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REPORT
SZ-Redesign:
Ein Blick in die
Tagebücher
der Gestalter
DEUTSCHLAND 9,80 €
11.2012 Ideen und Know-how für Design, Werbung, Medien ≥ www.page-online.de
4 191084 209802 11
Gehälter & Honorare

VERDIENEN
SIE GENUG?
Gehälter, Honorare,
Chancen für Kreative

HOLEN
SIE MEHR
RAUS!

Ratzfatz-Design Visual Web Sprechende Illus


Speeddating, Live Battles, Blind Dates: Mehr Wie Kreative Pinterest und Co Lyrisch oder provozierend: Wenn
Adrenalin für Ideenfindung und Recruitment beruflich nutzen können Zeichner mit Worten arbeiten
Editorial PAGE 11.12 003

Verwerfungen
deizit für die Kulturindustrien auf und
haben sich zwischenzeitlich zu starken
Exporteuren von kreativen Gütern und
Dienstleistungen entwickelt«, berich-
tet der BVPA. In Buenos Aires und Mon-
tevideo etwa sei der audiovisuelle Sek-
tor zu den erfolgreichsten Branchen in
der Kultur- und Kreativwirtschaft he-
rangewachsen. 2009 seien in Argenti-
nien 673 Werbeilme produziert wor-
den, 40 Prozent davon fürs Ausland,
Schwerpunkt Europa. Uruguay expor-
n Du willst ein Internet-Milliardär wer- tierte sogar 90 Prozent. Beinahe un-
Cover: Elisabeth Moch (www.elisabethmoch.de); Foto: Kirsten Nijhof

den? Dann geh nach Afrika!«, schreibt bemerkt verschieben sich die Märkte.
das US-Magazin »Wired«. Eine Milliar- Auch bei uns. Schauen wir uns nur
de Menschen ofline, das sei wie bei Barcelona, die gefühlte Trendhaupt-
uns damals um 1995. Noch 2007 ver- stadt Europas an: Auch wenn die Kre-
band ein einziges Glasfaserkabel den ativmetropole auf den ersten Blick un-
Kontinent mit dem Internet, heute sind verändert attraktiv erscheinen mag –
es bereits neun, im kommenden Jahr während des diesjährigen Festivals für
sollen es zwölf sein. Auch wenn es mit postdigitale Kultur, der OFFF 2012, be-
den Tiefseekabeln allein noch nicht völkerten wieder Scharen von Krea-
getan ist – terrestrische Kabel müssen tiven die Ramblas –, in Spanien sind
die Bandbreite erst noch ins Hinter- derzeit so viele junge Leute arbeitslos
land tragen –, der britische Premier wie nirgendwo sonst in der Eurozone.
Cameron führte dennoch schon mal Zahlreiche Deutsche kehren wieder in
eine Unternehmerdelegation nach Ni- ihre Heimat zurück, drängen in den
geria und Südafrika auf Einkaufstour nächsten vermeintlichen Hot Spot oder
bei Internet-Start-ups. münzen das brachliegende Kreativpo-
Wenden wir den Blick von Afrika tenzial sowie die niedrigen Personal-
nach Südamerika: Seine Integration in kosten und Mieten um in einen Stand-
den weltweiten Kreativmarkt für stille ortvorteil für das einträgliche Aus-
und bewegte Bilder hat Argentinien landsgeschäft. – Der Kreativmarkt ist
und Uruguay bereits einen gewaltigen in Bewegung: Gehälter, Honorare und
Aufschwung gebracht. »Beide Länder Tätigkeitsfelder mit Zukunft, siehe Titel-
wiesen nach 2001 ein Handelsbilanz- geschichte ab Seite 22.

Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher

Flüchtige Moment-
aufnahme: Für unser
Cover legte Elisabeth
Moch Konfetti aus
Euro-Spielgeldschei-
nen Punkt für Punkt
zu einem Porträt.
Weil bei solch einer
Frickelarbeit jedes
kleinste Detail zählt,
ixiert sie die einzel-
nen Teile nicht.
Nach dem Fotogra-
ieren löst sich
das Bild wieder auf
004 page 11.12

INHALT
SZENE
006 Was die Branche bewegt
Fons Hickmanns Corporate Design für die Semper-
oper; augenzwinkernde Kampagne aus Norwegen;
Transmedia-Game »Alt-Minds«; graisches Bardesign

014 Branche & Karriere


»Trend Diary 2013«; Business Basics; Jochen Rädeker
über sein Ausscheiden aus dem ADC-Präsidium

018 Ausbildung
Infograik zur Internetnutzung im Iran

TITEL
022 n Verdienen Sie genug?
Wer gut ist, will auch gut bezahlt werden. Doch
ganz so einfach ist es nicht. Wir berichten, welchen
Einluss etwa Standort und Spezialisierung haben,
und geben Kreativen handfeste Argumentations-
hilfen für Gehalts- und Honorarverhandlungen

KREATION
032 Food & Design
044 »SZ«-Layoutreform
Kochen ist ein kreativer Akt und inspiriert Gestalter
zu sinnlich-experimentellen Höchstleistungen

038 Sound Branding


Marken haben heute oft auch einen eigenen,
charakteristischen Klang. Wir geben Einblick in die
Arbeit von Sound-Branding-Spezialisten

044 n Report: »SZ«-Layoutreform


Der wichtigsten deutschen Tageszeitung ein neues
Gesicht zu geben, ohne ihre Identität zu opfern –
Christian Tönsmann, Henning Skibbe und Johannes
Erler erzählen von dieser Gratwanderung

051 Papierwelt
Metapaper-Roadshow; Panzer aus Papier

052 Afrika als Trendsetter


Eine junge Generation selbstbewusster afrikanischer
Designer prägt unser Bild des Kontinents völlig neu

TYPO
062 Processing & Typedesign
Wie Stefanie Schwarz mithilfe der Open-Source-
Programmiersprache interaktive Schriften erzeugt

066 Typowelt
032 Food & Design
Wunderschöne Typo-Postkarten; Atlas Font Foundry
page 11.12 005

≥ PAGE Online: Ob Stellenangebote, Inspiration,


News, Magazin-Volltextsuche, publishing-Tipps,
abo-angebote oder den page-Shop – das alles finden
Sie unter www.page-online.de

BILD
068 n Sprechende Illus
Illustratoren wie Christoph Niemann oder
Frank Höhne arbeiten in ihren Bildern mit Text-
elementen – was hat es damit bloß auf sich?

076 Bildwelt
Album Editions; Samsungs Galaxy Camera

TECHNIK
078 n Visual Web
Pinterest hat einen unerwarteten Boom ausgelöst,
der immer neue visuelle Apps entstehen lässt.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies Kreativen?

084 n Ratzfatz-Design
Zurzeit gibt es eine Fülle von Events in der Design-
branche, die Schnelligkeit zum Prinzip erheben.
Wir stellen die Konzepte und Methoden vor

092 Profi-Tipps für Web und Print


Von Photoshop und InDesign bis Mac OS X 10.8 & Co

096 Druckweiterverarbeitung, Teil 5


Worauf beim Lentikulardruck zu achten ist

098 Tools & Technik


iPhone 5; Pentax Q10; Quarks Layout-iPad-App

SERVICES & STANDARDS


106 Einblicke
Kreative und ihre Lieblingskochrezepte für
stressige Zeiten

108 Kalender: Kongresse, Ausstellungen, Awards

110 Publikationen: Buchempfehlungen


für kreative Publisher
Ein Buch über die Gestaltung der ersten Seite und
eines über den »Graphic Design Process«

003 Editorial 016 PAGE Online 113 Impressum/Vorschau


057 PAGE Studenten-Abo 075 PAGE Abo 083 PAGE Shop
104 PAGE Stellenmarkt
114 Fundstücke von Jürgen Siebert

PAGE SEMINARE
043 Transmediales Story-Training mit der Good School
060 Neu! Infografik-Seminar mit Jan Schwochow
090 »Gutes Design entwickeln« mit Jochen Rädeker
062 Playing Type
091 »Gutes Design gut verkaufen« mit Jochen Rädeker
006 PAGE 11.12

SZENE

Das aktuelle Corporate Design der Semperoper – hier auf Jahresvorschau (oben),
Poster und Postkarten (ganz rechts) angewandt – kommt als reizvoller,
inhaltsgetriebener Stilmix daher. Gewitzt entlehnt es visuelle Elemente aus
dem Dadaismus, während die Farbgebung eher an die Postmoderne erinnert
PAGE 11.12 007

n Jede Spielzeit erhalten die Medien

Kulturshake des Dresdner Opernhauses einen neu­


en Auftritt, bewahren aber Fixpunkte
wie Schrift, Logo sowie Illustration und
Fotograie. In diesem Jahr bildet die
Im visuellen Erscheinungsbild der Semperoper verbindet der Berliner Technik der Bildmontage eine weitere
Designer Fons Hickmann Gestern und Morgen zu süfigen Collagen Klammer, innerhalb derer unterschied­
lichste Inhalte, Programme, Zielgrup­
pen und Medien verknüpft werden. Mit
Wagner, Henze und Thielemann stehen
in der Spielzeit 2012/2013 völlig verschie­
dene Protagonisten der Musiktheater­
geschichte im Fokus. »Die Collage bie­
tet ein ideales Interaktionsfeld, in dem

wir historisches Bildmaterial mit zeitge­


mäßen Farblächen kombinieren«, er­
klärt Fons Hickmann, der das Corporate
Design entwickelt hat. Für die Jahres­
vorschau wurden historische Stadtan­
sichten verwendet, für eine Plakatserie
historische Stiche und Gemälde, um sie
mit frischen Farbwelten zu einem zeit­
genössischen Entwurf zu verschmelzen.
Der Neustart des bislang museal
wirkenden Corporate Designs für die
Semperoper war ein radikaler Schritt.
«Es musste viel Staub und Kitsch von
dem alten ›Mozartkugel­Design‹ ent­
fernt werden, um den ehrwürdigen
Charakter des traditionsreichen Hauses
freizulegen«, erklärt Fons Hickmann.
»Vor allem sollte das Erscheinungsbild
nicht mehr an ein lokales Brauhaus er­
innern.« Die Herausforderung vieler
Kulturhäuser mit einem großen Schatz
kultureller Errungenschaften liegt da­
rin, sich nicht vom Gewicht der Historie
lähmen zu lassen, konstatiert der Ge­
stalter. »Die Chance sehe ich darin, die
Tradition selbstbewusst zu vertreten
und das Wagnis einzugehen, diese in
die Gegenwart zu transformieren.« wl
008 PAGE 11.12 SZENE

Unter dem Titel


»From Russia With
Love« stellt der
Produktkatalog die
Teppichkollektion
des Designers Jan
Kath vor. Die von
Oktober Kommuni-
kationsdesign
gestaltete Publika-
tion jongliert mit
Versatzstücken
russischer Folklore
und modern
buntem Look

»Adeyaka«, das iPad- Nachhaltig vertraut


Magazin der japa-
nischen High-End- n German Design Award. Erstmals frechen Ideen ihre begrenzten Bud­
Automarke Ininiti, gegliedert nach zehn Kategorien, ste­ gets optimal nutzen. Da wird sofort
lebt von eleganter hen die Nominierungen für den dies­ klar, wie die Welt damit verändert wer­
graischer Reduk- jährigen German Design Award fest. den kann.« Auf der anderen Seite gab
tion. Gestaltet hat Aus Bereichen wie Home Interior, Wor­ es auch belanglose Betroffenheits­
es köckritzdörrich king Spaces, Industrial Goods and Ma­ graik, so Rotzler, die sich mit Plaka­
terials, Print Media, Audiovisual and Di­ ten zu Katastrophen äußert, ohne Lö­
gital Media sowie Communication Tools sungsansätze zu bieten: »Sie dienen
wählte eine Fachjury je bis zu zehn Fi­ einzig der eigenen Proilierung. Amir
nalisten; die Goldgewinner werden im Kassai bezeichnet sie zu Recht als
Februar 2013 bei der Lifestylemesse ›Zombie­Lösungen‹.«
Ambiente vorgestellt. Eine dringend Bemerkenswert fand Andreas Rotz­
notwendige, sympathische Neuerung ler den VW Up, der neue Technologien
des auslobenden Rats für Formgebung und Sustainibility verbindet, und die
Das Corporate ist das Förderprogramm für Kleinun­ Diplomarbeit »Hotel Mama«: »Der Auf­
Design für ternehmen, das eine Befreiung von an­ tritt baut auf imperative Aussagen aus
Hotel Mama – fallenden Kosten ermöglicht sowie die unserer Kindheit auf, wie ›Zähne put­
ein iktives kostenfreie Teilnahme für Newcomer. zen, ab ins Bett!‹ oder ›Mach die Kiste
Wellnesshotel – Juror Andreas Rotzler, Chief Crea­ aus!‹. Damit wurden in einer witzigen,
hat «beaujean» tive Oficer bei Interbrand, war be­ reduzierten Arbeit die zwei wichtigsten
design als eindruckt vom breiten Spektrum der Tendenzen vereint.« Nämlich die Suche
Diplomarbeit Arbeiten: »Von High­End­Produkten nach nachhaltigen Lösungen sowie das
entworfen deutscher Spitzenmarken, beispiels­ Wiederbeleben des »guten Altbekann­
weise zu Sustainable Mobility oder für ten«: »Beides Ausdruck einer Zeit, in
die Navigation in der täglichen Daten­ der sich Menschen nach Sicherheit und
lut, bis hin zu Kleinstprojekten, die mit Langfristigkeit sehnen.« wl

Vom Papier in den Account


n Skizzenbuch. Moleskine und das »virtuelle Gedächtnis« Evernote haben
sich zusammengetan und das Smart Notebook entwickelt, ein mit digitalen Features
angereichertes edles Notiz- und Skizzenbuch. Seine smartness entfaltet es im
Zusammenspiel mit der neuen Version der kostenlosen iOS-App von Evernote. Diese
bietet eine Kamerafunktion, mit der sich analoge Entwürfe digitalisieren lassen:
Man fotograiert einfach seine Skizze, die App erkennt automatisch Handschriften
und überträgt die Entwürfe aus dem Buch in den Evernote-Account des Nutzers.
Spezielle Aufkleber fungieren als Kennzeichen: Die entsprechende Buchseite wird
dann automatisch einer vorher festgelegten Kategorie zugeordnet. Erhältlich ist das
Smart Notebook zum Beispiel über Moleskine; die Evernote-App gibt’s im App Store. aw
PAGE 11.12 009

Ansichtssache
Die neue Schöffel­Kampagne
kommt gut an. »Sind wir
alle reif für die Insel?«, fragt
PAGE­Redakteurin Nina Kirst

n Dass die Kreativbranche sich bei der Bewertung


einer Kampagne – ob gut oder schlecht – einig ist,
kommt selten genug vor. Dass das Urteil dann auch
noch durchweg positiv ausfällt, passiert ungefähr so
häuig wie die Fußballweltmeisterschaft. Ogilvy &
Mather Advertising Frankfurt hat das mit der aktu­
ellen Schöffel­Kampagne geschafft.
Das liegt zum einen an den gelungenen Naturauf­
nahmen, gepaart mit dem neuen Claim »Ich bin raus«,
und zum anderen an den Seitenhieben auf die Leis­
tungsgesellschaft. Der Spot richtet sich »An alle High
Potentials und Key Performer, Global Player und Opi­
nion Leader, alle Deep Diver und Innovation Driver«
und so weiter. Die müssen erst mal ohne den Prota­
gonisten weitermachen. Der Text ist stark, die Bilder
unaufgeregt schön – so trifft die Kampagne den mo­
dernen Büroarbeiter, der den Großteil seiner Zeit in
geschlossenen Räumen, in Autos, Flugzeugen oder
Zügen verbringt, ins Mark. Gleichzeitig mahnt sie nicht
sportliche Höchstleistungen an, zeigt keine Gipfelstür­
mer oder Proi­Snowboarder – sondern Menschen,
die ganz eins mit sich sind und in der Natur umher­
streifen. Alles ganz entspannt. Und dazu ein Jever.
Der Trend zum Raus ist die Parallelentwicklung
zur Burnoutlawine. Abschalten, Work­Life­Balance,
Wellness und Sabbaticals sind in aller Munde; »brand
eins« widmete sich in ihrer August­Ausgabe ganz
dem »Nichtstun«. Doch mal ehrlich: Eine monate­
lange Weltreise ist nur in den wenigsten Positionen
möglich, und ein freier Nachmittag fordert Über­
stunden am nächsten Tag. Da kann man schon mal
einen Hass auf die Arbeitswelt kriegen, die nach
High Potentials schreit.
Schöffel ruft mit ihrer Kampagne aber nicht zum
Zahlen von Welt Aussteigen auf, sondern zur kleinen Auszeit, zu einem
Wochenende in der Natur ganz ohne Leistungsdruck.
n Geschäftsberichte. Wie sehen Ende Oktober zeigt das Hamburger Am Montag kann’s dann weitergehen. Ein wohldo­
prämierte Geschäftsberichte aus? Und Museum für Kunst und Gewerbe siertes Maß an kontrolliertem Aussteigen, das per­
wie visualisieren andere Länder Un­ Geschäftsberichte aus aller Welt. fekt zur gescholtenen High­Potential­Welt passt. Und
ternehmenszahlen und ­ziele? Wer Mit dabei ist sicher auch der wenn es mit dem Wochenende in der Wildnis nicht
Antworten auf diese Fragen sucht, prämierte Report der Marquard & klappt, kann man einfach den Schöffel­Spot noch mal
sollte vom 23. bis zum 28. Oktober im Bahls AG, der wie jedes Jahr mit gucken. Und in der Outdoorjacke zur Arbeit fahren.
Hamburger Museum für Kunst und großartigen Illustrationen aufwartet
Gewerbe vorbeischauen. Dann prä­
sentiert dort nämlich die HGB Ham­ westlichen Industrienationen, gehen
burger Geschäftsberichte GmbH die in der Zwischenzeit deutlich mehr
Ausstellung »Annual Reports. Die bes­ Wettbewerbsbeiträge aus Asien und
ten Geschäftsberichte«. Grundlage für dem Mittleren Osten ins Rennen: so
die Aussellung sind die Ergebnisse des aus Hongkong, China, Japan, Singa­
ARC Awards, der seit 1987 von der pur und Vietnam. Rund 200 Gewin­
Academy of Communication Arts and nerberichte mit verblüffenden De­
Sciences/MerComm in New York aus­ signs und Geschichten aus aller Welt
gerichtet wird. sind in Hamburg zu sehen: Sie ermög­
In diesem Jahr verzeichnete die lichen einen Blick über den Tellerrand
Jury über 2200 Einreichungen von und geben zusätzlich Impulse für un­
1200 Unternehmen aus 32 Ländern. konventionelle Wege der Annual­ »Ich bin raus«: Schöffel setzt auf die Sehnsüchte
Neben den seit jeher stark vertretenen Report­Gestaltung. ant von Büroarbeitern
010 PAGE 11.12 SZENE

Anja Knust und ten die Kreativen sensible Entschei­


Carrois Type Design dungen zwischen Originaltreue und
entwickelten ein typograisch notwendiger Optimierung
Versalalphabet für treffen. »Wir entschlossen uns, den sti­
die National- listischen Charme inklusiver einiger
galerie, das auf ›Fehler‹ so weit wie möglich zu erhal­
dem Original ten, aber technische Unsauberkeiten
von Mies van der der Planzeichnung zu korrigieren«, so
Rohe basiert Anja Knust und Ralph du Carrois. »Die
wichtigsten Maßnahmen bestanden im
Digitale Restauration Strichstärkenausgleich von Vertikalen
  und Horizontalen, Bogen und Geraden,
n Leitsystem. Die Neue Nationalgale­ den Groteskschrift namens Allzweck­ Auf­ und Abstrichen, Kurven­ sowie
rie in Berlin gehört zu den Architektur­ Alphabeth gesetzt – ohne digitale Dicktenoptimierungen. Die wenigen
ikonen der 1960er Jahre. Wenig be­ Technik und im Lauf der Jahre varian­ vorhandenen Satzzeichen haben wir
kannt ist, dass Mies van der Rohe mit tenreich improvisiert. deutlich verändert und vergrößert, um
seinen Plänen auch eine eigene Schrift Die Berliner Designerin Anja Knust prägnanter im Satzbild zu stehen.« Das
als A0­Plankopie lieferte – für Archi­ und Carrois Type Design erhielten jetzt Ergebnis, die Allzweck MvdR, steht nun
tekten früher selbstverständlich. Logo von den Staatlichen Museen zu Berlin bereit, um bei den anstehenden Reno­
und Leitsystem wurden in einer von der den Auftrag, die Schrift zu überarbei­ vierungen durch David Chipperield
Copperplate inspirierten, breitlaufen­ ten und zu digitalisieren. Dabei muss­ seinen (All­)Zweck zu erfüllen. ant

Rundumfiktion
n Transmedia-Game. Sechs junge Entführung eines der Belgrader ge­ in einen Psychothriller schickt, dessen
Wissenschaftler aus Belgrad verschwin­ filmt, seine Facebook­Seite bietet ers­ Verlauf angeblich ganz von ihnen ab­
den in der Ukraine. Zwei Ermittlergrup­ te Hinweise . . . Dies sind lediglich die hängt. Dahinter steckt die Digital­
pen suchen sie – und Internetuser in zarten Anfänge von »Alt­Minds«, einem agentur Lexis Numérique aus Paris,
ganz Europa sollen helfen. Ein Typ na­ Alternate Reality Game, das die Mit­ die seit 1990 erfolgreich Spiele für alle
mens Peter Edgarson hat zufällig die spieler ab 5. November für acht Wochen Plattformen entwickelt und bereits
mit »In Memoriam« ein viel beachte­
Ab 5. November
tes ARG sowie jüngst mit Canal+ ein
heißt es trans-
transmediales Game für die TV­Serie
medial Geheim-
»Braquo« kreierte. Bei »Alt­Minds« ist
nisse aufdecken
Orange der Partner. Der Telekommu­
nikationsgigant erforscht in seinem
Transmedia Lab seit 2009 neue Wege
des Storytelling, etwa mit dem Spiel
»Detective Avenue«.
»Alt­Minds« ist das ehrgeizigste
ARG­Projekt von Lexis Numérique und
Orange. Seit über zwei Jahren drehte
man Videos in sechs Ländern, entwi­
ckelte eine App, legte im Web und in
der Welt rafinierte Fährten aus. So
können die Spieler überall in Europa
per GPS­Handy versteckte Dinge und
Codes suchen, auch in entlegenen Re­
gionen. Besonders eifrige Hobbyde­
tektive tauchen namentlich in Videos
auf und können konspirativ Spielcha­
raktere sogar real treffen. Erheblicher
Aufwand, der Geld kostet: Mitspielen
ist nur eine Woche gratis, dann gibt es
diverse Bezahlmodelle. Rechnet sich
das, dürfte es dem Transmedia­Genre
mächtig Schub geben. Näheres unter
www.ctrl-alt-minds.com. cg
012 PAGE 11.12 SZENE

wegischen Staatsbahn und verschie­


denen Taxiunternehmen die Fluglinie
Jaerlines, die soeben eingeweiht wur­
de. Die »Flugzeugflotte« der Gesell­
schaft besteht allerdings nicht aus
Jumbojets, sondern aus Bussen und
Taxen (mit Bahnanschluss).
Die Flugzeug- Das Ganze gehört zu einer vieltei­
treppe wirbt ligen Kampagne, entwickelt von der
für die »Flugli- norwegischen Agentur Fasett. Neben
nie« Jaerlines, Printanzeigen, Webbannern, Plakaten
die stets Boden- und Monitoren, ofiziellen Eröffnungs­
kontakt hat feiern und Pressekonferenzen gibt es
eine Flugzeugtreppe, die an einem
der Haltepunkte öffentlichkeitswirk­
sam für Jaerlines wirbt. Da es sich eben
Bereit zum Abflug nicht um eine hip­urbane Fluggesell­
schaft handelt und ein Augenzwin­
n Werbekampagne. Sie kennen die wegischen Region Jæren. Um diese kern dazugehört, sind das Logo und
Flugroute Nærbø–Panama City via Sta­ besser an den Flughafen Stavanger an­ auch die übrige Identität – mit dem
vanger nicht? Das muss Ihnen nicht zubinden und den Nahverkehr zu stär­ Corporate Font Access von Playtype –
peinlich sein, schließlich ist Nærbø nur ken, gründete die Flughafenbetreiber­ bewusst holprig angelegt. Da steigt
eine Kleinstadt in der ländlichen nor­ gesellschaft zusammen mit der Nor­ man doch gerne ein. ant

Niemals fertig
n Bar-Design. Ausgesprochen gra­ te der junge Illustrator Andreas Dau­
fisch kommt das Interieur der gegen­ erer einen bunten Adler aufs Fenster­
über vom Neuen Museum Nürnberg glas. Ulrike Hild und Sverin Kirschner
gelegenen Blok Bar daher. Statt mit von der Akademie der Bildenden
Möbeln gestalteten Florian Pohrer und Künste Stuttgart gestalteten die Toi­
Nina Pusch von der Agentur Die Krieger letten: modellierte Käsebrote und
des Lichts zusammen mit zwei Innen­ Lauchstangen bei den Männern und
architekten sowie Inhaber Patrick Frank Apfelscheiben bei den Frauen.
den Raum schlicht mit Podesten, Trep­ Das Understatement setzte sich
pen und Blöcken aus. Für die grafische bislang auch in der Außenkommu­
Wirkung sorgen verschiedene, zum nikation fort – es gab nur Mundpro­
Teil industriell anmutende Oberflächen paganda. Da aber fortwährende Wei­
wie Gumminoppen­PVC, Grobspan­ terentwicklung unter Beteiligung ver­
platten, Mustertapeten, braun getön­ schiedenster Kreativer Teil des De­
Die Blok Bar braucht te Spiegel, lachsfarbener Teppich und signkonzepts ist, wird die Blok Bar in
keine Möbel eine schalldämpfende Schaumstoff­ Zukunft auch weiterhin für Überra­
pyramidendecke. Als Sichtschutz mal­ schungen sorgen. cg
Der Nutzen des
Nike+ FuelBand
wird durch die
interaktive
Wand im Nike
Store von
onformative
sehr ästhetisch
visualisiert
PAGE 11.12 013

Heimliche Wünsche
n Graphic Novel. Früher wurden anderen geht er Schnitzlers Ausei­
Klassiker der Weltliteratur verfilmt, heu­ nandersetzung mit unterdrückten ero­
te macht man einen Comic daraus. Die tischen Wünschen vergnüglicher an,
Edition Büchergilde beauftragt damit holt sie in die Gegenwart und arbeitet
merkwürdigerweise Illustratoren, die mit visuellen Zitaten, etwa Kafkas
gar keine Comiczeichner sind – was »Verwandlung«, dem »Großstadt«­Trip­
sich als glänzende Idee erweist. So tychon von Otto Dix (beim Bild oben)
verwirklichte Drushba Pankow eine oder »Superman«­Comics aus den
spektakuläre Adaption von E.T.A. Hoff­ 1940er Jahren. Die zentrale Orgien­
manns »Fräulein von Scuderi« (siehe szene spielt deutlich an Hieronymus
PAGE 10.11, Seite 6 f.). Jakob Hinrichs Boschs »Garten der Lüste« an . . . »Ein
setzte nun Arthur Schnitzlers »Traum­ Comic ist von der Dramaturgie her
novelle« um, die Stanley Kubrick schon ähnlich wie ein Drehbuch«, so Hinrichs.
in »Eyes Wide Shut« verfilmte. Wobei »Aber anders als beim Film hat man
der Berliner Illustrator auf seine Weise immer Doppelseiten vor sich. Beim
mit der Geschichte vom Arzt Fridolin Umblättern sollte immer etwas Neues,
umgeht, der in einen geheimnisvollen Überraschendes kommen.« Was ihm
und elitären erotischen Zirkel gerät. bestens gelungen ist. cg
Da ist einmal der aus Holzschnitt
und Siebdruck entwickelte Stil, den Anspielungsreich: Jakob Hinrichs’
Hinrichs am Computer plegt. Zum Adaption der »Traumnovelle«
014 page 11.12 SZENE

BRANCHE & KARRIERE


Wertvoll
n Design-Kalender. »Trend Diary 2013«
ist bereits die siebte Edition des Design-
kalenders der Hamburger Agentur Eiga.
Die neue Ausgabe hat das Thema »Values!«
und stellt auf den Wochenseiten des
Kalenders aktuelle visuelle Trends und
Projekte vor, die das Eiga-Team recherchiert
und für gut befunden hat. Alle gezeigten
Arbeiten setzen sich mit Werten unter-
schiedlichster Art auseinander – mal mehr
persönliche, mal mehr gesellschaftlich
orientierte. Und da jeder Mensch ein
individuelles Wertempinden hat, liegt
der Publikation ein Bogen mit Stickern
bei, die jeweils einen anderen Wert visua-
lisieren. Auf diese Weise kann jeder sein
eigenes Cover gestalten. »Values! Trend
Diary 2013« erscheint bei Norman Beck-
mann Verlag & Design und kostet 17 Euro.
Ein ausführliches Interview mit den
Herausgebern, Henning Otto und Elisa-
beth Plass von Eiga, lesen Sie unter
www.page-online.de/Trend-Diary-2013. aw

Business Basics
Christian Büning, Präsident des Berufsverbands der Deutschen
Kommunikationsdesigner ( www.bdg-designer.de ), beantwortet berufs-

Foto: © André W. Sobott, www.aw-sobott.de


bezogene Fragen von Gestaltern. Hier stellt er aktuelle Fälle vor

Heiner, 57: Ich bin seit über 35 Jahren selbstständig und traggebern gleichen Alters glaubwür-
habe immer gerne gearbeitet und gut davon gelebt. Seit dig auf Augenhöhe sprechen.
ein paar Jahren aber merke ich immer deutlicher, dass Diese Designer haben ebenfalls ge-
ich weniger Anfragen bekomme und dass meine Entwürfe meinsam, dass sie fortwährend in ihre
öfter zerredet werden, wenn ich sie zeige. Wenn ich die Weiterbildung investieren. Sie kennen
Entwicklung hochrechne, wird mir etwas düster zumute. sich mit den Vor- und Nachteilen neuer
Wie könnte ich gegensteuern? Kommunikationskanäle aus, wissen um
die Technik dahinter und haben einen Metier, vielleicht sogar bürgerschaft-
Lieber Heiner, Blick auf wirtschaftliche und politische liches Engagement. Stilistische Pirouet-
in unseren Umfragen haben wir er- Entwicklungen. Wenn Sie als Kreativer ten werden hingegen so wenig von Ih-
staunlich wenig angestellte Designer die beste Lösung aus allen heutigen nen erwartet wie schrilles Schuhwerk,
über 50 Jahre gefunden, das dürfte Möglichkeiten bieten können statt aus dafür langfristige, tragfähige Lösungen
bei den selbstständigen ähnlich aus- den Möglichkeiten von vor zehn Jahren, und beratende Qualitäten. Nutzen Sie
sehen. Die Daten dazu erheben wir wird man Sie weiterhin engagieren. die Summe Ihrer Erfahrungen und kom-
zurzeit neu. Es gibt jedoch erfreulicher- Daher mein Tipp: Investieren Sie in binieren Sie diese mit frischem Wissen.
weise einige Gestalter jenseits der 50, Ihre Weiterbildung, hier insbesondere Ihre Entwürfe dürften so mehr Strahl-
die gut von ihrem Können leben. Mei- in neue Kommunikationskanäle und kraft bekommen und Sie eine Perspek-
ner Beobachtung nach haben diese al- deren Erfordernisse. Darüber hinaus tive für Ihre weitere Karriere. Viel Erfolg!
le eines gemeinsam: Sie sehen ihr Al- sollten Sie Ihre Erfahrungen und Stär-
ter als Vorteil und bieten Erfahrung ken in der Selbstdarstellung deutlich Haben Sie Fragen, die Sie hier beant-
und Weitsicht. Als Sparringspartner betonen. Von einem erfahrenen Desi- wortet sehen möchten? Dann
für strategische Fragen werden sie gner erwartet man eine Spezialisierung schreiben Sie uns (E-Mail: business
eher akzeptiert und können mit Auf- und eine gereifte Leidenschaft für sein basics@bdg-designer.de)
page 11.12 015

Brennpunkt
Das nächste ADC Festival indet in Hamburg statt.
Noch-Präsidiumssprecher Jochen Rädeker über den
Ortswechsel und das Ende seiner Amtszeit

Was gab den Ausschlag für Hamburg? Ich habe mich neben der Arbeit in der +++ Neuer JvM-Chefstratege. Peter John Mahren-
Jochen Rädeker: Es war ein Wimpern- Agentur acht Jahre lang intensiv im holz , bis 2011 CEO bei Draftfcb in Deutschland, ist
schlaginale zwischen Frankfurt und ADC engagiert. Nun ist ein guter Zeit- neuer Partner und Chefstratege bei Jung von Matt.
Hamburg. Hamburg hat ein sehr inno- punkt aufzuhören, denn ich habe alles Er tritt damit die Nachfolge von Karen Heumann an,
vatives Konzept vorgelegt mit neuen erreicht, was ich erreichen wollte. Der die zu thjnk wechselte. Mahrenholz baute in den
Formaten und Veranstaltungsorten. ADC ist kein Werberclub mehr, sondern 1990er Jahren die Strategische Planung bei Jung von
Außerdem ist die Stadt beim Thema bildet die kreative Spitze der aktuellen Matt auf und war bis 2004 im Vorstand der Agentur.
Kreativwirtschaft per se gut aufgestellt Kommunikationsdisziplinen ab. Mit ei- +++ Jahrbuch der Werbung 2013. Zum 50. Jubiläum
und bietet die Aussicht, ein größeres ner ganz neuen Struktur ist er organi- des Wettbewerbs werden künftig Preise in Gold, Silber
Publikum zu erreichen. Für uns war es satorisch und inanziell zukunftsfähig und Bronze vergeben. Bislang gab es nur einen Preis-
aber auch eine grundsätzliche Ent- aufgestellt. Und das Wichtigste: Wir träger pro Kategorie. Die Teilnahme ist kostenlos, für
scheidung, dass das Festival nicht auf setzen wieder inhaltliche Themen. die Veröffentlichung im Jahrbuch der Werbung fallen
einen Ort abonniert sein muss. Eine Was ist die größte Herausforderung für Kosten von 480 bis 990 Euro pro Beitrag an. Einsende-
Dreijahres-Periode ist eine sinnvolle Ihren Nachfolger? schluss ist der 19. Oktober. ≥ www.jdw.de +++ Neu
Zeit, um etwas zu entwickeln. Die Digitalisierung des Clubs. Die Kern- bei Kolle Rebbe. Die Hamburger Werbeagentur Kolle
Können Sie schon etwas zu den kompetenz des ADC liegt im relativ Rebbe hat Oliver Ramm als Bodenleiter Kreation
Veranstaltungsorten sagen? analogen Festival. Die Bewertung von verplichtet. Er leitet nun gemeinsam mit Stefan Wüb-
Wahrscheinlich gehen wir mit Ausstel- kreativen Arbeiten und die Diskussio- be und Rolf Leger das Boden-V-Kreativteam, das un-
lung und Kongress in einen noch un- nen darüber inden aber zunehmend ter anderem Kunden wie Google und YouTube, TUI,
entdeckten Güterbahnhof und mit der digital statt. Vielen jungen Designern Ritter Sport und Gruner + Jahr betreut. Ramm arbei-
Award Show in ein repräsentatives ist es heute wichtiger, wie ihre Arbei- tete zuletzt als freier Texter und Kreativdirektor für
Theater, das der Vorstellung einer ten in bestimmten Blogs besprochen diverse Agenturen. +++ Die Klappe 2013. Die Einrei-
Galaveranstaltung entspricht. Zudem werden, als der Gewinn eines ADC- chungsphase für den Werbeilmpreis des Kommuni-
wird es einen Juryempfang durch Olaf Nagels. Auf diese Strukturen muss der kationsverbands ist eröffnet. Erstmals können auch
Scholz im Rathaus geben, eine ofizi- ADC reagieren. Neue Formate, mit de- Filme aus Österreich und der Schweiz eingereicht
elle Würdigung des ADC und der bes- nen wir unabhängig vom Kreativwett- werden. Bewerbungsschluss ist der 9. Februar 2013.
ten deutschen Kreativen. Und ich wür- bewerb Akzente setzen werden, ste- ≥ www.dieklappe.de +++ Serviceplan-Studium. Die
de mich sehr wundern, wenn neben hen schon in den Startlöchern. Dazu ist Agenturgruppe Serviceplan bietet seinen Mitarbei-
den ofiziellen ADC-Events nicht die auch eine neue digitale Präsenz des tern künftig berufsbegleitende Studiengänge für Mar-
eine oder andere Agentur in Hamburg Clubs nötig - die jetzige ist unterirdisch. keting & Management, Online-Marketing, Kreation &
eine Party nebenher schmeißt. Zum Wintersemester übernehmen Sie Management sowie Media & Research in Kooperation
Ändert sich das Konzept des Festivals? eine Professur für Corporate Identity mit der Steinbeis School of Management and Innova-
Wir wollen nach wie vor alle eingereich- an der Hochschule Konstanz. tion an. Im November 2012 startet der erste Master-
ten Arbeiten zeigen – nicht nur die der Diese Professur wird hierzulande die studiengang mit sechs Serviceplan-Mitarbeitern. Mit
Gewinner wie andere Awards. Wir wer- erste sein, die den Schwerpunkt auf dem Angebot will die Agentur ihre Mitarbeiter fördern
den weiter spannende Themen setzen Nachhaltigkeitskommunikation legt – und an sich binden. +++ ADC Jahrbuch 2012. Das Sam-
und diese mit kompetenten Gesprächs- ein Thema, das wir bei Strichpunkt sehr melwerk beinhaltet alle Gewinnerarbeiten des
partnern in die Stadt hineintragen. Ob vorantreiben. Die Stelle hat zudem ei- diesjährigen Wettbewerbs und ist ab sofort erhält-
das im Rahmen eines klassischen Kon- nen starken Praxisbezug. Ich habe es lich (560 Seiten, 98 Euro, isbn 978-3-89986-174-7).
gresses passiert, wird sich zeigen. Na- nie als geschäftsschädigend betrach- +++ Agenturwechsel. Matthias Schmidt, zuletzt Kre-
türlich bleibt es bei einer fulminanten tet, sogenannte Betriebsgeheimnisse ativvorstand bei Scholz & Friends in Hamburg, wech-
Award Show. Die Parameter sind die- zu verraten, und habe viel Spaß an der selt als Kreativgeschäftsführer zu DDB Tribal Berlin.
selben, aber die Ausführung wird sich Vermittlung von Wissen. Ich werde Schmidt wird den Standort gemeinsam mit Toby
jeweils signiikant ändern. Wenn wir als auch Forschungsprojekte anstoßen, Pschorr leiten und ausbauen. Er startete seine Kar-
Vertreter der kreativen Elite nicht Neu- um Nachhaltigkeit weg vom Modewort riere 1998 als Texter bei Scholz & Friends Berlin und
es denken und zulassen würden, hät- hin zum belegbaren Kommunikations- arbeitet sich bis in den Vorstand hoch, dem er seit
ten wir unseren Job schlecht gemacht. faktor zu bringen. Und ich bin gespannt, 2008 angehörte. +++ Aus Bureau Johannes Erler
Sie haben sich entschieden, nicht mehr was ich selber lernen werde. Bei bishe- wird ErlerSkibbeTönsmann. Mit Johannes Erler,
für das Amt des ADC-Präsidiums- rigen Seminaren habe ich gemerkt: Mit Henning Skibbe und Christian Tönsmann als Partnern
sprechers zu kandidieren. Wieso? jeder Frage wird man schlauer. nik ändert die Hamburger Agentur ihren Namen. Die Kre-
ativen arbeiten in den Bereichen Corporate, Editorial
»Vielen jungen Designern ist es heute wichtiger, und Typedesign für Kunden wie die »SZ« (siehe Seite
44 ff.), Wempe oder das Theater Bremen. +++ Weiter-
wie ihre arbeiten in bestimmten Blogs bildung Illustration. In ihrer Privatschule für Malen
und Zeichnen in Berlin bietet Artdirektorin Corine
besprochen werden, als der gewinn eines aDC- Grzésik ab sofort eine Weiterbildung im Bereich Illus-
Nagels. Darauf muss der aDC reagieren« tration an. Zielgruppe sind berufstätige Graiker und
Mediengestalter. ≥ www.malschule-friedenau.de nik
016 PAGE 11.12 SZENE

PAGE ONLINE
Portfolio des Monats
In jeder Ausgabe stellen wir ein Mitglied der PAGE Community und Highlights aus seinem Portfolio vor

Andrea Peter
www.page-online.de/community/portfolios/andrea-peter

n Ein Nashorn, das Kontrabass spielt, ein Mäus- Ich bin Illustrator, Freelancer
chen, das einen Laster lenkt, und Eichhörnchen Ich biete Print, Illustration, Text,
mit sehr weiblichen Rundungen: Andrea Peters Konzeption, Film / Video
Illustrationen, die meist für Magazine und Kinder- E-Mail info@andreapeter.ch
und Schulbuchverlage entstehen, sind augen- Web www.andreapeter.ch
zwinkernd verspielt. In ihren freien Arbeiten, ob Standort Bern, Schweiz
Siebdruck, Malerei oder Zeichnung, schlägt die
Schweizerin melancholische Töne an.

