978-90-6369-260-5

n »Numbers in Graphic Design«. Ob 3 Jahre Bachelor und 2 Jahre Master: beliebig kombinierbare Plakate von
Geschäftsberichte, Infograiken, Fahr­ Leonardo Sonnoli für Italiens älteste Graikdesignhochschule Isia in Urbino
pläne, Jahres­ oder Veranstaltungska­
lender, Ziffernblätter für echte und schließlich nichts anderes als Schrift­ entstehen. Außerdem werden hier
virtuelle Uhren, Orientierungssysteme zeichen), aber auch alle Arten grai­ aus Möbeln Ziffern gebaut oder aus
oder Inhaltsverzeichnisse: Immer wie­ scher Ordnungssysteme. Dabei geht Ziffern Bilder – kurz, der Zahlenspiele
der stehen Designer vor der Aufgabe, es keineswegs immer ums Darstellen ist kein Ende. cg
Zahlen übersichtlich und doch attrak­ bereits vorhandener Zahlen. Aus einer > Roger Fawcett-Tang: Numbers in
tiv zu gestalten. Zahlreiche Beispiele gestalterischen Problemstellung kann Graphic Design. London (Laurence
zeigt dieser Sammelband. Das können durchaus einmal ein kreatives Kon­ King) 2012, 320 Seiten. 28 Pfund.
reine Typolösungen sein (Ziffern sind zept auf Basis einer Nummerierung isbn 978-1-78067-003-4
112 PAGE 12.12 Publikationen

praktische Leitfaden. Hugh McGuire, Brian O’Leary (Eds.): Book:


A Futurist’s Manifesto. A Collection of Essays from the Bleeding
Edge of Publishing. Sebastopol, CA (O’Reilly) 2012, 316 Seiten. 20 Euro.
978-1-4493-0560-4. Den Sammelband mit Aufsätzen über die Zukunft
des Buches und der Buchgestaltung gibt es kostenlos auch unter http://
book.pressbooks.com . Alex Cornell: Breakthrough! 90 Proven Stra-
tegies to Overcome Creative Block and Spark Your Imagination.
New York (Princeton Architectural Press) 2012, 176 Seiten. 17,50 Dollar.
9781616890391. Tipps von Kreativen wie den Graik­Designern Paula
Scher oder Nicholas Feltron, Autor Douglas Rushkoff, Musiker Jamie
Lidell, Modesigner Jonathan Saunders oder Facebook­Kreativdirektor
Ji Lee. Rachel Wiles: Handmade Packaging Workshop. Tutorials &
Professional Advice for Creating Handcrafted Boxes, Labels, Bags
& More. London (Thames & Hudson) 2012, 176 Seiten. 9780500290576.
Die Autorin betreibt den Blog www.benignobjects.blogspot.de . Vin-
cent Bernière, Mariel Primois: Sex Press. The Sexual Revolution in
the Underground Press, 1963–1979. (Abrams) 2012, 240 Seiten. 40 Dol-
lar. 9781419705557. Amüsanter, oft ganz schön derber Rückblick. Ruedi
