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Inhalt: Friedrich Doldinger: Meeres Strandgesang (Gedicht) / Lic.

Emil Bo: zwis@en Johanni und Michaeli /


(«jEduard Lenz: Der Mensch — seine Gefährdung und Bewahrung / Dr. Friedrich Rittelmeyer: „Ich bin der Weinstock,
ihr seid die Reben“ II / Gerhard Klein: Vom Haus, von der Tür und vom Tisch / Aus der Christengemein-
schaft: Die vier Sommertagungen (Wilhelm Kelber); Sommertage in der Christengemeinschaft zu Bremen (Friedrich
Gädeke); Woche in Pelechov (aus der Zeitschrift „Praha“); Die Freizeit in Stuttgart (Ernst Kalbe); Tagungs-Rüc-
blick (Lie. Emil Bock); Aus Soldatenbriefen; Mitteilung / Wilhelm Kelber: Zur Geschichte des Kultus.

Der Bezugspreis für die „Christengemelinschaft” beträgt Jährlich RM 7.50 (einschl. RM —.48 für Porto); vierteljährlich RM 2.— (einschl.
RM —.12 für Porto). Einzelheft RM —.70. Für das Ausland Jährlich RM 8.—. Altere Probeheftle zum Werben neuer Leser in beschränkter
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. er Vene eo

Monatsschrift zur religiösen Erneuerung. Begründet von Friedrich Rittelmeyer


Im Auftrag der Christengemeinschaft. herausgegeben von Lic.Emil Bock
17. Jahrgang 6 September 1940

Meeres Strandgesang
Friedrich Doldinger

Dreifach ist des Meeres Strandgesang: Draußen her der. Weiten eignes Walten!
Felsanschlagend Dröhnens Überschwang! Unaufhörlich edelstes Entfalten
Felsenstarkes müssen Seelen wollen, in gebändigt-freien Schaumeschören.
die vor solcher Wucht nicht brechen sollen. Liebe wird des Ewigen Liebe hören.-

Und dann noch dies leise Überfließen!


Rieselnd stilles Licht-in-Licht-Ergießen,
wie wenn Übenden aus Gnade-Sphären
Geister ganz als Geister sich gewähren.

Zwischen Johanni und Michaeli


Schlußansprache bei den Sommertagungen in Breslau, Berlin, Köln, Stuttgart
EmilBock

Die Tage unseres Zusammenseins waren, obwohl sie schon in den Ausklang der Johanniszeit fielen,
ein. rechtes Johannisfest: es verband sich in ihnen dankbare Freude-und tiefer Ernst. _
In der Jähresmitte, wo die Erdennatur den Gipfel ihrer Reife erreicht und von goldener kosmischer
Freude ganz durchglänzt ist, steht. Johanuies.der Täufer und.spricht im Namen alles äußeren irdischen
Daseins das ernste Sommersonnenwendwort vom Zurücktreten und Abnehmen zugunsten jener anderen
verborgeneren Macht, die nun wachsen muß. Der Abstieg der äußeren Natur setzt ein bis zur Winter-
sounenwende hin. Der Ernst Johannes des Täufers weist darauf hin, daß es zur Zeit der ersterbenden
Außenwelt gilt, die inneren Kräfte der Seele rege zu machen. Und in der Mitte des Jahresabstiegs,
zwischen Johanni und Weihnachten, steht als Zeichen und Mahnung zur verstärkten Anspannung des
Inneren das Michaelsfest. Um deu Herbstbeginn steigert sich der Ernst Johannes des Täufers zum
Götterernst. Der Erzengel Michael schreitet durch die. Jahreszeit und prüft, ob wir ernsthaft bemüht
sind, dem äußeren Niedergang. einen inneren Aufgang zu entringen.
Johannes der Täufer steht aber nicht nur in der Jahresmitte, sondern auch in der Weltenmitte, Sein
historisches Auftreten begleitete im großen Jahr der gesamten Menschlheitsgeschichte den Zeitpunkt der
Sommersonnenwende. Damals war die alte Welt, die ihr Leben aus den Kräften der Natur zog, zu ihrer
letzten äußersten Reife gelangt. Von da an mußte das natürliche Leben der Erde und der Menschheit
in den absteigenden Abschnitt der Entwicklung eintreten. Alle äußeren Weltinhalte mußten abnehmen
und chaotisch werden — wenn auch grandios-chaotisch —; die innere Welt dagegen mußte nun zu
wachsen beginnen. Das Mysterium von Golgatha war die Wegzehrung für die Menschheit auf dem Weg
des Weltabstieges. Das Michaels-Zeitalter, in das wir in der Gegenwart eingetreten sind, ist im großen
Jahreslauf des Weltenganges die Entsprechung zu der Michaelszeit in jedem Jahreskreise. Der Erzengel
schreitet heute nicht nur durch die herbstliche Jahreszeit, sondern durch das ganze Zeitalter mit seinen
dramatischen Völkerschicksalen. Er ruft auf und ermahnt zu den mächtigsten Aufschwüngen der inneren

8l
über das Wesen des Menschen und seine Stellung zü den übrigen Naturreichen aufklären wollte, desto
mehr verlor sie ihn aus den Augen. Seine Verwandtschaft mit anderen Wesen erschien ihr auf die Dauer
wichtiger als seine eigentümliche Stellung in der Welt. Schließlich trat immer mehr das Tier an die Stelle
‚des Menschen. Er wurde zum .obersten Säugetier. Aber die Untersuchung blieb dabei nicht stehen. Ein
Zweig der Naturwissenschaft entdeckte, daß die Tiere in mancher Hinsicht sogar vollkommener sind als
die Menschen. Der Adler hat ein schärferes Auge, der Hund einen besseren Geruchsinn, der Löwe mehr
Kraft als der Mensch. Es wurde die Ansicht vertreten, daß. der Mensch in mancher Hinsicht ein unvoll-
kommenes Tier sei. Von da war nicht mehr weit zu dem grotesken Satz eines englischen Forschers: „Der
Mensch ist ein infantiler Affe mit gestörter innerer Sekretion.“
Die Naturwissenschaft hat durch eine hundertjährige Forschung den Beweis erbracht, daß man durch
eine Untersuchung des Leibes das Wesen des Menschen nicht finden kann. Diese wichtige Tatsache ist
noch lange nicht genügend gewürdigt worden. Wer das Menschenwesen im Sichtbaren sucht, verliert es.
Das Fehlen eines wahren Menschenbildes wäre vielleicht für die Wissenschaft nicht so schlimm, weil
man hoffen kann, daß die Forschung weitergeht und zeitweilige Irrtümer überwindet. Aber der Mensch
kann nicht leben, wenn er nicht weiß, wer er ist. Bei vielen Zeitgenossen, die es erust mit der Zukunft
der Menschheit meinen, kann man beobachten, wie verhängnisvoll ihnen der Mangel eiuer wirklichen
Menschenanschauung wird. Erust Jünger z.B. versucht in seinem Buche „Der Arbeiter“ ein Gemälde
des modernen Lebens zu entwerfen. Dem Verfasser formt sich sein Menschenbild in den Stahlgewittern
des Weltkrieges. Langemarck ist ihm die Grenzscheide zweier Zeitalter. Als damals die jungen Frei-
willigen, mit dem Lied auf den Lippen, in das feindliche Feuer stürzten, zeigten sie sich als die letzten
Sendhoten eines Idealismus, dessen Sonnenfeuer sie den Tod verachten ließ. Aber Jünger übersieht
nicht, daß „diese Sänger am Opferhügel“ der Gesinnung unterlagen, die mit Hilfe irdischen Feuers
aus Gold und Eisen die verderblichen. Waffen des modernen Krieges geschmiedet hatte. Ein neuer
Mensch steigt aus den Materialschlachten des Weltkrieges, nüchtern, sachlich, aller technischen Mittel
sich souverän zur Herrschaft bedienend. Dieser nene Mensch hat nicht.mehr das Ideal des bürgerlichen
Zeitalters, eine sogenannte freie Persönlichkeit zu sein. Er fühlt-sich mehr als Typus, als Funktion einer
technischen Maschinerie, die über die ganze Erde als ihre Werkstatt verfügt. Seine Tugend besteht in
dem Wissen, daß er ersetzbar ist und daß hinter jedem Gefallenen die Ablösung in Reserve steht. Sein
Mut und seine Opferbereitschaft sind grenzenlos. Das technische Leben hat für ihn kultischen Rang.
Es beherrscht sein ganzes Sein, und alle, die noch den Dualismus von Macht und Recht, Mensch und
Natur, Körper und Seele, Geschlecht und Liebe predigen, gelten ihm als Verräter des Willens zur Macht.
Man kann Ernst: Jünger nicht abstreiten, daß er es mit dem Menschen ernst meint, daß er ihn groß
und stark sehen: möchte jenseits bürgerlicher ‚Sentimentalitäten und „Tugenden“. Aber er sagt uns
nicht, wozu der neue Mensch seine Herrschaft über die technischen Mittel der. Erde verwenden wird.
Wenn er schoni in der. Maschine einen Altar sieht, welchem Gott will.er opfern?
An dem Buche Jüngers wird deutlich, zu welchen Konsequenzen der Verstand führt, der zwar die
mechanischen Gesetze des Daseins einsieht und nach ihnen die Werkzeuge der Technik formt, aber sich
nicht zu einer wirklichen Anschauung vom Menschen erheben kann. Oder soll wirklich die Maschine
zum Maßstab werden, an dem der Wert des Menschen gemessen wird? Wo solche Bilder der Menschen-
zukunft erscheinen, ist es an der Zeit, nach den Kräften Ausschau zu halten, die uns das wahre
Menschenbild enthüllen und uns den Sinn des Daseins vermitteln.

Poor
Jeder Landmann kennt ein bestimmtes Lebensgesetz. Er weiß, daß er nicht die ganze Ernte des
Jahres zum Nutzen der Menschen verwenden darf. Einen Teil, und zwar. den besten, muß er der Er-
nährung entziehen und der Erde als Aussaat wieder zurückgeben. Die Erde dankt ibm dafür mit neuer
Ernte. Dieses biologische Gesetz im Haushalt der Natur gilt auch im Geistesleben des Menschen. Wir
dürfen nicht alle Kräfte, die uns zur Verfügung. stehen, für den Nutzen des alltäglichen Lebens ver-
wenden. Würden wir die gesamte Intelligenz tatsächlich nur zur Erforschung der äußeren Natur und
ibrer technischen. Beherrschung benützen, dann würde Jüngers „Neuer Mensch“ Wirklichkeit werden
und die Erde zum Schauplatz des Kampfes aller gegen alle. Ein Teil unserer Gedanken muß dem
irdischen Leben entzogen und auf dem Altare höherer Geistesinteressen zum Opfer gebracht werden.
Wenn uns die Naturforschung durch die Untersuchung des Leibes nicht das Wesen des Menschen auf-
zeigen kann, gibt sie damit indirekt zu: Also ist der Mensch seiner Natur nach übersiunlich. Dieses über-
sinnlich-geistige Wesen des Menschen zu erforschen und zu erleben, dazu muß ein Teil der menschlichen
Intelligenz verwendet werden. Von jeher hat man gewußt, daß im Irdischen des Menschen wahre Ge-
stalt nicht erfahren werden kann, sonderu daß uns dazu die Offenbarung einer höheren Welt zu Hilfe

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kommen muß. Diese Offenbarung ist das Evangelium. Nicht das geschriebene Buch, sondern = let.
mitteilung Gottes au den fragenden Menschengeist. Wer bis ins Letzte erfüllt ist von dem E:= :=
Frage nach dem Menschen, verwandelt sein Denken so, daß es zum Begreifen des Evanzeiiz=: fir
wird. In seinem Lichte erscheint uns der übersinnliche Ursprung des Menschen, seine Herk=-!: ==
Gott. Das erste Merkmal eines wahren Menschenbildes ist die Fähigkeit des Denkens zur begreffezz=-
Entgegennahme des Evangeliums von der göttlichen Welt als der ewigen Heimat des Menschengeiste:.
*