E-MAg: KrEAtion | tyPo | Bild | tEcHniK | SZEnE | gAlEriE

Auf der Suche Politische Typografie Illustrierte GIFs


Kreation. Inspiriert von David Lynchs »In- Typo. Die Designstudenten Philipp Lehr und Bild. Foto-GIFs oder Cinemagraphs waren
terview Project« hat Manuel A. Däbritz sich Robin Scholz haben zwei Bücher über die ja ein Riesenhype in letzter Zeit. Doch die Il-
nach seinem Studium an der UdK auf eine Macht von Typograie herausgebracht, die lustratoren wollen auf dem eigentlich ihnen
Deutschlandreise gemacht. In »100 Men- großartig mit Worten spielen. »Voices« unter- angestammten Gebiet der GIFs keinesfalls
schen – 10 Städte – 1 Frage« erforscht er sucht die Typo von Protestplakaten, »Things zurückstehen! Wir haben einige ihrer schrägs-
Träume und Realitäten. Hier der erste Teil America said« Reden von Bush und Obama. ten, witzigsten und kunstvollsten Minianima-
der tollen Filmtrilogie. Sie erzählen uns von ihrem Projekt. tionen zusammengestellt.
≥ www.page-online.de/eine-frage ≥ www.page-online.de/politische_typo ≥ www.page-online.de/gifs_illustriert
PAGE 11.12 017

≥ www.page-online.de PAGEmag

Die Illustrationen
»Arbon« und
»Montreux« fertigte
Andrea Peter
2012 für den Swiss
Seilpark Fiesch,
ein Projekt mit
Andreas Schwab
und Annatina Blaser
von Qfaktur in Bern
Der Ausschnitt
zeigt die Stadt
Bern, aus: »Schweiz
Wimmelbuch: Reise
über Berg und Tal«,
erschienen 2011 im
Wimmelbuchverlag
»Den Blumen
von unten beim
Wachsen zuhören«:
ein unveröffent-
lichtes Buch-
projekt zu Bildern
in der Sprache
»Sowohlalsauch«
ist eine freie Arbeit,
die Andrea Peter
2011 per Siebdruck
im Shining Labor
Berlin umsetzte

PAgE nEWSlEttEr
Stardust Hotel und Casino (Las Vegas), 1968
© Venturi, Scott Brown and Associates, Inc.

Pop-Art bei Vitra JavaScript-Tool Lucid Immer up to date


Szene. Zum ersten Mal in seiner Geschichte Technik. Garry und Moray Taylor haben n Bestellen Sie jetzt den kostenlosen
stellt das Vitra Design Museum bildende sich als The Escapers in der Webentwick- PAGE Newsletter und bleiben Sie auf
Kunst aus. Die Schau »Pop Art Design« (ab lerszene bereits mit dem HTML5-Editor dem Laufenden rund um kreatives Me-
13. Oktober) stellt Gemälde von Warhol, Flux einen Namen gemacht. Nun haben diendesign, Publishing und Trends. So
Rauschenberg und Co Designobjekten von die Briten mit Lucid ein neues JavaScript- erfahren Sie auch als Erste, wenn wir
Eames, Superstudio und anderen gegenüber, Tool vorgelegt, das perfekt für graisch ein neues PAGE Seminar veranstalten
die zur selben Zeit entstanden. veranlagte Menschen ist. oder eine Sonderedition herausgeben.
≥ www.page-online.de/vitra_popart ≥ www.page-online.de/lucid ≥ www.page-online.de/newsletter
018 PAGE 11.12 SZENE Ausbildung

AUSBILDUNG

Wie ein Schimmelpilz breitet sich


Robert Fischers Datenvisualisierung
über die Wand aus

waren, und zum anderen zur Ausbrei­


tung von Viren.
Die mit Punkten visualisierten Ver­
breitungsdaten wurden mit 80 Qua­
dratmetern Plotterfolie an einer Wand
in der FH Bielefeld angebracht – Kon­
zerne in Schwarz, Natur in Rot. Die In­
Informativer Schimmelpilz szenierung erinnert ein wenig an das
Wachstum von Schimmelpilz. »Groß­
n Datenvisualisierung. Facebook »Neofora – Phenotypes of Expansion« konzerne sind abstrakt und unper­
breitet sich inzwischen aus wie die Vo­ visualisiert in Form großer Wandkarten sönlich, die Natur ist emotional und
gelgrippe, und Walmart verdrängt sei­ das Wachstum von fünf ausgewählten näher am Menschen. Das Naturalisie­
ne Konkurrenten wie der Riesenbären­ Großkonzernen und setzt es zu ähnli­ ren macht das Thema fassbarer und
klau andere Pflanzenarten. Diese eben­ chen Phänomenen in der Natur in Be­ gestattet so einen intuitiven und emo­
so ungewöhnlichen wie anschaulichen ziehung: zum einen zu den sogenann­ tionalen Zugang zu meiner Arbeit«, er­
Analogien zieht der Kommunikations­ ten Neobiota, also Tier­ und Pflan­ klärt Fischer. Gleichzeitig drückt der
designstudent Robert Fischer in seiner zenarten, die sich in Gebieten etablie­ Vergleich auch seine kritische Haltung
Abschlussarbeit an der FH Bielefeld. ren, in denen sie zuvor nicht heimisch zu dem Thema aus.

Freiheit und Kontrolle


n Infografik. Als es 2009 nach der Präsidentschafts-
wahl im Iran zu massiven Demonstrationen kam, gelangten
kaum Informationen aus dem Land heraus. Das Regime
drosselte das Internet, dennoch sickerte immer wieder
etwas durch. Von der Zensur schockiert und fasziniert
zugleich, machte Kommunikationsdesignstudentin Maral
Pourkazemi das iranische Internet zum Thema ihrer
Masterarbeit an der Fachhochschule Potsdam. In einer
sechsteiligen Infograik visualisiert sie unter anderem
die allgemeine Internetnutzung im Iran, das abgeschottete
iranische Halal-Internet und seine Schluplöcher, die
Schicksale iranischer Blogger und das dortige Regierungs-
system. Gestalterisch ließ sich Pourkazemi dabei von
Perserteppichen, iranischer Architektur und islamischer
Kalligraie inspirieren. Entstanden ist eine beeindruckende
Arbeit, die viele sonst nur schwer begreifbare Informatio-
nen verständlich visuell aufbereitet und so einen Beitrag
zur politischen Debatte leisten kann. Mittlerweile setzt die
Getalterin ihr Talent als Visual Researcher bei der Londo-
ner Small Media Foundation ein, einem interdisziplinären
Team aus Bloggern und Forschern, das den Informations-
luss in abgeschotteten Gesellschaften verbessern will. nik
020 PAGE 11.12 SZENE Ausbildung

+++ Young Illustrators Award. Der Nachwuchs­ Und immer wieder das Wetter
wettbewerb der Illustrative ist eröffnet. Teilnehmer
können bis zum 31. Oktober Arbeiten aus den Kate­ n Buchprojekt. Über die Banalität Typograie, Fotograie und Illustration
gorien Illustration, Animation und Buchkunst einrei­ von Facebook­Posts ist schon sehr viel wechseln sich ab oder werden kombi­
chen. Die Nominierten werden auf der Illustrative im geschimpft worden – die Kommuni­ niert. Damit möchte Lisa Dießner die
April 2013 präsentiert, in deren Rahmen die Sieger kationsdesignstudentin Lisa Dießner Individualität der Facebook­User auch
geehrt werden. Die drei Besten sind erstmals zu einer (www.designloverz.com) führt sie uns im Layout aufgreifen.
dreimonatigen Residenz im Berliner Direktorenhaus in ihrer Bachelorarbeit an der Fach­ Unter den Posts inden sich banale
eingeladen. ≥ www.illustrative.de +++ Gewinner- hochschule Dortmund in Buchform Bruchstücke wie »fuck, zu viel pasta«,
logo gekürt. Lucas Dörre, Student am Hamburger vor Augen. »My generation facebook« existenzielle Fragen wie »warum ist
Institute of Design, hat den Logo­Wettbewerb von zeigt einen Querschnitt der täglichen mein erzeuger nur so peinlich« und
Studio Hamburg für das Haus der jungen Produzenten Posts aus dem Social Network, unzen­ immer wieder Posts zum Wetter. Ei­
gewonnen. Sein Logo veranschauliche die Verbin­ siert und unkorrigiert. »Zielsetzung war nen traurigen Kontrapunkt setzen die
dung von klassischer Filmproduktion mit den Neuen es, die Motivationen, Emotionen und Abschiedsworte des 18­jährigen Tyler
Medien, so die Jury. +++ Informationskurse an der Persönlichkeiten der Facebook­Gene­ Clementi, der sich wegen Cyber­Mob­
UdK Berlin. Im Oktober, November und Dezember ration einzufangen und visuell wieder­ bings von einer Brücke stürzte. Außer
veranstaltet die Fakultät Bildende Kunst Kurse für zugeben sowie ihre Sprache abzubil­ diesem sind sämtliche Posts anonymi­
Studieninteressierte. Professoren und Studierende in­ den«, erläutert Dießner. Dafür erstell­ siert. Alles in allem kommt die Gene­
formieren über die künstlerische Lehre an der Hoch­ te sie ein fiktives Facebook­Profil und ration Facebook in der Arbeit nicht
schule und die Anforderungen an Studienbewerber. sammelte als Mia Müller Freunde und sonderlich gut weg und sollte sich viel­
≥ www.udk-berlin.de +++ Masterstudiengang fort- deren digitale Ergüsse. leicht den Rat von N.P. zu Herzen neh­
geführt. Die Staatliche Akademie der Bildenden Küns­ Das Ergebnis ist erschreckend und men: »Wer das liest . . . Hat zu viel Zeit.
te Stuttgart führt den bislang auf Zeit eingerichteten amüsant zugleich – was nicht zuletzt Geh ma raus! ;­)«.
Masterstudiengang Konservierung Neuer Medien und an den launigen Fotos und Illustratio­
Digitaler Informationen weiter. Voraussetzung ist ein nen liegt, mit denen die Studentin die TV-Sendungen wie »Bauer sucht Frau«
Bachelorabschluss in Fotograie, Kunst, Design, Medien­ Posts unterlegt hat. Ein durchgängi­ und Foodfotos sind beliebte
wissenschaften oder Informatik. Bewerbungsschluss ges Gestaltungsraster gibt es nicht – Themen der Generation Facebook
ist am 8. Oktober. ≥ www.abk-stuttgart.de +++ Gratis-
Onlinekurse. Das Hasso­Plattner­Institut für Software­
technik hat das kostenfreie Lernnetzwerk openHPI
eingerichtet. Professoren des Instituts bieten hier Kur­
se zu grundlegenden und aktuellen Themen der Infor­
mationstechnologie in Form von Videosequenzen aus
Vorlesungen an, ergänzt durch Selbsttests, Übungen,
Arbeitsmaterialien und Diskussionsforen. Die Kurse
sind auf zwei Monate begrenzt. Anmeldung unter
≥ www.openhpi.de +++ GiebichenStein Designpreis.
Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle hat
dieses Jahr erstmals einen Designpreis für ihre Stu­
denten ausgelobt. Die Nominierten wurden auf der
Jahresendausstellung der Hochschule präsentiert, die
Sieger werden im Oktober prämiert. ≥ www.burg-
halle.de +++ European Student Award. Im Rahmen
des European Newspaper Award wird zum dritten
Mal auch ein Nachwuchspreis ausgeschrieben. Studen­
ten europäischer Hochschulen können Arbeiten mit
journalistisch­gestalterischem Hintergrund einreichen,
die zwischen 2010 und 2012 entstanden sind. Einsende­
schluss ist der 8. Oktober. ≥ www.editorial-design.de
+++ Neue künstlerische Leitung. Ilona Klück ist neue
künstlerische Leiterin an der Akademie für Gestaltung
der Hamburger Technischen Kunstschule (HTK). Sie
wechselt von der Digitalagentur deepblue networks.
Klück hatte das Amt schon einmal im Jahr 2002 inne,
als sie den Aufbau der Schwester­Akademie der Berli­
ner Technischen Kunsthochschule verantwortete. Seit
1996 ist sie nebenberulich als Dozentin und Mitglied
der Prüfungskommission an der HTK tätig. nik
022 page 11.12

TITEL
3483 Euro verdient ein Artdirektor
in Baden-Württemberg, wie
eine durch Gehaltsangaben von
Internetusern erzeugte Tabelle auf
www.gehaltsvergleich.com zeigt –
über 300 Euro mehr als in Berlin.

Bei der für n Ein Paar wurden Rena Chrysikopoulou und Michael noch normal. Die Mehrwertsteuer muss man allerdings
die Zahlen ver- David Ochs beim Studium in Deutschland, 2005 eröffneten schon in dem Quartal zahlen, in dem man die Rechnung
wendeten sie ihr Designbüro Pi6 in Athen. Wie erleben sie die aktuelle gestellt hat.« Gerade in schwierigen Zeiten sind derartige
Schrift handelt Situation? »Diverse Studios, aber auch große Agenturen Vorleistungen nicht besonders hilfreich. Und dann ist da
es sich um haben zugemacht, viele Kollegen haben das Land verlas- noch die Sache mit den Schecks. »Bislang konnte man mit
die Bloco Pro sen. Einer unserer Freunde hat sein Büro aufgegeben, um Schecks aus zweiter Hand bezahlen. Angenommen, eine
von Roger S. in London als Angestellter zu arbeiten, ein anderer ist mit- Arbeit kostet 1000 Euro. Dann bezahlt der Kunde 900 Euro
Nelsson (www. samt Familie in die Schweiz gezogen, um da weiterzuma- mit einem Scheck, mit dem er selbst von jemand anderem
cheappro chen. Und ein befreundeter Copywriter aus Zypern befasst bezahlt wurde, plus 100 Euro in bar. Die Weiterreichkette
fonts.com) sich mit Bienenzucht, seit er seinen Job verloren hat«, er- kann aber auch länger sein.«
zählt Michael Ochs. Auch bei ihnen seien die Aufträge stark Eine dumme Angewohnheit, die mit der Krise vielleicht
zurückgegangen. Dazu kommen andere nervige Probleme. ausstirbt: Nichts ist eben so schlecht, dass es nicht auch
»Die Zahlungsgewohnheiten waren hier schon immer sein Gutes hat. Die Kreativität der griechischen Designer
verkorkst«, so Ochs. »Man kann froh sein, nach drei Mona- hat jedenfalls nicht gelitten. Ganz im Gegenteil, wie man
ten bezahlt zu werden, ein halbes Jahr oder mehr ist auch kürzlich bei dem von Pi6 regelmäßig organisierten Design-

Zahlenspiele
Athen, Berlin, Stuttgart, Barcelona – wie läuft es für
Designer inanziell an verschiedenen Standorten?
Was sagen neueste Gehaltsspiegel und wie realistisch
sind sie? Kann man mit Design reich werden?
page 11.12 023

walk durch Athener Studios feststellen konnte. Jedes orga- auch nicht auf der Straße liegt. »Wenn wir nur strategisch ≥ PAGE Online
nisierte, oft mit reichlich Humor, eine Ausstellung zu Grie- als Geschäftsleute denken würden, hätten wir das Büro Die Links zu den
chenland im Jahr 2022 (siehe www.designwalk.gr). nicht in Berlin, sondern in München, Hamburg oder Frank- vorgestellten
furt aufmachen müssen«, erklärt Martin Lorenz von Two- Studien und
Krisen machen nicht nur kreativ, man rückt auch enger zu- Points.Net. »Letzthin nahmen wir in Berlin an einem Pitch Kalkulatoren
sammen. Europa droht wegen des Euro-Desasters ausein- um Gestaltung und Programmierung einer Website mit ei- inden Sie unter
anderzufallen, doch die Gestalter arbeiten länderübergrei- nem Barcelona-Preis von 7000 Euro teil und waren mit die www.page-
fender denn je. Gerade Kreativ-Expatriates aus Deutsch- Teuersten. Und das war kein kleiner Kunde.« online.de/geld
land haben da natürlich Vorteile, denn sie können in der Auch aus den Erfahrungen befreundeter Designer, die
alten Heimat Design zu guten Konditionen anbieten. »Wir Büros an verschiedenen Standorten haben, zieht Martin
versuchen vermehrt mit Kunden aus Deutschland zu ko- Lorenz den Schluss, dass die wirtschaftliche Lage eher
operieren«, so Michael Ochs. städte- als länderabhängig ist: »Zum Teil sind die Preise in
Ähnliches gilt für das krisengeschüttelte Spanien, zum Berlin geringer als in Barcelona, in Frankfurt dagegen ins-
Beispiel für TwoPoints.Net oder Proxi aus Barcelona, die gesamt höher.« In jedem Fall ist es gut, sich nicht nur von
jüngst Ableger in Berlin eröffneten. Wobei dort das Geld einem Markt abhängig zu machen. Rein Steger von Proxi
024 page 11.12 TITEL gehälter, Honorare, Chancen

68,1 Prozent der Unternehmen in der


digitalen Wirtschaft suchen Berufs-
einsteiger im Bereich Projektmanage-
ment, 65,5 Prozent brauchen IT-Exper-
ten und 37,4 Prozent Absolventen
aus Grafik und Design, so der Bundes-
verband Digitale Wirtschaft 2012.

in Barcelona (siehe auch Interview auf Seite 112) arbeitet auf Freelancer ein. Oft verblüfft es, draußen auf dem Markt
unter anderem für Kunden in Holland, USA, Deutschland, Arbeiten zu sehen, von denen man weiß, dass sie in einem
Italien, Österreich, Kroatien und sogar Indien, wo eine kleinen Stübchen entstanden sind«, sagt Weyres, der zur-
Freundin vor einiger Zeit ein Modelabel gegründet hat. zeit als Teilhaber und Kreativdirektor eines Start-ups erst-
mals fest in einem Büro arbeitet (siehe Seite 31).
An Berlin scheiden sich ja bekanntlich die Geister. Seit
Sascha Lobo und Holm Friebe 2006 mit ihrem Buch »Wir Ob arm, reich oder dazwischen, fest steht, dass die Krea-
nennen es Arbeit. Die digitale Bohème oder intelligentes tivwirtschaft in vielen deutschen Städten ein bedeutsamer
Leben jenseits der Festanstellung« ein Manifest für einen Faktor ist. »Das Cluster IKT, Medien, Kreativwirtschaft ist
kreativen Lebensstil vorlegten, den man in Berlin quasi er- heute mit 37 000 Unternehmen, rund 300 000 Erwerbstäti-
funden zu haben schien, gab es viel Kritik und Häme. »Wir gen und einem Jahresumsatz von rund 27 Milliarden Euro
nennen es Blase«, sagten die anderen und sprachen vom das wichtigste Wachstumsfeld der Hauptstadtregion«, heißt
kreativen Prekariat, das nahe der Armutsgrenze lebt. Un- es in der Studie »Medien- und Kreativwirtschaft Berlin-Bran-
längst wieder ätzte Rainer Meyer, bekannter als Blogger denburg« (Download unter www.medienboard.de/standort
Don Alphonso, in der »FAZ«: »In Berlin ist Mitte vierzig ein broschuere-2012). Allein in den letzten Jahren seien über
Alter, das man mit etwas Durchwurschteln erreichen kann, 500 Designbüros gegründet worden.
ohne jemals einer geregelten Tätigkeit nachgegangen zu Wachstum bringen da nicht noch mehr neue Studios,
sein. (. . .) Um angstfrei leben zu können, kalkulieren die sondern mehr Geschäftstüchtigkeit – viele Kreative den-
Vertreter der digitalen Bohème in Berlin mit einem mo- ken zu wenig in unternehmerischen Dimensionen. »Ich
natlichen Betrag von 1000 Euro.« Die wolle man jetzt durch würde niemandem vorwerfen, er sei zu idealistisch, wenn
ein eifriges Eintreten für das bedingungslose Grundein- er nur kleine Illustrationen aus Papier faltet«, so Thomas
kommen eintreiben . . . Weyres. »Plattencover und Ähnliches zu gestalten macht
Fragt man Designer Thomas Weyres, neben Holm Friebe Spaß, aber spätestens wenn man Kinder hat, muss man
einer der Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agen- schauen, wie man Geld verdient. Pragmatisches Denken
tur, so funktioniert bei ihm jedenfalls das »intelligente Le- schmälert die Kreativität nicht.«
ben jenseits der Festanstellung« bestens. Zahlen möchte er Zu empfehlen ist nicht nur, die vielfältigen Angebote für
nicht nennen, aber Festanstellungen, wo er mehr verdie- Coaching und Förderung wahrzunehmen, die es mittler-
nen würde, gebe es kaum. Nicht nur für hippe Kunden wie weile von staatlicher und städtischer Seite gibt. Denn ja,
VIVA und MTV hat er gearbeitet. Mit der Zentralen Intelli- die Politik beginnt langsam, das wirtschaftliche Potenzial
genz Agentur – die kein gemeinsames Büro, sondern nur von Design zu begreifen. Andererseits sollte man die Ber-
einen durchgehenden Skype-Chat hat – betreut er auch lin-Fixierung abschütteln. In München oder Stuttgart bei-
das jährliche Global Finance Meeting von Daimler, vom Er- spielsweise wird deutlich mehr gezahlt und dringend nach
scheinungsbild bis zur Eventarchitektur. »Statt mit großen guten Leuten gesucht – siehe unser Interview mit Linda
Agenturen zu arbeiten, lassen sich die Kunden immer öfter Graze von Designerdock (Seite 30). cg
page 11.12 025

Gehaltsabrechnung
Wie viel Gehalt können Kreative in Festanstellung erwarten? Welche Disziplinen kommen
besonders gut weg? Und wie verlaufen Gehaltsgespräche erfolgreich?

n Über Geld spricht man nicht. Das gilt fürs Design wie für nüchterndes Bild: Laut Online-Umfrage verdienen drei Vier-
jede andere Branche auch. Das ist ganz im Sinne der Arbeit- tel der rund 900 Teilnehmer zwischen 1500 und 3000 Euro
und Auftraggeber, erschwert Berufsanfängern aber den Ein- im Monat, 80 Prozent liegen unter 3300 und nur 10 Prozent
stieg mit angemessener Entlohnung. An den meisten Hoch- über 3600 Euro (siehe PAGE 03.11, Seite 40 f.). Derzeit berei-
schulen wird das Thema Gehalt und Vergütung entweder tet der BDG einen neuen Gehaltsreport vor, dessen Ergeb-
ganz ausgespart oder nur unzureichend behandelt. So strö- nisse im Januar 2013 veröffentlicht werden.
men Jahr für Jahr junge Designer auf den Markt, die nicht
wissen, was ihre Arbeit wert ist. In Werbung und Design gibt Die wachsende Komplexität der Kommunikation hat viele
es kein allgemein gültiges Einstiegsgehalt. »Bestimmende neue Berufsbilder und Tätigkeitsfelder geschaffen – die meist
Faktoren sind immer noch Angebot, Nachfrage, Qualiikation, bei jeder Agentur anders benannt sind. Das führt zu Ver-
Marktwert und nicht zuletzt die Konjunktur«, erklärt Sonja wirrung und erschwert die Vergleichbarkeit von Gehältern.
Wegner, die in ihrer Bachelorarbeit »PlanBA« den Designberuf Zugleich bietet sich hier aber eine Chance für lexible und
auf Herz und Nieren geprüft hat, um Studenten einen Über- ganzheitlich denkende Kreative. Konzeptioner, Strategen
blick über ihr Tätigkeitsfeld zu geben (siehe PAGE 10.11, Sei- und Planner sind zunehmend gefragt und werden entspre-
te 21). Auch die Größe der Agentur und ihr Standort spielen chend besser bezahlt als reine »Ausführer«. So gehören laut
beim Gehalt eine Rolle. PersonalMarkt, Anbieter der größten deutschen Gehaltsda-
Generell können Berufseinsteiger in der Kreativbranche tenbank, Fachkräfte aus dem Bereich Konzept/Strategie ge-
mit einem Anfangsverdienst zwischen 1500 und 2500 Euro meinsam mit den Account Managern Online mit einem durch-
brutto im Monat rechnen. Der Gesamtverband Kommunika- schnittlichen Jahresgehalt von über 48 000 Euro zu den Bes-
tionsagenturen (GWA) ermittelte 2011 ein Junioren-Durch- serverdienern der Kreativbranche (siehe Tabelle auf Seite 26).
schnittsgehalt von 2200 Euro. Dieselbe Summe nannte auch Eher mau sieht es dagegen für Graiker aus: Sie verdienen
Ex-Factor-Design-Geschäftsführer Johannes Erler 2010 als laut der neuesten Erhebung durchschnittlich 35 639 Euro
Einstiegsgehalt bei dem Hamburger Studio. Nach mehreren im Jahr und liegen damit nur knapp über dem Sekretariat.
Jahren Berufserfahrung könne man dort mit einem Monats- Eine noch immer wachsende Gestaltungsdisziplin sind die
gehalt von 4500 Euro rechnen. Das ist gemessen an anderen ehemals Neuen Medien. »Wer als Designer selbst program-
Quellen ein ziemlich guter Schnitt. Die Allianz deutscher mieren kann, kann aus dem Vollen schöpfen«, sagt BDG-Prä-
Designer (AGD) prophezeit Graikern mit Berufserfahrung sident Christian Büning. Doch sehen sich Webdesigner einer
ein Monatsgehalt zwischen 2500 und 4000 Euro. Laut einer immer größeren Konkurrenz durch kostenlose Services und
GWA-Umfrage verdient die Hälfte »überdurchschnittlich ta- Templates ausgesetzt. Hier gilt es, sich zu professionalisieren,
lentierter Mitarbeiter« nach vier Jahren in einer Kommuni- etwa im Bereich Responsive Design oder App-Entwicklung
kationsagentur zwischen 40 000 und 50 000 Euro im Jahr – (siehe Seite 31). Außerdem kommt es darauf an, in welcher
das macht ein Monatsgehalt von 3333 bis 4166 Euro. Branche man sich verdingt. So ermittelte die »FAZ« im April
Der Gehaltsreport des Berufsverbands der Deutschen 2010, dass ein Webdesigner bei einer Bank rund 44 700 Euro
Kommunikationsdesigner (BDG) von 2010 gibt ein eher er- im Jahr verdient, in Werbung und PR aber nur 30 700 Euro.

2200 Euro beträgt das Einstiegsgehalt in der Werbebranche laut GWA Nachwuchsstudie 2011.
026 page 11.12 TITEL gehälter, Honorare, Chancen

Egal, in welchem Bereich man als Kreativer tätig ist, als Wem es nicht gelingt, eine Gehaltserhöhung durchzu-
Festangestellter kommt irgendwann der Punkt, an dem es boxen, der kann sein Einkommen in vielen Agenturen durch
Zeit für eine Gehaltserhöhung ist. In den meisten Agen- Zusatzleistungen aufbessern. Laut GWA-Umfrage von 2010
turen gibt es allerdings keine Automatismen, die greifen, leisten 53 Prozent der befragten Kommunikationsagenturen
nur weil man dort bereits eine bestimmte Zeit beschäftigt Bonuszahlungen, 49 Prozent bieten freiwillige Sozialleistun-
ist. »Was zählt sind Argumente, die zeigen, dass man maß- gen an, 40 Prozent beteiligen sich an den Fahrtkosten und
geblich am Erfolg des Unternehmens beteiligt ist«, sagt 32 Prozent geben Zuschüsse für Fitnesscentermitgliedschaf-
Birte Wagener, die als Agency Supervisor sämtliche Perso- ten. Eine weitere Möglichkeit ist Weiterbildung. »Mit zusätz-
nalbelange bei Kolle Rebbe verantwortet. Damit ist nicht lichem Wissen und Know-how steigt auch der Marktwert –
allein der wirtschaftliche Erfolg gemeint. »Hat ein Ange- für den jetzigen Arbeitgeber, aber auch für künftige. Deshalb
stellter zum Beispiel konkret daran mitgewirkt, einen neuen bringt eine Investition in Weiterbildung langfristig gesehen
Kunden zu gewinnen oder half er mit seinem Einsatz und oft mehr als eine einmalige Gehaltserhöhung«, so Wagener.
Know-how, die Agentur voranzubringen, dann hat er recht Bei Kolle Rebbe würden alle sinnvollen Weiterbildungs-Maß-
gute Karten, eine Gehaltserhöhung durchzusetzen.« Na- nahmen inanziell unterstützt oder vollständig getragen.
türlich unter der Voraussetzung, dass die allgemeine wirt- Geregelter Überstundenabbau ist dagegen bei den meis-
schaftliche Lage dies auch zulässt. Im Idealfall bemerkt ein ten Agenturen Fehlanzeige, auch ein dreizehntes Monats-
Vorgesetzter von allein, wenn jemand gute Arbeit leistet – gehalt ist in der Branche eher unüblich. »Als angestellter
ansonsten sollte der Mitarbeiter gut vorbereitet sein und Designer wird man selten reich«, urteilt Christian Büning.
konkrete Leistungen anführen können. Bei Kolle Rebbe Auch die Zahlen von PersonalMarkt legen nahe, dass sich in
werden – wie in zahlreichen anderen Unternehmen und der Werbe- und Designbranche erst mit dem Erreichen der
Agenturen auch – jedes halbe Jahr Zielgespräche geführt, Führungsebene ein Monatsgehalt von über 6000 Euro ein-
in denen gemeinsam ausgelotet wird, wie sich der Ange- stellt. Freelancer sehen sich dagegen ganz anderen Ein-
stellte entwickelt hat. kommensfragen gegenüber (siehe Seite 27 f.). nik

entwicklung der Jahresbruttogehälter in der Werbe- und Designbranche

2011/2012 2010/2011 Veränderung

oberes Quartil, durchschnitt- unteres Quartil, durchschnitt-


25 Prozent liches Jahres- 25 Prozent liches Jahres-
verdienen mehr bruttogehalt verdienen weniger bruttogehalt
Q3 Mittelwert Q1 Mittelwert

Führungskräfte

Geschäftsführer 184 195 € 138 700 € 70 162 € 128 560 € 10 140 €


(mit Personalverantwortung)

Vertriebssteuerung/ 125 018 € 99 018 € 66 273 € 96 530 € 2488 €


Verkaufsleitung
(mit Personalverantwortung)

Art-/Kreativdirektor 94 389 € 74 328 € 51 259 € 70 249 € 4079 €


(mit Personalverantwortung)

Fachkräfte

Kontakt/Kundenberatung 48 853 € 40 678 € 29 933 € 38 439 € 2239 €

Gestaltung/Graik 45 384 € 35 639 € 26 790 € 34 668 € 971 €

Redaktion 47 250 € 42 649 € 30 788 € 41 769 € 880 €

Konzept/Strategie 58 735 € 48 253 € 38 301 € 47 912 € 341 €

Media-/Artbuying 47 429 € 40 678 € 30 555 € 39 869 € 809 €

Sekretariat 40 072 € 34 645 € 27 020 € 33 115 € 1530 €

Webdesigner 44 523 € 38 196 € 29 474 € 37 176 € 1020 €

Account Manager Online 58 600 € 48 581 € 36 393 € 46 420 € 2161 €


Ausgewertet wurden insgesamt 3532 Datensätze aus den letzten 18 Monaten Quelle: www.personalmarkt.de
page 11.12 027

78 Euro beträgt der empfohlene


Basisstundensatz im Vergütungs-
tarifvertrag der AGD von 2011.

30 bis 50 Euro Stundenlohn


berechnen 53 Prozent
der 600 Teilnehmer an einer
BDG-Umfrage von 2009.

Selbstständigkeitserklärung
Verdienen Freelancer mehr? Wie kalkuliert man richtig? Wie und wann
lassen sich Nutzungsrechte abrechnen?

n Bei Berufsanfängern, die frei arbeiten wollen, ist die i- (24,95 Euro, www.bdg-gruenderibel.de) hilft bei der genauen
nanzielle Verunsicherung meist noch größer als bei jenen, Berechnung der eigenen Lebenshaltungskosten.
die eine Festanstellung wählen. Auch hier geben die Hoch- Die AGD gibt seit 35 Jahren den Vergütungstarifvertrag
schulen wenig Hilfestellung. Was die Kalkulation der Vergü- Design (VTV) heraus, der von der AGD und dem Verband der
tung von Designleistungen angeht, existieren keine generel- Selbständigen Design-Studios (SDSt) ausgehandelt wird und
len Regelungen – was unter anderem damit zusammen- den es auch als Online-Version gibt. Der VTV wird zwar oft für
hängt, dass das Kartellamt Preisabsprachen und Tarifverträge Honorarverhandlungen herangezogen, ist aber kein recht-
unter Selbstständigen verbietet. lich bindender Tarifvertrag. Die Version »VTV Online Pro«
Die Berufsverbände BDG und AGD bieten zwar Richtwer- kostet AGD-Mitglieder 20 Euro, alle anderen zahlen 60 Euro.
te, die bei der ersten Orientierung helfen können – sie müs- In der aktuellen Ausgabe haben die Verbände einen Stun-
sen aber immer individuell angepasst werden. Danach setzt densatz von 78 Euro festgelegt. Dieser Wert richtet sich grob
sich eine Kalkulation aus Entwurfsvergütung, Nutzungsver- nach dem Mittelwertsgehalt angestellter Designer. »Davon
gütung und der Vergütung weiterer Leistungen (Recherche, können freie Designer in Großstädten nicht überleben«, sagt
Reinzeichnung et cetera) zusammen. Basis für die Entwurfs- allerdings Wolfgang Beinert, Inhaber von Atelier Beinert.
vergütung ist der Stundenlohn, der anhand der individuel- Tatsächlich ist der VTV-Wert seit 2006 unter der allgemei-
len Lebensumstände berechnet wird – und mit wachsen- nen Teuerungsrate geblieben, was dem Preisdruck im Agen-
der Berufserfahrung und Know-how steigt. Laut BDG sollte tursegment geschuldet sei, so AGD-Sprecherin Friederike
eine kaufmännisch sinnvolle Kalkulation so angelegt sein, Sobiech. Freelancer sollten den Wert daher als das auffassen,
dass mit einem Drittel der verkauften Arbeitszeit alle laufen- was er ist: ein Orientierungsansatz, der entsprechend ange-
den Kosten gedeckt werden können. In die Rechnung ein- passt werden muss. So kann ein Designer mit zehn Jahren
beziehen müssen Freelancer neben Miete, Telefon- und Erfahrung und eigenem Studio beziehungsweise Equipment
Fahrtkosten unter anderem auch Altersvorsorge, Steuern, laut Beinert gut 120 bis 160 Euro die Stunde verlangen.
Lebensmittel oder Urlaubsgeld. »Neueinsteiger neigen dazu, »Stundensätze variieren nach Erfahrung, Know-how und
zu niedrig zu kalkulieren, weil sie viele Kosten vergessen«, Marktwert. Daher kann man sie nicht vergleichen und auch
warnt Christian Büning. »Das ist problematisch, da man aus keine Durchschnittswerte nennen«, so der Designer.
die Niedrigpreisspirale nur schwer wieder herauskommt.« Eine Umfrage des BDG im Jahr 2009 ergab, dass der tat-
Seine »BDG-Gründeribel für Kommunikationsdesigner« sächlich geforderte Stundensatz oft sogar weitaus niedri-
028 page 11.12 TITEL gehälter, Honorare, Chancen

Wolfgang Beinert unterscheidet bei seiner Abrechnung


zwischen strategischem und operativem Design. So berech-
net sein Atelier für strategische Designleistungen 320 Euro
samt zeitlich und räumlich unbeschränkter Nutzungsrechte
(250 Euro ohne Nutzungsrechte). Operative Designleistungen
ohne Schöpfungshöhe kosten dagegen 220 Euro pro Stunde.
Berufsanfänger, die bezüglich der Nutzungsvergütung un-
sicher sind, sollten auf jeden Fall ihren Stundenlohn anpas-
sen, um den Wegfall der Zusatzzahlung auszugleichen.

Neben den Basiswerten für Stundenlohn und Nutzungsver-


gütung gibt es auch Tabellen und Kalkulatoren für Designleis-
tungen. So umfasst der VTV Richtwerte für die Vergütung vom
Adressaufkleber bis zur Zündholzschachtel. Die Werte sind
aber nicht ix, sondern können individuell nach Stundenlohn
und Arbeitsstunden ausgerechnet werden. Das Basiskonzept
für ein Corporate Design (großes Paket) kann bei einem Stun-
2 Prozent von 600 Teilnehmern an einer BDG- denlohn von 78 Euro und einem Arbeitsaufwand von 50 Stun-
den ohne Nutzungsrechte 3900 Euro kosten – oder am ande-
Umfrage von 2009 berechnen Nutzungsrechte ren Ende der Skala mit einem Arbeitsaufwand von 120 Stun-
nach den Empfehlungen von BDG oder AGD. den und umfassenden Nutzungsrechten mit 42 120 Euro zu
Buche schlagen. Das sind große Unterschiede, die aber auf-
grund der verschiedenen Nenner durchaus nachvollziehbar
sind – und dank ihrer Individualisierbarkeit auch anwendbar.
Der BDG bietet seinen Kalkulator als Widget für den Rech-
ger liegt als der AGD-Richtwert. So gaben über 50 Prozent ner an. Für ein Coporate Design können Freelancer demnach
der rund 600 Teilnehmer an, sie verlangten 30 bis 50 Euro ab 8232 Euro verlangen – je nach Schwierigkeitsgrad und
die Stunde, 30 Prozent forderten 50 bis 70 Euro, nur knapp Nutzungsvergütung steigt der Preis. Das Widget gibt es kos-
20 Prozent lagen darüber. Besonders verwunderlich ist dieser tenlos unter www.bdg-designer.de, manche Funktionen sind
Wert angesichts der Tatsache, dass 40 Prozent der Befragten allerdings BDG-Mitgliedern vorbehalten. Das Tool bietet nicht
auch die Nutzungsrechte nicht zusätzlich in Rechnung stellen. so viele Auswahlmöglichkeiten wie der VTV und ist zudem
etwas in die Jahre gekommen, wie Büning zugibt. Derzeit ar-
Die Nutzungsrechte sind einer der umstrittensten Punkte, beitet der Berufsverband an einer aktualisierten Fassung,
wenn es um die Abrechnung von Designleistungen geht. Vom die als App herauskommen soll. Neben den Tabellen der Be-
Gesetzgeber eigentlich vorgeschrieben, werden sie von der rufsverbände gibt es inzwischen auch Apps von anderen An-
Mehrzahl freischaffender Designer nicht gesondert berech- bietern, die bei der Kalkulation helfen (siehe Seite 29).
net. Dabei sind sie ein wichtiger Bestandteil der Vergütung. Die Kosten von Werbung und Design aus Sicht der Auftrag-
Die AGD hat eine Tabelle der Nutzungsfaktoren erstellt, die geber trägt das Beraternetzwerk WerbeCheck alljährlich im
die Aspekte Nutzungsumfang, -gebiet, -dauer und -intensi- »Rotstift« zusammen. Die Publikation gibt die Preise für Krea-
tät umfasst. Daraus ergeben sich Faktoren von 0,5 (minimale tivdienstleistungen in verschiedenen Kombinationen von
Nutzung) über 3,5 (umfassende Nutzung) bis 6 (maximale Agenturgröße, Arbeitsaufwand und Nutzung an. Demnach
Nutzung) – wobei der Maximalwert selten angewendet wird. muss ein Unternehmen für ein Corporate-Design-Konzept
Mit diesem Nutzungsfaktor wird die Entwurfsvergütung mul- von einer kleinen Agentur mit mittlerem Aufwand und inter-
tipliziert und der Betrag auf die Gesamtrechnung aufgeschla- nationaler, lang dauernder Nutzung 28 540 Euro einplanen.
gen. Bei der Neugestaltung eines Bildlogos kann die Vergü-
tung gemäß VTV bei gleicher Arbeitsstundenanzahl zum Bei- Bei Verhandlungen mit Auftraggebern gibt es immer die
spiel von 1560 Euro (ohne Nutzungsrechte) bis 7020 (um- Möglichkeit, an kleineren Stellschrauben zu drehen. So kann
fassende Nutzung) reichen. Der Unterschied ist also enorm – ein Corporate-Design-Paket mal mehr, mal weniger Kompo-
und manchen Auftraggebern nur schwer nahezubringen. nenten umfassen – wichtig ist nur, dass der Designer nicht
Laut BDG-Umfrage von 2009 rechnen nur 2 Prozent der zu viel für zu wenig Geld arbeitet und seine Leistungen ent-
Teilnehmer die Nutzungsrechte nach BDG- oder AGD-Emp- sprechend anpasst. Jungdesignern fällt das am Anfang oft
fehlung ab. 40 Prozent stellen sie immerhin bei großen Pro- schwer, Souveränität in Kundenverhandlungen will gelernt
jekten extra in Rechnung. »Immer mehr Designer arbeiten sein. Mit der Zeit lässt sich der Arbeitsaufwand für bestimmte
heute wie Handwerker und rechnen nur über den Stunden- Projekte besser einschätzen – genauso wie die administra-
lohn ab«, so Büning. »Dennoch wächst das Bewusstsein, dass tive und organisatorische Arbeit, die dahintersteckt und die
man stets eine Aussage zu den veräußerten Rechten ma- durch das Einkommen ebenfalls abgedeckt werden muss.
chen muss – für den Fall der Fälle.« Doch Nutzungsrechte Wer mehr verdient – ob freier oder angestellter Designer,
gelten nicht automatisch für jede Designleistung. Die Arbeit lässt sich nicht pauschal sagen. »Selbstständigkeit bedeutet
muss die sogenannte Schöpfungshöhe erreichen, also ein großen Einsatz, Geduld und Planung; einen Kundenstamm
bestimmtes Maß an Originalität und persönlicher geistiger baut man nicht so schnell auf. Wenn das gelingt, verdient man
Schöpfung besitzen, damit sie unter das Urheberrecht fällt. als Selbstständiger besser«, erklärt »PlanBA«-Autorin Sonja
Reinzeichnungen und reine Umsetzungsarbeiten bestehen- Wegner. Freelancer müssen aber kaufmännisch denken und
der Entwürfe sind demnach nutzungsrechtlich nicht relevant. handeln, sonst können sie von ihrem Beruf nicht leben. nik
page 11.12 029

Kalkulations-Apps
n Neben den Richtwerten von BDG und AGD gibt es Apps anderer Anbieter, die die
Kalkulation von Designleistungen erleichtern sollen. Die Vergütungen für ähnliche
Projekte variieren zum Teil deutlich – auch von denen des VTV und des BDG-Honorar-
rechners, was unter anderem daran liegt, dass die Angebote nach unterschiedli-
chen Parametern berechnet und verschiedene Faktoren einbezogen werden. Am
besten probiert man ein paar Tools aus, um zu sehen, welches am besten auf die ei-
gene Arbeit zutrifft. Wir haben uns drei iPhone-Apps für den deutschsprachigen
Markt genauer angesehen. So hilfreich die Apps von Fall zu Fall sind, keine kann eine
individuelle Kostenaufstellung ersetzen. nik

iFee
Preis: 1,59 Euro, Bewertung im App-Store: 4+
Entwickler: Sam Shandermani, Acioo,
Design & Medienkommunikation

Bei iFee wählt man ein Projekt aus – die Spanne reicht von Adressaufkleber hin zu
komplettem Corporate Design –, gibt Stundensatz und Arbeitsstunden ein sowie
Schwierigkeitsgrad, Nutzungsart, -gebiet, -dauer und -umfang. Heraus kommt ein
Preis zuzüglich Mehrwertsteuer. Bei einem aufwendigen Corporate Design mit
weitreichender Nutzung, einem Stundensatz von 78 Euro und 50 Stunden Arbeits-
zeit spuckt der Kalkulator den Wert 30 030 Euro aus – nach den Rechenvorgaben des
AGD kommt man bei ähnlichen Voraussetzungen auf 27 300 Euro. Entwurfs- und
Nutzungsvergütung werden bei der App nicht getrennt ausgewiesen, insgesamt
bleiben die Parameter der Berechnung im Dunkeln. Kalkulationen lassen sich unter
Favoriten speichern, Mailen oder Ausdrucken ist nicht möglich.