Baur, Vera Baur, Design2context (Hrsg.): Signs for Peace. An Impos-
Neuerscheinungen – kurz vorgestellt sible Encyclopedia. Zürich (Lars Müller) 2012, 720 Seiten. 40 Euro. 978-3-
03778-243-9. Die in jahrelanger Recherche entstandene Sammlung
Sabine Bories: Wo ist eigentlich Batman, wenn man ihn mal befasst sich mit der gestalterischen Verarbeitung von Konlikten – und
braucht? Ein iPod-Tagebuch. Hamburg (Atrium Verlag) 2012, 176 Sei- Visualisierungen für den Frieden. SNASK: Make Enemies & Gain Fans.
ten. 19,95 Euro. 978-3-85535-038-4. Sabine Bories musste ihren Job als Amsterdam (BIS Publishers) 2012, 192 Seiten. 19,80 Euro. 978-90-6369-
Texterin bei Jung von Matt wegen rheumatoider Arthritis aufgeben. Mit 297-1. Die junge und angesagte Stockholmer Agentur SNASK erzählt
Zeichen­App und Zeigeinger führte sie Tagebuch über ihren oft skur­ vom »Snask way of becoming a successful creative entrepreneur«. cg
rilen Alltag. Cartoonmuseum Basel, Christian Gasser, Anette Geh-
rig (Hrsg.): Comics Deluxe! Das Comic-Magazin Strapazin. (Christoph
Merian Verlag) 2012, 144 Seiten. 16 Euro. 978-3-85616-577-2. Das Buch
über die seit 1984 wegweisende Zürcher Comiczeitschrift erscheint
anlässlich einer großen Ausstellung im Cartoonmuseum Basel (10. No­
vember 2012 bis 3. März 2013). Unten das Cover der September­Ausga­
be mit einer Illustration von Conrad Botes. D&AD 2012. Köln (Taschen)
2012, 544 Seiten. 39,99 Euro. 978-3-8365-3517-5. Seit letztem Jahr nimmt
der Taschen Verlag es in die Hand, das Annual eines der wichtigsten
Kreativawards in einer schönen, preiswerten Ausgabe zu drucken.
Eine gute Sache! Hermann Gummerer, Franziska Hack, no.parking:
Total alles über Südtirol. Wien (Folio) 2012, 128 Seiten. 19,90 Euro. 978-
3-85256-607-8. Alles, was sie schon immer mal über Südtirol wis­
sen wollten – vermittelt durch amüsante Infograiken aus dem Studio
no.parking. Bogner Moments
1932–2012. Kempen (teNeues) 2012,
208 Seiten. 79,90 Euro. 978-3-8327-
9624-2. Die wohl traditionsreichste
deutsche Wintersport­Lifestylemar­
ke hält zum 80. Geburtstag Rück­
schau. Florence Maurice: Mobile
Webseiten. Strategien, Techniken,
Dos und Don’ts für Webentwickler.
München (Hanser) 2012, 400 Seiten.
34,90 Euro. 978-3-446-43118-8. Von
kleinen Optimierungstipps für Web­
sites, die auch mobil funktionieren
sollen, bis zur Web­App reicht dieser
page 12.12 113