Es gibt viele Menschen und Menschengruppen, die deutlich die Gefahren sehen, die dem Leben drohen,
wenn der Mensch sich einseitig dem Erdenfeuer seines Intellektes und Herrschaftstriebes ergibt. Aus der
Sorge um den Menschen fordern sie eine feste Autorität, die vom Geiste her Sinn und Ziel des Daseins
bestimmt. „Der Mensch ist nicht ausgeläutert, es. gibt keinen vollkommenen, einigen, harmonischen, in
sich ungebrochenen Menschen; in jedem schläft noch eine Bestie... in jedem steigen noch Finsternisse
auf, unvermutet; selbst wenn er schon dem Gipfel des Läuterungsberges nahe zu sein glaubt, tauchen
plötzlich wieder Bestien in ihm auf, die ihn bedrohen und er muß wieder durch Flammen. hindurch-
gehen... solange (der Mensch) nicht vollkommen geläutert ist, kann er nicht autonom sein, er wird sich
mißtrauen müssen, er muß sich führen lassen, er kann nicht sich. selbst Gesetz sein.“. Wer solche Sätze
schreibt, wie hier P. Lippert S.J. in seinem Büchlein „Vom Wesen des katholischen Menschen“, denkt
aus der Sorge um den Menschen und dem Mißtrauen seiner rebellisch-sündhaften Natur gegenüber.
Müssen wir bei aller Anerkennung der „Bestie“ im Menschen im ‚grundsätzlichen Mißtrauen ver-
harren und seine Geschichte der unbeugsamen Führung. einer geistlichen Autorität anvertrauen? Die
deutschen Genien haben darauf eine wunderbare. Antwort gegeben.
Als die französische Revolution höchste Ideale der Menschheit in einem blutigen Terror ohnegleichen
ertränkte, wandten sich Geister wie Goethe und Schiller mit Schaudern von ‚diesem Schauspiel ab und
suchten auf ihre Weise eine Antwort auf die Fragen nach der Menschennatur und den Idealen eines
sozialen Lebens. 1795 veröffentlicht Goethe seinen Roman „Die Uüterhaltungen deutscher Aus-
gewanderter“, in dem er eine Gesellschaft schildert, die, auf der Flucht vor den Schrecken der Revolution,
sich zunächst über Gespenstergeschichten unterhält, dann aber immer .ernster das Hereinspielen' des
Übersinnlichen in das Leben verfolgt, bis im Märchen von der Grünen Schlange und der Schönen Lilie
die Brücke vom einen Ufer der Welt zum andern gebaut wird: Während Goethe an diesem Romane
schrieb, gestaltete Schiller denselben. Inhalt in seinen „Briefen ‘über die ästhetische Erziehung“. Er
wirft die Frage auf, wie man eine menschenwürdige Gesellschaftsordnung aufbauen kann. Das erste
Erfordernis dazu ist das Wissen vom Wesen des Menschen. Daher versucht Schiller zunächst den
Menschen als solchen zu beschreiben.. Der Mensch ist für ihn ein lebendiger Widerspruch. Seine leibliche
und seine geistige Natur scheinen ihn zu einer ewigen Disharmonie zu verdamimen. Aber das Herrliche
an den Gedanken Schillers besteht gerade darinnen, daß für ihn der Mensch nicht etwas Fertiges ist,
sondern daß jeder sich selbst erst zum Menschen erschaffen muß. Das kann er nur, wenn er zu dem Stoff-
trieb seines Leibes und dem Formtrieb seines Geistes eine dritte Kraft hinzufindet — die Kraft der
Freiheit und Liebe. „Wenn wir jemand’ mit Leidenschaft umfassen, der unserer Verachtung würdig
ist, so empfinden wir heinlich die Nötigung der Natur. Wenn wir gegen einen anderen feindlich gesinnt
sind, der uns Achtung abnötigt, so empfinden wir peinlich die Nötigung der Vernunft, sobald er aber
zugleich unsere Neigung interessiert und unsere Achtung sich erworben, so verschwindet sowohl der
Zwang der Empfindung als der Zwang der Vernunft, und wir fangen an ihn zu lieben.“ Das Geheimnis
des Menschen liegt in seiner F ähigkeit zu lieben. Freilich auch Schiller gesteht, daß wir nie den voll-
kommenen Gegenstand unserer Liebe finden. Denn wo ist das Wesen, das uneingeschränkt die Neigung
unseres Herzens und zugleich die Achtung unseres Geistes herausfordert? Hier ist die Stelle, wo
Schillers Gedanken unmittelbar in das Christentum einmüinden. Christus ist das einzige Wesen, dessen
göttliche Hoheit unsere höchste sittliche Verehrung und dessen Nähe zu allem Menschlichen unsere rest-
lose Neigung auslöst. Ihn allein können und dürfen wir grenzenlos lieben. Er ist in seiner Harmonie
von Göttlichem und Menschlichem die vollkommene Schönheit selbst. Es ist aber eine Erfahrungstat-
sache, daß Christusliebe zur Menschenliebe wird, die da weiß, daß Geben seliger ist denn Nehmen. Wer
sich durch solche Gedanken ‘des deutschen Idealismus zu .Christus hinführen läßt, braucht nicht mehr
grundsätzlich dem Menschen zu mißtrauen. Er weiß auch, daß: keine äußere geistliche Autorität den
Menschen auf die Dauer bessern wird, sondern nur’ die:innere Autorität, die Christus im Herzen des
Menschen aufrichtet. Wessen Seele von der Christusnähe gestreift wird, tut das Gute aus Neigung; nicht

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mehr"aus dem Zwang der Gesetze und :Gebote. Es ist: das zweite Kennzeichen eines wahren Menschen:
bildes, daß:er durch die Hinwendung.zu Christus zur opfernden Liebe fähig wird. u
"Für eine umfassende Betrachtung des Lebens genügt es aber doch noch nicht, dem Menschen die Mög-
lichkeit zur Geisterleuchtung' und ‚Herzentflammüng zuzusprechen. Skeptiker würden immer wieder
darauf hinweisen, daß damit die Realität der Welt noch wicht geändert wird. Hat doch O0. Spengler
unterschieden zwischen Männern der Wahrheit, die, wie Jesus von Nazareth, Ideen und Ideale ver-
künden, und Männern der Tatsachen, die wie Julius Caesar den Gang der Geschichte beherrschen. Ist die
Wahrheit und Begeisterung dazu verurteilt wie leichtes Gewölk über der Erde hinzuziehen, schön für
die Augen, aber unfruchtbar für die Dinge, die auf Erden gedeihen sollen? Es gibt einen Beweis, daß
des Menschen Geist radikal’ das Leben verändern kann. ° \ . \
' Diesen Beweis hat seit den.leizten Jahrzehnten die Technik gebrächt. Sie hat sich als die’ bisher
stärkste verwandelnde Kraft erwiesen. Wo die Maschine ihren Einzüg hielt, ‘wurde die Erde änders.
Jünger schreibt mit Recht: »Wo die technischen Symbole, auftauchen, wird der Raum von allen ‚anders-
artigen Kräften, von der großen und kleinen Geisteswelt, die sich in. ihm niedergelassen hat, entleert.“
Der Bildstreifen unserer Filmtheater formt die Ideale der heutigen Menschen mehr als die Kanzelreden
der Pfarrer. Bei einem Motorrennen sind die Zuschauer andächtiger äls vor dem Altare. Jedes Werkzeug
der Technik aber geht aus dem Geiste des Menschen’hervor. | 2
Schon Goethe ahnt im 5. Akt des Faustdramas‘ den unaufhaltsamen Siegeszug der Maschine. Er läßt
Faust am Ende seines Lebens noch Techniker werden und gibt ihm Mephisto als Ingenieur 'an die Seite,
Oft wird in religiösen Kreisen auf diese Szenen der F dustdichtung Bezug genommen. Man fühlt
‘sich
angesprochen von den beiden Alten Philemon und Baucis,' die in ländlicher Stille ihr Gärtchen pflegen
und bei Sonnenuntergang unter dem 'Läuten ‘des Glöckchens ihre Seelen noch zum alten Gott empor-
stimmen. Und die menschenzerstörende Dämonie der Technik sieht man in dem Wüten Mephistos,
der
das Haus der Alten anzündet und sie untörgehen läßt. Wir glauben nicht, daß es die Aufgabe des Christen-
tums ist, diese Idylle der unberührten Natur zu retten. Zu sehr ist Fausts Ideal auch unser Streben:
Auf freiem Grund ein freies: Volk. Die Technik wird mit allen idyllischen Landschaften aufräumen.
- Der einzige Umstand, der uns zu denken gibt, ist, daß die Menschen eine völlig technisierte Welt nicht
vertragen. Die Amerikaner haben auf diesem Gebiete sehr eifrige Forschungen angestellt. Es fiel. ihnen
auf, daß in den Krankenhäusern
auf jedes zweite Beti ein Geisteskrauker kommt, daß das Land des
größten technischen Fortschrittes die meisten Irrenhäuser besitzt, daß die Menschen zwar begierig
allen
Sensationen des Tages nachjagen,. aber dafür nachts’ nicht mehr schlafen können, daß .eine nervöse Un-
ruhe die Menschen von Tag zu Tag kränker macht. Es steht heute schon fest, daß der
Rhythmus der
Maschine den Lebensrkythmus des. Menschen stört. Er wird leiblih krank unter ‘dem Einfluß
der
Technik. Gibt es dagegen eine-Arznei, die dauernder heilt als Sanatorien und Sommerfrischen? Die
Kraft, die vom Altare ausströmt, wenn die Wandlung vollzogen wird, wirkt gesundend. Hier
stehen wir
erst am Anfang zarter, aber wichtigster Erfahrungen. Die Gedanken und Empfindungen, die sich mit dem
Lichte der geistigen Welt durchhellen und ihrer Wärme durchglühen, strahlen bis in den Leib aufbauende
Heilkräfte aus. Der Geist hat Macht auch über.den Leib. Das ist das dritte Merkmal eines wirklichen
Menschenbildes: im Willen die Fähigkeit zur Wandlung, zur Vollmacht der. Heilung zu erleben. .
In einer dreifachen Weise ist der Mensch mit der Welt verbunden. Mit den Sinnen des Hauptes

+
erıpfängt er das Licht der Welt. Mit Herz und Lunge atmet er im Umkreis der Luft. Mit den
Gliedern

7 ——
verbindet er sich mit den Tiefen der Erde. Das ist die Natur des Menschen. Sie weist auf seine höhere