Fazit: iFee hilft beim schnellen Ermitteln grober Richtwerte. Mankos sind mangelnde
Transparenz bei der Berechnung und die geringe Anzahl an Variablen.

DesignFee
Preis: 1,59 Euro
Bewertung im App-Store: 4+
Entwickler: Marco Linke, Designers Inn

Die Datenbank von DesignFee umfasst Projekte aus Graikdesign, Webdesign und
Fotograie. Der Stundensatz lässt sich entweder manuell eintragen oder aus ver-
schiedenen Faktoren berechnen. Das kann besonders für Neueinsteiger von Vorteil
sein. Preise lassen sich mit und ohne Nutzungsvergütung ausrechnen und anzei-
gen, wobei der aus den Eingaben ermittelte Nutzungsfaktor angezeigt wird. Unter
ähnlichen Voraussetzungen wie iFee ermittelt DesignFee für ein Corporate Design
ein Honorar von 26 130 Euro. Projekte lassen sich als Favoriten speichern, mailen
und ausdrucken. Dazu ist eine Verbindung mit Evernote möglich.

Fazit: Umfangreiche Eingabemöglichkeiten, transparente Berechnung und gute


Usability machen DesignFee zum Favoriten unter den Kalkulator-Apps.

Web Fee
Preis: 1,59 Euro
Bewertung im App-Store: 4+
Entwickler: Marco Linke, Designers Inn

Web Fee berechnet die Kosten für die Entwicklung und Gestaltung einer Website.
Die App stammt vom selben Entwickler wie DesignFee, ist aber ganz anders aufge-
baut. Die Variablen berücksichtigen unter anderem die Branche und den Umsatz
des Kunden, dazu technische Daten, Bestandteile der Website und speziische Ein-
zelleistungen. So entsteht eine passgenaue Berechnung für jedes Projekt. Auch las-
sen sich Ergebnisse speichern, mailen und drucken. Für den Stundensatz gibt es
Voreinstellungen für Freelancer (30 Euro), kleine Agentur (60 Euro) und Agentur
(90 Euro) oder einen individuellen Modus. Die Anzahl der Arbeitsstunden lässt sich
nicht eintragen, die Herleitung der Endsumme ist unklar.

Fazit: Web Fee ist ein gutes Tool für die Grobeinschätzung von Webdesign. Bei der
Berechnung ist es jedoch weniger transparent als die Schwester-App DesignFee.
030 page 11.12 TITEL gehälter, Honorare, Chancen

»Mehr Anfragen als gute Leute«


ten wollen fast alle frei arbeiten. Im Ofline- 3500 Euro zum Einstieg, in einer Agentur mit
Bereich dagegen bekommt man nicht einfach Glück 1800 Euro. Aber wer Industrieunter-
mal so 1000 Euro mehr Gehalt. Die Konkur- nehmen in der Vita hat, tut sich mit Agen-
renz ist groß, weil es überall gute Design- turen schwer. Von der Agentur in die Indus-
hochschulen gibt. Junioren ohne Praktika wer- trie zu gehen, ist wesentlich leichter. Wer von
den manchmal nur als Trainee mit 1200 Euro Highlyer-Agenturen wie zum Beispiel Jung
monatlich bezahlt. Obwohl viele schon eigen- von Matt kommt, der kann sich die Jobs in der
ständige Arbeit leisten. Insgesamt gilt: Je krea- Regel aussuchen.
tiver und namhafter eine Agentur, je größer Kann man überhaupt das große Geld
die Flut an Bewerbungen, desto weniger wird verdienen mit einem Kreativjob?
sie bezahlen. Wir empfehlen diese Erfahrung Sicherlich nicht in einer Festanstellung mit
aber unbedingt, weil man unglaublich viel 2500 Euro brutto. Dazu müsste man sich schon
lernt, die Karriere einen positiven Anschub selbstständig machen. Direkt nach dem Stu-
bekommt. Einfach zwei, drei Jahre durchhal- dium empfehlen wir das aber keinem. Man
ten, um irgendwann davon zu proitieren.  muss Erfahrung, wirtschaftliches Denken und
n Mit Büros in sechs deutschen Städten so- Wie sieht es in unserer Kreativhauptstadt eine Idee mitbringen, denn die Konkurrenz
wie in Wien und Zürich ist Designerdock die Berlin aus? ist riesig. Wer sich als Freelancer verdingt, ver-
wichtigste Personalberatung der Design- und Berlin ist das Mekka für Start-ups und große dient in jedem Fall mehr. Nicht so wie in den
Kommunikationsbranche. Und wohl niemand Agenturen. Die Kollegen dort suchen ver- 1990er Jahren, aber die Tagessätze liegen im-
hat einen so guten Überblick über den Markt stärkt im gesamten Online-Bereich, UX-Exper- mer noch bei 300/400 bis 600 Euro. Natürlich
wie die Berater der 1996 gegründeten Firma. ten, Projektmanager und wie gesagt Program- mit dem Risiko, auch mal keinen Job zu ha-
Wir sprachen mit Linda Graze. cg mierer. Agenturen müssen schnell reagieren, ben. Wobei Leute, die projektweise in die
weil Bewerber in der Regel mehrere Angebo- Agenturen geholt werden, fast immer vor Ort
Sie leiten das Stuttgarter Büro von Designer- te vorliegen haben. Ein Senior Interactive-AD sein müssen. Von zu Hause aus zu arbeiten,
dock. Ein guter Standort? verdient in Berlin zwischen 3000 und 4000 Eu- wird selten akzeptiert.
Linda Graze: Wir lieben ihn. Hier sind viele ro, ein UX-Konzeptioner 2400 bis 3600 Euro. Was raten Sie Festangestellten?
Designstudios und Agenturen, die man viel- An anderen Standorten können es 20 bis Gerade Frauen verharren manchmal jahre-
leicht nicht so auf dem Plan hat, mit dreißig 30 Prozent mehr sein.  lang auf einem Gehaltslevel, statt mal anzu-
oder vierzig Mitarbeitern. Außerdem Daimler Und die Werbehochburg Hamburg?  klopfen. Männer treten da selbstbewusster
und die Zulieferindustrie, viel Mittelstand, der Die Arbeitsbedingungen und Gehälter in den auf. Verstärkt sind auch erfolgsabhängige Ent-
monetär gut dasteht. Ähnlich sieht es übri- »coolen« Werbeagenturen sind nicht mehr so lohnungsmodelle im Kommen. Das bedeu-
gens in München aus. Wobei nirgendwo so vie- attraktiv. Nicht diese fragen Bewerber, wes- tet, es gibt 75 bis 80 Prozent Fixgehalt plus
le Freelancer gefragt sind wie dort, während halb sie in die Agentur wollen, sondern um- eines erfolgsabhängigen Bonus. Dazu wer-
es im Ländle und an anderen Standorten Rich- gekehrt! Die Sexyness ist einfach raus. Wer den Planzahlen festgelegt und wenn man
tung Festanstellung geht. gute Leute will, muss gut bezahlen und Per- drüberliegt, wird der Bonus ausgezahlt. Ex-
Die Krise gibt es also für Sie nur spektiven bieten. Aber auch hier, klar – digi- tras wie etwa ein Firmenfahrzeug können
in den Nachrichten? tale Medien auf dem Vormarsch. ebenfalls dazu dienen, gute Leute zu locken
Ja, von Krise ist bei uns nichts zu spüren. Die Wie stehen Spezialisten da, etwa oder zu binden. 
Entscheidungen dauern vielleicht etwas län- Bewegtbildgestalter? Es geht eben auch darum, gute Mitarbeiter
ger, aber die Nachfrage vor allem im Online- Motiondesign ist beispielsweise in Frankfurt zu halten.
Bereich ist Wahnsinn. Mobile ist extrem ge- gefragt, in Stuttgart eher eine lukrative Ni- Die Fluktuation ist hoch, es gibt Agenturen,
fragt, Social Media, alles, was gehypt wird. Tol- sche. Wobei die Bewerber top sein müssen. die feiern quasi jede Woche einen Abschied.
le Designs im Portfolio reichen nicht mehr, man Aber sicher werden Online-Agenturen in Zu- Das liegt nicht nur am Geld, sondern auch an:
muss auch wissen, wie eine Website aufgebaut kunft mehr Motiondesigner beispielsweise Wie werde ich behandelt? Wie ist das Mitein-
wird. Immer öfter werden 360-Grad-Mischpro- für Webspecials brauchen. CGI ist auch ein ander? Wie sieht die Work-Life-Balance aus?
ile mit digitalen Referenzen verlangt. Leute, spannender Bereich, auch hoch qualiizierte Manchmal ist ein Schulterklopfen vom Chef
die zuerst eine Idee entwickeln, dann an die Photoshop-Artisten sind schwer zu inden. mehr wert als 200 Euro extra. Weiter geht’s
Umsetzung in verschiedenen Kanälen denken. Bei Agenturen, die das Budget haben, kön- um Entwicklung, Schulungen. Und darum, dass
Spiegelt sich diese Situation auch im nen High-End-Spezialisten auch schon mal viele nicht mehr nachts oder am Wochenen-
Verdienst wider? 6000 Euro bekommen.  de in der Agentur sitzen wollen.
Absolut, bei Programmierern können freie Sind Agentur- oder Industriejobs Ihr Fazit?
Honorare schon mal über 10 000 Euro im Mo- besser bezahlt? Die Zeiten sind gut für gute Leute. Wenn man
nat liegen. Wir suchen händeringend Program- Die Industrie zahlt deinitiv 30 Prozent mehr, sich mit den Neuen Medien optimal aufstellt,
mierer, die sich fest anstellen lassen. Die Gu- bei Daimler oder Bosch gibt es gleich mal liegen die Jobs auch weiter auf der Straße.

Bei Agenturen, die das Budget haben, können


High-End-Spezialisten im Bereich Photoshop oder
CGI schon mal 6000 Euro im Monat bekommen.
page 11.12 031

145 000 000 Euro wurden im


ersten Halbjahr 2012 mit virtuel-
len In-Game-Gütern umgesetzt –
ein Wachstum von 63 Prozent,
so der Bundesverband Interaktive
Unterhaltungssoftware.

Reich werden
durch Apps
Schicke Idee haben, App entwickeln
und dann nur noch zuschauen, wie das
Geld ließt . . . Ach, wäre das schön!

n Die Goldgräberstimmung hält an, vor allem in Berlin er- che. Für indige Entwickler stehen allerdings Finanzierun-
innert das App-Fieber an die Tage des Dotcom-Hypes. Kein gen bereit. Für die Social-Reading-App dotdotdot gab es im
Wunder, wenn man hört, dass Instagram für eine Milliarde März Geld vom Bonner High-Tech Gründerfonds. Seitdem
Dollar verkauft wurde und allein der deutsche App-Markt werkelt ein Team von vier Gründern, darunter Kreativdirek-
jährlich um 66 Prozent wächst. Rund 1,6 Milliarden Euro tor Thomas Weyres, und fünf Angestellten in Kreuzberg an
sollen 2013 laut einer Analyse der Management- und Tech- einer Browser- und einer iPad-Version. Dem gingen mehre-
nologieberatung Mücke Sturm & Company mit Apps hier- re hundert Seiten Wettbewerbsanalyse und Businessplan
zulande umgesetzt werden. Und es gibt auch deutsche Er- sowie die Gründung einer GmbH voraus. Im Oktober soll
folgsstories, die nicht nur Programmierer, sondern auch De- die App herauskommen.
signer träumen lassen. Allen voran natürlich die von Andreas Dass man sogar in extrem überbesetzten Segmenten wie
Illiger, der an der Muthesius Hochschule in Kiel Kommuni- bei den Wetter-Apps noch lott Hits landen kann, beweist
kationsdesign studierte, sich die Spieleentwicklung selbst Partly Cloudy von Raureif in Berlin. Die Interaction-Design-
beibrachte und 2011 den Megahit »Tiny Wings« lancierte. Agentur realisierte bereits die Desktop-Banking-Software
Auch das Update vom Juli und die neue iPad-App landeten MoneyMoney (für 14,99 Euro im Mac App Store zu haben)
in den Top-Charts. Alle Angebote, ihn selbst oder das Spiel oder die iOS-App Virtual Water. Die Idee zu Partly Cloudy sei
aufzukaufen, hat Illiger bisher abgelehnt. im April entstanden, Launch war am 28. Juli, erzählt Timm
Doch auch wenn Apps inanziell immer noch ergiebiger Kekeritz, neben Frank Rausch Gründer von Raureif und Ex-
als ein »DSDS«-Casting sein dürften, laufen viele Projekte Mitarbeiter von IDEO in San Francisco. Ungewöhnlich ist
ins Leere. So zeigte die Studie »Developer Economics 2012« das infograische Interface als Ziffernblatt einer Uhr. Die
von VisionMobile aus London, die 1500 App-Developer aus Daten kommen vom norwegischen Wetterdienst, der – im
83 Ländern befragte (Download unter www.visionmobile. Unterschied zum (noch) kostenplichtigen deutschen Ange-
com), dass nur rund die Hälfte aller Apps nach zwei Jahren bot – das API offen ins Netz stellt. Anderthalb Tage E-Mails
ihre Kosten einspielen. Wobei iOS-Apps mit durchschnitt- an wichtige Blogs zu schreiben reichte dann als PR, um in
lich 27 000 Dollar die höchsten Entwicklungskosten haben, 15 Ländern auf Platz 1 der Charts zu landen. Was zeitweise
aber am rentabelsten sind. Im Trend sind In-App-Käufe, die für 1000 Downloads am Tag sorgte, wobei von 79 Cent
nicht nur einmalige Downloadeinnahmen bringen – zum Kaufpreis 48 Cent bei Raureif landen.
Beispiel je 79 Cent für virtuelle Traktoren in der neuen App- Das Erfolgsgeheimnis: »Design ist der große Differen-
Version des beliebten PC-Spiels »Landwirtschaftssimulator« ziator«, so Timm Kekeritz. Tatsächlich sind der schicke Look
der Firma astragon aus Mönchengladbach . . . und das markant andere Interface die Türöffner, um bei
Generell steigen die Entwicklungskosten, denn mit der den einschlägigen Multiplikatoren unter Tausenden von
Professionalisierung des Marktes und dem Einstieg von Wetter-Apps überhaupt Beachtung zu inden. Auch PAGE
High-End-Computerspielirmen wie EA steigen die Ansprü- hätte ja sonst nicht berichtet. cg
032 PAGE 11.12

KREATION

Dekomaterial
Klar, mit Essen spielt man nicht – aber wenn’s im Namen der Kunst ist? In der Fotoserie »Der Gaumen des 20. Jahrhunderts« aus dem neuen Food- und
Kulturmagazin »The Gourmand« kommt Stilgeschichte auf den Teller: etwa Postmoderne, Art déco (rechts oben) oder Neoklassizismus (rechts unten)
PAGE 11.12 033

Visuelle
Alchemie
Essen und Kochen inspirieren
Künstler seit jeher – davon
lassen sich heute Kreative aller
Sparten und ganz besonders
Editorial Designer belügeln

n Ist das schon Kunst oder kann man


das noch essen? Diese Frage stellte
»Efilee«, das eher pragmatische »Ma-
gazin für Kochen und Leben«, auf dem
»A 20th Century Palate«, Art Direction: Jamie Brown, Photography: Luke Kirwan, Comissioned for The Gourmand Issue 00, www.thegourmand.co.uk

Cover seiner Sommerausgabe. Darü-


ber: das Foto einer Banane mit brau-
nen Flecken, eine Reminiszenz an An-
dy Warhols legendäres Pop-Art-Plat-
tencover für Velvet Underground von
1967. Ein anderes Beispiel für die Wech-
selwirkung zwischen Essen, Kunst und
Design ist Campbell’s Tomatensuppen-
dose, die es vom Supermarktregal auf
die Leinwand und wieder zurück ge-
schafft hat: Anlässlich des 50-jährigen
Jubiläums von Warhols ikonischem
Kunstwerk brachte der amerikanische
Fertigsuppenproduzent seine Tomato
Soup vor Kurzem als limitierte Verpa-
ckungsedition im bunten Andy-Warhol-
Design heraus. Vielleicht liegt es an
der für alle Lebewesen existenziellen
Bedeutung von Nahrungsmitten ei-
nerseits und ihrer vielschichtigen kul-
turellen Überformung andererseits:
Jedenfalls beschäftigt Essen und sei-
ne Zubereitung Künstler schon in der
frühen Kunstgeschichte – die Zeugnis-
se ihrer Auseinandersetzung wiede-
rum inspirieren heutige Designer, Fo-
tografen und Illustratoren.
Diese Faszination spiegelt sich auch
in den zahlreichen Koch- und Food-
magazinen wider. Das brandneue, life-
stylig-großzügige Gastroblatt »Fool«
aus Schweden, das seine Inspiration –
auch im Layout – aus Mode, Kunst
034 PAGE 11.12 KREATION Food und Design

Vanitas Reloaded I
Feiern, Essen, Trinken zählen zu den
vergänglichen Freuden – dass sich diese
traurige Tatsache äußerst stylish
inszenieren lässt, zeigen die Fotos von
Philippe Jarrigeon für das Magazin
»Dorade«. Ihre schrille, nicht sonderlich
subtile Ästhetik zwischen optimisti-
scher Buntheit und morbider Fäulnis
fasziniert und irritiert zugleich
PAGE 11.12 035

Geschmacksverwirrung
Igitt! Beim Anschauen des Bildmotivs
zum Thema »Alzheimer« ziehen
sich beim Betrachter die Geschmacks-
knospen zusammen – weil die
Fotografen mit der Erwartung an eine
leckere Käsestulle spielen, die sich
durch die Cremedose ins Gegenteil
verwandelt. Es stammt von Himmel &
Burwick, die gemeinsam Foto-
graie, Konzept und Styling anbieten

Back To The Roots


Himmel & Burwick konzipierte auch diese
erdverbundenen Bilder. Frisch aus
dem Acker eines Biobauernhofs gezogen,
wurde das Gemüse am oberen
Ende mit Saucen und anderen Zutaten
verfeinert. Auch wenn’s zwischen
den Zähnen knirscht – irgendwie eine
appetitlich-natürliche Komposition

und Design bezieht, wird von dem wunderschöne Publikation über das Oft sind artifizielle Darstellungen von
Foodfotografen Per-Anders Jörgensen schwedische Restaurant Fäviken he- Food im Editorial Design allerdings
und seiner Frau, der Graikerin Lotta raus. Angesiedelt zwischen Reisefoto- mehr Stilmittel denn tiefschürfende
Jörgensen, herausgegeben. Mit Jörgen- band und Kochbuch, stellt der Verlag Botschaft. »Künstlerische Inszenierun-
sens satten Schwarzweißfotos, aber es in atmosphärischen Bildern vor: Mit gen von Alltagsdingen nimmt das zu-
auch mit schrägen Illustrationen prä- großzügigen Porträts der Macher, ih- nehmend ästhetische Vielfalt gewohn-
sentiert das Magazin High-End-Res- rem gastronomischen Ansatz und sai- te Publikum in erster Linie als lifestylig
taurants, Spitzenköche und deren Re- sonalen Rezepten. Die Fotos der mini- wahr«, sagt Barbara Krimm, die als
zepte. Die erste Ausgabe des briti- malistischen regionalen Spitzenküche freie Artdirektorin die abwechslungs-
schen Food- und Kulturjournals »The wirken wie Kunstinstallationen aus Zu- reiche Editorial Design des Frauenma-
Gourmand« ist eher eine experimen- tatenschnipseln, eingebettet in Bild- gazins »Fräulein« verantwortet. »Da-
telle Independent-Produktion rund um serien über den Ort und die Zuberei- rüber hinaus wirken sie lebendiger als
Kunst und Essen: Darin hält eingeleg- tungsprozesse. All dies macht deut- naturgetreue Objektabbildungen und
ter Fisch als modernes Vanitas-Stillle- lich: Nahrungsmittel, ihre Herkunft und verfügen über narrative Qualitäten.«
ben her, während kunstvoll geschnitz- Verarbeitung, sowie Esskultur im All- Dazu trägt zum einen die vielfäl-
tes Brot, Wurst und Gemüse eine Stil- gemeinen werden zunehmend als ein tige, in der abendländischen Kultur-
geschichte des 20. Jahrhunderts auf ganzheitlicher, kreativer Prozess ver- geschichte verankerte Symbolik von
Tellern liefern. standen – bei dem, ähnlich wie in Früchten, Brot oder Fleisch als Zei-
Der Kunst,- Architektur- und Kultur- Kunst und Design, nicht mehr nur dem chen zum Beispiel für Reichtum, Er-
buchverlag Phaidon bringt nach dem Ergebnis, sondern auch den kreativen, kenntnis oder Vergänglichkeit bei. Zum
Band über das nordspanische Nobel- handwerklichen Abläufen Beachtung anderen können die meisten Menschen
restaurant Mugaritz im Herbst eine geschenkt wird. beim Anblick selbst abstrakter Es-
036 PAGE 11.12 KREATION Food und Design

sensdarstellungen persönliche Er- im Zuge des Bio- und Regional-Trends. augenzwinkernder Überhöhung. Ein
fahrungen und emotionale, sinnliche Den Wunsch nach authentischer Dar- neues Stillleben zeigt Gemüse, dessen
Erinnerungen aus der Kindheit oder stellung beobachtet das Hamburger oberes Ende hübsch mit Sauce ange-
von Reisen abrufen – oft sogar inklusive Fotografenduo Himmel & Burwick: richtet ist, während am unteren Ende
Geschmack und Geruch. Viel intensiver »Nach den kleinen und großen Le- noch Wurzeln sichtbar sind, an denen
lassen sich Bilder kaum in den Köpfen bensmittelskandalen in den vergange- ein wenig Erde haftet.
der Betrachter verankern. Und so er- nen Jahren und seitdem das Internet In der konservativeren Werbung
zählen die Stillleben in der »Fräulein«- detailliert Informationen über unsere gibt es immer noch weniger Verständ-
Rubrik für Kochrezepte auf verschie- Nahrungsmittelproduktion verbreitet, nis für freie Inszenierungen als im Edi-
denen Ebenen kompakte, humorvolle wollen immer mehr Menschen genau torial Design. Warum eigentlich? Geht
Storys und bilden zugleich die Zutaten wissen, wo ihr Essen eigentlich her- es doch beim Anpreisen von Nahrung
des beschriebenen Gerichts ab. Inspi- kommt.« Ihr stark konzeptioneller An- um Versprechen wie Genuss, Gesund-
riert von Kunstwerken und zugleich satz, so Christoph Himmel, lebe auch heit, Status, Jugend und Sinnlichkeit –
appetitlich angerichtet, regen sie In- von einer »Ehrfurcht vor Gemüse oder Themen die, wenngleich etwas sub-
tellekt und Sinne des Betrachters an. einem Stück Fleisch, ihrer Herkunft tiler, ebenso in den Stillleben früherer
und ihrem Entstehen«. Das äußert sich Jahrhunderte in Form von Feigen, Wein,
In der Werbung wird von der Foodfo- in Food-Stillleben, die die Ästhetik der Austern, Gelügel abgehandelt werden.
tograie allerdings mehr Natürlichkeit Nahrungsmittelskulpturen mit Anlei- Auch die Tendenz aus dem Editorial
als eine künstlerisch-ästhetisierende hen an die alten Meister oder den Sur- Design, den vergänglichen Genuss des
Inszenierung gefragt – insbesondere realismus zelebrieren – meistens mit Essens zu inszenieren, bietet viel krea-
tives Potenzial. Fotograf Philippe Jarri-
geon präsentiert schimmelige Früchte,
Illustrator Martin Nicolaussons Version
der spielerischen App Granimator ze-
lebriert ein Gelage bis zum abgeges-
senen Knochen. Das ließe sich weiter-
spinnen: Wenn schon ständig von trans-
parenter Information für den mündi-
gen Konsumenten die Rede ist – wäre
es dann nicht folgerichtig der nächste
heiße Trend, wenn sich die Marken-
kommunikation der Nahrungsmittel-
industrie daran ein Beispiel nehmen
und uns noch ein wenig narrativer mit
den kompletten Lebenszyklen ihrer
Produkte konfrontieren würde? wl

In unseren Einblicken auf Seite 106 f.


haben wir Kreative nach ihren
persönlichen Rezepten für stressige
Zeiten gefragt

Gemüse im Kontextwechsel
Die Bilder in dem unkonventionellen
Frauenmagazin »Fräulein« illustrieren
die Rezeptvorschläge nicht nur durch
die Darstellung der Zutaten, sondern auch
durch ihre mehrschichtige, narrative
Inszenierung – etwa als Kaktuslandschaft
zur mexikanischen Gemüsepfanne oder
als Urlaubsbild mit Senf-Sonne zum Kölner
Wurstgericht in der Sommerausgabe
PAGE 11.12 037

Vanitas Reloaded II
Der Weg ist das Ziel: Zu einem richtigen Gelage
gehört genüssliche Völlerei. Hier die Wall-
paper-App Granimator in der neuen Version des
schwedischen Illustrators Martin Nicolausson
mit dem Titel »The Great Big Feast«

Kindheitserinnerungen
Die Mahlzeiten in Olaf Hajeks naiv anmuten-
den Kinderbuchstil, hier für die niederländische
Foodzeitschrift »SpecialBite«, stellen eine
nostalgisch-heile Welt dar, in der der Fisch
noch zu leben scheint

Nahrungsmittelporträts
»Der Mensch ist, was er isst«, beschrieb
Ludwig Feuerbach den Zusammen-
hang von Essen und körperlich-seelischen
Beinden. Ganz wörtlich nahm dies
Katharina Gschwendtner bei der Illustra-
tion für das österreichische Frauen-
magazin »Maxima«, die an die Obst-Still-
leben Giuseppe Arcimboldos erinnert

≥ PAGE Online
Ein Interview über den Zusammen-
hang von Küchen und Kreativen-
ateliers mit Roland Nachtigäller,
Direktor des MartA Herford, sowie
Links zu internationalen Maga-
zinen, die Essen mit Kunst, Kultur
und Gestaltung zusammen-
bringen, inden Sie unter www.
page-online.de/esskultur
038 PAGE 11.12 KREATION Sound Branding

»Ziel von Sound Branding ist nicht, immer


mehr Klang zu produzieren, sondern
den Klang zu verbessern und effektiv ein-
zusetzen. Jeder Sound Brander
weiß, dass Stille ein kostbares Gut ist«
Marcel Kloppenburg, Director Music,
Movie, Motion bei MetaDesign in Berlin

La la la la la!
Der Corporate Sound ist genauso Bestandteil der
Markenidentität wie das visuelle Erscheinungsbild.
Ganzheitliche Konzepte verbinden beide Sinne

n Wie klingt eigentlich Innovation? Oder Tradition? Oder


Sicherheit? Mit Klang lassen sich viele Assoziationen und
Emotionen wecken. Doch der richtige Sound muss erst mal
gefunden – und dann konsequent eingesetzt werden. Ein
gutes Beispiel für gelungenes und ganzheitliches Sound
Branding ist Audi. Wie klingt Vorsprung durch Technik? Nach
Herzklopfen! Doch der Sound von Audi besteht nicht nur
aus dem dreisekündigen Soundlogo am Ende jedes Werbe-
spots, auch die Klangatmosphäre innerhalb der Clips, auf
Messen und im Internet bis hin zu den Autogeräuschen ist
konzeptionell durchdacht und trägt so zur multisensori-
schen Identität von Audi bei.
»Ein schlüssiges Klangkonzept stützt die Wiedererken-
nung, vermittelt die Markenidentität und nutzt die Macht
von Klang in allen Medienkanälen«, erklärt Marcel Kloppen-
burg, Director Music, Movie, Motion bei MetaDesign in Ber-
lin. Sound Branding bildet damit den akustischen Konterpart
zum visuellen Corporate Design. Ein stringent eingesetzter
Corporate Sound kann eine Marke oder ein Unternehmen
von seinen Wettbewerbern differenzieren, ist Rainer Hirt
überzeugt, Managing Partner der Audio-Branding-Agentur
Audity in Konstanz. Wichtig ist, dass die akustischen Reize
beim Hörer die richtigen Assoziationen wecken, zum Bei-
spiel Innovation oder Sicherheit.
Dass sich eine Marke mit Sound stärken lässt, ist zwar
mittlerweile bekannt. Große Konzerne wie Telekom, Intel
oder Coca-Cola haben es vorgemacht. »Dennoch muss man
nach wie vor Überzeugungsarbeit leisten«, erklärt Marcel
Kloppenburg. Bei MetaDesign werde Sound als integraler
Bestandteil einer Markenidentität mitgedacht. Die Zusam-
menarbeit von visuellen und akustischen Gestaltern ist der
beste Garant für ein erfolgreiches audiovisuelles Konzept.
»Die menschliche Wahrnehmung ist multisensorisch. Man
PAGE 11.12 039

kann das Akustische und das Visuelle nicht getrennt vonei-


nander betrachten«, sagt Carl-Frank Westermann, der als
»Soundprofessor« die Sound-Branding-Unit bei MetaDe-
sign aufgebaut und sich 2011 mit Wesound in Berlin selbst-
ständig gemacht hat.

Das visuelle Erscheinungsbild existiert meist schon, bevor


der Sound hinzukommt. Doch in manchen Fällen kann auch
das Visuelle aus dem Akustischen heraus entstehen, oder
beide Aspekte werden parallel entwickelt. Gut funktioniert
hat diese Kooperation der Sinne etwa beim Corporate Sound
von Premiere, den Carl-Frank Westermann 2008 bei Meta-
Design mitentwickelte. Hier erarbeitete man gemeinsam mit
dem Kunden in einem Workshop das Konzept eines Ener-
giepulses, der sowohl visuell als auch akustisch umgesetzt
wurde. Ausgangspunkt für die Gestaltung war ein Sound-
ile, der dem Kunden gefallen hatte. Ein langes Leben war
dem Energiepuls allerdings nicht beschieden: Ein halbes Jahr
später wurde Premiere in Sky umbenannt und mit einer
neuen Corporate Identity ausgestattet. Pulsierend
Auch beim Sound Branding gibt es Richtlinien, die in Der Corporate Sound, den MetaDesign 2008 für den Bezahlsender entwickelte, basiert
sämtlichen akustischen Kommunikationsmaßnahmen ein- auf einem Soundile, der dem Kunden gefallen hatte. Das Konzept setzten die Kreativen
gesetzt werden sollen. »Wir sehen uns aber nicht als Klang- gleichzeitig visuell und akustisch um. So greifen beide Sinneswahrnehmungen nahtlos
polizisten, sondern als Enabler. Wir wollen den Produzen- ineinander. Besonders lange kam der Energiepuls allerdings nicht zum Einsatz: Ein halbes
ten ermöglichen, Musik und Klang im Sinne der Marke zu Jahr später wurde der Sender in Sky umbenannt und erhielt ein neues Erscheinungsbild.
machen«, erläutert Marcel Kloppenburg. »Es sollte inner-
halb des Unternehmens eine Zuständigkeit für Sound ge-
ben, die für den Austausch zwischen den Abteilungen sorgt
und das Thema aktiv vorantreibt.« Dazu gehört wesentlich
die Weiterentwicklung, denn wie ein Klang wahrgenommen
wird, ist auch zeitabhängig. Die Techno-Sounds aus den
1990ern erscheinen uns heute meist veraltet oder schlicht-
weg lächerlich. Ein Beispiel für die gelungene Weiterentwick-
lung eines Soundlogos ist das der Sparkasse. Der ursprüng-
lich gesungene Jingle wird seit einigen Jahren nur noch rein
melodiös ohne Stimme eingesetzt. »Die Marke baut hier
gekonnt auf gelerntes auditives Markenwissen auf«, erklärt
Rainer Hirt. Ähnlich ging die Bausparkasse Schwäbisch-Hall
vor, deren gesungener Claim zunächst durch eine gepif-
fene Melodie ersetzt wurde und in aktuellen TV-Spots sub-
til in die Hintergrundmusik integriert ist.
Unumstrittener Meister der subtilen Audiologo-Nutzung
ist Coca-Cola. Die Marke lässt ihre Erkennungsmelodie im-
mer wieder von Künstlern in ihre Songs einbauen, zuletzt
bei dem Olympia-Song »Anywhere in the World« von Mark
Ronson feat. Katy B. Damit setzt man ganz auf die implizite
Wirkung von Sound – im Gegensatz zum Telekom-Signet
können die meisten Konsumenten die Coca-Cola-Melodie
nicht aus dem Kopf heraus summen. Marcel Kloppenburg
sieht das allerdings nicht nur positiv. Zwar sei die Anwen-
dung des Corporate Sounds gelungen, doch habe die Mar-
ke bei der Einführung nicht den nötigen Anschub gegeben
und so den Wiedererkennungseffekt verschenkt.

Markenwerte in Klang zu übersetzen hat nichts mit Ho-


kuspokus zu tun, sondern basiert auf strategischen Prozes- Klangbild
sen. So steht am Anfang stets die Analyse der Marke sowie Eine enge Verbindung von visueller und akustischer Gestaltung weist das Soundlogo
der direkten und indirekten Wettbewerber. Danach legen der Philharmoniker Hamburg auf, das thjnk (ehemals kempertrautmann) auf
Agentur und Kunde fest, wie die Marke akustisch wahrge- Eigeninitiative entwickelte. Die Spiegelung der Hamburger Skyline in der Außenalster
nommen werden soll. Dafür muss allerdings oft erst eine wurde dabei zur Soundwave umfunktioniert, die der Komponist Thomas Suess
gemeinsame Sprache gefunden werden. Wie bei der visuel- in ein Soundlogo übersetzte, das die Hamburger Musiker einspielten. Die Übersetzung
len Gestaltung ist hier ein Vokabular nötig, um jenseits von der visuellen Daten in Sound, Soniikation genannt, führte so zu einem einzigartigen
Geschmacksfragen über den strategischen Nutzen des Logo – das allerdings bislang noch nicht eingesetzt wird.
040 PAGE 11.12 KREATION Sound Branding

Altes Logo Basisschrift Neues Logo

Typoklang Designs sprechen zu können. Auf dieser Basis entsteht


KW43 Branddesign entwickelte für das Orchestre symphonique genevois eine akustische Leitidee, die als Brieing für die Sound Desig-
ein Soundlogo, das auf Typograie basiert. Bei der Überarbeitung des ner dient, die das Konzept dann in Klang übersetzen.
Corporate Designs gestaltete die Agentur eine Wortmarke, bei der bestimmte Eine Methode, um aus Werten Klänge abzuleiten, sind
Buchstabenteile durch Notenköpfe ersetzt werden. Die Anordnung der multimodale Analogien. Hierbei werden Eigenschaften von
Noten im visuellen Logo diente als Grundlage für die Melodie des akustischen den verschiedenen Sinnen her betrachtet. »Wir fragen nie
Markenzeichens. Das Konzept der Wortmarke weiteten die Designer zu direkt: Wie klingt Innovation? Sondern tasten uns etwa über
einer kompletten Schrift aus, die Worte in Musik umwandelt. Sie soll als Grund- die Haptik oder den Geschmack heran«, erklärt Ralf Hirt. Ex-
lage für eine interaktive App dienen, mit der sich persönliche Musik- emplarisch für diesen Ansatz sind die Klangstudien »Sound
nachrichten verschicken lassen. Diese beindet sich noch in der Entwicklung. of Citrus« und »Sound of White«, die Audity für Symrise ent-
wickelte, einen Anbieter von Duft- und Geschmacksstoffen.
»Citrus wird als rau und spitz wahrgenommen«, erklärt Hirt.
»Diese Assoziation indet sich im Klang wieder.« Die Farbe
Weiß weckt dagegen Assoziationen mit Schnee, die in weiche
Klänge übersetzt werden. Das klingt ein bisschen nach Synäs-
thetik, hat jedoch wenig damit zu tun. »Die Wahrnehmung
von Synästhetikern ist sehr subjektiv und individuell. Wir su-
chen dagegen nach relativ allgemeingültigen Eindrücken«,

»Ein erfolgreiches audiovisuelles Konzept


entsteht nur, wenn visuelle und
akustische Gestalter zusammenarbeiten«
Carl-Frank Westermann, Gründer von Wesound in Berlin

Selbst komponiert
Auf der Homepage des Orchesters der Kulturen drückt der Nutzer
nicht nur einen Play-Button, sondern kann den Sound der Seite
aktiv steuern, indem er Instrumente und Musiker auswählt und so
sein persönliches Orchester zusammenstellt. Rund um die
drehende Weltkugel stellt er eine Gruppe von Orchestermitgliedern
zusammen, die gemeinsam musiziert. Auf diese Weise beein-
lusst er die klangliche und visuelle Komposition der Website.
PAGE 11.12 041

Neues Logo mit Noten Logo wird Musik – Sound-Logo Neue Schrift mit Noten

so Hirt. Marcel Klopppenburg glaubt nicht daran, dass man die Anleihen beim Corporate Sound machen, den die Agen-
multimodalen Verknüpfungen per se eine allgemeine Gültig- tur ebenfalls entwickelte. »Ziel war es, dass der Sound auf
keit zuschreiben kann. »Einige wenige Attribute der visu- der Website als selbstverständliches Element wahrgenom-
ellen und akustischen Formsprache korrespondieren mitein- men wird«, so Kloppenburg.
ander, etwa spitz oder weich«, so der Sound Brander. Andere Möglichkeiten, Sound im Netz zu integrieren, sind
etwa das Abspielen des Audiologos beim Aufruf einer Web-
Sound im Netz ist eine spezielle Herausforderung. Rainer site oder akustische Signale, die bei der Navigation helfen
Hirt unterscheidet hier zwischen aktivem und passivem Hö- können. Ein amüsantes Beispiel hierfür ist die Homepage
ren. Gerade wenn der Nutzer nicht auf Musik vorbereitet der Hamburger Kreativagentur Lukas Lindemann Rosinski
ist, kann Klang im Internet schnell kontraproduktiv wer- (www.llr-hamburg.de). Hier erzeugt jeder Klick ein eigenes,
den. Drückt er jedoch aktiv auf einen Play-Button bringt er von Menschen gesprochenes Geräusch wie »Tada« oder
die richtige Erwartungshaltung mit. Doch auch Sound, der »Tätärätä«. Natürlich gilt es bei der Soundgestaltung die Ziel-
nicht aktiv ausgelöst wird, hat im Netz seine Berechtigung – gruppe im Blick zu behalten: Auf der Corporate Site einer Ver-
solange er in Maßen und in der richtigen Form angewendet sicherung wäre so etwas eher fehl am Platz, während eine
wird. »Die Zeiten übel zusammengeschnittener Loops aus Agentur damit ihren Humor und ihre Kreativität beweist.
GEMA-freien Datenbanken ist vorbei«, so Kloppenburg. Die Die Integration von Sound in die Markenführung ist selbst-
Lufthansa-Microsite zum A360 unterlegte MetaDesign bei- verständlicher geworden, sagt Marcel Kloppenburg. Das ma-
spielsweise mit unaufdringlichen atmosphärischen Klängen, che sich schon auf Agentur- und Kundenebene bemerk-
042 PAGE 11.12 KREATION Sound Branding

Dominant
Am Soundlogo der Telekom scheiden sich die Geister. Während
sich die Experten weitgehend einig sind, dass der Konzern bei
seiner Einführung ein wenig übertrieben hat – Carl-Frank
Westermann spricht von »Klangimperialismus« –, kann Rainer
Hirt ihm auch Positives abgewinnen: »Die Verbindung des T
und der Punkte mit den Klängen ist sehr gelungen. Visuelles und
akustisches Logo gehen hier eine perfekte Symbiose ein.« Mitt-
lerweile geht die Telekom lexibler mit dem Soundlogo um und
lässt es innerhalb eines Spots etwa auf einer Gitarre spielen.