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mit dem Blauen Globus können Sie PAGE kaufen oder bestellen. Es gibt sie durchaus: wett-
Servicedesign
bewerbsfähige Druckereien. Methode, Prozess, ganzheit-
Mitglied der Informationsgemeinschaft zur Feststellung Das sind Unternehmen, die liches Designverständnis? Was
der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) ihre Nische gefunden haben, genau ist eigentlich Service-
vor keiner Herausforderung design? PAGE geht dem Buzz-
zurückschrecken und gemein- word im Gespräch mit promi-
≥ www.page-online.de ≥ www.twitter.com/pagemag sam mit Kreativen span- nenten Vertretern und anhand
≥ www.facebook.com/pagemag ≥ iTunes app Store nende Projekte realisieren von Best Cases auf den Grund
114 PAGE 12.12 Fundstücke von Jürgen Siebert

Von Brooklyn lernen


Kühne Kommentare von Jürgen Siebert zu Trends, Ereignissen und
dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen

n Zwei Brücken, die ihre Namen tra­ Jungirmen in Brooklyn sind Etsy, Ma­ in vierzig Städten auf sechs Kontinen­
gen, verbinden die ungleichen Stadt­ kerBot, Steiner Studios, die Werbeagen­ ten stattindet.
teile: die Brooklyn und die Manhattan tur Huge oder die Mobile­Media­Agen­ Seit einem Jahr bin ich Gastgeber
Bridge. Brooklyn liegt auf Long Island, tur Pontilex. Noch bekannter – vor der »CreativeMornings Berlin«. Nach
direkt gegenüber dem Finanzviertel allem in der Designszene – sind Einzel­ zwölf Morgenvorlesungen an der Spree
Manhattans. Während dort die Wolken­ personen, die sich mittels sozialer Me­ hatte ich Mitte Oktober endlich Gele­
kratzer eine gewisse Kühle ausstrah­ dien Gehör verschaffen und auf diese genheit, das Original am East River zu
len, wirkt Brooklyn wie eine Mischung Art ihr Business aufbauen. Allen voran besuchen und der Erinderin auf der
aus Klein­ und Weltstadt, offen und die Twitter­Stars rund um die Schwei­ Bühne für die großartige Idee zu dan­
Diese und weitere weitaus gemütlicher. Für Touristen ist zer Designerin Tina Roth­Eisenberg ken. In derselben Woche fand auch die
Fundstücke von Brooklyn noch ein Geheimtipp. Doch (@swissmiss, 328 000 Follower), die vor hochkarätig besuchte Internetkonfe­
Jürgen Siebert in- die Bewohner haben das Potenzial ih­ acht Jahren nach Brooklyn kam und ih­ renz Brooklyn Beta statt. Sie ist ein
den Sie unter res Bezirks bereits vor Jahren für sich ren Blog startete.  weiteres Beispiel für die ausgeklügel­
www.page-online. entdeckt. Nicht nur gut verdienende Ihre Coworking­Truppe nennt sich ten Energiespender der Brooklyner
de/fundstuecke junge Leute mit Kindern inden die Ge­ Studiomates. Das sind ungefähr dreißig Szene, die verstanden hat, dass die per­
gend attraktiv. Vor allem kreative Bü­ Berufskollegen mit einer Internet­Ein­ sönliche Begegnung immer noch wich­
ros und Services lassen sich in frisch schaltquote von mehr als 10 Millionen tiger ist als große Follower­Zahlen und
sanierten Industriegebäuden zu (noch) Nutzern, wenn man alle Accounts zu­ Facebook­Likes.
angemessenen Mieten nieder, darun­ sammenrechnet. Die bekanntesten in- Die folgenden Lehren habe ich vom
ter viele Web­ und App­Designer. fluencer sind Jason Santa Maria (@jason »CreativeMorning« und von der Brook­
Investoren bestätigen den Trend: santamaria, 302 000 Follower), Maria Po­ lyn­Beta­Konferenz mit nach Hause ge­
Eindrücke aus Brook- Start­ups zieht es kaum noch ins Silicon pova (@Brainpicker, 256 000 Follower), bracht, und ich glaube, dass sie über­
lyn. Ganz unten: Valley, sondern nach Brooklyn und Man­ Frank Chimero (@fchimero, 32 000 Fol­ all gültig sind:
Tina Roth-Eisenberg hattan. Laut Statistiken von Pricewater­ lower) und Bekka Palmer, die auf Pin­ • Nicht der Beste sein wollen, sondern
(@swissmiss) und house und der National Venture Capi­ terest aktiv ist – mit inzwischen 7 Millio­ das Beste machen.
Jürgen Siebert, auf- tal Association stieg die Zahl der New nen Followern. Sie alle zahlen 500 Dol­ • Menschen sind das Medium,
genommen von Yorker Neugründungen zwischen 2007 lar für ihren Schreibtisch in der 6. Etage nicht Pixel.
einem digitalen Foto- und 2011 um 34 Prozent; im Silicon Val­ von 10 Jay Street. • Meide giftige Auftraggeber
automaten beim ley gingen diese um 7 Prozent zurück.  Auf dem von Tina geschaffenen kre­ und Kollegen!
»CreativeMorning« Die meisten Start­ups siedeln sich ativen Nährboden sind bis heute gleich • Es ist ökonomischer, in Ausbildung
im Galapagos Art in der Dumbo Neighborhood an, also eine ganze Reihe Plänzchen mit welt­ zu investieren, als Gleichgültigkeit zu
Space (rechts oben). direkt am ehemaligen Marinehafen, un­ weitem Echo gewachsen. Beispiels­ bezahlen
Darunter das Büro terhalb der Auto­ und U­Bahn­Brücke. weise die Checklisten­App TeuxDeux, • Nicht der Zugang zur Information
der Studiomates Dumbo ist ein Akronym und steht für die temporären Tattoos von Tattly und ist entscheidend, sondern der Zugang
mit Blick auf die »Down Under the Manhattan Bridge die Frühstücksvortragsreihe »Creative­ zueinander.
Manhattan Bridge Overpass«. Überregional bekannteste Mornings«, die inzwischen monatlich Danke, Brooklyn!

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