Bestimmung hin. Denn er kann im äußeren Lichte die Offenbarung eines göttlichen Lichtes erkennen.
Die Wärme des Herzens kann von dem Opferfener menschheitsumspannender Liebe ‚durchglüht
werden.
Die Glieder köunen wirken aus der Willensmacht geistiger Wandlungskräfte. Fragt der Mensch
in tiefem
Ernste: Wer bin ich?, bekommt er eine Antwort von Gott. Gott sagt ihm: Ich bin dein Licht,
deine Liebe,
deine Stärke. Gott allein löst das Rätsel des Menschen. In dem Maße, wie der
Mensch sich wandelt,
erscheint Gott. Das heißt aber, daß der wahre Mensch immer in Gemeinschaft mit
dem göttlichen Gehalte
der Welt ist. Als viertes und letztes Kennzeichen des wahren Menschentums erscheint so die
. * Kommunion.
Daß der Gang der Handlung, in der die Weihe des Menschen geschieht, in vier Stufen:
Evangelium,
Opfer, Wandlung und Kommunion vollzogen wird, ist gesetzmäßig notwendig. Es ergibt
sich aus dem
Wesen des Menschen selbst. Könnten wir das Menschenurbild, das unsichtbar.bei der
Weikehandlung
anwesend ist, hören, wie es sein ‚Wesen ausspricht, würden wir die Worte vernehmen:
. u a
- „Ich lebe, aber nicht ich, sondern der Christus in mir.“ Zn z
86
- „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (I)
= 0: Friedrieh Rittelmeyer.. 0.0000
wie eine
“Wenn man ’das Gleichnis vom Weinstock liest, dann scheineh uns vielleicht manche Worte
nicht an mir- bleibt, wird hinaus-
harte Rede: wer will sie hören? Ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer
von der Rebe erzählt
geworfen und verbrennt im Feuer. Man wird sehr rasch erfassen, daß dies, was hier
drin für
wird, nicht nur ein Erlebnis der Zukunft ist. Es ist ein alltägliches Erlebris im eignen Herzen
den, der im’wirklichen Christ-Sein steht. Er spürt einfach, wie er selbst‘verdorrt in jedem Augenblick,
Anschluß hat an: den :Christus-L ebensstrorü . Er Kennt auch das Feuer, das über
wo er nicht den vollen
ihn Komint, ein Feuer der tiefen verzehrenden Unruhe, ‘ein dunkles Feuer ertötender Pein für seine
Seele: Das erlebt man in:sich' und weiß, daß sich das alles nach dem Tod in einer höheren Welt ähnlich
auswirken muß. Und’das "ändre Wort: Öhne mich könnt ihr nichts tun:’ wenn’ wir nachträglich unsre
Taten anschauen und wir haben sie ohne "den Christus in ung getan, so ist es einfach nichts; es ist wesen-
los, esist, wie wenn.es den Tod in sich trüge, ja’ schon Tod wäre. en
"Man kann Christus wirklich ganz sö empfinden wie einen himmlischen Weinstöck, der ‘in die alte Erde
. gesenkt‘ worden ist. Man muß’nur dies alles viel größer denken, als Menschen solche’ Dinge zu denken
Erd-
gewohnt sind: Und nein "Väter ist der Weingärtner,'nein, wie es viel tiefsinniger heißt: der
Wenn man die ganze Erde empfindet als das Erdreich für diesen- Weinstock, diesen
bearbeiter.
geistigen Weinstock, der mitten in dieser Erde lebt, dann empfindet mar: richtig. Es’kann dies nach zwei
derletzt-
Seiten hin uns:noch klarer gemacht'werden. Da denken wir einmal an die Persönlichkeitskultur
vergangenen Jahrzehnte, wo irgendein Persönchen eine Persönlichke it werden wöllte‘und nun glaubte;
wenn es ein wenig anders denkt‘ und ein wenig anstößig handelt,.dann habe es sein Ziel erreicht. Ganz
ohne mich könnt ihr nüchts tun. Wenn wir
anders Christus: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben;
fühlen, daß er ist, wenn wir sein „Ich bin“ fühlen, dann leben wir :auf.-Der Weinstock, an. dem wir Reben
sind, ist sein „Ich bin“. Man sieht es vollkommen deutlich, wie nichtig und:unwahr die falsche Persönlich-
Sie
keitskultur ist. Und wieder nach einer andern Seite können wir Schauen. Das ist die falsche Mystik.
Göttliche. Sie will das Göttliche’ anschauen und immer anschauen und darin höchste Seligkeit
will das
eine
genießen. Wie ganz anders, wie gesund ist dagegen 'dies Christuisgleichnis: Mein „Ich bin“ ist nicht
stille Seligkeit, sondern ein Weinstock, der’zü Früchten drängt. Bleibet in meiner Liebe, indem ihr in
ich euch eingebe: Man’muß das’ einfach insich fühlen, was uns da für ein Leben zu-
Acht habt, was
gedacht ist. Wenn wir nur daran deriken, wenn wir nur spüren; daß’ er da ist, daß sein „Ich bin“ da ist,
dann muß es uns durchzucken wie neues Leben; ‘das gar nicht von dieser Welt ist, dann muß in uns
Ähnliches vorgehen wie in einer Rebe; wenn sie spürt, daß ihr der Weinstock von seinem Saft gibt.: Jede
Rebe ist ja eine wunderbare göttliche Werkstatt; in der ‘der einströmende Saft sich verwandelt in
goldene Früchte. So eine wunderbare göttliche Werkstatt sollten wir sein, wo der Christusgeist- sich
ganz von selbst umschafft zu vielen guten Werken; unaufhörlich güten Werken. Be
Dadurch wird mein Vater geoffenbart oder, wie Luther übersetzt, göehrt, daß ihr viele Frucht bringt
und werdet meine Jünger. Ich weiß: auf der: ganzen Erde keinen Freudengesang, der so 'viel tiefstes
enthüllt, wie das Gleichnis Christi’ vom Weinstock.: Wenn die Dichter die Menschen mit
Freudentum
Blumen verglichen haben, dann sollte das etwas Schönes’ sein. "Aber viel tiefer ünd herrlicher ist das
Christuswort vom Weinstock und den Reben.’ Ich will’aus diesem Freudengesang nur zwei Worte noch
herausgreifen. Das eine ist dies; was wir eben hörten: Dadurch wird mein Vater’geoffenbart, daß ihr viel
Frucht bringt. Und das andre ist‘ dies: Nicht ihr habt mich’ erwählt, sondern ich habe euch erwählt; ihr
Freunde, ‘wenn“ihr tut, was ich euch sage. Diese Worte setzen: uns. in ‚die höchsten Be-
seid meine
ziehungen'zu dem Höchsten, was es gibt, zu dem. Väter und dem Sohn. Wir sollen sein’ Offenbarer Gottes,
und wir sollen es sein als Freunde Christi. Dies aufnehmen in seine. Seele, heißt'Freude haben. Man muß
es nur-ernst nehmen. Die: Hugenotten ebenso: wie in ganz andrer Weise die Jesuiten haben sich zur
Losung genommen: Alles zur Ehre Gottes! Aber’ das, was Christus hier sagt, ist viel gewaltiger, leben-
Ente he : Boot. ln
aufrufender: Offenbaxer. Gottes sollst du sein! —..
Gleichnis.
Am liebsten möchte man: alle Religiönslehrer: versammeln und: ihnen: zeigen, :wie in: dem
der.
Christi vom. Weinstock eigentlich die herrlicisten Weisungen schlummern für den Religioxisunterricht.
rer! so. würde ich antworten? Doch, ‚das
Kinder. Und ‚wenn einer sagte: Wir sind. aber’keine Religionsleh
seid ihr. alle! Ihr seid:es immer, wenn-ikr mit Kindern zusammen seid. Laßt ein Kind heimkonimen vom.
sieht zu
Religionsunterricht, wo- ihm gesagt worden ist:- Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! und es’
Haus, wie. der Vater herrisch und selbstsüchtig umgeht mit seinen Angestellten oder wie er nur .an sich
87:
denkt im Familienkreis, da lehrt der Vater sein Kind auch Religion, nur eine ganz entgegengesetzte,
eine ganz schlechte, die Religion: Mensch, du bist dir selbst der Gott, den du allein anbetest! Alles Zu-
sammensein mit den Kindern ist Unterricht und im tiefsten Grund Religionsunterricht, nur entweder ein
guter oder ein schlechter. Auch aller Unterricht in der Schule ist im Grund Religionsunterricht.. Selbst
wenn der Lehrer nur von physikalischen und chemischen Tatsachen und Gesetzen spricht: im Kind. ent-
steht ganz insgeheim ein Bild von der Welt, von ihren letzten Kräften und von ihren höchsten .Forde-
rungen, nur vielleicht ein recht verdunkeltes und geringes. Was würde es für den Unterricht, für alles
Zusammenseiu mit den Kindern bedeuten, wenn man nur dies eine Wort.ernst bedächte: Ihr seid jetzt
rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe, wenn man wüßte, daß man durch Worte
rein — und unreiu macht, wenn das Gewissen des Wortes aufwachte, das in diesem Satz schlummert!
Oder das andre Wort: Dies habe ich zu euch geredet, daß meine Freude in euch sei und eure Freude
vollkommen werde. Welcher Glanz müßte sich über alle. Kindererziehung breiten, wenn der Erzieher
nur immer daran dächte: das Kind in die wahre Freude’ hineinzustellen, ihm das Höchste an Lebens-
freude zu vermitteln, das ihm geschenkt werden kann. Ist das wirklich seine Aufgabe? Er soll doch das
Kind stark machen für den Kampf ums Dasein. Aber Freude ist gerade die wahre Kraft. Das wissen wir
doch. Wir sehen das noch viel deutlicher, wenn uns klar wird, daß die wahre Lebensfreude darin besteht,
daß der Mensch eingepflanzt ist in das göttliche Leben. Was wäre das für ein Unterricht, wenn das Kind
durch alles, was ihm erzählt wird aus der Geschichte, aus der Natur, aus dem Menschenleben, aus der:
Geisteswelt hineingepflanzt würde in göttliches Leben, wenn durch alles hindurchblitzte das göttliche
Leben und damit ein Stück der. wahren Freude! Aber die Menschen haben den Blick verloren dafür,
daß in der Welt im Grund überall der Christus lebt, der göttliche Sohn: Sie haben den Sinn verloren für
das, was der Evangelist Johannes so klar und sö groß sagt: Alle Dinge sind durch das göttliche Geistwort
entstanden, durch den Logos, der dann in Christus Mensch geworden ist, weil ihn die Menschen auf
andre Weise nicht mehr finden konnten. Haben wir.christuserleuchtete Augen, dann lernen wir wieder
in allem den Geist schauen, den göttlichen Schöpfergeist. Dann würde im -Grund Christus die Kinder
lehren und erziehen.In jedem Wort, in jeder Wahrheit spricht. Christus: Ich bin der Weinstock. Aus
einem solchen Unterricht würden die Kinder die stärksten Kraftgedanken empfangen, die einen
Menschen durchpulsen können im Leben: Ich darf Gott offenbaren! Ich darf der Freund Christi sein,
der sein Werk forisetzen hilft. Aus einer solchen Erziehung würde dann ganz natürlich hervorwachsen
die Konfirmation, zu deutsch die Bekräftigung, die in einer Feier ausspricht: Christus ist der Weinstock
und du bist die Rebe. Christus der höchste Führer der Seele, durch dessen Licht wir denken, durch
dessen Kraft wir fühlen, durch dessen Segen wir wirken. —
Einst hat, so erzählt uns die Bibel, ein- Weinstock eine verhängnisvolle Rolle: gespielt. Noah trank
vom Gewächs des Weinstocks, das er noch nicht kannte, und wurde trunken, Noah, der eben im Regen-
bogen die göttliche Offenbarung als Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen erlebt hatte. Von
unermeßlicher Tiefe sind diese biblischen Erzählungen. Es ist der Mensch selbst in seiner Erden-
geschichte, der hier vor uns steht. Er hat in uralten Zeiten die göttliche Offenbarung empfangen, den
göttlichen Bund erlebt. Aber er erlebte die Erde, die im Weinstock symbolisiert ist, und er wurde
trunken von der Erde. In seinen alten Religionen leuchtete noch etwas von der Urbundesoffenbarung;
und sie ist nie ganz verglommen. Nun aber kommt Christus, und er setzt sich selbst an .die Stelle des

”7
Erdenweinstocks: Ich bin das, was die Wahrheit. des Weinstocks ist. Der himmlische Weinstock senkt sich
in, die Erde ein. Und nun leuchtet ein neuer Bund auf; Män halte es nicht für ein müßiges Geistesspiel,
wenn wir das Leuchten des neuen Regenbogens zeigen in den sieben Weihehandlungen, die. wir in der
Christengemeinschaft haben, die mehr oder weniger in jeder christlichen Gemeinschaft sind, die wir aber.