≥ PAGE Online
Links zu Projekten und Corporate-
Sound-Agenturen gibt es auf www.
page-online.de/corporatesound

bar. So stoßen Audio-Branding-Agenturen heute wesent-


»Ein stringent eingesetzter Corporate lich früher zum Branding-Team als noch für fünf oder zehn
Sound kann eine Marke oder ein Jahren. Dennoch ist Sound Branding eine Nischendisziplin,
die meist von kleineren Spezialisten angeboten wird und
Unternehmen von den Wettbewerbern bislang nicht in größeren Agenturen verankert ist. »Es geht
jetzt darum, Sound Branding auf solide Beine zu stellen und
differenzieren und langfristig das Angebot weiter zu professionalisieren«, meint Klop-
für monetären Mehrwert sorgen« penburg. Um das Thema voranzutreiben, haben Rainer Hirt,
Kai Bronner und Cornelius Ringe im Februar 2009 die Audio
Rainer Hirt, Managing Partner von Audity in Konstanz Branding Academy in Hamburg gegründet, die jedes Jahr
einen internationalen Kongress ausrichtet. Sound ist sub-
jektiv und emotional besetzt – noch mehr als visuelles De-
sign. Eine wissenschaftlich fundierte Herleitung kann helfen,
den Auftraggeber von einem Konzept zu überzeugen – in der
Hoffnung, dass er es konsequent und langfristig einsetzt. nik

Aus- und Weiterbildung


Sound Branding
Ausbildungsangebote für Sound Branding sind noch
eher spärlich gesät. Das umfangreichste ist derzeit
der seit 2001 bestehende Masterstudiengang Sound
Studies an der Universität der Künste Berlin, den un-
ter anderem Carl-Frank Westermann mit aufgebaut
hat. Marcel Kloppenburg leitet dort heute den Be-
reich Auditives Design.
≥ www.udk-berlin.de/soundstudies

Rainer Hirt verantwortet ab dem Wintersemester


den Spezialbereich Audio Branding im Masterstudien-
gang Music & Creative Industries an der Popakade-
mie Baden-Württemberg.
≥ www.popakademie.de

Im Herbst veranstaltet der ADC erstmals ein Young


Masters Seminar zum Thema Sound Branding. Das
genaue Datum steht noch nicht fest, und auf der
Referentenliste steht bislang lediglich Wilbert Hirsch,
Geschäftsführer von audio consulting group in Ham-
burg und New York.
≥ ww.adc.de/fortbildung
044 PAGE 11.12 KREATION »SZ«-Layoutreform

Zu schwarz? Zu dünn?
Zu ruhig? Zu laut?
Viel Zeit und Papier
waren nötig, bis
Christian Tönsmann,
Henning Skibbe und
Johannes Erler (von
links) mit der Schrift
zufrieden waren

2006
Johannes Erler, damals noch bei
Factor Design, arbeitet mit einem
Team an dem Projekt »Süddeutsche
Zeitung am Sonntag«, das aber nie
realisiert wird. Christian Tönsmann
ist als Teil des Teams in München
und hinterlässt vor Ort offensicht-
lich einen bleibenden Eindruck.

Jan. 2010 Sept. 2010 Okt. 2010


»Tönsmann, räumen Sie mir mal Hans Werner Kilz, der Ende Zusammen mit Antje Gardyan von
meine Zeitung auf.« Dieser 2010 in den Ruhestand gehen wird, der Beratungsagentur Metaplan
Anruf des damaligen »SZ«-Chef- der designierte Chefredakteur aus Quickborn schmiedet Christian
redakteurs Hans Werner Kilz Kurt Kister und Christian Tönsmann Tönsmann den Plan, die einzel-
bringt den Stein ins Rollen. Inner- setzen sich zusammen, um zu nen Ressorts und andere wichtige
halb weniger Wochen entsteht überlegen, wie man die Überarbei- Leute im Verlag zu befragen und
eine Überarbeitung des »SZ«- tung des Hauptblatts angeht. die Interviews dann in einen Work-
Regionalteils. Christian Tönsmann Zunächst wird vor allem über die shop münden zu lassen, um alle
merkt an, dass es nicht sinnvoll Gestaltung geredet, aber es wird Beteiligten mit ins Boot zu nehmen.
ist, diese vom großen Blatt abzu- klar, dass sie sich nicht vom Inhalt Natürlich müssen Verleger, Heraus-
koppeln. Das Ergebnis gibt ihm trennen lässt. Plötzlich geht die geberrat und Geschäftsführung
recht. Es wächst die Erkenntnis, dass Diskussion viel tiefer. Bei der »SZ« noch das Konzept und die Kosten
es keine gute Idee wäre, Entschei- gibt es starke Ressorts mit starken dafür freigeben. Erstaunlicher-
dungen für das Hauptblatt ähnlich Ressortleitern. Dementsprechend weise geht das ziemlich schnell.
schnell übers Knie zu brechen. lautet Tönsmanns Empfehlung:
»Wir müssen erst mal mit denen re-
den, also auf einer kommunikati-
ven Ebene starten, bevor wir in den
Gestaltungsprozess einsteigen.«
PAGE 11.12 045

Der lange Weg


Viel ist über die Layoutreform der »Süddeut-
schen Zeitung« geschrieben worden –
Gutes, Schlechtes, Unentschiedenes. Doch wie
kam es überhaupt dazu, und wie verlief die
mehr als zwei Jahre dauernde Entwicklung?
Für PAGE haben die verantwortlichen Gestalter,
Christian Tönsmann, Henning Skibbe und
Johannes Erler vom Bureau ErlerSkibbeTöns-
mann, in ihren Aufzeichnungen geblättert

Ende 2010
Der Begriff »Layoutreform« ist ge-
boren, die Chefredaktion gibt
die Direktive, nicht von »Relaunch«
Feb. 2011
zu sprechen. Ein solcher ist nicht Die Interviewfragen stehen fest,
gewünscht: Die Veränderungen die in jedem Ressort dessen
sollen so behutsam wie möglich Leiter und zwei Redakteure be-
Nov. 2010 vonstatten gehen. »Relaunch« ist
gerade im Verlagswesen ein sehr
antworten sollen:
1. Was ist die Stärke Ihres Ressorts?
Es gibt erste Gestaltungsent- sensibles Wort. Intern kursiert es 2. Wie prägt sich das im Blatt aus?
würfe, etwa für die Seite 1. Denn natürlich und schürt auch Ängste. 3. Was sollte eine Layoutreform
um die Verleger zu gewinnen – Fast jeder handfeste Relaunch bei erreichen?
und diese überhaupt den Auftrag deutschen Tageszeitungen in den 4. Was darf auf gar keinen Fall
vergeben, an der »SZ« herumzu- letzten Jahren hat einen Haufen passieren?
schrauben –, muss man ja etwas Leser und vor allem Abonnenten Auch Schluss- und Bildredaktion,
zeigen. Die Zeitung solle weni- gekostet. Geschäftsführung und Layout, Infograik, Verlags- und
ger holperig aussehen und mehr Gestalter sind sich einig, dass man Anzeigenleitung bekommen die
Wertigkeit ausstrahlen, wünscht am besten nicht den großen Hebel Fragen, also alle, die an der Entsteh-
sich die Chefredaktion. Von Anfang umlegt, sondern kontinuierlich an ung der Zeitung beteiligt sind. Wie
an lautet Tönsmanns Antwort der Zeitung arbeitet, auch um immer bei anstehenden Veränderun-
darauf: Dann müssen wir auch die künftig in Print, Online und Mobile gen bilden sich schnell zwei Lager:
Schriften anfassen. ein konsistentes Bild zu haben. die Reformer und die Bewahrer.
046 PAGE 11.12 KREATION »SZ«-Layoutreform

Deutlich ist zu
sehen, dass
die Miller zwar
schöne, moder-
ne Formen hat,
durch ihren ho-
hen Kontrast auf
der Seite aber
zu schwarz wirkt.
Die SZ Text ist ins-
gesamt schmaler
angelegt und
spart so Platz

März/April/ Juni 2011


Mai 2011 Christian Tönsmann möchte das Schrift-
system der »SZ« ändern. In Hamburg
Die Ergebnisse der Interviews kommt es zu einem ersten Treffen mit
ließen in einen zweitägigen Johannes Erler und Henning Skibbe.
Workshop mit der Chefredaktion. Zuvor hatte Tönsmann Verschiedenes
Es geht vor allem um die Frage, ausprobiert und war schließlich bei
was sich strukturell ändern muss, der Miller von Matthew Carter gelan-
wenn man jetzt etwas an det. Diese stieß bei sehr vielen in
der Form ändert. Muss man viel- Excelsior SZ Text SZ Serif der Redaktion auf positive Resonanz,
leicht die Abteilungen anders allerdings fanden auch einige, dass
aufstellen? Wem nimmt man, Der Bauchansatz des d verringert sich, ihr Kontrast zu stark und die Schwärze
wem gibt man Befugnisse? und auch die übertrieben weichen auf der Seite dadurch eine andere
Ecken im Kopf des t müssen weichen sei. Das macht noch einmal deutlich,
wie stark eine Zeitung durch die
Textschrift geprägt wird. Selbst wenn
man relativ nah an das Vorbild
herankommt, wie eben mit der Miller,
Mai 2011 entsteht im Schriftbild doch
ein komplett anderer Eindruck.
Die Ergebnisse des Workshops Diese Layoutreformgruppe Christian Tönsmann stellt sich
werden bei einer Versammlung der formuliert Ziele, an denen eine Schrift vor, die über das ruhige
gesamten Redaktion präsentiert. entlang die Gestalter arbeiten: Schriftbild der Miller, aber die
Jetzt geht es los. Christian Töns- • die Einmaligkeit der »SZ« soll Charakteristika der bisher verwen-
mann fängt mit dem stellvertre- deutlicher hervortreten, deten Excelsior verfügt. Im Büro
tenden Artdirektor Stefan Dimitrov • die Leserführung soll optimiert ErlerSkibbeTönsmann in Hamburg
zu arbeiten an. Ein sehr gutes werden, entsteht die Idee, eine eigene
Gespann, weil Dimitrov seit zwanzig • der Zugang zu den Inhalten soll Schrift zu gestalten. Dafür spricht,
Jahren bei der »SZ« ist, Prozesse erleichtert werden, dass mit Henning Skibbe und dem
und Abläufe sehr gut einschätzen • nach der Layoutreform soll klar ebenfalls im Büro arbeitenden Nils
kann und das Redaktionssystem erkennbar sein, dass die »SZ« Thomsen zwei ausgebildete Type-
in und auswendig kennt, während eine vielfältige Zeitung mit einer designer zur Verfügung stehen. Außer-
Christian Tönsmann mit einer Handschrift ist, dem ist es in der Regel wesentlich
frischen Außensicht dazukommt. • die inhaltliche Qualität der »SZ« günstiger, eine eigene Schrift zu ent-
Die Redaktion bildet ein aus soll optisch deutlicher zur Geltung wickeln, als über längere Zeit auf
vierzehn Personen bestehendes kommen, allen Kanälen eine Familie zu lizenzie-
Gremium, die Layoutreformgruppe, • die Bild- und Graiksprache soll ren. Zurück in München erzählt
mit der sich die Kreativen einmal verbessert werden, Tönsmann der Chefredaktion von die-
in der Woche treffen, um Entwürfe • es soll mehr Freiräume für ser Idee. Es wird beschlossen, mit
vorzustellen und redaktionelle Emotionalität und überraschende einem ersten Testfont diese Möglich-
Sparringspartner zu haben. Momente geben. keit auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.
PAGE 11.12 047

Ende Juli 2011


Bei der »SZ« in München fertigen die
Gestalter Testdrucke auf Original-
papier mit der Originalmaschine an
und präsentieren diese der Layout-
reformgruppe. Für eine eigene »SZ«-
Schrift spricht vor allem, dass es
keinen wirklich passenden Ersatz
für die Excelsior gibt, eine eigens
04. 09. 2011
entwickelte Type aber ihren Duktus Der Zentraleinkauf tritt auf den Plan.
aufgreifen kann, sodass der Leser Er entscheidet, drei weitere Schrift-
»seine ›SZ‹-Textschrift« wiedererkennt. gestalter um ein Angebot zu bitten,
Juli 2011 Außerdem kann man sie platzspa-
render anlegen, mit einem vollstän-
unter anderem FontShop. Die
Designer gehen in die Offensive,
In nur drei Wochen gelingt Henning digen Zeichensatz ausstatten, für setzen sich mit FontShop zu-
Skibbe und Nils Thomsen ein digitale Anwendungen optimieren sammen und geben preis, was sie
erster Entwurf. Sie analysieren, wie- und sie zeitlich und räumlich un- bislang entwickelt haben – ein
so die Schwächen der Excelsior begrenzt auf allen Kanälen nutzen. heikler Moment. Aber es lohnt sich
im Schriftbild so deutlich werden, Letztlich überzeugt vor allem das mit offenen Karten zu spielen, sie
weshalb ihr Schriftbild limmert ruhige Schriftbild im Druck. Alle in der überzeugen die Berliner, mit ihnen
und unruhig ist, wo ihr Konstruk- Runde sind erstaunt, dass sie tat- als Bietergemeinschaft aufzutre-
tionsfehler liegt und wo der Aus- sächlich den Eindruck haben, eine neue ten, und bilden so ein starkes Team,
gangspunkt für diese Schwächen Schrift zu sehen, die an die alte erin- mit sehr guter Expertise, was
ist. Das Ergebnis: zu große Ver- nert. Das »Meine SZ«-Gefühl bleibt er- Technik und Gestaltung betrifft.
salien, zu ausladende Serifen, anti- halten. An der Seite 3 mit sehr viel
quierte Formen. Die Konsequenz: Text entzündet sich sogar eine kurze
Nötig sind offenere Innenräume, Diskussion darüber, ob man jetzt zu
denn dann lässt sich die Schrift ruhig und zu »buchhaft« sei und man
insgesamt schmaler anlegen. Die dadurch wieder fremd wirken würde . . .
Herausforderung liegt darin, Mit dem Hinweis auf den besseren Um-
eine Type zu entwickeln, die in der bruch in InDesign – in dem die Test-
Beurteilung ihrer Einzelformen drucke entstanden – im Vergleich zum
und auch ihrer Details eindeutig als »SZ«-Redaktionssystem Hermes
eigene Schrift anerkannt werden lässt sich diese etwas bizarr anmuten-
wird, und die trotzdem in kleinen
Größen im Fließtext das
de Diskussion aber abwenden.
Bei der Präsentation gibt das Ham-
10. 10. 2011
Gefühl der Excelsior abbildet. burger Designteam auch sein Angebot Die Designer bekommen den end-
Zwar ist klar, dass auch die Head- für die Schriftentwicklung ab, über das gültigen Zuschlag für die Font-
lineschrift auf dem Prüfstand innerhalb von zwei, drei Wochen ent- entwicklung: zwei Schriften, eine
steht, aber es ist die Textschrift, die schieden werden soll. Dann aber kom- Headline- und eine Texttype –
den Beweis erbringen muss, men die bayerischen Sommerferien, diese auch in einer Displayvariante –,
dass ein neues Schriftsystem gene- in denen im Süden nichts passiert, und insgesamt vierzig Schnitte. Gleich-
rell sinnvoll ist. Allerdings bie- mit einem Mal ist es schon Mitte Sep- wohl verhandelt der Zentraleinkauf
ten die Designer bereits eine erste tember, als die Hamburger die Nach- weiter. Sie müssen preislich
Headlinevariante der Antiqua richt erhalten, das Angebot müsse noch einmal nachgeben, gratulieren
als Ersatz für die in einigen Ressorts erst noch durch alle Gremien gehen. Mit Herrn Langer, dem Chef des
verwendete Times mit an, um Rückendeckung der Layoutreform- Zentraleinkaufs, zu seiner Hart-
zu zeigen, dass sich aus der Text- gruppe geht Christian Tönsmann in die näckigkeit – und freuen sich
schrift auch eine Headlineschrift Gremien und verteidigt den Entwurf. über den nun endlich unterschrie-
entwickeln lässt. Der Entscheidungsprozess zieht sich hin. benen Auftrag.

Die Versalien sind


kleiner und wesent-
lich schmaler, die
Serifen leicht ange-
schrägt. Für mehr
Eleganz bekommt
die SZ Serif einen
höheren Kontrast Excelsior SZ Text SZ Serif
048 PAGE 11.12 KREATION »SZ«-Layoutreform

Links die neue,


rechts die alte
»SZ«. Bei der Ge-
staltung der
Seite 1 setzten
sich die Bewahrer
durch, sie bleibt
recht konservativ.
Dafür gab es
allerdings auch
kaum Abo-
Abbestellungen

Dez. 2011
Die Designer haben die visuelle DNA
der Zeitung klar herausgearbei-
tet, wissen jetzt, was sie verändern
wollen und was nicht. Das Kauzige
der »SZ« soll bleiben. Dazu gehören
Kurz vor Weihnachten 2011
die zentrierten Headlines und Wesentliche Teile der Zeitung sind »designreformiert«, und das Team hat
auch die Spaltenlinien, die man in immer wieder an der Seite 1 gearbeitet. Es gab hier wesentlich weiter-
einer heutigen Zeitung nicht gehende Entwürfe als das jetzige Ergebnis, an dieser Stelle haben sich die
mehr zwingend braucht. Typisch ist Bewahrer durchgesetzt. Die Seite 1 bleibt recht konservativ, auch wenn
darüber hinaus die Antiqua im sie etwas luftiger ist. Immer wieder gibt es Redaktionsversammlungen, bei
Feuilleton. Die einzelnen Ressorts denen die Designer Zwischenstände präsentieren und Musterseiten für
haben so ihre Eigenarten, jedes die Ressorts zeigen. Die »SZ«-Mannschaft scheint sich gut eingebunden zu
hat sich sein Zeitungsbuch über die fühlen, allerdings auch langsam ungeduldig zu werden. Es gibt noch
Jahre zusammengebastelt. Da- keinen festen Zeitpunkt für die Veröffentlichung.
durch entsteht Identiikation inner-
halb der Ressorts, aber teilweise
auch Beliebigkeit. Es muss aufge-
räumt und systematisiert wer-
den, aber der Pluralismus, der die
»SZ« einzigartig macht, erhalten
bleiben. Das Ziel ist Vereinheitlichung,
aber keine Gleichmacherei.

Gewinner der Layoutreform sind die Infograiken, die immer etwas verstaubt und oll
aussahen. Jetzt kommen die inhouse entstehenden Graiken frisch und modern daher
PAGE 11.12 049

Links die neue,


rechts die alte »SZ«.
In der Rubrik
»Modernes Leben«
macht sich die
Layoutreform klar
bemerkbar: Sie
wirkt aufgeräum-
ter, freundlicher
und strukturierter

Ende 2011 Feb. 2012


Die Designer sind auf der Suche Es steht fest, wie die Headlineschrift
nach Argumenten gegen die aussehen soll. Henning Skibbe und
Helvetica, die sie zwar grundsätz- Nils Thomsen haben eine serifenlose
lich mögen, aber nicht mehr als
Headlineschrift für die »SZ«. In der
Linearantiqua gezeichnet, eine
Schrift, die News machen kann. Sie
Ende Feb. 2012
Redaktion gibt es allerdings ein ist nicht so rund wie die Helvetica, Die Textschrift geht zur technischen
paar überzeugte Fans der Miedinger- sondern hat eine leicht vertikale Aus- Finalisierung an FontShop. Es ist
Schrift, und argumentativ vor richtung, ohne zu eckig zu werden. sinnvoll, die Technik so früh ins Boot
der Layoutreformgruppe zu Sie läuft etwas schmaler und wirkt zu holen, denn die dortigen Spezi-
bestehen, ist nicht ganz einfach. auch dadurch weniger behäbig. alisten, Axel Kleinemeyer und Axel
Denn da sitzen mit Kurt Kister, Wichtig ist, dass die Schrift nicht Matern, wissen genau, an welchen
Wolfgang Krach, Heribert Prantl magazinig und zeitgeistig wirkt, Stellen Fonts durch Redaktionssys-
und Co einige der besten sondern so, als ob sie schon immer da teme zerschossen werden können.
deutschen Journalisten. gewesen wäre – klassisch, unaufge-
Schließlich indet sich eine regt, klar. Und dass sie eine genauso
Begründung: Die Leser nähmen ruhige Zeile macht wie man es von
die Helvetica nicht als Helvetica, der Helvetica gewohnt ist. Auch das
sondern als Arial wahr, die ja die Gefühl spielt eine Rolle: Diese Schrift
Volksschrift schlechthin, aber transportiert die »SZ«-Identität.
nicht unbedingt positiv besetzt
ist. Als führende Zeitung könne
man nicht mit einer Schrift arbei-
ten, mit der jeder seine Briefe
schreibt. Das Argument zieht, es
fällt die Entscheidung, sich mit
der neuen Headlinetype deutlich
von der Helvetica zu entfernen,
den blockigen Charakter zwar bei-
zubehalten, aber trotzdem ein
Zeichen zu setzen.
Johannes Erler geht als Art-
direktor zum »stern«, bleibt
dem Bureau ErlerSkibbeTönsmann
jedoch als Partner erhalten.
050 PAGE 11.12 KREATION »SZ«-Layoutreform

Mitte
April 2012
Der Erscheinungstermin wird auf
Anfang den 2. Juli festgelegt. Zwei sport-
liche Großereignisse stehen an: die
07. 07. 2012
März 2012 Fußball-Europameisterschaft und
die Olympischen Spiele. Zu solchen
Die Layoutreform wird in der »SZ«
angekündigt. Kurt Kister schreibt
Es läuft die dritte und abschlie- Zeiten muss die Zeitung reibungs- über die Notwendigkeit von
ßende Marktforschung. Die los funktionieren. Vor der EM ist die Designreformen im Allgemeinen
Gestalter haben einen komplet- Umsetzung nicht zu schaffen und und Kulturressortleiter Adrian
ten Zeitungsdummy mit allen nach Olympia sind die bayerischen Kreye über das Schriftbild.
Schriften produziert, der bundes- Sommerferien, da ist die Personal-
weit in verschiedenen Fokus- decke viel zu dünn, um die Design-
gruppen getestet wird. Insgesamt reform durchzuziehen. Es gibt
sind die Reaktionen sehr positiv. also nur diesen winzigen Korridor
Hinsichtlich der Grundschrift konn- zwischen EM und Olympia.
ten die meisten keinen Unter-
schied erkennen. Dagegen bemerk-
Jetzt wird es eng für das Design-
team, vor allem aufseiten der
09. 07. 2012
ten mehr Befragte, dass die Technik gibt es weiße Gesichter. Die designreformierte »SZ« erscheint.
Zeitung strukturierter und auf- Denn wenn man mit InDesign
geräumter wirkt. Einige fragen, und XPress groß geworden ist, fühlt
ob die Schrift kleiner geworden sich das Redaktionssystem, mit
sei. Die Headlineschrift polari- dem die »SZ« arbeitet, an wie eine
siert schon eher, manche inden Dampfmaschine. Es ist ziemlich
sie zunächst ungewohnt. sportlich, das in InDesign Entwi-
ckelte auf Hermes zu übertragen.
So kann man beispielsweise
Nach dem
Schriftgröße und Zeilenabstand
nur auf eine Stelle hinter dem
09. 07. 2012
Komma einstellen. Es ist also un- Es kommen viele positive Zuschrif-
möglich zu sagen: Ich hätte ten, aber natürlich auch Kritik. Den
gerne 9,25 Punkt. Es gehen nur größten Unwillen löst die zu kleine
9,2 oder 9,3. Das macht im Schrift- Schrift im Kreuzworträtsel und
bild durchaus einen Unterschied. in den Sudokozeilen aus. Andere
weisen darauf hin, dass das
kleine ß wohl falsch sein müsse, da
es nicht mehr das sogenannte
Dreierles s (aus dem Schwäbischen)
sei – zusammengesetzt aus einem
Strich und der 3. Diese Volksmythen
können die Designer widerlegen.
Es gibt natürlich auch Leute, die
sagen: »Das gefällt mir gar nicht.
Ich will meine alte ›SZ‹ zurück.«
Besonders freut das Team, dass
es von verschiedenen Professoren
und aus den parlamentarischen Krei-
sen in Berlin gute Rückmeldungen
bekommt. Und auch, dass sich der
weltbekannte Zeitungs- und Maga-
zingestalter Mario García in seinem
Blog positiv äußert (http://is.gd/
garcia_sz). Die Gestalter sind zufrie-
den, auch wenn sie weiter kon-
tinuierlich an der Gestaltung der
Zeitung arbeiten werden. Rück-
blickend stellen sie fest: Um eine
solche Layoutreform erfolgreich
durchzuführen, bedarf es keiner
großen Agentur, wohl aber einer
sehr intensiven, engen Zusammen-
arbeit zwischen Beratung, Redak-
tion, Design und Typedesign. ant
PAGE 11.12 051

PAPIERWELT
Friedliche Absichten:
tor Helder Suffenplan dem Leitthema
Soldaten falteten nach Kristina
Rechnung. Das zweisprachige Magazin
Wißlings Angaben einen
(Deutsch/Englisch) lässt sich für rund
Leopard-Panzer aus Papier
50 Euro auf der Website bestellen.
≥ http://uponpaper.com;
www.hahnemühle.com

Mehr Digitaldruckpapiere
n Antalis hat ihr Sortiment an Premi-
umpapieren für den Digitaldruck neu
zusammengestellt. Die aus Produkten
von Arjowiggins bestehende Kollektion
umfasst unter anderem Dot der Mar-
ke Rives, eine Sorte mit geometrischer
Punktprägung. Ebenfalls neu ist Con-
queror Bamboo, das 50 Prozent Bam-
busfasern enthält und eine besonders
natürliche Haptik aufweist.
Auch das Farbspektrum hat Anta-
lis erweitert. So bietet Pop’Set jetzt
leuchtende Farben wie Cosmo Pink
Plan nur ein buntes Liniengewirr. Wäh- oder Lime Tonic, während Keaykolour
Panzer aus Papier rend der Museumsnacht in Dresden intensive Töne wie Tangerine oder Bis-
n Kristina Wißling ist Designerin und bauten Soldaten den Papp-Panzer vor cuit bereithält. Für mehr Nachhaltig-
Origami-Expertin. Kürzlich sorgte sie dem dortigen Militärmuseum auf. Ewig keit sorgen hochwertige Recyclingpa-
mit einem Projekt für Aufsehen: Nach soll er aber nicht der Witterung ausge- piere wie Curious Metallics oder auch
einer Idee des Künstlers Frank Bölter setzt sein, aller Voraussicht nach wird Conqueror CX22 mit einem Altpapier-
konstruierte sie anhand von Original- er dauerhaft in der Museumshalle aus- anteil von 100 Prozent.
bauplänen des Leopard II einen Pan- gestellt werden. ≥ www.antalis.de
zer aus Papier, den LEOrigamiPARD III. ≥ www.kristinawissling.com;
Während nebenan bei einem Manöver www.sauerlandinitiativ.de
Kampfeinsätze geübt wurden, falte-
Metapaper-Roadshow
ten in der Julius-Leber-Kaserne in Ber- n Der Anfang des Jahres gestartete
lin-Reinickendorf ein Dutzend Solda-
»Upon Paper #02« Online-Service rund um Papier und
ten den Panzer aus kunststoffbeschich- n Soeben erschien die zweite Ausga- Print, Metapaper (siehe PAGE 03.12.
tetem Papier. be des Hahnemühle-Magazins im XXL- Seite 64), zeigt jetzt gemeinsam mit
»Das war das bisher aufwendigste Format (siehe PAGE 06.12, Seite 58). HP Indigo in dreizehn deutschen Städ-
In welche Rich- und nervenaufreibendste Objekt, das Das übergreifende Thema ist diesmal ten, wohin sich Digitaldruck und Pa-
tung sich Papier ich je gemacht habe«, sagt die letzt- »Color«, und Fotografen wie Peter Bai- pier in Zukunft entwickeln. Jeweils vor-
und Digitaldruck jährige Gewinnerin des Innovations- ley und Wolfgang Tillmans steuern da- mittags werden Fragen behandelt wie:
entwickeln, zei- preis Sauerland rückblickend. »Allein zu ebenso Perspektiven bei wie der Welche Veredlungstechnologien sind
gen Metapaper den Faltplan zu erstellen, war eine ech- britische Grenzgänger zwischen Mo- im Digitaldruck möglich? Wie geht man
und HP Indigo auf te Mammutaufgabe.« Das glaubt man de, Kunst und Popkultur, Nick Knight, mit multivariablen Daten bei der Per-
ihrer Roadshow sofort, für den Laien ist der komplexe oder die Musikerin und Künstlerin Kim sonalisierung um? Welche Papiersor-
Gordon. Peter Saville, in den 1980ern ten werden in Zukunft an Einluss ge-
durch das Cover für das New-Order-Al- winnen? Welche neuen Anwendungs-
bum »Power, Corruption and Lies« be- möglichkeiten gibt es? Vorgestellt wird
rühmt geworden, hat dessen Farbcode auch eine innovative Papier- und Bin-
für den Titel von »Upon Paper #02« wie- detechnologie, bei der eine Broschüre
der aufgenommen. keinen Bund mehr hat und vollkom-
Viele der präsentierten Arbeiten men lach aufschlägt. Die Roadshow
entstanden speziell für diese Ausgabe. startet am 10. Oktober in Stuttgart und
Durch aufwendige Produktionsverfah- endet am 14. November in Augsburg.
ren, beispielsweise den Einsatz hoch- In welchen Städten die Roadshow
pigmentierter Farben und Leuchtfar- noch Station macht, lässt sich auf der
ben, trägt das Team um Chefredak- Website erfahren. ant
teur Holger Homann und Kreativdirek- ≥ www.metapaper.de/roadshow
052 PAGE 11.12 KREATION Afrika

Re-Branding Africa
Lange war das Bild von Afrika durch Hunger, Armut, Aids
und Mitleid geprägt. Nun rückt das ästhetische Potenzial des
Kontinents ins Blickfeld. Das zeigt sich nicht nur in neuen
Charity-Konzepten, sondern auch in künstlerischen Auseinan-
dersetzungen – und nicht zuletzt in Afrika selbst, wo sich
eine neue kreative Kultur entwickelt

n Ausgerechnet Starfotograf Albert Hitchcock mit gerupfter Gans in der


Watson schickte man in die Wüste. Der Hand zeigen, Keith Richards umhüllt
Brite mit Wohnsitz New York, bekannt von Zigarettenqualm oder Uma Thur-
für seine extrem aufgeladenen grai- man mit entblößter Schulter und ent-
schen Oberlächen, für hochglänzen- rücktem Blick. Im vergangenen Jahr
de Modefotograie und Porträts, die aber bat die Initiative Cotton made

Afrika im Blick
der Welt: Aus New
York berichtet
das Magazin »Pop’
Africana« über
den Zeitgeist des
Kontinents.
Rechts: Den Foto-
grafen Albert
Watson zog es nach
Benin, wo er die
21-jährige Boukari
Kaoulatou als
universelle Schön-
heit inszenierte

≥ PAGE Online
Videos und Links zum
Thema unter www.
page-online.de/
re-branding_africa
PAGE 11.12
053
Foto: Albert Watson: Boukari Kaoulatou, 21 ans, Peuhl Festival, Pèhunco, Benin, 2011
054 PAGE 11.12 KREATION Afrika

in Africa (CmiA) den 69-Jährigen zig Staaten und verwebt sie mit der Volkes, die unterschiedlichste Farben
nach Benin zu reisen, um die Bauern eigenen Identität. und Muster so kunstvoll kombinieren,
zu fotograieren, die von der Stiftung Weit entfernt von Afrika-Klischees, wie es im Westen Jean Paul Gaultier
beim Anbau hochwertiger Baumwolle von Schirmakazien und grasenden Ze- oder Muccia Prada tun. Kein Wunder,
unterstützt werden. bras inszenierte Albert Watson, meist dass die »Vogue«-September-Ausgabe
Diese Bilder sind jetzt das viel be- vor neutralem Hintergrund und in sat- den Fotograien Watsons eine mehr-
worbene Herzstück der Watson-Retro- ten Farben, die fremde Schönheit der seitige Strecke widmete.
spektive »Visions« in den Hamburger Gesichtstätowierungen, den kunter-
Deichtorhallen – und symptomatisch buntem Schmuck und das unbestech- So wunderbar eigensinnig, wie es ihre
für den neuen Umgang mit dem Konti- liche Stilbewusstsein der Beniner und Art ist, setzt sich Vivienne Westwood
nent. Der mitleidige Blick, mit dem die konzentrierte sich dabei auf das Zu- mit Afrika auseinander. »Es ist keine
westliche Welt so lange auf den gepei- sammenspiel von Tradition und Mo- Wohltätigkeit, sondern Arbeit«, stellte
nigten Erdteil schaute, ist inzwischen derne. Wie in einem Interior Shot zeigt sie zuallererst klar, als sie 2011 ihre Ethi-
überholt. In Afrika herrscht Aufbruch- er eine Voodoo-Priesterin vor sma- cal Fashion Africa Collection launchte,
stimmung, der Austausch indet heut- ragdgrün bemalter Wand, beschwört die in Zusammenarbeit mit dem Inter-
zutage auf Augenhöhe statt, und der den urban-coolen Look, in dem Jugend- national Trade Centre entstand, einer
Westen proitiert von der enormen liche durch ihr abgelegenes Dorf la- Organisation, die Marken mit den Hand-
kulturellen Vielfalt der mehr als fünf- nieren, sowie die Trachten des Peuhl- werksfähigkeiten der Ärmsten der Ar-
men zusammenbringt. Aus recycelten
Werbetafeln und Safarizelten fertigten
die Slumbewohner Taschen, die expres-
sive afrikanische Farben und landes-
typische Wachsdrucke mit dem west-
woodschen Stil der Improvisation, ih-
ren Tartanmustern und ihrem Logo
kombinieren – und fernab von jegli-
chem »Touristenzeug« sind, wie die
britische Designerin betont.
Für die begleitende Kampagne setz-
te Vivienne Westwood mit ihrem alten
Freund, dem Fotografen Jürgen Teller,
in augenzwinkernd hintersinnigen Bild-
motiven noch eins drauf. Auf einem
Markt in den Slums von Nairobi hockte
sie sich in Tartantracht auf einen Über-
seekoffer und breitete die Kollektion
auf einem Teppich vor sich aus. Sie po-
sierte im Maxikleid auf einer Müllkip-
pe und mit Arbeiterinnen, allesamt in
Westwood gekleidet und mit goldenen
Schühchen an den Füßen. Sie streifte

Prächtiger Pfau: Das Modelabel Buki


Akib verbindet traditionelle afrika-
nische Handarbeitsmethoden und
Muster mit schillernder Exzentrik.
Produziert wird in London und Lagos,
erfolgreich ist es weltweit. Rechts
oben: Das New Yorker Label Boxing
Kitten mixt die Silhouetten der
1960er mit traditionellen afrikani-
schen Stoffen. Darunter: Bei den
großstädtischen Looks von Bombe
Suprise kann man selbst bestim-
men, welches afrikanische Muster
man auf den Entwürfen haben will
PAGE 11.12 055

mit einem Krönchen auf dem Kopf


durch die staubigen Straßen, ließ glit-
zernde Exzentrik auf karge Schönheit
treffen – und erlaubte sich einen fre-
chen Abgesang auf den Kolonialismus.
Die Fotoserie, die unter dem Titel »Es
sieht gut aus in Afrika« im »ZEIT Maga-
zin« erschien, wurde im Juni 2012 bei
den Lead Awards ausgezeichnet.
Doch der Grat, auf dem sich diese
Art von Entwicklungshilfe bewegt, ist
schmal. Das bekam Großkünstler Ola-
fur Eliasson zu spüren, als er vor weni-
gen Monaten seine für Afrika entwi-
ckelte Solarlampe Little Sun vorstell-
te, die wie eine Sonnenblume aus-
sieht. Sie ist aus Plastik, wird in China
produziert, kann fünf Stunden Sonnen-
licht in fünf Stunden LED-Licht um-
wandeln – und soll sich bis 2020 ganze
50 Millionen Mal verkaufen. In Afrika
kostet sie etwa 10 Dollar, in Museum-
shops wird sie zum doppelten Preis
verkauft, und, hält man es mit Elias-
son, ist das ein wahres Schnäppchen.
Schließlich betrachtet er die Leuch-
te als Kunstobjekt. Für die Deutsche
Gesellschaft für Internationale Zusam-
menarbeit hingegen ist deren design-
getriebene Gestaltung schlicht unprak-
tisch und der Preis angesichts des
Durchschnittseinkommens vieler Afri-
kaner vor allem utopisch.

Doch nicht nur die gute Tat trägt ei-


nen neuen Look, sondern auch Afrika
selbst – und die Überschrift für diese
Entwicklung ist auch gefunden: »Re-
branding Africa« wird von politischen
Größen wie dem nigerianischen Präsi-
denten Jonathan Goodluck ebenso pos-
tuliert wie von der Chein der italieni-
schen »Vogue«, Franca Sozzani, die es
zum Thema der diesjährigen Mai-Aus-
gabe der »Vogue L’Uomo« machte.
Der Motor dieser Entwicklung sind
die Afropolitans, wie die international
einlussreichen Afrocosmopolitans ge-
nannt werden, die das heutige Bild von
Afrika prägen und verändern. Sie sind
auch die Betreiber und Leser der wich-
tigsten Websites, die die afrikanische
Popkultur zelebrieren. In Onlinemaga-
zinen wie Afroklectic und afriPOP! in-
formieren sie über die neusten Zugän-
ge in Pop, Design und Style, in Blogs
wie zum Beispiel cinder&skylark, Street
Etiquette und I See A Different You
dokumentieren sie die Facetten zeit-
genössischer afrikanische Kultur und
ihr Leben in dieser.
Ein besonders schillerndes Beispiel
der Afropolitans sind die als Afrodan-
dys bekannten Stilfetischisten, die es
mit ihrer modischen Selbstinszenie-
rung in Magazine wie »GQ« oder
056 PAGE 11.12 KREATION Afrika

»Spex« geschafft haben. Sie gehen


mit ihrem Glaubensbekenntnis zu Stil
und Mode auf die in den 1920er ent-
standen Kultur der Sapeurs (von »bien
sapé«, französisch für »schick geklei-
det«) zurück, die in der Kolonialzeit in
nadelgestreiften Dreiteilern mit Hut
und Gehstock aus Paris zurückkehrten
und so eine Style-Bewegung auslösten.

Ein wichtiger Beobachter zeitgenös-


sischer afrikanischer Kultur und ihrer
Vertreter ist der in Johannesburg leben-
de Fotograf Chris Saunders. Internatio-
nal bekannt wurde er, als er das Trei-
ben des für seine nonkonformistischen
Kreationen verehrten DIY-Fashionkol-
lektivs The Smarteez dokumentierte,
das in seinen Looks, mit Lackschuhen,
Neonsocken, bunten Fliegen und wild
gemusterten Hemden, Kolonial- und
Afroelemente ungehemmt vermischt.
Dass es Saunders’ Fotoserien ins Be-
netton-Magazin »Colors« und ins »Red
Bull Magazine« schafften, beweist, dass
jugendafine Marken den Coolness-
Faktor offensichtlich erkannt haben,
der von der blühenden afrikanischen
Szene ausgeht.
Die inspirierende Vielfalt Afrikas
erfasst international besonders visu-
ell getriebene Branchen wie Produkt-,
Fashion- oder Kommunikationsdesign.
Die berühmten Concept Stores Hun-
ting and Collecting in Brüssel und Dark-
room in London haben mit der Into Af-
rica Collection beziehungsweise unter
dem Leitmotiv »wax« als eine der Ers-
Der Londoner Concept ten Afrika ins Zentrum ihrer Produkt-
Store Darkroom launchte gestaltung, -auswahl und -inszenie-
eine Into Africa Col- rung gerückt. Wobei Hunting and Col-
lection, und Hunting und lecting sogar ihrem minimalistischen
Collection aus Brüssel Logo ein afrikanisch inspiriertes Make-
hat anlässlich des Themas over verpasste (siehe links unten).
»wax« sogar gerade
ihr Logo im Afrika- Diesen Sommer sprang der Hype auch
Style redesignt (unten) auf die einschlägigen Modeketten und
Designer über. Ganz gleich, ob klassi-
sche Luxusmarken, allen voran Bur-
berry Prorsum oder Online-Shopping-
Von unten: www.huntingandcollecting.com; www.darkroomlondon.com

Händler für günstige Teilchen wie et-


wa ASOS – kaum ein Label, das sich
nicht an einer Afrika-Kollektion versuch-
te. Und kaum ein Prominenter, der sich
nicht darin ablichten ließ: Wer auf dem
roten Teppich nicht, wie Anna Wintour
oder Lady Gaga, in der Burberry-Pror-
sum-Sommerkollektion steckte, trug
meistens die Kreationen von Boxing
Kitten. Mit ihrer sehr eigenwilligen Mi-
schung aus Retrozitaten und traditio-
nellen afrikanischen Drucken hat es
die Designerin Maya Lake nicht nur in
die Kleiderschränke von Beyoncé und
Michelle Williams, sondern auch auf
die Seiten der »New York Times«
058 PAGE 11.12 KREATION Afrika

»Afrika strotzte
schon immer vor
Designtalenten«
Wer mehr über afrikanische und von
Afrika inspirierte Mode erfahren will,
spricht derzeit am besten mit der
Londoner Journalistin Helen Jennings.
Sie ist Chefredakteurin von »Arise«,
dem ersten internationalen Style-
Magazin, das die zeitgenössischen
afrikanischen Errungenschaften in
Mode, Musik, Kultur und Politik

Foto: Elina Simonen


beleuchtet. Außerdem ist sie die
Autorin von »New African Fashion«,
dem ersten Kompendium über
die aktuelle Mode des Kontinents.

Sie sind Britin, leiten des »Arise«- te und Bedeutung haben. Deshalb ist
Magazin und haben das Buch es überhaupt kein Wunder, dass die
»New African Fashion« geschrieben. westliche Welt sich schon lange davon
Woher kommt Ihr Interesse? hat inspirieren lassen. Schauen Sie sich
Helen Jennings: Ehe ich »Arise« ge- Picasso an! In der Mode war Yves Saint
gründet habe, bin ich lange für Mode-, Laurent, der ja selbst in Algerien gebo-
Musik- und Lifestylemagazine um die ren ist, der erste Designer, der 1967 ei-
Welt gereist, denn ich hatte schon im- ne ausdrücklich afrikanische Kollektion
mer Interesse daran, neue Talente, Sze- mit perlen- und bastbesetzten Kleidern
nen und Kulturen zu entdecken. Als sich herausgebracht hat. Seitdem gab es
Die Berliner geschafft. Ähnlich frenetisch gefei- dann die Gelegenheit ergab, »Arise« immer wieder Referenzen an die afri-
Illustratorin ert werden momentan die Entwürfe ins Leben zu rufen, hab ich begeistert kanische Kultur, manchmal sehr kli-
Sabine Pieper der italienisch-haitianischen Designe- zugegriffen. Seit ich dort das Ruder scheehafte wie Animal Prints, Kopftü-
versah die afrika- rin Stella Jean, in denen sich afrikani- führe, habe ich so viel über den Konti- cher, Safarianzüge und so weiter, aber
nischen Schön- sche Elemente mit Zitaten aus ande- nent gelernt und bin unaufhörlich be- die guten Designer haben den Fundus
heiten der Vlisco- ren Kulturen und ethnischen Kontex- geistert, was für ein vielfältiges krea- afrikanischer Stile und Materialien im-
Kampagne ten ungezwungen vermengen. tives Potenzial er bietet. mer schon tiefer durchdrungen und
mit westlichem Stil-Bibeln für afrikanische Mode, Wie begann diese neue Welle das sieht man gerade heute auf den
Fashion-Flair (sie- Lifestyle und Kultur sind das in Lon- afrikanischen Designs, die Sie in Laufstegen. Seit Jahrzehnten wird die
he Porträt unter don erscheinende »Arise«-Magazin von Ihrem Buch beschreiben? afrikanische Art der Präsentation und
www.page-online. Helen Jennings (siehe Interview) und Afrika strotzte schon immer vor Design- der Verzierung sehr geschätzt und jetzt
de/sabine_pieper). die in New York ansässige Zeitschrift talenten. Aber erst in den letzten Jah- bietet sie eine endlose Stimulierung
Stil-Melange: Das »Pop’Africana« von Oroma Elewa, die ren hat sich der Kontinent gegenüber für diejenigen, die durch die »exoti-
japanisch-kame- den afrikanischen Zeitgeist genau ver- dem Rest der Welt geöffnet, ökono- sche« Oberläche hindurch das sehen,
runische Label folgen und für ein internationales Pu- misch und kulturell an Bedeutung ge- was wahrhaft ursprünglich und be-
Wafrica näht Kimo- blikum sichtbar machen. Die meisten wonnen, und das hat der dortigen deutungsvoll ist. Ein aktuelles Beispiel
nos aus afrika- der von ihnen vorgestellten, aufstre- Kreativindustrie sehr gut getan. Eine dafür ist die Frühjahr/Sommer-Kollek-
nischen Stoffen benden Labels zeichnen sich durch ei- verbesserte Infrastruktur, bessere Aus- tion 2012 von Burberry Prorsum.
(Rechte Seite) nen experimentellen Umgang mit afri- bildungsmöglichkeiten und Staatsfüh- Ist die Popularität afrikanischen
kanischen Einlüssen aus. Fast allen ge- rung hat es Designern erlaubt, sich zu Designs ein Effekt von Globalisierung
meinsam ist das Sampeln und Remixen entwickeln. Hinzu kam der Obama-Ef- und Multikulturalismus?
von Tradition und Innovation sowie fekt und die Fußballweltmeisterschaft. Deinitiv! Immer mehr Menschen den-
von afrikanischen und westlichen Ein- So blühen heute – und das obwohl der ken global, reisen um die Welt und sind
lüssen zu eigensinnigen Entwürfen. Beruf des Designers noch in der Gene- sich dessen bewusst, dass es ein Le-
Eine von ihnen ist die in Nigeria ge- ration zuvor weder ernst genommen ben hinter ihrem Gartenzaun gibt. Da-
borene und heute zwischen London wurde noch als rentabel galt – stylishe rum ist es für gut informierte und ge-
und Lagos pendelnde Designerin Buki Afropolitans auf, die in ihrer Heimat bildete Menschen selbstverständlich,
Akib, die für ihren extravaganten Mix und international erfolgreich sind. sich für den kreativen Output anderer
sowie für die Verwendung verschie- Wie beeinlusst das afrikanische Design Kulturen zu interessieren. Das wird
denster traditioneller Handarbeitstech- das westliche, internationale Design? durch die sozialen Netzwerke, New
niken bekannt ist. Ihre Männerkollek- Afrika ist ein unglaublich großer Konti- Media und E-Commerce noch unter-
tion Fela ist inspiriert von Afrobeat- nent mit vielen verschiedenen Kulturen, stützt. Doch da Trends kommen und
Legende Fela Kuti. Ein anderes Beispiel Stämmen, Religionen, Traditionen, Tex- gehen – Wachsdrucke sind in einer
ist das New Yorker Label Suno des tilien, Landschaften und Bekleidungs- Saison in und in der nächsten wieder
kenianisch-amerikanischen Designers bräuchen, die alle ihre eigene Geschich- out –, ist es wichtig, dass die afrikani-
Max Osterweis, dem es neben der Mo-
PAGE 11.12 059

sche Modeindustrie auf Qualität setzt. de darum geht, faire Beschäftigungs- Im letzten Jahr beauftragte Vlisco die
Je mehr sie das tut, je mehr Menschen verhältnisse für einheimische Nähe- Berliner Illustratorin Sabine Pieper, die
werden von ihr Notiz nehmen. rinnen zu schaffen – ohne dies pene- erste gezeichnete Kampagne für das
Kann man sagen, dass sich westliche trant als Verkaufsargument zu instru- Traditionsunternehmen zu entwickeln.
und afrikanische Designer immer öfter mentalisieren. Berühmt wurde er, als Jünger, frischer und vor allem geeig-
auf Augenhöhe treffen? Michele Obama einen seiner Entwürfe net, den westlichen Markt stärker als
Manchmal tun sie es, aber nicht oft ge- trug. Bei der britischen Designerin Nina bisher zu erschließen, sollte »Delicate
nug! Es gibt bedeutende afrikanische Ribena sind es nicht afrikanische Wur- Shades« sein. Die entstandenen Mo-
Designer wie Ozwald Boateng, Duro zeln, die sie zu ihrem Label Bombe Sur- tive, eine Melange aus den Insignien
Olowu, Gavin Rajah und Xuly Bet, die prise motivierten, sondern die auf Lon- afrikanischer und westlicher Schön-
im Wettbewerb bestehen. Die meis- doner Märkten zuhauf angebotenen heit, wurden international im Internet
ten, die auf dem Kontinent arbeiten, afrikanischen Wachsstoffe, aus denen gelauncht sowie in sechs afrikanischen
sind aber immer noch großen Heraus- sie fantastische Outits für Großstadt- Ländern auf Billboards, in Magazi-
forderungen ausgesetzt, was die Pro- menschen entwirft, die es für unhöf- nen, auf Einkaufstüten und Postkar-
duktion und die Infrastruktur betrifft, lich halten, andere mit ihrem Äuße- ten veröffentlicht.
sodass sie gar nicht auf demselben Le- ren zu langweilen. Ob zitiert, rebranded oder remixed,
vel konkurrieren können. Größter Hersteller der Wachsstof- die neue, selbstbewusste Präsenz Afri-
Was kann der Rest der Welt von fe, aus denen sowohl traditionelle af- kas mischt in den visuell oftmals ein-
afrikanischer Ästhetik lernen? rikanische Kleidung wie auch die Ent- tönigen globalen Einheitsbrei aufre-
So viel – von einzigartigen Färbe- und würfe der jungen Designer gefertigt gende Impulse – und die Möglichkei-
Webtechniken zu Bräuchen, ein einzel- werden, ist das niederländische Un- ten des Experimentierens sind noch
nes Stück Stoff zu drapieren. Zudem ternehmen Vlisco, weshalb diese Stof- lange nicht ausgeschöpft. Das zeigt das
ist afrikanische Mode von ihrer Natur fe auch Holland Wax genannt werden. japanisch-kamerunische Label Wafrica,
aus umweltfreundlich, da sie noch kein Die im Saum eingenähten Bezeichnun- das, so simpel wie genial, traditionelle
Massenmarkt ist und über bewun- gen »Super Wax Vlisco« und »Veritable Kimonos aus afrikanischen Wachsstof-
dernswerte Handwerkskunst verfügt. Wax Hollandais Vlisco« haben für Afri- fen produziert und unter dem Stich-
Beobachten Sie auch eine neue Art kanerinnen den Status eines Logos wort »cross-cultural« so für bekanntes
von Charity, bei der es nicht darum geht, und werden gerade bei traditionellen Neues sorgt – und für erfreuliche Irri-
die »Armen« zu unterstützen, sondern Gewändern häuig sichtbar getragen. tation. Sabine Danek/Judith Mair
vielmehr darum, mit ihnen zusammen-
zuarbeiten und von ihnen zu lernen
wie etwa in Vivienne Westwoods Ethical-
Fashion-Projekt?
Es ist großartig, wenn bedeutende Mar-
ken mit afrikanischen Designern und
Kunsthandwerkern kooperieren und in
Afrika produzieren wie beispielsweise
Max Osterweis’ Suno, ASOS Africa und
Vivienne Westwood, die alle in Kenia
arbeiten. Edun hingegen verarbeitet
Baumwolle aus Uganda und Liya Kebe-
des LemLem wird in Äthiopien produ-
ziert. Darüber hinaus gibt es eine gan-
ze Reihe sozial orientierten Unterneh-
men, die tragbare und begehrte Mode
Links oben: Client: Vlisco, Delicate Shades Collection November 2011, Illustration: Sabine Pieper

herstellen und dadurch Arbeitsplätze


schaffen und Fähigkeiten fördern, so
wie der Schuhhersteller Enzo oder die
Bademodenmarke Bantu Wax.
Sehen Sie in der Entwicklung auch eine
Bewegung weg von der digitalen Welt
hin zu Handarbeit und Tradition?
Ja und nein. Die neuen afrikanischen
Designer stehen für unterschiedlichs-
te Stile. Manche sind eher afrikanisch
und handgemacht, andere entwerfen
Mode, die auf den ersten Blick über-
haupt nicht afrikanisch wirkt, sondern
auf Digitaldruck und modebewusste
Schnitte setzt. Aber wenn man sie
nebeneinander betrachtet, stehen sie
genau für das Talent und die Vielfalt,
die Afrikas Szene zu bieten hat, und
zeigen, dass diese sich mit den Besten
der Welt messen kann.
062 PAGE 11.12

Schriftzüge im
urbanen Bereich,
die durch Zeit- und
Gebrauchsspuren
gekennzeichnet
sind, lieferten die
Initialzündung
für »Playing Type«
PAGE 11.12 063

Responsive Types
Interaktive Schriften mittels Processing
gestalten – wie das geht, verrät Stefanie
Schwarz in ihrer Arbeit »Playing Type«

n Schrift und Technik gehörten schon immer zu Stefanie


Schwarz’ Steckenpferden. In ihrer Diplomarbeit »Postpost­
Script: Buchstabenformen der Zukunft« setzte sie sich 2006
mit Unicode und OpenType auseinander und fragte, wel­
chen Einfluss die damals noch recht neuen Technologien
auf die künftige Schriftgestaltung haben könnten. In die­
sem Sommer machte die Designerin nun ihren Master of
Arts in Communication Design an der Central Saint Martins
University of the Arts in London. Logisch, dass sie für ihre
Abschlussarbeit wieder ein Thema aus dem Bereich Typo
und Technik wählte.
In »Playing Type« untersucht sie, wie sich interaktive
Schriften als kreative Tools gestalten und einsetzen lassen.
Das Schöne daran: Es handelt sich keineswegs um eine tro­
ckene theoretische Abhandlung, sondern um praktische
Experimente, die mittels Processing entstanden und die
bewusst so angelegt sind, dass auch Kreative mit keinen
oder wenigen technischen Kenntnissen sie nachvollziehen
und ausprobieren können.
Zunächst aber begann ihre Recherche ganz analog: »Ich
dokumentierte Schriftzüge im urbanen Bereich, die durch
Zeit­ und Gebrauchsspuren gekennzeichnet sind«, erzählt
Stefanie Schwarz. »Dabei fragte ich mich, wie man deren
Merkmale und Qualitäten in einen zeitgemäßen Kontext
übersetzen kann. An diesem Punkt iel dann auch die Ent­
scheidung, mich mit interaktivem Design auseinanderzuset­
zen. Die alten Lettern selbst tauchen in meiner Arbeit zwar
nicht mehr auf, doch lieferten sie die Initialzündung.« Schrift­
stile, ­farben und ­größen haben Texten oder ihren Inhalten
schon immer eine zusätzliche Bedeutung gegeben. Interakti­
vität, so Stefanie Schwarz, könne dies ebenfalls, indem etwa
Buchstabenformen auf Zeit und Gebrauch reagierten und so­
mit der Prozess zum Bestandteil der Kommunikation werde.

Fünf verschiedene Experimente führte Stefanie Schwarz


durch, in denen sie diesen prozessualen Ansatz auf immer
komplexere Weise umsetzte. Als Ausgangsmaterial gestal­
tete sie entweder eigens Buchstaben, sodass sie mit der je­
weiligen interaktiven Anwendung gut funktionierten, oder
sie nutzte bestehende Schriften, die von ihrer Konstruk­
064 PAGE 11.12 TYPO Interaktive Schriften

Die fünf Booklets erklären Schritt für Schritt, wie sich


Anwendungen mit Processing programmieren lassen

tion her passten. Bei »Interactive Type Light« bewegt man


einfach die Maus von links nach rechts, wodurch die Schrift
größer wird. In »Timed Type« reagieren die Buchstabenfor­
men beziehungsweise die Pfadpunkte auf Zeitwerte, wie
das aktuelle Datum, Stunden, Minuten und Sekunden, und
verschieben sich entsprechend. Bei »Evolving Type« werden
Buchstaben aus interaktiven Spiralen gebildet, deren For­
men sich je nach Input verändern. Bei »3D Type« bildete die
Designerin Buchstaben aus dreidimensionalen interaktiven
Spiralen, die es erlauben, Buchstaben aus unterschiedlichen
Perspektiven zu betrachten. Und bei »Outline­generated
Type« schließlich griff Schwarz auf die Buchstaben­Outlines
zu, die dann von interaktiven Ellipsen deiniert werden.
Während ihrer Untersuchungen merkte die Gestalterin,
dass Kommilitonen und andere Designer nicht nur an den
Resultaten interessiert waren, sondern auch an deren Ent­
stehung. Daraufhin entschied sie, dass die Darstellung des
Prozesses Teil der Arbeit werden sollte, sodass Interessier­
te selbst solche interaktiven Anwendungen kreieren kön­
nen. Da Processing eine Open­Source­Software ist, lag es
ohnehin nahe, den Code offenzulegen, damit andere ihn
verwenden und weiterentwickeln können.

Wer nun sagt: Ich kann aber nicht programmieren, mag sich
damit trösten, dass auch Stefanie Schwarz das zunächst
ebenfalls nicht konnte. »Ich habe Processing erst im zwei­
ten Jahr meines Masterstudiums gelernt, um eigene Anwen­
dungen zu coden. Obwohl mich meine Resultate oft positiv
überraschten, hatte ich immer das Handicap, nur ein An­
fänger im Programmieren zu sein. Das Positive daran war,
dass ich mich dadurch gut in meine Zielgruppe versetzen
und Informationen entsprechend aufbereiten konnte.«
Stefanie Schwarz’ Typoexperimente lassen sich auf ver­
schiedene Weise nachvollziehen: zum einem in ihrem Blog
http://stefanieschwarz.wordpress.com, der einen umfassen­
den Einblick in den Recherche­ und Gestaltungsprozess gibt
und den sie zusätzlich in einem Buch aufbereitete; zum an­
deren in einer Bookletserie und den dazugehörigen Online­
Anwendungen (http://stefanieschwarz-graphicdesign.de/
interactive-type.html), die Schritt für Schritt erklären, wie
sich die Projekte mit Processing programmieren lassen.
Die Designerin sähe es gerne, wenn ihre Arbeit andere
inspiriert und ermuntert, diese Untersuchungen aufzugrei­
fen und fortzuführen. Abgeschlossen ist das Thema für sie
ohnehin noch nicht: In wenigen Tagen tritt sie ihre neue
Stelle als Lehrbeauftragte für Typograie und Schriftgestal­
tung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in
Stuttgart an. Dann will sie ihre Experimente weiter voran­
treiben – die dortigen Studenten können sich freuen. ant
PAGE 11.12 065

Timed Type
Die Buchstaben-
formen beziehungs-
weise die Pfad-
punkte reagieren auf
Zeitwerte, wie
das aktuelle Datum,
Stunden, Minuten
und Sekunden, und
verschieben sich
dementsprechend

Evolving Type
Aus interaktiven
Spiralen gehen Buch-
staben hervor, deren
Formen sich je nach
Input verändern

3D Type
Aus dreidimensiona-
len interaktiven
Spiralen entstehen
Buchstaben, die es
ermöglichen, Lettern
aus unterschied-
lichen Perspektiven
zu betrachten

Outline-
generated
Type I + II
Stefanie Schwarz
griff auf die Buch-
staben-Outlines zu,
die dann von inter-
aktiven Ellipsen
definiert werden
066 page 11.12 TYPO

TYPOWELT
Für knapp 15 Euro inklusive Versand­
kosten kann man das in kleiner Aula­
ge erschienene Kartenset über me@
noelleu.com bestellen.
≥ www.grillitype.com

Atlas Font Foundry


n Christoph Dunst hat ein eigenes Ty­
polabel gegründet, das sich auf Su­
perfamilien für Editorial und Corpo­
rate Design konzentriert. Die Website
dazu ging erst vor Kurzem online. Un­
ter www.atlasfonts.com präsentiert er
seine Schriften, momentan sind das
die umfangreiche Novel­Familie sowie
Heimat Sans und Mono. Die Mono­
spaced­Variante der Serifenlosen mit
dem auffälligen Versal­S stellte der Ber­
liner Typedesigner soeben fertig. Als
Nächstes soll die Serifenvariante fol­
gen, sodass auch aus Heimat eine
Großfamilie wird.
Seine Ausbildung an der Königli­
chen Akademie der Bildenden Künste
in Den Haag kann Christoph Dunst
nicht verleugnen: All seine Schriften
sind von höchster Qualität. Damit po­
tenzielle Käufer sich davon überzeu­
gen können, stellt er sie auch als De­
mofonts zur Verfügung.
≥ www.atlasfonts.com

Iskra von Tom Grace


n Von Tom Grace aus Boston kommt
die serifenlose Iskra, die die Grenzen
zwischen dekorativ und nützlich über­
winden soll. Deswegen stattete der
Typedesigner sie mit 14 Schnitten von
Ultra Thin bis Ultra Bold plus Kursive
aus. Iskra hat einen äußerst geringen
1950 per Lithograie hergestellten Pos­ Kontrast und erinnert gelegentlich an
Typo-Postkarten ter zeigen den Wandel hin zu einem Pinselschriften. »Mein Ziel bestand vor
Schöne typo- n Thierry Blancpain und Noël Leu be­ mehr sachorientierten Design auf. Die allem darin, sie angenehm lesbar zu
graische Postkar- treiben zusammen die Schriftenschmie­ Postkarten sind eine Hommage daran – machen, aber trotzdem einen gewis­
ten im Stil der de Grilli Type. Letzterer gestaltete die jede ist eine moderne Neuinterpreta­ sen Glanz zu erhalten«, erzählt Tom
frühen Schweizer GT Walsheim. Um diese zu promoten, tion eines Plakats aus dieser Periode Grace. »Natürlich eignet sie sich für
Plakatgestal- brachten die beiden Inhaber jetzt ein und enthält, eingebaut ins Sujet, ei­ Fließtexte, genauso gut aber für Bran­
tung gibt es bei Set mit 26 Postkarten heraus – eine nen mehr oder weniger versteckten ding und Werbung.«
Grilli Type für jeden Buchstaben des Alphabets Buchstaben der GT Walsheim. So erge­ Wie schon seine ersten zwei Schrif­
(das ß kennen die Schweizer ja be­ ben alle Karten zusammen, wie wir es ten, die Fraktur Givry und die Kursive
kanntlich nicht). »GT Walsheim basiert nennen, das ABC der Lithograie.« Alizé, erscheint auch Iskra bei TypeTo­
auf der gezeichneten Plakattypograie Einige der Postkartendesigner sind gether, der Typefoundry von Veronika
von Otto Baumberger, einem der re­ selbst Schriftgestalter, andere einfach Burian und José Scaglione. Sie ist für
nommiertesten Künstler des frühen schriftbegeisterte Kreative wie Mathis das lateinische und für das kyrillische
Schweizer Designs«, erläutert Thierry Pfäfli oder Larissa Kasper, fast durch­ Schriftsystem ausgebaut. Ein Einzel­
Blancpain. »Seine zwischen 1910 und weg junge Schweizer Designtalente. schnitt kostet dann etwa 80 Euro, die
page 11.12 067

≥ Weitere interessante artikel rund um Typograie inden Sie unter www.page-online.de/emag/typo


und Links zu Typefoundrys et cetera unter www.page-online.de/typo-links

gesamte Familie rund 770 Euro. Wer Alles neu:


lediglich ein Schriftsystem benötigt, sowohl die
zahlt entsprechend weniger. Website von
≥ www.type-together.com; Atlas Font
www.virgotype.com Foundry als
auch die
Schrift Heimat
Spanischer Barock Mono von
n Einen tiefen Einblick in die Kalligra­ Christoph
ie des spanischen Barocks liefert Dul­ Dunst
cinea von Ramiro Espinoza. Vor allem
Pedro Díaz Morante und Juan Claudio
Aznar de Polanco beeinlussten den in
Amsterdam lebenden Argentinier, der
2007 die Typefoundry Retype gründe­
te. Allerdings ist Dulcinea weit mehr
als ein Revival, nämlich eine Kombina­
tion historischer Elemente mit der
Kreativität und Kalligraie Ramiro Espi­
nozas. Das Ergebnis ist eine moderne
Type für Text und Headlines, natürlich
mit Ligaturen, Schwung­ und Alterna­
tivbuchstaben ausgestattet. Espinoza
selbst sieht sie vor allem in Frauenzeit­
schriften, Kochbüchern, auf Wäsche­
produkten oder Parfumverpackungen.
Dulcinea ist für circa 65 Euro erhältlich.
≥ www.re-type.com

»How to use type«


n Das Interesse an Typograie ist un­
gebrochen, ständig kommen neue Pu­
blikationen auf den Markt. Gerade auch Iskra von
Lehrbücher, möglicherweise ein Indiz Tom Grace
dafür, dass mit der Ausbildung nicht ist funk-
alles zum Besten steht. Im Verlag Lau­ tional und
rence King erschien nach »How to use dekorativ
images« von 2010 soeben »How to use zugleich
type«, ebenfalls herausgegeben von
Lindsey Marshall und Lester Meachem
(208 Seiten, 19,95 Pfund, isbn 978-1-
85669-897-9).
Das englischsprachige Buch liefert
die Basics über Schrift und die ent­
sprechende Terminologie sowie viele
andere grundlegende Prinzipien, die
man kennen sollte, um Fonts auf effek­
tive und clevere Weise einsetzen zu
können. Dabei ist der Band keines­
wegs theorielastig, sondern vielmehr
visuell angelegt. Gerade in den Kapi­
teln »Colour and movement« und »Ex­
periments with type« inden sich zahl­ Barocke
reiche inspirierende Beispiele, wie sich Schnörkel:
Typo in Print­ und Screenanwendun­ Dulcinea
gen einsetzen lässt. ant von Ramiro
≥ www.laurenceking.com Espinoza
068 PAGE 11.12

BILD

In dadistischer Manier fertigt Frank Höhne Zeichnungen an,


bei denen der Betrachter nicht immer weiß, ob er sie für auf anarchis-
tische Weise tiefgründig oder einfach für banal-lapsig-frech
halten soll. Dieses Motiv stammt aus Höhnes »Book of Bock«
PAGE 11.12 069

Stark mit Worten


Ob sie in der Tradition des Dadaismus oder der Street Art daherkommen, als cartoon-
hafte Kurzgeschichten oder hintergründige Karikaturen: Wir haben uns gefragt, warum uns mit
Textfragmenten versehene Zeichunungen derzeit so begeistern
070 PAGE 11.12 BILD Sprechende Illustrationen
PAGE 11.12 071

n Frank Höhnes Blick wirkt schalkhaft und bei erschließt sich eine Illustration mit Text
zugleich melancholisch. Diese Mischung lässt schneller, so Höhne. »Und die Wortebene
sich auch in dem gerade bei Gestalten er- schafft eine Brücke zu den Zeitschriftenarti-
schienenen »The Book of Bock« entdecken keln.« Ein ähnlicher Ansatz liegt dem Buch
(160 Seiten, 29,90 Euro, isbn 978-3-89955- zugrunde. Der Gestalten Verlag war mit der
456-4). Darin erzählt der Berliner Zeichner Bitte an ihn herangetreten, seine Arbeit in ei-
in seinen lüchtig dahingekritzelt wirkenden ner Publikation vorzustellen. »Ein gedrucktes
Illustrationen mit ihrem spontanen, übermü- Portfolio war mir aber zu wenig«, berichtet
tig-anarchistischen und hintergründig-schrä- er. So konzipierte er eine Geschichte rund um
gen Witz in einem assoziativen Handlungs- seine Biograie. Durch kurze Wortkommen-
strang von seinem Werdegang und vom kreati- tare schuf er ein verbindendes narratives Ele-
ven Prozess des Illustrierens. Mit handschrift- ment zwischen den unterschiedlichen Arbei-
lichen Kommentaren, in einem wilden Mix aus ten und damit eine persönliche, emotionale
Schriftgrößen, -typen und -schnitten, wird und zugleich erläuternde Metaebene.
der Leser durch Höhnes Wimmelbilder ge- Den dadaistischen Nonsens-Humor, die
jagt, die sich um die Suche nach dem pas- scheinbare Unbedarftheit seiner Zeichnun- Ergänzend, nicht erläuternd: Kommen-
senden Job und ersten Erfolgen als Illustra- gen erzeugte Frank Höhne, indem er sich tare bei Roland Brückner spitzen die
tor, den Sinn und Unsinn von Arbeit und meist auf seine ersten Ideen verlässt. »Die Klischees der Porträts zu – hier in seinen
Geldverdienen, das Finden von Glück dre- sind oft die besten, weil sie frei sind«, erklärt Karikaturen für einen »zitty«-Artikel
hen. Gleichzeitig bleibt man immer wieder an er. Sein skizzenhafter Strich entsteht, indem über die liebsten Feindbilder der Berliner
witzigen oder irritierenden Details hängen, er spontan drauloszeichnet. »Ich forciere
erschließt mehrdeutige Botschaften und lässt Naivität, indem ich mich nicht zu tiefgreifend
sich von den vielen kleinen Nebenschauplät- mit den zu bebildernden Inhalten auseinan-
zen ablenken. Schwer zu sagen, ob man die dersetze.« Das erfordert allerdings auch Mut
Werke wie Literatur oder Bilder wahrnimmt – und eine gewisse Respektlosigkeit. Ob er zu-
auf jeden Fall verleiht ihnen die Verschrän- erst ein passendes Bild oder einen Begriff im
kung von Text und Bild einen ganz eigenen Kopf hat, ist von Projekt zu Projekt unter-
Witz, einen beinah hörbaren Rhythmus und schiedlich – »aber jedes Wort ist ja auch ein
ein enormes Tempo. Bild«, meint er. Gelegentlich notiert er Stich-
Gefragt, welche Funktion die Satzfrag- worte, um Klarheit über die Botschaft seiner
mente in seinen Bildkompositionen haben, Motive zu gewinnen. Den Reiz kommentier-
antwortet Frank Höhne lakonisch: »Sie wir- ter Illustration im Editorial Design erklärt sich
ken dadurch voller. Vielleicht kann ich auch Frank Höhne so: »Worte sind einfacher und
zu schlecht zeichnen, um Aussagen allein mit präziser als Bilder. Sie holen den Betrachter
meinen Bildern zu treffen.« Das Kokettieren schneller heran. Wenn ich das Wort »Teufel«
mit seinen Fähigkeiten scheint eines seiner lese, ist die Bedeutung klar – bei einem Bild
wichtigsten Werkzeuge zu sein: Verbales und bin ich unsicher: Ist das nun ein Teufel oder
Visuelles wirken auf den ersten Blick simpel, ein Mann mit Ziegenbart, der rot angelaufen
banal oder kindlich und entfalten oft erst im ist?« Ein Zeichner also, der dem Wort mehr
Zusammenspiel ihre Botschaften. Spannung vertraut als dem Bild? Der Zweifel an klaren
entsteht durch die Reibung zwischen Wort- Antworten scheint sich auch in vielen von
und Bildelement, die Gegensätzliches oder Höhnes prozesshaften, assoziativen Bildern
unterschiedliche Perspektiven abbilden. Da- bemerkbar zu machen.

Ungeduld, Langeweile und ein reger Geist –


mitreißend visualisiert: Die grandiose
Zeichnung »Hold On« zu der jedem bekann-
ten Alltagssituation in der Warteschleife
stammt aus Christoph Niemanns »New York
Times«-Blog Abstract Sunday
072 PAGE 11.12 BILD Sprechende Illustrationen

Die narrativen Qualitäten von Wort-Bild- Zahnpastagrinsen


Kombinationen zeigt Christoph Niemanns car- vom Feinsten: Marcus
toonhafte Zeichnung »On Hold« für seinen Langer alias Retro
»New York Times«-Blog Abstract Sunday auf: Factory erfindet und
Gedankenfetzen beim Anhören einer Tele- sampelt Werbesprü-
fonwarteschleife inden in dynamischen Ku- che der Wirtschafts-
gelschreiberkritzeleien ihre visuelle Entspre- wunderzeit für seine
chung, die die Worte damit um eine pointier- fröhlich-nostalgischen
te Darstellung der Gefühlswelt bereichern. Illustrationen, die die
Fortlaufende Schleifenlinien führen von einer inszenierte heile Werbe-
losen Gedankenassoziation zur nächsten und welt infrage stellen
sind mal ungeduldig-engmaschig, bei wach-
sender Gereiztheit mal größer, mal von nach-
denklichen Spiralen und Figurenskizzen un-
terbrochen. Wunderbar musikalisch visuali-
siert Niemann die enge Verlechtung von ab-
straktem und manuellem Denken.
Roland Brückner hat für einen Artikel des
Berliner Stadtmagazins »zitty« Porträtbilder
zu den liebsten Feindbildern der Hauptstadt-
bewohner entworfen. Die Klischees leben
von den karikaturhaft überspitzten Charak-
terdarstellungen, die durch kommentarhafte
Stichworte verstärkt werden. »Die ergänzen-
de Wortebene in einer Illustration potenziert
und pointiert die Aussage«, erklärt der Berli-
ner Illustrator, der als Mitbegründer des Ani-
mationsstudios bitteschön.tv, Erinder der

»Die Kombination aus Bild- und Wortwitz funktioniert


wie Situationskomik im wirklichen Leben«
Joanna Swistowski, freie Illustratorin und Artdirektorin, über die Funktion von
Wort-Bild-Kombinationen im Editorial Design

Lässt sich die Verquickung von Illustration Was unterscheidet Wort- vom Bildwitz? es durch Worte ergänzt – ganz besonders
mit kommentierendem Text, der man im Und was macht die Verschränkung natürlich bei illustrierten Infograiken, die
aktuellen Editorial Design häufig begegnet, von beidem aus? durch das Bildhafte gleich sympathischer
als Trend bezeichnen? Wortwitz ist schneller erfassbar als Bild- wirken. Darüber hinaus können Texte In-
Joanna Swistowski: Das wäre zu viel ge- witz, aber Bildwitz lässt sich schneller er- halte verständlicher machen und präzisie-
sagt. Es gibt dieses Phänomen schon lan- zeugen. Visueller Humor kann bereits durch ren: Beim Thema »Studium und Entschei-
ge, aber seitdem etablierte Magazine wie einen mehr oder weniger gewollt dilettan- dung« lässt sich beispielsweise die hun-
»Neon« oder »brand eins« damit arbeiten, tischen Zeichenstil entstehen. Wortwitz darf dertste Zeichnung eines Studenten durch
trauen sich auch konservative Blätter, die- nicht so platt sein, er muss feinsinnige Beob- verbal formulierte Gedanken in eine be-
se freiere Illustrationsform einzusetzen. Ei- achtungen präzise wiedergeben. Die Kom- stimmte Richtung lenken.
ne Tendenz, die übrigens auch in der aktu- bination ermöglicht überraschende Details Wie läuft ein typischer Entstehungsprozess
ellen Kunst wieder zu erkennen ist, zum und unerwartete Wendungen – sie funk- ab, wenn eine textlastige Illustration
Beispiel bei Ed Ruscha. tioniert ein wenig wie Situationskomik im in Ihren Layouts zu sehen ist?
Welche Illustratoren beherrschen diesen wirklichen Leben. Meist erzähle ich dem Illustrator zunächst
Stil besonders virtuos? Welche Funktion übernehmen Text-Bild- die Idee eines Textes und lasse ihn dann
Frank Höhne etwa, Martin Haake, Jody Bar- Verknüpfungen noch? erst mal selbständig machen. Nur wenn es
ton oder auch Gabriel Holzner alias Gabe. Textfragmente können für eine gewisse um Infograiken geht, gebe ich natürlich
Was erreicht man mit Wort-Bild-Illustration Leichtigkeit und Verspieltheit im Bild sor- mehr Inhalte und Fakten vor. Die Texte in
im Magazindesign? gen. Ich versehe Bilder in meinen Layouts den Bildern entwickeln die Künstler meis-
Zunächst ist das ein einfacher Trick, um Bil- häuig mit kleinen Kommentaren am Rand, tens selbst – das ist oft genau das Richtige
der witziger zu machen, indem die Zeich- wie mit einer Art Rotstift, der das Starre und weniger verkopft, als wenn ich Vorga-
nungen durch verbale Pointen ergänzt oder eines Bildes aufbricht. Außerdem gibt es ben mache. Dann können Witz und uner-
durch Gegensätzliches aufgebrochen wer- eine typograische Ästhetik; Schrift sieht wartete Wendungen entstehen, denn die
den. Ironie lässt sich durch die Vielschich- oft einfach schön aus. Zudem kann man Worte bilden sich in vielen Fällen erst beim
tigkeit von Worten gut vermitteln. mehr Inhalte in ein Bild packen, wenn man Zeichnen heraus.
074 PAGE 11.12 BILD Sprechende Illustrationen

Ahoi! Die Outsider-Ästhetik von Toiletten-


und Strälingszellenkritzeleien, Tattoo- und
Pin-up-Ästhetik greift Jindrich Novotny in
seinem Entwurf für die Hoteltapete in einem
ehemaligen Seemannsheim auf

reichen Illustrationen gestaltet, unter ande-


rem mit Zitaten von Joachim Ringelnatz und
historischen Seemannsgeschichten, mit visu-
ellen Anleihen an Pin-up-Illustration und Pop-
Art, Wandkritzeleien und Tattoo-Ästhetik. »Im
Stil spontaner Outsiderkunst zitiert die Ta-
pete die Atmosphäre eines Seemannsheims
oder einer alten Kajüte. Den Stoff dazu liefer-
ten wahre Seemannsgeschichten«, erläutert
Jinderich Novotny. Die verbale Ebene macht
den Stilmix vielfältiger, sie trägt einerseits
durch die Ästhetik der Typograie und an-
dererseits durch die Reibungsläche zwischen
literarischer Hoch- und Popkultur zu dem
Gesamtbild bei.
Street-Art-Kampagne »Lindas Ex« und des Darstellungen der Werbung zu persilieren. Nicht selten sind die aktuellen Strategien,
wortwitzreichen Kindercomics »Mumpelmons- »Look lovelier in 10 Days«: eine Botschaft, an Illustrationen mit Text zu erweitern, dem Da-
ter« Strategien aus Comic und Street Art ent- die kaum jemand glauben, die aber emotio- daismus, der Pop- oder Street Art sowie an-
lehnt. Doch wie Frank Höhne steht er dem nale Erinnerungen an Anzeigen des letzten gewandten Kunstformen wie der Karikatur
Stilmittel auch skeptisch gegenüber: »Trends Jahrhunderts hervorrufen dürfte. Darüber hi- oder dem Comic entlehnt. Vom Zeichner er-
sind meistens auch Tricks: Die verbalen Kom- naus zieht darin das Spiel mit menschlichen fordern sie ganz eigene Fähigkeiten: Wortwitz,
mentare sollen in vielen Fällen einfach Tief- Wünschen den Leser schnell und nachhaltig Spaß an und Mut zum verbalen Formulieren
gründigkeit suggerieren.« in die Bilder hinein. und zum pointierten Kommentar. Dass diese
Als Zitat fordern Worte, die Zeichnungen In den Werken des Designers und Zeich- kommentierenden Texte im deutschen Edi-
verstärken, die Bildung des Lesers heraus – ners Jindrich Novotny wiederum spiegeln torial Design zunehmend gefragt sind, zeigt,
beispielsweise bei Marcus Langer alias Retro sich unterschiedlichste Einlüsse der Popkul- dass Illustration auch hierzulande immer we-
Factory, der in seinen nostalgischen Zeich- tur wider. Im Auftrag der Agentur Eventlabs niger als dekorierendes Anhängsel von Tex-
nungen collagenartig Reklameheadlines der zum Beispiel hat er die Wandtapeten für das ten, sondern als eigenständige, interpretie-
Fünfziger einbaut, um damit die Heile-Welt- 25hours Hotel Hamburg Hafencity mit text- rende Kunstform ernstgenommen wird. wl

»Bereits das Auftauchen von Text in einem Bild


drückt aus: Zu diesem Bild hat sich jemand Gedan-
ken gemacht; dazu gibt es etwas zu sagen«