N
zu gegenwartsgemäßer zukunftschaffender Vollentfaltung bringen wollen in unsrer Christengemein-
schaft. Es ist nicht fanatisch gemeint, denn der Bund Gottes geht weit über das hinaus, was heute als
eine Erdengemeinschaft dastehen kann. Aber es ist doch sehr ernsthaft gemeint, denn dort, wo der gött-
liche Friedensbogen am hellsten strahlt, will. sicher der göttliche Segen zu uns kommen. Die sieben.
Farben des Regenbogens kehren in einer höheren geistigeren Weise wieder in dem, was ‚wir nun .be-
trachten. Da ist das Rot. Es ist, wie Goethe das so klar sah und sagte, das Licht, das da hereinbricht in
die Finsternis, hindurchbricht durch die Finsternis, wie die Sonne am Abend, die durch den Erdendunst
durchstrahlen muß. Es ist die Liebe, sie kommt zu uns schon in der Taufe. Dann mischt sich dem Rot
das Gelb bei, die aus dem Sonnenglanz gewobene Weisheit, noch mehr mit dem Gefühl durchglüht in
dem dunkleren Gelb, das ist der Jugendunterricht in seiner‘ Krönung, der Konfirmation. Dann rein
herausgestaltet als reine Sonnenlebensweisheit in dem, was heute an die Stelle der Beichte treten kann,

88
in der Seelenhilfe, Seelenheilung. Dann kommt das volle Leben in der Zentralfeier der Christengemein-
schaft, in der Menschenweihehandlung, das Leben, wie es draußen lebt in der grünenden Natur, durch-
blitzt vom Gold der Höhe. „Grün ist des Lebens goldner Baum.“ Und nun kehrt der Mensch zurück.
Wenn wir bei Goethe nachlesen, was er über das Blau sagt, dann erklärt sich so überzeugend, warum
die Menschen im Blau etwas erlebten, was dem Glauben verwandt ist. Blau ist dort, wo Finsternis um-
geben: ist von Licht, aufgehellt wird von Licht, wie ja auch unser Himmelblau so entsteht, daß Erden-.
finsternis umwoben wird von Himmelslicht. Darum, wo Menschen ihre irdische Liebe hineinstellen in
die himmlische Liebe, in der Trauung, wo sie sie aufhellen lassen von dem göttlichen Schein, denken. wir
billig an das, was das Blau-uns zu sagen hat. Und ganz tief als seine Seele lebt das Blau, das voll ge-
sättigte Blau dann im Priestertum, in der göttlichen Weihe derer, die die Verkünder sind. Schließlich
aber, wenn es zum Sterben geht, kehrt das Blau zum Rot zurück, geht der Glaube ein in die göttliche
Liebe. Das, was das überirdische Violett sagen will als äußere Farbe, das empfangen dem Geistsinn
nach: die, die die Sterbensweihe empfangen. Wir werden nimmermehr aus unsrer naturwachen Zeit
heraus wahrhaft und stark religiös sein können, wenn wir nicht im Äußeren, durch das Äußere hindurch
das Göttliche schauen lernen. Was in der Farbe lebt, ist Gottesoffenbarung. Der neue Regenbogen
erstrahlt den Menschen, die ihn suchen. Er ist im Grund das Christuslicht selbst in seinem Hineinstrahlen
‚in die Fülle der Erdenwelt. Und aus diesem Christuslicht strablt die wahre Freude hinein in das Erden-
leben. Wer von dieser Christusfreude sein Leben erlichten läßt, der ahnt, was göttliche Freude ist. —

Vom Haus, von der Tür und vom Tisch


Eine Betrachtung aus dem Alltag

Eine schöne alte Sitte, die sich in bäuerlichen Gegen- voll steht in unsrer Erinnerung das Schlußbild eines der
den erhalten hat, ist diese: Über der Tür.des Hauses, ersten bolschewistischen Propagandafılme über die bäuer-
der Stuben und des Stalles stehen mit der Jahreszahl lichen Kollektivwirtschaften, wo der Traktor über alle
die Buchstaben 19 * K + M r B * 40. Der Priester Zäune fegte, sie niederreißend. In südlichen Gegenden
weiht alljährlich das Haus mit den Anfangsbuchstaben sehen wir, wie sich das Erwerbs- und Familienleben weit-
der heiligen drei Könige neu. Der. fromme Jude bewahrte gehend vor dem Hause auf der Straße abspielt: .
über der Tür in einer Kapsel das Gesetz des Herrn, da ‘ Aber: bei'uns in Mitteleuropa ist dieses Bedürfnis
wo einst.das Blut des Opferlammes seine Zugehörigkeit nach dem eigenen Hause tief begründet. Denn es ist
zum. Volke des Herın bekundet hatte. Immer wenn er die Stätte, wo der:einzelne sich abschließen und zu sich
die Schwelle überschreitet,. erlebt der Mensch: Dies selbst kommen kann. Es wird so das Haus wie eine er-
Haus gehört nicht mir. Es. gehört der Gottheit. Ich darf weiterte Leibeskülle erlebt. Es gehört dies zu den Er-
es nur bewohnen. gebnissen eines ‘weiten Entwicklungsweges, den das
Wir leben im Zeitalter des Eigenheimes. J eder möchte Mensckengeschlecht gegangen ist und an dessen Ende das
gerne ein eigenes Haus hahen, und sei es noch so klein. Bewußtsein der eigenen Persönlichkeit steht. Dies ver-
Schon beim Kinde regt sich dies Bedürfnis. Es gilt zu bindet-'sich stark mit dem eigenen Hause, dem eigenen
beobachten, wann das Heranwachsende ein eigenes Zim- Leibe. Man kann sagen, daß sich der Mensch aus der
mer oder wenigstens eine eigene Ecke braucht um richtig Welt immer mehr in sein Haus zurückgezogen hat. Ein
zu gedeihen. Durchwandern wir einmal eine Siedlung1 Mensch, der‘ von Sinnen kommt, „gerät aus dem Häus-
am Rande der ‚Großstadt, die noch nicht ausgebaut aber chen“.
schon angelegt ist, so wird uns zum eindrudsvollen Er- Menschen früherer Zeiten haben sich deshalb nie so
u

lebnis: Die. Welt besteht aus Zäunen. Oft nur ein Stück stark mit dem Zustand ihres Leibeshauses beschäftigt,
Wald — aber eingezäunt. Jeder für sich abgeschlossen. wie wir, die stärker mit ihm verbunden und von ihm‘
Dies war nicht zu allen Zeiten so und ist nicht überall abhängig sind. — °
x

gleichstark ausgebildet. Der Bauer hat kein. eigeries Jedes Haus hat eine Tür, die es mit ı der Welt verbin-
Haus, sondern der Hof hat seinen Bauern. Der Bauer det oder von ihr abschließt. Es entsteht die Frage, wann
hat keinen eigenen. Namen, sondern den Namen 'des es gut ist, die Tür des Hauses offen oder geschlossen zu
Hofes, und der gehört ‘der Sippe oder gibt wieder einer halten. Viele Seelenschwierigkeiten können wir darauf
neuen Sippe den Namen. Er heißt der Huber oder der zurückführen, daß manche von uns es nicht verstehen,
Meier nach dem Hof oder „schreibt sich“ mit einem von’ Zeit zu Zeit Einkehr bei sich selbst zu halten‘ und:
andern bürgerlichen Namen. — ‘Unsere Soldaten fanden die Tür hinter sich zuzumachen.
zu ihrer: Verwunderung in .den Prager Kasernen- keine Jener Hinweis des Christus, das Gespräch mit Gott
Spinde vor, sondern nur offene Aufhängehaken. — Oder: nicht auf der Straße, sondern in der stillen Kammer zu
wir erfahren aus China, wie dort die Häuser ganze führen, weist uns einen Weg, wie wir das rechte Tür-
kleine Dörfer sind, die alle ümhegen, die zu einer Fa- schließen lernen können. Auch gebietet er seinen Send-
milie gehören vom. Kuli bis zum Mandarin. Eindrucs- boter; die Meuschen nicht mit dem, was sie zu 'bringen-

39
haben, auf der Straße zu 'grüßen, sondern im Hause ‚Freund und Feinde’/ ‘gehen ein.und aus? / — Schau wie‘
den Gruß des Friedens ertönen zu lassen... Nur zu gerne sie verletzen / dir das. Hausrecht stets. [ Fühllos auf und
lassen. wir uns von allem Möglichen auf die Straße rufen. ‚nieder / polternd; lärmend geht’s. | — Keiner putzt die
Oft auch lassen wir die Tür dabei offen stehen, und un- Schuhe, | Keiner sieht sich um / Staubig brechen alle /
bemerkt schleicht sich allerlei Gesindel durch die Sinnes- Dir. ins Heiligtum .. — ./.Nein und wenn nun alles /
tore ein ünd treibt Unfug, dessen ‚Folgen, wir erst ‚spät. Still und‘ tot in dir 7 0 nöch halt dich offen / ‘offen für
entdecken. . und für / — Laß die Sonne scheinen [heiß in dich hin-
Manchmal können wir das "erschreckende Erlebnis ein ‘f Stürme dich durchfahren / und den "Wetterschein I
haben,: daß wir aus lauter Zerstreutbeit-und Benommen- - — Wenn durch deine-Kanimern / So’ die’ Windsbraut:
beit durch .die äußeren Dinge den:Zugang zu ‚uns: selbst zieht: / Laß dein Glöcklein. stürmen, / Schallen Lied auf
verloren: haben; es ist uns. dann zumute wie. einem, dem Lied. / — Denn noch .kann’s geschehen / Daß auf iryer
die Tür. zugeschlagen ist, und der Schlüssel 'steckt innen;...) Fluct:/ Eine treue Seele / bei dir Obdach. sucht.“
er selbst steht vor der eigenen Wohnung, die, verschlos-:.
sen ist, und kann nicht mehr hinein.
“Jeder, der ein Hatıs’ besitzt, weiß, daß man es- ständig
Oft auch stehen wir vor der verschlossenen Tür des”
‚ erneuern 'muß; sonst verfällt .es ‘rasch.’ Auch. baut. ein.
andern. ChristianIMorgenstern ruft. einmal aus: „Wände,
‘neues. Geschlecht manches.:um und. erweitert. das: alte
Wände, Wände, / wer die Türen fände! | — Ringsum
Haus. Wird'es zu alt und baufällig, darf es einmal ab-
eitel "Glück und Glanz, / Leben‘ dünkt ein Spiel, ein
‚gerissen werden, und ein neues wird an seine. Stelle ge-
Tanz. [, — Zitternd siehst dü, hörst du zu, /:-immer
setzt. Unserm Leibeshause gegenüber "haben wir jene
andre, niemals. du. / — Wände, Wände,. Wände, :/ wer
Empfindungen der Fürsorge und Erhaltungspflicht ganz
die Kunst verstände!“ Es ist schon eine hohe Kunst, das
deutlich. Aber nur wenige Menschen sind schon dahin-
Wort, den Schlüssel zu finden, der das Tor öffnet. Eine
tergekommen, daß auch ihre Seele Hüllencharakter hat.
hohe Kunst auch, zur rechten Zeit die eigene, Tür. ofen
Der. Wesenskern, das Ich-,;wohnt“ und wirkt in den Ge-
zu halten.
danken, Empfindungen und Willensstrebungen, in den
Wir leben jahrelang mit einem Menschen im selben
Fähigkeiten und Wünschen, in den Erfahrungen und Er-
Hause. Man sieht sich, spricht auch einmal ein Wort.
innerungen.; ‚Christian „Morgenstern deutet.. dies an:
Eiries. Tages erfahren wir, daß der andere seinem Leben {
„Gott-ist nicht etwas über. uns hinaus,
selbst ein Ende gesetzt hat. Vielleicht Wand an Wand
Gott ist Ich, Du; doch wir — nur unser
mit uns. Erschreckt denken wir daran, daß wir nie bei
Haus“
ihm angeklopft haben. Weil wir.selbst scheu‘ geworden
Auch dieses "Seelenhaus muß ständig gepflegt und er-
und. durch’ unerbetenen -Eintritt andrer verletzt sind,
nenert werden, soll es.nicht verkommen und soll es dem
bringen wir nicht den Mut auf, zum andern zu Besuch
Menschengeiste rechte Wohnung ‚und Wirkensstätte be-
zu kommen. Und doch sitzt vielleicht ein einsamer
deuten.. Da bedarf es öfterer „Reinigung“ oder . auch
Mensch hinter seiner verschlossenen Tür und wartet und:
einmal eines energischen „Umbaues“.. Für Arbeit. und
wartet, daß einmal einer zu ibm kommt und bei ihm:
Ruhe brauchen wir den rechten Ort, die rechte Um-
anklopft. Wieder einmal hört er jemanden die Treppe
gebung. An einem unordentlich gehaltenen, zerfalleuden
heraufkommen, schon bebt sein Herz. in Hoffnung, ‘und
Hause erleben wir die Trägheit und Gleichgültigkeit sei-
wieder. geht der Schritt vorbei. Vielleicht verloren. wir.
ner Bewohner. Wir haben ein sicheres. Gefühl für eine
auch Lust und Mut anzuklopfen, weil wir ‚schon-manch- Aber in welch. „men-
„menschenwürdige“ Behausung.
mal mit einem Blumenstrauß in der Hand vor der ver-
schenunwürdigem“ . Seelenhause lebt mancher von uns!
schlossenen Tür standen, deutlich hörten, . wie jemand
Vieles ist ja endgültig zerbrochen oder morsch und nicht.
drinnen herumging,' aber nicht öffnete, ‚Oft fehlt uns
waren
mehr erneuerungsfähig. Einmal dürfen wir das Haus
auch das Zauberwort, das die Tür-auftut. Wie
verlassen und an neuer Stätte ein neues bauen. ‘So
wir nach manchem Gespräch. erschöpft und. traurig, weil der Blitz oder der Sturm.als Helfer. So kommen
kommt
es uns nicht gelang, das Wort zu finden, das die Tür
Krankheit und Tod als Befreier. Doch gilt es bis dahin
des Herzens beim andern aufschloß. ‚Beschämt gedenken achtsam ‚und treu zu erhalten und zu erneuern, wollen.
wir manchen Besuches, den wir machten, und von dem
wir Kraft und Fähigkeit zum Bauen in uns bilden und
wir erkennen: Wir waren gar nicht beim andern. "Wir- steigern.. . x“
haben nur unser eigenes Haus wie eine Schnecke mit:
uns ’getragen. Die: Eigenart und’ Schicksalslag&’ des: än- Im .. Hause steht der.Tisch. Er ist für. uns geworden,
dern, die sich ja in seinem Hause, der Hülle- in. der er was früher die -Feuerstätte war, ein ‚heiliger Ort. Der.
im
haust, ausprägt, haben ‚wir gar. nicht aufgenommen. ‚Ein. Flüchtling war ‘dort vor Verfolgung..sicher. Was
Wort. des’ Christus wird uns dann. durchsichtig und hilf-: Gotteshaus das. ewige Licht; war in jedem. Hausa - des;
reich: „Ich bin. die Tür.“ Ebenso wie das. ernste Gegen-. Herdes Flamme.
wort: „Wer nicht. durch mich: eingeht, ist ein Dieb und- Die Gälen löschten zum "Beltane-Fest Ama’ "Mai fährlich“
ein Mörder.“ Wir wissen, daß Er sich vereint hat mit: .
alle Feuer im Lande. Durch: das: "Leben. der Menschen
dem ewigen Wesenskern jedes Menschen: Daß Er das verdirbt das heilige Feuer und muß jährlich erneuert.
Ich jedes Menschen in sich trägt. werden; so empfanden sie. Feierlich wurde auf einem
- Über das rechte Offenhalten der .eigenen Tür finden Hügel bei Sonnenaufgang dürch die Priester: neues Eeuer-
wir bei Gottfried Keller. die schönen Verse: „;Willst du beraberbeten vom Himmel. ‚Jeder trug dann .die. dort:
dich nicht ‘schließen / Herz, du offnes: Haus,./; worin’ entzündete Flamme in seine Behausung für däs:nächste.