Bernard Stein, Professor für visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel,


über die Möglichkeiten von Schrift-Bild-Kombinationen im Grafikdesign

n In der visuellen Kommunikation gibt es zur Seite zu schauen und das Gesehene für eines Textes in einem Bild drückt aus: Zu
seit jeher kein Spannungsfeld, das stärker einen Augenblick festzuhalten – wo immer diesem Bild hat sich jemand Gedanken ge-
oder anziehender ist als das zwischen den Sie gerade sein mögen. Nun platzieren Sie macht; dazu gibt es etwas zu sagen. Das
Polen Bild und Wort. Historisch drängt je- die beiden Wörter »Die Fahrradtour« in die US-TV-Politmagazin »60 Minutes« hat sich
des Bild in seinem Wunsch nach Verbind- rechte obere Fläche des von Ihnen Gese- schon 1968 diese Erkenntnis zunutze ge-
lichkeit zum Wort – dies ist im bildhaften henen. In einem zweiten Schritt ersetzen macht, als die Macher ihre Hintergrundgra-
chinesischen Alphabet am lebendigsten Sie die Wörter durch zwei andere. Ich schla- ik mit Blindtextbalken versehen haben –
erhalten. Erst das allgemeinverständliche ge vor: »Der Verrat«. Der Stimmungsum- Schrift wird hier ganz bewusst als Zeichen
und -verbindliche Wort garantiert die ge- schwung im Gesehenen fällt sofort auf; das für Redaktion eingesetzt. Bei der visuellen
wünschte Präzision, jedoch um den Preis Bild wird durch die Begriffe aufgeladen: Kommunikation geht es also weniger um
der Abstraktion. positiv oder negativ, schwach oder stark, die Anwendung von handwerklichen Re-
Das gilt erst einmal für den inhaltlichen rational oder emotional. geln, sondern in erster Linie um die In-
Bezug zwischen Bild und Wort. Dazu ein Das visuelle Spannungsfeld zeigt sich terpretationsfähigkeit in kommunikativen
kleines Experiment: Ich bitte Sie, einmal auch im Formalen. Bereits das Auftauchen Zusammenhängen.
076 page 11.12 BILD

BILDWELT
Doppel-Leporello im Cover mit
Laser-Gravur, japanische Bindung
mit Banderole: Jeder Band
von Album Editions ist anders

Marleen Sleeuwits (Niederlande) und


David Semeniuk (Kanada) vor. Aber an­
gesichts des aktuellen Fotobuchhypes
dürfte die Buchedition von »Album«
rasch Fans inden. Victor Balko jeden­
falls arbeitet daran, sie bald »in aus­
gewählten Kunstbuchhandlungen und
online über unsere Seite« bereitzustel­
len, wie die Selfpublisher es ja schon
mit ihrem Magazin machen.
≥ www.album-magazin.de

Know-how für
Modeillustratoren
n Aus welcher Perspektive lassen sich
Schuhe oder Handtaschen am besten
darstellen? Wie gibt man Oberlächen
wie Wildleder oder Lack mit verschie­
denen Zeichenwerkzeugen realistisch
wieder? Wie setzt man einer Figur
einen Hut so auf, dass er passt, und
welche Haltung kann der Kopf dabei
annehmen? Fragen wie diese beant­
wortet das Buch »Drawing Fashion
Accessories«, das jüngst – leider auf
Englisch – bei Laurence King erschien
(192 Seiten, 22,50 Pfund, isbn 978-1-
85669-788-0). Autor Steven Thomas
Miller ist ein erfahrener Illustrator, der
für Kunden wie Nike, Max Factor oder
Sammelobjekte Harrods arbeitete und am School of
»Drawing Fashion n Über »Album«, das Magazin für Fo­ the Art Institute in Chicago lehrt.
Accessories«: tograie, haben wir jüngst in einem gro­ ≥ www.laurenceking.com
Mit Tusche und ßen Artikel übers Selfpublishing be­
Wasserfarben richtet (siehe PAGE 05.12, Seite 37). Fotografie für
malte Colleen Kelly Victor Balko, einer der Macher, setz­
einen Schuh te nun in seiner Diplomarbeit an der
Nachhaltigkeit
von Alexander Hochschule für Gestaltung Offenbach n Ab und zu haben Banken auch gu­
McQueen noch eins drauf und entwickelte das te Ideen. Wie die Genfer Privatbank
Erscheinungsbild für Album Editions. Pictet & Cie, die 2008 mit dem Prix
Der Independent­Buchverlag will mit Pictet einen hochkarätigen Wettbe­
Experimentierfreude, exklusiven limi­ werb für Fotos zu Sozial­ und Umwelt­
tierten Aulagen und einer sorgfälti­ problemen ins Leben rief. Das bringt
gen Auswahl junger Künstler überzeu­ tatsächlich etwas, denn die beiden Ge­
gen. Die aufwendige Gestaltung rückt winne bestehen aus einem beacht­
die Materialität der Fotobände in den lichen Preisgeld von 100 000 Franken
Vordergrund – mit verschiedenen Bin­ oder dem Auftrag für eine Reportage­
dungen oder einer Covertypo mal als reise in eine Region, wo die Bank ein
Gravur, mal als Lasercut, der den Blick Nachhaltigkeitsprojekt unterstützt.
auf andersfarbiges Papier freigibt. Prix­Pictet­Ehrenpräsident Koi An­
Bisher liegen zwar nur drei Dummys nan gibt die diesjährigen Preisträger
mit Bildern von Kyohei Abe (USA), am 9. Oktober in der Londoner Saatchi
page 11.12 077

≥ Mehr zum Thema Fotograie und Illustration unter www.page-online.de/emag/bild

Gallery bekannt, wo auch bis 28. Okto­ Der Katalog »Prix


ber die Arbeiten der zwölf Finalisten Pictet 04« zeigt
ausgestellt werden. Darunter sind he­ ein schaurig-schönes
rausragende Fotografen wie Jacque­ Coverbild von
line Hassink, Joel Sternfeld oder Guy Daniel Beltrá
Tillim. Ein Katalog erscheint bei te­
Neues (136 Seiten, 49,90 Euro, isbn 978-
3-8327-9679-2). Das Coverbild stammt
vom Spanier Daniel Beltrá, der 2010
für Greenpeace die Ölkatastrophe im
Golf von Mexiko fotograiert hat.
≥ www.prixpictet.com;
www.teneues.com

Smartcamera
n Von vorn eine Kamera mit ausfahr­ ne Weise zu interpretieren. Beim Re­
barem 21­fach­Zoomobjektiv, von hin­ launch ihrer Website, die von der
ten ein Smartphone mit 4,8­Zoll­Touch­ ebenfalls in Brighton beheimateten
screen und per WLAN oder 3G Zugriff Agentur Crush für alle mobile Platt­
auf sämtliche Android­Apps: Die Ver­ formen it gemacht wurde, taten sie
schmelzung ging noch nie so weit wie das nun mit dem AR­Signet. Dieses
bei Samsungs Galaxy Camera. Es gibt steht somit für Visitenkarten oder
zwar noch Knöpfchen für Auslöser und andere Brandinganwendungen in ab­
Zoom, das alles und viel mehr lässt wechslungsreichen Varianten bereit,
sich aber auch über den Touchscreen die auf der Website bei Mouse­over
bedienen, wo man Blende, ISO et ce­ dezent und lustig hintereinander
tera über virtuelle Objektivringe ein­ durchlackern.
stellen kann. Oder man gibt der Kame­ Ebenfalls Teil der neuen Website ist
ra Kommandos per Zuruf, das heißt ein Shop, in dem sich schöne Giclée­
Spracherkennung. Dass sich Fotos und oder Siebdrucke aller Illustratoren kau­
Videos mit verschiedensten Apps be­ fen lassen. Falls Ihnen übrigens eine
arbeiten oder auf soziale Netzwerke gewisse Namensgleichheit zwischen
hochladen lassen, ist eh klar. Und per Agency Rush und Crush aufgefallen
»Auto Cloud Backup« werden alle Da­ sein sollte, so ist diese kein Zufall: Illus­
teien automatisch in Samsungs All­ tratorenagentin Helen Rush und De­
Share­Cloud gespeichert. signer Carl Rush sind ein Paar. cg
Im Detail alles nichts Neues, doch ≥ www.agencyrush.com
in der Kombination gelingt der Galaxy­
Kamera ein Quantensprung, zeigt sie Am neuen Branding von Agency
doch par excellence, wie sich der Foto­ Rush sind die Illustratoren beteiligt:
apparat als Bildkommunikations­ und hier die Logos von Clara Terne,
Bearbeitungsgerät derzeit neu dei­ Daria Rychkova und Billie Jean
niert. Eine Kamera ohne Internetzu­
gang und Apps wird man sich wohl bald
kaum noch vorstellen können.
≥ www.samsung.com/de

Alle machen mit


n Diverse Versionen der olympischen
Ringe, Herzen zum Valentinstag oder
Ostereier – das alles gern auch mit
einer ordentlichen Portion britischer
Ironie: Die Illustratorenrepräsentanz
Agency Rush aus Brighton lädt ihre
Zeichner immer wieder mal ein, das
gleiche Thema jeweils auf ganz eige­ Samsungs Galaxy Camera – dank Android der
schlaueste Fotoapparat, den es je gab?
078 PAGE 11.12

T
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PAGE 11.12 079

C
a
s
c
a Nach dem Microblogging

d kommen die Cut-and-


Paste-Communitys – das
Internet wird zur Bilder-

i Pinnwand. Simon Ruschmeyer


stellt die wichtigsten Platt-
formen und Tools des Visual

n Web vor und erklärt, wie


Kreative und Agenturen sie
für sich nutzen können

g n Es sind stets die einfachsten Ideen,


die außergewöhnlichen Erfolg haben.«
Dieses Zitat des russischen Schriftstel­
Linke Seite: Die
New Yorker Agentur
Firstborn hat für
lers Tolstoi trifft auf Pinterest, die vir­ das japanische Mode-
tuelle Pinnwand, in vollem Maße zu. label Uniqlo die
Tatsächlich ist die Idee so einfach und Anwendung »Dry
überzeugend, dass man sich fragt, wa­ Mesh Project«

I
rum nicht schon früher jemand darauf entwickelt, bei der
gekommen ist. Zwei Jahre nach seiner von 100 separaten
Gründung ist Pinterest nach Facebook Pinterest-Accounts
und Twitter schon das drittgrößte zeitgleich Bilder
soziale Netzwerk weltweit, im Juli 2012 gepinnt wurden.

m verzeichnete die Plattform 23 Millionen


Unique Visitors. Die Mitglieder sam­
meln Bilder auf sogenannten Boards,
Scrollten User die
Pinnwände herunter,
ergaben sich
folgen anderen und repinnen deren In­ mosaikähnliche

a halte wieder auf den eigenen Boards.


Besonders gelungen ist bei Pinte­
rest das Interfacedesign: Die Bilder
werden in notizblockgroßen Fenstern
Animationen

Pinterest erlaubt es
Usern, Bilder aus dem

g über­ und nebeneinander platziert, in


vertikaler Richtung kann man unend­
lich scrollen. Dadurch lassen sich große
Mengen visuellen Contents in kürzes­
Netz zu sammeln und
ein Portfolio des per-
sönlichen Geschmacks
zusammenzustellen.

e ter Zeit scannen – der Reisefotoblog­


ger Trey Ratcliff nennt das Pinterest­
Erlebnis »window­shopping on stero­
ids«. Der Schaufenster­Vergleich trifft
Graik-Designer Igor
Ovsyannykov versorgt
seine Follower auf
Pinterest mit inspirie-
auch auf eine weitere Funktionalität

s
renden Boards
von Pinterest zu: Beim Klick auf ein
Bild erfolgt automatisch die Weiter­
080 PAGE 11.12 TECHNIK Visual Web

leitung auf die Website, von der das


Bild verlinkt wurde. Durch diesen Me­
chanismus wird Pinterest tatsächlich
von vielen Usern zum Shopping ge­
nutzt: Mode, Gadgets und Accessoires
indet man unter den häuigsten Kate­
gorien. Beim Referral Trafic, also den
Verlinkungen, die auf eine Website ver­
weisen, kann der Service beeindrucken­
de Zahlen vorweisen: Im ersten Quar­
tal 2012 war Pinterest für 26 Prozent
aller Weiterleitungen in den USA ver­
antwortlich und setzt damit die eta­
blierten Netzwerke wie Facebook (von
88 auf 59 Prozent gefallen) und Twitter
(9 Prozent) extrem unter Druck.

Zum Erfolg des Visual Web tragen vor


allem zwei Eigenschaften bei. Zum ei­
nen befriedigt es die Sammelleiden­
schaft: Menschen haben schon seit je­
her alles Mögliche gesammelt, es ist ei­
ne elementare Kulturtechnik und hat
außerdem eine imaginative Dimen­
sion, denn solche Kollektionen sind
Wunschwelten im Kleinen, in die sich
der Mensch hineinträumen kann. Bis­
her bot das Internet dafür keine intu­
itive Funktionalität. Linklisten wirken
schnell unübersichtlich und sind sinn­
lich karg, Tags überzeugen zwar in ih­
rer Funktionalität, werden aber eher
als Fleißaufgabe denn als Vergnügen
wahrgenommen. Nie war es einfacher,
schöne Dinge zu sammeln und zu prä­
sentieren, als heute im Visual Web.
Reiseveranstalter HRS präsentiert Die zweite Eigenschaft des Bilder­
sein Angebot in thematischen Zusammen- Bookmarking ist die Selbstdarstellung.
stellungen, etwa Film-, Golfhotels et »Wenn wir Dinge sammeln und die­
cetera, kombiniert Boards zu aktuellen se Sammlungen mit Menschen teilen,
Anlässen wie dem Oktoberfest und dann zeigen wir der Welt, wer wird
weist auf Aktionen und Verlosungen hin. sind«, so Pinterest­Gründer Ben Silber­
Die New York Public Library zeigt, wie mann. Soziale Netzwerke waren ein
man scheinbar verstaubte Themen leb- erster Schritt in diese Richtung. Heute
haft auf Pinterest präsentieren und mit zeigt man seinen individuellen Charak­
Kunden interagieren kann. Natürlich ter nicht mehr durch Haus, Auto und
dürfen Buchempfehlungen nicht fehlen, Boot, sondern durch die richtige Mi­
besonders spannend sind aber Boards schung aus Proil­Zutaten. Um guten
wie »Little Lions«, in dem Follower-Fotos Stil zu beweisen, ist es nicht nötig, die
von Katzen in Lesepose gezeigt werden. richtige Mode zu tragen, man braucht
Live-Pinning: Das Fashionlabel Oscar de sie nur als Bild zu verlinken – so entste­
la Renta wählte Pinterest für eine neue hen auf den Pinnwänden persönliche
Form des Live-Bloggings und stellte Fotos Kollektionen des guten Geschmacks.
einer Modenschau als Pinnwand online. Für Kreative ist Pinterest eine will­
Der zu Amazon gehörende Bekleidungs- kommene Spielwiese, um die eigenen
shop Zappos hat eine Subsite gelauncht, visuellen Kompetenzen darzustellen
auf der User das Angebot geordnet nach und auszubauen. Mit einem Pinterest­
Pinterest-Pins durchstöbern können. Proil können Designer ihre Expertisen
Zappo macht sich auf diese Weise zunutze, sichtbar machen und Geschmack be­
dass viele Kunden ihre Shopping- weisen, indem sie Boards zu Themen
Erfolge bei Pinterest veröffentlichen kuratieren, an denen sie arbeiten. Auch
als Datenbank für die eigene Inspira­
tion lässt sich der Service gut nutzen.
In der Zusammenarbeit mit Kunden
können Kreative Moodboards zusam­
menstellen und diese mit ihnen teilen.
PAGE 11.12 081

Für Unternehmen, die Lifestyle­Pro­


dukte verkaufen, ist Pinterest mittler­
weile Plicht. Der hohe Referral Trafic
des Social Networks bringt viele Nut­
zer direkt in die Onlineshops und kann
auf diese Weise für Umsatzsteigerun­
gen sorgen. Auch für Reiseanbieter und
andere Firmen, die ihren Content leicht
visuell aufbereiten können, ist die vir­
tuelle Pinnwand perfekt geeignet. Bis­
lang gibt es bei Pinterest noch keine
Unterscheidung zwischen privaten und
kommerziellen Nutzern, wie sie etwa
Facebook mit Pages eingeführt hat.
Doreen Reppenhagen, die im Concept
Development bei Razorish Berlin ar­
beitet, sieht darin Vor­ und Nachteile.
Sie hat ihre Bachelorarbeit über die
wachsende Macht visueller Inhalte in
sozialen Netzwerken geschrieben und
dabei herausgefunden, dass Pinterest
bisher nur bedingt für die Markenbil­
dung einsetzbar ist: »Ein Minus bei Pin­
terest ist die geringe Markenloyalität.«
Die User nutzten es wie einen Meta­
shop und kehrten nach einem Kauf nur
selten zur selben Marke zurück.
Die fehlende Unterscheidung zwi­
schen Privatnutzer und Firmen erlau­
be es allerdings auch, eine Marken­
persönlichkeit aufzubauen, so Doreen
Reppenhagen. Marken seien bei Pin­
terest sehr nah an den Usern dran und
kommunizierten auf Augenhöhe. Da
sie sich auf Pinterest fast ausschließ­
lich durch Bilder präsentieren, können
Marken eine Emotionalität erzeugen,
ohne abgegriffene Werbetexte zu be­
mühen. Wie bei anderen Social Net­
works sollten sich Firmen allerdings
im Vorfeld genau überlegen, ob sie ein
Proil bei Pinterest eröffnen, da die­
ses regelmäßig mit Content bestückt
werden müsse, warnt Doreen Reppen­
hagen. Im Moment ließen sich noch
First­Mover­Effekte erzielen, die ins­
besondere für diejenigen interessant
seien, die ihre Marke am Puls der Zeit
präsentieren wollen. Neben dem re­
gulären Proil gibt es bereits eine Rei­
he von Anwendungen und Aktionen,
die die Darstellung von Marken inner­
halb der Community kreativ weiter­
denken, etwa die Pinterest­Animation
von Uniqlo oder das Pinboard »Little
Lions« von der New York Library.

Auf die genial einfache Idee, visu­


ellen Content pinnwandähnlich auf ei­
ner Website zu arrangieren, ist nicht
Pinterest selbst gekommen – Gründer
Ben Silbermann und sein Team mach­
ten das Layout aber populär. Viele Kre­
ative werden den Visual­Bookmarking­
Service FFFFOUND.com kennen, der
es seit vielen Jahren erlaubt, visu­
082 PAGE 11.12 TECHNIK Visual Web

Tumblogs bieten minimalistisches


PinTumblGram – Design, das den Bildern die Bühne
Visual Web Mashups überlässt. Bei Scanwiches werden
so etwa Rezepte aufs Wesentliche
n Innerste Logik von Pinterest und Co ist das kondensiert und bieten trotzdem
Cut­and­Paste­Prinzip: Dabei sampeln sich die einen Augenschmaus
Nutzer ihre visuellen Tapeten aus unterschied­
lichsten Quellen zusammen. Die nächste Evo­
lutionsstufe dieses Remixansatzes stellen so­
genannte Mashups dar, die die besten Fea­ elle Sammelsüchte zu befriedigen.
tures der visuellen Apps zu neuen Anwendun­ Das Webdesign­Plug­in jQuery ist auch
gen kombinieren. bereits ein paar Jahre alt und steht zu­
sätzlich als Open­Source­Anwendung
Search Instagram zur Verfügung. Pinterest­Designer Sa­
≥ http://searchinstagram.com hil Lavingia bestreitet auch gar nicht,
Instagram ist ein reiner Mobile­Service, der sich dort Grundidee und ­design ab­
keine eigene Online­Präsenz hat. Search Insta­ geschaut zu haben.
gram nutzt das offene API und bringt die Pinterest hat zur richtigen Zeit ei­
Schnappschüsse ins Netz. Der Service ermög­ ner Entwicklung die passende Form
licht es, die Instagram­Welt thematisch zu gegeben, die man seit Jahren beob­
durchforsten. Angezeigt werden jeweils die achten kann: Das Netz wird immer vi­
neusten Fotos. Ähnlich wie bei Twitter ent­ sueller, die User verlangen danach,
steht so ein aktuelles Stimmungsbild zu einem dass sich Informationen auf einen
Thema – aber in Bildern. Blick erfassen lassen. Microblogging
mit Twitter war ein erster Schritt in
diese Richtung, mit dem Visual Blog­
ging wird die nächste Evolutionsstufe
erklommen. Facebook hat auf den
Trend zum visuellen Web durch die
Einführung der Timeline und den Kauf
von Instagram reagiert. Dass sich Mark
Zuckerberg die Fotosharing­App in­
klusive Community 1 Milliarde Dollar
kosten ließ, kann man als Hinweis auf
Pinstagram die Bedeutung visueller Inhalte im In­
≥ www.pinstagram.co ternet deuten – denn Einkünfte hat
Auch diese App zieht sich via API Bilder von In­ das Start­up bis zum heutigen Tag
stagram und verpackt sie in das elegante Was­ nicht vorzuweisen.
serfalllayout von Pinterest. Brandon Leonardo Ein weiterer Treiber des visuellen
und Pek Pongpaet programmierten das Mash­ Webs ist Tumblr. Dem Blogging­Service
up in einem zweitägigen Hackathon und stell­ ist es gelungen, das Tagebuchkonzept
ten die iPad­App umgehend online. von Blogs ins visuelle Zeitalter zu tele­
portieren. Die Bilder­Blogs lassen sich
innerhalb weniger Minuten einrichten,
mit Themes anpassen und mit HTML
und CSS individualisieren. Die Themes
bieten eine Mischung aus Minimalis­
mus und ästhetischem Anspruch, die
viele User anzieht, die sich als Kurator
ausleben möchten. Auch hier spielen
Netzwerken und Cut­and­Paste­Logik
eine große Rolle: Wie bei Pinterest
kann man anderen Usern folgen und
PinView deren Content rebloggen. Zur Ausbrei­
≥ https://apps.facebook.com/pinviewer tung des Visual Web tragen noch etli­
Die Facebook­App ermöglicht es, den eige­ che andere neuartige Services bei. Der­
nen Facebook­Content im Pinterest­Stil an­ zeit schießen Mashups aus dem Bo­
zuordnen und zu durchsuchen. den, die dank offener APIs die besten
Funktionen der einzelnen Apps mitei­
Shareasimage nander kombinieren (siehe links).
≥ http://shareasimage.com
Mit diesem Browser­Plug­in kann man Text auf
einer Webseite markieren, das Zitat in eine ≥ PAGE Online
Graik umwandeln und per Klick auf Pinte­ Die Links zu den vorgestellten Pro-
rest, Facebook oder Twitter veröffentlichen. jekten und Diensten gibt es unter
www.page-online.de/visualweb
084 PAGE 11.12 TECHNIK Speed-Design

n Falls mir in der heKtik ein paar gar noch auf die Spitze treiben. Für nehmend langweilig. Darum gibt es im­
Rchtschrbfehlr unterlaufen Sollten, par­ Zuschauer sind sie offenbar attraktiv, mer mehr solcher Kurzformate.« Kenn­
don. Versuch mich bloß dem tempo weil der schnelle Wechsel der Redner zeichnend für die design/short/cuts ist,
der EVents anzupassen, um die’s hier oder Designer für viele neue Eindrücke dass die Redner einfach nur ein Mikro
geht . . .: das vOrtrgsformat Pecha Kucha in kurzer Zeit sorgt – ganz so, als ob in der Hand haben und kurz etwas er­
gibt den rednrn maximal 6 Min und 40 man im Netz rumsurfte, aber live und zählen. Sie dürfen eine Pappe oder an­
sek Zeit und die Option, 20 Bilder für mit echten Menschen. deres analoges Material hochhalten,
jeweils 20 sek zu zeigen. Bei der Krzvor­ Der im Internet geborene, schnelle aber keine digitale Präsentationstools
trgsreihe design/short/cuts beträgt die Weiterklickrhythmus scheint in die ana­ verwenden. Damit konzentriert sich
Sprechzeit 3 min;. Beim Live Design loge Welt hineinzuwirken. Diese Ent­ die Aufmerksamkeit vor allem auf den
Battle Cut&Paste müssen die Tlnehmr wicklung dürfte Kulturpessimisten zum Menschen. »Das Format ist so kurz, dass
in 15 min eine 2DDesignaufgabe lösen, raschen Urteil verführen, unsere Gesell­ es eigentlich danach erst richtig losgeht.
im 3D­Bereich in 20 min. Beim Speed­ schaft könne sich vor lauter Reizüber­ Die Zuhörer gehen auf die Redner zu,
dating Meetup treffen Untrnehmn auf lutung auf nichts mehr länger als drei stellen Fragen, haken nach. Man stößt
25 Designr und führen jeweils ein 3 min­ Minuten konzentrieren – quasi ein kol­ also nur etwas zwischen Leuten an, das
Gespräch. Beim Brainday der Agen­ lektives Aufmerksamkeitsdeizit. Dass dann eine Eigendynamik entfaltet«, er­
tur Denkwerk führen Jobanwärter an junge oder veränderungsfreudige Kre­ klärt Peters. Keine hermetischen Mo­
vier InfoTrminals jeweils ein 2­min­Ge­ ative und Veranstalter nach neuen For­ nologe mehr, sondern Interaktion.
spräch. Diese Liste ließe sich beliebig maten suchen, ist aber verständlich –, Christian Schüten, einer der ge­
erweitrn, aber das würde kostbare zeit und der Einluss der Netzkultur aufs schäftsführenden Gesellschafter von
kosten! 2 min sind wahrscheinlch eh reale Leben kann natürlich durchaus BFGF Design Studios in Hamburg, der
gleich um, und wenn ich wirklch mit für neue, wertvolle Impulse sorgen. selbst schon mal bei den design/short/
dem Turbo­Tempo mithalten wollte, Im Rahmen des »designxport«­Pro­ cuts als Redner dabei war, ist ein Ver­
wär’ der EinSTieg dieses Artikls gleich­ jekts veranstaltet hamburgunddesign fechter schneller Formate (siehe Inter­
zeitig sein jähes Ende. ich geb’s also lie­ die oben erwähnten design/short/cuts view auf Seite 89). »Wer was Wichtiges
ber auf, drossl die Gschwndigkeit und zusammen mit literatur/quickies und zu sagen hat, macht eh nicht viele Wor­
verzichte ab sofort auf Flchtgktsfehlr. musik/quickies unter dem Titel »der te. Im Alltag sitzen die Leute sechs Stun­
analoge blog«. Dr. Babette Peters, Direk­ den in Meetings, ohne dass viel dabei
Die Kreativwelt ist paradox: Zwar be­ torin von hamburgunddesign, erklärt herauskommt. Natürlich erfährt man
klagen sich viele über den massiven dazu: »Die Wahrnehmungsgewohnhei­ bei 3­Minuten­Auftritten nicht, wer die­
Zeitdruck im Alltag, zugleich sprießen ten haben sich verändert. Darum inden se Person wirklich ist. Aber eben doch
aber jede Menge Designeventformate viele Zuhörer umfangreiche und abge­ viel mehr, als wenn man ihr im Netz be­
aus dem Boden, die den Zeitdruck so­ lesene PowerPoint­Präsentationen zu­ gegnet.« Sein Fazit: »Bei der analogen

Ratzfatz
Speeddating, Blind Dates, Live Battles und Recruitment per Quizshow – was bringen solche Instant-Event-Formate?
PAGE 11.12 085

Kommunikation kommt in wenigen Au­


genblicken eine Menge rüber: optisch,
akustisch, olfaktorisch – dagegen ist
die Übertragungsbreite von VDSL ’ne
echte Lachnummer.«

Die schnellen Formate stellen neue An­


forderungen an Kreative. Es gilt Haltun­
gen zu vermitteln, statt sich in tausend
Beispielarbeiten zu verlieren. Sie zwin­
gen die Agierenden, eine Art Konzen­
trat ihrer eigenen Identität zu präsen­
tieren – mal gelingt so etwas bestens,
mal schmeckt es wie Nescafé aus der
Packung in den Mund gestreut, sodass
die Körner am Gaumen kleben bleiben.
Jedenfalls nimmt der Performancecha­
rakter zu, und die Bühnentauglichkeit
von Designern gewinnt an Bedeutung.
Bei den Shelf Awards in London
nehmen rund 120 Gäste aus der Krea­
tivbranche Studienabgänger in Speed­
datingmanier unter die Lupe. Eine Art
Bewerbungssammeltermin, bei dem
Kreativdirektoren, Texter, Talent­Scouts,
Verlage und Unternehmen Ausschau
nach geeignetem Nachwuchs halten.
Unter jüngeren Kreativen scheint der
großen Auftritt nicht gerade für Druck
zu sorgen, sondern eher den Kampf­
geist oder den Spieltrieb zu wecken. In
Zeiten, in denen im Fernsehen ständig
totale Laien, Halbprofessionelle und

Rechts: Der Spot zu den Cut&Paste-


Events zelebriert Designer als
neue Helden der Clubkultur. Bei diesen
Digital Design Battles muss man
schnell und bühnentauglich sein. Un-
ten: Cut&Paste erweist sich welt-
weit als Publikumsmagnet. Die lokalen
Sieger treten bei der Global Cham-
pionship in New York gegeneinander an
086 PAGE 11.12 TECHNIK Speed-Design

»Der Druck auf Prois durcheinandergemixt auftre­ ver Arbeiten – mit guten DJs, Musik und
ten, in denen Auf­der­Bühne­Perfor­ Drinks«. Auch die DesignSmash­Events,
der Bühne vor men so normal wie Essen oder Schla­ die 2010 parallel in London, Berlin und
1000 Leuten ist fen ist und demnächst vermutlich auch Utrecht stattfanden und per Live­Über­
noch Castingshows gecastet werden, tragung miteinander verbunden wa­
sehr hoch. Da ist es kein Wunder, dass diese Mecha­ ren, wurden von DJs begleitet. Die Ak­
kann man kaum nismen auch in die Kreativbranche hi­ teure konnten vier Stunden lang ihre
neinwirken. Wer die Netzöffentlichkeit Idee vom Entwurf bis zur Umsetzung
noch kreativ sein« gewohnt ist und seine Arbeiten immer per Lasercutter entwickeln, während
mit vielen Leuten teilt – Daumen rauf, das Publikum zusah und feierte, ehe es
Christoph Frank, Mitinhaber von Platoon, Agentur Daumen runter –, dem fällt vielleicht per Aplausometer über die Resultate
für Kommunikation und Kunst in Berlin und der Schritt auf die echte Bühne leichter. abstimmen durfte. Design bewährt sich
Seoul, über die Anforderungen bei Cut&Paste Bei Cut&Paste werden die Sieger, offenbar als echter Partyknüller.
nachdem sie auf der Bühne designt ha­ Im Recruiting gewinnt das Speed­
Was ist Voraussetzung für die Teilnahme? ben und live juriert wurden, mit einer dating­Format ebenfalls an Bedeutung.
Christoph Frank: Gute Ideen haben, die Program­ Krone zum Star gekürt. Früher füllten Die Agentur denkwerk koppelte sie
me beherrschen, schnell sein, das Publikum unter­ nur die großen Stars der Designszene beim BrainDay sogar an eine Quizshow
halten und gute Skills zeigen. die Säle, heute braucht man gar nicht (siehe Seite 88). Für Extrovertierte ist
Wie viel Vorbereitungszeit haben die Teilnehmer? mehr total genial zu sein. Man reiht sich diese Entwicklung eine willkommene
Die Themen werden jeweils eine Woche vorher be­ einfach ein in die Semistarcommunity Herausforderung. Aber was ist mit den
kannt gegeben, auch für die Vorentscheidungen, da­ und kann sich dann weiter aufwärts­ anderen, die keine geborenen Enter­
mit die Teilnehmer die Ideen entwickeln und das Er­ casten lassen – im Oktober veranstaltet tainer sind? Der »Spiegel« titelte pas­
gebnis üben können. Der Druck auf der Bühne vor Cut&Paste die nächste Global Cham­ senderweise im August: »Triumph der
1000 Leuten ist sehr hoch. Da kann man kaum noch pionship in New York. Der Promotion­ Unauffälligen. Warum Introvertierte zu
kreativ sein. ilm für dieses Format soll dessen Kult­ oft unterschätzt werden«. Dies dürfte
Kommen diese 1000 Leute in erster Linie charakter unterstreichen. Jurymitglied auch für manchen Gestalter gelten, der
zwecks Unterhaltung? Matthias Hollwich, Partner von HWKN in brillante Konzepte und sensible Umset­
Natürlich spielt der Spaßfaktor auch eine Rolle, aber New York, sagt darin gleich zu Beginn, zungen in petto hat, aber das alles ers­
insgesamt ist das auf jeden Fall eine Fachveranstal­ es ginge darum, »Graikdesign aus dem tens nicht gerne in 3 Minuten macht und
tung, wo Werbeagenturen und Headhunter nach Il­ Studio raus in die Clubszene zu holen. zweitens nicht live vor Publikum. Wahr­
lustratoren und jungen Talenten Ausschau halten. Ich denke, das ist ein wunderbarer scheinlich gewinnt bald der Gegen­
neuer Kontext für den Konsum kreati­ trend an Bedeutung: Slow­Design. jn

Helden der Clubkultur Cut&Paste


n Das Eventformat Cut&Paste wurde signer auf einer Bühne vor Publikum Cut&Paste­Events in Helsinki (2011) und
vor 7 Jahren von John Fiorelli in New auf und werden live juriert. Die Gewin­ Seoul (2010) verantwortlich war. Die­
York ins Leben gerufen und ist welt­ ner nehmen dann an der Global Cham­ ses Jahr hatten sich rund sechzig Leu­
»A new star weit erfolgreich. Inzwischen indet es in pionship in New York teil. Cut&Paste te beworben und in Vorentscheidun­
is born«: Krö- rund 15 Städten weltweit statt, darun­ hat wechselnde Geldgeber, derzeit ist gen um die Teilnahme am Finale ge­
nungsakt des ter New York, São Paulo, Bangkok, To­ Adobe »Platinum Sponsor«. In Berlin battelt. Dort waren dann acht 2­D­ und
Cut&Paste-Events kio, Tel Aviv, Helsinki, Mexico City und fand die Veranstaltung im Februar in je vier Motion­ und 3­D­Designer ange­
in der Berli- Abu Dhabi. Bei diesen Digital Design der Volksbühne statt, organisiert von treten – Acci Baba, Leo Marthaler und
ner Volksbühne Battles treten Motion­, 2­D­ und 3­D­De­ der Agentur Platoon, die schon für die Armin Keplinger machten das Rennen.

Zum Thema »Facebook is watching you« entwickelte Acci Baba


einen Entwurf, bei dem die blauen Punkte der Pupille den Anteil
der Facebook-Nutzer innerhalb der Weltbevölkerung visua-
lisieren. Die Pupille bewegt sich in der Animation hin und her
PAGE 11.12 087

»Wir kamen uns


schon ein biss-
chen wie die
Dieter Bohlens
der Graik-
szene vor«
Markus Weisbeck, Geschäftsführer des Designstudios
Surface in Berlin und Frankfurt am Main, Professor
für Graikdesign an der Bauhaus-Universität Weimar
und Juror im 2-D-Bereich bei Cut&Paste, über den
Live-Faktor bei den Cut&Paste-Events

Welchen Charakter hat diese Veranstaltung


aus Ihrer Sicht?
Markus Weisbeck: Das ist absolut non-academic, ei­
ne Art Paralleluniversum zum Hochschulbereich. Das
Publikum ist ziemlich jung, so 16 bis 25, und verwur­
zelt in der Blogkultur. Die Akteure sind echte Nerds,
sie sitzen mit riesigen Graiktabletts hinter ihren Mo­
nitoren, self-branded per T­Shirt. Vielleicht könnte
man das Ganze eher als Flashmob oder analoges
Facebook bezeichnen.
Welche Art von Beiträgen gab’s im 2-D-Bereich
zu sehen?
Das meiste ist sehr illustrativ, extrem igürlich und
sehr bedeutungsschwanger – so ’ne Art Post­Grafiti
oder digitale Street Art. Meist mit Tausenden von Illus­
trator­Vektoren. Als wir unsere Wahl – sie iel auf ei­
nen extrem konzeptionellen Entwurf – bekannt ga­
ben, ging ein Raunen durch die Menge. Das Publikum
hat wohl eher die illustrativen Beiträge favorisiert.
Welche Rolle spielt der Live-Faktor?
Das macht die Sache auf jeden Fall sehr spannend.
Wir haben schon ziemlich gestaunt, wie schnell die
Akteure die Tools nutzen, ich würde das nicht im
Traum schaffen. Außerdem ist es interessant zu se­
hen, an welchen Punkten sie überlegen. Ungewohnt
war für uns Juroren, dass wir ebenfalls auf der Bühne
platziert waren und vor Publikum diskutieren und
entscheiden sollten. Wir kamen uns schon ein biss­
chen wie die Dieter Bohlens der Graikszene vor –
hat eigentlich nur der Buzzer gefehlt.
Also ist das Casting-Fieber in der Kreativszene
angekommen?
Man sollte das gar nicht kritisieren, für diese Szene
ist das offenbar genau richtig. Schließlich füllt das
Format die Volksbühne und ist weltweit ausgespro­
chen erfolgreich. Und für die Sponsoren ist es eine
ideale Möglichkeit, coole Bilder für ihre Kommuni­
kation zu generieren.
Kann man auf so einem Event die Stars von
morgen entdecken?
Aus meiner Sicht sind die Teilnehmer sehr jung, sie
kleben noch sehr an Softwareeffekten. Vorher ha­
ben sie mit Spraydosen gearbeitet, jetzt mit Illustra­
tor. Ob sie auch konzeptionell was drauf haben, lässt
sich hier nur schwer beurteilen, aber solche Fähig­
keiten sind bisher seitens des Veranstalters auch gar
nicht gefragt. Ich würde auch konzeptionelle Aufga­
ben integrieren, dann könnte es in Zukunft noch
spannender werden.
088 PAGE 11.12 TECHNIK Speed-Design

»Wir suchen
unkonventionelle
Leute. Deshalb
entwickeln wir
auch unkonven-
tionelle Recruit-
mentmethoden«
Melinda Burmeister, Junior PR-Managerin bei
denkwerk in Köln, über neue Formen der Talentsuche

Warum haben Sie sich für ein Format wie BrainDay Die Agentur
entschieden? denkwerk entwi-
Melinda Burmeister: Beim BrainDay haben wir ei­ ckelte vorab diesen
ne lockere Atmosphäre in einem besonderen Rah­ Spot, um Bewerber
men geschaffen. So kann man gut beobachten, wie für das Recruitment-
sich die Bewerber außerhalb eines klassischen Be­ Event BrainDay
werbungsgesprächs verhalten und welche Soft Skills zu begeistern –
sie mitbringen. Wir suchen unkonventionelle Leute, eine Mischung
deswegen entwickeln wir auch unkonventionelle Re­ aus Speeddating
cruitmentmethoden. und Quizshow
Was haben Sie bei diesem Quiz gefragt oder geprüft?
Es gab Spiele, bei denen sprachliche Fähigkeiten ge­
fragt waren, andere, bei denen Kreativität oder Team­
fähigkeit im Vordergrund standen. Wir müssen üb­
rigens zugeben: Die Bewerber haben die Agentur
insgesamt geschlagen! Recruitment & Entertainment denkwerk BrainDay
Werden Sie für die Zukunft auch weiterhin auf solche
Formate setzen? n »No risk, more fun« – unter diesem minals, die für die unterschiedlichen
Auf jeden Fall. Wir haben sehr gute Erfahrungen da­ Motto veranstaltete denkwerk zwecks Agenturbereiche standen. Parallel fand
mit gemacht und werden so etwas wohl regelmäßig Recruitment eine Mischung aus Speed­ eine Quizshow statt, bei der die Be­
veranstalten. Für uns ist das eine gute Möglichkeit, dating und Quizshow. Zunächst konn­ werber in Teams gegen Teams aus der
uns zu öffnen. Eine Art Tag der offenen Tür, aber we­ ten sich Interessierte online bewerben. Agentur spielten. Von den 170 Mitar­
gen des spielerischen Charakters eben für die Teil­ Unter der Headline »Bock auf ein Spiel­ beitern waren hierfür 20 Leute aus al­
nehmer viel attraktiver. chen?« waren sie eingeladen, in 280 Zei­ len Bereichen und Positionen ausge­
Und was ist mit den Introvertierteren? Sind die von chen zu erklären, worin sie Meister sind. sucht worden. So ist das Recruitment­
vornherein raus aus dem Rennen? Etwa 50 beteiligten sich, 45 von ihnen tool offenbar auch dem Teamgeist der
Nein, solche Leute suchen wir natürlich auch. Sie ha­ lud die Agentur dann zu ihrem rund Agentur förderlich. Von den 45 Teilneh­
ben ja jederzeit die Möglichkeit, sich über andere Ka­ 3­stündigen BrainDay ein. mern wurden 26 zum Vorstellungsge­
näle zu bewerben. Sämtliche Teilnehmer durchliefen spräch eingeladen und schließlich 6 von
2­Minuten­Speeddatings an 4 Infoter­ ihnen eingestellt.