90:
Jabr. Über dem Tisch ist bei den Bauern der Herrgotts- das ahnen wir. Friedrih Boat =: rm m _Yır
winkel. .Bevor sie essen, stehen alle dorthin ‚gewendet ist des Geistes Leib? der Körperı = zu. zo mT-
im Gebet. Sie gedenken. der Gotteswelt, die ihre Arbeit gebaut aus Staub, in Staub zuammm= "==> — Ir:
gesegnet und:das tägliche Brot hat reifen lassen. des Geistes Leib: Die Form, die e <= —m Aw
Dört am Tische wird immer ‚wieder neu die Gemein- mit Geistesblick ein Geist den udem m —_e
samkeit begründet. Das. gemeinsame Mahl verbindet, ist der Leib, der jetzt die grobe Kö» Imr-
und wer von ihm: ausgeschlössen wird, ist bestraft. An schimmernd, wann sie fällt, vortritt in ki FI= | —
diesem Tische beginnt. ja immer: wieder jenes Wunder In diesem Leib sch’a wir uns dort, laBt =: ve=—=:
3

der Wandlung, daß ‘ein Stück Erde, dem Menschen zur Der ‘Geist hat seinen Leib, um selbst = =
Nahrung gegeben, in seinem Leibe verbraunt und- zum schauen!” — £
Bewußtsein 'eigeistet wird. So ist unser Leibeshaus ein
Heiligtum, in. dem .Götterkräfte. wirken. Aber jenes Be- ‚Als die heiligen drei Könige zu dem Kinde Fer
wüußtsein. kann :sich nicht licht- halten, wie das Licht, aus kamen ünd ihm ihre Gaben brachten, da anerkamnten =’e.
dem’ die :Nahrung: gewoben. ist:. Und ‘das Finstere macht was. sie erkannt hatten: In diesem Kinde wird Gott
den Leib krank. Im Hause unseres Leibes steht der selbst sein Haus :haben -unter. den Menschen. Von mn
Seelenaltar. ‘Wir bitten zu unserem Mahle den.- der .be- an kann der Mensch. die göttliche Liebe in sich berzen,
wirken: kahn, daß es zur Heilung und Gesundung. und er. wird ‚mit Leib und Seele zur Wohnung Gottes. Wenn
nicht zum. Tode dient. über unsern. Weihnachtsaltären groß die Buchstaben
Er hat gesprochen: ‚;Sieke ich stehe -vor. der Tür und KMB -augebracht sind, bekennen wir dasselbe.
klopfe. an. So jemand meine Stimme hören wird- und: Wir sehnen uns nicht. mehr wie frühere ‘Geschlechter
mir .auftun, zu dem werde ich eingehn und das. Abend- aus der. Enge und. Gebrechlichkeit der Erde und des
mahl mit ihm halten und. er mit-mir.:““ u 2. Leibes: wie .aus‘ einem Gefängnis. nach der Weite der
“Nachdem er in..das Erdenhaus einzog- als .in seine Geisteswelt. Wir wohnen’ gerne im Erdenhause, weil es
Hülle, 'sie durchdringend in dem großen ‚Opfer- auf: Gol- die Stätte ist, wo unser Schicksal sich erfüllt und wir
gatha, nachdem er Brot und: Wein in der Opfersphäre wahrhaft Menschen werden. Denn der sterbliche Leib
des :Menschenherzens immer 'neu :zu: seiner: Wohnung, ist durch. die: Auferstehungskraft- des Christus die Offen-
seinem Leibe, zum Träger’ seiner Gegenwart machen will, barungsstätte der erlösenden .Liebe,; der Ort der Wand-
geht er im .Abendmahle ganz in jeden einzelnen von lung. .Das gegenwärtige --Irdisch-Unvollkommene bildet
uns ein, in ihm zu ‘wohnen. Das Brot nach. der. Wand- das zukünftige- Himmlisch- Vollkommene vor. Von bier
lung. wird zum Urbild jeden künftigen 'Erdenkäuses. gehen wir au. ..
In unsere Hütte, in der so. schwer zu--hausen ist, die - Albert. Steffen’ spricht. davon: „Ja er ist auferstanden I
oft. sö eng und baufällig ist, kommt. ein Glanz, sie: durch- Und: :das- Grab ‚hat.er mit. sich - genommen / und aufge-
schimmernd ünd verklärend.' Es’ist wie im’ Märchen, wo baut, / aus den Steinen die ‚heilige Stadt! / Und so wol-
am-Ende der Prüfung die kleine Hütte in den Fugen. len :auch wir / schultern..die' Särge /. die wir- auf Erden
kracht und: zum‘ goldenen Schlosse sich- weitet und! wan- bewohnten ..| und weiter. wandern ./' bis--wir die Stätte
delt: Wir erahnen etwas von dem unvergänglichen Hause, erreichen / die uns bestimmt ist. / Eines wissen wir ja: /
von dem Paulus sagt, daß- es- uns bestimmt ist, daß. es’ Immer :näher: werden wir. kommen./ -den Türmen des
hier ‚sich'schon erbaut, verborgen von der. ‚zerbrechlichen. Himmels /.und finden den Ort/ zu errichten das eigene
Hütte, die wir bewohnen. Mit ihm werden wir über- Haus.. [. Dann hängen / über unsera Häuptern die
kleidet, um im Geistesreiche nicht hüllenlos erfunden. zu Sterne / und spenden Helle-/ dem. gastlichen Tische. |
werden.. Das Haus, die Hülle, schafft unser Eigensein. Denn 'wir'sind treu / als Treue aber dürfen wir auch /
Das ist. seine Bedeutung: Es gibt auch einen Geist-Leib; die. Treuen: speisen und tränken.“
Gerhard Klein

"Aus der Christengemeinschaft


=

Die |vier Sommertagungen


ten Wochenschrift.
„Das Reich“ (Nr.Il vom 4. Aug.1940)
. Am. Ende der großen Stuttgarter. Sommertagung - -jm. einen Aufsatz von Hannes Razum lesen, der in dem Satz
August-1939 :wußten wir. noch’ nicht,’ daß in vier Wochen: gipfelte: „...: mit dem Fall: des letzten Gegners auf dem
Krieg sein: würde. Wir. ‘wußten aber damals sofort, :daß europäischen: Kontinent tritt die Frage nach dem. Wort;
diese "Tagung ein Abschluß war .und gleichzeitig der das .der' deutsche Geist den Völkern zu- sagen: hat, drän-
Höhepunkt der. vorangegangenen ‚Reihe von. Sommer- gend und fordernd an uns heran.“ Genau’ vor
- einem
festen ünsrer Gemeinschaft. Die ‚nachfolgenden Welt- Jahr legte in Stuttgart ein junger Engländer (nach. einem-
ereignisse. gaben ihr. erst den vollei, so drastisch "wirk- Holländer und :einem Schweden) ein begeistertes Be-
samen Hintergrund. Als die Veranstalter und Teilneh-. kenntnis zu dem Worte ab, das er hier. in Deutschland
mer jener Tagung in Scharen ins Feld zogen, als: der. religiös vernommen..hatte. — Die Bestätigung ‘und Er-
Krieg seine zerstörende erschütternde Sprache begann, höhung durch.das,. was nachfolgt, ist wohl. der. stärkste
da: erschien ‘der: Inhalt dieser Stuttgarter Tage, der sich. Beweis dafür, daß ein Exeignis, -ein Unternehmen aus
um das: Thema „Das Bild des Menschen“ gruppierte,:wie dem Geiste heraus im Einyernehinen steht mit :dem.
eine Wegzehrung. —. Eben konnte. man’in der. hekann- „Werden der Welt“. 0

91:
Als wir heuer im Februar den Plan faßten, die im erfreuliche Geltung verschaffte. — Als wir fünf von
Sommer fällige Tagung in vier große örtliche Veranstal- Berlin nach Köln fuhren, sahen wir uns schon allnächt-
tungen aufzulösen, konnte es noch als Wahnwitz er- lich im Luftschutzkeller sitzen. — Aber es kam zufäl-
scheinen, für den Kriegssommer dergleichen z. B. in lig anders: die Bomben fielen vor und nach uns — wäh-
Köln zu unternehmen. Schon jetzt, knapp nach der rend der Veranstaltung aber in die Nachbargegend. "Wir
Durchführung, ahnen wir, daß dieses Unternehmen wie: blieben völlig verschont und ausgespart. Daraus sei aber
derum durch Nachfolgendes eine Bestätigung erfahren nur der eine praktische Schluß gezogen, den dort ein
wird, die weit hinausgeht über die Befriedigung, die Essener Teilnehmer schon aussprach: „Machen Sie doch
schon in der glücklichen, großstiligen Durchführung lag. bald eine Tagung in Essen, wir möchten auch wieder
Der Versammlungsraum in Breslau lag auf einer stil- einmal ausschlafen.“
len Oderinsel, weitab vom Lärm, umschäumt von den Stuttgart hatte am stärksten den Charakter der frü-
Oderwehren. Die Teilnehmer kamen aus Schlesien, 2. T. heren Tagungen dadurch, daß die Teilnehmerschaft nicht
auch aus den neuen Gauen im Osten, umgesiedelte Bal- auf eine Landschaft beschränkt war. Man hörte sich in
tendeutsche. Stark gemüthaft war der Unterton dieser ostmärkischen und Prager, Saarpfälzer und Wasserkan-
Tage. Alles, was erschüttern oder erfreuen konnte, zeigte ten-Lauten angesprochen. Der sich nachträglich aufdrän-
sogleich seine Wirkung unter den Teilnehmern. Eine gende Gedanke, diese vier Veranstaltungen 'mit den
Stimmung wie die, als in die schwedischen Lieder einer Evangelien-Symbolen des Viergetiers zu bezeichnen,
jungen Sängerin durch die offenen Fenster das Oder- würde das umfassendste Zeichen des Engel-Menschen
wehr hereinrauschte, gab es in den andern Städten über Stuttgart setzen. Die Vormittage saben uns im
kaum. Der herzbafte Bericht eines Mitglieds über das neuen, wunderbar schönen Gemeindehause, dessen Orgel
Leben und Sterben seiner Kinder in der Christengemein- nun zum ersten Male ertönte. Nachmittags und besonders
schaft, war der entsprechende Ausdruck für die Auf- abends war der große Saal des Sieglehauses zum Bre-
nahme, die unser Wirken dort im Osten findet. chen voll. Hier erreichte die Teilnehmerzahl 1200. und
"In der Reichshauptstadt nahm :die Tagung am stärk-: damit.den Umfang der Berliner Abendvorträge, während
sten den großen ‘Stil einer repräsentativen Kundgebung Breslau und Köln von 400-500 Menschen. besucht
an. Am Eröffnungstage erfolgte der gefeierte Einzug waren. Im ganzen waren also heuer noch fast eineinhalb-
der Berliner Division. Vor unserer „Singakademie“ tausend Menschen mehr erreicht als im letzten Jahre.
unter den Linden zogen die Truppen auf und hinter dem Das Zusammenwirken der Vortragenden -darf‘ wohl
Hause durch. die Dorotheenstraße zurück in die Quar- auch von einem Beteiligten als ideal bezeichnet werden.
tiere. Wie die Wendesäule in den griechischen Rennbah- An den Vor- und Nachmittagen sprachen ihrer vier oder
nen lag unser Versammlungsraum, in dem jede: Stunde fünf zum selben Thema, aber auch die einzelnen Vor-
derer gedacht wurde, die nicht mehr mit zurückgekom- träge fügten sich großartig dem Ganzen ein. Das Erleb-
men waren. Wenn anders die Gefallenen im Geiste an nis der geistigen Einmütigkeit und der Möglichkeiten;
der Stätte weilten, wo sich inbrünstige Gedanken immer die daraus erwachsen, die eine einfache Summierung von
wieder zu ihnen erhoben, so hat diese einziehende: Sie- Einzelleistungen noch bei weitem übersteigen, war auch
gertruppe hier um diejenigen paradiert, die in ihren für die Teilnehmer ein Charakteristikuim dieser sommer-
Reihen, auf ihren Sätteln und Fahrzeugen fehlten. — lichen Wochen, Der Eindruck einer Ein-geistigkeit, die
So und noch einmal am nächsten Abend, als die Reichs- der stärkste Beweis ist für die objektiven spirituellen
tagssitzung in den Saal der Singakademie übertragen Grundlagen unsres Wirkens.
wurde, der daun in kurzem
: Abstand Gottfried Huse- Der Krieg hatte nach Dreien von den Vortragenden
manuns Abendvortrag über „Christus und die Erde“ seine Hand ausgestreckt. Die drei Musterungen wären
folgte, bildete die Weltgeschichte den unmittelbaren mitten in die Tagungen gefallen und wurden freund-
Hintergrund für das, was wir in ihrem Angesicht zu licherweise vor- oder nach- oder in eine Pause verlegt.
sagen hatten. — In Berlin kam wohl der Gedankenin- Wir hatten aber die deutliche Empfindung, auf diesen
halt unsrer Bei- und Vorträge am stärksten heraus. und vier Veranstaltungen auch einer „Musterung“ zu unter-
zur Wirkung vor dem rein norddeutschen Publikum, vor liegen mit dem, was wir zu bringen hatten. Einer Mu-
den hellen ungerührten Adlerblicken. . sterung vor den Augen der Soldaten, die auf Urlaub
In Köln war es der glückliche Umstand, die ganze Ver- teilnahmen, darunter ein Narviker Torpedohootsoff-
anstaltung im eigenen schönen Gemeindesaal haben zu zier, vor den vielen ‚anwesenden Hinterbliebenen der
können, der zu Breslau und Berlin einen deutlichen Gefallenen, ja vor den unbestechlichen Seelenaugen der
Unterschied ausmachte. Wir haben da 'so recht erlebt, gefallenen Helden selbst. Die tiefste Befriedigung, die
wie.ein kultischer Bau die Beziehung zwischen Rednet- dieses. Sommerunternehmen zurückließ, war die Erfah-
pult und Zuhörern verändert. Dadurch wurden in Köln rung: die Christengemeinschaft ist „k.v.“.
die Redner wohl am deutlichsten. als. Priester erlebt. — Im Rückblick ergab sich noch ein fragender Gedanke.
Am auffallendsten war dort die Aktivität der Gemeinde. Die Grundtbemen dieser vier Sommertagungen waren
Der Sonntagnachwittag war beherrscht von vielen kur- der Sakramentalismus und die Apokalypse. Haben wir
zen Beiträgen der Mitglieder aus Köln und den Filial- nicht mit dem Kelch und dem aufgeschlagenen Buch der
gemeinden. Einer frischer und selbstverständlicher vor- Offenbarung. in’ den Händen nach den vier Richtungen
gebracht als der. andere. Hier hat die Gemeinde selbst des Himmels hin ein Zeichen auf die Stirn der Erde ge-
einen ganz. wesentlichen Beitrag geleistet, der sich als schrieben? Das Zeichen, das auf den Stirnen blüht, die
selbständiges Element neben den andern Vorträgen .eine. im Sterben das Leben finden sollen? Wilhelm Kelber

92
„Sommertage in der Christengemeinschaft zu gönnt war, ‘den Sternenhimmel über uns durch das
Bremen“ fanden in der Zeit vom 9. bis. 14. Juli 1940 Fernrohr zu betrachten, In den AÄbendpredigten wurde
unter Leitung von Dr. Friedrich -Doldinger statt. Was uns Johannes der Täufer nahegebract im Zusammen-
in. Rügen noch kurz vor Ausbruch des Krieges in grö- hang mit allen wichtigen Gestalten, denen er begegnet ist.
Rerem Stile möglich war, das fand hier, zwar in ver- Sehr aktiv war auch die Jugend. Sie führte das schöne
änderten Verhältnissen und in bescheidenerem Rahmen, Spiel „Von den vier Elementen“ anf, das, abwohl vor
nn

aber doch mit der gleichen Intensität und Freude seine dreihundert Jabren entstanden, ganz neuzeitlich ist. Am
Weiterführung. Das Einzigartige der von Dr. Doldinger Schluß des Aufenthalts wurde ein lustiger Äbend ver-
gestalteten Freizeiten liegt ja darin, daß das Vortrags- anstaltet, an dem alle Humorbegabten etwas zum Besten
mäßige zurücktritt und statt dessen angestrebt wird, den gaben. Jeder lachte aus Herzensgrund. Über aller Fröh-
inneren Gehalt des Tageslaufes offenbar werden zu las- lichkeit wurde man zum Schluß wieder ernst und trat
” sen, d.h. alle Veranstaltungen so anzuordnen, daß der zum Altar, um zurückzuschauen auf seinen ganzen Tag
Geist der Morgen-, der Mittags-, der Abendstunde er- und mit Gebet hinüberzugehen in die ausgleichende
lebbar wird. So begann jeder Tag mit dem Morgenspiel Welt des Schlafes. Vor dem Altar beschlossen wir jeden
von Dr. Doldinger und schloß mit seiner Abendspiel ab, Tag. (Aus der tschechischen Zeitschrift „Praha“)
so endete jeder Vormittag mit einer Mittagsfeier (Lesun-
gen aus dem Evangelium, Musik, Sprechchöre), so war der Die Freizeit in Stuttgart
Nachmittag dem Malen gewidmet — genauer: dem Her- “Als wir. im vorigen Jahre von Urach schieden, vor uns
stellen eines „Lebensandachtsbuches“ mit Sprüchen und die drohenden Gewitterwolken der Zeitenschicksale,
farbigen Skizzen.- Wurde dann am Vormittag über „Le- wagten wir kaum auf eine Freizeit im Jahre 1940 zu
bensfrommheit in Goethes Wilhelm Meister“ und abends hoffen. Aber sie wurde uns doch, wie ein überraschen-
über das „Göttliche im Lebenslauf großer Menschen“ des Geschenk, ermöglicht. Es mußte zwar bei den ver-
gesprochen, dann wurde man von Tag zu Tag deutlicher änderten Verhältnissen manches in dieser 10. Freizeit
gewahr, wie das, was das Thema des Programms verbieß, anders sein. Aber dafür hatte uns die Stuttgarter Ge-
sich erfüllte weniger durch noch so bedeutende Einzel- meinde in dem uns sogleich heimatlich umfangenden und
heiten, als vielmehr durch die ganze Komposition -des durch seine lichte Schönbeit und Klarkeit wohltuenden
Tageslaufes: wie durch das rhythmische Erleben des Raum ihres neuen Gemeindehauses gastlich aufgenom-
Künstlerischen Kräfte geweckt wurden, die uns fähig men. Das war der ideale Ort für die Geistesfeste dieser
machen zur „Andacht vor dem Lebenslauf sieben reichen Tage. Diesmal führte uns Dr. Frieling in
des Menschen“. Wir waren überrascht, wie die die hohe Welt von Joh. 16, 16—17,15. Vieles aus ihr
(abends 100) Teilnehmer trotz nächilicher stunden- hatte Dr. Rittelmeyer erstmalig tief erschlossen. Nun
langer Störungen durch Fliegerangriffe unermüdet, ja war es wieder Freude und Gewinn, wie Dr. Frieling aus
beschwingt mittaten. Friedrich Gädeke: den scheinbar ‘so schlichten Wortschreinen Geschmeide
um.Geschmeide hob, leuchtendes Gold der Weisheit und
Woche in Pelechov zugleich Münze für den Alltag und seine Anforderungen.
Das kleine stille Dörfchen Pelechov bei Eisenbrod ist Das andere große Geschenk waren die. drei geistklaren
beinak schon zum Wallfahrtsort geworden. Die böh- Vorträge von Dr. Kurras über die Ölbergrede Matth. 24.
mische Christengemeinschaft veranstaltete dort zum Da wurde am Evangelium das eigentliche Wesen unserer
drittenmal ihre sommerlichen „Tage der geistigen Ge- apokalyptischen Zeit offenbar, und von unserer Zeit her
meinschaft“. Wir ‘waren aus: verschiedenen Gemeinden wurden die Bilder des Evangeliums deutlich. — An den
und Kreisen, Deutsche und Tschechen, viele: von uns Nachmittagen wurde gute Musik : geboten, an einem
sahen sich zum erstenmal, doch wurden wir. bald. auf- Abend ein feines Konzert, an einem anderen Berichte
richtige Freunde. Es war, als ob. man sich 'schon viele aus der Geschichte des Stuttgarter Hausbaus und der
Jahre kennen würde. Die Natur verschwendete ihre Tagungen. Die drei letzten Abende waren dem An-
Schönheit. Die Sonne und der.’Himmel umarmten die denken an Dr. Rittelmeyer, Michael Bauer und Christian
Erde; es reifte in den duftenden Ähren das Brot, in den Morgenstern gewidmet mit Lesungen aus deren Schrif-
golden: blühenden Linden tönte das Summen der Bie- ten: und schlossen mit einer Abendpredigt. — Wenn wir
nen, das. Singen der Vögel; die Luft 'erzitterte von un- zurückblicken, ‘dann empfinden wir, wieviel uns fehlen
‚endlicher Schönheit. So fühlten auch wir uns wie ge- würde, wenn wir das alles in diesem Jahre nicht hätten
tragen „auf den erglänzenden Geisteswellen“. haben können. Ernst Kalbe
‘Das Programm dieser Tage war reich. Täglich erlebten
wir die Menschenweihehandlung, die uns reinigende Tagungs-Rückblick
Kräfte brachte. Jeden Vormittag nahmen wir an einem Wohl war es ein kühner Gedanke, statt der einen
Kurs über das Johannes-Evangelium teil Im griechi- großen Sommertagung, wie wir sie in den letzten Jahren
schen Kurs lernten wir nur Anfängliches. Doch als wir hatten, in diesem Kriegssommer vier größere gleich-
mit den allerwichtigsten Worten bekannt. waren, konn- laufend-tagungsartige Veranstaltungen in Breslau, Ber-
ten wir sie zu unserer großen Freude mit einigen Wor- lin, Köln und Stuttgart durchzuführen. Aber wenn es
ten des Johannes-Evangeliums im Urtext vergleichen. bis dahin noch ungewiß erscheinen konnte, so ist doch
Wir ‚absolvierten auch einen Kurs in Astronomie, in durch den Verlauf dieser vier Tagungen ganz klar ge-
dem wir nicht nur die. theoretischen Grundbegriffe der worden, wie richtig es war, daß wir uns durch nichts,
Astronomie durchgingen, sondern wo es uns auch ver- ‚weder durch wohlgemeinte Warnungen, noch durch die