Studenten-Speeddating Open Showroom bei Tom Tailor


n Speeddating andersherum – so et­ einer Studentengruppe in 20 Minuten
wa könnte man das Format beschrei­ vor und beantworteten ihre Fragen.
ben, das Tom Tailor im letzten Jahr aus »So erfuhren die Studenten, was es
der Taufe hob, als man eine Koopera­ heißt, Graiker bei Tom Tailor zu sein,
tion mit der Akademie Mode & Design welche Qualiikationen man braucht
(AMD) in Hamburg startete. Die Stu­ und was man bei uns macht«, erklärt
denten wurden mit einem Party­Crui­ Katharina Gose, Senior Specialist Hu­
ser abgeholt und zum Showroom von man Resources Recruitment & Consul­
Tom Tailor gebracht. Unter die Lupe ting bei Tom Tailor. Aus ihrer Sicht hat
nahm nun aber nicht das Modeunter­ sich das Konzept bewährt. »Es weckt
nehmen die Interessierten, sondern mehr Interesse als ein Tag der offenen
umgekehrt: Mitarbeiter aus fünf Berei­ Tür oder eine Präsentation an der AMD.
chen – Design, Graik, Sales, Expansion So ein Event macht uns als Unterneh­
und Retail­Store – stellten sich jeweils men besser erlebbar.« Zwei Studen­
ten schreiben ihre Abschlussarbeiten
Tom Tailor stellte sich per Speeddating in den Bereichen E­Commerce und In­
den AMD-Studenten vor ternational Sales des Unternehmens.
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Blind Date Design Pressure Cooker


n »Dampfkochtopf« heißt diese Ver­ seit 2010 zusammen«, berichtet Eileen
anstaltung zwar auf Deutsch, aber man Blackmore von House of Design.
»Man sollte
könnte sie auch als Long Version der Blind Date, das klingt nach Katze eigentlich auch
schnellen Formate bezeichnen. Design im Sack. Warum lassen sich Firmen da­
Pressure Cooker ist ein Event, das rauf ein? »Die Handelskammer versucht Speeddating
ursprünglich aus Groningen stammt, ja auch schon lange, Unternehmer und beim Pitchen
entwickelt von House of Design und Designer zusammenzubringen – das ist
dem Innovationszentrum Syntens. Da­ dann naturgemäß aber sehr sachlich einführen . . .«
bei werden Unternehmen für einen und nüchtern«, sagt Dr. Babette Peters,
Tag mit einem Designer zusammenge­ Direktorin von hamburgunddesign. »Ich Christian Schüten, einer der geschäftsführenden
bracht – insgesamt rund 15 Paare –, al­ denke, Spaß und Leichtigkeit sind sehr Gesellschafter von BFGF Design Studios in Hamburg,
lerdings ist dies ein echtes Blind Date, wichtig, um einen Austausch zwischen über seine Erfahrungen beim Design Pressure Cooker
denn keiner weiß, auf wen er treffen den beiden Lagern anzustoßen. Das
wird. Die Firmen bezahlen 500 Euro für Überraschungsmoment ist auf jeden Wie fühlt sich das an, mit irgendeinem Unternehmer
die Teilnahme und erhalten dafür die Fall ein schönes Lockmittel.« Alle Teil­ gepaart zu werden, ohne eine Ahnung davon
Rechte an den Ergebnissen; das Geld nehmer treffen sich am Abend vorher zu haben, welche Aufgabe auf einen zukommt?
geht ohne Abzüge an die Designer. zum Essen, ohne ihre Partner genannt Christian Schüten: Gut. Die Veranstalter nehmen
Groningen und Hamburg kooperie­ zu bekommen. Auch die Aufgabe wird die sinnvolle Paarung schon sehr ernst. Aber das
ren bereits seit vielen Jahren und set­ jeweils erst am nächsten Tag bekannt Charmante an diesem Format ist, dass bei allem
zen sich dafür ein, die Kreativwirtschaft gegeben, also sind die Designer be­ Ernst auch das Spielerische nicht zu kurz kommt. In
beider Städte zu verbinden. Um dies wusst unvorbereitet und müssen ihr Ta­ Groningen hatten wir es mit einer Campingplatzbe­
auch im Designbereich voranzutreiben, lent live entfalten: von null auf hundert. sitzerin zu tun, deren Problem für uns Designer erst
fand der Design Pressure Cooker im Ju­ Zwar ist ein Tag für die oft grundle­ mal überraschend war: Regen! Zuerst dachten wir:
ni nun auch erstmals in Hamburg statt. genden Fragestellungen auch nicht »Was hat das mit uns zu tun?« Aber dann ergab sich
Niederländische Unternehmen trafen wirklich lang, aber im Vergleich zu den daraus eine wirkliche spannende Zusammenarbeit.
auf deutsche Designer, deutsche Unter­ anderen schnellen Formaten erlaubt In Hamburg mussten wir uns dann quasi aus dem
nehmen auf niederländische Kreative. dies doch ein fast gelassenes Tempo. Stegreif in Architekturprobleme hineindenken . . .
Bei der Paarbildung arbeiteten ham­ Ein Unternehmer erfährt dabei viel Klingt schon ein bisschen nach Schnellschuss . . .
burgunddesign und die Technologie­ mehr über die Arbeitsweise von Krea­ Man kann aber schon viel entwickeln an einem Tag
transfergesellschaft Tutech mit den tiven, als wenn das alles hinter den Ku­ und dabei ganz neue Perspektiven eröffnen. In Ham­
Groninger Partnern, House of Design lissen geschieht. Er erlebt live, wie der burg ging es auch darum, unseren Cradle­to­Cradle­
und Syntens, zusammen. Erst wählten Designer laut denkt, konzipiert, kritisch Designansatz (siehe PAGE 08.12, Seite 39 ff.) zu ver­
sie die Unternehmen aus, dann die infrage stellt, ausarbeitet, improvisiert, mitteln, da der Architekt das Thema Nachhaltigkeit
passenden Designer dazu. Häuig geht verbessert, vorantreibt. Dies sorgt für in seinen Entwurf einbringen wollte. Das Schnelle ist
es dabei nicht nur um die richtige De­ eine Authentizität und Tiefe der Be­ aus meiner Sicht außerdem sehr spannend. Ich bin
signdisziplin, sondern auch um Gemein­ gegnung, die man einem Blind Date kein High­End­Designer, mich reizt das Konzeptio­
samkeiten im Denken. Natürlich wird und schnellen Formaten vielleicht gar nelle, deswegen ist so eine Arbeitsweise für mich
nicht aus jedem Blind Date eine dauer­ nicht zutrauen würde. In Hamburg wur­ ideal. Man sollte eigentlich auch Speeddating beim
hafte Beziehung, aber in Groningen war den die Resultate abends erstmals auch Pitchen einführen, inde ich . . .
der Design Pressure Cooker schon Aus­ öffentlich präsentiert, was durchaus . . . Speeddating beim Pitchen?
gangspunkt für längerfristige Koope­ spannend war – dichter Dampf stieg Oft hat man es zum Beispiel mit einem sechsköpigen
rationen. »Einige arbeiten jetzt schon dabei sozusagen auf. Gremium zu tun, das völlig widersprüchliche Vorstel­
lungen hat. Als Designer kann man diesen Wünschen
kaum gerecht werden. Besser wäre es, die sechs Leu­
te machten sechs verschiedene Kurzbrieings. Umge­
kehrt darf jeder Designer in drei Minuten sagen, wa­
rum er der Richtige ist – ob mit knallharten Argumen­
ten, Singen, Flöten oder sonst was. Normalerweise
arbeiten alle Beteiligten endlos an ihrem Entwurf
und der Kunde sagt dann, was ihm am besten gefällt.
Bei einem solchen Speeddating­Format könnte statt­
dessen jeder im Gremium beurteilen, wie ihn der je­
weilige Designer verstanden hat – was für die spä­
tere Zusammenarbeit durchaus sinnvoll wäre.
Haben Sie beim Design Pressure Cooker Erfahrungen
gesammelt, die Ihnen im Alltag nützlich sein könnten?
Wir haben darauf aufbauend ein eigenes Akquise­
tool entwickelt, das wir noch in diesem Jahr umset­
zen wollen: Unternehmen können einen Tag mit
zwei unserer Designer buchen, für 1200 Euro zuzüg­
lich Reisekosten. Da kann was Tolles entstehen und
Beim Design Pressure Cooker im Juni 2012 in Hamburg hatten Unternehmer man kann erproben, ob man längerfristig miteinan­
und Kreative ein echtes Blind Date. Einen Tag lang entwickelten sie gemeinsam der arbeiten möchte. jn
Ideen und präsentierten abends öffentlich die Ergebnisse
092 PAGE 11.12 TECHNIK

TIPPS & TRICKS

Ganz links: Mit den


entsprechenden
Einstellungen passen
sich die Textrahmen
automatisch an die
Höhe und/oder
Breite des enthalte­
nen Textes an.
Links: Dies lässt sich
auch als Objekt­
format deinieren

InDesign CS6 – Mitwachsende Textrahmen


InDesign CS6 erfüllt Anwen- gleicht. Schreiben Sie den Text weiter, gung. Das Ganze geht auch automati-
dern einen lang gehegten wird der Textrahmen einfach größer; siert per Objektformat. Dazu rufen Sie
Wunsch: Textrahmen passen kürzen Sie, wird der Rahmen kleiner. die gleichnamige Palette auf und wäh-
M W sich nun an den Text an – Um diese neue Möglichkeit zu nut- len als Grundattribut für Ihr Objekt-
und das nicht mehr wie früher nur mit zen, rufen Sie per Befehl-B den Dialog format »Automat. Größenänderung
Doppelklick auf die Rahmenbegren- »Textrahmenoptionen« auf und gehen von Textrahmen aus«. Jedes Mal, wenn
zung. Nun lässt sich für den Textrah- zu »Automatisch Größe ändern«. Dar- Sie von jetzt an dieses Objektformat
men festlegen, dass er sich automa- aufhin stehen Ihnen eine Reihe von verwenden, passen sich die Textrah-
tisch in Höhe oder Breite dem Text an- Einstellungsmöglichkeiten zur Verfü- men automatisch an. Heike Burch

InDesign ab CS1 – Links- und rechtsbündiger Text in einer Zeile


Sie möchten, dass ein Teil des Für den »Tabulator für rechte Aus- leistet er ebenfalls gute Dienste. Und:
Textes innerhalb einer Zeile richtung« gibt es viele sinnvolle An- Er ist ideal für Kopf- und Fußzeilen.
links-, der andere Teil aber wendungen. Zum Beispiel im redak- Dann müssen Sie nicht neben dem ei-
M W rechtsbündig steht? Dann tionellen Bereich, wenn – wie wir das gentlichen Textkasten einen weiteren
nutzen Sie den »Tabulator für rechte bei PAGE machen – hinter dem Arti- für den rechtsbündigen Text aufzie-
Ausrichtung«. Platzieren Sie den Text- kel das Autorenkürzel gesetzt werden hen und können sich sicher sein, dass
cursor an der von Ihnen gewünschten soll. Innerhalb von Tabellenzellen, die der Text tatsächlich eine gemeinsame
Stelle, wählen Sie aus dem »Schrift«- man nicht vertikal aufteilen möchte, Grundlinie hat. Rosita Fraguela
Menü »Sonderzeichen einfügen/An-
dere/Tabulator für rechte Ausrich-
tung«. Per Tastaturkürzel erreichen Sie
das Sonderzeichen mit der Shift- und
der Tabulatortaste.

Lesertipps in PAGE:
Mitmachen lohnt sich!
n Haben Sie gerade einen praktischen Kniff ent-
deckt? Möchten Sie einen kleinen Gestaltungstipp
in einem Ihrer Arbeitsprogramme an andere Le-
ser weitergeben? Kennen Sie ein Workaround für
ein aktuelles Softwareproblem? Dann schicken Sie
Ihren Lesertipp – mit Angabe der Softwarever-
sion und einem oder mehreren Screenshots – an
info@page-online.de . Bei Veröffentlichung erhal-
ten Sie ein Moleskine-Notizbuch. In den Tiefen des »Schrift«­Menüs versteckt sich der Tabulator, mit dem sich
links­ und rechtsbündiger Text in einer Zeile anzeigen lässt
PAGE 11.12 093

InDesign ab CS1 –
In Dokumenten per
Kürzel navigieren
Zum Navigieren innerhalb ei-
ner InDesign-Datei nutzen
viele Anwender das Seiten-
M W bedienfeld. Doch es geht
auch deutlich schneller und komfor-
Adobe hat die tabler: mit Tastaturbefehlen. Möchten
Funktion »PDF Sie zur ersten oder letzten Seite ei-
optimieren« an nes Dokuments springen, drücken Sie
anderer Stelle gleichzeitig die Befehls- und Shifttaste
untergebracht sowie die Bild-auf- oder Bild-ab-Taste.
Zur vorherigen oder nachfolgenden
Seite gelangen Sie mit der Shift- und
Acrobat ab X – Funktion »PDF optimieren« Bild-auf-/Bild-ab-Taste und zum vorhe-
Mit dem Befehl »PDF opti- für den Einsatz im Web umwandeln. rigen/nachfolgenden Druckbogen ge-
mieren« lassen sich in Adobe Mit der jüngsten Version, Acrobat X, langen Sie per Alt- und Bild-auf-/Bild-
Acrobat PDF-Dokumente ge- hat Adobe das Feature allerdings in ab-Taste. Mit Befehl-J erscheint der
M W zielt für bestimmte Einsatz- ein anderes Menü verschoben. Nun Dialog »Gehe zu Seite«. Alternativ kön-
wecke konvertieren. So kann man zum versteckt sich der Befehl innerhalb des nen Sie ganz unten links in der Status-
Beispiel eine hochaufgelöste PDF- »Datei«-Menüs unter »Speichern unter/ zeile des Dokuments die gewünschte
Datei in eine mit niedriger Aulösung Optimiertes PDF«. Georg Obermayr Seitenzahl eingeben und mit Return
bestätigen oder einfach auf den In-
haltsbereich klicken.
Besonders in langen Dokumenten
Photoshop ab CS1 – Pixel auswählen ist der Wechsel von einer Seite zur
Eine Ebene beziehungsweise heben Sie die Auswahl wie gewohnt vorherigen mit den Befehlen »Zurück«
ihren kompletten Inhalt ak- auf. Interessant ist der Shortcut Be- (Befehls- und Bild-auf-Taste) und »Vor«
tivieren Sie über »Auswahl/ fehl-H. Statt die Auswahl aufzuheben, (Befehls- und Bild-ab-Taste) sehr prak-
M W Alles auswählen« (Befehl-A). blendet er nur die störende Auswahl- tisch. InDesign legt dabei nicht die
Möchten Sie nur die tatsächlich vor- linie aus. Der gleiche Shortcut macht tatsächliche Seitenabfolge zugrunde,
handenen Pixel auswählen, also trans- sie auch wieder sichtbar. Dieses Kür- sondern folgt dem Verlauf, sprich wie
parente Bereiche der Ebene ausschlie- zel blendet nämlich alle Extras aus Sie sich zwischen den Seiten bewegt
ßen, halten Sie die Befehlstaste ge- beziehungsweise ein, unter anderem haben. Waren Sie also zuerst auf Sei-
drückt und klicken auf das Ebenen-Icon Hilfslinien oder – ab Version CS4 – das te 12 und sind dann zur Seite 98 ge-
im Ebenen-Bedienfeld. Mit Befehl-D Pixelraster. Rosita Fraguela sprungen, können Sie also mit dem
Befehl »Zurück« ganz einfach wieder
Um beim Aus­
auf Seite 12 gehen. Sämtliche Navi-
wählen die
gationsbefehle inklusive Kürzel inden
transparenten
Sie übrigens im »Layout«-Menü auf-
Pixel einer
gelistet. Rosita Fraguela
Ebene auszu­
schließen,
klicken Sie mit
gehaltener
Befehlstaste
aufs Ebenen­
icon. Dabei
ändert sich
auch der Cursor

Das »Layout«­
Menü listet
alle Navigations­
befehle mit
ihren Kürzeln auf
094 PAGE 11.12 TECHNIK Tipps und Tricks

Seit Mac OS X 10.7 hat jedes


Dokument seine »Time
Machine«, die die Verände­
rungen zeigt, falls die
Software das »Versionen«­
Feature unterstützt

ment mit »Sichern unter«, fanden sich


die Änderungen nur im neuen Doku-
ment. Das Alte blieb unverändert. Das
ist in Mountain Lion anders, denn die
alte Datei wird dabei noch einmal ge-
sichert. Tückischer noch: Der Anwen-
der sieht sich nun auf seinem Mac mit
drei verschiedenen Bedeutungen ein
und desselben Befehls konfrontiert:
In Microsoft Word funktioniert »Spei-
chern unter« wie gewohnt. Pages, Text-
Edit und andere Anwendungen, die
Mac OS X 10.8 – Umdenken beim Speichern das »Versionen«-Feature nutzen, funk-
Vor einem Jahr führte Apple Vorlage für eine neue nehmen möch- tionieren wie beschrieben, und in Sa-
mit Mac OS X 10.7 »Versionen« te, muss das alte Dokument öffnen fari ist der Befehl schlicht der einzige
als Systemfunktion ein. Seit- und dann auf »Ablage/Duplizieren« ge- Weg, eine Seite zu sichern. Zwar lässt
M W her speichert Software, die hen (Shift-Befehl-S). Die neue Datei sich zum Beispiel das automatische
dieses vom Betriebssystem angebote- benennt man direkt in der Kopfzeile Speichern von Versionen mit verschie-
Der »Sichern unter«­ ne Feature nutzt, automatisch ältere um. Das System schließt die alte Datei denen Systemtools von Drittanbietern
Befehl hat auf Versionen des geöffneten Dokuments. automatisch und man kann mit der unterbinden Grundsätzlich aber führt
dem Mac inzwischen Der Nutzer kann dann wie mit Time neuen weiterarbeiten. kaum ein Weg daran vorbei, das neue
sehr unterschiedliche Machine in die Entwicklungsschritte So verfährt auch Mac OS X 10.8. Verhalten zu lernen und vor allem zu
Aufgaben. In Safari der Datei zurückreisen. Zum Ärger er- Doch der Befehl »Sichern unter« feiert wissen, welche Anwendung sich wie
ist er der einzige Weg, fahrener Mac-User verschwand dabei mit dem Update ein Comeback. Leider verhält – auch wenn Apple das Fea-
eine Website zu auch der vertraute Befehl »Sichern gibt es aber einen signiikanten Unter- ture irgendwann in der Zukunft ein-
speichern (links); in unter« aus diesen Anwendungen. Wer schied zum alten Verfahren: Speicher- mal mit dem Ziel einer höheren Kon-
Programmen wie zum Beispiel eine alte Rechnung als te man früher ein geändertes Doku- sistenz überarbeitet. dsc
TextEdit, die das neue
»Versionen«­Feature
unterstützen, spei­
chert »Sichern unter«
die alte Version
und erzeugt ein neues
Dokument (Mitte).
Microsoft Word nutzt
den Befehl ganz
klassisch. Er schließt
das alte Dokument
ohne die Änderungen
und erzeugt ein neu­
es Dokument mit den
Änderungen (rechts)

Photoshop ab CS6 – Neues Ebenen-Bedienfeld


Die Ebenen-Palette in Photo- tribut oder Effekt zu iltern. Ein einfa-
shop CS6 hat nicht nur ein cher Rechtsklick in die Ebene, schon
Facelifting erhalten, sondern lässt sich die gewünschte Farbe aus-
M W auch gute neue Funktionen. wählen. Mit der Tabulatortaste ist das
Erwähnenswert ist zum einen der Fil- Springen von einer Ebene in der Palette
ter, der es zulässt, innerhalb der Ebe- zur nächsten möglich. Beim Zuklappen
nen-Palette nach Art, Modus, Farbe, At- von Ebeneneffekten, indem man das
kleine »fx«-Symbol rechts neben der
Das neue Ebenen­Bedien­ Ebene anklickt, reicht es, die Alttaste
feld in Photoshop CS6 gedrückt zu halten, und alle Effekte
lässt sich leichter bedie­ klappen in allen Ebenen auf einmal zu –
nen – hier die Filter schneller geht es nicht! Heike Burch
096 PAGE 11.12 TECHNIK Druckweiterverarbeitung

Printveredelungen auf einen Blick


Teil 5: Lentikulardruck

n Bei diesem Veredelungsverfahren von der Distanz ab, aus der der Betrach-
werden mithilfe einer Linsenrasterfo- ter das Motiv anschauen soll: Für Stra-
lie optische Effekte auf einer Drucksa- ßenplakate reichen relativ niedrige
che erzielt. Zahlreiche stäbchenför- Aulösungen von 10 Linsen pro Zoll. Bei
mige Linsen aus einem transparenten dem Mailing der Sparkasse Köln-Bonn
Kunststoff werden dabei mit einem (rechts) waren es 100 Linsen pro Zoll.
speziell aufbereiteten Bild hinter-
druckt und geben je nach Blickwinkel Einsetzbare Materialien
andere Teile des Motivs frei. Dies Die Lentikularfolie lässt sich zusam-
ermöglicht zum einen 3-D-Effekte, die men mit einem breiten Spektrum von
das Dargestellte räumlich wirken las- Trägerstoffen einsetzen.
sen, zum anderen Bewegungseffek-
te, bei denen das Auge eine Sequenz Tipps zur Planung
von Bildern nacheinander wahrnimmt. Der Einsatz des Lentikulareffekts er-
Möglich sind inzwischen alle Größen fordert etwas Vorarbeit bei der Motiv-
von der Visitenkarte bis zum Plakat. wahl. Regel Nummer eins ist, sich an
die Vorgaben des Dienstleisters zu Mit fest deinierten Schlüsselbildern als Zwischenschritten
Bezeichnung halten. Allgemein gilt: Gut sind dunk- konnte Sascha Gundlach den Ablauf des Lentikulareffekts für
Die gebräuchliche Bezeichnung ist le, kontrastreiche Motive. Helle Motive das Sparkassenmailing optimal steuern
Lentikulardruck. »Lentikular« bedeu- können unter Umständen zu Geis-
tet »linsenförmig«. terbildern führen. Bei diesem uner-
wünschten Effekt scheinen die Bilder
Varianten einer früheren Phase nach, obwohl
Je nach Bildaufbereitung lassen sich sich das Auge schon bei der nächsten
im Lentikulardruck unterschiedliche Ef- Phase beindet. Für einen 3-D-Effekt
fekte erzielen. Beim 3-D-Effekt wird muss der Gestalter die Bestandteile
ein Bild so zerlegt und auf Ebenen an- eines Bildes jeweils auf eigenen Photo-
geordnet, dass die Linsen einen Ein- shop-Ebenen freistellen. Für andere
druck von Räumlichkeit erzeugen. Ein Effekte reicht es meist, zwei Schlüssel-
Wechselbild entsteht, indem sich je bilder zu liefern, die Software errech-
nach Betrachtungswinkel zwei Motive net die Zwischenschritte. Mehr Schlüs-
abwechseln. Bei der Animation laufen selbilder zur Verfügung zu stellen, hat
bis zu 30 Einzelbilder in einer Sequenz den Vorteil, dass sich das Ergebnis bes-
ab. Durch Morphing verwandelt sich ser vorhersagen lässt.
ein Motiv über Zwischenschritte in ein
anderes, und beim Zoom nähert oder Grenzwerte
entfernt es sich. Schriften unter 10 Punkt sind nur sehr
schwer zu lesen.
Stärken
Der Lentikulardruck eignet sich beson- Dienstleister Ein Bogen mit Linsen für den Lentikulardruck. Je nach
ders dafür, Aufmerksamkeit zu wecken • Klenke-Druck, Dissen Blickwinkel zeigen die Linsen bis zu 32 Bilder an
und den Nutzer zur Beschäftigung mit ≥ www.klenke-druck.de
dem Objekt zu animieren. • PrintPerfection, Zell/Mosel
≥ www.printperfection.de
Technik • Touchmore, Remscheid
Bei allen Effekten bleibt die Produk- ≥ www.touchmore.de
tionstechnik die Gleiche, die Unter- • Vogt Foliendruck GmbH, Hessisch
schiede ergeben sich durch die Bear- Lichtenau
beitung der Vorlage. Das 3-D-Motiv ≥ www.vogt-foliendruck.de
oder die Sequenzen werden in Einzel-
bilder zerlegt, die eine spezielle Len- Preis
tikulardrucksoftware dann auf der Der Lentikulardruck ist in den letzten
Druckvorlage platziert. Bei 3-D ist viel Jahren billiger geworden. Für kleinere
Handarbeit nötig, bei den anderen Ef- Standardprodukte gibt es inzwischen
fekten erledigt dies der Computer au- bei einigen Anbietern recht günstige
tomatisch. Für den Druck muss die Sammelformen. Für 1000 Stück im
Druckmaschine eine entsprechend ho- Postkartenformat kann man mit Kos-
he Aulösung erreichen und die Lenti- ten von rund 800 Euro rechnen. Ein
kularfolie verarbeiten können. Wie (zu empfehlendes) Proof schlägt noch Die Lentikularfolien lassen sich wie andere Bedruck-
hoch die Aulösung sein muss, hängt einmal mit bis zu 450 Euro zu Buche. stoffe an die Druckmaschine anlegen und verarbeiten
PAGE 11.12 097

In Bewegung
Die Sparkasse Köln-Bonn nutzte den Animationseffekt des Lentikulardrucks, um eine junge Zielgruppe zu erreichen

n Kaum ein Verfahren verbindet Haptik und Optik so auf- Im nächsten Teil
merksamkeitsstark wie der Lentikulardruck. So entschied der Serie geht es um
sich Sascha Gundlach, kreativer Kopf der Kassler Agentur Folienkaschierung
neue formen (www.neueformen.net), für diese Technik, als
die Sparkasse Köln-Bonn ein Mailing für eine junge Ziel-
gruppe bei ihm in Auftrag gab. Aufhänger für die Aussen-
dung sollten die Geburtstage sein, auf der Rückseite wer-
den die jungen Kunden individuell angesprochen und der
Gewinncode für ein Facebook-Spiel wird übermittelt. Als
Motiv für die Vorderseite wählte Gundlach einen jugend-
lichen Sprayer, der die Worte »Happy Birthday« als farben-
prächtiges Grafiti an eine kahle Betonwand sprüht. Neben
der inhaltlichen Aussage des Bildes spielte dabei auch eine
Rolle, dass es eher dunkel und kontrastreich ist. Eine wich-
tige Voraussetzung, um es im Lentikulardruck verarbeiten
zu können.
Die aktuelle Foliengeneration kann bis zu 30 Einzelbil-
der anzeigen. Für dieses Mailing reichten aber 21 Linsen. Die
Agentur musste der Druckerei, Vogt Foliendruck in Hessisch
Lichtenau, eigentlich nur ein Schlüsselbild für den Anfang
und eines für das Ende der Sequenz liefern, alle Zwischen-
bilder errechnet die spezialisierte Lentikulardrucksoftware.
Sascha Gundlach wollte allerdings mehr Kontrolle über das
Ergebnis und bereitete daher vier Schlüsselbilder für die
Druckerei vor, mit der er schon bei anderen Lentikulardruck-
projekten zusammengearbeitet hatte.
Die weitere Produktion erfolgte dann bei Vogt Folien-
druck: Die Software errechnete zunächst die fehlenden
Zwischenbilder und zerlegte dann die 21 Bilder der Sequenz
in sehr schmale Streifen, die in sich immer wiederholenden
Sequenzen auf der Druckvorlage platziert wurden. Vogt
stellte die Karten dann ganz gewöhnlich im Offsetdruck für
die Folie und im Digitaldruck für die individualisierten Rück-
seiten her. Das Stanzen und Kuvertieren waren danach
Routinearbeit. So fanden die jungen Rheinländer in den
kommenden Wochen einen gesprayten Geburtstagsgruß
ihrer Sparkasse im Briefkasten. dsc
098 PAGE 11.12 TECHNIK

TOOLS & TECHNIK


jetzt nach. Ein Grund könnte möglicher­
weise sein, dass die Konkurrenten hier
Patente halten, mit denen sie ein LTE­
iPhone verhindern wollen. In Deutsch­
land ist für den LTE­Genuss ein Vertrag
mit T­Mobile notwendig, denn ledig­
lich das Telekom­Netz unterstützt den
im iPhone 5 verbauten LTE­Chipsatz
vollständig – und das wird noch lange
so bleiben. Auch bei den Prozessoren
lag Apple zuletzt zurück und schließt
jetzt mit einem neuen Chip auf. Der
»A6« getaufte Prozessor ist kleiner und
verspricht doch mehr Leistung. Die ein­
gebaute 8­Megapixel­Kamera macht
nun bis zu 28 Megapixel große Fotos.
Die Kopfhörer hat Apple ebenfalls von
Grund auf neu entwickelt.
Ein markanter Unterschied zwi­
Das iPhone 5 ähnelt schen der iOS­ und der Android­Welt
optisch seinem Vorgänger, bleibt allerdings auch mit den jüngs­
ist aber länger gezogen und bie- ten Apple­Neuheiten erhalten. Wäh­
tet so einer zusätzlichen Reihe Icons Platz rend Android mit einer sehr heteroge­
nen Produktpalette maßgeschneider­
te Lösungen für jede Aufgabe bietet,
sei es nun ein besonders großes Dis­
play oder ein Stylus als Alternative zur
Apple iPhone 5 mit iOS 6 Gestensteuerung, setzt Apple weiter
n Nach langen Wochen, in denen vor wenn das Design an das iPhone 4 erin­ auf strenge Normierung bei den Dis­
allem juristisches Hickhack um Paten­ nert, so ist es doch mit nur noch playgrößen, dem Bedienkonzept und
te die Smartphone­Kunden langweilte, 7,6 Millimetern deutlich lacher. Auch der Zahl der unterstützten Betriebs­
zeigte Apple am 12. September end­ im Vergleich zu der Android­ und Win­ systemversionen. Für Entwickler bleibt
lich wieder neue Technik. Das iPhone 5 dows­8­Konkurrenz ist das ein außer­ iOS damit weiter wesentlich einfacher
ist länger und lacher als sein Vorgän­ ordentlich guter Wert. zu bedienen als die Android­Plattform.
ger, und das Gehäuse, das ein auf 4 Zoll Apple war zuletzt technisch etwas Auf eine technische Sensation wie in
gewachsenes Display im Format 16 : 9 ins Hintertreffen geraten. Besonders der Vergangenheit Siri muss die iPhone­
einfasst, besteht vollständig aus Alumi­ deutlich wurde das beim Übertragungs­ Gemeinde wohl noch ein wenig war­
nium. Genau 12,38 Zentimeter ist das standard LTE. Während beispielsweise ten, doch zumindest hat ihr Lieblings­
Apple­Smartphone jetzt lang, und auf das HTC Velocity 4G oder Samsungs hersteller jetzt mit der Android­Kon­
dem größeren Display indet eine zu­ Galaxy S2 und S3 den Standard schon kurrenz gleichgezogen.
sätzliche Reihe von Icons Platz. Auch länger unterstützen, zieht Apple erst ≥ www.apple.com/de

Tippen und sehen


n An die Schreibcomputer der 1970er
Jahre mit ihren einzeiligen Eingabedis­
plays erinnert die Tastatur Smartype
der israelischen Firma KeyView. Über
den Tasten ist ein kleines horizontales
Display angebracht, auf dem entwe­
der der eingegebene Text zu sehen ist
oder auch spezielle Apps laufen kön­
nen – beispielsweise für die neuesten
Twitter­Nachrichten. Smartype gibt es
zunächst nur in Israel; andere Länder
sollen allerdings folgen.
Smartype bietet ein programmierbares Display oberhalb der Tastatur ≥ www.thesmartype.com
PAGE 11.12 099

Hardware-Ticker
+++ Canon EOS C100. Canon ist dabei, eine neue
Serie professioneller digitaler Filmkameras aufzu­
bauen, die mit den Fotoobjektiven der EOS­Serie ar­
beiten können. Nun gibt es mit der EOS C100 ein Ein­
Breitbildmonitore für Kreative stiegsmodell, das etwas leichter und billiger ist als die
n Zur IFA hat LG zwei neue Displays vorgestellt, die sich an professionelle Ende vergangenen Jahres vorgestellte EOS C300. Sie
Grafiker und Bewegtbilddesigner richten. Der EA83 im Format 16 : 9 und soll im November zum Preis von rund 6700 Euro ver­
mit 27 Zoll Bildschirmdiagonale bringt gleich ein externes Kalibriergerät mit, fügbar sein. Zielgruppe sind Independent­Filmer mit
das auf die mitgelieferten Kalibrierungstools abgestimmt ist. Das IPS-Panel schmalem Budget und keinem oder kleinem Team.
mit WQHD-Auflösung (2560 mal 1440 Pixel) soll 99 Prozent des Adobe-RGB- Funktionen wie automatisches Scharfstellen sollen et­
Farbraums abdecken und für lebensechte Farben und eine exzellente Dar- wa das Fehlen eines Kameraassistenten ausgleichen.
stellungsqualität sorgen. Dank eines dualen Eingangs kann es Bilder aus zwei Die beiden Laufwerke zeichnen auf günstigen SD­
Quellen nebeneinander wiedergeben. Der zweite Monitor, der EA93, wen- Karten auf. Die EOS C100 unterstützt die gängigen
det sich mit seinem Kinoformat von 21 : 9 und 29 Zoll Bildschirmdiagonale vor Bildraten und einen ISO­Bereich von 320 bis 20 000.
allem an Filmschaffende, die Wert auf ein unverzerrtes Bild ohne Balken ≥ http://is.gd/eosc100 +++ Pantone Lighting Indi-
legen. Der Farbraum ist mit sRGB etwas kleiner als beim EA83. Dafür ist ebenfalls cator Stickers. Ein kleiner Aufkleber hilft sicherzu­
die parallele Wiedergabe aus zwei Quellen möglich. Preis und Verfüg- stellen, dass die Farbtemperatur exakt 6500 Kelvin
barkeit standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest. ≥ www.lg.com beträgt. Die Farbe verrät es: Ist nur ein durchgehen­
der Ockerton zu sehen, ist alles in Ordnung; zeichnen
sich auf dem Sticker aber zwei verschiedene Farb­
töne ab, stimmt etwas nicht. Zum stolzen Preis von
Mini-Systemkamera von Pentax knapp 50 Euro bietet der Farbspezialist jeweils einen
n Der Trend zu immer kleineren Sys­ die Farb­ und die Schwarzweißfassung Bogen mit vierzig Aufklebern an, der jeweils für eine
temkameras hält an, wie sich Ende eines Fotos übereinandermontiert. Da­ bestimmte Farbtemperatur ausgelegt ist. Nachdem
September auf der photokina zeigte. zu kommen 19 digitale Filter: 11 davon, es bereits Sticker für 5000 Kelvin gibt, sind nun die
Auch Kamerahersteller Pentax will da etwa »Toy Kamera«, »Farbe umkeh­ Bogen für 6500 Kelvin verfügbar. ≥ www.pantone.
mithalten und hat nun mit der Q10 ei­ ren« oder »Posterization«, lassen sich com/lightingindicator +++ Nintendo Wii U. Die ak­
ne besonders kleine Kamera auf den für Bild­ und Videoaufnahmen vorein­ tuelle Generation der Spielkonsolen hat trotz Aufpo­
Markt gebracht. Ohne Objektiv misst stellen; die übrigen wendet man auf lierens schon einige Jahre auf dem Buckel, und alle
sie 102 mal 58 mal 33,5 Millimeter und aufgenommenes Material an. Die Fil­ Hersteller arbeiten an der nächsten Generation. Als
wiegt rund 200 Gramm. Über das Pen­ ter sind auch kombinierbar. Vier Krea­ erste Vertreterin kommt am 30. November die Nin­
tax­eigene Q­Bajonett lassen sich alle tivilter kann man zudem dem Quick­ tendo Wii U in Europa auf den Markt. Auffälligste Neu­
kompatiblen Objektive anschließen. mode­Wahlrad auf der Kameravorder­ heit ist ein externer Controller, der über einen 6,2 Zoll
Allerdings ist die Auswahl im Augen­ seite zuordnen und so ohne Umweg großen Bildschirm mit Touchfunktion verfügt. So kann
blick noch nicht besonders groß. über das Bedienmenü abrufen. Die jeder Spieler ein Game aus seiner eigenen Perspekti­
Die 12,4­Megapixel­Kamera bietet Pentax Q10 soll Ende Oktober für circa ve steuern. Die Wii U bietet aber auch TV­ und Netz­
insgesamt neun Custom­Image­Modi, 500 Euro erhältlich sein. werkdienste. Bei Vorbestellung kostet sie derzeit ab
darunter »Bleach Bypass«, einen digi­ ≥ www.pentax.de/de/system 300 Euro. ≥ http://is.gd/nwiiu +++ Sony RX1. Kom­
talen Effekt, der wirkt, als habe man kameras/my-PENTAX-Q10.html paktkameras gibt es wie Sand am Meer, doch Sony
hat für ihre photokina­Neuheit Cyber­shot DSC­RX1
einen echten Vollformatformatsensor in ein 113,3 mal
65,4 mal 69,9 Millimeter großes Gehäuse gesteckt,
was diese zur momentan kleinsten Vollformatkame­
ra der Welt macht. Ausgestattet ist sie einer 35­Milli­
meter­Festbrennweite von Carl Zeiss und bietet
auch sonst exzellente Kennzahlen. Die haben natür­
lich auch ihren Preis: rund 3100 Euro. ≥ www.sony.de/
product/dsc-r-series/dsc-rx1 +++ Matias tactilepro.
Mit Apples lachen Alutastaturen kann nicht jeder
etwas anfangen. Darum hat der kanadische Herstel­
ler Matias ein Keyboard herausgebracht, das sich
beim Tippen fast wie das alte Apple Extended Key­
board anfühlt und auch so ähnlich aussieht. Das tac­
Mit der Q10 hat Pentax tilepro bietet ein deutsches Tastaturlayout und ist
die derzeit kleinste System- für rund 130 Euro bei GetDigital zu haben. ≥ http://
kamera im Portfolio is.gd/tactilepro
100 PAGE 11.12 TECHNIK Tools & Technik

Neue Windows-Emulatoren für den Mac


n Mit VMWare und Parallels haben die VMWare Fusion 5 kostet – egal, ob
zwei wichtigsten Anbieter von Mac­ als Update oder neu knapp 45 Euro –,
Emulationssoftware Neuaulagen ihrer rund 80 Euro fällig werden für die Pro­
Tools vorgestellt. Anlass ist der bevor­ fessional­Variante, die sich an Firmen
stehende Start von Windows 8 und mit Systemadministrator wendet. Par­
Software-Ticker der erfolgte Start von Mac OS X 10.8. allels Desktop 5 kostet knapp 80 Euro.
Sowohl das neue VMWare Fusion 5 als Daneben existieren weiterhin Alterna­
+++ Neue Funktionen für 3ds max und Maya 2013. auch das neue Parallels Desktop 8 un­ tiven wie Apples Bootcamp, das den
Anwender der Autodesk­Programme 3ds max 2013 terstützen die neuen Versionen des Mac im PC­Modus startet, oder Cross­
und Maya 2013 dürfen sich über verbesserte physika­ Wirts­ und des Gastbetriebssystems. over, das Windows­Software ohne Win­
lische Simulationen und einen glatteren Worklow Weiterhin versprechen die Upgrades dows direkt auf dem Mac zum Laufen
freuen – wenn sie einen entsprechenden Subskripti­ eine bessere Performance des Gast­ bringt, oder auch VirtualBox.
onsvertrag abgeschlossen haben. Die Erweiterung für betriebssystems und einen sparsame­ ≥ www.vmware.com/de/;
3ds Max, das neue Modul mParticles, verbessert das ren Umgang mit den Systemressour­ www.parallels.com/de; www.code
Particle­Flow­System, mit dem sich individuelle phy­ cen des Wirtsrechners. weavers.com; www.virtualbox.org
sische Simulationen mit Partikeln gestalten lassen,
etwa Feuer, Wasser oder Schnee. Maya­2013­Anwen­
der sollen vor allem von einem besseren Worklow Im Praxistest Quark DesignPad
proitieren. Die Erweiterung für das 3­D­Animations­
programm sorgt dafür, dass die Daten reibungsloser Jeder Weg beginnt mit einem Stockfotodienst – lassen sich bequem
verarbeitet werden. Darüber hinaus bietet der neue ersten Schritt. Diesen ersten handhaben. Sogar Transparenzen las­
Maya DX11Shader Zugang zu den Vorteilen von Mi­ Schritt hat Quark nun in Rich­ sen sich festlegen.
crosoft DirectX 11 für das Bearbeiten von Assets. Die tung Layouten auf dem iPad getan, und Etwas hakelig wird es dann jedoch
notwendige Subskription kostet ab 1500 Euro pro wer will, kann sich das Ergebnis na­ beim Export. Zur Auswahl stehen nur
Jahr. ≥ http://is.gd/mayamax +++ Windows 8 Store. mens Quark DesignPad gratis auf sein PNG und Quarks eigenes QXP­Format.
Seit Mitte September steht der Windows 8 Store Ent­ iPad laden. Was dann nach dem Tip­ PDF fehlt leider. Störender ist aber,
wicklern in 120 Ländern weltweit offen. Damit möch­ pen auf das Icon startet, ist natürlich dass es Probleme beim Übertragen der
te Microsoft sicherstellen, dass zum ofiziellen Start kein echtes Layoutprogramm. Quark Bilddaten gibt. Wer auf dem iPad Bil­
von Windows 8 bereits genügend Anwendungen spricht daher auch von einer Preview. der aus dem lokalen Album platziert
vorhanden sind. Weiterhin fördert der Hersteller De­ Ausgangspunkt ist eines von elf hat, kann diese nicht zusammen mit
veloper, die ihre Produkte im Store anbieten, durch Layouttemplates wie Broschüre, Brief­ dem QXP­Dokument übertragen, wenn
kostenfreie Entwicklerkonten und andere Goodies. kopf oder Poster. Nach der Auswahl er dieses am Desktop­Computer wei­
≥ http://is.gd/windows8store +++ iTunes 11. Apple erlaubt die App, die Vorlage anzupas­ terbearbeiten möchte. Doch immerhin:
hat die iTunes­Desktop­Version einer gründlichen sen und eigene Rahmen zu platzieren. Der Übergang von einem Gerät zum
Überarbeitung unterzogen. Freigegeben wird sie al­ Dabei arbeitet man entweder mit den anderen funktioniert grundsätzlich.
lerdings erst Ende Oktober. So setzt iTunes nun ver­ üblichen iPad­Gesten zum Vergrößern Man kann also jetzt schon auf dem
stärkt auf Bilder, insbesondere auf Albumcover. Dies oder Verkleinern, Verschieben und iPad mit DesignPad das grundlegende
soll auch das Aufinden von Inhalten erheblich er­ Eingeben oder einem Menü mit Schie­ Layout entwerfen und dieses später
leichtern. Tippt der User einen Suchbegriff ein, klappt bereglern und Direkteingabefeldern am Desktop ausarbeiten. Quark wird
eine Liste mit Vorschlägen aus, die auch das Cover auf der linken Bildschirmseite, mit de­ noch einige Schritte tun müssen, da­
zeigt. Mit einem Klick kann der Titel dann direkt aus ren Hilfe sich Objekte präzise anpas­ mit aus der Preview ein wirklich leis­
der Suche gestartet werden. ≥ www.apple.com/de/ sen lassen. Die Eingabe von Text ist tungsfähiges Tool wird. Doch die Rich­
itunes/new-itunes +++ iTunes Ping am Ende. Gerüch­ komfortabel und auch Bilder – aus dem tung stimmt schon mal. dsc
te machten schon länger die Runde, nun ist es ofi­ internen Fotoalbum oder von einem ≥ http://is.gd/quark_designpad
ziell. Am 30. September gab Apple endgültig den
Versuch auf, ein eigenes soziales Netzwerk für Musi­
kliebhaber aufzubauen. An die Stelle des vor zwei
Jahren gestarteten Ping treten Facebook und Twit­
ter. Das entscheidende Manko von Ping war die feh­
lende Facebook­Integration. +++ Adobe mag kein
Windows XP mehr. Der kalifornische Softwareher­
steller verabschiedet sich mit seinen Creative­Suite­
Programmen zunehmend von Microsofts Legacy­Be­
triebssystemen. Bereits beim Start von CS6 gab Ado­
be bekannt, dass die neue Version von Photoshop
das ungeliebte Windows Vista künftig nicht unter­
stützen wird – das noch ältere Windows XP hingegen
schon. Doch auch das wird nächstes Jahr Vergangen­
heit sein: Wie Adobe jetzt in einem Blogbeitrag be­
kannt gab, ist Photoshop CS6 die letzte Version für
diese Betriebssysteme. Der Grund dafür soll die ver­
altete Unterstützung für 3­D­ und Lichteffekte sein.
≥ http://is.gd/adobeblog Sowohl über Schieberegler als auch über die iPad-typischen Gesten lässt
sich in DesignPad das Layout bearbeiten
106 PAGE 11.12

EINBLICKE
Diese schnellen, gesunden Gerichte bereiten Kreative zu, wenn es in Studio oder Agentur hoch hergeht

Veganer Bohnensalat
6 EL Olivenöl
1 EL Balsam-Apfelessig
1 TL Senf
1 TL Agavensirup
1 kleine rote Zwiebel
Salz und Pfeffer
150 g grüne Bohnen
1/2 Salatgurke
2 bis 3 Tomaten
ca. 15 schwarze Oliven
ein paar Kapern

Zubereitung
Die Bohnen kochen und abkühlen lassen, alle Zutaten klein-
schneiden und vermischen. Den Salat kann man wahlweise
mit Hanföl oder Blattpetersilie verfeinern und je nach Sai-
son dicke Bohnen dazugeben.