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‚Zeitereignisse. selbst,: in--unserem Vorhaben -irremachen /waren ja:gerads jene oft 5-6 Tage ‘dauernden Tagungen
ließen. . Gerade im 'gegenwärtigen Augenblick:.war' es von dem völlig unbeschwerten 'Schwung und’ der -be-
zichtiger und notwendiger als je, mit der größtmög- glückenden Begeisterung der ‚Anfangszeit beseelt: Auf
lichen Kraft und: Entschlossenheit für das: ermeuerte einem noch tragenden Boden, in: einer Zeit,:die ‘doch nur
Christentum zu zeugen. Es ist unserem Bemühen sowohl erst die Anfänge der michaelischen ' Erschütterungen in
von !den vielen äußerlich und innerlich teilnehmenden ‚sich ‘trug, ‚leisteten wir es uns, nach allen Seiten der
Menschen, als auch, wie wir glauben, von den das Schick- Welt hin Aus: und Umschau zu halten, um unseren Auf-
sal’ lenkenden : geistigen Mächten,. soviel“ helfende : Sub- trag. in.’ die weitgespanntesten Zusammenhänge t einzu-
stanz und Kraft entgegengekommen, daß durch die Ta- ordnen.
gungen .eine wichtige‘ spirituelle - Tatsache geschaffen - Auch in: den Jahren, wo. den Tagungen nicht mehr die
werden konnte.‘ Es ist wohl nicht falsch zu sagen, daß ursprüngliche -Selbstverständlichkeit innewohnte und ‘wo
ein geistiger Pfeiler. in den.Boden,'auf dem wir: leben, wir uns um neue "Formen mühten und plagten, haben
eingerammt worden: ist; dessen Tragelraft sich in ‚der wir ‚nicht nachgelassen. Wir hielten eher noch mehr als
Zukunft. wird ‚bewähren können.‘ : : weniger Tagungen :ab, um- unsere missionarische Pflcht
Es:war uns eine schöne Bestätigung. unseres Tmpul. nicht 'zu versäumen. Von der Sommertagung 1934 -(im
ses, als wir zu Beginn in Breslau von unseren Schweizer Stuttgarter. Kunstgebäude) an gelangen uns Formgebun-
Mitarbeitern einen Brief erhielten, indem es hieß: „Es gen, die deutlicher das eigentliche Wesen und den Auf-
ist. eine Leistung ‘und eine mutvolle Initiative,‘ die sich trag der Christengemeinschaft‘ sichtbar: werden ließen.
darin ausspricht, daß man in Deutschland ‘mitten in die- Und von Köln: (1936): an" erlebten wir zu . unserer
sem gigantischen "Zeitgeschehen: zu. so. etwas Zeit und Freude, wie die Tagungen, indem sie zu ‚großen, 'auch
Kraft findet! Hier von jenseits der Grenzen kann man zahlenmäßig "überraschenden Begegnungen aller deut-
das'nur bewundern und darin ein Zeichen erkennen, daß schen und außerdeutschen Gemeinden . wurden, einen
im Herzen Deutschlands doch der: Geist lebendig ist und ganz neuen- festlichen Charakter annahmen. Feste der
ausstrahlende Wirkung. besitzt.“ Geistgemeiuschaft. durften - wir dann Jahr für : Jahr
* feiern, in denen das Walten „des Engels der Gemeinde“
Ein eigenartiges Erlebnis war:es, wie sich in allen und dadurch ein oft machtvolles-Hereinwirken der höhe-
vier Städten, ‘wenn auch jedesmal ’in charakteristischer ren Welt zu verspüren war. Das steigerte sich bis Stutt-
Andersartigkeit, sogleich eine - eigene Sphäre bildete, gart 1939.
in der sich alle aus den Sorgen und Unruhen der. un- In diesem -Kriegsjahr mußten wir dann eine . andere
mittelbaren Gegenwart herausgehoben fühlten. Und doch Form wählen. Dadurch trat wohl der frohe Festcharak-
waren wir keinen ‚Augenblick aus dem : Zeitgeschehen ter etwas zurück: Dafür können wir nun aber wohl von
herausgegliedert. Im Gegenteil. Wir fühlten, daß wir vier geglückten Arbeitstagungen sprechen, in wel-
nun erst recht anfangen konnten .zu begreifen;: was heute chen durch uns und an uns plastiziert und am Leibe der
geschieht! ganz nahe waren wir: an die :Inxen- Christengemeinschaft. gebildet. und gebaut wurde. Viel-
seite des Zeitgeschehens herangerückt, ja.in die inher- leicht hat auch die Tatsache, daß die vier Veranstal-
sten Zeitschicksale hineingestellt. Das war nicht mur in tungen weitgehend . Yon .einigen -derer, die jetzt : die
Berlin der Fall, wo durch. den Einzug der Truppen und Christengemeinschaft auf der Erde zu führen haben, ge-
die Übertragung der: Reichstagssitzung die Stimme: der staltet wurden,‘ dazu beigetragen, daß wir alle im Zu:
europäischen Entscheidungen unmittelbar in unser Zu- sarmmensein - den: vorwärtsdrängenden Führungswillen
sammensein hereindrang; auch nicht nür in 'Köln, wo verspürten, der aus der Welt der geistigen Wesenheiten
in den Seelen und auch in den Nerven derer, die aus in unser gemeinsames. Leben bereinwirken will. Innerste
dem ganzen Rhein- und Industriegebiet Zusammenge- Zielsicherheit entstand. Und manche, die auch schon die
kommen waren, die Unruhe von 50 Nächten nachzitterte, Tagungen der ersten: Jahre mitgemacht haben, sprachen
sondern auch in Breslau und Stuttgart, wo die. äußeren es aus,. daß in: verwandelter, reiferer Art.die: Stimmung
Ereignisse scheinbar ein wenig entfernter waren: und Begeisterung der .Begründungszeit' wieder da war.
. = . . \ Für diejenigen, die zu sprechen hatten, war’ das Erleb-
"In Berlin und Stuttgart waren wir nachmittags und nis des Beschenkt- und Gefördertwerdens. sicher. nicht
abends in Räumen, an die sich. viele Erinnerungen aus geringer als bei denen, die zuhörten. Insbesondere bei
der Zeit der Begründung’ der. Christengemeinschaft den kurzen. Ansprachen zum Gedenken an’ Friedrich
knüpfen. In der Singakademie Unter den Linden und Rittelmeyer, mit denen die. Sonhtagnachmittage einge-
im Stuttgarter Siegle-Haus hatten wir z. B. 1924/25 einige leitet wurden, und. die in Breslau. von G. Husemann;; in
von unseren Anfangstagüungen. Wir ’mußten jetzt oft Berlin von R. Frieling, in Stuttgart von E. Lenz und in
darän zurückdenken. In Berlin’ sprach Gottfried "Huse- Köln von mir gehalten wurden, nahmen: wir. beglückt den
mann einmal davon, indem'er .die alten Programme her- schicksalsgeschenkten . Zusammenklang wat, der doch
vorzög und. feststellte, daß .damals auf einer’ Tagung durch die verschiedenartigsten. menschlichen Ausprägun-
ca..30 ausgewachsene Vorträge über alle Religionen und gen hindurch. möglich ist. Es gab dabei zu ‘unserer’ eige-
Geistesströmungen der Welt gehalten worden seien. Es nen Überraschung keinerlei. Wiederholungen, wohl’ aber
ist etwas Figentümliches um. diese ersten : Tagungen. ein ‘gleichbleibendes, ja durch die zusammenklingenden
Heute kann das. damalige Übermaß an. Vorträgen über Verschiedenheiten:: sogar sich: steigerndes Mitschwingen
Themen, die nur indirekt mit unserem’ Auftrag zusam- der Sphäre, .in der die uns Vorangegangenen weilen. :
mwenhängen, leicht als ein. Fehler. erscheinen. Dennoch

94
In Köln und in Stuttgart war für den inneren Ver- zelne Sätze weben dann in meinem Innern und können
lauf des Zusammenseins das gemeinsame Verweilen im ein kleiner Ersatz sein. Ich komme mir vor wie Parzi-
eigenen, selbstgestaltenen Raume wesentlich. ‘Welche ur- val, immer suchend nach dem heiligen Gral... Y
heimatliche Welt und Sphäre umgibt uns doch in:solchen
Welche Spannung es immer wieder in mir erweckt,
Räumen! Es:war gewiß kein Zufall, daß uns. gerade in
wenn mir der Kamerad, der die Post verteilt, sagt:
den Tagungswochen die Grüße von mehreren Gemeinden
„eine Drucksache ist für dich da“, vermag ich nicht mit
erreichten, in. denen gerade auch. das Motiv des Bauens
bloßen Worten zu sagen. Denn das möchte ich einmal
und des eignen Raumes.eine festliche Rolle spielte: Am
ersten Tagungssonntag bezog ‘die Lübecker . Gemeinde schlicht feststellen: Ihre Zeitschrift hat ein andres Drum
nach langem Suchen .und Darben ‚einen. neuen Raum. und Dran. Man könnte sie nicht nur wegen des hellen
Umschlages unter anderen Zeitschriften als lichter her-
Acht‘ Tage vorher war in Zürich die Grundsteinlegung
ou

ausfinden._ — Ich habe dreimal in der Woche Nacht-


und: in Rostock.die Raumweihe des Kultraumes in eige:
dienst. ‚Beim Tagesdienst wach zu bleiben, ist keine
nen..-Häusern gefeiert. :worden. Es.ist- doch wohl. berech-
Kunst, aber des Nachts nicht einzuschlafen, wenn ein

tigt zu.sagen, daß solche Räume, wie.wir- sie in Dres-


drückender 'Flanderntag hinter einem liegt, erfordert
den, Köln. .und Stuttgart.:haben, heute. anfangen, eine
-