Katrin Ackermann, Senior Webdeveloper bei JvM/next


in Hamburg, bereitet den veganen Bohnensalat gern an
warmen Sommertagen zu – oder wenn sie nach der
Arbeit noch unterwegs ist: »Er ist sehr gehaltvoll, enthält
hochwertige Fette und wenig Kohlenhydrate. Zudem
lässt er sich gut im Voraus zubereiten.«

Power-Fenchel-Tomaten-Salat
1 Fenchel
10 bis 12 Cherrytomaten
1/4 Bund Koriander
10 Blätter Basilikum
4 EL Olivenöl
3 Limetten
1 TL Honig
1/2 TL Kümmel (geröstet)
Salz und Pfeffer

Zubereitung
Fenchel in dünne Scheiben schneiden, Tomaten halbieren,
Koriander und Basilikum kleinhacken. Anschließend alles
vermischen. Für das Dressing Olivenöl, Limettensaft, Honig
und Kümmel anrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Für Roland Vanoni, CCO bei Grey in Düsseldorf, ist der Salat
das ideale Mittagspausenessen im Sommer: »Schnell in
der Zubereitung – gerne morgens vor der Arbeit –, leicht im
Bauch und macht trotzdem schwer satt.« Das Rezept
hat seine Frau für ihn erfunden: »Weil ich immer so gestresst
nach Hause kam. Fenchel und Kümmel kennt man ja als
Tee für ihre beruhigende Wirkung auf den Magen – daraus
hat sie dann einfach einen Salat gemacht.«
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Knäcke-Quader
2 Scheiben Knäckebrot
1 Scheibe Käse, zum Beispiel Gouda, Edamer oder Cheddar
1 Scheibe Wurst, zum Beispiel Mortadella (lässt sich gut
schneiden)
2 Blätter Salat, zum Beispiel Römer- oder Eisbergsalat
etwas Butter

Zubereitung
Das Knäckebrot dient als Schablone für die anderen Zu-
taten, die dazwischen gelegt werden. Beim quadratischen
Scheibenkäse gibt es am wenigsten Verschnitt. Die über-
stehenden Salatblätter sowie Wurst und Käse mit einem
Cutter am Rand des Knäckebrots abschneiden, um Tropfen
und Kleckern beim folgenden Arbeiten zu vermeiden.

Ursula Eisen, Design Director bei feldmann+schultchen in


Hamburg, indet: »Essen am Schreibtisch geht eigentlich
gar nicht, aber manchmal rennt die Zeit. Wenn es schnell
gehen muss, gibt es was auf die Hand – ein Knäcke-Sand-
wich ist einfach und trotzdem superlecker.«

Blaubeermuffins
Für den Teig Für die Streusel
Butter bzw. 70 g Mehl
Papierförmchen fürs Blech 50 g zarte Haferlocken
480 g Blaubeeren 70 g Zucker
350 g Mehl 1/2 TL Zimt
110 g Zucker 6 EL weiche Butter
2 TL Backpulver
1 TL Natron
1/2 TL Salz
350 g Buttermilch
60 ml Planzenöl
2 Eier
1 Päckchen Vanillezucker

Zubereitung
Backofen auf 200 Grad (Umluft: 170 Grad; Gas: Stufe 3) vor-
heizen. Mufinblech fetten oder mit 12 Papierförmchen aus-
legen. Für die Streusel das Mehl in die Schüssel sieben. Ha-
ferlocken, Zucker und Zimt hinzufügen und vermischen.
Danach Butter in kleinen Stücken dazugeben und verkneten.
Blaubeeren waschen, abtropfen lassen, in eine Schüssel ge-
ben und mit 1/2 EL Mehl bedecken. Für den Teig das restli-
Milena Geiger, Brand Managerin che Mehl in eine Schüssel sieben. Zucker, Backpulver, Natron
bei Greenkern, Berlin, macht und Salz hinzufügen und mit einem Schneebesen verrühren.
Freunden und Arbeitskollegen mit Buttermilch, Öl, Eier und Vanillezucker in eine Schüssel gießen
ihren Blaubeermufins gern mal und vermischen. Die Mehl- nach und nach zur Buttermilchmi-
eine Freude: »Sie sind schnell schung geben und so lange unterrühren, bis das Mehl ganz
zuzubereiten, schön saftig und mit eingearbeitet ist. Blaubeeren vorsichtig unterziehen. Teig in
ihrer knusprigen Haferlocken- die Mufinformen füllen, Streusel darauf verteilen. Mufins auf
streuselkruste immer ein Erfolg.« der mittleren Ofenschiene 25 Minuten goldbraun backen.
108 page 11.12

KALENDER
Messen • Kongresse • Seminare Messen • Kongresse • Seminare
Bregenz VLOW!12 Berlin E:Publish
4. bis Kommunikationsdesignkongress mit dem Themen- 15. bis Kongress für Neues Publizieren Adlershof con.vent.
6. Oktober schwerpunkt »Das Design der Kundenbeziehung« – 16. November ≥ http://is.gd/nqgzif
und Stargast Daniel Libeskind Festspielhaus Bregenz
≥ http://vlow.net Düsseldorf beyond tellerrand
19. bis Vorträge und Workshops zu Webdesign und Web-
Berlin NEXT Service Design Conference 21. November development – unter anderem mit Luc(as) de Groot,
8. Oktober SinnerSchrader geht mit einer Konferenz rund Mark Boulton, Geri Coady und Bruce Lawson
um Design Thinking, User-zentriertes Design und Capitol Theater und Jacobihaus
Interaction Design an den Start Alte Münze ≥ http://2012.beyondtellerrand.com
≥ http://nextberlin.eu
München push conference
Frankfurt/Main Frankfurter Buchmesse 2012 23. bis Die von envis precisely veranstaltete Konferenz will
10. bis Das Gastland ist diesmal Neuseeland. Neben den 24. November die Lücke zwischen UX Design und Interactive Arts
14. Oktober Verlagspräsentationen gibt es ein Konferenz- schließen BMW Welt und Alte Kongresshalle
programm der Frankfurt Academy Messe Frankfurt ≥ http://push-conference.com/2012
≥ www.buchmesse.de/de
Hamburg Leitmedium Design 1: Gutes Design entwickeln

Von unten: Pierre Mendell, Don Carlo, 1999; Ed Ruscha: Oh No, 2011, Handgestochenes Intaglio auf Buchschnitt, 28 x 22 x 8 cm, Foto: Paul Ruscha © Ed Ruscha
Berlin ADC Management Dialog – Social Media 2012 1. März 2013 PAGE-Seminar mit Jochen Rädeker (siehe Seite 90)
11. bis Zu den Referenten zählen Christoph Bornschein Gastwerk Hotel Hamburg
12. Oktober und Alina Hückelkamp Scholz & Friends ≥ www.page-online.de/seminar
≥ www.adc.de
Hamburg Leitmedium Design 2: Gutes Design gut verkaufen
Leipzig Leipziger Typotage 2012 2. März 2013 PAGE-Seminar mit Jochen Rädeker (siehe Seite 91)
13. Oktober Das Thema lautet »Echt oder falsch? Geld zwischen Gastwerk Hotel Hamburg
Gestaltung, Herstellung und Fälschung« ≥ www.page-online.de/seminar
Museum für Druckkunst Leipzig
≥ www.typotage.de Hamburg Neu! Infograik-Seminar
8. April 2013 PAGE-Seminar mit Jan Schwochow (siehe Seite 60 f.)
Berlin DMMA OnlineStar 2012 Gastwerk Hotel Hamburg
18. Oktober Awardverleihung mit Gala-Dinner Hotel de Rome ≥ www.page-online.de/seminar
≥ www.dmma-onlinestar.de
Festivals • ausstellungen
London TYPO London 2012 »Social«
19. bis Um Gestaltung als »social act« im umfassenden Sinne Bregenz Ed Ruscha. Reading Ed Ruscha
20. Oktober geht es bei der internationalen Designkonferenz Bis Die von dem Künstler und Graik-Designer selbst kon-
Logan Hall, University of London 14. Oktober zipierte Ausstellung widmet sich der Bedeutung des
≥ http://typotalks.com/london Buchs beziehungsweise dem Akt des Lesens in seinem
Werk. Dabei beschränkt sie sich nicht auf Ed Ruschas
Hamburg Konferenz Annual Reports Malerei, sondern präsentiert auch Buchobjekte,
22. Oktober Event zur Eröffnung der Ausstellung (siehe Seite 9) Zeichnungen und Ölgravuren Kunsthaus Bregenz
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg ≥ www.kunsthaus-bregenz.at
≥ www.hgb.de
Nürnberg Pierre Mendell. Plakate
Potsdam animago award & conference Bis 14. Oktober Seine klaren, prägnanten graischen Kompositionen
25. bis Event der 3-D-Animationsbranche bestimmten seit den 1980er Jahren die öffentliche
26. Oktober Metropolis Halle am Filmpark Babelsberg Wahrnehmung von Kulturinstitutionen wie Die Neue
≥ www.animago.com Sammlung oder die Bayerische Staatsoper. Daneben
hat der in Essen geborene Designer (1929 bis 2008),
Frankfurt/Main viscom 2012 der 1934 mit seinen Eltern vor dem Naziregime liehen
25. bis Messe für visuelle Kommunikation Messe Frankfurt musste, immer wieder Plakate für humanitäre Anlie-
27. Oktober ≥ www.viscom-messe.com gen gestaltet. Die Ausstellung zeigt erstmals auch
vorbereitende Skizzen und Collagen Pierre Mendells
Berlin UPdate – Salon für Fotograie Neues Museum für Kunst und Design Nürnberg
26. Oktober Get-together der Bildbranche Ritz Carlton Hotel ≥ www.nmn.de
≥ www.up-date.ws
Hamburg Boom! Transmediales Story-Training Eindhoven Dutch Design Week
26. bis Workshop von PAGE & Good School (siehe Seite 43) 20. bis Das Festival gibt einen Überblick über die neusten
27. Oktober Good School 28. Oktober Designtrends bei unseren Nachbarn
≥ www.page-online.de/seminar ≥ www.dutchdesignweek.nl
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≥ Weitere Termine unter www.page-online.de/events. Dort können Sie uns auch Ihre Veranstaltungstermine mitteilen

Festivals • ausstellungen Wettbewerbe


Von unten: Pete Docter: Sullivan und Mike, Die Monster AG, 2001, Filzstift © Disney/Pixar; Kin-Wah Tsang, Fuckingstupidhumanrights . . ., 2004, Plakatsammlung © ZHdK (Ausschnitt); Clifford Cofin . American Vogue . June 1949

Nürnberg Internationaler Faber-Castell Preis für Zeichnung Bis 19. Oktober Jahrbuch der Werbung 2013
Bis Der neue Illustrationspreis wurde in diesem Jahr Gesucht sind besten Kampagnen und Einzel-
21. Oktober erstmals vergeben. Neben den Arbeiten der Gewin- maßnahmen des Jahres 2012 (siehe Seite 15)
nerin, der US-Künstlerin Trisha Donnelly, sind die ≥ www.jdw.de
der Nominierten zu sehen: Sevda Chkoutova,
Sabine Moritz, Paulina Olowska und Jorinde Voigt Bis Young Illustrators Award 2012
Neues Museum Nürnberg 31. Oktober Gestalter sind aufgerufen, Artworks in den drei
≥ www.nmn.de Kategorien Illustration, Animation sowie Book
© Condé Nast; Pieter Hugo: ohne Titel, aus der Serie: Permanent Error, 2009, Agbogbloshie Market, Accra, Ghana © Pieter Hugo; Sevda Chkoutova: 24h, 2009–10, Foto: NMN (Annette Kradisch)

Illustration/Book Art einzureichen (siehe Seite 20)


Essen Afrika – Relexionen im Plakat/ ≥ www.illustrative.de
Bis Afrika, hin und zurück
21. Oktober Gleich zwei Ausstellungen zum Trendthema Afrika Bis Newcomer-Agentur des Jahres 2012
(siehe Seite 52 ff.) sind derzeit in Essen zu sehen. Das 31. Oktober Gekürt wird die beste Agenturneugründung
Deutsche Plakat Museum erkundet den »kolonialen«, ≥ www.jdw.de
den »antikolonialen« und den »afrikanischen Blick«
auf den Kontinent, und die Fotograische Sammlung Bis Gute Plakate
zeigt Arbeiten von Rolf Gillhausen, Malick Sidibé, 31. Oktober Wettbewerb für kreative und öffentlichkeits-
Pieter Hugo und anderen Folkwang Museum wirksame Kulturplakate
≥ www.museum-folkwang.de ≥ www.guteplakate.de

Leipzig Designers’ Open 2012 Bis 2013 New York Festivals Advertising Awards
25. bis Konferenz zum Thema »smart technology – new 5. November Internationaler Kreativwettbewerb
28. Oktober design«, Messe und Ausstellung ≥ http://www.newyorkfestivals.com
≥ www.designersopen.de
Bis SXSW Interactive Awards 2013
Berlin Zeitlos schön. 100 Jahre Modefotograie von 9. November Von Activism bis Technical Achievement bietet
Bis Man Ray bis Mario Testino der Interactive-Wettbewerb eine Fülle unter-
28. Oktober Wie kein anderer Verlag hat Condé Nast die Mode- schiedlichster Kategorien für digitale Arbeiten
fotograie geprägt, indem er herausragende Foto- ≥ http://sxsw.com/interactive/awards
grafen für seine Magazine »Vogue« oder »Vanity Fair«
engagierte, darunter Edward Steichen, Erwin Blumen- Bis Out of Balance – Kritik der Gegenwart
feld, Irving Penn oder Tim Walker. Zu sehen sind 12. November Designpreis für Informationsvisualisierungen, die
sowohl Originalfotos als auch layoutete Bildstrecken komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge und
(siehe PAGE 09.12, Seite 88 f.) C/O Berlin Zukunftsherausforderungen verständlich machen
≥ www.co-berlin.info (siehe PAGE 10.12, Seite 12)
≥ www.archplus.net; www.bauhaus-dessau.de
Zürich Schrift-Bilder – Zeitgenössische Plakate aus China
Bis 12. November In China ist eine junge Generation von Gestaltern Bis More With Less Challenge
dabei, die reiche Schriftkultur des Landes auf neue 20. November Einen ungewöhnlichen Gewinn gibt es bei diesem
Weise für sich zu interpretieren und eine eigen- Gestaltungswettbewerb von Chromolux – nämlich
ständige Plakatkultur zu begründen. Damit setzt ein Sondermodell der Miniküche miniki. Gesucht
sie sich sowohl von den Globalisierungstendenzen sind Arbeiten etwa aus Kommunikations-, Corporate
im Graikdesign wie auch von den bunten Bilder- oder Editorial Design, die sich durch die Reduktion
bogen der Mao-Zeit ab. Die sehenswerte Ausstel- aufs Wesentliche auszeichnen
lung des Züricher Museums für Gestaltung läuft bis ≥ www.chromolux.de
zum 12. November Schweizerische Nationalbank,
Fraumünsterstraße/Stadthausquai Bis Plagiarius Wettbewerb 2013
≥ www.museum-gestaltung.ch 30. November Ziel der »Auszeichnung« ist es, Fälle von Produkt-
und Markenpiraterie aufzudecken
Bonn PIXAR – 25 Years of Animation ≥ www.plagiarius.com
Bis 6. Januar 2013 Mit »Toy Story«, dem ersten komplett computer-
animierten Film, hat das kalifornische Studio 1995 Bis Call for Entries: Internationales Trickfilm
das Genre des Trickilms revolutioniert. Diese 1. Dezember Festival 2013
Ausstellung widmet sich den Vorarbeiten für die Gesucht sind nach dem 1. Oktober 2011 produzierte
Filmproduktion, bei denen traditionelle künst- Animationsilme für den Internationalen Wettbewerb
lerische Techniken wie Pastellmalerei oder Bild- (Kurzilm), AniMovie (Langilm), Young Animation
hauerei eine überraschend große Rolle spielen (Studentenilm), Tricks for Kids – Kurzilm und Serie
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik oder Cartoons for Teens (Kurzilme, Serien, Animes,
Deutschland Machinimas und Cut Scenes aus Computerspielen)
≥ www.bundeskunsthalle.de ≥ www.itfs.de
110 PAGE 11.12 Publikationen

PUBLIKATIONEN

Die erste Ausgabe von Charles Dickens’


»Great Expectations« als Zeitungs-
fortsetzungsroman – für Paul McNeil
bereits das perfekte Layout

Wie ein Konkretes Gedicht in Form


eines Schlüsselbarts setzte Studio Frith
den Text, denn Gefängnisse spielen
eine wichtige Rolle in dem Roman

Hauptigur Pip will ein Gentleman


werden, worauf James Ward mit
einem Schnurrbart Bezug nimmt

Von dem auf der ersten Seite


vorkommenden Grabstein ließ sich
Cecilia Lindgren inspirieren

Quentin B. visualisiert Pips Unsicher-


heit bezüglich seiner Identität

n »Page 1«. Die erste Seite eines Ro­ Dieses abwechslungsreiche Büch­ ner im Default­Font gesetzten Textver­
mans ist zweifelsohne die, über die lein zeigt die Ergebnisse und fängt zu­ sion in der Notes­App führt. Oded Ezer
Schriftsteller am meisten grübeln, soll nächst ganz ernsthaft an – auch mit aus Israel ließ eine hebräische Textver­
sie doch den Leser gleich so fesseln, Beiträgen deutscher Gestalter wie Erik sion per Google Translate ins Englische
dass er das Buch gar nicht wieder aus Spiekermann oder Judith Schalansky, übersetzen . . . Alle Gestalter erklären
der Hand legen kann. Ebenso viel tüf­ die sich für klassische Layouts entschie­ ihre Schriftwahl und ihren Ansatz mehr
teln wohl die Gestalter, die diese Sog­ den. Andere gingen experimenteller oder minder ausführlich, sodass man
wirkung durch ihr Seitenlayout unter­ vor, wie Susanne Dechant oder Cart­ nicht nur viel über die Gestaltung lite­
stützen, aber auch den Ton für das lidge Levene, die die Wörter nach An­ rarischer Texte erfährt, sondern auch
ganze Buch setzen sollen. Wie unter­ fangsbuchstaben oder Wortarten sor­ über Charles Dickens und den Stellen­
schiedlich man diese Aufgabe lösen tierten. Jonathan Barnbrook präsen­ wert, den Literaturklassiker im digita­
kann, zeigt ein kleines Experiment: tiert den Text als Diagramm, Astrid len Zeitalter für Designer haben.
Lucienne Roberts und Rebecca Wright Stavro als Boustrophedon, sprich mit > Lucienne Roberts, Rebecca Wright:
baten siebzig renommierte Designer von Zeile zu Zeile wechselnder Schrift­ Page 1: Great Expectations. Seventy
und Typografen, die erste Seite von richtung. Andere stellten Bezüge zum graphic solutions. London (Graphic-
Charles Dickens’ Klassiker »Große Er­ digitalen Zeitalter her. Yu Jin Kang et­ Design&) 2012, 316 Seiten. 15 Pfund.
wartungen« umzusetzen. wa lieferte einen QR­Code, der zu ei­ isbn 978-0-9572381-0-7
PAGE 11.12 111

Prägen, kleben
und stempeln ist
angesagt – hier
n »Identity Suite«. Wieso ist ein kon­ ein von Cornwell
sistentes Erscheinungsbild so wichtig? entworfenes
Erlebt man bei jedem Kontakt mit ei­ Identity-Set
nem Corporate Design immer wieder
dieselbe Qualität, dieselben Werte und handelt es sich um Entwürfe für Un­ len Touch. Gut investierte Liebesmüh,
Emotionen, überträgt man diese auto­ ternehmen der Kreativbranche, Shops, gerade in unserem oft so unpersönli­
matisch auf die Firma, für die es steht. Food­ oder Modelabels –, aber die chen Zeitalter. Und wenn beim Erschei­
Dieser bilderreiche, aber textarme Sam­ können ja bei Arbeiten für konserva­ nungsbild immer alles so individuell
melband zeigt Geschäftsausstattun­ tivere Kunden inspirieren. Deutlich im und sorgfältig gemacht aussieht, muss
gen, bei denen das funktioniert: Ohne Trend liegen Vintage­ und/oder Hand­ das ja auch für Produkt oder Dienstleis­
überhaupt zu wissen, für welches Pro­ made­Look. Man nutzt klassische, hap­ tung der Firma gelten – siehe oben.
dukt sie stehen, könnte man schwören, tische Papiere, verschenkt nicht mehr > Viction:ary: Identity Suite. Visual
dass es gut sein muss. Kugelschreiber, sondern Bleistifte, ver­ identity in stationery. Hongkong
Versicherungen oder Ingenieurbü­ leiht Aussendungen durch Stempel und (viction:ary) 2012, 256 Seiten.
ros sucht man zwar vergebens – meist graische Aufkleber einen individuel­ 42 Dollar. isbn 978-988-19438-8-0

n »Graphic Design Process«. Man Führer durch den


mag zunächst etwas verwirrt über den Botanic Garden
Sinn und Zweck dieses Buches sein, so von Oxford: James
verschieden sind die als ausführliche Goggin von Practise
Fallstudien präsentierten Projekte: Pla­ ließ die Kapitel über
kate, Erscheinungsbilder, Typedesign, Planzengattungen
Buchdesign, ein TV­Serien­Vorspann, auf Papieren ver-
die Neugestaltung der 10 000 Seiten schiedener Farben
starken Website von Sun Microsystems drucken, die sich
für Java­Entwickler. Tatsächlich geht auf dem Plan der
es darum, unterschiedlichste Prozesse Beete wiederholen
aufzuzeigen, mit denen prominente
Designer und Designbüros wie zum Bei­
spiel Johnson Banks, Michael Bierut, standene Produkt. Stefan Sagmeister > Nancy Skolos, Thomas Wedell:
Graphic Thought Facility, Ralph Schrai­ jedenfalls indet das Buch gut – was Graphic Design Process. From Problem
vogel oder Anette Lenz die ihnen ge­ den beiden Herausgebern einen leuch­ to Solution. London (Laurence
stellten Aufgaben lösen. Der Weg also tend gelben Sticker auf dem Buch­ King) 2012, 192 Seiten. 19,95 Pfund.
ist das Ziel, weniger das am Ende ent­ cover wert war. isbn 978-1-85669-826-9

n »Projektfeld Ausstellung«. Man bis zum Besucherzentrum Welterbe ein Blick hinter die Kulissen von unter­
kann den Deutschen wirklich nicht vor­ Regensburg: Quer durch Deutschland schiedlichsten Ausstellungsgestaltun­
werfen, ihr kultur­ und kunsthistori­ entstand in den vergangenen Jahren gen – und eine Reise durch die deut­
sches Erbe nicht zu plegen. Vom Pom­ eine Vielzahl hochklassiger Museen und sche Kulturlandschaft. cg
merschen Landesmuseum Greifswald Ausstellungen, nicht selten unter Be­ > Aurelia Bertron, Ulrich Schwarz,
bis zur KZ­Gedenkstätte Flossenbürg, teiligung von Bertron Schwarz Frey. Das Claudia Frey: Projektfeld Ausstellung.
von der Neugestaltung des 1907 erbau­ Designbüro mit Sitz in Berlin und Ulm Eine Typologie für Ausstellungsgestal-
ten Tropenhauses im Berliner Botani­ hat hier Konzept und Realisierung ei­ ter, Architekten und Museologen.
schen Garten – eines der größten frei­ niger seiner wichtigsten Projekte zu­ Basel (Birkhäuser) 2012, 416 Seiten.
tragenden Gewächshäuser der Welt – sammengefasst. Herausgekommen ist 49,90 Euro. isbn 978-3-0346-0775-9

Präsentationsläche mit Informationstafeln und Vertiefungen für Objekte in einer Ausstellung über den Barockgarten Weikersheim
112 PAGE 11.12 Publikationen

Neuerscheinungen – kurz vorgestellt


Robert Klanten, Floyd Schulze: Forever. The New Tattoo. Berlin ergänzt um neu in Auftrag gegebe­
(Gestalten) 2012, 240 Seiten. 39,90 Euro. 978-3-89955-442-7. Das Buch ne Infograiken. Petra Fastermann:
stellt derzeit angesagte internationale Tattookünstler wie Fergadelic 3D-Druck/Rapid Prototyping. Eine
oder Scott Campbell vor, aber auch Peter Aurisch und Jessica Mach Zukunftstechnologie – kompakt er-
vom Berliner Studio Nevada Johnny oder Guy Le Tatooer und Madame klärt. Heidelberg und Berlin (Sprin-
Chän, die regelmäßig bei AKA Berlin anzutreffen sind. William ger) 2012, 179 Seiten. 39,95 Euro. 978-3-
Oliver, Susie Bubble: Style Feed. The World’s Top Fashion Blogs. 642-29224-8. Die Gründerin des Köl­
München (Prestel) 2012, 304 Seiten. 19,95 Euro. 978-3-7913-4718-9. Mo­ ner 3­D­Druckdienstleisters Faster­
deblogs gibt’s wie Sand am Meer – sechzig der Besten stellt Susie poly erklärt, wie 3­D­Printing für alle geht. Béla Anda, Stefan Endrös,
Bubble vor, selbst Gründerin des erfolgreichen Style­Wegweisers www. Jochen Kalka, Sascha Lobo: SignsBook – Zeichen setzen in der Kom-
stylebubble.co.uk. Württembergischer Kunstverein Stuttgart (Hrsg.): munikation. Wiesbaden (Springer Gabler) 2012, 275 Seiten. 49,95 Euro.
Re-Designing the East. Politisches Design in Asien und Europa. Ost- 978-3-8349-4008-7. Werbe­, Web­ und sonstige Medienprois machen
ildern (Hatje Cantz) 2012, 240 Seiten. 35 Euro. 978-3-7757-3466-0. Auf­ sich in dem Sammelband Gedanken über die Zukunft der Kommuni­
sätze über Design im Kontext der tiefgreifenden politischen und kation. Ollystudio Limited: Stencil Republic. London (Laurence King)
soziokulturellen Umbrüche in Osteuro­ 2012, 90 Seiten. 19,95 Pfund. 978-1-78067-013-3. Nach »The Street Art
pa (Ungarn, Polen, Tschechoslowakei) Stencil Book« von 2010 veröffentlicht Ollystudio eine neue Sammlung
und Asien (Indien, Thailand, Südkorea). von Schablonen – inklusive Porträts der zwanzig beteiligten Street
Ralf Grauel, Jan Schwochow, Ro- Artists. Laurent Seksik und Guillaume Sorel: Die letzten Tage von
bert Klanten: Deutschland verste- Stefan Zweig. Berlin (Jacoby & Stuart) 2012, 88 Seiten. 24 Euro. 978-3-
hen. Ein Lese-, Lern- und Anschau- 941787-78-0. Deutsche Übersetzung der zuerst auf Französisch erschie­
buch. Berlin (Gestalten) 2012, 240 Sei- nenen Graphic Novel um die Flucht des Schriftstellers Stefan Zweig
ten. 29,90 Euro. 978-3-89955-445-8. Der vor den Nazis und seinen Selbstmord in Brasilien. Christopher
Infograikboom geht weiter: Hier gibt Bonanos: Instant. The Story of Polaroid. New York (Princeton Archi-
es Schaubilder zu deutschen Themen, tectural Press) 2012, 192 Seiten. 24,95 Euro. 9781616890858. Der New
die bereits in »stern«, »SZ«, »ZEIT«, »Fi­ Yorker Autor und Blogger von Polaroidland hat eine amüsante Ge­
nancial Times« et cetera erschienen – schichte des Sofortbildkults geschrieben. cg

Und wer sind Ihre bevorzugten Romanautoren?


Was lesen Sie? Chuck Palahniuk. Bekannt wurde er durch die Verilmung von »Fight
Club«. Aber das ist sein erstes Buch – und für mich nicht unbedingt
Rein Steger sein bestes. Der Film ist besser. Mein Lieblingsbuch ist »Flight 2039«.
Proxi, Barcelona Sehr lustig! Ein Flugzeugentführer, der der letzte Überlebende einer
www.proxi.me Sekte ist und alle Passagiere hat aussteigen lassen, liegt mit voller
Geschwindigkeit und spricht seine Lebensgeschichte auf die Black­
box. Er muss genau dann fertig werden, wenn der Treibstoff aus ist.
Sie gestalten selbst häuig Bücher. Welcher Themenbereich ist für Es fängt mit Seite 300 an, wenn er abstürzt, ist man auf Seite 1. Bei
Sie dabei am spannendsten? Palahniuk scheint der Plot immer relativ chaotisch und schwierig,
Rein Steger: Ganz besonders mag ich Designtheorie, da ist eine bis man am Ende kapiert, warum die Handlung so war, wie sie war.
ganze Menge möglich, denn das Design von Theoriebüchern wird Mögen Sie auch spanische Schriftsteller?
in vielen Fällen vernachlässigt. Die zielen oft mit langen Beschreibungen darauf ab, dass im Kopf
Aber es gibt Ausnahmen. ein Bild entsteht. Ich bin eher Fan kurzer Sätze, die amüsante Fak­
Etwa »General Knowledge« von Stephen Bayley, Exdirektor des ten schildern. Wie bei Michel Houellebecq in »Ausweitung der
Londoner Design Museum. Das Buch sieht nicht nur schick aus, Kampfzone«. Da reist der Protagonist mit einem Arbeitskollegen,
sondern ist auch inhaltlich sehr smart. Bailey erklärt Designtheorie den er hasst, und überlegt, ob er sich selbst oder zuerst seinen
immer anhand von lustigen und alltäglichen Beispielen, beispiels­ Kollegen umbringen soll. Ein sehr kurzes Buch, prall gefüllt mit
weise seiner Begeisterung für Autos. schwarzem Humor. Genau richtig für einen freien Nachmittag.
page 11.12 113

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114 PAGE 11.12 Fundstücke von Jürgen Siebert

5 Thesen zur
Zukunft des Publishings
Kühne Kommentare von Jürgen Siebert zu Trends, Ereignissen und
dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen

n Was kommt nach Blogs, Facebook Sie sind nach unten hin offen, will hei-
und Twitter? Wie publizieren wir mor-
These 1 ßen: Wenn der Leser unten angekom-
gen? Das fragen sich sowohl die Fans Kuratieren ist das neue men ist, laden sich neue Inhalte, die an
sozialer Netze, also die Amateurverle- Publishing den bestehenden Strom angeknüpft
ger, wie auch Zeitungen, Zeitschriften Wer kein Autor ist oder keine Zeit fürs werden. Das nervt manchmal mehr als
und elektronische Medien. Es sind be- Schreiben hat, bedient sich der kür- eine endlos lange Site mit Rollbalken,
reits einige Nachfolgekandidaten auf zesten Form des Veröffentlichens – er vor allem wenn es keine mitlaufende
dem Markt, die gerade mit Energie da- zitiert. Visuelle Empfehlungen sind das Maßeinheit gibt, zum Beispiel ein Ver-
ran arbeiten, eine kritische Masse an Erfolgsgeheimnis von Pinterest, aber öffentlichungsdatum der Beiträge. Bei
Diese und weitere Mitgliedern aufzubauen. auch der Fotocommunity Instagram. Nachrichtenwebsites wissen wir inzwi-
Fundstücke von Allen voran Pinterest mit aktuell Ein Bild sagte mehr als 1000 Worte. schen, dass die aktuellsten Meldungen
Jürgen Siebert fin- zwischen 10 und 20 Millionen Mitglie- Auch viele Twitter- und Facebook-User ganz oben stehen und der Neuigkeits-
den Sie unter dern. Dabei handelt sich um eine Art tun nicht mehr als zitieren oder Sach- wert mit längerem Scrollen nachlässt.
www.page-online. kollektives Fotoalbum, in dem Nutzer verhalte, die ihnen gefallen oder die Bis es wie damals heißt: Nichts ist älter
de/fundstuecke Bildfundstücke mit eigenen Beschrei- sie ärgern, weiterzutragen. Das Urhe- als die Zeitung von gestern.
bungen an virtuelle Pinnwände hef- berrecht hinkt diesen Entwicklungen
ten. Andere Nutzer können diese Bil- bisweilen hinterher. Hoffentlich wird
der teilen (repinnen), ihren Gefallen es bald reformiert.
These 4
daran ausdrücken oder kommentie- Qualität wird wichtiger
ren. Klingt eigentlich ganz vertraut . . . Gerade die traditionellen Medien fuh-
kann man das nicht in jedem x-belie-
These 2 ren mit der These vor die Wand, im
bigen sozialen Netz machen? Ja, aber Publizieren wird noch Netz sei Qualität Nebensache. Haupt-
der Ton macht die Musik. Irgendwas einfacher sache, die Texte seien suchmaschinen-
ist anders bei Pinterest, leichter, ele- Mit den ersten Blogtools vor rund zehn optimiert, lössen üppig um Werbeban-
ganter, was vor allem Frauen zu gefal- Jahren hat sich das Publizieren demo- ner und würden von vielen gefunden.
len scheint, denn sie bilden mit rund kratisiert. Heute kann jeder sein eigener Es war die falsche Denke aus der ge-
80 Prozent die größte Nutzergruppe. Verleger sein und Millionen Leser errei- druckten Welt, wo Aulage die Wäh-
Sie haben das neue Netz stark ge- chen, ohne Druckerpresse. Doch wäh- rung Nummer 1 war, egal, ob konsu-
macht (siehe auch Seite 78 ff.). rend man damals noch etwas HTML miert oder links liegen gelassen. Das
Ein zweiter Wettbewerber um die und Servertechnik verstehen musste, Netz belügt sich nicht. Statistiken ent-
Gunst der Vernetzten ist Medium, ge- kann mit heutigen Tools jeder Schüler larven müden Content, Leser klicken
gründet von den beiden Twitter-Vä- publizieren. Reduzierte User Interfaces auf »Gefällt mir«. Heute werden exklu-
tern Evan Williams und Biz Stone. Ihre betonen die simple Bedienung.  sive und gut bewertete Nachrichten
neuste Idee ist eine Blogplattform, auf besser gefunden und häuiger gelesen.
der Veröffentlichungen nach Themen Qualität zahlt sich aus.
oder Inhalten zu Kollektionen gebün-
These 3
delt werden. Diese können privat oder Die Seite ist tot, es lebe
öffentlich sein. Noch weiß man nicht der Strom These 5
genau, wohin die Reise mit Medium ge- Die Seite war einst die technisch vor- Werbung wird
hen soll, mehr als ein kategorisiertes gegebene Maßeinheit für die kleinste weniger
Tumblr ist aktuell nicht zu erkennen. zu füllende Druckläche: Weniger zu App.net ist das erste Social-Media-Netz,
Der Vollständigkeit halber seien weite- schreiben war Verschwendung, wer das vom Tag seiner Gründung an kos-
re Kandidaten kurz aufgezählt:  mehr zu sagen hatte, dem drohte die tenplichtig ist (50 Dollar Jahresbeitrag
• Branch, eine Schwester-Site von Zweierpotenz-Eskalation: 2, 4, 8, 16 Sei- für Leser). Dafür verspricht der Dienst
Medium für Diskussionen, ten . . . Alles ist möglich, aber verlan- werbefreie Kommunikation. Auch die
• App.net, ein Microbloggingdienst, gen sie von einer Druckerei mal einen Entwickler von Mobile Apps haben die
kostenplichtig, weil werbefrei, 10-Seiter. Im Netz gibt es keine Be- Erfahrung gemacht, dass die Kunden
• Svbtle, ein Elite-Netzwerk ange- schränkung der Fläche, auch keine Min- gern etwas bezahlen, damit eine App
sagter Blogger. destgröße für eine Nachricht. Die Leser nicht mit Anzeigen nervt. Und so wird
Wer von den genannten Plattfor- haben sich an News-Ströme gewöhnt, die Werbung in kleinen Portionen mit
men das Rennen machen wird, steht manche komponieren sich maßge- kleinen Summen abgeschafft. Die Wer-
in den Sternen. Ziemlich klar ist jedoch, schneiderte Feeds. beindustrie wird daraus lernen: Sie
wie sich das digitale Publizieren ver- Auch »normale« Webseiten spielen muss sich als Partner des Verbrauchers
ändern wird. Meine fünf Thesen dazu: heute gerne mit ihrer Unendlichkeit. anbieten, anstatt ihn zu verärgern.

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