eine besondere "Willensanstrengung, besonders dann,


Wahrheit,. ein wahrer Ausdruck. für einen inneren Tat-
wenn das zu überwachende Gerät nicht viel bringt. Da-
bestand zu sein. Gerade die Sommertagungen.in diesem
Kriegsjabre haben uns empfinden lassen, :daß. wir, mit
her ist es, auch erlaubt, zu lesen. Goethe kann man bis
gegen */sl Uhr verdauen, daun schläfert er ein. Ich habe
dem. inneren Haus- und Tempelbau, der unser Auftrag
ist, an einen wichtigen Punkt haben kommen dürfen, mir dann häufig Gedichte hergesagt, denn ein eingeschla-
on . -EmilBoc | fener Soldat wird mit Recht vor das Kriegsgericht ge-
stell. Nun habe ich gerade bei der Julinummer der
Aus Soldatenbriefen „Christengemeinschaft“ erlebt, daß man ganze Seiten
Diese Wochen und Tage habe ich viel an unsere Ta- auch bis gegen 4 Uhr lesen kann, ohne müde zu wer-
gungen gedacht und ihren Verlauf zu begleiten ver- den. Eine „spannende“ Lektüre ist beim Dienst unge-
sucht, nicht ohne schmerzliche ‚Gefühle. So ist es jetzt eignet, da immer wieder zwischendurch die volle Auf-
wohl allen „z. Zt: im Höeresdienst‘“‘ gegangen. Aber man merksamkeit für das Gerät notwendig ist. Aber gerade
kann es nicht bedauern, diese Lehrzeit durchzumachen. das ist mir heute nacht aufgegangen: obwohl ich vorher
Täglich stellt man fest: So wie man ohne diese Erfah- ganz im Stoff der Zeitschrift gelebt hatte, — ich war
rungen vor die Menschen getreten wäre, hätte man doch gleich wieder „da“ und zwar ganz. Die sonstigen Mittel,
an demen, auf die es gerade ankommt, ‚ vorbeigeredet. die allgemein üblich sind, Bohnenkaffee, Rauchen, kal-
Man wird anders reden und schreiben, — wenn man das tes Waschen, helfen nur immer für ganz kurze Zeit,
dann später wieder gelernt. hat. | . S während die Lektüre Ihrer Zeitschrift einer dauernden
Kraftzufuhr vergleichbar ist. Mir wäre es daher ganz
"Das Schicksal verlangt ein sicheres "Dastehen und ein lieb, wenn sie öfter erscheinen könnte. KR
handfestes Wirken. Ich danke es der Christengemein-
schäft, daß ich vo x "meiner Feuertaufe schön zu’ meinem "‚Orlog* nennen die Niederländer den Krieg. — Liegt
Schicksal habe’ „ja“ 'sageh "Können. Dieses „Ja“ ist kein im Klang dieses: Wortes nicht etwas .von der. geheimnis-
Freibrief "für den Himmel und’auch kein Garantieschein vollei Art dieses vielgestaltigen „Wesens“ in. seiner
für "Unyerletzbarkeit, : ‘es ‚mindert: keine “Anistrengüng Dämonie. ‚Vielleicht konnte die Lautbildung nur in einem
und Entbehrung, äber es nimmt einem die Furcht; macht Land wis Holland entstehen, das nur den mittelalter-
einen sicher und entschlossen. Innere Ruhe ‘und- Sicher- lichen „Orlog“ kannte, der wohl — wie kaum sonst —
heit sind allerdings "Helfer, sowohl bei großen Anstren- die unheimlichen Geheimnisse ‘des Krieges offenbärte.
gungen, ‘als auch erst recht-wenn Feuer und Eisen ‘um Doch zugleich klingt ein Akkord hindurch, der mir nur
einen heruxiispritzen. Und 'mit innerer Ruhe kann man einen verwandten Klang-hat in „Michael“.
Er;
auch den Kameraden i in ihrer Not helfen, ohne ein ‚Wort "Sehen ‘wir ihn nicht nächtens mit Schild und Schwert
sagen zu brauchen. Den Tod fürchte’ ich nicht, weil ‘er gewappnet einherschreiten? Ist es nicht, als spaunte. er
für: wich nicht das Ende des Lebens“bedeutet; und falls (den Arm zu einem mächtigen Hieb, alles alte, faulige' zu
mir bestimmt ist, ineine gesunden Glieder zu verlieren, erschlagen. Die Träger: seines Schwertes sind die Strei-
"was wohl das Schlimmste ist, so werde ich auch dazu das ter Mann gegen Mann. Ihrer Vielzahl Waffen und ihrer
Ja mir abringen... - o "X. Tapferkeit Summe sind die Werkzeuge seines Geistes. _
Wer ‚aber: sind die Träger: seines Geistes? — A:
Unsere Körper werden gut durchgearbeitet, aber um
die Seele kümmert man sich naturgemäß wenig.. Ich bin
froh, daß ich in unserer: Zeitschrift viel Schönes finde, .. . M ittei 1 ung. Der angekündigte öffentliche: Seminar-
um’ an.der-Seele zu.bauen. Im vorigen Heft hat mir der kurs findet vom 22,—29. Sept. statt. Es kann jeder teil-
Aufsatz‘ von Dr.: Rittelmeyer ;;Die ‚Himmelsherkunft nehmen, der die .Gelegenheit zu geistig-religiöser Ver-
tiefung sucht. Das Programm kann durch ‚uns bezogen
Christi“ sehr.viel Gedanken und Anregungen: gegeben,
werden. Iu erster Linie wird der Kurs jedoch gehalten
heute morgen vor dem Wecken habe ich noch darin .ge- für werdende Priester ‘und solche, die in das Seminar
lesen. Die- Menschenweikehandlung vermisse ich- sehr “aufgenommen werden wollen. Aufnahmen in ‘das Semi-
und bemühe mich trotz größten Lärms, daran zu den- nar. Sinden ner gelegentlich der öffentlichen Kurse statt.
ken, wenn Ihr in Köln die-heilige Handlung feiert. :Ein- . G: Husemann,. Stuttgart 13, Spittlexstr. 11

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: Zur Geschichte des Kultus
Wir Menschen sind durch die Beschaffenheit unsres baren Wahrnehmen entzogenen Geistwelt in Verbin-
gegenwärtigen Leibes nicht nur von der geistigen Welt dung bleibt. Diese geschichtliche Aufgabe hat die römi-
getrennt, sondern im selben Sinne auch vom andern sche (wie auch die griechische) Messe erfüllt.
Menschen. Die Vorstellung von. einer unmittelbaren Mit dem Anbruch der Neuzeit aber erhob die Mensch-
Wahrnehmung dessen, was in einer andern Seele vor- heit in der Reformation den Anspruch, eine persön-
geht, vom „Gedankenlesen“, führt heute in das Gebiet liche unmittelbare Beziehung zur Gnade Gottes zu
des Abmormen, Bezweifelbaren und nicht ganz ernst Ge- finden. Noch lag wie selbstverständlich der Verzicht 'zu-
nommenen. Normalerweise sind wir daran gewöhnt, uns grunde, die Tore zur Geistwelt wieder zu öffnen. Die
durch die Sprache verständigen zu müssen und selbst Reformation stellt den Versuch dar, durch die Innig-
von der Sprache hat man gesagt, sie sei ein Mittel, die keit des persönlichen Glaubens die Gnade des -unsicht-
Gedanken zu verbergen. Die Kunst in der Seele eines baren Gottes zu erflehen. Die Entfernung zur Geistwelt
andern Menschen zu lesen, besteht zunächst aus dreierlei war noch größer geworden, auch ihre mystische Wirk-
Elementen: Von der allgemeinen Erscheinung des Andern samkeit im Kultus nicht mehr faßbar. Aber nun war
sich die Umrisse seiner inneren Beschaffenheit anzeigen der Weg betreten, der von der einzelnen freien Persön-
zu lassen; dann den Schattenwurf seelischer Vorgänge lichkeit zu Gott führen sollte. .
in Blick und Miene, Haltung und Geste in seinem fört- “ Nun hat die Menschheit auf ihrer Bahn den Punkt
währenden Spiele zu entziffern und dann auf diesem der äußersten Geistferne überschritten und die Vorhut
Hintergrunde hineinzuhorchen in .die Worte und ihre ist aufgebrochen, die geistige Welt ihrem eignen Willen
Klangfarbe. Nur noch vereinzelt wird diese Kunst be- gemäß mit dem Willen wieder „an sich zu reißen“, den
herrscht, und die Mehrheit dessen, was heute unter uns Christus wieder in seiner Macht und Glorie auf seine
geschieht, ist dadurch gekennzeichnet, daß schon der Altäre herabzurufen.. Die Menschenweihehandlung ist
Mensch dem Menschen ein unbekanntes, undurchschau- der Ausdruck dieses Willens. Wieder eine kultische Form
bares, verborgenes Wesen geworden ist, Es bedarf ganz der. christlichen Religion, aber mit dem umgekehrten
ungemeiner Anstrengungen, sich das Über-sinnliche im Vorzeichen wie die katholische, mit der umgekehrten
Andern zu vergegenwärtigen. . Richtung. Hatte die römische Messe die geschichtliche
Aber in dieses Verhältnis zueinander treten wir erst Aufgabe, der Menschheit auf dem letzten Abstieg ins
ein durch das Geborenwerden, durch .das Eintauchen in Tal des Todes für die Zeit der äußersten ‚Verfinsterung
den Erdenleib. Vorher leben und lesen die Seelen in- den tröstlichen Glauben an eine höhere Welt und den
einander wie in eigenen Empfindungen und Gedanken. Erretter zu erhalten, so stellt die Menschenweihehand-
All unsre Liebe zueinander ist eine sehnsüchtige Erinne- lung den beginnenden Anstieg auf der andern Seite des
rung an diesen verlorenen Zustand, Tales dar, hinein ins Hellerwerden und in die Morgen-
Die Welt aber, aus der wir kamen, ist uns auf dem- dämmerung 'erwachender Organe für die geistige Welt.
selben Wege verlorengegangen. Die sehnsüchtige Erinne- Sie..wendet sich nicht mehr ‘an den.blinden Glauben, son-
rung an sie liegt allem religiösen Streben zugrunde. Es dern der Glaube an die Heilung der Blindheit ist ihre
war nicht immer so. In der Frühe. der Menschheit lebten erste Voraussetzung. Sie wendet sich zunächst im Gegen-
die Seelen auch im Erdendasein in selbsiverständlicher satz zur römischen Messe an den Willen zum verstehen-
Gemeinschaft mit: den Göttern. 'Es folgte eine andere den Ergreifen dessen, was, in ihr vorgeht und wirksam
Zeit, wo es besonderer Bereitungen bedurfte, die Sprache werden will. Und. das. ist viel. In ihr schlägt das Herz
der Götter noch zu hören. Nur eine immer kleinere Än- des Himmels. . . : .
zahl starker Seelen konnte den Abgrund überbrücken. Noch aber steht. die Erneuerung des Christentums vor
Ihr oblag die Führung der. Menschheit. Das war die Zeit der Aufgabe, das erlösende, heilende Wirken des Chri-
der „Mysterien“. Auch sie ging zu Ende, und nur noch stus für Seelen zu vergegenwärtigen, deren Wahrneh-
letzte verblaßte Reste reichten bis an die Zeitenwende mungsfähigkeit noch nicht für ein persönliches über-
heran. Die Begründung des Christentums fällt schon in sinnliches Erfahren dieser Wirksamkeit hinreicht. Und
die Epoche der Verdunkelung der. geistigen Welt für wieder bietet sich.als wirksames Mittel der Kultus dar,
das menschliche Bewußtsein. Und die christliche Reli- die Verkörperung der übersinnlichen Inhalte und Vor-
gion fand als erste die Aufgabe vor, eine entschwundene gänge in der.Gestalt, die.dem Auge und Ohr zugänglich
übersinnliche Welt für das Erleben zu ‚vergegenwärti- ist, in der Sprache der Zeichen, der Symbole. Ebenso
gen. Sie tat. es durch den alten Messekultus. Dieser wie wir Menschen durch unsre Verkörperung für ein-
reicht in unsre Zeit herein. Die römische Messe ist in ander wahrnehmbar sind und durch die Sprache ein-
ihrer ganzen Form und Wirkung charakterisiert durch ander erfahren können, ebenso ist die Menschenweihe-
die Absicht, die „Realpräsenz“, die wirkliche Gegen- handlung als Herzstück und Zusammenfassung der sie-
wart des Christus, zu bewirken für blinde Seelenaugen ben Säkramente eine Verleiblichung des Christus selbst,
des Priesters. wie des Gläubigen. Der blinde Glaube deren Sprache durch Erscheinung, Zeichen und Wort im
sollte das Organ sein, das durch die undurchschaute selben Sinne den Weg zur Begegnung und Berührung,
Magie des Kultus mit der dem . Wissen und unmittel- zur wahren Kommunion eröffnet. Wilhelm Kelber
Bezugspreis und Postscheckkonto auf der zweiten Umschlagseite.
— Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann eine
Gewähr nicht übernommen werden. Rückportöo bitte beilegen, Schriftleiter:
Lie. Emil Bock, Stuttgart-O. Für Anzeigen verant-
wortlich: Ernst Scheiffele, Stuttgart! . Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste
Nr.4. (Ermäßigte Grundpreise: Kleine Gelegenheits-
anzeigen wie Stellengesuche usw.: 1/34 Seite RM 4.—, 1/32 Seite RM 3.—.)
Druck: Hoffmannsche Buchäruckerei Felix Krais,
96 Stuttgart. Verlag Urachhaus, Stuttgart 13

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